Einzeller - Gertraud Klemm - E-Book

Einzeller E-Book

Gertraud Klemm

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Beschreibung

Wem gehört der Feminismus? Auf der Suche nach Frauensolidarität seziert Gertraud Klemm in ihrem neuen Roman das, was vom Feminismus übriggeblieben ist. Solange wir uns wie Einzeller gebärden, wird das nie etwas mit der Geschlechtergerechtigkeit. In Simone Hebenstreits neuer WG versammeln sich fünf Frauen aus verschiedenen Generationen, mit verschiedenen Ansichten. Was sie eint, ist ihr Widerstand gegen den drohenden Rechtsruck. Wahlen stehen an, und diesmal werden Herdprämien, Müttergeld und Abtreibungsverbote versprochen. In einem Reality-TV-Format diskutieren die Frauen öffentlich ihre Positionen, und bald zeigen sich die Bruchlinien zwischen ihnen und ihren feministischen Vorstellungen von Religion, Gender-Identität und Sexarbeit: Während sie einander vor laufender Kamera zerfleischen, nimmt die politische Wende ihren Lauf.

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GERTRAUD KLEMM

EINZELLER

ROMAN

Für Helge, meinen Komplizen.

Die Stunde der Wahrheit:sechzig Schweigeminuten.

Wolfgang Mocker (1954–2009),deutscher Journalist und Autor

Inhalt

TEIL I

1 Simone

Januar

2 Lilly

Januar

3 Simone

Januar

4 Lilly

Februar

5 Simone

Februar

6 Lilly

Anfang März

7 Simone

Ende März

8 Lilly

Ende März

9 Simone

Anfang April

10 Lilly

Anfang April

11 Simone

Ende April

12 Lilly

Anfang Mai

13 Simone

Mai

14 Lilly

Juni

15 Simone

September

TEIL II

16 Lilly

Mai

17 Simone

Juni

18 Lilly

August

19 Simone

September

20 Lilly

September

20,5 Simone

21 Lilly

September

22 Lilly

Oktober

TEIL I

I saw her today at the reception

In her glass was a bleeding man

She was practiced at the art of deception

Well I could tell by her blood-stained hands

Rolling Stones, You Can’t Always Get What You Want

1Simone

Januar

Eleonora hält die Leiter, an der die Farbdose hängt. Oberhalb von ihr pinselt Maren etwas über die Eingangstür, mit einem groben, verklebten Borstenpinsel und karamellfarbenem Lack. Ein Bienenstock: Marens Idee, nachdem sie die ganze Wohnung ausgemalt hatten. Nachdem sie die Vorhänge aufgehängt hatten. Nachdem sie die Hausregeln auf die Tafel geschrieben hatten, gemeinsam. Eleonora umklammert die Leiter fester als nötig.

Niemand soll behaupten können, nicht vor uns gewarnt worden zu sein, sagt Maren. Alle ziehen am selben Strang, und jede hat einen Stachel, mit dem sie unter Einsatz ihres Lebens zuzustechen bereit ist. Ist doch eine schöne Metapher, oder?

Simone sagt lieber nichts. Zu dick aufgetragen, die Metapher. Zu träumerisch. Was auf Insektenebene so großartig funktioniert, muss sich bei den Menschen nicht durchsetzen, will sie sagen. Aber ganz ohne Träume keine Visionen. Und ohne Visionen keine Veränderung. Und ohne Veränderung immer dieselbe Scheiße. Simone lächelt den Bienenstock an, der eine kleine Beule hat.

Werde Teil der Frauenrevolution. Mitbewohnerin

für nachhaltiges Wohnexperiment

»Bienenstock« gesucht. 300 € warm. Keine

Tiere, keine Männer, leider nicht barrierefrei.

Bewerbungen unter [email protected].

Simone hört Eleonora staubsaugen, erst das Rattern über den Parkettboden, dann das Schlagen gegen die Stuhlbeine und Wände, dann das Umstecken des Aufsatzes und das Stochern in die Ritzen hinter den Heizkörpern, und endlich die Stille. Diese unvermeidliche Putzerei. Hochgeputzt hat sich in dieser Gesellschaft noch niemand, aber ohne Putzen geht nichts. Beim Putzen fängt die Gemeinschaft zum Stinken an. Das hat sich schon oft bewahrheitet. Simone hat Eleonora den Blick der beiden Neuen einfangen gesehen, letzte Woche, als sie vorgesprochen haben. Wie sie um sich geschaut haben, eine vorsichtige Inspektion. Eleonora will nicht, dass es so beginnt: mit leichtem Grausen. Es soll mit glücklichem Strahlen beginnen, mit Gelächter, mit einem berauschenden Festmahl. Das wird es morgen. Maren stampft schon Pesto, wickelt Speck um Zwetschken, stopft Nüsse in Datteln. Die Fenster hat Simone gestern selbst geputzt, so gut sie konnte; wie gründlich, erfährt man erst, wenn die Sonne spätnachmittags hereinscheint. Wahrscheinlich sind da ein paar Einhornfürze zurückgeblieben: So nennt Simone die Schlieren, die entstehen, wenn man die Fenster bei Schlechtwetter putzt. Mit denen müssen sie leben können, findet sie. Ihre Schwester fand das nicht. Wäre sie hier, würde sie noch leben, sie würde mit ihrem schlanken Zeigefinger humorvoll mahnend auf den Mangel zeigen. Simones Schwester hat sich zeitlebens die Seele aus dem Leib geputzt, so wie ihre Mutter. Da hat sich etwas vererbt, was dann ausgestorben ist.

Diese Flora hat sich als eine der Ersten beworben. Sie ist mit forschen, ein wenig nach außen gedrehten Schritten durch die Wohnung geeilt, hat das Zimmer und alles Übrige gesehen. Eleonora, Maren und Simone sind ihr gegenübergesessen, als sie sich die Hausregeln durchgelesen und mit einem Nicken zugestimmt hat, bei dem ihre akkuraten Stirnfransen keinen Millimeter gewackelt haben.

Dein Zimmer ist dein Kaffee, hat Simone gesagt, aber einmal die Woche wird gemeinsam geputzt, wie du gelesen hast. Was dir danach nicht sauber genug ist …

… ist wieder mein Kaffee, hat Flora ergänzt, ohne Lächeln. Simone hat langsam und ernst genickt. Was, wenn ich keinen Kaffee trinke?

Eleonora und Maren haben nicht wirklich verstanden, warum Simone sofort für Flora plädiert hat. Humorlos sei sie, fand Maren. Irgendwie linkisch, warf Eleonora ein. Bei dieser Lilly waren sich alle schnell einig gewesen: sympathisch, neugierig und deutlich jünger als sie. Zuerst sind sie etwas ratlos vor den rund dreißig Bewerbungen gesessen; Maren, Eleonora und sie konnten sich in der Vorauswahl auf fünf Frauen einigen. Die Geschichte-Studentin war einfach allen unsympathisch, die Köchin wirkte zu zappelig und bürgerlich, die Biochemikerin war reizend, bis sie von den erfolgreichen Auftritten (Tourneen, sagte sie) des Kirchenchors, in dem sie sang, erzählte, und Simone Gänsehaut bekam.

