Eine lausige Hexe eilt zu Hilfe - Jill Murphy - E-Book

Eine lausige Hexe eilt zu Hilfe E-Book

Jill Murphy

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Beschreibung

Gefährliche Zaubersprüche, eine gestohlene Hausarbeit und eine Schildkröte, die zu viel weiß schon in der ersten Schulwoche geht es hoch her an Frau Grausteins Hexenakademie.

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Jill Murphy

Eine lausige Hexe eilt zu Hilfe

Aus dem Englischen von Ursula Kösters-Roth

Diogenes

{5}1

Das erste Licht des frühen Morgens kündigte einen herrlichen Märztag an, ein wenig windig vielleicht, aber dennoch versprach es ein perfekter erster Schultag im neuen Sommerhalbjahr an Frau Grausteins Hexenakademie zu werden.

Eine einzelne Gestalt auf einem Besen kam mitten in einem Vogelschwarm dahergeflogen, vollführte rasante Sturzflüge und schwang sich kurz darauf wieder so elegant in die Lüfte, dass man aus der Ferne meinen konnte, sie sei ebenfalls ein Vogel.

Auf dem Besen saß Esther Edel, die Musterschülerin der Hexenakademie, früh dran wie immer, weil sie als Erste im Schulhof landen wollte.

{6}Esther drosselte ihre Fluggeschwindigkeit, um den Koffer, der sich bei einem gewagten Manöver ein wenig verschoben hatte, zurück an seinen Platz zu stupsen. Nachtstar, ihre Katze, hockte zwischen dem Koffer und einem Stapel Ordner und unterzog eine erhobene Tatze in aller Seelenruhe einer gründlichen Waschprozedur.

Esther ging in den Sinkflug, bis sie die Baumwipfel des dichten Waldes beinahe streifte, der die Hexenakademie in einem {7}kilometerbreiten Gürtel umgab. Nun konnte sie – allerdings nur recht undeutlich – am Horizont bereits die hohen Mauern der Schule ausmachen. Esther blickte sich um, weit und breit keine Menschenseele. Also war sie mit Sicherheit die Erste und konnte es nun ein wenig geruhsamer angehen lassen.

Erstaunlicherweise sah Esther dem ersten Schultag dieses Mal mit einigem Bangen entgegen. Die Klasse hatte über die Ferien eine Hausarbeit aufbekommen, und zu ihrer großen Überraschung hatte Esther damit ernsthafte Schwierigkeiten gehabt. Normalerweise mussten sie für solche Ferienarbeiten Informationen aus dem Buch der Zaubersprüche zusammentragen und neue, schwierige Zaubersprüche auswendig lernen, die ihnen zuvor noch verboten gewesen waren. Dieses Mal aber hatten sie eine gänzlich ungewohnte Aufgabe bekommen. Frau Harschmann, ihre äußerst strenge Klassenlehrerin, hatte ihnen völlig freie Hand gelassen und ihnen einfach nur aufgetragen, zum Schulanfang einen Bericht über etwas Außergewöhnliches oder Interessantes mitzubringen.

»Das heißt aber nicht, dass ihr erst während der letzten fünf Minuten auf dem Rückflug zur Schule darüber nachdenken sollt!«, hatte Frau Harschmann, die von allen H.M. genannt wurde, die Klasse am letzten Schultag ermahnt. »Ihr seid alle lange genug hier, und ich erwarte von euch ein gerüttelt Maß an Eifer und Phantasie.«

{8}Aber genau das, die Phantasie – oder besser der Mangel daran – war Esthers Problem, sozusagen ihr einziger Schwachpunkt. Und so befand sie sich nun in der für sie ganz und gar unerhörten Lage, dass sie genau das tat, was Frau Harschmann ihnen ausdrücklich untersagt hatte: Während der letzten fünf Minuten auf dem Rückflug zur Schule zermarterte sie sich noch immer das Hirn nach einer brillanten Idee für die Hausarbeit.

Da fiel ihr Blick auf den Wipfel einer Buche. Saß da wirklich ein getigertes Kätzchen? Sie ließ den Besen noch ein wenig {9}tiefer sinken und vernahm ein klägliches Maunzen. Jetzt entdeckte Esther auch die abgeknickte Spitze eines Schulhuts und darunter eine Gestalt, halb verborgen von dem dichten Geäst. Dieser Hut! Diese Katze! Das konnte doch nur Mildred Hoppelt sein!

