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Der Daltonplan ist ein modernes Instrument der Schulentwicklung und Schulerneuerung. Die wesentlichen Elemente des Daltonplans sind: - das selbst verantwortete Lernen nach Pensenblättern, - das Lernen in Freiheit, - das ergebnisorientierte Lernen innerhalb einer bestimmten Periode. Der Daltonplan ist eine Methode, von der wir noch viel lernen und die wir nach den regionalen Bedürfnissen immer wieder anpassen und aktualisieren können. Besonders für die Sekundarstufe und für die Hochschule bietet der Daltonplan Anleitungen zum individuellen Lernen und Studieren. Beim computerorientierten Lernen ist der Daltonplan ein wichtiges Hilfsmittel. Der Daltonplan ist ein "way of life" (Helen Parkhurst) - dieses Buch eine gelungene Übersicht dazu!
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Seitenzahl: 355
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Harald Eichelberger (Hrsg.)
Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik
Harald Eichelberger (Hrsg.)
StudienVerlag
InnsbruckWienMünchenBozen
© 2002by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6010 Innsbrucke-mail: [email protected]
Buchgestaltung nach Entwürfen von Kurt Höretzeder/Circus, InnsbruckUmschlag und Satz: Markus Anderwald/StudienverlagUmschlagfotos: Dagmar Hackl
Die Deutsche Bibliothek – CIP-EinheitsaufnahmeEin Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
ISBN 978-3-7065-5791-7
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Band auf die doppelgeschlechtliche Schreibweise verzichtet und jeweils nur die maskuline Variante verwendet.
Bei der Schreibweise von „Daltonplan“ galt die Entscheidung von Susanne Popp als maßgeblich. Werden andere Autoren zitiert, wird jeweils deren Schreibweise übernommen, bei Helen Parkhurst selbstverständlich die englische Originalvariante (Dalton Plan).
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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Harald Eichelberger
Vorwort
Harald Eichelberger
EinführungA Way of Life
Harald Eichelberger
Der Daltonplan – ein Überblick
Der Daltonplan nach Helen Parkhurst
Helen Parkhurst und die Entstehung des Daltonplanes
Charakteristik des Daltonplanes
Die Dalton-Prinzipien
Anthropologische Auffassung
Die Unterrichtsorganisation nach dem Daltonplan
Die Lernpensen im Daltonplan
Leistungsfeststellung und Beurteilung
Zusammenfassung
Susanne Popp
Zwischen Wahrheit und Legende
Zur Verbreitungsgeschichte des Daltonplans
Probleme der Rezeptionsgeschichte des Daltonplans
Skizze der mangelhaft dokumentierten Rezeptionen
Die englische Rezeption des Daltonplans
Die amerikanische Rezeption des Daltonplans
Die sowjetrussische Rezeption des Daltonplans
Die deutsche Rezeption des Daltonplans
Zusammenfassung
Susanne Popp
Der DaltonplanEine zukunftsfähige Unterrichtskonzeption für die Sekundarschule?
Der Daltonplan und die Schule von morgen
Was macht den Daltonplan aus?
