Einfach von Gott reden - Christian Lehmann - E-Book

Einfach von Gott reden E-Book

Christian Lehmann

4,9

Beschreibung

Die Bibel ist das beste Vorbild für eine gute Predigt, denn sie lehrt nicht nur, was wir weitersagen sollen, sondern auch, wie wir das am besten tun. Viele Beispiele in diesem Buch zeigen, wie wichtig eine einfache, verständliche und anschauliche Verkündigung ist und welche kreativen und kommunikativen Formen es gibt. Im Übungsteil haben Sie die Möglichkeit, die theoretischen Grundlagen praktisch anzuwenden, um später eigene Andachten und Predigten besser halten zu können. Die Printausgabe dieses Buches ist übrigens direkt beim Autor erhältlich: [email protected]

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Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen

ISBN 978-3-417-22015-5 (E-Book)

ISBN 978-3-417-26469-2 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book:

CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

© 2012 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG

Bodenborn 43 · 58452 Witten

Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Weiter wurden verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten. (ELB) Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. (GNB) Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen, Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. (NGÜ)

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Ideen und Medien, Johannes Schermuly, WuppertalSatz: Burkhard Lieverkus, Wuppertal | www.lieverkus.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Teil 1: Geistlich-theologische Grundlagen

Kapitel 1: Verkündigung – Gottes Wort in Menschenmund

1. Ein biblischer Anspruch

Wie Gott redet

Warum das Wort Gottes »drei in eins« ist

Was »Verkündigung« ist

2. Ein demütiger Anspruch

Gottes Zusage

Keine falsche Bescheidenheit

Keine Überheblichkeit

3. Ein hilfreicher Anspruch

Ehrfurcht und Ansporn

Konzentration und Erwartung

Kapitel 2: Vorbereitung – Zeit des Heiligen Geistes

1. Hören

Gedanklicher Ausflug: Thema oder Text?

»Verzwecktes« Hören vermeiden

Die richtige Frage stellen

Gedanklicher Ausflug: Wenn Gott schweigt

Weiter hören

2. Ringen

3. Prüfen

Sich Zeit zum Prüfen nehmen

Als Hörer prüfen

Prioritäten setzen

Verantwortung übernehmen

Kapitel 3: Vollmacht – eine geschenkte Errungenschaft

1. Vollmacht durch freiwillige Ohnmacht – der Weg Jesu

Vollmacht und Verkündigung

2. Vollmacht durch geistliches Ringen

Gott seinen Segen abringen

Anfechtung erleben

Geistlich wachsam sein

3. Vollmacht durch konkretes Christusvertrauen

Sich auf Jesu Versprechen verlassen

»Ohne Unterlass« beten

An die Gnade glauben

4. Vollmacht durch heilsame Grenzerfahrungen

Kreatürliche Begrenztheit statt lästigem Frust

Schöpferlob statt Defizitdenken

Humor statt Perfektionismus

Teil 2: Biblisch-praktische Anwendungen

Kapitel 4: Mit dem Bibeltext reden – nicht über ihn

1. Das (unbewusste) Problem

2. Die Alternative

3. Praktische Umsetzungsmöglichkeiten

Den biblischen Wortschatz heben

Der biblischen Sprachdynamik folgen

Gedanklicher Ausflug: »Du musst dich entscheiden!«

Den biblischen Zuspruch wagen

Den biblischen Erzählungen trauen

Kapitel 5: Die Hörer lieben – einfach, verständlich und anschaulich reden

1. Das homiletische Dreieck

Gedanklicher Ausflug: Frei sprechen

2. Kennzeichen liebevoller Verkündigung

Einfachheit

Gedanklicher Ausflug: Klare Botschaft oder offenes Kunstwerk?

Verständlichkeit

Anschaulichkeit

3. Der weite Raum biblischer Wahrheit

Drei Unarten der Verkündigung

Die fünffache Ausrichtung der Verkündigung

Der Mut zur Weite

4. Hörer bleiben – als Hörer lernen

Im Menschenwort Gottes Wort erkennen

Doppelt denken

Gutes von Gutem lernen

Kapitel 6: Praktisch statt gesetzlich – konkret werden

1. Ein Schreckgespenst treibt sein Unwesen

Ein falscher Verdacht

Einwände gegen den Praxisbezug

2. Zum Verwechseln ähnlich

3. Praktisch ist biblisch

Theologisches zur Praxis

Praktisches zur Praxis

Kapitel 7: Kreativ und kommunikativ – vielfältig verkündigen

1. Den Menschen zuliebe die Form verändern

Die Standardform

Die Herausforderung

2. Eine offene Ideensammlung

Interessante Anknüpfungspunkte

Kreative Hilfsmittel

Dramaturgische Elemente

Kommunikative Formen

3. »Gemeinde denkt mit« – die Verantwortung aller Hörenden

Kluge Schafe

Kompetenz durch Bibelkenntnis

Keine Angst vor Kritik

Teil 3: Praxisanleitungen – Übung macht den Meister!

Übung 1: Den biblischen Wortschatz heben

Übung 2: Das »Aber« vermeiden

Übung 3: Wenn-Sätze in der Bibel

Übung 4: Kreativ (nach)erzählen

Übung 5: Orientierung am Hörer

Übung 6: Witze in Andachten und Predigten verwenden

Übung 7: Missionarische Sprachfähigkeit

Übung 8: Bildhafte Sprache

Übung 9: Bibelverse sprachlich veranschaulichen

Übung 10: Pointen und Aha-Effekte

Übung 11: Den weiten Raum biblischer Wahrheiten ausschöpfen

Übung 12: Praktisch oder gesetzlich?

