Eine Marcelli geht aufs Ganze - Susan Mallery - E-Book

Eine Marcelli geht aufs Ganze E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

Willkommen auf dem Weingut der Marcellis. Hier feiert man guten Wein, gutes Essen - und die Liebe.

Wein, Weiber und … das Versprechen, mit dem nächsten Mann ins Bett zu gehen, der ihr über den Weg läuft. So endete Francescas Mädelsabend mit ihren Schwestern. Dumm nur, dass die sich am nächsten Morgen noch an alles erinnern und sie beim Wort nehmen. Gut hingegen, dass der nächste Mann, der Francesca über den Weg läuft, ausgerechnet Sam ist. Der Sex mit ihm ist alles andere als belanglos, und sie stürzen sich Hals über Kopf in eine heiße Affäre. Die Zeit ohne Verpflichtungen endet jedoch jäh, als mit einem Mal Sams Tochter aus erster Ehe vor seiner Tür steht und bei ihm wohnen will - und Francesca zeitgleich entdeckt, dass sie und Sam mehr verbindet, als sie geahnt hatten.

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Seitenzahl: 457

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Susan Mallery

Eine Marcelli geht aufs Ganze

Roman

Aus dem Amerikanischen von Ivonne Senn

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright dieses eBooks © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Sassy One

Copyright © 2003 by Susan Macias Redmond

erschienen bei Pocket Books, New York

Published by arrangement with

Pocket Books, a division of Simon & Schuster, Inc., New York

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Corbis, Düsseldorf;

Thinkstock/Getty Images, München; pecher & soiron, Köln

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95576-407-4

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich

der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Für Amy Pierpont, meine Redakteurin, und ihre leise Frage: „Was würde passieren, wenn er nichts von dem Kind wüsste?“ Und für Irene Goodman, meine Agentin, der diese Trilogie von Anfang an gefallen hat.

1. KAPITEL

Francesca Marcelli war erst seit zwanzig Minuten schwanger, und schon tat ihr der Rücken weh.

„Für meinen Geschmack ist das etwas zu realistisch“, murmelte sie und justierte die Gurte, die den künstlichen Achtmonatsbauch an Ort und Stelle hielten. Die Größe des Bauchs war wirklich beängstigend – Francesca konnte weder ihre Füße sehen, noch fand sie eine bequeme Sitzposition –, und das Gewicht war der reine Horror. Es fühlte sich an, als hätte sie sich einen Babyelefanten umgeschnallt. Wer immer dieses Teil erfunden hatte, musste einen seltsamen Sinn für Humor haben. Ihr Rücken bettelte um Erbarmen, und dank des Drucks auf ihre Blase hatte sie nur noch einen Gedanken, nämlich die nächstbeste Toilette aufzusuchen.

„Alles für den guten Zweck“, murmelte sie.

Francesca verlagerte das Gewicht, um den schmerzenden Rücken etwas zu entlasten, und stützte sich auf den schweren Wagen, den sie in den Lastenaufzug des sechs Stockwerke hohen Bankgebäudes manövrierte. Als die Türen sich öffneten, schob sie den überladenen Wagen in den Flur hinaus. Die aufgestapelten Kartons schwankten gefährlich und drohten, jeden Moment auf den mit Teppich ausgelegten Boden zu fallen.

Es war kurz nach fünf an einem Freitagnachmittag. Um sie herum eilten Dutzende von Angestellten in Richtung der Personenfahrstühle, um endlich ins Wochenende zu kommen. Francesca schob ihre Brille auf der Nase hoch und strich sich das Kleid glatt. Sie trug das hässlichste Umstandskleid, das sie hatte finden können. Der übergroße Kragen ließ ihre Schultern und ihren Kopf unnatürlich schmal aussehen. Der in Pink- und Rosatönen gehaltene Blumendruck schien ihr alle Farbe aus dem Gesicht zu saugen. Sie hatte sich ein wenig Puder ins Haar gekämmt, um ihm einen mausbraunen Schimmer zu geben, und ihr Make-up hatte sie nur dazu benutzt, um sich einen müden, erschöpften und unattraktiven Anstrich zu verleihen.

Sie schaute auf die Uhr, dann straffte sie die Schultern und machte sich auf den Weg.

