Eine kurze Geschichte der Fantasy - Farah Mendlesohn - E-Book

Eine kurze Geschichte der Fantasy E-Book

Farah Mendlesohn

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Beschreibung

Fantasy ist, obwohl Literaturkritiker wie Akademiker dies gerne ausblenden, das einfluss- und erfolgreichste Genre des 21. Jahrhunderts. Einige der frühsten Bücher unserer Kultur, darunter das Gilgamesch-Epos und die Odyssee, handeln von Ungeheuern, Wundern, phantastischen Reisen und Magie. Gegenwärtig reicht das Spektrum der Fantasy von weltweit rezipierten mehrbändigen Serien bis zu anspruchsvollsten Nischenpublikationen. Die vorliegende Einführung stellt das Genre in den Zusammenhang der euröpäischen Literatur, erzählt seine Geschichte von den Anfängen bis zu den Ursprüngen der modernen Fantasy im 20. Jahrhundert und widmet sich in ihren Hauptkapiteln der Zeit seit Tolkiens ›Herr der Ringe‹, vom Fantasy-Boom der 70er- und 80er-Jahre über den Erfolg der ›Harry Potter‹-Serie bis hin zu aktuellen Entwicklungen.

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Ins Deutsche übertragen von Simone Heller

© 2012 by Libri Publishing

Erstveröffentlichung 2009 in der Middlesex University Press

Die erweiterte Ausgabe erschien 2012 bei Libri Publishing

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2017 by Golkonda Verlag GmbH

Mit freundlicher Genehmigung von AutorInnen und Verlag

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Karin Will

Redaktion: Hannes Riffel

Korrektur: Susanne Claudius und Inger Banse

Gestaltung: s.BENeš [www.benswerk.wordpress.com]

Satz: Hardy Kettlitz

Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin

Golkonda Verlag

Theresienstr. 16

80333 München

www.golkonda-verlag.de

ISBN: 978-3-944720-25-8 [Buchausgabe]

ISBN: 978-3-944720-26-5 [E-Book]

Inhalt

Titel

Impressum

Inhalt

1 | Einleitung

2 | Vom Mythos zur Magie

3 | 1900–1950

4 | Tolkien und Lewis

5 | Die 1950er Jahre

6 | Die 1960er Jahre

7 | Die 1970er Jahre

8 | Die 1980er Jahre

9 | Die 1990er Jahre

10 | Pullman, Rowling, Pratchett

11 | 2000–2010

Chronologie bedeutender Werke und Personen

Bedeutende Werke

Bedeutende Filme, Fernsehserien und andere Medien

Bedeutende Künstler

Bedeutende Herausgeber und Reihen

Glossar

Weiterführende Literatur

Danksagung

Phantastik im Golkonda Verlag

Den vielen unabhängigen Experten gewidmet, deren Wissen in Fanzines, Rezensionen, Büchern, dem Internet und in E-Mails dieses Werk ermöglicht hat.

1 | Einleitung

Während wir dies schreiben, gehören neununddreißig der vierzig Filme, die weltweit die höchsten Einspielergebnisse erzielen, zu den Genres Fantasy oder Science Fiction. J. K. Rowling ist eine der meistverkauften Autorinnen der Welt. Terry Pratchetts Bücher wandern direkt auf die Hardcover-Bestseller-Listen. STAR WARS-Romane dominieren die Taschenbuch-Listen der NEW YORK TIMES. Eine Serie über eine Cheerleaderin, die Vampire tötet, wurde zur Kultserie der 1990er Jahre und führte im Fernsehen zu einer neuen Blüte der Fantasy. J. R. R. Tolkiens Herr der Ringe, ein Buch, das bis heute kontinuierlich erhältlich ist, stand am Ende des 20. Jahrhunderts in Großbritannien bei beinahe jeder Umfrage ganz oben auf der Liste der Lieblingsbücher. In der literarischen Ecke scheint es für jüngere Schriftsteller keine Schwierigkeit zu sein, von der realistischen Belletristik ins Phantastische zu wechseln.

Dennoch gibt es da ein Problem. Susanna Clarke und David Mitchell, zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit Jonathan Strange und Mr. Norrell und Der Wolkenatlas – Bücher, die jeder Fantasy-Fan zu schätzen wüsste – von Kritikern gefeiert und kommerziell erfolgreich, wurden der Welt als literarische Autoren präsentiert. Tolkiens Vorrangstellung und die Beliebtheit von Rowling oder auch Philip Pullman hingegen wurden als Anzeichen einer Infantilisierung der Gesellschaft abgetan, ein Argument, durch das die Fürsprecher der Fantasy sich genötigt fühlen, ihre erwachsenen Qualitäten hervorzuheben. (Wie die zahlreichen Kinder- und Jugendbücher, die hier besprochen werden, belegen, stellen wir die Auffassung infrage, lediglich eine Form von Erwachsensein sei akzeptabel.) Als Rowling und Pullman für den renommierten Whitbread-Literaturpreis nominiert wurden, stieß das literarische Establishement einen kollektiven Schrei des Entsetzens aus. Während Fantasy immer beliebter wird, versuchen Kritiker, das »Lesenswerte« auszusondern, und behaupten, es sei keine Fantasy; Beispiele hierfür sind die Bücher von Jonathan Lethem und Jeanette Winterson. Trotzdem, wie Margaret Doody es ausgedrückt hat: »Wenn Romane von bewunderten Autoren [Italo Calvino und Isabel Allende] von Baronen handeln, die in Bäumen leben, und von Mädchen mit grünen Haaren, dann ist es an der Zeit aufzuhören, so zu tun, als käme es bei längeren Prosawerken darauf an, dass sie ›realistisch‹ seien.«[1]

All das wirkt äußerst sonderbar. Fantasy handelt doch gewiss von Drachen, Elfen, Besenstielen, Feen, Geistern, Vampiren und allem, was die Nacht unsicher macht? Wie wir im Verlauf dieses Buches feststellen werden, liegt die Schwierigkeit darin, dass es – selbst wenn dies ein Autor lesen sollte, der es von sich weist, Fantasy zu schreiben – viele Fantasy-Werke gibt, die keines der oben genannten Elemente enthalten, aber dennoch etwas an sich haben, wodurch wir einfach erkennen, dass wir es mit Fantasy zu tun haben (man nehme z. B. Mervyn Peakes GORMENGHAST-Trilogie oder die Fernsehserie Lost).

Wir (das »Wir« ist ein Hinweis darauf, dass dieses Buch zwei Autoren hat, die sich für sehr unterschiedliche Arten von Fantasy interessieren) werden uns an dieser Stelle nicht mit den Argumenten der Hochkultur befassen, die die Fantasy nach wie vor beiseiteschieben, auch wenn wir darlegen werden, wo sie ihren Ursprung haben. In diesem Buch befassen wir uns in erster Linie mit Autoren, die stolz darauf sind, Fantasy zu schreiben, und mit Büchern, die inzwischen den Kanon der Fantasy-Literatur bilden. Dieses Buch wird viele verschiedene Spielarten der Phantastik abdecken, darunter Horror und Geistergeschichten sowie Fantasy, die für Kinder und Jugendliche geschrieben wurde. Zwar behandeln wir in erster Linie die schriftliche Form, werden jedoch auch phantastische Werke anderer Medien miteinbeziehen, von Gemälden über Comics bis hin zu Film und Fernsehen, obschon wir aus Platzgründen sehr wählerisch sein mussten und es uns – vielleicht paradoxerweise – umso weniger möglich war, dieses Interesse hier abzubilden, je größer das Interesse an der Phantastik in einem bestimmten Medium wurde. So beschäftigen sich zum Beispiel die ersten Kapitel mehr mit bildender Kunst als die späteren, da in den behandelten Epochen viele Protagonisten Künstler und Schriftsteller in Personalunion waren, während die Fantasy-Kunst in den späteren Kapiteln, nachdem sie sich zu einem eigenen Zweig entwickelt hatte, weniger Beachtung findet. Wir hoffen jedoch, dass unsere Liste bedeutender Künstler am Ende des Buches diese Ungleichbehandlung bis zu einem gewissen Grad kompensiert.

Am klarsten kann man die Fantasy anhand der Präsenz des Unmöglichen und Unerklärlichen in Literatur und Kunst definieren. Damit lässt sich auch ein Großteil der Science Fiction (SF) ausklammern, die sich zwar mit dem Unmöglichen befasst, jedoch alles als erklärbar ansieht, während bei dieser Deutung das Genre Horror zum Großteil enthalten bleibt, da es beide Kriterien erfüllt. Darüber hinaus ist diese Deutung kulturspezifisch: Viele Texte lassen sich als Fantasy lesen, so sie denn für eine Leserschaft publiziert werden, die eine Lektüre über etwas »Unwirkliches« erwartet; manchmal entspringen diese Texte jedoch einem Denken, das die Grenze zwischen dem »Wirklichen« und dem »Phantastischen« an anderer Stelle setzt. John Clute, der bei Weitem bedeutendste Genrekritiker, hat für Texte, die immer noch als Bezugspunkte der Fantasy dienen, den Begriff der »Pfahlwurzel« (taproot) erfunden. Damit kann man zum Beispiel Die Pilgerreise zur seligen Ewigkeit als »Pfahlwurzeltext« für die moderne Fantasy verstehen, während er für seinen Verfasser die Vermittlung einer göttlich inspirierten Vision darstellte – und damit nicht im Geringsten phantastisch war. Viele Texte des latein- und südamerikanischen Magischen Realismus lesen sich für ein Fantasy-Publikum wie Fantasy, wurden aber mit einem handfesten Sinn für eine übernatürliche Welt verfasst, die tatsächlich existiert und mit der natürlichen Welt verknüpft ist.