Übung 13: Bibeltexte und ihre praktische Umsetzung

Übung 14: Narrative Auslegungen

Übung 15: Predigen im Dialog

Übung 16: Kreative Elemente

Dank

Anmerkungen

Werbung

Vorwort

Ein guter Freund von mir ist Kunstmaler. Wenn er seine Arbeiten anfertigt, dann spielen Gebet und Inspiration für ihn eine große Rolle. Als Christ will er ganz bewusst dafür offen sein, was Gott ihm an Ideen schenkt und was Gott selbst durch die Bilder ausdrücken möchte. Der Heilige Geist ist somit am Entstehen seiner Bilder ganz entscheidend beteiligt. Das ist aber längst nicht alles. Zugleich hat sich mein Freund mit dem Umgang von Öl und Leinwand vertraut gemacht. Er hat gelernt, wie man ein Bild konzipieren und gewisse Effekte erzeugen kann. Bei großen Meistern ist er in die Schule gegangen und hat von ihrer Kunst abgeschaut.

Die Entstehung eines Bildes ist mit dem Werden einer Predigt durchaus vergleichbar. Auf der einen Seite spielen Inspiration und Gebet eine große Rolle. Wir erwarten, dass Gott durch sein Wort zu uns in der Predigtvorbereitung spricht, dass er uns gute Ideen und Beispiele schenkt, damit er selbst zu den Hörerinnen und Hörern kommen kann. Jede Predigt ist ein Kunstwerk. Jede Predigt ist aber auch ein Handwerk. Genaue Schriftauslegung und die Fähigkeit zu systematisch-theologischer Reflexion sind genauso wichtig wie die Arbeit an Aufbau und Sprache, Verständlichkeit und Konkretion. Prediger bzw. Predigerinnen stehen vor der Aufgabe, einen Text aus alter Zeit in die heutige Zeit zu übersetzen. Biblische Begriffe und Vorstellungen, zu denen der moderne Mensch nicht ohne Weiteres Zugang hat, müssen erklärt und veranschaulicht werden. Sie müssen für das Leben von Hörerinnen und Hörern erschlossen werden.

Kunstwerk und Handwerk, Inspiration und anstrengende Arbeit gehören daher in jeder Predigtarbeit zusammen. Beide Aspekte nimmt Christian Lehmann in seiner Predigtlehre in den Blick. Er zeigt uns, wie wir auf Gott hören können und für seine Inspiration offen sind. Und er leitet uns dazu an, wie wir biblische Inhalte theologisch angemessen und zugleich anschaulich und verständlich zur Sprache bringen können. Beides macht das Besondere des vorliegenden Buches aus. Die geistlich-theologische und die praktisch-handwerkliche Seite der Predigt werden gleichermaßen bedacht.

Dies wird schon ganz am Anfang dieser Predigtlehre deutlich. Die Predigterarbeitung beginnt mit der ganz simplen Frage: »Was will Gott mir durch den Bibeltext sagen?« Nicht das, was die Predigerin sagen möchte oder was der Prediger für gut und angebracht hält, ist der Ausgangspunkt, sondern das, was Gott dem Ausleger und Prediger mitgeben möchte, steht am Anfang. Nicht das Wissen des Predigers und auch nicht seine guten Absichten sind daher entscheidend, sondern seine Bereitschaft, sich selbst dem Bibelwort zu unterstellen. Dass Christian Lehmann auf die geistliche Predigtvorbereitung großes Gewicht legt, zählt für mich zu den großen Vorzügen seiner Predigtlehre. Damit befindet er sich in allerbester Tradition nicht nur Martin Luthers, sondern auch vieler renommierter Prediger unserer Zeit. Wenn ein Verkündiger die Herangehensweise an eine Predigt, wie sie Christian Lehmann beschreibt, für sich in Anspruch nimmt, wird man ihm abspüren, dass die Predigt durch ihn »hindurchgegangen« ist. Er gibt nicht allein Gelerntes oder Gewusstes preis, sondern das, was ihm selbst zur Hilfe wurde. Oder um es anders zu sagen: Ein Bettler zeigt anderen Bettlern, wo eine Suppe zu finden ist. Genau dieser Zugang scheint in unserer postmodernen Welt angebracht zu sein: Predigt geschieht nicht von oben herab, sondern als persönliches und authentisches Zeugnis. Predigt soll auch nicht Fast-Food-Kost sein, sondern nahrhaft und gesund. Christian Lehmann hilft uns, auf diese Spur zu kommen.

Der andere hervorzuhebende Aspekt seiner Predigtlehre ist ihre »Handwerklichkeit« bzw. ihr Praxisbezug. Mit uns Lesern zusammen überlegt er, wie man den biblischen Wortschatz in die heutige Sprache umsetzen kann. Wie etwa können theologische Fachbegriffe wie »Sünde« oder »Bekehrung«, »Gerechtigkeit« oder »Wahrheit« in eine allgemein verständliche und bildhafte Sprache gegossen werden? An dieser Stelle wendet Christian Lehmann selbst große Mühe auf. Doch macht er uns Lesern nicht nur vor, wie es gehen kann. Er mutet uns eigene Übersetzungsarbeit zu. Vor allem im Schlussteil seines Buches stellt er uns vor die Aufgabe, eigene Umschreibungen zu finden oder an Predigtbeispielen zu lernen, wie man es macht.

