Elite Secrets. Herz in der Brandung - Jess A. Loup - E-Book
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Elite Secrets. Herz in der Brandung E-Book

Jess A. Loup

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Beschreibung

»Seine Augen sind wie die Nacht, in der wir uns getroffen haben.« Als Josie dem smarten Tristan das erste Mal begegnet, küssen sie sich am nachtdunklen Strand von Saint Tropez. Wie sie sich dazu hinreißen lassen konnte, ist Josie ein Rätsel. Denn eigentlich steht sie gar nicht auf braungebrannte Surferboys. Zu allem Unglück stellt sie dann fest, dass Tristan seit kurzem dieselbe Schule besucht wie sie – ein Elitegymnasium, an dem sich die Reichen und Schönen der Côte d'Azur tummeln. Je öfter sich Josie und Tristan nun sehen, desto heftiger fliegen die Funken. Bis Josie klar wird, dass Tristan nicht der ist, der er vorzugeben scheint, und sich zu fragen beginnt, ob hinter der Fassade des strahlenden Sunnyboys nicht jemand mit einer eigenen Agenda steckt. Und warum er ausgerechnet ihre Nähe sucht … Die Welt der mediterranen Elite  Eine toughe Eliteschülerin, ein unwiderstehlicher Surferboy, Küsse am Strand in sternklaren Nächten und ein unfassbares Geheimnis, das alles infrage stellt – eine atemberaubende Romance mit Gänsehautgarantie. Textausschnitt:  »Sein Mundwinkel kräuselt sich leicht nach oben, was ihn gleichzeitig arrogant und belustigt aussehen lässt. Dummerweise lenkt dieses Halblächeln meinen Blick auf seine Lippen und beinahe glaube ich zu spüren, wie sie sich auf meinen angefühlt haben. In diesem Moment bemerkt er mich und seine Augenbraue wandert in Zeitlupe nach oben. »Salut«, sagt er. Nichts in seiner Haltung oder Miene deutet darauf hin, dass wir vor drei Tagen … nun ja. Einen Moment hatten.«  //»Elite Secrets. Herz in der Brandung« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Jess A. Loup

Elite Secrets.Herz in der Brandung

»Seine Augen sind wie die Nacht, in der wir uns getroffen haben.«

Als Josie dem smarten Tristan das erste Mal begegnet, küssen sie sich am nachtdunklen Strand von Saint Tropez. Wie sie sich dazu hinreißen lassen konnte, ist Josie ein Rätsel. Denn eigentlich steht sie gar nicht auf braungebrannte Surferboys. Zu allem Unglück stellt sie dann fest, dass Tristan seit kurzem dieselbe Schule besucht wie sie – ein Elitegymnasium, an dem sich die Reichen und Schönen der Côte d’Azur tummeln. Je öfter sich Josie und Tristan nun sehen, desto heftiger fliegen die Funken. Bis Josie klar wird, dass Tristan nicht der ist, der er vorzugeben scheint, und sich zu fragen beginnt, ob hinter der Fassade des strahlenden Sunnyboys nicht jemand mit einer eigenen Agenda steckt. Und warum er ausgerechnet ihre Nähe sucht …

Wohin soll es gehen?

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Vita

© privat

Jess A. Loup versteht Deutsch, obwohl sie in Bayern lebt. Wenn sie nicht im Kopf mit imaginären Leuten spricht (oder über sie schreibt), ist sie auf dem Bogenparcours zu finden, lässt sich von ihren Katzen terrorisieren oder fotografiert wilde Tiere in Afrika. Solange der Brief aus Hogwarts verschollen bleibt, erschafft sie ihre eigenen magischen Welten.

Kapitel 1

Tristan

Im Wasser bin ich frei.

Ich kann nirgendwo so loslassen wie in dem Moment, in dem ich mich auf dem Shortboard aufrichte und über das Meer jage, der Wind die Wellen mit einer Mordsenergie vorantreibt und ich durch die Tunnel schneide, bis den anderen Surfern das Heulen kommt. Da und nur da kann mir keiner was. Ich beherrsche den Wind, ich beherrsche das Board, die Wellen, alles ist eins. Und ich gehöre dazu. Ich bin kein Fremdkörper hier draußen, das ist reines Zen, egal was die Japaner sonst so darüber erzählen.