Der Daltonplan und die kollegiale Kooperation
Harald Eichelberger
Textstellen aus:„Education on the Dalton Plan“ von Helen Parkhurst
„Einleitung“
„Der Daltonplan“„Die Anfänge des Dalton Laboratory Plans“
„Die Grundsätze des Plans“
„Der Plan in der Praxis“
„Seine Anwendung“„Ein konkretes Beispiel“
„Pensen – wie macht man die?“
„Beispiele von Pensen“
Dagmar Hackl
Schulentwicklung am Beispiel einer Grundschulklasse
Ausgangslage und Zielsetzung dieses Projektes
Die Daltonplan-PädagogikWie Helen Parkhurst ihr Unterrichtskonzept sah
Die Aktualisierung des Daltonplans in WienEin Pilotprojekt an einer Wiener Grundschule
Pädagogische Auswirkungen der Einführungdes Daltonplans (Ergebnisse und Schlussfolgerungen)
Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Georg Neuhauser/Helga Wittwer
Das COOL*-ProjektDer Daltonplan in der Sekundarstufe IIEin Dalton-inspirierter Schulentwicklungsprozess an derBHAK/BHAS-Steyr
I. Wie alles anfing
II. Grundzüge des Steyrer COOL-Modells
IV. COOL an der HAK
V. Schlussbemerkungen
Beilagen
Wolfgang Schell
Die Freiheit„Daltonisieren“ nach den PrinzipienFreiheit, Kooperation und „Budgeting Time“
Die Kooperation
„Budgeting Time“ oder die Selbsttätigkeit undder verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen
Modell A
Modell B
Literaturhinweise
Autorennotizen zum Daltonplanbuch
Nach dem „Handbuch zur Montessori-Didaktik“ und dem ersten in Österreich publizierten „Jenaplan-Buch“ „Der Jenaplan heute“ ist das Buch „Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik“ nun der dritte Band in einer Reihe über reformpädagogische Konzeptionen. Unserer Einschätzung nach wird der Daltonplan von den drei genannten reformpädagogischen Richtungen (Montessori-Pädagogik, Jenaplan-Pädagogik, Daltonplan-Pädagogik) die am wenigsten bekannte Konzeption sein. In anderen Teilen Europas, wie z.B. in den Niederlanden, ist der Daltonplan hingegen die am stärksten und schnellsten wachsende pädagogische Basis zur Reform und Erneuerung der Schule. Der geringe Bekanntheitsgrad und die Aktualität sind Gründe genug, um den Daltonplan umfassend in seiner Bedeutung für eine moderne Schulentwicklung darzustellen.
Wenn wir ein reformpädagogisches Konzept darstellen und studieren, müssen wir den Blick unseres geistigen Auges sowohl in die Vergangenheit wie auch in die Zukunft richten. Dem Grundsatz der Authentizität treu bleibend, ist es notwendig zu den Wurzeln einer pädagogischen Idee vorzudringen und diese Idee in ihrer konzeptuellen Ganzheit und in ihrem historischen Kontext zu studieren.
Jede pädagogische Konzeption bestimmt aber nicht nur das pädagogische Handeln der jeweiligen Gegenwart mit, sondern will zugleich Anweisungen für die Zukunft geben. Das gilt gleichermaßen auch für den Daltonplan. Doch erst auf Grund der vorgeschichtlichen Zusammenhänge lässt sich vollständig abklären, ob eine Theorie oder ein Schulmodell in die Gegenwart und in die Zukunft hinein wirken kann und soll. Eine „reform“-pädagogische Konzeption darf aber nicht allein an ihrem Traditionsbezug gesehen und verstanden werden; sie muss auch in der Gegenwart und in der Zukunft Bestand haben. Andernfalls wäre sie einer Seifenblase vergleichbar, die schnell anschwillt und nach kurzem Fluge wieder zerplatzt.
Wir wollen dem Leser des Buches beides ermöglichen: Das Studium des Daltonplanes in seinem Traditionszusammenhang und das Studium das Daltonplanes hinsichtlich der Kraft der Erneuerung und der Reform der Schule. Aktive Schulentwickler begegnen in ihrem Arbeitsprozess früher oder später immer der Frage „Was ist an pädagogischen Konzepten schon vorhanden?“ oder „Was gibt es schon und was muss ich daher nicht mehr neu erfinden?“ In diesem Sinne zeigt das Buch den Daltonplan als pädagogische Idee und als pädagogische Erfahrungen seiner Schöpferin Helen Parkhurst wie auch die historische Entwicklung des Planes und die Entwicklung über die Jahrzehnte bis hin zu den Modellen aktueller Schulentwicklung in der Schule von heute, und erstmals kann Helen Parkhursts Standardwerk „Education on the Daltonplan“ auszugsweise in deutscher Sprache studiert werden. Nun, beginnen wir bei den Ideen Helen Parkhursts:
„The true business of the school is not to chain the pupil to preconceived ideas, but to set him free to discover his own ideas and to help bring his powers upon the problem of learning.“ (Helen Parkhurst in Education on the Dalton Plan, 1922).
„Let us think of a school as a social laboratory where pupils themselves are the experimenters, not the victims of an intricate and crystallized system ... Let us think of it as a place where community conditions prevail as they prevail in life itself.“ (Helen Parkhurst in Education on the Dalton Plan, 1922).
