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"Ausgesprochen unterhaltsam. Wärmstens allen Liebhabern ausgezeichneter Krimis empfohlen, mit überraschenden Wendungen und einer gut durchdachten Handlung. Sie werden nicht enttäuscht sein! So lässt sich ein Wochenende bei schlechtem Wetter am besten verbringen!" – Buch- und Filmrezensionen (über Der Tod kam vor dem Frühstück) EINE VILLA IN SIZILIEN: OLIVENÖL UND MORD ist der Debütroman einer wunderbaren neuen Wohlfühlkrimi-Reihe der Bestseller-Autorin Fiona Grace, die auch Der Tod kam vor dem Frühstück geschrieben hat, einen Nr. 1 Bestseller mit über 100 Fünf Sterne-Bewertungen (und einem kostenlosen Download)! Audrey Smart, 34, ist eine brillante Tierärztin, allerdings hat sie ihre anmaßenden Kunden satt, die denken, sie wüssten mehr als sie, und denen ihre Haustiere egal sind. Ausgebrannt von den vielen Überstunden fragt sie sich, ob es nun Zeit für einen Neuanfang ist. Und als ihr 15. Klassentreffen – und ihre Hoffnung, eine erloschene Flamme wieder aufflackern zu lassen – in einem Desaster enden, ist sich Audrey sicher, dass sich in ihrem Leben etwas ändern muss. Als Audrey eine Immobilienanzeige für ein 1 Dollar-Haus in Sizilien entdeckt, ist sie hin und weg. Der einzige Haken daran ist, dass das Haus renoviert werden muss – etwas, womit sie sich nur wenig auskennt. Sie fragt sich, ob da wirklich etwas dran ist, und ob sie wirklich verrückt genug ist, um das zu wagen. Kann Audrey sich ein neues Leben und eine neue Karriere in einem wunderschönen sizilianischen Städtchen aufbauen – und ihr Traumhaus? Wird sie dort vielleicht sogar die große Liebe finden? Oder wird ein plötzlicher Tod – einer, den nur sie aufklären kann – allen ihren Vorhaben ein Ende setzen? Sind manche Träume zu gut, um wahr zu sein? Ein Wohlfühlkrimi mit einer ordentlichen Prise Humor und voller Intrigen, romantischer Szenerien, Tiere, Essen, Wein – und natürlich Liebe. EINE VILLA IN SIZILIEN wird Sie im Sturm erobern, und Sie werden das Buch erst wieder zur Seite legen, wenn Sie es zu Ende gelesen haben. "Das Buch ist mit viel Herz geschrieben, und die Handlungsstränge fügen sich so nahtlos zusammen, dass weder der Charakter des Buches noch die Geschichte darunter leiden. Und dann erst die Figuren, so viele tolle Figuren! Ich kann Fiona Graces nächstes Buch kaum erwarten." – Amazon-Rezension (über Der Tod kam vor dem Frühstück) "Wow, was für ein rasantes Tempo! Dieses Buch lässt einen nicht mehr los! Ich empfehle es allen Krimi-Liebhabern, die auf Geschichten mit unerwarteten Wendungen, Romantik und einem verloren geglaubten Familienmitglied stehen. Gerade lese ich schon das nächste Buch!" – Amazon-Rezension (über Der Tod kam vor dem Frühstück) "Das Buch hält einen in Atem. Mit der richtigen Mischung aus Figuren, Orten und mit viel Gefühl. Es ist mir schwergefallen, mit dem Lesen aufzuhören, und ich möchte unbedingt das nächste Buch aus dieser Reihe lesen." – Amazon-Rezension (über Der Tod kam vor dem Frühstück) Die Bände 2 und 3 aus dieser Reihe – FEIGEN UND EIN KADAVER und VINO UND EIN TODESFALL – sind nun ebenfalls erhältlich!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 318
Veröffentlichungsjahr: 2021
EINE VILLA IN SIZILIEN:
OLIVENÖL UND MORD
Fiona Grace
Debütautorin Fiona Grace ist die Verfasserin der LACEY DOYLE COZY-Krimis, welche bisher neun Bücher umfassen; der EIN TOSKANISCHER WEINGARTEN COZY-Krimis, die bisher zwei Bücher umfassen; und der BÄCKEREI AM STRAND COZY-Krimis, die bisher drei Bücher umfassen.
Fiona freut sich, von Ihnen zu hören, also besuchen Sie www.fionagraceauthor.com für kostenlose eBooks und die neuesten Informationen. Schauen Sie vorbei.
Copyright © 2020 von Fiona Grace. Alle Rechte vorbehalten. Mit Ausnahme der Bestimmungen des U.S. Copyright Act von 1976 darf kein Teil dieser Publikation ohne vorherige Genehmigung des Autors in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln vervielfältigt, verbreitet oder übertragen oder in einer Datenbank oder einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses eBook ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Dieses eBook darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen verschenkt werden. Wenn Sie dieses Buch mit einer anderen Person teilen möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger ein zusätzliches Exemplar. Wenn Sie dieses Buch lesen und es nicht gekauft haben, oder es nicht nur für Ihren Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und kaufen Sie Ihr eigenes Exemplar. Danke, dass Sie die harte Arbeit dieses Autors respektieren. Dies ist ein Werk der Belletristik. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind entweder das Produkt der Phantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, ob lebendig oder tot, ist völlig zufällig. Jackenbild Copyright Romas_Photo
BÜCHER VON FIONA GRACE
EIN HUND UND KATZ WOHLFÜHLKRIMI
EINE VILLA IN SIZILIEN: OLIVENÖL UND MORD (Buch #1)
EIN COZY-KRIMI AUS DER BÄCKEREI AM STRAND
EIN CUPCAKE ZUM STERBEN (Buch #1)
EIN COZY-KRIMI MIT LACEY DOYLE
DER TOD KAM VOR DEM FRÜHSTÜCK (Buch #1)
FÄHRTENSUCHE IM SAND (Buch #2)
VERBRECHEN IM CAFÉ (Buch #3)
EIN VERHÄNGNISVOLLER BESUCH (Buch #4)
EIN TÖDLICHER KUSS (Buch #5)
EIN MALERISCHER MORD (Buch #6)
VERSTUMMT DURCH EINEN ZAUBER (Buch #7)
VERDAMMT DURCH EINE FÄLSCHUNG (Buch #8)
KATASTROPHE IM KLOSTER (Buch #9)
EIN TOSKANISCHER WEINGARTEN COZY-KRIMI
EIN ERLESENER MORD (Buch #1)
EIN ERLESENER TODESFALL (Buch #2)
INHALT
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
Als Tierärztin musste sie sich mit einer Menge seltsamer Kreaturen herumschlagen.