„Showtime“, flüsterte sie, obwohl niemand in der Nähe war, der sie hätte hören können.

Drei Männer aus dem Versicherungsmaklerbüro am Ende des Flurs gingen an ihr vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Francesca schob den Wagen mit den Päckchen und Paketen weiter gegen den Strom der ihr entgegenkommenden Menschen. Zwei Frauen in grauen Anzügen schenkten ihr ein mitfühlendes Lächeln. Ihnen folgten ein Mann und eine Frau, beide mit teuer aussehenden Aktentaschen in der Hand. Die Frau schaute, der Mann nicht.

Zu ihrer rechten Seite ging ein weiterer Flur ab. Francesca stemmte sich gegen den Wagen, um ihn um die Kurve zu bugsieren. Mehrere Pakete fielen herunter. Ein Mann ging an ihr vorbei, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Ein Mädchen im Collegealter blieb lange genug stehen, um Francesca beim Aufheben der Kartons zu helfen, dann lief sie auf den Fahrstuhl zu und rief: „Wartet auf mich!“

Fünf Minuten später hatte Francesca ihr Ziel erreicht: ein Büro, das sie in der vorangegangenen Woche ausgespäht hatte. Sie hatte es ausgewählt, weil die Firma vor Kurzem geschlossen worden war. Hier stand sie nun, hochschwanger, verloren, mit mehr als einem Dutzend Päckchen auf dem überladenen Wagen, die sie anliefern sollte, und niemand da, um sie entgegenzunehmen. Wenn sie Schauspielerin gewesen wäre, hätte sie jetzt noch eine Träne aus dem Augenwinkel gedrückt.

Die Regeln besagten, dass sie nicht aktiv um Hilfe bitten durfte. Sie musste ihr angeboten werden. Also würde sie die geforderten dreißig Minuten warten, in Gedanken mitzählen, wer sie ignorierte, wer lächelte und wer stehen blieb, um ihr Hilfe anzubieten.

Hier in dem Gebäude arbeiteten nur hoch bezahlte Kräfte mit erlesenem Geschmack und wenig Zeit. Sie hegte keine große Hoffnung, dass irgendjemand ihr helfen würde. Ihrer Erfahrung nach …

„Sie sehe aus, als hätten Sie sich verlaufen.“

Francesca wirbelte herum. Neben ihrem Wagen stand ein großer Mann. Ein großer, gut aussehender Mann in einem dunkelblauen, Macht ausstrahlenden Anzug.

„Hey“, sagte sie als Einleitung für ihre vorbereitete Rede, in der sie ihm erklären würde, dass sie diese Pakete an die nicht mehr existierende Firma ausliefern musste. Nur leider konnte sie sich an nichts mehr von dem erinnern, was sie sagen sollte.

Der Mann wartete geduldig. Er hatte dunkelblonde Haare und braune Augen, die beinah golden aussahen. Sein intensiver Blick erinnerte sie an die Art, mit der Jäger ihre Beute belauerten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie an Gazellen dachte, die von Löwen gerissen wurden. Unglücklicherweise ähnelte sie in ihrer momentanen Verfassung eher einem Wasserbüffel als einer Gazelle.

Er wirkte selbstbewusst, wichtig und mächtig. Nicht gerade die Art Mann, von der man erwartete, dass sie stehen blieb, um einer unattraktiven Schwangeren in Not zu helfen. Männer wie er schickten ihre Assistenten, um sich um die unangenehmen Dinge des Lebens zu kümmern.

„Sprechen Sie Englisch?“ Er betonte jedes Wort sehr deutlich.

„Was? Oh, natürlich.“ Sie atmete tief ein. Was war nur mit ihr los? Sie hätte ihren akuten mentalen Schluckauf ja gern auf eine Lebensmittelvergiftung geschoben, doch leider hatte sie an diesem Tag noch nichts gegessen. „Ich bin, äh …“ Francesca räusperte sich. Ihr Gehirn schien wieder zu arbeiten, und ihr fiel endlich wieder ein, was sie sagen sollte.

„Hallo. Ich bin Francesca. Ich soll diese Pakete hier abliefern, aber da scheint es ein Problem zu geben.“ Sie zeigte auf die geschlossene Bürotür.