Eine Religiöse kommt mir nicht ins Haus, sagte sie sofort streng, nachdem die Biochemikerin aus der Wohnung draußen war.

Kirchenchor ist nicht zwingend religiös, warf Maren ein.

Für Jesus hab ich echt keine Nerven, sagte Simone. Noch nicht. Aber mit dieser Flora werden wir diverser. Ihre Eltern sind aus Guatemala. Sie wirkt wie eine Realistin. Außerdem ist eine Juristin im Haus nie schlecht.

Warum will die zu uns?, fragte Maren. Am Geld kann’s nicht liegen.

Exakt, sagte Simone. Der geht es um die Sache. Die hat lange genug alleine gelebt. Jetzt will sie eine funktionierende Frauen-WG. Die ist neugierig und visionär, und nicht nur prekär. Die Prekären nehmen wir, wenn wir expandieren.

Maren zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Eleonora nickte, stand auf und warf die Bewerbungen ins Altpapier.

Ich würde sie am liebsten gleich alle nehmen, sagte Maren seufzend.

Simone nickte. Alle nehmen. Das will Maren immer. Das ist ihr wunder Punkt.

Heute war ihr letzter Abend zu dritt. Morgen würden sie fünf sein. Von drei auf fünf in sieben Wochen.

Simone musste die anderen beiden nicht lange überreden. Von der ehemaligen Berufsschule sind drei Geschoße Bruchbude übriggeblieben – zumindest von außen. Der Makler hatte ihnen den Schlüssel gegeben, mit den Worten: Sehen Sie es sich mal an. Erst überwog das Entsetzen. Der Verfallensgrad des Gebäudes war aus der hofseitigen Perspektive in vollem Ausmaß sichtbar. Ein Dickicht aus Lianen und Holler wälzte sich durch den Innenhof und ergoss sich über ein abgestelltes Autowrack.

Eine Bruchbude, hatte Maren tonlos gesagt. Sichtlich hatte sie sich mehr erwartet, als sie die Anzeige entdeckt hatte.

Gehen wir mal rein, sagte Simone.

Mit Vorsicht bewegten sie sich durch das staubige, postapokalyptische Szenario. Durch undefinierbare Kammern und Lager im Erdgeschoß und alte Schulklassen im Mittelgeschoß, wo die Bänke und Sessel mit den Füßen nach oben zeigten, als hätte jemand sie im Zorn umgetreten. Immer wieder zerbrochene Scheiben, die notdürftig mit Brettern und Platten verriegelt waren. Erst im Obergeschoß sprachen sie wieder.

Immerhin das Stiegenhaus ist ok, sagte Maren.

Allem haftete das überschrittene Ablaufdatum an. Direktion stand auf einem altmodischen Steckschild neben der Tür zu ihrer Linken. Maren sperrte auf, und das Erste, was Simone dachte, war: so viel Platz! Vor ihr breitete sich ein langer, breiter Gang aus, gesäumt von Türen rechts und links, durch Oberlichten überraschend hell, entrümpelt, die Wände schmutzig, aber trocken. Sie staunten.

Da war kurz ein Start-up-Unternehmen drin, hat der Makler erwähnt.

Die müssen das renoviert haben, sagte Maren verblüfft, während sie die großzügige, möblierte Teeküche inspizierten, das ehemalige Lehrerklo mit den Duschkabinen, das WC Direktor mit der Badewanne (wozu, fragten sie sich sofort); sogar eine alte, kaputte Waschmaschine stand da.

Die Fenster sind zu groß und undicht, sagte Maren. Kalt ist es.

Die Heizung schaut auch nicht gerade modern aus, sagte Simone, als sie über den breiten, staubigen Rücken der Radiatoren strich. Ein Konferenzraum, eine Direktion, ein Sekretariat, zwei Besprechungszimmer, ein Aktenraum.

Genug Platz für fünf, grinste Simone, und jede hätte ihr eigenes Klo! So billig kriegen wir das nie wieder!

Sie haben Simone, der ehemaligen Lehrerin, das beste Zimmer überlassen, das Direktorenzimmer mit dem WC Direktor gleich daneben. Drei Wochen wohnen sie nun schon hier, nach vier Wochen heftiger, wenngleich oberflächlicher Renovierungsarbeiten. Viele der Originalmöbel haben sie behalten: die Schreibtische, die Aktenschränke, die Regale. Ein bisschen Entsorgen, Spachteln, Malen, Kitten, aber hauptsächlich Putzen, Putzen, Putzen. Dann haben sie ihre Habe aus dem 12. Bezirk umgesiedelt und versucht, sich einzuleben. Kalt ist allen, aber den Schulgeruch kann nur Simone wahrnehmen.

Anfangs hat sie nicht in der Wanne liegen können, ohne die Anwesenheit des Direktors zu spüren. Sie sah ihn von der Wanne aus vor sich, wie eine Karikatur ihres ehemals vorgesetzten Direktors Dr. Berger, mit schlechtsitzendem Anzug und beigen Socken, vor dem Klo, wie er seinen Hosenstall aufmacht, um breitbeinig seinen Urin fahrlässig ins und ums Klo zu pritscheln. Dr. Berger hätte nie so etwas Weibisches getan wie ein Bad zu nehmen oder sich am Klo niederzusetzen. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, wie es auf solchen Klos riecht, wenn sie nicht von braven Gattinnen oder unsichtbaren Putzfrauen fünfmal die Woche frühmorgens gereinigt werden, schneller, als der Urin trocknen und seine Schärfe entfalten kann. Nahm sie zumindest an. Auch noch zwei Jahre nach ihrer Pensionierung und ein Jahr nach seinem Tod tauchte er in ihren Träumen auf, demütigte sie in den Konferenzen, maßregelte sie vor ihren Schülern; einmal drehte er sich sogar um und sah ihr von oben herab in die Augen, bevor er mit einem erleichterten Grunzen in die Wanne pisste. Anstatt fauchend aus dem Wasser zu schießen und ihm den Schwanz zuzudrücken, lag sie da und sah den dunkelgelben Strahl auf die Wasseroberfläche prasseln, sich verfestigen, zu einem kristallinen Gitter, das sich um sie schnürte wie ein Korsett, bis sie mit einem Schrei aufwachte. Sie hat danach das ganze Bad mit heißem Essigwasser geputzt und mit Salbei ausgeräuchert, bis ihr die Hände und die Augen brannten, und jetzt ist der Direktor hoffentlich in allen Dimensionen mausetot und Simone kann endlich unbelästigt in der Wanne vor sich hin träumen. Von feministischen Salons in der Küche. Von Feiern in der ganzen Wohnung. Von gemeinsamen Essen, gefüllten Weinblättern, Oliven, mit Mandeln gestopften Datteln und Pilzlasagne, dazu roter Veltliner, blauer Zweigelt und ein bisschen Gras aus Eleonoras Eigenbau. Von berauschten Gesprächen über Protest, Streik und Widerstand, die den Raum der Theorie verlassen dürfen.