Damit meinte sie allerdings nicht die Patienten.
Nein, diese waren niedlich, knuffig, putzig – und der Grund, warum Audrey Smart sich überhaupt für diesen Beruf entschieden hatte. Audrey hatte noch nie mit einem Tier zu tun gehabt, das sie nicht gemocht hatte.
Aber sie hätte gut ohne diejenigen, die die Rechnungen bezahlten – und damit ihr Gehalt – leben können.
Audrey betrachtete die „Mami“ ihres momentanen Patienten. Die Frau streichelte ihrem entzückenden Teacup-Pudel den Kopf und küsste ihn mit ihren grell geschminkten Botox-Lippen. „Ich weiß nicht, was mit Donut los ist. Normalerweise ist er nicht so lethargisch!“
Hm, seltsam. Das liegt doch nicht etwa an seiner Mami, oder?
Audrey musste sich sehr zusammenreißen, um nicht ihre Augen genervt in Richtung Decke zu verdrehen. Dann erklärte sie der Frau zum zweiten Mal: „Sie haben während Ihrer Gartenparty Wein draußen stehen lassen, Mrs. Marx. Sie sagten, dass Ihr Hund ein halbes Glas davon getrunken hat? Das ist ganz schön viel für so ein kleines Tierchen.“
Nicht über Mrs. Marx zu urteilen fiel ihr so unfassbar schwer.
Diese zog ihre hauchdünn gezupften Augenbrauen nach oben. „Unsinn. Donut hat einen ausgezeichneten Geschmack, und ich serviere nur die besten Weine.“
Audrey warf ihren Pferdeschwanz über die Schulter, legte das Stethoskop an die Flanke des Tierchens und lauschte seinem schwachen Herzschlag. Armes Ding. Sie kraulte den Pudel liebevoll zwischen den winzigen Ohren. „Bestimmt haben Sie einen ausgezeichneten Geschmack, aber selbst der beste Wein ist für einen Hund nicht ratsam, denn Trauben können giftig sein. Wein und Hunde? Keine gute Mischung.“
Die Frau klapperte ungeduldig mit ihrem Louboutin-Absatz auf dem gewienerten Boden, einen trotzigen Ausdruck auf ihrem verhärmten, unnatürlich gebräunten Gesicht. „Sie kennen Donut nicht.“
Audrey lächelte das Hündchen an, das dankbar zu ihr aufblickte. „Wir sollten Erbrechen einleiten.“
Mrs. Marx’ Kinnlade klappte herunter. „So etwas werden Sie nicht tun! Erbrechen?“
„Na gut, er befindet sich nicht in unmittelbarer Gefahr. Wenn Sie möchten, können wir ihn sich ausruhen lassen. In ein paar Stunden sollte er wieder wohlauf sein, aber wir werden ihn zur Beobachtung hierbehalten.“
Anstelle einer Antwort stemmte die Frau ihre geballten Fäuste in die Hüften. „Wo ist der nette, gutaussehende Tierarzt? Mit den stahlblauen Augen und dem Schlafzimmerblick? Ich will ihn auf der Stelle sprechen.“
Audrey seufzte. Vielleicht war sie etwas zu schroff gewesen. Aber das passierte ihr immer. Schließlich war sie in gewisser Weise die Sprecherin der Tiere, um die sie sich kümmerte, ihre Verteidigerin. Manchmal konnte sie es sich nicht verkneifen, unhöflich zu deren Besitzern zu sein. „Dr. Ferris ist nicht da. Ich bin heute die diensthabende Tierärztin.“
Die Frau sah Audrey von oben bis unten an, und ihr Blick bedeutete Wer sagt das? „Ich will einen richtigen Arzt sprechen.“
Audrey seufzte ein weiteres Mal. Mit 34 sollte sie ihr Veterinär-Diplom nicht wie ein weiteres Accessoire – wie ein iPhone – mit sich herumtragen müssen. Vielleicht lag es an ihren guten (oder schlechten) Genen, die sie immer noch wie eine frisch gebackene Uni-Absolventin aussehen ließen. Oder an der Tatsache, dass sie eine Frau war. Oder, dass die meisten Haustierbesitzer, die die Back Bay Tierarztpraxis im Zentrum Bostons aufsuchten, viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um ihr Dr. Audrey Smart-Namensschild zu bemerken. Aber jetzt mal im Ernst – wie oft musste sie sich noch mit so etwas herumschlagen?
Offensichtlich dreimal allein in dieser Woche.
Sie verkniff sich eine Antwort, nahm ihr iPad vom Untersuchungstisch und öffnete die Tür. Dann bedeutete sie einer der Arzthelferinnen, Donut zu den anderen Tieren, die ebenfalls zur Beobachtung in der Praxis waren, zu bringen. „Ich werde Dr. Ferris eine Nachricht zukommen lassen, dass er sich Donut morgen Früh, wenn seine Schicht beginnt, ansehen soll.“
Mrs. Marx schien dadurch endlich beschwichtigt zu sein. Sie küsste das betrunkene Hündchen ein paarmal und sagte dann wie zu einem Baby: „Du wirst der Mami so sehr fehlen!“ Mit einem finsteren Blick auf Audrey rauschte sie an dieser vorbei, eine unangenehme Parfümwolke hinter sich her ziehend. „Tun Sie das“, sagte sie mit hoch erhobenem Kinn, als gehörte sie dem britischen Adelsstand an. In ihrer riesigen Designer-Tasche wühlte sie nach ihrem Portemonnaie.
Sobald Audrey Mrs. Marx verabschiedet hatte, konnte sie ihr künstliches Lächeln, das sie sich die ganze Zeit über aufgezwungen hatte, schließlich fallenlassen. Sie blickte auf die Uhr über dem Empfang. Noch drei Minuten bis zum Feierabend. Endlich.
Sie ging zum Pausenraum und knöpfte dabei ihren weißen Arztkittel auf, da tauchte vor ihr plötzlich die personifizierte Nervensäge auf.
Es gab keine Chance, dem Typen zu entkommen. Wenn er sie nicht bereits erblickt hätte, wäre sie schnell in eines der Untersuchungszimmer geschlüpft. Aber leider waren sie die einzigen beiden Personen im Flur. Dr. Brice Watts gehörte zu den Leuten, die überall Panik und Nervosität verbreiteten. Er war wie ein Tornado, der alles, was ihm im Weg stand, aufwirbelte und danach wieder ausspuckte – als trübes Abbild dessen, was es einst gewesen war.