Der Mann schaute erst auf die Kartons, die alle sorgfältig an die nicht mehr existente Firma adressiert waren, und dann zu der Tür, auf der ein handgeschriebener Zettel verriet, dass „Mal-com und White Data Tech“ hier nicht mehr zu finden war.

„Die Lieferung hier abzugeben war der letzte Auftrag, den mein Chef mir erteilt hat, bevor er die Stadt verließ“, sagte sie. „Wenn ich sie nicht ausliefere, wird er mich umbringen.“

Francesca bemühte sich, verzweifelt auszusehen. Dazu musste sie nur an ihren Kontostand und die bald fällig werdende Stromrechnung denken. Irgendwann würde sie die Früchte ihres Hochschulstudiums ernten, aber solange sie noch nicht promoviert hatte und keinen Doktortitel benutzen konnte, schien sie zu einem Leben in Armut verdammt.

„Da werden Sie wohl seine Wut riskieren müssen“, sagte der Mann ruhig. „Diese Kartons gehen heute nirgendwo mehr hin. Die Firma existiert nicht mehr. Nach allem, was ich gehört habe, haben die Gesellschafter die Stadt mit den letzten paar Dollar, die noch übrig waren, fluchtartig verlassen und ihre Angestellten ohne Bezahlung, aber dafür mit einer ganzen Reihe verärgerter Kunden zurückgelassen. Wie heißen Sie noch mal?“

„Francesca Marcelli.“

Er lächelte sie an. Als würde er sich wirklich freuen, sie kennenzulernen. Ein echtes Lächeln, das bis zu seinen Augen reichte, wo es kleine Fältchen in die Winkel zeichnete. Mit einem Mal wurden ihre Handflächen ganz feucht. So viel Spaß hatte sie seit Tagen nicht gehabt.

Ihr Retter stellte sich als Sam Reese vor.

„Kommen Sie, ich bringe Sie erst mal aus diesem Flur heraus, und dann überlegen wir, was wir tun können.“

Wir? Sie waren jetzt ein Wir?

Sam schnappte sich den Wagen und schob ihn mit einer Leichtigkeit den Flur hinunter, die Francesca neidisch machte. Na gut, er musste sich auch keine Sorgen machen, dass sein falscher Schwangerschaftsbauch ihn behinderte. Langsam ging sie hinter ihm her und fragte sich, was er wohl als Nächstes tun würde. Wie weit würde Sam die Sache treiben? In Situationen, wie dieser hier – die eindeutig kein Notfall war – stellten die Menschen ihre Hilfe meistens an dem Punkt ein, an dem es für sie unbequem wurde.

„Einfach da hindurch!“ Er zeigte auf eine gläserne Doppeltür.

Bevor Francesca den Namen der Firma lesen konnte, wurde eine der Türen geöffnet und ein großer Mann trat auf den Flur. Unwillkürlich blieb sie stehen und starrte ihn an.

Der Mann musste mindestens zwei Meter groß sein. Er war gebaut wie ein Berg, hatte einen kräftigen Hals und Schultern, die breit genug waren, um ein paar Wohnwagen abzustützen. Mit seiner dunklen Haut, dem stechenden Blick und dem festen, vollkommen ernsten Mund sah er gefährlich und ziemlich Angst einflößend aus.

„Sam“, sagte der Mann und ließ seinen Blick zwischen ihrem Retter und ihr hin- und hergleiten. „Gibt es ein Problem?“

„Vielleicht ja.“ Sam warf ihr einen Blick zu. „Ms Marcelli versuchte, bei ‚Malcom und White‘ eine Lieferung abzugeben.“

„Die haben letzte Woche dichtgemacht.“

„Ja, das habe ich Ms Marcelli bereits erklärt.“ Er zeigte auf den beladenen Wagen. „Bring den bitte rein, Jason, und lagere die Kartons in einem unserer Konferenzräume.“ Er wandte sich wieder Francesca zu. „Wenn Ihr Chef erwartet, dass diese Lieferung bezahlt wird, muss ich Sie enttäuschen. Das wird nicht passieren. Zumindest nicht im Moment. Aber kommen Sie doch erst mal rein, dann können wir alles Weitere in Ruhe bereden.“

Francesca wurde in ein exklusives Büro mit einer in Grau und Burgunderrot eingerichteten Sitzecke geführt. Eine attraktive Frau Anfang vierzig saß am Empfangstresen. Sie sprach gerade in ihr Headset, als sie an ihr vorbeigingen, und nickte Sam nur kurz zu.