Eine zweite Möglichkeit, sich einer Definition der Fantasy anzunähern, ist der historische Ansatz. Kritiker wie Brian Stableford oder Adam Roberts vertreten die Auffassung, dass das Phantastische in der Kunst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bewusst als Stoff verwendet wurde. Der Aufstieg der phantastischen Literatur und Kunst seit dem späten 18. Jahrhundert ist demnach eine Reaktion auf die Aufklärung und den gleichzeitigen Aufstieg der literarischen und künstlerischen Mimesis. Wir können keinen künstlerischen Ausdruck für das Unmögliche finden, bevor wir nicht eine klare Vorstellung der Grenzen des wissenschaftlich Möglichen haben. Aber vielleicht unterliegen wir, was die Behandlung des Phantastischen in früheren Zeiten angeht, auch einem Missverständnis. Eine äußerst gelungene Macbeth-Inszenierung hat uns kürzlich bewusst gemacht, dass in diesem Stück des frühen 17. Jahrhunderts nichts Übernatürliches jemals erwiesenermaßen stattfindet. Spiegelt der Text (und auch der des Wintermärchens) die Gutgläubigkeit des Verfassers und des Publikums? Oder lädt hier ein skeptischer Autor sein rationalistisches Publikum dazu ein, sich über einen König (Jakob VI. von Schottland und I. von England) lustig zu machen, der dafür bekannt ist, an Hexerei und das Übernatürliche zu glauben? Wenn Letzteres zutrifft, müssen wir den bewussten Einsatz des Phantastischen um mindestens zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit verschieben.

Eine dritte Annäherung an die Fantasy setzt bei den Theorien der Gelehrten an, die sich selbst auf diesem Gebiet betätigt haben. Trotz ihrer Beliebtheit ist die Fantasy von der universitären Forschung ziemlich vernachlässigt worden, und es gibt nur eine gute Handvoll wichtiger Theoretiker in diesem Bereich. Kathryn Hume begreift Fantasy als psychologische und ästhetische Erwiderung auf die Mimesis. Tzvetan Todorovs Konzept der Phantastik schränkt das Gebiet auf ein sehr kleines Segment ein, da für ihn nur jene Texte phantastisch sind, in denen eine »Unschlüssigkeit« aufrechterhalten wird. Der berühmteste davon ist Henry James’ The Turn of the Screw (1898, dt. u. a. unter dem Titel Das Durchdrehen der Schraube), bei dem der Leser selbst entscheiden muss, ob das Phantastische »echt« ist oder nicht. Rosemary Jackson begreift die Fantasy als eine »Literatur des Begehrens«, ein Ausdruck, der von jenen aufgegriffen wurde, die sich für die Psychologie des Phantastischen interessieren. Jackson vertritt auch die Auffassung, dass Fantasy immanent subversiv ist, da sie Alternativen zu und eine Flucht aus der »echten Welt« bietet. Colin Manlove betrachtet die Fantasy als eine Form der Allegorie, und seine Textauswahl ist davon stark eingefärbt.

Unser Buch geht von der Annahme aus, dass Sie, falls Sie sich für Literaturwissenschaft und ihre Definition von Fantasy interessieren, diese Autoren selbst zur Hand nehmen und lesen (am Schluss des Buches findet sich eine Liste mit Leseempfehlungen). Das vorliegende Buch wurde von vier Theoretikern inspiriert: erstens Michael Moorcock, dessen Wizardry and Wild Romance die Fantasy in der Sprache verortet, durch die sie ausgestaltet wird; zweitens Brian Attebery, der in Strategies of Fantasy das Genre als eine »unscharfe Einheit« betrachtet, die aus einem Kern und einer sogar noch schwerer bestimmbaren Korona von Texten besteht; drittens John Clute, dessen Grammatik der Fantasy in The Encyclopedia of Fantasy vier Stufen aufweist: Falschheit, Schwinden, Erkenntnis und Heilung (wobei Clute in jüngster Zeit den Begriff »Heilung« durch »Wiederkehr« ersetzt hat);[2] schließlich Farah Mendlesohn, Mitautorin dieses Buches, die in ihrem Buch Rhetorics of Fantasy die Fantasy als eine Reihe von unscharfen Einheiten betrachtet, die sich anhand der Art und Weise voneinander unterscheiden lassen, in der das Phantastische in den Text eintritt.

Alle vier Theoretiker haben gemeinsam, dass sie die Fantasy als einen Austausch zwischen Autoren und Lesern verstehen, der beim Schreiben selbst stattfindet. Die beste kritische Auseinandersetzung mit Fantasy-Literatur findet durch Fantasy-Autoren selbst statt, sowohl in einem auch formal als theoretisch erkennbaren Kontext (die Essays von C. S. Lewis, J. R. R. Tolkien, M. John Harrison und Diana Wynne Jones sind einige der bekanntesten Beispiele) als auch in ihren Geschichten. Bei vielen Fantasy-Werken handelt es sich um unmittelbar kritische Auseinandersetzungen mit dem Genre, und wir werden versuchen, diese Tatsache zu berücksichtigen.

Schließlich gibt es außerdem noch das, was Verlage und Buchhandlungen als Fantasy präsentieren und verkaufen. Viele Leute glauben, dass man Fantasy an ihren Titelbildern erkennen kann. Ein Drache oder Zauberer ist für gewöhnlich ein brauchbares Indiz; aber genauso ein halbnackter, das Schwert schwingender Barbar (ob nun männlich oder weiblich). Zu unrühmlicher Bekanntheit gelangte dieser Stil, als man in einem der Paläste von Saddam Hussein Originale von Rowena A. Morrill fand.

Die Ursprünge der Fantasy-Kunst liegen jedoch in den Werken des visionären Künstlers William Blake, der Maler der Schauerromantik wie Johann Heinrich Füssli und der präraffaelitischen Bruderschaft wie zum Beispiel Edward Burne-Jones; und viele Cover lassen sich weniger durch den eigentlichen Bildinhalt zuordnen als vielmehr durch die Schattierungen von Hell und Dunkel und den üppigen Einsatz von Farbe, den die Künstler aus dieser Tradition übernommen haben. In den meisten Buchhandlungen gibt es eine Abteilung namens »Fantasy und Science Fiction«, und man könnte meinen, dass die Bücher dort alle ziemlich ähnlich aussehen. Aber die Fantasy ist flüchtig, und man findet sie ebenso unter »Literatur«, in einer eigenen Abteilung unter dem Etikett »Horror« und seit dem Aufstieg der romantischen Fantasy sogar unter den Liebesromanen. Jede dieser Subkategorien hat ihre eigene, genre-spezifische Verpackung.

Fantasy, die heute das beliebteste der phantastischen Genres ist, war früher ein vernachlässigter Vetter von SF und Horror. Irgendwann in den 1980ern verlagerte sich der Schwerpunkt, und geschätzte zwei Drittel aller Bücher, die derzeit im Bereich »Fantasy und Science Fiction« verkauft werden, gehören inzwischen zur Fantasy (siehe hierzu die jährlichen Abrisse, die in der Zeitschrift LOCUS veröffentlicht werden). Nach einer aktuellen Leser-Umfrage unter knapp 1000 Science-Fiction-Fans lesen die beiden jüngsten Altersgruppen mehr Fantasy als Science Fiction.[3] Dagegen ließen ein flüchtiger Blick auf die Horror-Regale und die Zahlen, die LOCUS in den 1990ern veröffentlichte, einen Markt erkennen, der sich im Niedergang befand: Zwar hat sich dieser Trend am Anfang des Jahrtausends umgekehrt, doch wird Horror oft unter »Fantasy« eingeordnet, was nahelegt, dass sich dieses Genre besser vermarkten lässt.

Dieses Buch soll eine Lücke schließen. Zwar gab es vielfache Bestrebungen, die Fantasy zu definieren, und sie wurde von John Clute, John Grant und ihren Mitarbeitern katalogisiert, doch es gibt keine kurze Geschichte der Fantasy. Dieses Buch wird sich zunächst mit dem Aufkommen des Phantastischen als literarische Form im 18. Jahrhundert auseinandersetzen und einen Blick zurück auf seine verschiedenen Vorläufer werfen: das Epos, den höfischen Roman, das Märchen. Wir werden dann weitergehen, um die rasche Entwicklung verschiedener Zweige der Fantasy zu betrachten. Während die Kapitel 2 und 3 etwa 150 bzw. 50 Jahre abdecken und Kapitel 5 sich mit dem gewaltigen (wenn auch verspäteten) Einfluss zweier Schriftsteller aus der Mitte des 20. Jahrhunderts (Tolkien und Lewis) befasst, wird das Buch ansonsten im Großen und Ganzen Jahrzehnt für Jahrzehnt voranschreiten, von den Fünfzigern bis zur ersten Dekade des 21. Jahrhunderts, und dabei sowohl vorherrschende Trends als auch den Austausch an den Rändern darlegen. In Kapitel 10 halten wir jedoch inne und betrachten das Werk dreier weiterer Autoren – Rowling, Pullman und Pratchett, deren Einfluss in den 1990ern und 2000ern ebenso groß war wie der von Tolkien und Lewis in den 1950ern und bis in die 1970er Jahre hinein.