„Hey, Aud, Liebes“, hob er an und schlenderte auf sie zu. Dabei zwinkerte er in Richtung des Empfangsbereichs und meinte damit wahrscheinlich eine der Arzthelferinnen, die er zu seiner Liste der neuesten Eroberungen hinzugefügt hatte. „Kannst du heute Abend für mich übernehmen? Ich habe da so ein Ding am Laufen.“
Nach dieser Aussage machte er Anführungszeichen in der Luft. Der Typ tat das ständig, unabhängig davon, ob es angebracht war oder nicht.
„So ein Ding?“, wiederholte Audrey und machte dann ebenfalls Anführungszeichen in der Luft, als sie hinzufügte: „Etwa eine Stechwarze?“
Daraufhin lachte er herablassend, als wäre sie ein kleines Kind, das versuchte, mit den Erwachsenen mitzuhalten. Er war Mitte 40, sah abgehalftert aus und bekam langsam eine Glatze, dennoch spielte er sein Ich bin besser als ihr-Spiel so gekonnt, dass es ihm die meisten abnahmen – sehr zu Audreys Erstaunen. „Karten für eine Aufführung in der Boston Symphony Hall. Mahler.“
„Sorry, Bri, mein Lieber“, erwiderte sie achselzuckend und amüsierte sich etwas zu sehr über den Spitznamen, den sie ihm verpasst hatte. „Aber auch ich habe da so ein Ding.“
Seine Kinnlade klappte herunter. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, denn von allen hier angestellten Ärzten hatte sie fast immer Zeit. „Darf ich dich daran erinnern, dass du eine Stufe unter mir bist?“
Sie starrte ihn an. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr eine dreiste Bitte vor die Füße geknallt hatte, weil er in letzter Minute ein heißes Date ergattert hatte und sie ihren geplanten Netflix-Abend in die Tonne hatte werfen können.
„Ich verstehe schon. Aber ich habe das hier vor Monaten ausgemacht, und ich kann nicht so kurzfristig absagen. Tut mir leid. Außerdem bin ich letzte Woche für dich eingesprungen, für dein anderes Ding. Erinnerst du dich?“
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen erinnerte er sich nicht.
„Weißt du noch? Die Gala im Boston Ballett, zu der du unbedingt gehen musstest?“
„Ah, das. Ja, aber …“
Audrey tat so, als blickte sie auf ihre Uhr, obwohl sie gar keine trug. „Wie gesagt, ich bin verabredet.“
Sie schob sich an ihm vorbei und ließ ihn wütend vor sich hin murmelnd stehen. An ihrem Spind angekommen, schnappte sie sich ihre Sachen und hoffte, dass sie es ohne weitere Verzögerungen zur U-Bahn schaffen würde.
Es war ja nicht so, dass sie sich das ausgedacht hätte. Sie musste wirklich irgendwo hin. Aber sie hatte das Gefühl, dass es bei ihrem Glück sogar noch unangenehmer werden würde, als 15 Minuten in der üblen Gesellschaft von Mrs. Marx zu verbringen.
*
In ihrer Kindheit hatte Audrey immer davon geträumt, abends von einem fröhlichen Begrüßungskomitee in Empfang genommen zu werden. Sie würde die Tür öffnen, und ein halbes Dutzend ihrer Lieblingstiere würde sie erwarten, aufgeregt mit den Schwänzen wedelnd und auf ihre Umarmungen wartend. Sie hatte sich einen oder zwei Hunde gewünscht, auf jeden Fall eine Katze, vielleicht einen Hasen und einen Hamster. Sogar eine Schildkröte, um das Ganze abzurunden.
Diesen Traum hatte sie sich abschminken müssen, als sie vor etwa sechs Jahren die Uni mit beinahe 200.000 Dollar Schulden abgeschlossen, einen Job ergattert und die echte Welt kennengelernt hatte.
Die einzige Wohnung, die sie sich hatte leisten können, war ein kleines Loch in Southie. Diese war bestimmt mehr als einmal der Tatort eines Verbrechens gewesen. Dennoch war sie glücklich gewesen und hatte sich darauf gefreut, dieses nächste Kapitel ihres Lebens aufzuschlagen – das der Karrierefrau.
Erst nach ihrem Einzug hatte sie festgestellt, dass im Mietvertrag keine Haustiere stand.
Das war in Ordnung, denn es wäre ihren Schützlingen gegenüber nicht fair gewesen – wenn es sie denn gegeben hätte. Sie machte momentan viel zu viele Überstunden, da sie die Schulden ihres Studienkredits rasch abbezahlen wollte.
Seufzend betrat sie ihre Wohnung, in der es so still war wie in einer Krypta, und betrachtete die tristen, grauen Wände. Sie hatte versucht, ihr so viel Heimeligkeit wie möglich einzuhauchen, ihr eine persönliche Note zu verleihen; dennoch schrie alles nach Übergangswohnung.
Ihr Blick fiel auf einen weißen Umschlag auf dem Boden. Jemand musste ihn durch die Tür hindurch geschoben haben. Sie beugte sich nach unten und dachte unwillkürlich Heimlicher Bewunderer?
Dann lachte sie angesichts ihrer eigenen Naivität. Sie sah nicht nur aus wie 20, auch einige ihrer Gedanken entsprachen diesem Alter. Besonders diejenigen, die Männer betrafen. Im vierten Stock, unter ihr, wohnte ein Mann, der ganz niedlich war. Aber selbst mit 34 schaffte es Audrey lediglich, wie ein Schulmädchen zu erröten, wenn sie sich im Treppenhaus über den Weg liefen. Einmal hatte er sie gefragt, ob sie ein gutes thailändisches Restaurant in der Nähe kennen würde. Daraufhin hatte sie nur hysterisch gekichert. Bestimmt hatte er gedacht, sie wäre verrückt.
Sie öffnete den Umschlag und stöhnte, als sie das Logo der Hausverwaltung sah. „Was wollen die denn? Ich bin doch gar nicht mit meiner Miete im Rückstand“, murmelte sie und faltete den Brief auf.
Zuerst überflog sie ihn nur. Dann las sie ihn komplett. Zweimal. Sie marschierte in die Küche, warf ihn auf den Tisch und wünschte sich verzweifelt, sie hätte ein Haustier mit einem weichen Fell, das sie streicheln könnte.