Wenn Luther für Prediger die Devise ausgab, dem »Volk aufs Maul« zu schauen, dann hat er in Christian Lehmann ganz gewiss einen guten Schüler gefunden. Er will uns dieses Grundanliegen Luthers nahebringen. In einer Mediengesellschaft, in der das Wort vom Bild immer mehr verdrängt ist und die Menschen immer weniger gewohnt sind, für längere Zeit zuzuhören, ist dieses Anliegen dringend. Angesichts einer längst vollzogenen Säkularisierung, d.h. einer Entfernung der Gesellschaft von der Kirche, bedarf es einer Sprache, die sich bemüht, diesen garstigen Graben zu überwinden. Predigtarbeit ist daher immer auch eine Dolmetscheraufgabe. Christian Lehmann weist uns auf die Notwendigkeit dieser Aufgabe hin. Weil Gott sich in Jesus unserer Welt verständlich macht, sollen auch wir sein Evangelium für unsere Zeit verständlich machen. Diese Aufgabe ist groß. Sie erfordert theologische und sprachliche Arbeit.

Ein Konzertpianist wurde einmal gefragt, ob er als Meister seines Faches noch täglich üben müsse. Seine Antwort fiel etwa so aus: »Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich es selbst. Wenn ich zwei Tage nicht übe, merken es diejenigen, die mir vertraut sind. Wenn ich drei Tage nicht übe, merkt es mein fachkundiges Publikum.« Talent ersetzt offensichtlich die Übung nicht. Auf die Predigtarbeit übertragen bedeutet dies, dass gute Predigten sich nicht allein der Begabung, der Leidenschaft oder dem Glauben des Predigers bzw. der Predigerin verdanken, sondern vor allem auch ihrem Fleiß. Unsere Zuhörer sollten uns solchen Fleiß wert sein. Das vorliegende Buch kann Anfängern helfen, Schritte in eine eigene Predigtpraxis zu tun. Fortgeschrittene kann es dazu anleiten, ihre eigene Praxis kritisch zu prüfen und zu vertiefen. Beide leitet es zur Übung an, auf Gott zu hören und sein Wort für heute verständlich zu machen. In diesem Sinne ist die vorliegende Predigtlehre ein wirklich lohnendes Buch.

Dr. Rolf Sons

Einleitung

Der Traum

Ich habe einen Traum, dass eines nahen Tages Erwachsene, Jugendliche und Kinder sich in Kirchen, Sälen, Räumen und Gemeindehäusern drängen, um Gottes Wort zu hören. Dass Menschen auf die Predigt im Gottesdienst gespannt sind und sich auf sie freuen. Dass Andachten in den Jungschar- und Jugendstunden den sehnlich erwarteten Höhepunkt darstellen. Dass Menschen von geistlichen Grußworten tief angerührt werden – ja, dass wir als Verkündigende berühmt und durchaus auch ein wenig berüchtigt dafür sind, die biblische Botschaft frisch und mutig, klug und klar, lebensrelevant und alltagstauglich weiterzugeben.

Das vorliegende Buch kann diesen Traum nicht erfüllen. Bei allem verwegenen Träumen muss ich so realistisch bleiben. Kein menschliches Werk kann die Wunderwirkkraft des Heiligen Geistes ersetzen. Trotzdem hege ich den ehrlichen Wunsch und die kühne Hoffnung, mit diesem Buch einen Beitrag dazu zu leisten, dass Gottes Wort durch Menschen, die es weitersagen, zumindest ein wenig lebendiger, kräftiger und würziger zur Sprache kommt.

Das Prinzip

Meine Ausführungen beruhen auf einem ganz schlichten Prinzip. Ich gehe von der einfachen Grundidee aus, dass die Bibel als Gottes Wort uns nicht nur lehrt, was wir weiterzusagen haben, sondern auch, wie wir das am besten tun. Das steht nicht in einzelnen Bibelversen wie in einer »Verkündigungsanleitung«, sondern ich möchte die vielfältige Art und Weise, wie in der Bibel von Gott und der Welt gesprochen wird, wärmstens zur Nachahmung empfehlen. Die Heilige Schrift liefert also nicht nur die wesentlichen Inhalte für die Verkündigung, sondern sie macht uns vor, wie es geht.

Ich habe schon viele Andachten, Bibelarbeiten und Predigten gehört, deren Aussagen sehr korrekt und theologisch nicht zu kritisieren »Biblisch« verkündigenbedeutet, inhaltlichmit der Bibel übereinzustimmen undgleichzeitig so zu denMenschen zu sprechen,wie es uns in GottesWort vorgemacht wird. waren, aber dabei total lebensfremd, menschenfern und nichtssagend blieben. Mich hat die Frage gewurmt, woran das liegt. Vielleicht daran, dass manche einfach nur das weitersagen, was mit den Aussagen der Bibel sachlich übereinstimmt. »Biblisch« verkündigen bedeutet aber mehr. Es bedeutet, sowohl inhaltlich mit Gottes Wort übereinzustimmen als auch so zu den Menschen zu sprechen, wie es in der Bibel getan wird.1

Das Buch

Bei meinen Ausführungen habe ich vor allem die Predigt im Blick. Das bringt mein Beruf mit sich: Ich bin leidenschaftlich gern Pfarrer! Dennoch habe ich den Anspruch, dass die Überlegungen und Übungen in diesem Buch für die unterschiedlichsten Formen von Verkündigung nützlich sind: für Predigten, Bibelarbeiten, Vorträge, biblische Referate, geistliche Grußworte, Andachten, Impulse, Ausführungen im Hauskreis usw. Der Kürze wegen spreche ich meistens nur von »Predigten und Andachten«, meine aber immer die ganze Palette.2

Für jede Form, in der wir die biblische Botschaft weitergeben, ist aus meiner Sicht ganz entscheidend, dass

•  wir unser menschliches Reden als Gotteswort verstehen (Kapitel 1),

•  wir den Prozess der Vorbereitung in geistlicher Hinsicht ernst nehmen (Kapitel 2) und

•  wir bereit sind, um Gottes Segen und seine Vollmacht zu ringen (Kapitel 3).