„Ich kann versuchen, Malcom und White aufzutreiben“, erklärte Sam, während sie einen langen Flur mit elegant gerahmten Bildern und schmalen, an den Wänden stehenden Beistelltischchen entlanggingen. „Ich habe schon lange nach einem Grund gesucht, um sie aufzuscheuchen.“

Er klang entschlossen, als hätte er mit den verschwunde-nen Geschäftsleuten noch eine persönliche Rechnung offen. Francesca ging hinter ihm, hin- und hergerissen zwischen der Frage, wieso es Sam Reese etwas ausmachte, wenn eine Firma in diesem Gebäude schloss, und dem Gedanken, in was für eine Situation sie sich hier gerade hineingeritten hatte. Sie kamen an mehreren großen Konferenzräumen vorbei, die aussahen wie Klassenzimmer, und an einigen Büros, in denen große Tische, Computer und Aktenschränke standen. Also die typische Büroeinrichtung, die keinerlei Rückschlüsse auf die Art der Geschäfte zuließ, die hier getätigt wurden.

Am Ende des Flurs bogen sie nach links ab, dann wieder nach rechts, bevor sie vor einem großen, offenen Foyer stehen blieben, in dem ein weiterer großer Schreibtisch mit Computer stand. Dahinter saß ein gut angezogener Mann in einem Sakko.

„Jack, das ist Ms Marcelli.“

Der junge Mann, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt und gebaut wie ein Footballspieler, erhob sich. „Schön, Sie kennenzulernen, Ma’am.“

Francesca trat näher, um ihm die Hand zu schütteln. Dabei rutschte ihr die Handtasche am Arm herunter und fiel zu Boden.

„Hups.“ Schnell beugte sie sich vor, um sie aufzuheben.

Als sie sich wieder aufrichtete, wich ihr alles Blut aus dem Kopf. Der Raum fing an, sich zu drehen, und sie spürte, wie sie ins Schwanken geriet. Für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete sie, ohnmächtig zu werden.

Einen halben Herzschlag später umfing sie ein starker Arm um die Taille und hielt sie fest. „Ms Marcelli? Geht es Ihnen gut? Ist etwas mit dem Baby nicht in Ordnung?“

Baby? Was … oh, das Baby.

Francesca schüttelte leicht den Kopf. Ihr Gleichgewichtssinn war so weit zurückgekehrt, dass sie sich bewusst war, sehr nah neben Sam zu stehen. Nah genug, um die unglaublich langen Wimpern zu erkennen, die seine Augen umrahmten. Wo sie gerade davon sprach – sie schaute genauer hin. Aus dieser Nähe hatten sie eine wirklich ungewöhnliche Farbe. Hellbraun mit goldenen Sprenkeln. Überirdische Augen. Katzenaugen.

Katzenaugen an einem mächtigen Mann. Sie spürte seine Wärme und seine Kraft. Irgendwie hatte sie immer angenommen, Führungskräfte wären unter dem teuren Stoff ihrer Maßanzüge vollkommen verweichlicht. Da hatte sie sich wohl gründlich geirrt.

„Ms Marcelli?“

Sam Reese klang angespannt. Sie schüttelte noch einmal den Kopf und versuchte, sich aus Sams Griff zu lösen. Als er sie nicht freigab, schenkte sie ihm ein kleines Lächeln.

„Mir geht es gut.“

„Sie sind beinahe ohnmächtig geworden.“

„Ich weiß. Ich habe heute nicht genügend gegessen. Das passiert mir manchmal. Die Arbeit lenkt mich so ab, und dann sinkt mein Blutzuckerspiegel.“

„Das ist bestimmt nicht gut für das Kind.“

Da es kein Kind gab, war ihr seine Sorge ein wenig unangenehm.