Wie konnten diese Leute es wagen, das Gebäude zu verkaufen, ohne das anzukündigen? Und nicht nur das – die neuen Besitzer verdoppelten die Miete! Gab es da nicht ein Gesetz dagegen?
Sie griff schwer atmend zu ihrem Handy und überlegte, wen sie anrufen könnte. Dann fiel ihr allerdings auf, wie spät es war.
In einer Stunde musste sie im Copley Square Hotel sein, für ihr Klassentreffen.
Die Letzten waren nicht sonderlich berauschend gewesen. Ihr Fünfjähriges hatte sich als besonders schlimmer Reinfall herausgestellt. Sie hatte sich richtig hübsch gemacht und darauf gefreut, ihren ehemaligen Schulkameraden zu erzählen, dass sie das Boston College mit Magna cum laude abgeschlossen hatte und bald mit dem Tierarzt-Studium starten würde. Und dann … nichts.
Niemand hatte sie beachtet. Sie war die ganze Zeit an ihrem Tisch gesessen – allein. Jemand hatte sie sogar für eine Kellnerin gehalten und bei ihr einen Whiskey Sour bestellt.
Es war so schlimm gewesen, dass sie ihr Zehnjähriges hatte sausen lassen. Und das würde sie auch mit dem 15., 20. und 25. tun – mit allen.
Aber …
Sie öffnete die Facebook-App auf ihrem Handy und las die Nachricht, die Michael Breckenridge ihr vor ein paar Tagen geschickt hatte. Kann es kaum erwarten dich zu sehen, Süße.
Ein Schauder, hervorgerufen durch pubertär anmutende Hormonausschüttungen, lief ihren Rücken herunter. Michael war ihr größter Schwarm gewesen, die ganze Schulzeit hindurch. Er war der Junge gewesen, den sie kaum von weitem hatte ansehen können, ohne dass ihr Herz wie verrückt geschlagen hätte und sich ihre Wangen rot verfärbt hätten. Der ein Jahr ältere Michael war Teil der Theatergruppe gewesen. Seine Darbietung des Willy Loman in Tod eines Handlungsreisenden hatte alle in der Westwood High von den Socken gehauen.
Völlig unverhofft hatte er sie vor ein paar Wochen kontaktiert, nachdem sie einer Facebook-Gruppe beigetreten war, um über die Planungen zum Klassentreffen auf dem Laufenden zu bleiben. Erstaunlicherweise hatte er sich an sie erinnert, obwohl Audrey damals nur für das Bühnenbild zuständig gewesen war.
Süße.
Sie erschauderte, als sie unter die Dusche trat und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie das letzte Mal so genannt worden war. Eigentlich noch nie. Leider war ihr fünfjähriges Klassentreffen ein perfektes Abbild ihres Liebeslebens gewesen.
Völlig ereignislos. Nicht existent. Absolut unterirdisch.
Dieses Mal würde es nicht nur komplett anders sein, sondern magisch.
Audrey, sei stolz auf dich. Es ist 15 Jahre her. Du bist jetzt Tierärztin.
45 Minuten später hatte sie ihre falschen Wimpern aufgeklebt. Nun trat sie vor dem Spiegel einen Schritt zurück. Sie strich über ihr enges, rubinrotes Kleid. Die Verkäuferin bei Nordstrom hatte ihr versichert, es wäre der Hammer, und ein paar Bewunderer hatten ihre schlanke Figur und perfekte Haut gelobt. Was war schon dabei, dass sie alle über 80 gewesen waren? Audrey betrachtete sich im Spiegel und drückte die Schultern zurück. Das Kleid war so eng, so sexy und extrem kurz – so etwas hatte sie noch nie in der Öffentlichkeit getragen.
Du siehst toll aus, sagte sie zu sich selbst und ahmte die Damen in der Umkleide nach. Dann zog sie ein paar dunkle Strähnen aus ihrer Hochsteckfrisur heraus.
Sie trug Sexbombe-roten Lippenstift auf – das Tüpfelchen auf dem i – presste die Lippen schmatzend zusammen und hauchte sich selbst im Spiegel einen Kuss zu.
„Michael wird den Blick nicht von dir abwenden können“, flüsterte sie ihrem Spiegelbild zu und wünschte sich dringend ein weiches Haustier zum Streicheln.
Zumindest hoffe ich das.
Sie holte einmal tief Luft, schnappte sich ihre Handtasche und ging zur Tür. Da vibrierte ihr Handy.
Beinahe hätte sie in ihren 10-Zentimeter-Absätzen das Gleichgewicht verloren, als sie Michaels Namen auf dem Display sah.
Audrey öffnete den Facebook Messenger und las die Nachricht zum zehnten Mal. Halt mir einen Platz frei, Süße.
Sie warf ihr Kleid über ihr Knie und erinnerte sich wieder daran, warum sie in öffentlichen Verkehrsmitteln normalerweise keine Abendkleider mit hohem Schlitz trug.
Ein Mann mit zu wenigen Zähnen und zu vielen Haaren – wirklich, der Mann hatte überall Haare – gaffte sie von der anderen Seite des Ganges aus an und machte anzügliche Gesten. War heute etwa Vollmond?
Allerdings war es ja nicht so, dass sie nur einmal im Monat mit Irren zu tun hätte. In letzter Zeit war das immer öfter der Fall gewesen. Letzte Woche hatte sich ein Typ in einem Massachusetts Institute of Technology-Sweatshirt zu ihr gebeugt und sie gefragt, ob er an ihren Haaren schnuppern dürfte.
Manchmal hasste sie die U-Bahn. Aber neben einer richtigen Wohnung fehlte ihr auch ein eigenes Transportmittel. Sie besaß nicht einmal ein Fahrrad.
Sie starrte wieder auf ihr Handy und versuchte, ihr heftig klopfendes Herz zu beruhigen.
Halt mir einen Platz frei, Süße.
Ein Kribbeln lief ihr über den Körper, als wäre die Produktion von Hormonen aus ihrer Pubertät wieder angekurbelt worden. Dennoch versuchte sie, sich auf die aktuellen Nachrichten zu konzentrieren. Da gab es allerdings nur deprimierende Themen – Politik, Verbrechen, Naturkatastrophen. Nichts, was sie auch nur im entferntesten aufgeheitert hätte. Warum mussten die Nachrichten immer so negativ sein?
Und die Schlechteste war: keine Wohnung. Im Ernst, sie musste auch so schon an allen Ecken und Enden sparen, um ihren Studienkredit abzubezahlen, und konnte sich nur dieses armselige Loch leisten. Aber wie sollte sie nun die erhöhte Miete bezahlen? Das hier war schlimm. „Abgrund ohne Boden“-schlimm.