Auch wenn einige nicht-englischsprachige Werke erörtert werden, liegt der Schwerpunkt auf der Fantasy-Literatur in englischer Sprache. Zugegebenermaßen wird dadurch das eigenartige Gefühl vermittelt, dass die englischsprachige Fantasy die Welt dominiert, aber in reinen Zahlen gemessen entspricht das vermutlich den Tatsachen. Aus diversen kulturellen und wirtschaftlichen Gründen gelangt sehr wenig Fantasy-Literatur in Übersetzung auf den anglo-amerikanischen Markt. Dagegen gibt es nicht nur eine große Anzahl von Übersetzungen aus dem Englischen in andere Sprachen, sondern zumindest in Europa auch viele (nicht muttersprachliche) Fans, die Fantasy in englischer Sprache lesen. Wo solche fremdsprachigen Werke jedoch den anglo-ameikanischen Markt erreicht haben, ob sie nun von E. T. A. Hoffmann, Jorge Luis Borges, Isabel Allende, Astrid Lindgren oder Michael Ende stammen, stehen sie auch zur Diskussion.

Dieses Buch soll den Austausch unter den Fantasy-Autoren nachvollziehen, die das Genre erschließen und weiterentwickeln. Es wird nur selten auf Kritiker Bezug nehmen, doch dem Leser wird eine lange Leseliste an die Hand gegeben.

[1]Margaret Doody,The True History of the Novel(New Brunswick: Rutgers University Press, 1997), S. 470.

[2]In »Fantastika in the World Storm« (2007):http://www.johnclute.co.uk/word/?p=15; dt. »Phantastik und der Weltensturm« in: Wolfgang Jeschke & Sascha Mamczak (Hrsg.),Das Science Fiction Jahr 2008(München: Heyne, 2008).

[3] Siehe Mendlesohn: The Inter-Galactic Playground (Jefferson, North Carolina: McFarland Press, 2009).

2 | Vom Mythos zur Magie

In der Dichtung (und Kunst) des Westens war die längste Zeit Phantastik der gängige Modus, nicht Realismus. Die Fantasy als Genre entwickelt sich allerdings wohl erst als Reaktion auf die Idee einer mimetischen Literatur (und zur gleichen Zeit wie diese): Nur wenn das Konzept eines gewollten Realismus existiert, so der Gedankengang, kann es ein Konzept der gewollten Phantastik geben. Dennoch nutzen der antike griechische und römische Roman, der mittelalterliche höfische Roman und die Lyrik- und Prosatexte der frühen Moderne allesamt Elemente, die wir als Tropen der Fantasy betrachten: magische Verwandlungen, merkwürdige Ungeheuer, Zauberer und Drachen und die Existenz einer übernatürlichen Welt.

Bei den frühesten Ausprägungen schriftlicher Dichtung, die uns aus der antiken Welt überliefert sind, handelt es sich um Werke, die man als Phantastik ansehen könnte und die viele moderne Fantasy-Autoren beeinflusst haben: Geschichten über Götter und Helden, wie etwa das Gilgamesch-Epos und die Werke von Homer. Seine Odyssee, ein Epos über die Reisen eines Helden durch eine von Riesen, Zauberern und Ungeheuern bevölkerte Welt, die den Launen übernatürlicher Mächte ausgeliefert ist, stellt einen Vorläufer späterer Fantasy-Literatur dar.

Für die meisten alten Griechen gehörten die Göttergeschichten natürlich zu ihrem Glaubensgefüge, aber Dichter oder Dramatiker konnten sie ausschmücken, und einige Zeitgenossen bezeichneten sie sogar als »die Lügen der Dichter«. Epen über Götter und Helden wurden manchmal zu offensichtlich politischen Zwecken eingesetzt, etwa Vergils Aeneis.

Die heroische Überlieferung der Griechen und Römer war westlichen Erzählern während des ganzen Mittelalters (und auch später) wohlbekannt. Die ägyptischen Geschichten von Göttern und der Unterwelt hingegen hatten bis ins 19. Jahrhundert kaum einen Einfluss auf die westliche Tradition; danach wurden sie zu einer Goldmine für beunruhigende Konzepte vom Tod, von Ritualen und von einer zyklischen Welt.

Am Anfang des ersten Jahrtausends nach Christus besaßen die verschiedenen »Barbaren«-Völker (also alle Nicht-Römer) ihre eigenen Überlieferungen von Göttern und Helden, und vermutlich auch ihre Geschichten und Gedichte darüber. Sie wurden jedoch erst sehr viel später aufgezeichnet, oder wenn sie denn aufgezeichnet wurden, haben die Manuskripte nicht überdauert. Das epische Gedicht Beowulf mit seiner dreiteiligen Geschichte, in der der Held das Ungeheuer, die Mutter des Ungeheuers und den Drachen bekämpft, ist beinahe alles, was von der heroischen Überlieferung des vornormannischen England erhalten ist. Das Wenige, was wir über die altenglischen Götter wissen können, muss hingegen aus der Lektüre von Snorri Sturlusons Prosa-Edda rekonstruiert werden, die im 13. Jahrhundert in Island niedergeschrieben wurde. Snorri Sturluson könnte auch der Verfasser einiger der vielen erhaltenen Isländersagas sein: Sie berichten zum Großteil von den Fährnissen der Bauern im neu besiedelten Island und beschäftigen sich dabei auf dieselbe nüchterne Art und Weise mit Geistern und Visionen, wie sie auch Fehden und Familienpolitik erörtern. Durch Übersetzungen von William Morris und anderen sind die Isländersagas im 19. Jahrhundert einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden; sie lieferten einen wichtigen neuen Strang für die Entwicklung der englischsprachigen Fantasy und haben viele Fantasy-Autoren beeinflusst, die wir hier erwähnen werden, ganz besonders Morris selbst, J. R. R. Tolkien, Diana Wynne Jones, Alan Garner und Neil Gaiman.

In der keltischsprachigen Welt wurde viel mehr aufgeschrieben, unter anderem die vielen Geschichten über irische Helden wie Cúchulainn und eine Sammlung walisischer Legenden unter dem Namen Das Mabinogion. Diese Überlieferungen waren jedoch größtenteils wenig verbreitet und der europäischen Tradition bis zu den Anfängen der im 19. Jahrhundert aufkeimenden nationalistischen Bewegungen nicht geläufig. Der keltische Stoff war so wenig bekannt, dass man im 18. Jahrhundert, als der schottische Dichter James McPherson behauptete, die alten irischen Mythen des Dichters Ossian übersetzt zu haben, seine Fälschung für echt hielt und sie in die damalige Begeisterung für Neugotisches und Mittelalterliches integrierte. Im späteren 19. Jahrhundert wurde die walisische und irische Literatur des Mittelalters veröffentlicht und erforscht, und in ganz Europa bis weit ins 20. Jahrhundert hinein sollte die Elite künftig Volkstümliches sammeln und (manchmal auf sehr naive Weise) die übernatürliche Gedankenwelt der europäischen Bauern rekonstruieren. »Keltische« Fantasy, die lose auf diese Überlieferungen zurückgeht, ist immer noch ein wichtiges Element der modernen nordamerikanischen Fantasy, da Autoren wie Evangeline Walton, Charles de Lint, Lloyd Alexander, Katherine Kerr und Emma Bull diese Tradition weiterentwickelten.

Während Mythen, Legenden und Sagas viel zur modernen Fantasy beigetragen haben, wurde der Einfluss der antiken Romane erst in letzter Zeit gewürdigt. Größtenteils handelt es sich um melodramatische Geschichten von Schiffsunglücken und Abenteuern, aber einige davon weisen starke Fantasy-Elemente auf. Am weitesten verbreitet war während des Mittelalters vermutlich der Alexanderroman, dessen älteste Version bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgt werden kann: Achtzig mittelalterliche Versionen in vierundzwanzig Sprachen sind erhalten geblieben. Der Alexanderroman erzählt viele der Geschichten über Alexander den Großen nach, mit denen wir ansonsten durch mehr oder weniger zeitgenössische Biographien vertraut sind, beschreibt allerdings auch fabelhafte Reiseerlebnisse voller unmöglicher Begegnungen mit sprechenden Bäumen und fünfäugigen Tieren. Es gibt sogar einen Science-Fiction-Moment, in dem Alexander in einer gläsernen Tauchglocke den Meeresboden erkundet. Die berühmteste römische Nachahmung eines griechischen Romans war Der Goldene Esel von Apuleius, der im 16. Jahrhundert zum ersten Mal übersetzt wurde und von den Abenteuern eines Mannes berichtet, der in einen Esel verwandelt wird.