„Mir geht es gut“, wiederholte sie. „Wirklich.“

Langsam löste er seinen Arm von ihrer Taille. „Jack bring Ms Marcelli bitte eine Tasse Kräutertee. In der Kaffeeküche haben wir eine kleine Auswahl. Und schau doch bitte auch nach, ob wir von unserem Meeting noch ein Sandwich übrig haben.“

Francesca überlegte, erneut zu protestieren, aber bevor sie wusste, was sie sagen konnte, ohne ihre Tarnung auffliegen zu lassen, wurde sie schon in ein Büro von der Größe Utahs geführt.

Die vom Boden bis zur Decke reichenden Fenster boten auf der einen Seite einen Ausblick über Santa Barbara und die Berge, auf der anderen Seite sah man die Stadt und das Meer am Horizont. Geschmackvolle Bilder hingen an den nicht mit Fenstern versehenen Wänden. Zwei große Sofas bildeten in einer Ecke einen netten Rückzugsort für vertrauliche Gespräche. Zwischen ihnen und dem Schreibtisch war so viel Platz, dass man einen Kickbox-Kurs hätte abhalten können.

Sam ließ sie auf dem Sofa Platz nehmen und setzte sich dann neben sie. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hatte er ihre Hand in seine genommen und fühlte ihren Puls am Handgelenk.

„Ihr Herz rast. Soll ich Ihren Arzt anrufen?“

Sie ging immer zum studentischen Gesundheitsdienst, wenn sie etwas brauchte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, das freundliche Geplauder mit der Arzthelferin dort war nicht das Gleiche, wie einen eigenen Arzt zu haben.

Allerdings musste sie zugeben, dass es sehr angenehm war, von einem attraktiven Mann die Hand gehalten zu bekommen. Er war warm und geduldig und unglaublich sexy. Hätte sie nicht ausgesehen wie etwas, das eine streunende Katze angeschleppt hatte, hätte sie vielleicht versucht, mit ihm zu flirten, und schlagfertige Kommentare zum Besten gegeben. Vorausgesetzt, ihr wären irgendwelche schlagfertigen Kommentare eingefallen.

„Nein danke, das ist nicht nötig.“ Widerstrebend entzog sie ihm die Hand. „Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe sowieso schon viel zu viel Ihrer Zeit in Anspruch genommen.“

Sie wollte aufstehen, doch Sam hielt sie davon ab, indem er sie durchdringend ansah.

„Trinken Sie einen Tee“, sagte er. „Danach fühlen Sie sich besser.“

Beides klang wie ein Befehl.

Bevor sie widersprechen konnte, kam Jack mit einem Tablett herein. Auf dem standen eine Tasse mit dampfendem Tee und ein Teller mit einem eingepackten Sandwich.

„Wir hatten nur noch Pute“, sagte er entschuldigend, als er das Tablett auf den gläsernen Kaffeetisch stellte.

Das leichte Schuldgefühl, das Francesca bis jetzt verspürt hatte, pumpte sich zu doppelter Größe auf. „Also, Sie waren wirklich nett – Sie alle beide. Aber es gibt keinen Grund, mich so zu bemuttern.“

Die Männer ignorierten sie. „Geh an den Computer“, sagte Sam zu seinem Assistenten. „Sieh nach, ob du entweder Malcom oder White irgendwo aufspüren kannst. Du findest den Ordner am üblichen Platz.“ Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Francesca zu. „Sie haben gesagt, Ihr Boss wäre für den Rest des Tages außer Haus. Wie können Sie mit ihm in Verbindung treten? Ich möchte ihn gerne darüber informieren, dass die Pakete nicht ausgeliefert werden können. Außerdem werde ich veranlassen, dass sie zu ihm zurückgeschickt werden.“ Sein ernster Gesichtsausdruck wurde ein wenig weicher. „Er hätte niemals zulassen dürfen, dass Sie sich alleine darum kümmern.“

„Das macht mir nichts aus“, sagte sie schwach. Sie spürte, wie der Boden unter ihr zu Treibsand wurde. In wenigen Sekunden wäre sie so tief darin versunken, dass niemand sie je wiederfinden würde. „Und ich kann ihn nicht erreichen. Er ist auf dem Weg zum, äh, Flughafen. Um, äh, wegzufliegen.“

Innerlich zuckte sie zusammen. Es war ihr noch nie leichtgefallen zu lügen. Aber auf dem Weg zum Flughafen, um wegzufliegen? Warum sollte man sonst zum Flughafen fahren?