Der Bienenstock geriet wackeliger, als Maren ihn gerne gemacht hätte. Er hat eine Ausbuchtung an der linken Seite. Die erste Beule, denkt Simone. Sie stellt sich vor, ihn neu malen zu lassen, unbeschädigt, professionell, wie ein Firmen- oder Vereinssymbol. Ein Parteilogo für eine Frauenpartei könnte so aussehen. Frauenpartei. Das wäre doch mal was Neues, in einem Europa, in dem es alles schon gibt: Piratenparteien, Autofahrerparteien, Christenparteien, Männerparteien, EU-Austrittsparteien, Impfgegnerparteien, sogar Bierparteien. Alles, was ein paar gemeinsame Interessen oder Probleme hat und einigermaßen zusammenhalten kann, hat schon eine Partei gegründet. Alles, außer die Frauen.

Erst einmal eine WG mit genug Platz, der richtige Platz zur richtigen Zeit, denkt Simone. Eine Fünfer-WG aus erwachsenen Frauen ist schon mal genug Revolution für heute. Mit Eleonora und Maren hat es bis jetzt in einer Dreizimmerwohnung in Meidling geklappt, aber der Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet. Das hier ist ein ambitionierter Testballon. Die Vergrößerung einer männerlosen Familie. Eine spontan möglich gewordene Solidaritätsgemeinschaft, die auch ohne staatliche Verträge, gemeinsame Kinder oder religiöse Bande halten könnte.

Simone hat beim ersten Begehen der Wohnung die Ameisen auf ihren Unterarmen in Aufruhr versetzt. Die Ameisen kamen bei gutem Sex, bei schlimmem Streit, während der Fahrten in Hochschaubahnen, beim Geschmack frischer Maracujas und als sie erfuhr, dass sie mit Hannah schwanger war. Simone bringt die Ameisen mit Adrenalin in Zusammenhang: Sie schlagen Alarm, wenn es in Sachen Schwerkraft, Urvertrauen und Kontrollverlust brenzlig wird. Aber auch, wenn eine biografische Weiche gestellt wird und ein Quantensprung mit den Hufen scharrt. Simone strich über ihre Unterarme und sah die sichere, familiäre Bleibe, die nicht bedroht war durch gleich wieder auslaufende Mietverträge, Platznot, Scheidungen, Pleiten, Arbeitslosigkeit, Einsamkeit. Sah die Praxis aus der Theorie schlüpfen. Eine Gemeinschaft, die über das bestehende Regelwerk hinauswächst, die ohne Kindsväter, Priester, Standesbeamten, Juristen oder Notare auskommt. Ein Zusammenhalt, in dem das Patriarchat nicht einmal den kleinen Finger drinhatte. So etwas wie einen Matriclan* pflanzen; in einen sicheren, richtigen Boden.

Maren, Eleonora, Simone. Sie sind über ihre Defizite zusammengewachsen. Maren war 34 Jahre alt, gerade ein halbes Jahr frisch verwitwet, und wurde von ihrer Umgebung sanft, aber konsequent verstoßen, bis sie Unterschlupf in Simones und Eleonoras WG fand. Dort strukturierte sie ihr Leben neu, ging mit beiden Händen zur Sache, machte eine neue Ausbildung, schlief mit Frauen, bewarb sich als Kostümbildnerin am Theater und bekam den Job. Jetzt engagiert sie sich im Tierschutz, in der Flüchtlingshilfe, im Klimaschutz. Und Eleonora? Bei einer Wahlparty Ende der Neunziger hat sie Getränke serviert und war mitsamt ihrem Tablett in Simone hineingelaufen. Du bist in mich hineingelaufen und nie wieder hinausgelaufen, sagt Simone gerne zärtlich zu ihr, und allen, die es hören wollen. Aber es wird so gut wie nie gefragt. Es wird ohnehin angenommen, sie wären ein Paar. Sollen sie es doch denken.

*Lebensgemeinschaft nach matricharchalen Prinzipien

2Lilly

Januar

Schon fünf Minuten zu spät, denkt sie, und hofft, dass ihr Vater sich auch verspätet. Genau eine Stunde Mittagspause hat er bis zum nächsten Termin, hat er gesagt. Zehn Minuten muss er hierher gehen, weil Lilly auf genau dieses Café bestand. Muss das sein? Ja, es muss, Papa. Sie stellt sich vor, wie er die Speisekarte durchforstet, auf der Suche nach labbrigen Tramezzini mit Prosciutto oder Thunfisch oder Mozzarella. Als ob er keine Zähne mehr hätte, denkt sie angewidert. Und wie er wohl das Gesicht verziehen wird, erst beim Anblick der Ökobilanzen, die jetzt vom Ministerium auf die Türen geklebt werden, und dann, wenn er sich zwischen veganen Bowls und Raw Wraps entscheiden muss. Sie beschleunigt ihre Schritte. Sie muss nicht alles hören, was er sagt. Oder denkt. Was er gesagt hat.

Mit dieser Frauenquote hat sich die Regierung mehr als ein riesengroßes Ei gelegt. Aus den grünen Eiern schlüpft schon die nächste Generation von Besserwisserinnen: jünger, härter, geschlechtsloser und besser gespindoktert als ihre Vorgängerinnen.

Woke Ökofaschistinnen, so sagt er zu Frauen wie ihr. Sie betritt das Lokal, findet ihn an einem Tisch gleich neben dem Eingang. Er springt auf und umarmt sie, ein bisschen zu fest, eine Spur zu lange, als hätte er sie seit Monaten nicht gesehen.

Papa, sagte sie, es klingt gequetscht und genervt, sie setzt liebevoll nach: Drück nicht so fest.

Entschuldige bitte, sagte er, ich habe dich so lieb.

Sie lächelt verzeihend.

Wie geht es dir denn in der neuen Wohnung?, fragt er, noch bevor sie sich hinsetzen kann.

Sie zuckt die Achseln. Bisschen kalt ist es. Aber sonst super. Viel besser als bei den Tussis.

Tussis, wiederholt er. Und: Warum heizt du nicht?

Du weißt schon, sagt sie und sieht aus dem Fenster.

Ich weiß gar nichts, sagt er. Du erzählst ja nichts.

Er streicht sich über seinen Dreitagesbart. Ein Insektengeräusch.

Aber lass uns erst mal bestellen, sagt er.

Er wirft einen Blick in die in grünes Leinen gebundene Karte und seufzt. Matchatee, Brennnessel-Smoothie. Marokkanische Minze. Na, das kann ja alles nicht besonders nachhaltig sein, sagt er.

Ist es aber, sagt sie tapfer. Nimm die Edamame-Bohnen, mit Mandelmus und geröstetem Buchweizen, sagt sie. Das ist lecker.

Lecker, sagt er gallig und klappt die Karte zu, es klatscht viel zu laut, mitten in das eigenartig altmodische Oboengedudel hinein, das im Hintergrund läuft. Die Kellnerin sieht alarmiert auf, stellt ein Tablett ab und kommt schnell zu ihnen. Lilly geniert sich ein bisschen für ihren Vater. Dass er die Kellnerin verunsichert hat, wenn auch unabsichtlich, scheint ihm zu gefallen. Er beugt sich vor, drückt die Brust raus und hält ihr die Karte hin, gnadenvoll. Ein Bier und die Edamame, sagt er.