Die antike Tradition der Wundergeschichten wurde im Mittelalter in der Form des höfischen Romans fortgesetzt. Die bekanntesten darunter beschäftigen sich mit der »Matière de Bretagne«: Geschichten über König Artus und seine Ritter. Die frühesten Verweise auf Artus entstammen einem walisischen Kontext, aber die ersten vollständigen Erzählungen über ihn wurden im normannischen England und Frankreich niedergeschrieben. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts gewannen sie in ganz Europa Beliebtheit. Viele der »französischen Romane« wurden eigentlich in England geschrieben: Hier sprach der Adel nach 1066 Französisch, und die politischen und wirtschaftlichen Geschicke des Landes waren eng mit Frankreich verknüpft. Die früheren Artus-Geschichten können als Teil einer breiteren Tradition höfischer Literatur angesehen werden und kreisen um Liebe und Ehebruch. Später, unter dem Einfluss der Kirche, fließen mehr christliche Themen in die Geschichten ein, verschlüsselt als Suche nach dem Heiligen Gral. Einige der Artus-Überlieferungen, wie etwa die Figur Merlin, scheinen vollständig auf Geoffrey von Monmouth zurückzugehen, dessen fiktive History of the Kings of Britain (1136) man am Ende des 12. Jahrhunderts als authentische Geschichtsschreibung betrachtete und bis zum 16. Jahrhundert nicht infrage stellte. Zur Blüte kam die mittelalterliche Artus-Tradition Englands im 15. Jahrhundert mit Sir Thomas Malorys Le Morte d’ Artur.

Die höfischen Romane befassten sich außerdem mit der »Matière de France«, Geschichten über Karl den Großen und seine Paladine, die denselben generischen Regeln wie die Artus-Geschichten folgten. Der Artus-Zyklus wurde jedoch ständig revitalisiert, um die englische Monarchie zu stützen, und möglicherweise führte dies in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Wiederaufleben der Artussagen, als Alfred Tennyson und die Präraffaeliten auf der Suche nach Sujets waren. Die bekanntesten Autoren des 20. Jahrhunderts in diesem Bereich sind wohl Rosemary Sutcliff, Mary Stewart, Marion Zimmer Bradley, Peter David und Stephen Lawhead.

Das Überdauern des Artus-Zyklus lässt sich einerseits nachvollziehen, indem man ihn als Folklore der Elite betrachtet, durch die christliche Ansprüche auf weltliche Macht sowie der höfische Verhaltenskodex untermauert wurden, der dem Adel moralische Autorität verlieh. Daneben existierten jedoch auch alternative Überlieferungen, die der Mittelschicht, den Armen und Enteigneten gehörten. Eine der nachhaltigsten Überlieferungen war die Geschichte von Robin Hood. In der Geschichte der Fantasy spielte sie keine große Rolle, da sie auf mimetischen Grundlagen errichtet ist; allerdings hat sie etliche Fantasy-Versionen des Mittelalters hervorgebracht, von denen die mit Errol Flynn und Richard Greene die bekanntesten sind. In den 1980ern, als in Großbritannien die gesellschaftliche Spaltung so tief wie nie seit fünfzig Jahren war, zeigte ITV eine Serie namens Robin of Sherwood (1984–1986, dt. Robin Hood), die die Robin-Hood-Legende mit dem Widerstand der armen Arbeiter und mit der Geschichte von Herne dem Jäger verband. Die Serie war von keltischer Mythologie durchzogen und wurde mit einem Soundtrack von Clannad unterlegt, einer beliebten Folkband jener Zeit (was die ohnehin schon starke Verbindung zwischen keltischer Musik und Fantasy-Literatur besiegelte, die während der neofolkloristischen Bewegungen der 1880er, 1920er und 1960er Jahre begründet wurde).

Die Tradition der Feenmärchen hat wahrscheinlich keltische Wurzeln, auch wenn sie sich im Lauf der Jahrhunderte stark gewandelt haben. Die Geschichte von Morgan Le Fay, die aus dem Artus-Zyklus entnommen ist, zählt zu jenem Teil der Feen-Überlieferung, der die wilde und unvorhersehbare Seite dieser Geschöpfe betonte. In dieser Auffassung ist das Feenreich eine separate Welt, die neben der unseren existiert. Sterbliche können von den Feen aus einer Laune heraus entführt, Wechselbälger zurückgelassen sowie Seelen geopfert und der Hölle überantwortet werden. Die Balladen Tam Lin und Thomas the Rhymer (in mehreren Fassungen) spiegeln diese Version des Feenreichs wieder, genauso Shakespeares Sommernachtstraum. Daneben existiert auch eine irische Tradition, in der Feen viel körperlicher in Erscheinung treten, mit eigenen Höfen und eigenen Bräuchen, und nur dann mit den Menschen interagieren, wenn sie dazu gezwungen sind. Beide Arten von Feen treten in der zeitgenössischen Fantasy bei Schriftstellern wie Charles de Lint und Emma Bull auf, aber auch bei jüngeren Autoren wie Marie Brennan, Susanna Clarke, Elizabeth Hand und Hal Duncan. Das Feenmärchen allerdings, wie es sich von Charles Perrault ableitet, ist etwas völlig anderes.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts machten Charles Perrault und Madame d’ Aulnoy höfische Märchen populär. Diese aufpolierten Versionen der Volksmärchen, die wir auch in den späteren Sammlungen der Brüder Grimm finden, sind sowohl formelhafter (drei Wünsche, drei Aufgaben, drei Brüder) als auch regelloser in ihrer Auslegung des Feenreichs. In diesen Geschichten haben die Feen ein tiefes Interesse an den Menschen und setzen ihre Kräfte häufig willkürlich, aber auch aus moralischen Motiven ein. Perrault und die Grimms waren Sammler und Bearbeiter, die die Geschichten für ihre jeweiligen adligen und bürgerlichen Leser domestizierten, aber im 19. Jahrhundert tauchen nach und nach auch neu verfasste Märchen für den modernen Leser und mit modernen Umgangsformen auf. Baron de la Motte Fouqués Undine (1811) über einen Wassergeist, der als Wechselbalg aufwächst, wurde in Deutschland zum Klassiker, und schnell lag auch eine Übersetzung ins Englische vor. 1814 wurde eine Oper daraus, komponiert von E. T. A. Hoffmann, der selbst etliche Märchen für Erwachsene verfasste, manchmal mit einem Hang zum Makabren. Auch sie wurden in ganz Europa bekannt: »Der Sandmann« (1816/17) gelangte später in Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen auf die Opern- und in Leo Delibes’ Coppelia auf die Ballettbühne, während Der Nussknacker von Tschaikowski als eines der beliebtesten Balletts überhaupt umgesetzt wurde. In Amerika schrieb Nathaniel Hawthorne dezidiert amerikanische Märchen, die nach wie vor eine sehr starke irische Anmutung haben, etwa Die Vogelscheuche, eine Geschichte über eine Holzpuppe, der Leben eingeflößt wird (veröffentlicht in zwei Teilen im Februar und März 1852). Aber der bei Weitem erfolgreichste Märchenautor des 19. Jahrhunderts war Hans Christian Andersen (1805–1875). Andersens Geschichten waren mit dem höfischen Glanz eines Perrault, aber auch mit der düsteren Moral der Brüder Grimm verfasst: Die kleine Meerjungfrau (1837), Die Schneekönigin (1844), Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern (1845) und Die roten Schuhe (1845) sind bittere Geschichten, in denen Richtig und Falsch, Gut und Böse verschleiert werden und die Handlung kein glückliches oder gutes Ende nimmt. Das hässliche Entlein (1844) rückt deutlich die starre und defensive Schicksalsbestimmtheit von Andersens Geschichten ins Licht, in denen der einzige Weg zum Glück darin liegt, den eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden oder hinzunehmen. Diese Haltung ist vielleicht ein Erbe seiner eigenen Vertreibung und schlechten Erfahrungen als Pflegekind und späterer Emporkömmling der dänischen Gesellschaft. So subversiv die Fantasy auch noch werden sollte, Andersens politisches Vermächtnis blieb in den Strukturen vieler Geschichten erhalten.

Zur selben Zeit, in der Perrault seine Geschichten von Aschenputtel und dem Gestiefelten Kater einem breiteren Publikum zugänglich machte, übersetzte der Orientalist Antoine Galland Tausendundeine Nacht ins Französische. Erst in jüngster Zeit sind werkgetreue Übersetzungen dieser spätmittelalterlichen arabischen Märchen in westlichen Sprachen erschienen. Die Versionen von Galland und anderen frühen Übersetzern waren jedoch äußerst beliebt, und am Ende des 19. Jahrhunderts waren die Geschichten von Sindbad und Aladin Teil der westlichen Überlieferung geworden, am beliebtesten als Gebärdenspiel. Nach wie vor inspirieren diese Geschichten Fantasy-Autoren, insbesondere den Historiker Robert Irwin, dessen Der arabische Nachtmahr oder die Geschichte der 1002. Nacht (1983) eine beeindruckende Neuinterpretation darstellt. Die erste unzensierte Version von Tausendundeine Nacht entstand im Jahr 1885 von Richard Burton und trug, so skandalös sie auch war, zur allgemeinen Begeisterung für alles Orientalische bei. Im 19. Jahrhundert wurden sich die Europäer auch der phantastischen Tradition von China und Japan bewusst. Die japanischen Geistergeschichten von Lafcadio Hearn und die chinesischen Fantasy-Geschichten von Ernest Bramah (um die Jahrhundertwende), die vorgeblich von einem professionellen Geschichtenerzähler namens Kai Lung vorgetragen werden, sind die augenfälligsten Beispiele.