Sie wischte mit ihrem Daumen über das Display und hätte beinahe das Bild einer sonnenüberfluteten Villa auf einem malerischen Hügel, oberhalb des tiefblauen Ozeans, weggewischt.
Sie seufzte hörbar aus und konnte beinahe die warme, mediterrane Sonne auf ihren Wangen und die kühle Seeluft in ihren Haaren spüren. Der Sommer im Zentrum Bostons bestand aus Schweiß und Lärm und war einfach nur abstoßend. Sie scrollte zurück zu dem Foto und lächelte sehnsüchtig.
Ein Ort wie dieser war vermutlich frei von allen Sorgen dieser Welt. Politik? Was ist das? Verbrechen? Auf keinen Fall! Naturkatastrophen? Nie davon gehört! Und widerliche, anzügliche Männer wohnten dort wahrscheinlich auch nicht. Die Villa war frei von alledem und existierte in einer Blase der Vollkommenheit.
Sie musste die Überschrift dreimal lesen, bis sie endlich zu ihrem Gehirn vordrang.
Diese Villa im wunderschönen Sambuca auf Sizilien kann Ihnen gehören – für nur 1 Dollar!
Ja, klar. Da musste es doch einen Haken geben. Etwas, das die Anzeige verschwieg. Alles, was es Sie kosten wird, ist 1 Dollar – und Ihre Seele!
Die absurde Überschrift hatte ihr dieses Paradies ein kleines bisschen leidig gemacht.
Dennoch hatte sie es geschafft – sie hatte sie neugierig gemacht. Sie klickte auf die Anzeige.
Das gleiche Foto einer entzückenden italienischen Villa tauchte auf, und dazu die Worte: Wollten Sie schon immer in Italien leben? Das hier ist Ihre Chance, und das zu einem sehr erschwinglichen Preis. Ein Stück des wunderschönen Sambuca auf Sizilien kann schon heute Ihnen gehören – und bezahlen Sie weniger als für eine Tasse Kaffee! Leben Sie Ihren Traum! Wir sehen uns auf diesem herrlichen Flecken Erde, Ihrem ganz eigenen Paradies!
Audrey hielt das Foto ganz nah an ihr Gesicht und wäre beinahe mit der Nase gegen den Bildschirm gestoßen. Tatsächlich wäre sie jetzt am liebsten in das blaue Mittelmeer gesprungen. Hätte eine Yacht gemietet. Wäre mit einem großen, dunkelhaarigen Italiener namens Antonio oder Rinaldo segeln gegangen. Irgendein Name, der mit „o“ endete.
Sie seufzte erneut und stellte sich vor, wie sie auf dem Kopfsteinpflaster zu ihrer wunderschönen italienischen Villa trippeln würde. Alles schien so idyllisch, so einfach, so … europäisch.
Beinahe hätte sie ihren Halt „Copley“ verpasst. Als sich die Zugtüren öffneten, betrachtete sie ihre triste Umgebung, und ein wenig Vernunft machte sich wieder in ihr breit. Es gibt einen Grund dafür, warum diese Häuser nur einen Dollar kosten, Audrey. Wenn etwas zu gut scheint, um wahr zu sein, dann ist es das in der Regel auch. Die vernünftige Stimme ihrer Mutter sprach innerlich zu ihr. Diese hatte Audrey, wenn es auch nur ansatzweise nach Nieselregen gerochen hatte, nicht erlaubt, ohne Schirm an der Bushaltestelle zu stehen.
Sie stand auf, zog ihr Kleid mit dem Schlitz vorsichtig zurecht und ignorierte die Pfiffe des Mannes. Dann stieg sie aus. Es wäre nicht allzu schwer gewesen, zu Fuß zum Copley Square Hotel zu gehen, wenn sie nicht diese mörderisch hohen Absätze tragen würde. Konnten andere Frauen wirklich normal darin gehen?, fragte sie sich, als sie zum hundertsten Mal einen Absatz einklemmte. Gulligitter, ein Spalt im Bürgersteig, ein unebener Bordstein … da Boston eine alte Stadt war, war sie voll davon. Ihre Mutter hätte darauf bestanden, dass sie flache Schuhe angezogen hätte, aber Birkenstocks würden den Eindruck, den sie auf Michael machen wollte, völlig zunichte machen. Irgendwie schaffte sie es bis zum Hotel, ohne sich etwas zu brechen.
Sie schwankte etwas, als sie zur Anmeldung vor dem Ballsaal ging.
Sie hatte sie seit zehn Jahren nicht gesehen, also brauchte sie ein paar Sekunden, um sie wiederzuerkennen. Mitzy Silverman, diejenige Westwood High-Absolventin, der man eine steile Karriere vorausgesagt hatte, stand mit einem Fruchtgetränk in der einen und einem bereits angetrunkenen Dobie Soundso – einem ehemaligen Footballspieler, der ihr ins Dekolleté starrte – an der anderen Hand vor dem Eingang.
Mitzy kicherte über etwas, das Dobie gesagt hatte, dann wanderten ihre Augen zu Audrey. Sofort verschwand ihr Lächeln. „Das hier ist das Westwood High-Klassentreffen. Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind?“
„Ich weiß. Audrey Smart?“
Mitzy verdrehte die Augen. „Es gab keine …“ Sie hielt inne, als Audrey sich nach unten beugte, ihr Namensschild vom Tisch nahm und es triumphierend hochhielt.
„Danke für eure Hilfe!“, rief sie, riss die Klebefolie ab und drückte es auf ihre Brust.
Sie seufzte schwer und fragte sich, ob es noch nicht zu spät wäre, klammheimlich abzuhauen. Das unsichtbare Mädchen. Das bin ich.
Es war durchaus nachvollziehbar, dass nur wenige sie wiedererkannten. In ihrer Jahrgangsstufe waren über tausend Schüler gewesen, und sie ein absolutes Mauerblümchen, die die meiste Zeit über in der Tierarztpraxis ausgeholfen hatte, anstatt sich auf Schulfeiern zu zeigen.
Dann dachte sie an Michael. Süße.