Für einen Tag Anfang Juni ist es heiß, die Sonne heizt Saint-Tropez auf wie ein Pizzabäcker seinen Ofen. Trotzdem sind außer mir nur noch zwei andere Surfer unterwegs und mehrere Kites, drüben, auf der anderen Seite des Spots. Unweit von mir paddelt Matthieu auf seinem Retrofish hinaus und obwohl sein Board neu ist, kommt er gut zurecht. Matthieu ist abgesehen von mir der Einzige, der ernstzunehmend was draufhat. Wir rasen über den Kamm der Welle, synchron, als hätten wir es geübt. Zumindest haben wir es oft genug gemacht. Und dann ändert sich abrupt das Wetter, wie es manchmal vorkommt hier an der Côte d’Azur. Wolken ziehen auf, zu schnell, zu schwarz, um guten Gewissens länger im Wasser zu bleiben, auch die Kiter machen den Abflug Richtung Strand.

»Salut«, sagt Matthieu, als wir uns dort treffen und unsere Ausrüstung verpacken.

»Salut, was geht?«

Er wirft die Rastalocken zurück, Wasser tropft aus seinen Haaren. »Virginie schmeißt eine Party, ansonsten tote Hose dieses Wochenende. Gehst du hin?«

Virginie, Matthieu und ich gehen auf die Intro, die International School of Saint-Tropez. In der Ferienzeit wird die Stadt von Touristen überlaufen, doch außerhalb der Saison kommt man im ganzen Umkreis auf kaum fünftausend Einwohner. Einesteils gut, denn man kennt wirklich jeden. Andererseits echt das Letzte, denn …

Man kennt wirklich jeden.

Zum Glück gehört Virginie zu den Leuten, die ich gerne kenne, und Matthieu ist in Ordnung. Auch so gefällt mir die kleine Stadt am Mittelmeer sehr gut.

Deshalb zucke ich nur mit den Schultern. »Weiß nicht. Gibt es einen Anlass?« Nicht dass Virginie de Coligny überhaupt einen Anlass bräuchte. Daddy ist ein hohes Tier im Außenministerium, ihre Mum so adlig, dass selbst Ludwig XIV. neben ihr wie ein Emporkömmling dasteht. Sie wohnen in einer Strandvilla, in der man das Stadion von Paris Saint-Germain unterbringen könnte und immer noch Platz für die Spielerkabinen hätte. Trotzdem komme ich gut mit ihr aus, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich erst vor einem Monat hergezogen bin. Der Reiz des Neuen und klar schadet es nicht, dass ich groß, schlank, dunkelhaarig und blauäugig bin. Ich mach mir da nichts vor. Es ist mein Aussehen, das mich bei den Mädels ankommen lässt, bestimmt nicht mein Charme. Hab nie begriffen, wie das mit dem Small Talk funktioniert, und es interessiert mich auch nicht.

»Hennenparty«, sagt Matthieu.

Ich hebe eine Augenbraue an. »Du willst zu einer Party, bei der nur Girls rumhocken? Was hast du vor, mit Kopfkissen werfen und im Pyjama rumlaufen, während ihr Ah und Oh wegen irgendeines Sängers macht?«

Matthieu lacht. »Du glaubst doch nicht, dass die Prinzessin lauthals von Girls Meeting erzählt hätte, wenn sie nicht wollte, dass irgendwer auftaucht? Jemand Cooles? Jemand wie ich … Und na ja, mit Abstrichen auch du?« Er stößt mir kumpelhaft den Ellenbogen in die Seite. Spitz, das Teil, wahrscheinlich hat er dafür einen Waffenschein. Aber er hat recht, was Virginie angeht. Mit ihren weißblonden Locken und den babyblauen Augen hat sie was von einer Märchenprinzessin an sich, vorausgesetzt man denkt nicht gerade an Mulan. Herzförmiges Gesicht, Haut wie Schnee, Lippen wie Blut, na, das ganze Programm.

»Mann, ich weiß nicht. Neben einem Kerl wie dir falle ich doch ab wie ein Rookie im Wind«, sage ich und verbeiße mir ein Lachen. Matthieu geht mir vielleicht bis zu den Schultern und wenn er will, kann er sich hinter meinem Rücken verstecken. Hat er natürlich auch schon getan, wenn der Rektor mal wieder fuchsteufelswild durch die Gänge hetzte, auf der Suche nach seinem Lieblingssündenbock.

Matthieu streckt seine Brust raus. »Keine Sorge, Alter. Ich stelle dich den Hofdamen der Prinzessin vor. Kaum zu glauben, aber sie hat Freundinnen, die nicht auf die Intro gehen.«

Ich greife mir theatralisch an die Brust. »Nicht auf die Intro?«, wispere ich mit ersterbender Stimme. Interessant, denke ich. Vielleicht sind endlich mal Frauen darunter, die nicht sofort auf Facebook posten, wenn man einmal mit ihnen irgendwo am Strand rummacht.