Ein weiterer Beitrag zum sich stetig verbreiternden Fundament der westlichen Phantastik waren die Schriften der Anthropologen James Frazer und Andrew Lang. Frazers Der goldene Zweig (1890) vertrat unter anderem die Auffassung, bei Mythos und Legende handle es sich um Relikte eines primitiven Glaubens, durch die Pflanz- und Erntezeiten in die Erzähltradition Eingang gefunden hätten. Dieser Gedanke wurde von etlichen Gruppierungen enthusiastisch aufgenommen, darunter Neuheiden und linke Volkskundler. In Frazers Augen war der Mythos von fundamentaler Bedeutung für die Psyche der Menschheit. Andrew Lang war pragmatischer als Frazer: Er vertrat zwar die These, Märchen seien die Überreste von Legenden, war aber von ihrer mythopoetischen Bedeutung nicht überzeugt. Am bekanntesten wurde er für die Veröffentlichung von elf Sammlungen mit Volks- und Feenmärchen, die nach Farben benannt sind, beginnend mit The Blue Fairy Book 1889 bis hin zu The Lilac Fairy Book 1910. Langs Bücher, in denen er Geschichten aus aller Welt versammelte, waren maßgeblich daran beteiligt, einige der Gestaltungselemente des klassischen Märchens zu festigen, da den Lesern strukturelle und thematische Ähnlichkeiten zwischen den unterschiedlichen Überlieferungen auffielen. In den 1890ern und 1900ern brachten Rudyard Kiplings Das Dschungelbuch (1894) und seine Genau-so-Geschichten (1902) indische Fabeln und Tiergeschichten in Umlauf. Zur gleichen Zeit veröffentlichte in den Vereinigten Staaten Joel Chandler Harris, der sich wie Andrew Lang als Anthropologe (oder Volkskundler) betrachtete und nicht als Schriftsteller, Onkel Remus erzählt (1881). Die Werke von Harris und Kipling begründeten eine Tradition von Tier- und Trickster-Geschichten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts viel Einfluss haben und einen ganz eigenen, aber verwandten Strang hervorbringen würden, der zwar mit der Fantasy in Verbindung stand, aber nie ganz dazugehörte.

Märchen waren ursprünglich für Erwachsene bestimmt, doch auch wenn vieles bei Grimm, Andersen und anderen frühen Autoren furchtbar und grausam ist, wurde das Märchen immer eher als Gattung angesehen, die sich vor allem an Kinder richtete. Heute ist das klassische Märchen für Erwachsene geradezu zur Seltenheit geworden, obwohl das Märchen nach wie vor eine wichtige »Pfahlwurzel« für die moderne Fantasy ist. In den 1980ern gab es eine Flut von feministischen Unterwanderungen der Gattung – unter diesen Autorinnen ist Angela Carter am bekanntesten –, doch ein klassisches Märchen, das die Autoren des 19. Jahrhunderts als solches erkannt hätten, findet man selten. Robin McKinley, Gregory Maguire und Gail Carson Levine sind die vielleicht modernsten Beispiele hierfür. Ihre Romane greifen traditionelle Märchen auf und machen sie zu realistischen Erzählungen, wobei sie sich streng an die strukturellen Erfordernisse der Gattung halten.

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden die »traditionellen« Ausprägungen des Phantastischen immer weiter zu einer gemeinsamen Mitte hingezogen und vermengten sich mit neuen Formen aus deutlich moderneren Quellen. Der Aufstieg der neuzeitlichen Phantastik war zum Teil durch die Veränderungen bedingt, die die Aufklärung im intellektuellen Klima des modernen Europa verursachte. Bevor im späten 18. Jahrhundert als Reaktion auf die Revolutionen Europas hart durchgegriffen wurde, erlebte das freie Denken in Frankreich, Großbritannien und vor allem Deutschland einen beispiellosen Aufstieg, was sich im anwachsenden Deismus und im Fortschritt in der Grundlagenforschung und angewandten Wissenschaft niederschlug. Die Welt war sowohl verständlich als auch beherrschbar geworden.

Manchmal sind die Ausprägungen dieses Wandels für den modernen Blick beinahe unsichtbar. Die Erkenntnis, wie viele Landschaftsgemälde des späten 18. Jahrhunderts genauso nach formalen Vorgaben gestaltete Bilder sind wie jedes Stillleben, kann durchaus bestürzend sein. Immer mehr Menschen hatten das Gefühl, dass etwas unterhalb der Welt existierte, wie sie von den Mächtigen dargestellt wurde. Genau jene Vorstellung einer beherrschbaren und verständlichen Welt wurde von einer Literaturgattung, der Gothic Novel, untergraben, in der die sichtbare Welt eine Täuschung ist. Dieses Konzept wird schon in zwei frühen Klassikern der Gothic Novel – des Schauerromans – erkennbar: Horace Walpoles Das Schloss von Otranto (1764), das im folgenden Jahr mit dem Untertitel A Gothic Story wiederveröffentlicht wurde, und Ann Radcliffes Udolpho’s Geheimnisse (1794).

Das Schloss von Otranto war ursprünglich als »zufällig entdecktes Manuskript« veröffentlicht worden. Erst nachdem es weithin Beifall gefunden hatte, wurde es als Fiktion entlarvt, ohne dass es dadurch an Reiz verloren hätte. Die Abkehr von selbstverständlicher Religiosität und der wachsende Zweifel an der Möglichkeit übernatürlicher Kräfte in der Welt (da das, was man bisher als übernatürlich betrachtet hatte, nun wissenschaftlich erklärbar war) schufen im späten 18. Jahrhundert Raum für einen spielerischen Zugang zum Phantastischen. Die Schauerromantik bezog ihren Reiz aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen. Bereits von Anfang an erkannten die Leser einen Unterschied zwischen der Phantasterei im Schloss von Otranto und dem Rationalismus des anderen weithin bekannten Schauerromans, Udolpho’s Geheimnisse.

Man schätzt, dass bis 1825 rund 5000 Schauerromane oder sonstige Schriften dieses Genres in englischer Sprache veröffentlicht wurden. Die frühesten davon waren häufig in einer unbestimmt mittelalterlichen Welt angesiedelt. Die »Entdeckung« des Barbarischen oder Primitiven (so die Bedeutung von »Gothic« in der Mitte des 18. Jahrhunderts) ergab sich zum Teil dadurch, dass man Gesellschaftskritik vor dem Hintergrund einer anderen Epoche äußern musste, um nicht wegen Volksverhetzung belangt zu werden. Das Gothic-Konzept war eine Reaktion auf die Barbarei der modernen Zeiten. Nicht umsonst war Horace Walpole der erste Adlige des 18. Jahrhunderts, der im neugotischen Stil zu bauen begann. William Beckford, ein junger Parlamentsabgeordneter, in dessen Schauerroman Vathek (1786) düstere Djinns und Ifrits auftauchen, verprasste sein Vermögen, indem er sich Fonthill Abbey bauen ließ, das größer als die meisten mittelalterlichen Klöster war. Die Schauerromantik führte zusammen mit den historischen Romanen von Sir Walter Scott den Kult herbei, den das 19. Jahrhundert um alles Mittelalterliche veranstaltete. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts siedelte man Schauergeschichten immer öfter an zeitgenössischen Schauplätzen an: Das Grauen fand nicht länger im Schloss oder Kloster statt, sondern wurde auf dem Speicher, im Keller, in den dunklen Straßen der Stadt heimisch. Die frühe Gothic-Welle hingegen wurde von der Mittelaltertümelei genährt, die auch heute noch einen großen Einfluss auf Fantasy-Texte hat. Im frühen 19. Jahrhundert kam es darüber hinaus zur Erforschung und Wiederveröffentlichung der »echten« mittelalterlichen Phantastik, etwa des Beowulf und der Artusromane, und vieles davon wurde durch die Brille der Gothic-Strömung betrachtet: Shakespeare, der der Aufklärung als peinlich galt, wurde nun für seine »mittelalterlichen« Qualitäten gerühmt, seine Geister und Feen erhielten neue Aufenthaltsgenehmigungen auf Lebenszeit, und Macbeth und Hamlet wurden als »Gothic«-Helden gewürdigt.

Zu den Kennzeichen dieser Spielart der Phantastik zählen eine äußere Handlung, die dann als Täuschung entlarvt wird, wie etwa die Wahnvorstellung des Monarchen hinsichtlich der rechtmäßigen Herrschaft in Das Schloss von Otranto, der Glaube des Wissenschaftlers an die eigene Rechtschaffenheit, die Monstrosität des erschaffenen Menschen in Mary Shelleys Frankenstein (1818) oder die Auffassung aristokratischer Tugend in John William Polidoris »Der Vampyr« (1819). Die Schauerromantik ist häufig klaustrophobisch. Diese Klaustrophobie wird mitunter durch die Landschaft geschaffen. In der Kunst der Zeit, wie etwa Caspar David Friedrichs Kreidefelsen auf Rügen (1818), wird die Landschaft im Sinne von Edmund Burkes Begriff vom Erhabenen gestaltet – Berge ragen auf, und Bäume drängen sich heran, während wir, klein und unbedeutend, am unteren Rand des Gemäldes stehen. In der Schauerromantik werden solche Landschaften mit Worten aufgebaut, vielleicht am einprägsamsten bei der letzten Fahrt zum Schloss von Dracula am Schluss von Bram Stokers Roman (1897) oder im tödlichen Weiß von Schnee und Eisbergen am Anfang und Ende von Frankenstein. Klaustrophobie kann in der Schauerromantik auch durch Familiengeheimnisse erzeugt werden: Edgar Allan Poes »Der Untergang des Hauses Usher« (1842), Nathaniel Hawthornes »Rappaccinis Tochter« (1844) und Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray (1891) beziehen ihre Spannung aus dem zunehmenden Grauen des Lesers angesichts des zu enthüllenden Geheimnisses. (Eines der Probleme der Schauerromantik ist, dass der Augenblick der Enthüllung im Vergleich zu der Anspannung, die ab der ersten Vorahnung beim Leser erzeugt wird, häufig enttäuschend wirkt.) Schließlich kann die Klaustrophobie durch das Gefühl des Eingesperrtseins entstehen. In schriftlicher Form ist das berühmteste Beispiel dafür vielleicht Poes »Die Grube und das Pendel« (1843); Johann Heinrich Füsslis Gemälde Nachtmahr, auf dem ein Ungeheuer auf der Brust einer Schläferin sitzt und sowohl schlimme Träume bringt als auch die Flucht verhindert, stellt diesen Aspekt der Schauerromantik bildlich dar.