Auf den ersten Blick hätte das ebenso gut ein Raum voller Fremder sein können, in Abendkleidern und beginnender Faltenbildung. Dann erkannte sie nach und nach ein paar der Gesichter. Ein unscheinbares Mädchen, das seinen Flötenständer im Schulorchester mit ihr geteilt hatte, war eine absolute Granate geworden. Der Junge, der die Schule in der 8. Klasse abgebrochen hatte, hatte sein Flanellhemd gegen einen Dreiteiler getauscht. Im ganzen Saal plauderten die Leute über ihr Leben, und Audrey schnappte hier und da ein paar Gesprächsbrocken auf.
Aber niemand lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, um sie aufgeregt zu umarmen, wie es all die anderen taten. Überall hörte man Oh mein Gott!-Schreie, die wie kleine Paukenschläge von links und rechts erschallten. Ihre ehemaligen Schulkameraden mieden sie, als würde auf ihrer Stirn das Wort Seuche geschrieben stehen.
Das war schon in Ordnung, schließlich war sie nicht wegen ihnen hier. Ihre beste Freundin war ihre Schwester, und das war alles, was sie brauchte. An den Tischen zeigten Leute, die sie irgendwie doch und dann wieder auch nicht erkannte, einander Fotos von ihren Kindern, pompösen Vorstadtvillen und aufregenden Urlaubsreisen in exotische Länder. Aufgeregt erzählten sie sich Geschichten aus ihren spannenden Leben. Audrey spielte nervös mit ihren Fingern und wäre am liebsten davongerannt.
Sie hielt Ausschau nach seinem unverkennbaren, störrischen, blonden Haarschopf, nach seinem Blend-A-Med-weißen, strahlenden Lächeln. Auf seinem Facebook-Profilbild war Snoopy gewesen, das hatte ihr also nicht weitergeholfen. Allerdings stellte sie sich eine reifere, attraktivere Version des jungen Michael vor. Männer alterten so viel würdevoller. Man denke da nur an Sean Connery! Mal ehrlich, wie sehr konnte er sich in 15 Jahren verändert haben? Sie hatte sich nicht einmal ansatzweise genug verändert, stellte sie fest, als ihre Knie tatsächlich gegeneinander stießen. Glücklicherweise trug sie ein langes Kleid.
Sie holte einmal tief Luft und ging durch den Ballsaal. Dabei hörte sie hier und da weitere Gesprächsfetzen – ein „Gerade wurde ich zum Finanzvorstand ernannt!“ hier, ein „Die Toskana war zauberhaft, aber ich mag Mailand lieber.“ da.
Beim Gehen passierte Audrey einen Mann, den sie wiederzuerkennen glaubte, und bei dem sie zweimal hinsehen musste. Er tat das Gleiche. Sie blieb stehen. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, war er über eine Mülltonne gebeugt gestanden, zu nervös, um seine Abschlussrede als Jahrgangsbester zu halten. Damals hatte er schlimme Akne, einen wenig schmeichelhaften Bürstenhaarschnitt und Gewichtsprobleme gehabt. „Kevin?“
„Audrey?“ Er ging zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Dann machte er einen Schritt zurück und betrachtete sie. Auch sie sah ihn mit offenem Mund von oben bis unten an. Er hatte keinen Babyspeck mehr, seine Haut war makellos, seine dunklen Haare fielen ihm keck über die Stirn.
„D…du siehst toll aus!“, stammelte sie und konnte es kaum glauben. Sie hatten sich in den letzten beiden Schuljahren den Platz im Labor geteilt. Und er war der Grund gewesen, warum sie nicht völlig den Verstand verloren hatte. Damals war er ein kleiner Nerd gewesen – na gut, ein ziemlicher Nerd, den sie deswegen kaum hatte ansehen können. Ein paarmal hatte er versucht, sie auf sehr indirekte und ungeschickte Art zu fragen, ob sie mit ihm ausgehen wollte. Aber jedes Mal, wenn er diesen verträumten Ausdruck bekommen hatte, war sie schnell davongehuscht.
Mittlerweile war er unglaublich attraktiv. Ein waschechter, 1A Augenschmaus. Sie ergriff seinen Arm. „Oh Gott, es ist so schön, dich zu sehen …“
„Und das hier ist meine Frau“, sagte er. „Mimi.“
Audrey starrte nun mit offenem Mund auf die wunderschöne asiatische Frau mit dem exotischen Look. Sie war sich sicher, dass sie sie schon mal auf einem Zeitschriftencover gesehen hatte. „Oh. Äh, hi. Sie kommen mir bekannt vor.“
Mimi kicherte daraufhin nur.
„Gut möglich. Mimi ist ein ehemaliges Fitness-Model. Aber seit kurzem ist sie Physikerin, die in meinem Team arbeitet. So haben wir uns kennengelernt.“ Er strahlte sie an, nahm ihre Hand und drückte sie.
„Dein Team?“, fragte Audrey.
„Oh, ja, meine Firma arbeitet für die Regierung. Wir leisten Pionierarbeit in Sachen saubere Energiegewinnung, damit dieser Planet eine bessere Zukunft hat“, erwiderte er, als würde er einen Werbeslogan vorlesen.
„Wow … du rettest also … im wahrsten Sinne des Wortes die Welt?“
Er nickte. „Das stimmt. Was ist mit dir?“
Audrey zögerte. Im Vergleich zu ihm klang Tierärztin nicht gerade berauschend. Aber was machte das schon. Für manche Leute kreiste die Welt nur um ihre Haustiere. Sie hob stolz das Kinn. „Ich bin …“
In dem Augenblick spielte der DJ „Oh What a Night“, und Kevins Frau zog an dessen Smoking.
„Los, Kevvy. Lass uns tanzen gehen!“
Audrey winkte ihm zu, während er auf die Tanzfläche gezogen wurde.
Endlich hatte sie es an die Bar geschafft. Der Barmann ignorierte sie fünf Minuten lang, dann sah er endlich zu ihr herüber. „Rum mit Cola?“, fragte sie. Normalerweise trank sie nicht, aber sie musste dringend lockerer werden.
„Ausweis, bitte?“
Sie verdrehte die Augen und deutete auf ihr Namensschild. Als das nichts half, zog sie den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und holte ihren Ausweis heraus. „Ich bin 34“, sagte sie zu ihm und fragte sich, wann sie sich endlich geschmeichelt fühlen würde, dass man sie für unter 21 hielt.
Gerade, als sie an dem Strohhalm ihres Drinks saugte, sagte jemand hinter ihr: „Ashley?“
Zuerst drehte sie sich nicht um, aber als die Person den Namen wiederholte, diesmal inklusive ihres richtigen Nachnamens, tat sie es doch.