Das sind die geistlich-theologischen Grundlagen. Manch einer mag vielleicht einwenden: »Das ist doch nur etwas für Profis. Für eine kleine Andacht oder einen Impuls brauche ich das nicht. Das überfordert mich und dazu habe ich auch gar keine Zeit.« Dann möchte ich Sie mit der Überzeugung herausfordern, dass auch eine kleine Andacht oder ein Impuls an Tiefe und Qualität gewinnen wird, wenn Sie sich auf die Grundlagen einlassen, auch wenn es etwas mehr Kraft und Zeit kostet.

In jedem Fall dürfen Sie sich aber auch zuerst mit den biblischpraktischen Anwendungen beschäftigen. Bei diesen ist mir sehr wichtig, dass

•  wir unsere Art zu verkündigen von der biblischen Art inspirieren und bestimmen lassen (Kapitel 4),

•  »die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands« (Titus 3,4), in unserer Liebe zu den Hörenden Gestalt gewinnt (Kapitel 5),

•  unsere Verkündigung konkret ins Leben und zum fröhlichen Tun führt (Kapitel 6),

•  wir den Menschen zuliebe immer wieder neue und frische Formen entwickeln (Kapitel 7) und

•  wir üben, üben, üben (Teil 3: Praxisanleitungen).

Dieser kurze inhaltliche Überblick lässt es schon vermuten, aber ich stelle es noch einmal klar: Was Sie im Folgenden lesen, ist keine wissenschaftliche Predigtlehre, keine sogenannte »Homiletik«. Weder bespreche ich theoretische Ansätze, noch reflektiere ich abstrakt das Verhältnis zwischen Verkündiger, Text und Thema. Ich möchte vielmehr unsere Glaubensweitergabe geistlich und biblisch-theologisch durchdenken und alle Überlegungen durch konkrete Beispiele und praktische Übungen vertiefen, damit Sie das Gelesene anwenden können und einen konkreten Nutzen davon haben.

Für Praktiker, Profis und solche, die es werden wollen

Wer genau soll von diesem Buch profitieren?

•  Pfarrer, Pastoren, Prediger, Jugendreferenten, Missionare, geistliche Leiter usw. Sollten Sie sich zu dieser Gruppe zählen, werden Sie in vielen Fällen schon mehr Verkündigungserfahrung gesammelt haben als ich. Verstehen Sie meine Ausführungen als Motivation, wieder neu Ihre Verkündigungspraxis zu durchdenken und dabei intensiv mit und an Gottes Wort zu arbeiten!

•  Theologiestudierende, Bibelschüler, angehende Missionare usw. Gehören Sie dazu, dann möchte ich Ihnen mit diesem Buch eine wertvolle geistliche und praktische Ergänzung zu Ihrer zum Teil sehr wissenschaftlichen homiletischen Ausbildung bieten.

•  Jungschar-, Kinderkirch- und Jugendmitarbeiter, Presbyter, Älteste usw. – einfach alle, die als Ehrenamtliche durch Andachten, Ansprachen, Impulse usw. die kostbare Aufgabe und hohe Berufung der Verkündigung wahrnehmen. Lassen Sie sich (neu) zu einem vertieften Verständnis dessen führen, was Sie da tun! Und ich möchte Sie herausfordern, von der Bibel her Ihre konkrete Praxis der Glaubensweitergabe zu beleuchten und, wo nötig, zu verändern.

Praktische Tipps

Und hier noch vier Hinweise für eine anregende Lektüre und ein ertragreiches Durcharbeiten der einzelnen Kapitel:

•  Zwar hängen alle Kapitel in gewisser Weise miteinander zusammen, aber Sie können gerne springen und sich das vornehmen, was Sie am meisten interessiert. Zu Beginn eines jeden Kapitels findet sich eine knackige und hoffentlich Neugier weckende Zusammenfassung.

•  Die »gedanklichen Ausflüge«, auch Exkurse genannt, dienen der Vertiefung praktischer und theologischer Fragestellungen. Steigen Sie ein, überspringen Sie sie oder kommen Sie später darauf zurück – ganz wie es Ihnen beliebt!

•  An einigen Stellen im Buch werden Sie herausgefordert, sich selbst und Ihre bisherige Praxis zu prüfen und genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Lupen-Symbol steht im Hintergrund der entsprechenden Frage.

•  Durch konkrete Beispiele zum Analysieren und praktische Aufgaben können Sie selbst aktiv werden, wenn Sie mögen. Eine entsprechende Nummer verweist auf die Übungen in Teil 3. Ich empfehle Ihnen, diese Aufgaben nicht nur im Kopf, sondern tatsächlich auch auf dem Papier durchzuführen; das steigert den Lerneffekt. Natürlich ist es überaus sinnvoll, auch die entsprechenden biblischen Passagen zu lesen.

Ich wünsche Ihnen viele ermutigende Erkenntnisse bei der Lektüre, bei den Übungen und beim Anwenden auf Ihre eigene Praxis!

Teil 1 Geistlich-theologische Grundlagen

Kapitel 1

Verkündigung – Gottes Wort in Menschenmund

»Und der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an, und der Herr sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund« (Jeremia 1,9; ELB).