Inhaltlich greift die Schauerliteratur das Thema der Zerrüttung der sichtbaren Welt auf. Schauerromantik kokettiert durchweg mit dem Unaussprechlichen und deckt sich in dieser Lust am Schockierenden mit der Sensationsliteratur des 19. Jahrhunderts. Im Schauerroman begehren Väter ihre Töchter, Nonnen existieren nur, um vergewaltigt zu werden, untreue Frauen fassen mehrere Geliebte ins Auge und stellen Kindern nach, und dies sind nur die Stereotypen, bei denen die Autoren der Ansicht waren, sie würden der Zensur entgehen. Der Mönch (1796) von Matthew Lewis, der wie William Beckford ein junges Parlamentsmitglied war, beschreibt, wie ein spanischer Geistlicher dem Laster verfällt. Zunächst wurde der Roman wegen seiner Obszönität und Blasphemie zurückgezogen, aber sofort wieder herausgebracht, und zwar mit riesigem Erfolg. Robert Louis Stevensons »Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde« (1886) und Wildes Das Bildnis des Dorian Gray bleiben bei der Beschreibung der Gräueltaten, die ihre Protagonisten begehen, derart vage, dass Akademiker ein ganzes Jahrhundert lang über die Einzelheiten spekuliert haben. Der Marquis de Sade wurde allerdings so konkret, dass Die 120 Tage von Sodom (1784) bis ins 20. Jahrhundert nicht vollständig publizierbar war.

Unter Literatur, die als »Gothic« bezeichnet wird, verstehen Fachleute Werke, die zwischen den 1760ern und den 1820ern veröffentlicht wurden. Im breiteren Feld der Phantastik ist »Gothic« und »Gothic Fantasy« jedoch eine Gattung, die, wie einige der oben genannten Daten deutlich machen, sehr viel länger lebendig blieb. Im nächsten Kapitel werden wir die Werke von Schriftstellern wie H. P. Lovecraft und M. R. James behandeln, die sich selbst als Autoren dieser Tradition betrachteten, und in späteren Kapiteln die Werke von Autoren wie Stephen King, Anne Rice und China Miéville.

Ehe wir weitergehen, sollte als Strömung noch die Romantik erwähnt werden, auch wenn sie nur vergleichsweise wenig Phantastik hervorbrachte. Dichter wie Keats, Byron, Wordsworth, Coleridge und Shelley nahmen die erhabenen Landschaften des Gothic und verliehen ihnen eine freundlichere und anregendere Färbung. Sie schenkten der Fantasy ihre leuchtenden Bilder. Drei Beispiele, die bis heute immer noch die Fantasy-Literatur und -Kunst beeinflussen, sind Percy Bysshe Shelleys »Ozymandias« (1818) mit seiner kargen Pracht und dem Reiz einer rätselhaften Vergangenheit, Samuel Taylor Coleridges »Kublai Khan« (1816) mit seinem Exotismus und der epischen Sprache, und John Keats’ »La Belle Dame Sans Merci« (1819), das sowohl den Künstlern als auch den Autoren der High Fantasy eine unwiderstehliche Bildwelt mit blass herumlungernden Rittern bietet.

Ein Schriftsteller und Künstler, dessen Werk zum Ausklang des 20. Jahrhunderts neuerliche Aufmerksamkeit erregte, ist William Blake (1757–1827): Seine visionäre Kunst (ein allgemein akzeptierter Begriff für Kunst, die durch Geisteskrankheit beeinflusst wurde) und seine eschatologische Lyrik waren im späten 20. Jahrhundert vermutlich einflussreicher als je zuvor, besonders auf Folk- und Rocksänger und auf so unterschiedliche Schriftsteller wie Thomas Harris, Salman Rushdie und Philip Pullman. Der Comic-Künstler Alan Moore nennt William Blake als bedeutenden Einfluss, und Blake tritt als Figur in seinem Comic From Hell (1991–98) auf.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen verschiedene Spielarten einer neuen Art von Phantastik auf, die eine Hommage an den Artusroman und das Märchen darstellte, aber über ein reines Nacherzählen hinausging. Wir können diese Spielarten an konkreten Künstlern und Autoren festmachen. Richard Dadds Feengemälde, ganz besonders Der Meisterstreich des Feenburschen (1855–64), haben das Angesicht der Feen im weiteren Verlauf des Jahrhunderts beeinflusst. Sein Werk war so überzeugend, dass Arthur Conan Doyle, durch ihre Ähnlichkeit mit Richard Dadds Gemälden geleitet, die erfundenen Cottingley-Feen in den 1920ern für echt hielt.

William Makepeace Thackerays bedeutendster Beitrag zur Phantastik ist Die Rose und der Ring (1855), eine subversive Parodie auf die Moral, die den Geschenken der Feen zugrunde liegt, welche die Annahme infrage stellt, solche Gaben würden nur denen zuteil, die ihrer würdig sind. Bei Thackeray wurde das Märchen anfällig für Ausweitung und Unterwanderung. Er kombinierte außerdem Phantastik und Komödie, um die Märchen den Erwachsenen schmackhaft zu machen, denn damals wurden die höfischen Märchen von Perrault und bis zu einem gewissen Grad sogar die von Hans Christian Andersen unter der aufkommenden »Kinderliteratur« einsortiert. Thackeray war mitverantwortlich dafür, das neu erwachte Interesse am Schreiben neuer Geschichten zu befeuern, eine Aufgabe, der sich Oscar Wilde in seiner Sammlung von 1888 mit dem Titel Der glückliche Prinz und andere Märchen und im 20. Jahrhundert Walter de la Mare in Sammlungen wie Broomsticks and Other Tales (1925) widmete.

Thackerays Geschichte war eindeutig ein Märchen. Andere Autoren nutzten mittlerweile die Stereotypen der Märchen, um etwas anderes zu erzählen. In Charles Kingsleys Die Wasserkinder (1863) kommen drei Feen vor, Mrs. Doasyouwouldbedoneby, Mrs. Bedonebyasyoudid und zum Schluss Mutter Carey, mittels derer eine moralische Botschaft transportiert wird, die sich von der Schicksalsbestimmtheit der traditionellen Märchen oder den Werken von Hans Christian Andersen stark unterscheidet. Kingsleys Erzählung ist vor allem aufgrund ihrer christlichen Lehrhaftigkeit berühmt (und berüchtigt), aber er nutzte das Märchen auch, um für eine andere, wissenschaftliche Weltsicht zu werben; bizarrerweise wurde das Buch teilweise verfasst, um darwinistische Vorstellungen zu verbreiten. Ebenfalls in der christlichen Tradition schrieb George MacDonald. Sein Frühwerk Phantastus. Ein Feenmärchen (1858) ist eine Portal-Fantasy, in der die Hauptfigur sich ins Feenland verirrt (indem sie durch ein Tor tritt, das »Portal« in die phantastische Welt) und die Vorgänge in der »Anderswelt« beobachtet; beinahe vierzig Jahre später schrieb er eine zweite christliche Fantasy, Lilith (1895). Dieser Roman erzählt von der Begegnung eines Mannes mit Adam und Eva in einer Fantasy-Welt. Zwischen diesen beiden philosophischen Fantasy-Werken hat George MacDonald jedoch drei sehr beliebte Kinderbücher verfasst, die stark vom Märchen beeinflusst waren. Hinter dem Nordwind (1871), in dem der Nordwind sich mit einem Jungen anfreundet, verdankt vieles den östlichen Märchen, die langsam allgemein zugänglich wurden. In Die Prinzessin und der Kobold (1872) und Die Prinzessin und Curdie (1883) rettet ein junger Bursche, Curdie, zweimal eine Prinzessin, wodurch die typische Märchenreise durch neue Figuren und deren Entwicklung erweitert wird. Bemerkenswert an diesem Buch ist die Feen-Ururgroßmutter, eigentlich als Inspiration gemeint, aber für viele junge Leser furchterregend; sie bringt Curdie dazu, seine Hände ins Feuer zu legen, wodurch er die Gabe erlangt, den Charakter eines Menschen zu erahnen, indem er dessen Hand als die des Tieres wahrnimmt, dem der Betreffende am meisten ähnelt. Genauso erschreckend sind die Kobolde, die als eigenständige Charaktere dargestellt und unmittelbare Vorfahren von Tolkiens Orks sind.