Und in diesem Sinne hoffen wir, dass die Beiträge dieses Buches helfen, das Denken über Schule, die Schule selbst und auch das Schulsystem im Sinne der Schöpferin des Dalton Planes zu entwickeln.
Harald EichelbergerWien, Jänner 2002
„Dass es nichts Neues unter der Sonne gibt, ist in der Erziehung ebenso wahr wie anderswo. Die Methode der Organisation und des Unterrichts, wie sie Helen Parkhurst in ihrem Dalton-Plan beschreibt, bildet keine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel.“
(Percy Nunn)
Prägend für die Entwicklung des Daltonplanes sind die Umstände, die zu seiner Entstehung geführt haben. Helen Parkhurst erhielt wesentliche Anregungen für die genauere Ausgestaltung des Daltonplanes – in der Anfangsphase „Laboratory method“ genannt – durch Maria Montessori. Der eigentliche Ausgangspunkt der „Laboratory method“ waren die Nöte der Lehrerin Helen Parkhurst, als sie sich in der Situation sah, in einer einklassigen Volksschule zur gleichen Zeit mehrere Jahrgänge unterrichten zu müssen. Ein erster Schritt zur Lösung dieses Problems bestand für Helen Parkhurst in der Einrichtung so genannter „Gegenstandswinkel“ – „subject corners“. In diesen „subject corners“ fanden die Kinder didaktische Materialien, die eine freitätige Arbeitsweise erlaubten. Mit der Einrichtung dieser „subject corners“ war die allgemeine Frage nach der Individualisierung der erzieherischen und unterrichtlichen Arbeit für die Junglehrerin Helen Parkhurst in den Vordergrund gerückt. Dies geschah 1905, also zu einer Zeit, zu der John Dewey seine Hauptwerke noch nicht geschrieben hatte. Zwar bezieht sich Helen Parkhurst immer wieder auf John Deweys Schriften1, konkrete Antworten hinsichtlich ihrer spezifischen Schulprobleme sucht sie in den ersten Jahren des vorigen Jahrhunderts aber bei Maria Montessori und deren Konzept einer selbsttätigen Erziehung, auf das sich Helen Parkhurst später immer wieder fachlich beruft.
Helen Parkhurst sah in ihrem Plan ein erstes Reforminstrumentarium, um für die gesamte Schule den Prozess einer „reconstruction“ einzuleiten, und zweitens ein didaktisches Instrumentarium in einem exemplarischen Sinn, das überall anwendbar ist, wo die Voraussetzungen gegeben sind.2„Daher soll hier auch der Standpunkt vertreten werden, dass mit dem Dalton-Plan ein bedeutsames Schulkonzept vorgelegt wurde, dessen Lebenskraft keineswegs auf die kurze Entwicklungsperiode in den zwanziger und dreißiger Jahren begrenzt zu sein brauchte. Der Dalton-Plan ist vielmehr nicht bloß ein historisches Kapitel der neueren Bildungsgeschichte, sondern er ist auch gegenwärtig in den verschiedenen Schulformen anwendbar, weil er noch heute empfindlich spürbare Schulschäden zu überwinden versucht. Der Dalton-Plan erfordert ein hohes Maß didaktischer Reife und Urteilsfähigkeit, soweit er pädagogisch überzeugend umgesetzt werden soll.“3
Die Grundabsichten ihres Konzeptes, das, basierend auf der erwähnten Ausgangssituation, von Helen Parkhurst in jahrelanger Denkarbeit bis 1913 entwickelt worden war, beschreibt sie selbst folgendermaßen:
1. „(...) Erneuerungen der Schulprozesse, sodass Kinder sowohl mehr Freiheit als auch einen Lebensraum genießen können, der besser auf ihre Studien eingerichtet ist (...)“.