Ich nehm auch die Edamame, sagt sie, und einen Matcha.

Es ist das erste Treffen seit dem Streit vorige Woche. Papa findet es unmöglich, dass sie in eine Frauen-WG mit älteren Mitbewohnerinnen zieht. Was soll denn das, hat er gesagt. Was stimmt denn nicht mit den Mädels?

Wenn sie das schon hört. Mädels. Wir sind Frauen, denkt sie, auch wenn die Mädels sich Mädels nennen, ihm steht das nicht zu, Frauen ihres Alters zu verniedlichen. Papa ist ein Saurier, denkt sie und öffnet ihren Zopf, nur um ihn wieder zusammenzubinden, um streng und unerbittlich auszusehen.

Was macht die Uni?, fragt er und lässt den Blick schweifen.

Seit der Diskussion letzte Woche ist er in ihrem Ansehen gesunken, kilometertief. Er hatte zu viel von dem affigen, chilenischen Bio-Chardonnay getrunken, den Mama immer beim Händler ihres Vertrauens bestellt. Und dann ging es los, in diesem lallenden Lamento: diese Verteuerungen beim Fleisch, diese Steuern auf konventionellen Anbau, die teuren Spritpreise. Sojamilch, pflanzliche Eier, vegane Kuchen, Radfahrhighways auf Kosten des Autoverkehrs! Alles, was Spaß macht und selbstverständlich ist, wird beschnitten, hatte er beanstandet. Und du machst da mit! Fehlt nur noch eine Ficksteuer!

Das Wort allein. So ein Wort sollte ein Vater nicht sagen, findet Lilly. Sie ist wortlos aufgestanden und gegangen. Wenn Papa nicht eine Entschuldigung geschickt hätte, sie wäre nicht hier.

Die Kellnerin bringt den Tee und das Bier, es ist in einer winzigen Flasche abgefüllt, aus der die Kellnerin den ersten Schluck in eine Art Sektglas leert. Er hebt das Glas mit Zeigefinger und Daumen, spreizt den kleinen Finger ab, prostet ihr zu, sie versucht, nicht zu lachen.

Weißt du, sagt er nach dem ersten Schluck, heute Morgen, als die Ampel zugunsten der Radfahrer umsprang, hab ich mich gefragt, wie lange es noch dauern wird, bis einer wie ich zum Amokfahrer wird und in so eine Radfahrerkolonne hineinfährt.

Sie hebt den Matcha an ihre Lippen.

Ich verstehe ja deine hehren Ziele, aber überall rund um uns verpesten die Menschen weiter den Planeten, und hier dürfen die Ökonaivlinge sich ihre kleine, heile Welt vorgaukeln. Der Klimakatastrophe sind eure Solarvisionen, euer veganer Fraß und die feuchten Radfahrträume komplett wurscht! Versteh mich bitte ein bisschen.

Sie stellt sich Simone vor. Was würde sie ihrem Papa entgegnen? Wir tun etwas. Papa, unsere Generation redet nicht nur, wir tun etwas. Du solltest auch die Welt retten wollen, der Zukunft zuliebe, ein bisschen zumindest. Den Enkelkindern zuliebe, die ferner denn je scheinen. Sie weiß schon, was er entgegnen würde. Sie hat es schon hundertmal gehört. Als ob er und seine Generation immer nur auf der faulen Haut gelegen wären. Oder seine Elterngeneration. Sein ganzes Leben lang hat er sechzig Stunden die Woche gearbeitet, Müll getrennt, das völlig überteuerte Biofutter seiner Familie gezahlt und Umweltorganisationen unterstützt! Sie kennt das alles. Er ist ein Monat in Karenz gegangen, er hat als einer der Ersten ein überteuertes E-Auto gefahren, noch bevor sie massentauglich geworden sind. Er hat bei weiten Fahrstrecken an der Ladestation Daumen gedreht und zugesehen, wie die anderen schnell mal tankten und weiterfuhren! Und jetzt soll er tunlichst seinen Mund halten, nur weil sie empfindlich wie eine Mimose geworden ist? Mit ihren komischen Frauen geht Lilly auf Demonstrationen, gegen die Rechten, gegen Sexismus, für CO2-Steuern und Abtreibung. Was soll denn das! Gibt es nicht längst Verhütung für alle? Sind Frauen nicht Kanzlerinnen, Industriebosse, Museumsdirektorinnen? Und jetzt zieht sie auch noch mit lauter fremden Frauen in eine Bruchbude.

Ich hab einen Zweier auf Psychologie, sagt sie, um vom Thema abzulenken.

Super, sagt er. Ich bin froh, dass ich so eine kluge Tochter habe.

Er ist abgelenkt. Sie beobachtet ihn dabei, wie er einen Mann seines Alters für das Schlabbern eines Süppchens mit grasgrünen Bohnen und durchsichtigen Nudeln darin verachtet, und den leuchtendgelben Tee dazu. Papas abschätziger Blick wandert weiter, zu zwei Frauen, eine mit vollen braunen Locken, die andere mit halblanger Wuschelfrisur; die Lockige trägt ein tief ausgeschnittenes Shirt, der Wuschelköpfigen hängt die nackte Schulter raus. Sicher denkt er, es seien Lesben. Am liebsten würde sie ihn an den Schultern rütteln.

Nichts weiß er über sie, weil er nie zuhört. Immer nur schaut er. Und sieht die fünfjährige Lilly, die ihm den mit dem Fahrrad totgefahrenen Hamster verschweigt. Und sieht die vierzehnjährige Lilly, die ihm gleich gestehen wird, dass sie seine IWC-Automatikuhr ungefragt ausgeborgt und irgendwo in der Schule abgenommen und liegengelassen hat. Die gute Schülerin, das hübsche Mädel, dieses gelungene, kluge Geschöpf, aus so etwas Banalem wie seinem Ejakulat entstanden. Er ist dermaßen vollgestopft mit selbstgefälligen Erinnerungen an sich, dass er nicht sieht, wie erwachsen und selbstständig sie geworden ist. Und trotzdem ist sie voller Liebe zu ihm.

Wie geht es dem Waldorfkind, fragt er.

Samu, korrigiert sie tapfer. Dem geht’s gut. Der ist im Gefängnis, Praktikum machen.

Weißt du, wir haben nicht absichtlich alles falsch gemacht, lenkt Papa plötzlich wieder ab, trinkt sein Bier mit einem Zug leer und deutet der Kellnerin, noch eines zu bringen. Wie aufmerksam die augenblicklich gehorcht und die Bestellung an die Bar weiterleitet. Lilly wünscht sich, dass die Kellnerin ihn anlaufen lässt. Ihm was Falsches bringt. Das wird aber nicht passieren. Papa hat bei ihr Eindruck hinterlassen, durch seine übermännliche Großkotzigkeit. Prompt kommt sie wieder, die erste Portion Edamame stellt sie vor ihm auf den Tisch, er schiebt sie gönnerhaft Lilly zu. Die Dame kommt zuerst, wissen Sie das nicht?