Es war George MacDonald, der nach dem Erfolg von Kingsleys Die Wasserkinder vorschlug, Lewis Carrolls Alice im Wunderland (1865) zu veröffentlichen. Lewis Carrolls Werk führt uns in die Gefilde des »Skurrilen«, wie man es bezeichnen könnte, auch wenn man damit etwas Unbeschwertes nahelegt, und das Skurrile enthält in der Fantasy häufig eine durchaus sichtbare Bedrohung. Das Skurrile ist schrill und leicht surreal, mit einem Gefühl der Zufälligkeit, das genauso reizvoll wie beunruhigend wirken kann. Das Skurrile ergeht sich im Wortwitz, im Wortspiel und dem Doppel- oder Dreifachdeutigen und ist häufig sehr bildlich. Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln (1871) sind beides komplexe Werke der Phantastik, die mit Ratespielen, mathematischen Rätseln und der Unterwanderung der gesellschaftlichen Normen arbeiten. Diese Bücher sind schon viele Male kritisch durchleuchtet worden, aber bedeutsam sind hier der Raum, den Carroll dem Nonsens und dem Surrealistischen geschaffen hat, das äußerst realistische Portrait eines Kindes, das unter den Launen der verrückten Erwachsenen leidet, und die Schöpfung einer eindeutig kindlichen Hauptfigur, ohne dass damit eine didaktische Verantwortung gegenüber den Lesern einherging. Carrolls Einfluss auf die Art und Weise, wie Kindergeschichten erzählt wurden, war genauso groß wie – oder vielleicht sogar noch größer als – seine Rolle für die Phantastik. Ein weiterer Autor, der mit dem Skurrilen als Erzählmodus arbeitete, war F. Anstey. Vice Versâ, or A Lesson to Fathers (1882) ist eine Körpertausch-Geschichte, die seither in vielen verschiedenen Zusammenhängen wiederholt wurde, darunter in dem Buch Verrückter Freitag (1972) von Mary Rogers, das zweimal verfilmt wurde (1976 und 2003). In The Brass Bottle (1900) überhäuft ein Djinn seinen Wohltäter mit immer peinlicheren Geschenken. Diese beiden Geschichten schufen die Grundlage für die moderne »Urban Fantasy«, in der die Feenwelt und die moderne Welt aufeinanderprallen.

Die oben behandelten Schriftsteller versorgten das im Entstehen befindliche Fantasy-Genre mit vielen seiner Kernkonzepte und -tropen. Die Schule, die am meisten zu der inneren und äußeren Anmutung der Art von Fantasy beitrug, die im späten 20. Jahrhundert die Buchhandlungen dominieren sollte, war die präraffaelitische Bruderschaft. Wie ihr Name andeutet, hatte die Bruderschaft das Ziel, die mutmaßlichen Ideale des mittelalterlichen Handwerks (vor Raphael) »wiederherzustellen«, um im Zuge dessen eine visuelle Antwort auf den viel breiteren Kult des Mittelalterlichen zu geben, der im 19. Jahrhundert in Nordeuropa seine Blüte erlebte. Diese manifestierte sich vor allem in der Architektur: In ganz Europa baute man Kirchen, öffentliche Gebäude und sogar Fabriken in einem Stil, der das Mittelalter nachahmte (als Beispiel können die Houses of Parliament dienen oder auch die viel später entstandene anglikanische Kathedrale von Liverpool, die wir beide unabhängig voneinander »Gormenghast« getauft haben und die von Giles Gilbert Scott entworfen wurde, dessen Großvater, George Gilbert Scott, die Phantasie konzipierte, die der Bahnhof St. Pancras darstellt). Die präraffaelitische Landschaftsmalerei war üppig, mit satten Farben und Einzelheiten, die weit über die Möglichkeiten der Perspektive hinausgingen. Das Werk von William Holman Hunt (zum Beispiel Our English Coasts, 1852) oder Ford Madox Brown (Carrying Corn, 1854–55) nimmt die üppigen Beschreibungen der dreibändigen Questen-Fantasy des späten 20. Jahrhunderts vorweg. Im 19. Jahrhundert war die lebendigste literarische Vision des Phantastischen Christina Rossettis »Goblin Market« (1862), ein längeres Gedicht, das für viele spätere Fantasy-Autoren sowohl Sprache wie auch Handlung zur Verfügung stellte. Genauso beeinflussten präraffaelitische Illustrationen mit erfundenen mittelalterlichen Kostümen, fließendem Haar und der Betonung des Faltenwurfs und der Linie für die nächsten hundert Jahre die Kostüme der Phantastik.

Abgesehen von den bildenden Künsten entwickelte sich durch die Mittelaltertümelei des 19. Jahrhunderts außerdem das Studium von mittelalterlichen Texten und der mittelalterlichen Nationalepen. Diese Epen wurden häufig für offensichtliche nationalistische Zwecke eingesetzt: Das finnische Nationalepos, das Kalevala, wurde aus Volksüberlieferungen im 19. Jahrhundert zusammengestellt, während in Britannien überall der Artus-Kult hervortrat. Von den Präraffaeliten hat niemand mehr zu dieser visuellen Phantasie beigetragen als Edward Burne-Jones, der für seine Artus-Tableaus bekannt wurde – merkwürdig inszenierte Bilder, in denen Umrisse und Bewegungen in Zelten aus Samt und Seide eingefangen wurden, ermattete Maiden und blasse, untätige Ritter. Später inszenierte die Fotografin Julia Margaret Cameron (1815–79) »extravagante« Bilder, die sowohl Allegorisches als auch den Artusmythos heraufbeschworen. Doch die Folklore, die die Präraffaeliten konstruierten, schloss auch die Welt der Arbeit mit ein. Ford Madox Browns schwelgerische und leuchtende Bilder arbeitender Menschen trugen genauso viel zur Bildwelt der Fantasy bei (was wir am Werk von Hope Mirrlees im nächsten Kapitel erkennen werden) wie Richard Dadds Gemälde. Browns Einfluss geht sogar bis hin zu den beliebten »Mittelaltermärkten« – Nachahmungen mittelalterlichen Markttreibens, die unabhängigen Handwerkern eine Bühne bieten und einen ebenso wesentlichen Bestandteil der gegenwärtige »Fantasy-Tradition« in den Vereinigten Staaten darstellen wie jeder Fantasy-Roman.

Ein Präraffaelit, dessen Schaffen die gesamte Strömung umfasst, ist William Morris, Handwerker, Wissenschaftler, Fantasy-Autor und revolutionärer Sozialist. Seine Kunde von Nirgendwo (1890) zeichnet eine ideale mittelalterliche Zukunft, in der die Schrecken des Maschinenzeitalters ausgelöscht worden sind und das bodenständige Handwerk zu neuen Ehren kommt. Morris war der erste, der die Isländersagas ins Englische übersetzte, und er hat ihre Stoffe in seine mittelaltertümelnden Fantasy-Werke eingegliedert. Frühere Fantasy-Autoren hatten die Illusion erzeugt, das Phantastische könne in unserer Welt auftreten, oder sie hatten ein Rahmengerüst (wie etwa einen Traum) vorgegeben, um dem Leser die Reise zu ermöglichen. In Büchern wie Die Zauberin jenseits der Welt (1894), Die Quelle am Ende der Welt (1896) und The Water of the Wondrous Isles (1897) konstruiert Morris eine Welt, als wäre sie die einzig real existierende Welt. Das nennt man manchmal eine »voll ausgestaltete Fantasy-Welt«, ein Begriff, der von John Clute geprägt wurde. Nach David Langfords Auffassung ist Morris’ »hauptsächliches Erbe die unbegrenzt ausdehnbare QUESTE, in der die Landschaft selbst eine Hauptrolle spielt«[4]. Morris’ Helden, die bereits Tolkien und seine Nachahmer vorwegnehmen, verbringen die Erzählung mit einer Reise durch das Land, auf der Suche nach einem metaphorischen Gral. Morris’ anderer Beitrag, der in weiten Teilen der Fantasy-Literatur unbeachtet blieb, ist die Schöpfung einer pseudo-mittelalterlichen Ausdrucksweise für seine Figuren. Während er sich damit beschäftigte, gingen die Autoren von Fantasy, die einer bestimmten Sprache verpflichtet war, bereits ans Werk (mehr dazu im nächsten Kapitel), aber die Questen-Fantasy, die Morris schuf und die Lewis und Tolkien wieder aufnehmen sollten, macht weiterhin kreativen (und manchmal ausgiebigen) Gebrauch von Morris’ hochtrabender Sprache. Eine Autorin, die immer noch versucht, Morris’ Vorstellungen einer angemessenen Fantasy-Sprache zu verfeinern, ist Greer Gilman, deren Roman Cloud and Ashes (2009) komplett in iambischen Pentametern verfasst ist.