2. „Vor allem wollte ich die persönlichen Schwierigkeiten der Kinder überwinden helfen und die gleiche Entwicklungsmöglichkeit für das langsame wie für das aufgeweckte Kind schaffen.“
3. „1913 hatten wir den Laboratoriumsplan ausgearbeitet, sodass der Stundenplan teilweise abgeschafft werden konnte.“
4. „1913 begannen wir die Kinder in Gruppen einzuteilen, damit verbunden war die freie Wahl der Laboratorien.“4
Neben der grundsätzlichen Neugestaltung der Schule ist die Individualisierung des Unterrichts das zentrale Anliegen von Helen Parkhursts Konzept, das Lernen in einem individuellen Rhythmus erlaubt. Daher scheint es folgerichtig, dass Helen Parkhurst 1914 nach Rom reist, um die Pädagogik der Selbsttätigkeit bei Maria Montessori zu studieren. In diesem Zusammenhang schreibt Hermann Röhrs, dass „erst das Prinzip Maria Montessoris, die selbstständige Lernarbeit durch ein didaktisch vorgeformtes und daher individuell stimulierendes Material zu sichern“, die Methode Helen Parkhursts zu einem pädagogischen Konzept gemacht hat, das das gesamte Schulleben zu durchdringen vermag. „So sind die assignments als didaktische Garanten der freien Arbeitsweise ebenso wie die didaktisch strukturierten Facharbeitsräume erst nach der Auseinandersetzung mit Maria Montessori möglich.“5
Die Realisierung von Schule als Lebensraum lebendig motivierten Studierens in unmittelbarer Auseinandersetzung mit den Dingen setzt das Zusammenwirken mehrerer didaktischer Einrichtungen und Faktoren voraus:
• die die selbsttätige Arbeit erst ermöglichenden assignments,6
• die veranschaulichenden und zur selbsttätigen Arbeit anregenden Facharbeitsräume,
• die Rolle des Lehrers als Anreger und Berater und
• das Eigenstudium der Schüler.
Auf Grund der Notwendigkeit des Zusammenspiels dieser Elemente spricht Helen Parkhurst in Zusammenhang mit ihrem Daltonplan von einer synthetischen Zielsetzung.7Diese beschreibt sie in „Education on the Dalton Plan“ sehr differenziert: „Es (das Eigenstudium, Anm. d. Verf.) weckt in dem Kind einen Geist des Selbstvertrauens und der Initiative; dadurch beginnt sofort die Charakterbildung. Das ist Lebenserfahrung für das kleine Kind. Es lernt seiner eigenen Lebenserfahrung entsprechend zusammen mit seinen Mitschülern, die alle das gleiche Abenteuer suchen. Es formt während seines Schullebens die gleichen Beziehungsarten aus, die es später im Geschäfts- oder Berufsleben antreffen wird. Es lernt, indem es versucht (He is learning by trying).“8
Die Sicherung der kindlichen Arbeit durch die schriftlichen Arbeitsbeschreibungen (assignments) erlaubt es dem Kind – unter beratender Mitwirkung des Lehrers –, in Facharbeitsräumen seinen Interessen und Lernschwerpunkten nachzugehen. Die assignments ermöglichen darüber hinaus ebenso die Abkehr vom klassikalen Organisationsprinzip der Schule. Die Grundbedingung eines assignments bestimmt Helen Parkhurst wie folgt: „Die erste Bedingung eines guten assignments ist, dass es unmissverständlich geschrieben ist, nicht nur mündlich gegeben wird, dass es klar formuliert ist und durch seine Gestaltung dem Kinde deutlich macht, wohin es geführt werden soll.“9
Ein weiterer wichtiger Vorteil für die individuelle Arbeit ergibt sich fast zwangsläufig aus dem Überblick über die gesamte Aufgabenstellung, der erst durch die Verschriftlichung derselben möglich wird. Dadurch kann jedes Kind die seinem Leistungsstand entsprechende Arbeitsweise und sein Arbeitstempo bestimmen. Auch „das langsamere Kind kann sich auf die wichtigsten Fragen eines Gegenstandes beschränken und daran arbeiten, bis es sie durch und durch beherrscht.“10 Die motivierende Wirkung der assignments wird durch die didaktisch kluge Ausstattung der Facharbeitsräume noch sinnvoll ergänzt. Die Kombination der assignments und der Facharbeitsräume lässt den Eindruck einer „Kinder-Universität“ durchaus als gerechtfertigt erscheinen.