Es hat weitreichende Folgen, mit welcher Überzeugung wir verkündigen. Verbreiten wir nur menschliche Gedanken oder sagen wir Worte des lebendigen Gottes weiter? Die Antwort auf diese Frage wird sich auf unsere Verkündigung auswirken. Darum ist sie keine Frage für spitzfindige Theologen, sondern sie ist elementar für alle Verkündiger und Hörer.

Das ist eine steile These: Wenn ich die biblische Botschaft weitergebe, dann ist das Gotteswort in meinem Mund! Wie kann das sein? Wie haben wir das zu verstehen? Lassen wir das Buch der Bücher selbst Antwort geben!

1. Ein biblischer Anspruch

In einem hoch emotionalen und sehr sehnsuchtsvollen Brief wenden sich Paulus und sein Missionsteam an die Christen in der Stadt Thessaloniki. Sie vermissen die Geschwister dort schrecklich und verfolgen mit großer Aufmerksamkeit deren geistliche Entwicklung. Als sie auf die Anfänge zurückblicken, werden sie mit großer Dankbarkeit erfüllt:

»Wir danken Gott ohne Unterlass dafür, dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt« (1. Thessalonicher 2,13).

Was für ein theologisch tiefsinniger Dank! Paulus und seine Mitarbeiter gehen fest davon aus, dass ihr menschliches Reden von Jesus Christus in Wahrheit Gottes Reden, »göttliche Predigt«, ist. Dieses Geheimnis kann äußerlich nicht erkannt werden; es ist nicht nachweisbar oder gar beweisbar.3 Dass die Thessalonicher dennoch durch die menschliche Predigt von Gott selbst angesprochen werden, kann nur auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückgehen. Er schenkt ihnen den Durchblick, sodass sie durch alles Menschliche hindurch das wahre, göttliche Wesen der Verkündigung erkennen und es als solches annehmen.

Wie Gott redet

Es bleibt ein Wunder, wenn Menschen in unserer menschlichen Rede Gott selbst zu sich reden hören – darum ist das Missionsteam um Paulus für dieses Wunder bei den Thessalonichern auch so dankbar. Wir dürfen nicht meinen,dass Gott nichtreden kann, wenn wirden Mund aufmachen. Aber dass Gott durch Menschen seinen Willen und seine Wahrheit kundtut, dass der Allmächtige durch Ohnmächtige, der Allwissende durch Unwissende, der Ewige durch Sterbliche, der Heilige durch Unvollkommene spricht, ist das biblisch bezeugte Prinzip. So und nicht anders offenbart sich der Herr. So und nicht anders teilt er sich mit. Das sehen wir an Mose und den alttestamentlichen Propheten. Die Apostel des Neuen Testaments predigen durchgängig in der Gewissheit, das Evangelium Gottes weiterzusagen. Nirgendwo spricht Gott klarer, vollständiger und endgültiger durch einen Menschen als in Jesus Christus, denn in ihm offenbart sich Gott selbst uns Menschen als Mensch.

Wir dürfen also nicht meinen, dass Gott nicht reden kann, wenn wir den Mund aufmachen. Das Gegenteil ist der Fall. Gott teilt sich uns zuallererst und vor allem menschlich mit. Unsere Worte, unser Schreiben, unser Reden, unsere Verkündigung – kurz: Unsere Sprache ist das menschliche Medium, durch das er sich bis heute Menschen bekannt machen will. Das ist ein Zeichen seiner Gnade, denn ein anderes Medium, eine andere Sprache würden wir gar nicht verstehen.

Wenn wir also das biblische Prinzip nicht für überholt erklären wollen, dann kann es nur zu dem Anspruch führen: Auch unsere menschliche Verkündigung ist in Wahrheit Gottes Wort. Der Schweizer Reformator und unermüdliche Prediger Heinrich Bullinger gilt als Autor des folgenden evangelischen Spitzensatzes, mit dem er den Nagel auf den Kopf trifft: »Praedicatio verbi dei est verbum dei.« – »Die Predigt des Wortes Gottes ist Wort Gottes.« Doch formulieren wir es noch einmal biblisch: Als Jesus 72 seiner Jünger vor sich her aussendet, gibt er ihnen unter anderem die schier unglaubliche Zusage mit auf den Weg: »Wer euch hört, der hört mich« (Lukas 10,16). Jesu Botschaft wird durch Menschenmund verkündet.

Warum das Wort Gottes »drei in eins« ist

Wie können wir das verstehen? Wird damit nicht die Bibel abgewertet und die Verkündigung überbewertet? Sind damit nicht dem Kanzelmissbrauch Tür und Tor geöffnet, weil sich der Prediger für unfehlbar hält?

Hier kann uns ein kurzer Blick auf die Lehre vom Wort Gottes helfen, wie sie der Theologe Karl Barth in seiner großen »Kirchlichen Dogmatik« entwickelt hat.4 In Analogie zur Lehre von der Dreieinigkeit (Trinitätslehre), die von dem einen Gott in drei Personen spricht, entfaltet Barth den Gedanken der dreifachen Gestalt des einen Wortes Gottes. Dabei ist Jesus das offenbarte Wort Gottes, durch das Gott selbst unmittelbar und direkt spricht. Die Bibel stellt das geschriebene Wort Gottes dar, in dem sich Gott an Menschenwort bindet und es zu seinem Wort macht. Die dritte Gestalt besteht in dem verkündigten Wort Gottes; es ist ebenfalls »menschliche Rede von Gott, in der und durch die Gott selber von sich selber redet«5. Allerdings ist die Heilige Schrift der ein für alle Mal feststehende Kanon, der Maßstab, an dem sich alle Verkündigung messen und überprüfen lassen muss. Alle drei Gestalten des Wortes Gottes sind also zu unterscheiden, aber nicht auseinanderzureißen. Sie sind nicht identisch, aber eines Wesens. Sie hängen untrennbar zusammen. »Das Wort Gottes ist in allen seinen drei Gestalten Rede Gottes zum Menschen«6, durch die er an uns wirkt und handelt.