Francesca seufzte. Irgendwie war dieses Experiment außer Kontrolle geraten. Gemäß ihrer bisherigen Forschungen hätte Sam nicht stehen bleiben dürfen, um ihr zu helfen, und schon gar nicht hätte er es so weit treiben sollen. Dieser Mann brachte ihre ganzen bisher gesammelten Daten durcheinander.

„Welche Fluggesellschaft? Welcher Flug?“ Er nahm ein schmales, ledergebundenes Notizbuch aus seiner Tasche.

Francesca wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Sie werden ihn nicht finden.“

„Versuchen wir es wenigstens.“

Oh-oh. Jetzt ging es wirklich zu weit. Sie warf Jack einen Hilfe suchenden Blick zu, den er entweder nicht verstand oder einfach ignorierte. Jason, der große, starke Mann von vorhin, steckte seinen Kopf zur Tür herein, um Sam darüber zu informieren, dass er die Pakete in Konferenzraum 2 gelagert hatte. Jack verschwand mit Jason und schloss die Tür hinter ihnen. Damit war Francesca auf einmal sehr allein mit einem Mann, der offensichtlich in der Lage war, das Universum nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.

„Also, Ms Marcelli, der Flug Ihres Chefs? Sein Name wäre auch sehr hilfreich.“

„Bitte nennen Sie mich doch Francesca.“ Sie griff nach ihrem Tee. Ihr knurrte der Magen, aber sie weigerte sich, das Sandwich anzurühren. Nicht, solange sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier war. „Können Sie wirklich jemanden anrufen, der in einem Flugzeug sitzt?“

„Wenn es nötig ist. Es wäre allerdings einfacher, ihn vor seinem Abflug zu erreichen. Fliegt er von Los Angeles oder vom Geschäftsfliegerzentrum in Santa Barbara?“

Francesca dachte an all die Male, die sie bereits ähnliche Experimente durchgeführt hatte, um herauszufinden, ob fremde Menschen sich die Mühe machten, stehen zu bleiben und ihr zu helfen. Sie hatte nette alte Damen getroffen, die ihr anboten, sie in ihrem Auto mitzunehmen. Sogar ein Schulkind, das ihr bei der Suche nach ihrem entlaufenen Hund helfen wollte. Aber niemals war jemand so weit gegangen wie Sam Reese.

Sie atmete tief ein. „Sie waren großartig“, sagte sie. „Wirklich unglaublich. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.“

Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht. Sie bedauerte ihre mausbraunen Haare und die übergroße Brille, ganz zu schweigen von dem absichtlich unschmeichelhaft aufgetragenen Make-up. Erfolgreiche, umwerfende Männer wie er waren an der Uni selten. Warum hatte sie sich an diesem Tag nicht für ihr sexy Bikergirl-Outfit entschieden, anstatt als hässliche Schwangere herumzulaufen?

Sam wartete geduldig. Als wenn er alle Zeit der Welt hätte und an Menschen gewöhnt war, die ihm nur widerstrebend die gewünschten Informationen gaben.

„Wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihren Boss aufspüre, ist das Ihre Entscheidung“, sagte er. „Aber bitte essen Sie doch etwas. Wenn schon nicht für Sie selbst, dann wenigstens für das Baby.“

Sie wünschte, er würde aufhören, ihre Schwangerschaft zu erwähnen. Okay, in all den Jahren, in denen sie so etwas schon machte, hatte sie kein einziges Mal ihre Tarnung aufdecken müssen. Doch jetzt wurde sie von Schuldgefühlen überwältigt. Schuldgefühle, gepaart mit einer mehr als nur oberflächlichen Anziehungskraft eines gut aussehenden Mannes.

„Ich bin nicht schwanger.“

Sein Blick ruhte weiter auf ihrem Gesicht. Ein Punkt für ihn. Sie nahm die Brille ab und warf sie auf den Tisch. Es war eine kleine Geste der Eitelkeit, aber unter diesen Umständen – mit dem hässlichsten Kleid der Welt, praktischen Schuhen und einer wenig schmeichelhaften Frisur – war sie einfach unumgänglich.