„Audrey, um genau zu sein“, sagte sie zu der Frau mit dem kurzen, dunklen Pixie-Haarschnitt, die lächelnd vor ihr stand. Um deren Hals flatterte ein Schal, und sie hatte das kluge Gesicht einer Psychoanalytikerin, die sich kein X für ein U vormachen lässt. Aber Audrey erinnerte sich an sie. „Kristin?“
Diese nickte, und Audrey lächelte, froh darüber, eine Gesprächspartnerin gefunden zu haben und nicht allein herumstehen zu müssen.
„Ja!“, erwiderte Kristin. „Wow, du siehst toll aus. Du hast dich kein bisschen verändert!“
„Danke, du siehst auch toll aus.“ Jetzt kehrten alle Erinnerungen zurück. Sie hatten zusammen an den Bühnenbildern gearbeitet, besonders für Tod eines Handlungsreisenden. Beide hatten sie den Kamin des Wohnzimmers gestrichen und dabei Michael angeschmachtet, der auf der Bühne seinen Text geprobt hatte. Sie waren teils Freundinnen, teils Rivalinnen um Michaels Gunst gewesen und sich nur näher gekommen, weil keine von ihnen Erfolg darin gehabt hatte, die Gunst des Schauspielers zu erheischen.
„Wohnst du noch in der Gegend?“
„Nein. Bin nach New York gezogen. Wir sind nur übers Wochenende hier, Rob und ich. Mein Ehemann. Ich habe ihn an der New York University kennengelernt. Er arbeitet als Arzt in Brooklyn. Ich habe meine eigene Non-Profit-Organisation, um Menschenhandel ein Ende zu setzen.“
Wow. Und wieder eine, die die Welt rettet. Es scheint, als hätte meine Schule diese wie Karnickel hervorgebracht. „Das ist ja toll.“
„Mein Gott, es ist schön, wieder da zu sein. Und dich zu sehen!“, sagte sie und strich über Audreys nackten Arm. „Was ist mit dir? Bist du verheiratet?“
„Nein! Aber ich lebe noch in der Stadt. Zumindest vorläufig. Ich bin …“
„Oh mein Gott.“
Kristins Aufmerksamkeit war von jemandem hinter Audrey in Beschlag genommen worden, und ihr quollen beinahe die Augen über.
Als Audrey sich umdrehte und in die gleiche Richtung blickte – in der Erwartung, dass ein Kellner Feuer gefangen hatte oder Zombies in den Saal eingefallen waren – sah sie ihn.
Er stand im Türrahmen, oben an der Treppe, wie ein Mitglied der Königsfamilie, das darauf wartete, angekündigt zu werden. Die Leute hörten auf zu reden. In ihrer Vorstellung brachte der DJ die Platte mit dem Backstreet Boys-Song quietschend zum Halt. Unter ihren Füßen bebte leicht der Boden, und beinahe wäre sie umgefallen, hätte die Bartheke ihr nicht Halt geboten.
Denn da war er nun …
Der Michael Breckenridge.
Sein Blick suchte den Saal ab, fiel auf Audrey, fokussierte sich auf sie. Ziel erfasst.
Und dann ging er direkt auf sie zu.
„Da ist er“, flüsterte Kristin. „Erinnerst du dich daran, wie toll er war als … wie hieß die Rolle nochmal? Willy Lohan?“
„Ähm … Loman“, murmelte Audrey und nahm seine Erscheinung auf. Seine gesamte Erscheinung, inklusive der 70 Kilogramm, die er zugelegt hatte.
Nein, Michael Breckenridge war nicht gar so sehr in die Breite gegangen. Gut, da war definitiv ein Rettungsring um seinen Bauch, ein sich Doppelkinn … aber der Großteil des zusätzlichen Gewichts gehörte der großen, Barbie-gleichen Blondine mit den gebleichten Haaren, die an seinem Arm hing. Ihr Kleid war über und über mit Pailletten bestickt, als würde sie bei Der Preis ist heiß gleich einen Kleinwagen verlosen.
Audrey hätte beinahe ihren Schluck Rum und Cola ausgespuckt, als er tänzelnd die Treppe hinunter ging, neckisch mit den Hüften wackelnd, wie eine Mischung aus John Travolta und einem Erfolgscoach. Dabei schnippte er mit den Fingern und deutete abwechselnd auf ein paar Leute in der Menge seiner Bewunderer. Die Damen hauchten ihm Küsse zu.
Dieser Mann lebte offenbar für seine Klassentreffen.
Sie blinzelte und fragte sich, ob das vielleicht an der schwachen Beleuchtung lag, oder ob sich dort, wo einst seine langen, üppigen, blonden Locken gewesen waren nun … oh Schreck! … eine beginnende Glatze breitmachte?
Bevor sie diese Frage abschließend beantworten konnte, lud er die Blondine wie ein lästig gewordenes Anhängsel an einem der Tische ab und steuerte direkt auf Audrey zu.
Na ja … nicht direkt auf sie, eher auf die Bar.
Leider wurde dieser wandelnde Albtraum beim Näherkommen … nur noch schlimmer.
Er war stark gebräunt, unnatürlich gebräunt, aber das konnte die enormen Tränensäcke unter seinen Augen und seine Rudolph-rote, triefende Nase nicht verbergen. Auch nicht die Flecken in seinem Gesicht oder seine schlaff herabhängenden Wangen. In Kombination mit der beginnenden Glatze sah er aus wie ungefähr … 60. Er trug einen zerknitterten Smoking, auf dessen Revers etwas Grünes, Undefinierbares klebte – vielleicht Guacamole, Rotz oder Erbrochenes. Was auch immer es war, keine der Optionen schien Audrey besonders reizvoll zu sein.
Und ja, definitiv eine beginnende Glatze. Früher waren seine blonden Locken so lang gewesen, dass sie ihm bis zu den Schultern gereicht hatten. Und nun sah er aus wie ein völlig von sich eingenommener Benjamin Franklin.
„Hey, Mädels“, sagte er und zeigte auf sie, als er auf die Bar zusteuerte. Natürlich wurde er von dem Barmann nicht nach seinem Ausweis gebeten, als er fragte: „Unbegrenzte Freigetränke?“ Als dieser nickte, rief Michael: „Fantastisch“, und nannte dann mehrere Getränke, die er an den Fingern abzählte.
Der Barmann stellte alles auf die Theke, und Michael schnappte sich das erste Getränk, ein Stella Pils, und trank es in einem Zug aus.
Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund, wandte sich Audrey und Kristin, mit dem Ellbogen auf die Bar gestützt, zu und grinste. „Hey … euch zwei kenne ich.“
Na klar. Die zwei waren während der Schulproben wie Pech und Schwefel gewesen. Die eine hatte man kaum ohne die andere gesehen. Audrey sah hinüber zu Kristin, die auf Wolke Sieben zu schweben schien, so hin und weg war sie. Stundenlang hatten sie damals Farbdämpfe eingeatmet und von dem Tag geträumt, an dem Michael Breckenridge sie endlich beachten würde. Trotz der Tatsache, dass ihr einstiger Schwarm nun aussah wie einer der Gründungsväter, schien es für Kristin, als wäre dieser Traum nun wahr geworden. Sie flötete mit einer Stimme, die sie wie eine 17-Jährige klingen ließ: „Ja, ich bin Kristin? Vom Bühnenbild?“
Er nickte. „Ja. Dachte ich’s mir doch.“ Dann wanderte sein Blick hinüber zu Audrey. Oder, besser gesagt, zu Audreys Brüsten. „Audrey Smart.“
Sie nickte. Zumindest er kannte ihren richtigen Namen.
Er beugte sich näher zu ihr, und sie konnte seinen alkoholgetränkten Atem riechen. Seine Hand glitt um sie herum und landete auf ihrem Hintern. „Wow, du bist ein richtiger Leckerbissen.“
Sie wich zurück und sah hinüber zu Kristin, in der Hoffnung, von ihr gerettet zu werden. In deren Augen aber zeichnete sich Verzweiflung ab. „Michael, gerade haben wir über deine legendäre Darbietung in Tod eines Handlungsreisenden gesprochen“, sprudelte es aus Kristin heraus, und sie schlang ihren Arm um seinen Ellbogen. „Dafür hast du damals wirklich stürmischen Beifall geerntet.“
Michael stand so nahe an Audrey, dass sie die Poren auf seiner roten Nase zählen konnte. Aber als Kristin ihn berührte, blickte er auf ihre Hand, dann völlig desinteressiert in ihr Gesicht: „Hey, Rachel Maddow. Verschwinde.“
Die beleidigte Kristin trank einen Schluck von ihrem Wein und machte sich davon. Damit hatte sie den letzten Nagel in den Sarg getrieben, der die Pseudo-Freundschaft mit Audrey bedeutet hatte.
Michael beugte sich nach vorne und schloss damit die Lücke zwischen ihm und Audrey vollständig. „Also … Süße.“
Als sie diesen Ausdruck im Facebook Messenger gelesen hatte, war ihr das Herz aufgegangen. Jetzt, da er ihn ausgesprochen und ihr dabei fast ins Ohr gespuckt hatte, klang er beinahe … schmutzig.
Sie schaffte es, etwas nach hinten auszuweichen, berührte aber bald eine Mauer seitlich von der Bar und konnte nicht weiter. Er schloss auch diese Lücke, und sein heißer, widerlicher Atem beleidigte ihren Geruchssinn. Sie warf einen Blick hinüber zum Tisch, wo seine weibliche Begleitung mit den anderen Frauen am Tisch plauderte, Michaels üble Annäherungsversuche überhaupt nicht wahrnehmend. „Du hast eine Verabredung mitgebracht?“
„Eine Verabredung?“ Er starrte in ihre Blickrichtung. „Nein. Das ist bloß meine Frau.“
Bloß meine Frau.
Er fing an, mit dem Spaghetti-Träger von Audreys Kleid zu spielen, hob ihn neckisch hoch und schob seine Finger darunter, während sein Blick über ihre nackte Haut glitt. Sie hatte das schon mal in Liebesromanen gelesen, aber erst jetzt verstand sie, was „sie mit Blicken ausziehen“ wirklich bedeutete. „Wir führen eine … du weißt schon …“ Er beugte sich noch näher zu ihr, seine Lippen streiften ihr Ohr, seine Nase vergrub sich in ihren Haaren. „… offene Beziehung.“
Audrey klappte die Kinnlade runter. Das war doch nicht … er deutete doch nicht etwa …
„Und ich habe da eine nette Garderobe gesehen, als ich reinkam. Also, Baby … ich wäre dabei, wenn du willst.“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.
Oh nein. Er hatte es ausgesprochen.
Und diese Erkenntnis sandte einen Schauder – keinen guten – über ihren Rücken, ihr Drink fiel ihr aus der Hand und landete auf ihren Zehen, und der Inhalt des Glases ergoss sich über den Boden.
Michael war zu beschäftigt damit, ihr ins Dekolleté zu glotzen, und bemerkte es gar nicht.
Aber gerade jetzt hätte sie unbedingt etwas zu trinken gebraucht, um den Würgereiz, der in ihr aufstieg, hinunterzuschlucken. Stattdessen fing sie an zu husten und krümmte sich nach vorne. Sie röchelte wie eine Lungenkrebs-Patientin.
Glücklicherweise wich Michael ein wenig zurück und schlug ihr halbherzig auf den Rücken. Audreys Hustenanfall hatte ein paar Leute auf sie aufmerksam gemacht, was Michael diesmal aber nicht so amüsant fand. „Hast du dich verschluckt?“
Sie räusperte sich. „Es geht mir gut. Aber dir offenbar nicht“, sagte sie. „Was ist nur mit dir passiert?“
Er griff nach seinem Drink. „Entspann dich, Süße. Heute wollen wir Spaß haben.“
Sie starrte ihn an.
„Und wenn du nicht mitspielen willst“, fuhr er grinsend fort, „dann garantiere ich dir, dass bestimmt hundert Frauen hier drinnen interessiert wären. Wenn du also nicht willst, verschwende nicht meine Zeit. Kapiert, Babe?“
Sie wiederholte seine Worte, die ihr wie bittere Galle über die Lippen kamen: „Deine Zeit verschwenden?“
Er lachte und zwinkerte einer Kellnerin zu. „Ja. Du hast mich schon verstanden.“
Bevor sie überhaupt abwägen konnte, ob sie ihrem Impuls folgen sollte oder nicht, hatte ihr Herz schon eine Entscheidung getroffen. Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und schüttete ihm dessen Inhalt ins Gesicht, was den Umstehenden erschrockene Ausrufe entlockte. „Ich würde noch nicht einmal mit dir in die Garderobe gehen, wenn ich dein verdammter Skianorak wäre!“, rief sie.
Auf einmal war ihr Ruf als das unsichtbare Mädchen dahin.
Denn das hatte ausgereicht, dass sich alle Augenpaare im Raum plötzlich auf sie richteten.