Eine peinliche Pause entsteht, in der die Kellnerin sachte errötet und in die hinein Lilly improvisiert.

Papi weiß ohnehin nicht, wie man Edamame isst, sagt Lilly lässig und greift sich eine Schote. Keine Angst, ich zeige es ihm. Die Kellnerin lächelt ihr dankbar zu und macht kehrt.

Papa sieht sie an, die Demütigung überspielt er gut, nur sein zuckender Adamsapfel verrät seinen Ärger. Das hat sie von Simone gelernt. Lieber einen guten Freund verlieren als eine feministische Spitze auslassen.

Er sagt nichts und greift stattdessen in ihre Schale. Gib her das Hasenfutter, sagt er lässig und steckt sich die ganze Schote in den Mund.

Nicht so!, ruft sie aus.

Ich hab dich gefüttert, als du noch in die Windeln geschissen hast, sagt er, zieht sich die leere Schote umständlich aus dem Mund und sieht sie angewidert an. Also erzähl mir nicht, wie ich deinen veganen Fraß essen soll. Tapfer steckt er sie zurück und schluckt die zähe Schote als Ganzes hinunter.

Sie muss lachen, er auch, er verschluckt sich, klopft sich auf die Brust, hustet. Dann wendet er sich wieder seiner Tochter zu, die Augen feucht vom Husten, ein bisschen zu feucht vielleicht. Lilly spürt, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, ihn um Geld zu bitten. Um sehr viel Geld.

3Simone

Januar

Simone hat ihren grünen Kaftan über den Pulli gezogen, die Haare aufgetürmt und die Rubin-Ohrringe ihrer Mutter durch die seit Jahren zugewachsenen Löcher gebohrt. Sie wünscht, es würde bluten, aber es stinkt nur, und schmerzt. Sie bereut es schon wieder, dass sie vereinbart haben, sich festlich aufzuputzen. Schönheit muss leiden. Die dämlichsten Sprüche sind die wahrsten, denkt sie. Und Feiern muss sein, Festlichkeit ist angebracht. Den Tisch haben sie in die Mitte der Teeküche geschoben, die Schultafel ist aufgeklappt, Maren hat darauf das Bühnenbild gemalt: einen Urwald mit Schlingpflanzen, Schmetterlingen und Bienen. In großen Gurkengläsern flackern über die Wohnung verteilt Kerzen.

Lilly sitzt verloren in ihrem riesigen Rollkragenpulli bei Tisch und hält sich an ihrem Glühwein fest, das Handy liegt vor ihr, immer wieder greift sie wie beiläufig danach, ihre gelenkigen Daumen gleiten mühelos und effektiv über das Display. Was auch immer sie tut, es dauert nie länger als ein paar Sekunden. Sie hat das kleinste Zimmer ausgefasst, dafür zahlt sie fünfzig Euro weniger. Und ihr ist einer der ehemaligen Aktenschränke für ihr Zeug zugesprochen worden, das sie im Vorzimmer aufbewahren kann. Jetzt sind die letzten beiden eingezogen, Flora und Lilly haben ihre Kisten ausgepackt, ihre Gewänder und Bücher verstaut, sich im Bad eingerichtet und schließlich die Kartons im Gang zusammengeklappt. Jetzt darf gelebt werden. Und gefeiert. Maren klopft den Kuchen aus seiner Form, zuckert ihn und trägt ihn quer durch die Küche auf den festlich gedeckten Tisch, mit diesem engagierten Eisenbahn-Gang, der immer schlimmer wird, je älter sie wird. Sie hebt die Knie und stampft auf, als müsse sie ein Rudel Kindergartenkinder bei Laune halten. Als wäre sie verpflichtet, ihre Umgebung ständig mit guter Stimmung zu begasen: Das ist, je nach Anlass, Marens beste Seite und gleichzeitig ihre nervigste. Das hier ist kein bunter Abend im Altersheim, wir schaffen das ohne Kosmetik, alles wird gut, will Simone zu Maren sagen.

Simone rührt in der Gulaschsuppe, von der sie noch Tage werden essen können. Hinter ihr vollendet Flora ihren Rohkostteller. Sie trägt ein dottergelbes Wollkostüm, das an keiner Stelle ungewollte Falten wirft. Diese Akribie spiegelt sich in den kurzen Eindrücken wider, die Simone gewinnen konnte: die Ordnung im Fach des Badezimmerregals, die Art, wie sie das Gemüse militärisch in Sternform um eine braune, unansehnliche Soße herumgeschlichtet hat, ihr eigenes Schuhregal. Nur die Lammfellpatschen passen nicht ins korrekt-vegane Sittenbild. Simone taucht eine der geometrisch perfekt geschnitzten gelben Rüben in die zähe Masse, die sich als Erdnussdip herausstellt.

Wie feiern Unbekannte miteinander? Wie leben sie miteinander? Hat sie sich das gefragt, als sie mit Jürgen zusammengezogen ist, oder Maren, als sie geheiratet hat? Eben. Genauso wenig wie Milliarden und Abermilliarden von Frauen, die sich auf Wohngemeinschaften mit Männern eingelassen haben, ohne sich mit Zweifeln aufzuhalten. Mit berechtigten Zweifeln, wenn man sich partnerschaftliche Gewaltdelikte und Eigentumsverhältnisse global ansieht. Oder wenn man persönlich zurückblickt.

Fehlt noch Eleonora. Da kommt sie auch schon, dick eingemummelt wie immer, die übliche kalte Rauchfahne hinter sich herziehend. Flora dreht sich um, Missbilligung im Gesicht; Eleonora gibt vor, es nicht zu merken.

Simone schneidet das Brot in dünne Scheiben. Wann soll sie ihre Mitbewohnerinnen einweihen? Soll sie sie überhaupt einweihen? Oder selbst entscheiden und sie dann überrumpeln? Die Einladung kam letzte Woche, das Treffen mit der Halbritter war gestern. Big Sista heißt das Format, für das sie angefragt wurde. Bei dem sie mitmachen sollen. Ein anspruchsvoller, niveauvoll eingedampfter Spin-off von Big Brother, ohne Eingesperrtsein, ohne Rausschmisse per Voting, ohne platte Romanzen, stattdessen Lifestyle und Content: geladene Gäste, gedeckte Tische, erleuchtende Gespräche im kuscheligen Hafen der gelebten Frauensolidarität. Gesponsert von einer Tageszeitung und einer Buchhandelskette. Gepflegte Unterhaltung mit feministischem Grundtenor, hat die Halbritter gesagt. Hatten wir noch nicht. Wird doch Zeit. Oder?

Simone war zu Beginn skeptisch. Seit wann macht Feminismus Spaß? Wer soll sich das anschauen, wenn es so niveauvoll ist?

Auch Leute mit Niveau wollen unterhalten werden, hat die Halbritter schlagfertig geantwortet, und ganz ohne Unterhaltung kann man Content auch nicht mehr bringen.

Simone legte nach. Warum haben die Leute, die jahrzehntelang nichts davon sehen wollten, ihre Meinung geändert?