Die Unterschiedenheit des einen Wortes Gottes verdeutlicht Barth darum so7: Jesus Christus ist »das Wort Gottes in einer ersten, ursprünglichen Anrede, in der Gott selbst, Gott allein der Sprechende ist«. Dieses Wort wird »in einer zweiten Anrede das Wort einer ganz bestimmten Kategorie von Menschen«, nämlich der Propheten, Evangelisten und Apostel, überliefert in der Heiligen Schrift. In der Verkündigung des Wortes, der »dritten Anrede«, wird »die Zahl dieser seiner menschlichen Träger oder Verkündiger theoretisch unbegrenzt« und weitet sich also auch auf uns heute aus.

Wir sehen, wie die menschliche Verkündigung aufgewertet wird, ohne jedoch die Bibel als Wort Gottes abzuwerten. Drücken wir es einmal verkürzt so aus: Während Gott durch die Bibel einmal und grundsätzlich geredet hat, will er durch unsere Verkündigung immer wieder und aktuell sprechen. Während die Heilige Während Gott durchdie Bibel einmal undgrundsätzlich geredethat, will er durch unsereVerkündigung immerwieder und aktuellsprechen. Schrift Gottes Wort ist und bleibt, wird eine Andacht oder Predigt zu Gottes Wort, wenn sie weitergegeben wird.

Die Frage nach einem möglichen Missbrauch können wir auf dem Hintergrund von Barths Lehre so beantworten: Wird die Predigt vom Prediger missbraucht, etwa um Menschen an sich zu binden, dann widerspricht sie dem verschriftlichten wie auch dem geoffenbarten Wort Gottes, denn Jesus setzt Menschen frei und lädt sie in Liebe ein. Insofern darf sich eine solche Rede eigentlich gar nicht »Predigt« nennen, weil sie es nicht ist. Hegt der Verkündiger unlautere Motive, missbraucht er die Gelegenheit, um sich hervorzutun und Anerkennung zu erheischen, spricht dabei aber die biblische Wahrheit aus, dann können wir in aller Gelassenheit mit Paulus sagen: »Was tut’s aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber« (Philipper 1,18).

Was »Verkündigung« ist

Bleibt zu klären, wann bzw. welche menschliche Rede als »Verkündigung« im christlichen Sinn gelten kann. An Äußerlichkeiten können wir das ja nicht festmachen. Predigt geschieht ja nicht einfach dort, wo jemand auf einer Kanzel oder hinter einem Rednerpult steht, wo am Ende einer Rede »Amen« gesagt wird oder wo Theologen ihren Mund aufmachen. Verkündigung geschieht auch vor einer Jungschargruppe oder im spontanen Gespräch am Straßenrand. Sie ist Kommunikation des Evangeliums, Weitergabe der Guten Nachricht von Jesus Christus. In der Form sind die Grenzen fließend. (Darauf gehe ich in Kapitel 7 näher ein.)

Überall da, wo wir also bewusst im Namen und Auftrag Gottes und auf der Grundlage der Heiligen Schrift zu anderen Menschen sprechen, dürfen und sollen wir den Anspruch und die Erwartung haben, dass da Verkündigung geschieht. Das verbindet alle Formen miteinander. Paulus begreift sich und uns in dieser Hinsicht sogar als Stellvertreter Christi: »So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!« (2. Korinther 5,20).

2. Ein demütiger Anspruch

Der englische Baptistenprediger Charles Haddon Spurgeon fragte einmal einen angehenden Kollegen: »Glauben Sie, dass das Gottes Wort ist, was Sie verkündigen?« Der junge Mann wollte sich nicht so wichtig nehmen, war auch tatsächlich unsicher, ob man so hoch greifen dürfe, und sagte: »Ich bin nicht sicher …« Darauf Spurgeon: »Wenn Sie nicht sicher sind, dass das Gottes Wort ist, was Sie weitergeben, so lassen Sie es mit dem Predigen.«8

Die deftige Reaktion Spurgeons stößt uns im ersten Moment vielleicht etwas auf. Selbst wenn er recht hat – der junge Mann war doch immerhin demütig, und diese Haltung ist doch zu loben, oder? Ich bin überzeugt, dass es Spurgeon um viel mehr ging als darum, theologisch recht zu haben. Er wollte seinen jungen Kollegen letztlich vor Überheblichkeit und geistlichem Hochmut bewahren. Aber was folgt daraus? Sollen wir als Verkündiger etwa mit stolzgeschwellter Brust behaupten: »Ich verkünde euch Gottes Wort!«, und in Klammern den Anspruch dahinter verstecken: »Ihr solltet besser auf mich hören!«? Da wirkt es doch wesentlich bescheidener, wenn wir vor uns selbst und anderen bekennen: »Ich bin auch nur ein Mensch mit menschlichen Gedanken und Gefühlen. Vielleicht gebraucht Gott ja meine menschlichen Worte, aber ob meine Andacht, meine Predigt wirklich Gottes Wort ist, das möchte ich lieber nicht behaupten.«

Gottes Zusage

Natürlich sollen wir Gottes Wort nicht missbrauchen, um uns stolz in Szene zu setzen. Aber die Unsicherheit zu pflegen, ob wir da wirklich Gottes Wort weitergeben, ist gerade nicht demütig, sondern, um es deutlich zu sagen, sie nimmt Christus die Ehre und misstraut seiner Zusage: »Wer euch hört, der hört mich.« Das können wir auch aus der Begebenheit lernen, die in 2. Mose 4,10-14 geschildert wird, wenn wir sie einmal aus der Perspektive der hier verhandelten Sache hören.