»Mildred?«, rief Esther, während sie perfekt wie ein Hubschrauber über dem Kätzchen die Position hielt. »Bist du das da unten? Alles in Ordnung mit dir?«

Der Hut bewegte sich, und Mildred Hoppelts Gesicht tauchte auf. »Oh, hallo Esther. Du bist aber früh dran. Ich wollte nur eine kleine Pause einlegen … nun ja, zuerst ist Tapsi vom Besen gefallen, da musste ich sie natürlich holen, und jetzt ruhen wir uns ein wenig aus. Bis hierher hat sie wirklich gut durchgehalten, wenn man bedenkt, was für eine Angst sie vor dem Fliegen hat. Sie hat es wirklich schwer, jetzt, wo die Katzen immer hinten auf dem Besen sitzen müssen. Früher war es so viel einfacher, als wir sie noch in einem Körbchen transportieren durften.«

»Einfacher für dich«, korrigierte Esther, die sich auf dem Besen langsam zwischen die Äste sinken ließ, um einen Landeplatz in Mildreds Nähe zu finden. »Nachtstar ist die geborene Fluggefährtin. Einsame Spitze, schon seit dem allerersten Flug.«

»Ich weiß, ich weiß«, murmelte Mildred, »du bist eben ein Glückspilz, Esther, schon immer gewesen. Ich kann doch {10}nichts dafür, dass ich ausgerechnet Tapsi bekommen habe – aber auch wenn sie auf dem Besen keine allzu gute Figur macht, ist sie furchtbar lieb und das beste Kuschelkätzchen der ganzen Welt.«

Esther platzierte den Besen mitsamt Gepäck sorgfältig in dem dichten Astgewirr, das sich ihr wie eine riesengroße geöffnete Hand entgegenstreckte.

»Rück ein bisschen rüber«, befahl sie, als sie sich neben Mildred setzte. »Was hast du denn da in deinem Katzenkörbchen?« Esther starrte angestrengt in das Körbchen, in dessen hinterer Ecke sich eindeutig etwas bewegte.

{11}»Oh, äh, nichts, gar nichts«, erwiderte Mildred fröhlich. »Da sind nur ein paar Kleinigkeiten drin, die nicht mehr in den Koffer gepasst haben. Das Körbchen war noch leer, und darum {12}habe ich die Sachen da reingepackt. Übrigens, wie steht’s mit der Ferienarbeit?«, erkundigte sie sich rasch, um das Thema zu wechseln. »Was hast du gemacht?«

»Ah ja, die Ferienarbeit«, sagte Esther, »war nicht ganz einfach, oder? Ist dir was eingefallen?«

Mildred lächelte schüchtern. »Nun ja, ich hatte eine wirklich tolle Idee, die beste Idee meines Lebens, um ehrlich zu sein. Ich habe in unserer Bücherei daheim in einem alten Buch der Zaubersprüche ziemlich lange suchen müssen, um alles zusammenzubekommen, ein unglaublich altes Buch mit winzigen Buchstaben. Ich habe eine Lupe zum Lesen gebraucht! Und kaum ein Bild, also eigentlich ein eher langweiliges Buch, aber es war alles drin, was mir noch gefehlt hat. Ich habe alles ganz genau beschrieben und kann es darum kaum erwarten, {13}dass die Schule wieder anfängt und ich allen davon berichten kann. Hättest du mir nicht zugetraut, was?«

»Und um was für einen Zauberspruch geht es dabei?«, fragte Esther beiläufig.

»Es ist kein Spruch, den es schon gab«, erklärte Mildred stolz. »Ich habe ihn mir sozusagen ausgedacht, ich ganz allein. Man kann damit Tiere sprechen lassen. Aber nicht so wie ein Mensch, der in ein Tier verwandelt wird. Dabei wird der Mensch sozusagen zu dem Tier und kann dann auch die Tiersprache. Nein, mit meinem Spruch kann sich das Tier richtig mit einem Menschen unterhalten, aber es funktioniert nur, wenn es kleiner als fünfundzwanzig Zentimeter ist. Es gibt diese Größenbeschränkung, weil man für jeden Körperteil eine exakte Formel aufstellen muss – da muss jedes Detail stimmen. Ich habe es auch mit größeren Tieren versucht, denn ich würde mich zu gerne einmal mit Tapsi unterhalten. Aber ich habe die Formel nicht richtig hinbekommen, und so habe ich es fürs Erste aufgegeben. Aber für Tiere bis zu fünfundzwanzig Zentimetern habe ich es geschafft, ich habe die Zauberformel entwickelt, kenne die Zutaten und weiß, wie sie zu mischen sind. Ich kann mich jetzt mit einer Kröte oder einer Spitzmaus unterhalten. Aber der Zauber hält bei jedem Tier nur zwei Wochen, und danach spricht es nie wieder. Seltsam, findest du nicht?«

{14}»Woher weißt du denn, dass er nur zwei Wochen hält?« Esther hatte fasziniert zugehört. »Ich meine, wenn du den Zauberspruch erfunden hast, wie kannst du das dann wissen?«

Mildred lächelte.