Sei doch froh, dass der Feminismus jetzt endlich schick geworden ist, hat die Halbritter gesagt und mit den Schultern gezuckt. Wie Schwulsein. Oder Transgender. Oder Blackness. Jetzt müssen sogar die Saurier in den Redaktionen buckeln. Ist ja auch schön für die Quote!

Falsche Schlange, denkt Simone. Als hätte die Halbritter, die mit dem Tochter-von-Ticket in den staatlichen Rundfunk einziehen durfte, jemals so etwas wie eine Quote notwendig gehabt. Immerhin bringt sie Talent mit. Und den Riecher für populäre Projekte. Gerade deswegen ist ihr nicht zu trauen. Das war schon damals so, als man Simone interviewte, als sie die Schule verklagt hat. Die Halbritter, damals noch eine junge, ehrgeizige Lokalreporterin, griff das Thema auf, machte einen flotten Beitrag draus und ließ sie und den Anwalt der Schulbehörde in der Arena gegeneinander antanzen. Das gefiel den Leuten: David gegen Goliath. Kleine Lehrerin mit zertrümmertem Knie auf Krücken gegen übermächtigen, aalglatten Szeneanwalt des Schulapparates. Mit den Spenden, die nach der Sendung reinkamen, konnte Simone die Prozesskosten zahlen. Damals ist sie eine Art Symbiose mit der Halbritter eingegangen. Seitdem greift die Redakteurin mit dem strohblonden Bürstenschnitt auf sie zurück, und Simone sagt jedes Mal brav Ja, auch wenn es ihr nicht immer Spaß macht, auch wenn es kein Honorar gibt. Alles hat seinen Preis. Für eine, die nicht regiert oder bezahlt, ist sie verhältnismäßig oft auf dem Schirm, wenn es um Feminismus, Streitbarkeit, Stutenbissigkeit geht. Kaufen kann sie sich wenig drum. Außer Sendezeit und Aufmerksamkeit.

Die Halbritter hat sie zu einem schmuddeligen In-Vietnamesen eingeladen und ihr das Konzept unterbreitet.

Woher weißt du überhaupt von unserer WG?, hat Simone gefragt.

Spricht sich rum, sagte die Halbritter, zwinkerte und leerte sich Chilisoße über den Papayasalat. Simone kostete die Suppe, verbrannte sich die Zunge und sah die Halbritter wütend an.

Vom Minister, sagte die Halbritter. Was ich so gehört habe, seid ihr eine gute Mischung.

Das hat er gesagt? Simone war empört. Eine gute Mischung?

Ja. Die Halbritter legte das Besteck zur Seite und dachte kurz nach. Eine junge Unbedarfte, eine alte Hartgesottene, eine gemütliche Omi, eine verkorkste Hardlinerin und ein lesbischer Freak in einer alten Direktion. So ähnlich hat er es ausgedrückt.

Simone holte tief Luft. So hatte sie es dem Minister bestimmt nicht erzählt. Das ist es also, was er hört, wenn sie sich ihm anvertraut, dachte sie. Dass er Eleonora als Freak und Maren als Omi bezeichnet, sieht ihm ähnlich. Die beiden kennt er nur aus Simones Schilderungen, und es ist traurig genug, was er aus denen herausdestilliert. Wie kommt er dazu, Flora als Hardlinerin einzustufen? Als geradlinig und pedantisch hat Simone sie ihm beschrieben. Und gut, vielleicht hat sie Lilly als jung und unbedarft bezeichnet. Und sie selbst ist also die alte Hartgesottene. Als wäre sie ein vertrockneter Braten. Fünf Frauen, fünf negative Zuschreibungen. Mehr Fantasie hat er nicht für sie übrig. Zeit, ihm wieder mal den Kopf zu waschen.

Was hältst du vom Konzept?

Nicht wenig, aber auch nicht viel, antwortete Simone und legte den Löffel zur Seite. Immer noch zu heiß. Sie hörte der Halbritter zu, wie sie das Konzept verkaufte.

Stell dir vor, sagte sie: Wir entstauben die ganzen alten Themen. Ihr müsstet nicht mal in einen scheußlichen Container.

Der scheußliche Container kommt ins Haus, antwortete Simone.

Genau, alles bei euch daheim, sagte die Halbritter, nachdem sie heruntergeschluckt hatte. Normaler Alltag, bisschen Maske, und klar, ohne Verkabelung geht nichts. Aber nicht mehr als drei Stunden Dreh am Stück.

Wer sind die Gäste? Oder Gästinnen?, fragte Simone.

Politikerinnen, Influencerinnen, Journalistinnen … Du weißt schon.

Und mit denen sollen wir diskutieren.

Genau. Und kochen, sagte die Halbritter. Es soll um tagesaktuelle Themen gehen. Du weißt schon. Um Feminismus natürlich! Und Nachhaltigkeit. Was uns eben so unter den Nägeln brennt.

Uns. Simone hätte gern hämisch aufgelacht. Du privilegierte Ziege. Als würde dir was unter den Nägeln brennen. Die Halbritter hatte gepflegte Nägel, nur der rechte Daumennagel war abgerissen. Oder abgekaut?

Gib mir eine Woche, sagte Simone. Ich muss die anderen fragen.

Die Halbritter hat gegrinst. Warte nicht zu lang, wir haben ein paar Kandidatinnen ausgesucht. Du weißt schon.

Gar nichts weiß Simone, aber sie kann es sich denken. Es hat wohl schon Castings gegeben. Vorausscheidungen. Schiebung. Konkurrenz. Ohne Wettbewerb läuft so eine Show nicht. Kein Spaß ohne Zickenkrieg. Kein Köder ohne Haken. Am liebsten hätte Simone gleich Nein gesagt und: Schieb dir deine pseudofeministische Nabelschau in den Hintern. Such dir andere Trottel. Aber Simone hat gelernt, diese intuitiven, rohen Beschimpfungen reifen zu lassen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, das hat ihr ihr Vater ins Stammbuch geschrieben.

Die Halbritter rief die Kellnerin. Ich muss leider. Sie zahlte, wischte sich den Mund ab, nahm einen Lippenstift und einen kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und zog sich versunken die Lippen nach, presste sie aufeinander, das matte Dunkelviolett war jetzt makellos.

Enttäusch mich nicht, sagte der violette Mund.

Erst als sie ging, war die Suppe essbar. Während sie löffelte, ärgerte sich Simone über die Halbritter, die sie hier so schamlos kaufen wollte. Von wegen Feminismus. Die will doch nur, dass sie ihr Privatleben an die Öffentlichkeit zerren, als wären sie und ihre Mitbewohnerinnen Zootiere, die man beim nachhaltigen, feministischen Kochen und Quatschen bestaunen kann. Und dann die anderen, mit denen sie um Beliebtheitswerte kämpfen muss. Wer kriegt die meisten Likes? Wer schaut sich das überhaupt an?