Obwohl Gott mehrfach die Bedenken Moses gegen seine Beauftragung zerstreut, beharrt dieser auf seiner Ablehnung: »Mose aber sprach zu dem Herrn: Ach, mein Herr, ich bin von Die Unsicherheit zupflegen, ob wir wirklichGottes Wort weitergeben,ist icht demütig,sondern nimmt Christusdie Ehre. jeher nicht beredt gewesen, auch jetzt nicht, seitdem du mit deinem Knecht redest; denn ich habe eine schwere Sprache und eine schwere Zunge.« Für Gott spricht unsere menschliche Begrenztheit oder gar Behinderung jedoch überhaupt nicht dagegen, seinen Willen vollmächtig zu verkündigen. Darum hält er Mose entgegen: »Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich’s nicht getan, der Herr?« Und dann gibt Gott die wunderbare Zusage, sein Wort mit Moses menschlichem Reden zu verbinden: »So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst.« Nichtsdestotrotz wehrt Mose nochmals ab: »Mein Herr, sende, wen du senden willst. (Aber mich nicht.)« Und da lobt ihn Gott nicht für seine überaus große Bescheidenheit, sondern »da wurde der Herr sehr zornig über Mose«.

Mose wollte sich aus vermeintlicher Bescheidenheit heraus aus der Affäre ziehen. Demut bedeutet aber, dass wir uns in Gottes Willen einfügen (lassen). Und wenn er selbst durch uns zu anderen Menschen sprechen will, dann ist es gerade kein Zeichen von Demut, die Göttlichkeit unserer Verkündigung in Zweifel zu ziehen. Wir sollen und können vielmehr glaubend und dankbar die Zusage Gottes ergreifen und darüber staunen, wie außerordentlich hoch er uns schätzt, dass er »mit unserem Munde sein will« (vgl. auch Jeremia 1,9). Das zu erkennen und anzunehmen, macht uns gerade erst demütig und bescheiden!

Keine falsche Bescheidenheit

Wer partout seine Verkündigung nur als Menschenwort ausgeben will – möglicherweise aus falscher Bescheidenheit heraus –, dem ist in aller Deutlichkeit entgegenzuhalten: Für wen hältst du dich, dass du deinen Worten und Gedanken so viel Gewicht beimisst und die kostbare Zeit der Hörer in Anspruch nimmst? Glaubst du wirklich, dass Menschen allein aus deiner Rede Mut und Kraft schöpfen? Meinst du wirklich, deine Worte hätten die Kraft, Menschen einen Neuanfang oder eine Umkehr wagen zu lassen? Und wenn du das nicht glaubst – was machst du dann vor der Gemeinde oder der Gruppe?

Einem Pfarrer soll einmal der Satz herausgerutscht sein: »Liebe Gemeinde, heute entfällt die Predigt, weil ich euch etwas Wichtiges zu sagen habe.« Gott sei Dank, dass sein Wort wichtiger ist als alles, was wir zu sagen haben! Ich bin also der festen Überzeugung, dass wir erst und gerade durch den Anspruch und die Erwartung, Gottes Wort zu verkündigen, demütig werden und so die rechte Herzenshaltung einnehmen. Darin zeigt sich der Unterschied. Darauf liegt Segen: »Denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade« (1. Petrus 5,5).

Keine Überheblichkeit

Wir mögen es manchmal nicht so empfinden, aber die Berufung, Gottes Wort weiterzusagen, ist eine unglaublich große Wertschätzung und Würdigung durch unseren himmlischen Herrn. Und zwar deshalb, weil wir seine göttliche Botschaft und nicht einfach nur irgendeine menschliche Nachricht überbringen. Paulus erlebt das ganz deutlich: »Ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe« (1. Korinther 15,9; vgl. Römer 1,1; Galater 1,1 und Epheser 3,8). Doch der ehemalige Christenverfolger und spätere Europamissionar pflegt daraufhin weder falsche Bescheidenheit, noch ist das Bewusstsein, im Auftrag des Höchsten zu verkündigen, für den Zeltmacher ein Grund, sich darauf etwas einzubilden oder überheblich zu werden. Sehr drastisch schreibt er darum in 1. Korinther 9,16 (also im gleichen Brief!) auch: »Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!«

3. Ein hilfreicher Anspruch

Der Anspruch und die Erwartung, dass Gott selbst durch unsere Verkündigung spricht, weil wir »Botschafter an Christi statt« sind, ist biblisch-theologisch nicht nur angemessen, sondern geradezu geboten, wie wir gesehen haben. Indem wir das für uns gelten lassen und einfach darauf vertrauen, dass Gott seine Verheißung auch an uns unvollkommenen Verkündigern wahr macht, üben wir Demut. Darüber hinaus hat dieser Anspruch eine hilfreiche Wirkung, und zwar sowohl auf die Verkündigenden als auch auf die Hörenden.