Formen der Selbstkontrolle und der Selbstprüfung gehören wesenhaft zu einer selbstständigen und selbsttätigen Arbeit der Kinder in der Schule. Im Sinne des genannten Überblicks über die Arbeit der Kinder schafft Helen Parkhurst Berichtformen, die es dem Lehrer und den Kindern aktuell ermöglichen, die Arbeit an den assignments zu dokumentieren. Zu den drei Berichtformen, die sie vorschlägt, schreibt sie: „Es gibt drei verschiedene Diagrammformen. Die erste ermöglicht es jedem Fachlehrer und Berater, den individuellen Fortschritt eines jeden Kindes zu verfolgen und ihn mit dem der anderen Klassenmitglieder zu vergleichen. Sie befähigt das Kind selber seinen Fortschritt mit demjenigen seiner Klassenkameraden zu vergleichen. Aber Mary hat auch ihr eigenes Arbeitsdiagramm, in dem sie über ihren täglichen Fortschritt berichtet. Das dritte Diagramm zeigt den Fortschritt der Klasse oder einer Gruppe wie auch den individuellen Fortschritt.“11
Dem Daltonplan gegenüber wurde oft der Einwand erhoben, dass vor allem die Arbeit an den assignments in den Facharbeitsräumen eine sozial verdünnte Situation erwirke. Dieses Argument hat auch Peter Petersen dazu veranlasst, seinen Jenaplan einen „Widerpart des Dalton-Plans“12 zu nennen. Helen Parkhurst bezieht gegen diese Kritik klar Stellung. Als erstes Prinzip des Daltonplanes nennt sie die Freiheit, doch schon als zweites Prinzip betont sie die Interaktion: „Der zweite Grundsatz des Dalton-Plans ist die Kooperation oder, wie ich ihn zu nennen bevorzuge, die Interaktion im Gruppenleben.“13 Sie umschreibt dieses Prinzip mit verschiedenen Wendungen, wie „social experience“, „sense of responsibility“, „socialisation“14, und betont an anderer Stelle in ihrem Hauptwerk „Education on the Dalton Plan“: „Diese Sozialisation in der Schule, wie ich sie nenne, ist für den Erfolg des Experiments ebenso wichtig wie die Freisetzung der Kinder.“15 Dass dieses Prinzip funktioniert, bestätigen auch immer wieder die Pädagogen, die den Daltonplan „schulerneuernd“ und „schulentwickelnd“ in die Praxis umsetzen; C.W. Krimmins und Belle Rennie, die neben A. J. Lynch die Daltonplan-Bewegung in England initiiert haben, schreiben: „Die Schule wird – sobald sie nach dem Dalton Plan organisiert ist – eine soziale Gemeinschaft, die nicht nur auf das Leben vorbereitet, sonder selbst Leben ist.“16 In diesem Werk wird der Daltonplan als ein Schulmodell verstanden, dessen entscheidende pädagogische Kriterien die Individualisierung der Schularbeit und die soziale Fundierung des Schullebens sind. Auch die Praxis der Daltonplan-Schulen in den Niederlanden zeigt die Betonung der Sozialisationsfaktoren in einer modernen Anwendung des Planes Helen Parkhursts.
Für Herrmann Röhrs ist der Daltonplan eine Chance, „die Schule so zu erneuern, dass aus der bloßen Lernarbeit ein selbst verantwortetes Studieren wird, dessen Methode in entwicklungsspezifischer Weise einsichtig bleibt“, und stellt ebenso ein „pädagogisches Faszinosum“ dar, das in seinem ganzen Ausmaß überhaupt noch nicht ins Auge gefasst und erprobt wurde.17 Moderne Schulentwicklungsarbeit in den USA bietet in diesem Sinne durchaus erstaunliche Varianten des Daltonplans:
„(...) as Lawrence A. Cremin suggests, four dominant themes present throughout the movement:
1. a broadening of the school to include a direct concern for health, vocation, and the quality for community life;
2. the application in the classroom of more humane, more active, and more rational pedagogical techniques derived from research in philosophy, psychology, and the social sciences;
3. the tailoring of instruction more directly to the different kinds and classes of children who were being brought within the purview of school; ...