Andererseits, dachte sie, während sie ihre Schüssel von sich schob, vielleicht ist es genau das, was der Feminismus braucht: zeitgenössische Formate, die die bittere Wahrheit auf einem Stückchen Zucker präsentieren. Nah am Leben, vorstellbar und nicht immer nur trockene Theorie, sondern auch mal eine scharfe, saftige Realität zum immer selben Diskurs. Wo kommen progressive, feministische Diskurse denn schon im Mainstream vor? Es wäre eine Chance, das ständige Gegeneinander gegen ein Miteinander auszutauschen. Sie hätten es in der Hand, wie die Gespräche verlaufen würden: untereinander, und mit diesen Gästen.

Gästinnen. Wie sie dieses Wort hasste. Wie sie diese Sprachpolitik nervte. Dieses woke Erbsenzählen. Jeder Text ein Minenfeld, an jeder Ecke die neuen Moralistinnen, die einem an den Lippen hingen und jedem falschen Wort auflauerten und Aussagen auf Mikroaggressionen prüften. Die einem bis in die Kindestage nachrecherchierten, ob eh immer alles politisch korrekt gewesen war. Ob man eh immer schon gegendert und eh nie Zigeunerschnitzel bestellt hat. Aber wenn sie es mit Humor angehen, können sie sich ja auch mit der Konkurrenz verbünden. Gemeinsam subversiv diese Unterhaltungsarchitektur unterlaufen. Lieber ein niveauloser, voyeuristischer Feminismus als gar keiner. Wen hat die Halbritter denn noch gefragt? Vegane Influencerinnen? Queere Baugruppen? Junge Szene-Sprachpolizistinnen? Neben denen schauen sie sicher alt aus. Nun. Sie könnte ihr Alter auf dem Silbertablett der Diversität präsentieren. Das wäre mal was: sich den Altfeministinnen-Geruch wie ein Dinosaurierparfum auftragen, und die Ageism-Keule schwingen. Das glaubst du doch selber nicht, Simone. Sollen die Jungen sich doch zum Affen machen!

Inzwischen haben sich alle in der Küche eingefunden und tratschen miteinander. Eleonora hat Musik gemacht. Simone schaltet den Herd ab, trägt Suppe und Brot zum Tisch und lässt sich auf den letzten freien Platz in der Küche fallen. Den Vorsitz: Sie haben ihn ihr überlassen. Jetzt erstirbt das Gespräch, die Frauen sehen sie abwartend an. Also, sagt sie, da wären wir nun. Unser erster Abend. Sie sieht in die Runde, versucht, es auszusitzen. Ein Spruch wäre praktisch, etwas, das gemeinsam zitiert werden könnte, am besten mit Körperkontakt.

Es gibt leider keine feministischen Tischgebete, sagt sie. Die Frauen lachen. Sie wird verstanden, aber sie schauen immer noch so erwartungsvoll. Gerade jetzt neidet sie den Gläubigen ihren Zugang zu Ritualen, die über die kleinen und großen Peinlichkeiten des Zwischenmenschlichen hinweghelfen. Wildfremde können miteinander Sprüche aufsagen, singen, Oblaten lutschen, Händchen halten und einander Frieden wünschen, und alle trinken aus ein und demselben Kelch, das Blut ihres Anführers, alles todernst, ohne einen Funken Verlegenheit. Einer nach der anderen sieht sie ins Gesicht. Maren knabbert selbstvergessen an einem Stück Brot, Lilly führt die Tasse an die Lippen, Eleonora sieht sie gespannt an und sehnt sich sichtlich nach einer Zigarette, dann blickt sie in Floras fast schwarze Knopfaugen. Der Name Flora passt überhaupt nicht zu dir, denkt Simone. Zischlaute würden passen, denkt sie, harte Konsonanten, Tatjana, oder Elsbeth. Red doch du, denkt sie eindringlich und hält den Blick aufrecht. Red endlich.

Wo habt ihr drei euch eigentlich kennengelernt?, fragt Flora in die Stille.

Eleonora und ich kennen uns schon ewig, und Maren ist später dazugestoßen.

Seid ihr ein Paar?, fragt Flora unverblümt und sieht zwischen Eleonora und Simone hin und her. Kein Schmunzeln, keine Missbilligung im Gesicht, denkt Simone. Unlesbar.

Ein Wohn-Paar, sagt sie und beginnt, sich am reich gedeckten Tisch zu bedienen. Auch die anderen greifen zu.

Und du?, fragt Flora jetzt Maren.

Maren fährt sich durch die kurzen Locken. Vor dem Krebs hatte sie glattes Haar gehabt. Fünf Jahre ist es her, da hat Eleonora ihr die Haare rasiert, und Simone hat bunte gehäkelte Häubchen besorgt, die sie ihr gleich danach aufgesetzt haben, um auszuprobieren, welches am besten passt. Sie haben abwechselnd heulend und lachend die Haare rituell verbrannt und den Krebs gleich mit, sagt Maren manchmal. Hoffentlich. Sie kennen einander so lange, dass sie die Geschichten der anderen erzählen könnten, im Wortlaut: ihre Märchen, ihre Wurzeln, ihre Lügen.

Mich hat der Tod meines Mannes aus der Bahn geworfen, sagt Maren. Wir waren jung verheiratet. Dann haben mich die biederen Pärchen aus ihrer heilen Welt verstoßen. Als würde ich Unglück bringen. Egal, ob ich ein Konto eröffne, einen Fragebogen beim Arzt ausfülle oder um eine Rückerstattung ansuche: ledig, verheiratet, verwitwet, was anderes gibt es nicht zur Auswahl. Ausgestoßen! Die Witwe wirst du nicht los, wenn du nicht wieder heiratest. Da ist mir einiges klar geworden. Ich geh nicht mehr zurück. Das haben sie jetzt davon.

Die Funktionierenden haben Maren in die Arme der Feministinnen getrieben, sagt Simone jetzt, weil sie weiß, dass Maren es liebt, wenn sie die Gute-Nacht-Geschichte zu Ende erzählt: und von dort zu Eleonora und mir.

Das war das Stichwort für Eleonora, die aufsteht, sich in ihre Decke wickelt und fragt, ob sie eine Zigarette rauchen darf, am Fenster.

Ich dachte, das ist eine Nichtraucher-WG, sagt Flora.

Es ist eine Fensterraucher-WG, sagt Eleonora.

Eine Fensterraucherinnen-WG, korrigiert Maren.

Ob Eleonora sich traut, vor den Neuen Gras zu rauchen? Nein, rät Simone, noch nicht. Sie sieht Eleonora im Halbprofil, der hohe Wangenknochen, der einen dreieckigen Schatten wirft. Welche Version wird sie erzählen? Die fantasielose, in der sie direkt aus einem Studentenheim zu Simone gestoßen ist? Oder die von der Unbehaglichkeit des Alleine-Wohnens? Simone sieht die Zigarette glühen und riecht nur Tabak. Flora verzieht das Gesicht und kräuselt die Nase.