„Ich studiere Sozialpsychologie und beobachte, wie Menschen unter verschiedenen Umständen reagieren. In meiner Arbeit versuche ich zu erkennen, ob die gesellschaftliche Stellung, die Erscheinung oder das Geschlecht das Verhalten beeinflussen.“

Sam steckte sein Notizbuch zurück in die Jackentasche und sah Francesca fragend an. „Halten viel beschäftigte Leute, die es kaum erwarten können, endlich ins Wochenende zu kommen, an einem Freitagnachmittag inne, um einer schwangeren Frau zu helfen?“

„Genau.“

Seine Augen verengten sich ein wenig, als er Francesca genauer musterte. „Was ist in den Kisten?“

Sie räusperte sich. „Altpapier.“

„Sie haben sie absichtlich an eine Firma adressiert, die es nicht mehr gibt?“

„Ja.“

Nun fiel sein Blick auf ihren dicken Bauch. „Und das?“

„Eine Krankheit.“

Er riss erschrocken die Augen auf.

Sie lachte leise. „Ich mache nur Witze. Das ist eine Vorrichtung, um eine Schwangerschaft zu simulieren. Ich habe mir den Bauch von einem Umstandsmodengeschäft geliehen. Frauen benutzen ihn, um zu sehen, wie ihre Kleidung aussehen wird, wenn der Bauch an Umfang zunimmt.“

Kopfschüttelnd nahm er ihre Brille in die Hand und schaute durch die Gläser. „Fensterglas.“

Er lächelte. Ein ansteckendes, umwerfendes Lächeln, das in Francesca den Wunsch weckte, ihre praktischen Schuhe gegen ein paar rote High Heels einzutauschen.

„Ich bin normalerweise nicht leicht zu täuschen, Francesca. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht erinnern, wann das zuletzt jemandem gelungen ist. Sie sind sehr beeindruckend. Und der Ohnmachtsanfall hat dem Ganzen noch den besonderen Kick gegeben.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Der Teil war nicht gespielt. Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, und das verträgt mein Blutzucker nicht so gut.“

Er zeigte auf ihren dicken Bauch. „Sie verbringen Ihren Tag in diesem Aufzug – und das nur aus wissenschaftlichen Gründen?“

„Ich verkleide mich nicht immer als Schwangere. Manchmal bin ich im Rollstuhl unterwegs, manchmal tätowiert und ganz in Leder.“

Er lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Das sorgt bestimmt für Verkehrsstaus.“

„Kommt ganz drauf an, wo ich bin.“ Lächelnd streckte sie die Hand nach ihrer Teetasse aus. „Es gibt Dutzende von Studien über den Effekt, den das Aussehen auf das Verhalten hat. Wussten Sie, dass einem attraktiven Menschen öfter geholfen wird als einem unattraktiven?“

„Männer sind sehr visuelle Kreaturen.“

„Aber das gilt nicht nur für Männer. Frauen reagieren genauso. Ich studiere …“ Sie unterbrach sich und stellte ihre Teetasse wieder ab. „Tut mir leid, ich gerate ins Plaudern. Meine Studien faszinieren mich.“

„Das kann ich gut verstehen. Wo werden Sie morgen sein? Wenn Ihr Kostüm schwarzes Leder beinhaltet, schauen Sie gerne noch einmal vorbei.“

Sie lachte. „Eigentlich sollte ich die Forschungsphase schon längst abgeschlossen haben. Mein Projekt für diesen Sommer ist das Schreiben meiner Dissertation. Aber der Gedanke daran, die ganze Zeit vor dem Computer zu verbringen, macht mich ganz kribbelig, also schiebe ich es vor mir her.“

„Was soll ich mit den Kartons machen?“

„Oh, die nehme ich wieder mit. Ich muss ja auch den Wagen zurückbringen. Den habe ich mir vom Hausmeister geliehen.“

„Also bekommt er die volle Punktzahl für Hilfsbereitschaft einer schwangeren Lady gegenüber?“

„Absolut.“

„Und ich?“

Sam hat eine großartige Stimme, dachte Francesca. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Tief, volltönend, verführerisch.

