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Hannah und Carl sind zwei begeisterte Bücherwürmer, die durch eine Erfindung von Carl in die Welt ihrer Lieblingsromane eintauchen können. Jede Reise bringt neue Herausforderungen und unvergessliche Begegnungen mit sich.
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Seitenzahl: 39
Veröffentlichungsjahr: 2025
Die Figuren und Handlungen aus dem in diesem Buch vorkommenden Romanen sind eine freie Erzählung
Bücher sind tragbare Magie
Stephen King
Es war Anfang der Woche, als Hannah zum ersten Mal von dem neuen Dorfbewohner hörte. Die alten Frauen auf dem Markt tuschelten über den „humpelnden Fremden“, der in das verfallene Haus am Waldrand eingezogen war. Ihre Stimmen waren leise, aber Hannah konnte die Neugier und das Misstrauen in ihren Worten hören.
„Er sieht komisch aus“, sagte eine Frau. „Man weiß nie, was solche Leute im Schilde führen,“ flüsterte eine andere.
Hannah, die schon immer eine Abneigung gegen Vorurteile hatte, freute sich auf die erste Begegnung am nächsten Tag. Freundlich stellte er sich vor: „Carl“ Ein Mann mittleren Alters, sein Mantel war abgewetzt, der Hut saß schief und graue Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Ein Stock begleitete ihn, die Folgen eines Unfalls, sagte er. Seine Augen blickten nachdenklich, als wüssten sie mehr, als er je sagen würde. Seine Stimme war kräftig und voller Leben.
In seiner linken Hand hielt er ein Buch.
Hannah sah neugierig auf den Titel: Hemingway - 'The old Man and the Sea.'
„Oh“, sagte sie, „Sie lesen die englische Version!“
„Lass doch bitte das Sie weg“, erwiderte er. „Mein Englisch ist nicht berühmt, aber ich komme mit Mühe durch.“
„Ich habe es auch gelesen, aber auf Deutsch. Ich habe das Buch verschlungen.
Sie sprachen über die Geschichte, über den alten Fischer Santiago, seine Kämpfe, seine Einsamkeit. Gemeinsam fühlten sie sich zu dieser Figur hingezogen. Es war eine Verbindung über alle Vorurteile hinweg. Spontan schlug Hannah vor, sich abends dem kleinen Dorfcafé zu treffen. Der Ort war bescheiden, aber die Gespräche dort voller Wärme.
An den Wänden hingen Bilder aus längst vergangenen Zeiten, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte den Raum. „Hast du schon mal von einem Buch gehört, das 'Der Steppenwolf' heißt?“, fragte Carl und nippte an seinem Kaffee. Hannah nickte begeistert. „Ja, von Hermann Hesse! Da geht es doch um innere Zerrissenheit und die Suche nach dem Sinn des Lebens, oder?“
Carl nickte „Genau. Ich habe es als Jugendlicher gelesen und es hat mir die Augen geöffnet. Hesse beschreibt die Kämpfe eines Menschen, der zwischen seiner menschlichen und seiner tierischen Natur hin- und hergerissen ist. Das hat mich sehr berührt.“
„Ich finde Hesse großartig“, antwortete Hannah. 'Siddhartha' ist eines meiner Lieblingsbücher. Es ist so inspirierend, wie Siddhartha seinen eigenen Weg zur Erleuchtung sucht. Es erinnert mich daran, wie wichtig es ist, seinen eigenen Weg zu finden und nicht nur dem Weg der anderen zu folgen.
Carl nickte zustimmend. „Ja, Selbstfindung ist ein zentrales Thema in vielen großen Werken. Hast du Franz Kafkas 'Der Prozess' gelesen?“
Hannah schüttelt den Kopf. „Das ist so abstrakt und gleichzeitig erschreckend realistisch. Der Protagonist Josef K. wird grundlos angeklagt und das Gefühl der Ohnmacht, das er durchlebt, ist einfach überwältigend“.
„Aber ich habe 'Die Verwandlung' gelesen“, fügte Hannah hinzu. Die Vorstellung, als Ungeziefer aufzuwachen und von der Familie verstoßen zu werden, ist so schockierend und gleichzeitig ein Kommentar zu gesellschaftlichen Normen.“
Carl sah sie überrascht an. „Du hast einen scharfen Verstand, Hannah. Ich bin froh, dass wir über solche Themen reden können. Viele Menschen sind so in ihren Vorurteilen gefangen, dass sie die Schönheit der Literatur nicht sehen.“
„Es ist wichtig, die Geschichten der anderen zu hören“, antwortete Hannah nachdenklich. „Wie in 'Die Bücherdiebin' von Markus Zusak. Das Buch handelt von einem Mädchen im Zweiten Weltkrieg, das Bücher stiehlt, um sich und andere zu trösten. Es zeigt, wie mächtig Worte selbst in den dunkelsten Zeiten sein können.“
Carl nickte zustimmend. „Ja, die Macht der Worte. Sie können verbinden und trennen. Sie können Leben verändern. Deshalb schätze ich diese Gespräche so sehr.“
Das Gespräch über Literatur vertiefte ihre Beziehung. Während sie über die verschiedenen Romane und ihre Themen sprachen, bemerkte Hannah, dass die Vorurteile der anderen Dorfbewohner gegenüber Carl einfach dahinschmolzen. Es war offensichtlich, dass Carl ein Mann mit einem tiefen Wissen und einer bewegten Geschichte war und Hannah hatte das Gefühl, einen Freund gefunden zu haben.
Im Laufe des Abends füllte sich das kleine Dorfcafé mit Lachen und lebhaften Diskussionen und die beiden beschlossen mehr Zeit miteinander zu verbringen um ihre gemeinsame Liebe zur Literatur weiter zu erforschen. Sie merkten nicht, dass sie die letzten Besucher des Cafés waren. Carl begleitete Hannah nach Hause und die beiden verabredeten sich für den nächsten Tag im Café.
Das Thema für den nächsten Tag war schnell gefunden: 'Der Herr der Ringe'.
„Ich finde die Welt von Mittelerde einfach unglaublich!“, sagte Hannah und schaute in ihren Kaffee an.
„Die verschiedenen Kulturen, die Landschaften und die ganzen Figuren. Es ist wie ein riesiges Puzzle!“