»Weil ich es ausprobiert habe. Bei einer Spitzmaus, einem kleinen Igel und einem Wassermolch. Die hatten alle die richtige Größe. Aber genug von mir, ich wette, deine Ferienarbeit ist tausendmal interessanter als meine.«

Esther gab sich große Mühe, Mildred ein bewunderndes Lächeln zu schenken.

»Mein Gott, Mildred, ich glaube, da hast du einen Volltreffer gelandet. Im Vergleich dazu ist meine Idee nicht der Rede wert. Was haben sie denn gesagt, die Spitzmaus und der Igel?«

{15}»Nicht gerade viel«, räumte Mildred ein. »Der Igel war ziemlich ruhig und scheu, hat nur gefragt, ob er ein Tellerchen mit Milch haben und ob ich ihm den Weg zum nächsten schneckenbefallenen Blumenbeet zeigen könnte. Die Spitzmaus dagegen war ziemlich nervig. Sie hatte ausgesprochen schlechte Laune und hat sich ständig nur beklagt und herumgemeckert. Ich war wirklich froh, als die zwei Wochen vorbei waren und sie endlich wieder gepiepst und nicht mehr gesprochen hat. Am vierzehnten Tag um Punkt zwölf Uhr konnten beide plötzlich nicht mehr sprechen. Und obwohl ich alles versucht habe, ich hab es nicht geschafft, sie danach wieder zum Sprechen zu bringen. Darum habe ich es noch einmal mit einem Wassermolch probiert. Und da hat es wieder geklappt – auch wenn Molche nicht gerade sehr gesprächig sind –, für genau zwei Wochen. Ich habe alles sauber aufgeschrieben, hier, in dieser Mappe. Sieh nur, fünfzehn Seiten! H.M. wird mir nicht glauben, bis sie mit eigenen Augen sieht, dass es funktioniert.«

Plötzlich wurde es Mildred ein wenig mulmig: Hockte sie tatsächlich mit Esther in einem Baum und unterhielt sich ganz normal, ja freundlich mit ihr? Bisher hatten die beiden Mädchen nie länger als zwei Minuten miteinander geredet, ohne dass ein fürchterlicher Streit entbrannte.

»Ich denke, wir sollten dann mal wieder los.« Mildred steckte die Mappe zurück in die Schultasche und begann, ihre Sachen {16}einzupacken. »Sonst kommen wir noch zu spät. War wirklich nett, mit dir zu plaudern, Esther. Ich muss zugeben, dass ich ausnahmsweise einmal richtig stolz auf mich bin.«

»Dazu hast du ja auch allen Grund«, sagte Esther mit einem Lächeln. »Das war eine wirklich ausgezeichnete Idee. Ich wünschte, ich wäre darauf gekommen.« Als sie sich vorsichtig in dem Baum aufrichteten und ihre Siebensachen und die Katzen wieder einsammelten, geriet Esther leicht ins Schlingern und stieß dabei gegen Mildreds vollgestopfte Schultasche. Da Mildred sie noch nicht wieder richtig geschlossen hatte, stürzte der ganze Inhalt durch die Äste hindurch zu Boden, ein wahrer Heft- und Blätterregen. Der Kasten mit den nagelneuen {17}Farbstiften ging zu allem Unglück auch noch auf, und leises Klackern ertönte, als die zwanzig brandneuen frischgespitzten Buntstifte auf dem Weg nach unten Äste und Zweige streiften.

»O nein!«, rief Mildred entsetzt, als Tapsi mit einem erschreckten Miauen zum Baumwipfel hinaufkletterte, um sich vor dem Tumult in Sicherheit zu bringen.

»Keine Panik, Mildred«, beruhigte Esther sie. »Du schnappst dir Tapsi, und ich sammle deine Sachen wieder ein.«

Esther kletterte den Baum hinunter, suchte die gesamte Umgebung nach Stiften und Blättern ab und packte alles sorgfältig in die Tasche zurück.

{18}»Tut mir wirklich leid, dass ich dir nicht helfen kann«, rief Mildred von oben. »Aber ich muss Tapsi festhalten, sonst haut sie ab, und dann bekomme ich sie nie wieder zu fassen. Hast du alles?«

»Fast!«, rief Esther zurück, die unten am Fuß des Baums gar nicht mehr zu sehen war. »Wie viele Buntstifte waren es insgesamt?«

»Zwanzig!«

»Einen Moment noch! Die Stifte liegen überall verstreut.«

Mildred hörte, wie Esther eine Weile in Sträuchern und Büschen herumraschelte. Dann aber war es plötzlich ganz still. »Alles in Ordnung, Esther?«, erkundigte sich Mildred besorgt, während sie Tapsi, die in ihren Armen unruhig herumzappelte, festzuhalten versuchte.

»Ja, alles klar. Jetzt hab ich auch den letzten gefunden, den roten! Ich komme hoch!«