Nein, Eleonora entscheidet sich für die Version von den traumatisierenden Jahren, in denen sie für einen Freund putzen und kochen musste. Eleonoras richtige Wohngeschichte ist auch nichts für den ersten Abend, denkt Simone. Die von dem Herbst, als sie siebzehn wurde und sich Mutti einen besonders üblen Säufer eingetreten hatte, und bald hieß es: der Säufer oder die Elli. Die von den Sauforgien und Schreiduellen und dem besoffenen Gerammel, das meist darauf folgte, und wie Eleonora in die Schrebergartenhütte eines Onkels ausgewichen war, so lange, bis der Säufer weg war, was dauerte, also richtete sie sich ein, so gut es ging. Sie besorgte sich Decken und Heizstrahler und ließ den Schlüssel stecken, wenn sie absperrte, wegen des Onkels, der nach dem Rechten sehen wollte, und wegen allen anderen. Du glaubst gar nicht, wie viele Obdachlose im Schrebergarten überwintert haben, hat sie Simone erzählt. Und wie viele versucht haben, in meine Hütte zu kommen! Aber du überlebst das eine Zeit lang, wenn du den Tag im Büro überdauern kannst und einen Elektrostrahler hast, und eine Heizplatte, und einen dicken Schlafsack, und einen Schürhaken. Seitdem kann ich keine Obdachlosen mehr sehen, ohne dass mir sofort kalt wird, sagt sie. Seitdem kann ich fressen wie eine Bärin vor dem Winterschlaf; es wächst nichts an. Dann kam ja ich in dein Leben, denkt Simone auch diese Gute-Nacht-Geschichte zu Ende, damit alles seine Ordnung hat.

Eleonora dämpft die Zigarette aus und schließt das Fenster.

Und du, Flora?, fragt sie.

Ich war viel für NGOs unterwegs, in Genf, Mexiko und in den USA. Spannende Tage, langweilige Abende in Hotels. Dazwischen in Dienstwohnungen, jahrelang. Es ist nicht so, dass ich das Unterwegssein und Alleinsein satthabe, aber mich interessiert die feministische Praxis hier, im Alltag. Euer Inserat war wie ein Weckruf. Wisst ihr, die Theorie hängt mir zum Hals raus. Die hab ich in der Juristerei zur Genüge. Ich will endlich mal was auf die Beine stellen, was nicht nur auf dem Papier existiert. Oder in den sozialen Medien. Was mach ich bei der x-ten Gruppe, die vor sich hin werkelt?

Simone nickt. Die x vor sich hin werkelnden Gruppen, bei denen sie auch dabei war. Viele kleine Enthusiasmen, die vor sich hin explodieren. Voneinander isoliert und ineffektiv, wenn sie nicht kurzgeschlossen werden. Womit? Mit frischer Einigkeit. Mit neuer Wut. Simone überlegt, ob sie das auf einen Zettel schreiben soll, damit sie den Gedanken zu einem späteren Zeitpunkt weiterführen kann. Sie ist zu müde, um aufzustehen.

Welche Theorie hängt dir denn genau zum Hals raus?, fragt sie stattdessen Flora. Heutzutage muss man aufpassen, vor allem bei den Feministinnen. Das weiß sie. Feminismus ist pseudoreligiös geworden. Für ein Gendersternchen, Kopftuch oder Prostitution sieht man Frauen neuerdings in den feministischen Dschihad ziehen – immer gegen andere Frauen natürlich. Nur online, versteht sich. Dafür umso gnadenloser. Diese Flora könnte ihr heute Abend schwesterlich um den Hals fallen und schon morgen früh unwiderruflich die Freundschaft kündigen – Liebe und Hass trennt oft nur eine Position, ein Post in irgendeiner Diskussion in irgendeinem sozialen Medium, ein Like unter irgendeinem Statement.

Die Theorie von der Frauensolidarität. Vom Zusammenhalt, sagt Flora. Ich wünsche mir Synergieeffekte. Und bei dir läuft doch viel zusammen. Du hast doch schon ein paar Synergien hergestellt.

Simone winkt ab. Proteste im Hosentaschenformat. Rechte Hosentasche, linke Hosentasche, sagt sie, dazu gestikulierend.

Wie meinst du das mit den Hosentaschen? Lilly hat sich vorgebeugt und endlich ihre Knie losgelassen.

Ein Feminismus, der bestenfalls von der rechten Hosentasche in die linke Hosentasche arbeitet, sagt Simone.

Flora lacht. Genau. Ein schönes Bild.

Alle machen sie gute Arbeit, die kleinen Organisationen und Kulturvereine und Aktivistinnen. Sie arbeiten praxisnah, sie unterschreiben dieselben Petitionen, und wenn sie sich privat treffen, dann erzählt eine Feministin der anderen, wie ungerecht das Patriarchat ist. Aber nie tun sie sich zusammen und erreichen eine kritische Größe, so wie eine Partei oder große NGOs oder Religionen. Da wird nichts auf Tische geknallt oder in eine handlungsfähige Dimension gebracht. Die feministische Agenda ist überall ein bisschen dabei, aber bleibt schön im Hosentaschenformat und sprengt es auch dann nicht, wenn sich ein paar ein bisschen zusammentun. Vorher lösen sich die Organisationen auf oder die Mitglieder springen ab, weil sie die Schnauze voll haben.

Oder Kinder kriegen, sagt Maren.

Oder es werden die Förderungen gestrichen, sagt Flora.

Lilly nickt und greift zu ihrem Handy, kurzes Wischen, kurzes Lesen, kurzes Tippen, dann liegt es wieder vor ihr. Simone würde gern wissen, wie man das macht; seine Aufmerksamkeit so elegant zu fraktionieren.

Den Rest denkt Simone sich. 51 Prozent der Menschheit, die überall schlechtergestellt sind. Bringen nichts Gemeinsames zusammen. Das meint sie eigentlich. Aber wenn sie anfängt, so zu denken, kann sie ihre WG gleich wieder auflösen.

Floras Gesicht ist hart und flächig. Ihre Hausaufgaben hat sie gemacht: Sie hat Simone gegoogelt.

Aber du hast schon ein paar Querverbindungen hergestellt, sagt Flora jetzt, mit lehrerinnenhaftem Unterton. Was du in der Mädchenarbeit getan hast, deine Publikationen, und die Sache mit der Gerichtsdoku …

Rechte Hosentasche, linke Hosentasche, sagt Simone.

Jetzt stellst du dein Licht aber unter den Scheffel, sagt Flora verärgert. Sie lehnt sich zurück, als müsse sie ihren Eifer bremsen.

Was für eine Gerichtsdoku?, fragt Lilly, als sie aus ihrem Pullover herauswächst wie eine Schildkröte.

Also erzählt Simone es. Dass sie früher unterrichtet hat, in einer dieser Hauptschulen, die dann umbenannt wurden, erst in Neue Mittelschule und dann in Brennpunktschule. In denen der Stoffwechsel des Kapitalismus schon aus dem Gleichgewicht war, lange bevor es die Neoliberalen offiziell als normal deklariert haben. In der Jahr für Jahr mehr schwererziehbare Jugendliche akkumulierten, weil sie sitzenblieben, anstatt zu reifen. In Simones Klassen sammelte sich, was bei der Gesellschaft unten rauskommt, wenn man oben Gier und Neoliberalismus reinschaufelt: Armut, Bildungsdefizite und Aggression.