4. and finally, the use of more systematic and rational approaches to the administration and management of the schools“.18
Schulentwicklung und Schulerneuerung nach dem Daltonplan sind Inhalt eines noch neuen, ziemlich kurzen, aber umso interessanteren Kapitels in der österreichischen Schulgeschichte. Wichtige Beispiele sind in diesem Buch nachzulesen. Die Entwicklungen haben wesentliche Anregungen erfahren durch die Aus- und Fortbildungsveranstaltungen zur Reformpädagogik an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien. Dieses Buch bietet durch die Darstellung des Daltonplanes in Form eines Studientextes die pädagogischen Grundlagen für Schulerneuerung und Schulentwicklung und die illustrierenden Beispiele engagierter Pädagoginnen und Pädagogen. Dabei kommt dem Daltonplan für eine fundierte pädagogische Reform des Sekundarschulwesens eine entscheidende Bedeutung zu: Er ist nicht nur ein wichtiges didaktisches System, er stellt nicht nur eine methodische Struktur dar, sondern er ist – wie andere „Pläne“ auch – für die jeweilige Schule adaptierbar, er ist selbst entwickelbar. Für die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen, die sich mit dem Plan Helen Parkhursts auseinander setzen, wird dieser (selbst)verständlich und er wird einsichtig als „a way of life, a way of lifelong learning“.
1 Auch wenn sich Helen Parkhurst hinsichtlich der Fundierung ihres „Planes“ auf John Dewey beruft, so finden sich die überzeugten Anhänger des Daltonismus anfangs in England und nicht in den USA.
2 Vgl. dazu Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik. Ursprung und Verlauf unter internationalem Aspekt. 8. Aufl. Deutscher Studien Verlag, 1998. 89.
3 Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik. 89.
4 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 13.
5 Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik. 90.
7 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 29.
8 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 33.
9 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 58.
10 Dewey, Evelyn: The Dalton-Laboratory-Plan. New York, 1922. 8.
11 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 44.
12 Petersen, Peter (Hrsg.): Die Praxis der Schulen nach dem Jena-Plan. Weimar, 1934. 81.
13 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 19.
14 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 19.
15 Parkhurst, Helen: Education on the Dalton Plan. 46.
16 C. W. Krimmines und Rennie Belle: The Triumph of the Dalton Plan. London, o. J. 100.
17 Röhrs, Hermann: Die Reformpädagogik. 97.
18 Cremin, Lawrence A.: American Education: The Metropolitan Experience. New York, 1988. In: Semel, Susan F.: The Dalton School. New York, 1992. 9.
Helen Parkhursts Daltonplan wurde nach der Stadt Dalton in Massachusetts benannt. Englische Pädagogen waren es vor allem, die dieses Reformkonzept für die Sekundarstufe international bekannt gemacht haben. Heute ist der Daltonplan in den Niederlanden am weitesten verbreitet. Hier kommt er nicht nur in der Sekundar-, sondern ebenso in der Primarstufe zur Anwendung; in der Fachliteratur ist dann meist vom „Sub-Daltonplan“ die Rede.
Susanne Popp, die mit ihrem Buch „Der Daltonplan in Theorie und Praxis“ eine klare und übersichtliche Darstellung des pädagogischen Konzeptes Helen Parkhursts liefert, beschreibt das zentrale Element der Daltonplan-Pädagogik folgendermaßen: „Das Grundprinzip besteht also darin, die (traditionellen) Lehrstrategien in eine Didaktik der Aneignungsstrategien zu übersetzen.“1
Helen Parkhurst wurde am 8. März 1886 in der Kleinstadt Durand in Wisconsin geboren. Parkhursts Kindheit und Jugend blieben von den Wandlungs- und Modernisierungstendenzen der Zeit um die Jahrhundertwende scheinbar unberührt. Sie wuchs, wie auch John Dewey oder William H. Kilpatrick, in jener „face-to-face-community“ auf, in der die Mentalität der Pioniergemeinde zumindest ideologisch noch lebendig war. 1928 führte W. H. Kilpatrik in einem Vortrag die charakteristischen Merkmale der Progressive-Education-Bewegung auf eben diese Mentalität der so genannten „frontier“ zurück: „‚Stärkste persönliche Selbstbestimmung’ und ‚Unwilligkeit gegen Zwang’ verbanden sich mit einer demokratischen Grundeinstellung, mit weltanschaulicher und religiöser Toleranz und einer gewissen Skepsis gegen die ‚letzten Wahrheiten’. ‚Kein Prinzip ist absolut, (...) ein jedes kann nur angewandt werden im Lichte aller anderen Prinzipien, die durch die in Frage kommende Situation veranlasst werden’.“
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