In dem Jahr, als Morris The Water of the Wondrous Isles veröffentlichte, erschien ein weiteres Buch, das vielleicht immer noch öfter gelesen wird als jedes andere Buch der Phantastik des 19. Jahrhunderts: Bram Stokers Dracula (1897). Die beiden Romane stellen innerhalb der Entwicklung der Fantasy entgegengesetzte Pole dar. Im nächsten Jahrhundert sollten sich diese sogar noch weiter voneinander entfernen, als der Horror ein eigenes Genre bildete (obwohl wir feststellen werden, dass Horror und Fantasy gegen Ende des 20. Jahrhunderts allmählich wieder ineinander übergehen). Gemeinsam konzentrieren sie sich jedoch, wie auch alle Fantasy-Autoren, -künstler und -handwerker dieser Epoche, stark auf das Detail. Im späten 19. Jahrhundert sollte der Impressionismus als vorherrschende Kunstform die Oberhand gewinnen, während die mimetische Literatur sich immer mehr auf die intensive Beschäftigung mit dem inneren Selbst konzentrierte. Die phantastische Literatur und Kunst blieb ihrer intensiven Wahrnehmung treu, wie sie auch weiter darauf setzte, durch Hinzufügen von Elementen eine phantastische Welt zu erschaffen. Beispiele hierfür sind die frühesten Werke der Schauerromantik von Walpole und dem »Mönch« Lewis, die Gemälde von Dadd und die Texte von Thackeray in der Mitte des 19. Jahrhunderts und die Maler und Schriftsteller der Präraffaeliten im späten 19. Jahrhundert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte sich jedoch die »Stimme«, mit der diese Details erzählt wurden, grundlegend verändern.

[4]John Clute & John Grant (Hrsg.):The Encyclopedia of Fantasy(London: Orbit, 1997), S. 665.

3 | 1900–1950

Die wichtigen Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts schrieben Fantasy für Erwachsene. Man ist also womöglich bestürzt, wenn man erfährt, dass die beiden Persönlichkeiten mit dem wohl größten Einfluss auf die Entwicklung der Fantasy des beginnenden 20. Jahrhunderts ausdrücklich für Kinder schrieben: L. Frank Baum und E. [Edith] Nesbit. Baum und Nesbit haben zusammen das geschaffen, was Brian Attebery als »heimische Fantasy« bezeichnet. Über Baums diesbezügliches Konzept ist Genaueres bekannt: Er schrieb, er wolle eine phantastische Welt für US-amerikanische Kinder schaffen, die den phantastischen Traditionen Europas in keiner Weise verpflichtet sei. Nesbit dagegen war weniger mitteilsam. Als freie Schriftstellerin, die schrieb, um eine immer größer werdende Familie zu ernähren, verfasste Nesbit Texte verschiedenster Genres sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Die Schatzsucher (1899) ist kein phantastisches Buch und anscheinend gleichermaßen geschrieben, um Erwachsenen Kinder nahezubringen, wie es sich an Kinder richtet, ganz in der Tradition von Richard Jefferies’ Bevis (1882). In ihrer ersten Fantasy-Geschichte für Kinder, Der Sandelf (1902), verschwindet dieser Ton, und stattdessen erhalten wir eines der ersten Beispiele von Kinderliteratur, die den Leser auffordert, sich mit dem Kind zu verbünden (anstatt von ihm erheitert zu werden). In dieser und den darauf folgenden Fantasy-Geschichten (darunter Feuervogel und Zauberteppich [1904], The Story of the Amulet [1906], Die verzauberte Stadt [1910]) hat Nesbit außerdem die Vorstellung eingeführt, dass das Phantastische jeden Augenblick in unsere Welt einbrechen kann, ohne dass es zwingend furchterregend sein muss. Der Tonfall dieser Geschichten ist nüchtern: London, oder der eigene Garten hinter dem Haus am helllichten Tag, werden zu Schauplätzen phantastischer Ereignisse. In einer Sandgrube ganz unten im Garten kann man einer Fee begegnen; aber da Feen mit hauchfeinen Flügeln nicht lange überleben würden, hat die Evolution (und Nesbit war ein sehr wissenschaftlicher Mensch) etwas Haariges hervorgebracht, das Winterschlaf hält und vor dem Frühstück furchtbar schlecht gelaunt ist.

Edith Nesbit schuf das, was wir heute als Urban Fantasy bezeichnen (oder manchmal auch als »Low Fantasy«), unter der man, auch wenn sich die Definition ständig ändert (gegenwärtig scheinen Werwölfe eine notwendige Zutat zu sein), eine Darstellung des Magischen verstehen kann, das in die städtische Umgebung eindringt und sie aufstört. L. Frank Baum hat die Anderswelt-Fantasy amerikanisiert. Die Portal-Fantasy war noch recht neu, als Baum Der Zauberer von Oz (1900) schrieb, den ersten Teil einer langen Serie. Die englischen Autoren, die schon vorher Fantasy in diesem Stil verfasst hatten, neigten dazu, sehr vage zu bleiben, was die Transportwege in die Fantasy-Welt, die Verortung jener Fantasy-Welt und ihre politischen Hintergründe anging. Baums Oz taucht auf Karten auf (tatsächlich sind dies wohl die Vorfahren all jener Karten, die so viele moderne Fantasy-Trilogien einleiten). In späteren Büchern wird angedeutet, dass Oz ganz in der Nähe von Kansas liegt. Man kann es mit einem Haus erreichen, das von einem Wirbelsturm emporgerissen wird, oder indem man einen Fluss hinabsegelt. Es gibt dort verschiedene Länder, jedes davon mit unterschiedlichen Gemeinwesen, und auch ein Wirtschaftssystem wird angedeutet. Nichts von alledem war ausschlaggebend für die Beliebtheit dieses Buches und seiner Folgebände. 1900, als Der Zauberer von Oz veröffentlicht wurde, lief gerade eine Debatte über das Wesen des US-amerikanischen Kindes. Die Sorge um die große Anzahl offensichtlich vernachlässigter Kinder in US-amerikanischen Städten hatte zur Entstehung einer Reihe von karitativen Vereinigungen für Kinder und der »Orphan Train«-Bewegung geführt, die Kinder aufnahm und sie als Arbeitskräfte auf Farmen verteilte. Der Gedanke dahinter war, dass diesen Kindern Werte wie Unabhängigkeit und Autarkie, die sie auf den Straßen der Stadt gelernt hatten, in den ländlichen Gebieten zugutekommen würden. Baums Dorothy ist der Prototyp eines solchen Kindes: schlau, frech und völlig ich-bezogen. Die drei Hauptfiguren des Buches, der Löwe, die Vogelscheuche und der Blechmann, schließen sich Dorothy nur an, weil ihre jeweiligen Ziele miteinander verbunden sind – das Konzept der Freundschaft und Zusammenarbeit ist zweitrangig neben einer Philosophie, in der jeder das Beste für alle erreicht, indem er seine eigenen Ziele verfolgt (im Film wird die Freundschaft und Unterstützung von Dorothy sehr viel mehr betont). Neben dem phantastischen Element war dies ein Grund, weshalb das Buch von vielen christlichen Amerikanern abgelehnt wurde, während andere es vergötterten. Ein zweiter Grund für seine Beliebtheit war das ins Auge springende allegorische Element. Die Dürre im Kansas des Buches, die silbernen Schuhe[5] und der betrügerische Zauberer schienen alle den gegenwärtigen Zustand Amerikas anzusprechen. Das dritte Element, das zur Beliebtheit des Buches beitrug, war die hohe Professionalität von Baum als Publizist, der schnell zum Film drängte. Bis 1939 gab es bereits sechs Oz-Stummfilme. Die Version von MGM aus dem Jahr 1939 kurbelte die Popularität des Buches gewaltig an, aber es waren die Wiederholungen im Fernsehen ab den 1950er Jahren, die weltweit seinen Status als Klassiker besiegelten, darunter viele Menschen, die das Buch niemals gelesen haben (und für die diese Lektüre durchaus erschütternd sein kann).

Ob nun Baum oder Nesbit der Auslöser waren, die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts brachten äußerst einfallsreiche Fantasy-Geschichten für Kinder hervor. 1911 veröffentlichte J. M. Barrie Peter Pan und Wendy, eine Romanfassung seines Bühnenstücks von 1904. 1906 brachte Rudyard Kipling, der bereits für seine indischen Geschichten bekannt war, darunter eine Reihe von Geistergeschichten und die gefeierten Tier-Geschichten in Das Dschungelbuch (1894), Puck vom Buchsberg heraus, eine innovative Sammlung, in der Puck eine Geschichte erzählt und auf magische Weise weitere Personen aus unterschiedlichen Zeitaltern der britischen Historie aufliest, deren Geschichten er erzählt. 1908 schickte sich Kenneth Grahames Der Wind in den Weiden, einer der bekanntesten Klassiker der Kinderliteratur zu werden. Als eigentlich sanfte Satire auf den englischen Landadel enthält diese Tierfabel auch einen überraschend elegischen Strang wieder aufgegriffener heidnischer Elemente, die aus dieser ansonsten mehr als konventionellen Geschichte voller Englishness hervorstechen und später ein Kernthema von P. L. Travers’ Mary Poppins-Büchern (das erste erschien 1934) bildeten, genauso wie sie auch – unter anderem – die Band Pink Floyd beeinflussten. Die Mary Poppins-Bücher waren nostalgisch und blickten auf ein edwardianisches England zurück, das es vielleicht nie gegeben hatte, aber sie integrierten auf geradezu radikale Weise das Gedankengut der Okkultisten, darunter praktizierende wie Madame Blavatsky und die Theosophisten. Außerdem waren sie ziemlich düster, ohne allzu moralisch zu sein.