„Sie bekommen Bonuspunkte“, erklärte sie.

„Gut zu wissen.“ Er streckte die Hand nach ihr aus. „Wie wäre es, wenn ich Ihnen die Punkte lasse und Sie mir stattdessen heute Abend zum Dinner Gesellschaft leisten?“

Unter normalen Umständen hätte Francesca die Einladung niemals angenommen. Sie kannte Sam Reese ja gar nicht. Gut, er war sehr ansprechend, aber war das wirklich so wichtig?

„Dumme Frage“, murmelte sie und manövrierte ihren Truck durch den frühabendlichen Berufsverkehr in Santa Barbara. Es war Anfang Juni, und die Touristensaison war in vollem Gange. Auf den Bürgersteigen drängten sich die Menschen, die Restaurants waren voll besetzt, und der Verkehr bewegte sich in Schrittgeschwindigkeit über die State Street.

„Ansprechend zu sein ist natürlich wichtig.“

Genau wie diese Katzenaugen, das verlockende Lächeln und die Leichtigkeit, mit der sie sich mit ihm unterhalten konnte. Aber der wahre Grund, weshalb sie einem Date mit Sam Reese zugestimmt hatte, war, dass sie Sex haben musste. Denn ein Versprechen war ein Versprechen.

Beim Gedanken daran, wie Sam reagiert hätte, wenn sie ihm dieses kleine Detail gestanden hätte, musste sie grinsen. Hätte er versucht, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen, oder angefangen, sein Hemd aufzuknöpfen? Sie würde gerne das Letztere glauben, aber sie hatte zu Hause in den Spiegel geschaut und den lauten Schrei nicht vor Entzücken ausgestoßen. Nein, der Mann wäre um sein Leben gerannt.

Eine heiße Dusche mit dreimaligem Einschäumen der Haare, um den Puder herauszuwaschen, ein schneller Kleiderwechsel und ein Hauch Make-up – und schon war sie bereit, ihn vielleicht nicht gerade umzuhauen, aber ihm zumindest ein wenig den Kopf zu verdrehen. Was nicht sonderlich schwer sein sollte, bedachte man, wie furchtbar sie vorher ausgesehen hatte.

Nun war sie also auf dem Weg, Sam Reese den Kopf zu verdrehen und zu schauen, was sie in Hinsicht auf ihr Versprechen erreichen konnte … das Versprechen, mit dem erstbesten attraktiven Mann, der ihren Weg kreuzte, ins Bett zu gehen.

2. KAPITEL

In dem Moment, als Francesca feststellte, dass das Parken am Restaurant teurer war als ein durchschnittliches Menü bei McDonald’s, wusste sie, dass sie nicht mehr in Kansas war. Sie lächelte den surferblonden Parkwächter strahlend an, der ihren zehn Jahre alten Pick-up angeekelt musterte, bevor er kopfschüttelnd die Schlüssel entgegennahm. Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, was der Kerl getan hätte, wenn sie immer noch schwanger und, na ja, hässlich gewesen wäre. Ohne Zweifel hätte er sie an einen Tisch ganz hinten im Restaurant verbannt.

Francesca schob die Gedanken an den Parkwächter beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf den schönen Abend. Die Sonne hing tief am Himmel und warf ihre goldenen Strahlen in den Innenhof, der zum Eingang des Restaurants führte. Sie, Francesca, würde mit einem sehr netten Mann zu Abend essen, der ihr unter Umständen dabei helfen würde, eine Vereinbarung zu erfüllen, die sie mit ihren Schwestern getroffen hatte.

Zwei Monate zuvor, nach zu viel Wein und viel zu vielen Keksen, hatte sie Katie und Brenna versprochen, sie würde es mit dem ersten normalen Singlemann treiben, den sie traf. Das wäre das Ende ihres selbst auferlegten dreijährigen Zölibats. Ihre Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, was so vollkommen untypisch für sie war, hatte mehr mit dem Mangel an Romantik und Spaß in ihrem Leben zu tun als mit der Herausforderung selbst. Sie wollte keine feste Beziehung. Das hatte sie hinter sich. Aber ein attraktiver Mann und eine warme Sommernacht … das war eine ganz andere Sache.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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