Ehrfurcht und Ansporn

Gottes Wort in Menschenmund – buchstabieren wir diese große Wahrheit einmal konkret für die Predigt oder Andacht durch, dann wird sich bei jedem einzelnen Teil ein erhebendes und ehrfürchtiges Bewusstsein einstellen:

•  Durch meine Einleitung will Gott selbst die Menschen ansprechen.

•  Mithilfe dieses Beispiels will er sein Wesen verdeutlichen und anschaulich machen.

•  Kraft dieser Formulierung will er den Hörern seine Wahrheit einprägen.

•  Durch diesen Ruf zum Glauben will er Menschen zu sich ziehen.

•  Mit diesem Schluss will er seine Anrede beschließen.

Wird uns ein solches Bewusstsein nicht Ehrfurcht einflößen? Wird es uns nicht zu größter Sorgfalt und Behutsamkeit anhalten bei aller Wortwahl und allem Formulieren? Werden wir Gottes Wort in Menschenmund – eine Garantie für biblischeund lebensrelevanteVerkündigung ist dieserAnspruch nicht,aber ein Ansporn dazuallemal! uns nicht sehr davor hüten, den eigenen Gefühlen Luft zu verschaffen und die eigene Meinung herauszuposaunen? Werden wir stattdessen nicht versuchen, unsere Aussagen fest in der biblischen Wahrheit zu verankern? Werden wir uns nicht von der Liebe Jesu zu den Hörern ergreifen und inspirieren lassen? Ich meine, ja!

Gottes Wort in Menschenmund – ich gebe zu: Eine Garantie für gute, biblische und lebensrelevante Verkündigung ist dieser Anspruch nicht. Aber eine Hilfe und ein Ansporn dazu ist er allemal.

Konzentration und Erwartung

Das gilt nun auch für die Hörenden. Eindrücklich war mir diesbezüglich ein Jugendabend in der argentinischen Heimatgemeinde meiner Frau. Während ein Mitarbeiter eine kurze Andacht hielt, herrschte eine gewisse Unruhe. Die Jugendlichen murmelten mit ihren jeweiligen Nachbarn, die Atmosphäre war unkonzentriert. In dieser Situation ergriff die Leiterin das Wort und sagte klar, ruhig, aber mit Nachdruck und Autorität: »Ich bitte euch, jetzt Ruhe zu halten und zuzuhören. Wir geben euch hier Gottes Wort weiter, und es ist respektlos, dabei zu schwätzen. Wer nicht zuhören möchte, hat alle Freiheit, hinauszugehen.« Sofort kehrte Ruhe ein und es wurde mucksmäuschenstill.

Ich glaube nicht, dass alle Jugendlichen die Ausführungen nach dieser Ermahnung als Wort Gottes erkannten. Aber sie spürten, dass hier Ehrfurcht geboten war. Sie spürten, dass die Mitarbeiter überzeugt waren, nicht ihr eigenes Ding zu drehen, sondern sich einer höheren Autorität unterstellt wussten und ihre eigene Verkündigung ernst nahmen. Und das half den Jugendlichen, konzentriert zuzuhören.

Wir geben das Evangelium weiter, die Gute Nachricht Gottes, nicht irgendwelche kurzfristigen Neuigkeiten. Allein dieser Anspruch macht unsere Verkündigung im wahrsten Sinn des Wortes glaubwürdig, des Glaubens würdig. Denn sie hilft den Hörenden, sich mit einer angemessenen Erwartung unter das Wort zu begeben: »Heute will Gott (wieder) zu mir, zu unserer Gruppe, zu uns als Gemeinde sprechen. Ich bin gespannt, was er zu sagen hat.«

Wie oft gehe ich in einen Gottesdienst und denke insgeheim: »Bin mal gespannt, wie es der Pfarrer heute rüberbringt. Hoffentlich redet er nicht zu lange. Wie ich den kenne, wird es wieder ziemlich langweilig.« Was für eine ungeistliche, unbarmherzige und respektlose Haltung – gegenüber dem Verkündiger und gegenüber dem Wort des lebendigen Gottes. Um uns als Hörern mit solch einer Einstellung nicht das eigene Herz zuzuschließen und die Ohren zu verstopfen, brauchen wir den Aufruf: »Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht« (Hebräer 3,7-8).9

Lassen wir am Ende dieses Kapitels Martin Luther zu Wort kommen. Bei einer Auslegung von Johannes 7,16 drückt er sich in seiner unnachahmlich kraftvollen Art und mit aller wünschenswerten Klarheit so aus:

»Es soll ein jeder Prediger und Zuhörer (!) sagen: Ich habe diese Lehre nicht erdichtet; es ist nicht meine Glosse, Deutung oder Lehre, sondern des, der mich gesandt hat. (…) Wo sie aber daran zweifeln, dass es Gottes Wort sei, sollen sie ja schweigen und ihren Mund nicht auftun, es sei denn, sie sind des ganz gewiss, dass es Gottes Wort ist. (…) Also soll ein Christ gewiss sein, dass er nicht sein Wort, sondern Gottes Wort redet; sonst wäre es besser, er wäre nie geboren.«10

Kapitel 2

Vorbereitung – Zeit des Heiligen Geistes

Gut Ding will Weile haben. Darum ist das Wichtigste an der Verkündigung ihre Vorbereitung!

Ob eine Andacht oder Predigt gut ist, entscheidet sich meistens lange, bevor sie gehalten wird. Denn die Vorbereitung ist die Zeit, in der uns der Heilige Geist hilft, Gottes Wort zu »erhören«, es bis zum Formulieren der Verkündigung zu durchringen und die ganze Sache betend zu prüfen.