Herzchen. Hot-hot-hot. Wir sind jetzt zusammen. Ich bin soooooo verliebt.

Das ist mal so was von nichts für mich. Mir ist überhaupt nicht klar, warum Frauen immer alles so ernst nehmen müssen. Ich will ja keine Sprüche klopfen, aber ist das Leben nicht ernst genug? Muss man schon so zeitig versuchen einen festen Partner zu finden, wenn man auch einfach nur ein bisschen Spaß haben kann? Eine heiße Nacht, danke, war schön, bis zum nächsten Mal. So bin ich immer gut gefahren und sie geht mir so peripher vorbei, diese Suche nach Liebe. Nicht dass ich dafür überhaupt wirklich Zeit hätte.

»Sie schmeißt also eine Party für ihre Busenfreundinnen und du beschließt da einfach aufzukreuzen?«, frage ich Matthieu.

In seinem dunklen Gesicht blitzt das berüchtigte Tausendwattlächeln auf, als er mit den Händen eine liegende Acht in die Luft formt. »Ich hoffe doch sehr, dass ihre Busenfreundinnen anwesend sind.« Sein Lachen ist so dreckig wie eine zehn Tage alte Unterhose. »Und bestimmt wird sie Daddys Bar öffnen. Daddy weilt nämlich zurzeit in … ähm, keine Ahnung. Jedenfalls weit genug weg, um nicht zu stören.« Virginies Mum erwähnt er nicht. Braucht er auch nicht, denn um zu erfahren, wo die sich aufhält, muss man nur die Klatschzeitungen öffnen. Hardcore-Klischee, diese Familie. Und zwar so dermaßen, dass Daddy angeblich von Mums altem blaublütigem Geld lebt.

»Na schön, ich schau mal vorbei. Ist ja ansonsten eh nichts los.«

Er ballt die Faust und zeigt mit kleinem Finger und Daumen das Shaka, den Surfergruß. »Hang loose, Alter.«

»Hang loose.«

***

Ein paar Stunden später donnere ich mit dem Biest über den Strand. Es ist schon dunkel, Touristen gibt es zu dieser Jahreszeit so gut wie gar nicht und die Einheimischen hängen vor dem Fernseher und schauen Champions League, sodass ich aufdrehen kann. Sand spritzt unter mir weg und der Wind reißt an meinen Haaren. Kein Vergleich zum Surfen, aber gut genug, um Dampf abzulassen. Die Strandvilla von Virginies Eltern leuchtet schon von Weitem wie das Haus vom Weihnachtsmann. Ich bin keine hundert Meter mehr entfernt, als ein dunkler knatternder Schatten unvermittelt vor mir auftaucht und meinen Weg kreuzt. Bevor wir zusammenstoßen, reiße ich den Lenker herum. Mein Quad bricht aus, touchiert eine Düne und ich spüre einen Ruck. Fast kommt es mir vor, als wäre ich auf dem Wasser, um einen spektakulären Sprung zu üben, aber …

Zwar fliege ich eine gefühlte Ewigkeit, doch im Gegensatz zu sonst habe ich weder ein Board unter meinen Füßen noch gleite ich elegant durch die Wellen. Der Aufprall treibt mir die Luft aus den Lungen und möglicherweise bin ich für einen kurzen Moment weggetreten. Als Nächstes öffne ich die Augen, starre in ein gleißendes Licht und stehe so neben mir, dass ich kurz denke: Okay, das war’s also. Dann begreife ich, dass es die Scheinwerfer des Biests sind. Jemand taucht in diesem Licht auf, eilt auf mich zu, lässt sich neben mir auf die Knie fallen.

»O mein Gott, bist du verletzt?«

Ich starre sie an. Ein Halo aus dunkelroten Haaren, zu einem Bob geschnitten, mit wilden Kringeln, die sich lösen und ihr ins Gesicht fallen. Ein blasses Gesicht mit großen grünen Augen. Der Mund ist leicht geöffnet und enthüllt eine Reihe von kleinen weißen Zähnen, die im Scheinwerferlicht leuchten.

»Dafuq«, sage ich. »Bist du ein Engel?«

Was für eine saudumme Frage, ich bin nicht mal religiös! Kann sich bitte der Boden unter mir öffnen und mich verschlingen?

Sie lächelt zaghaft. »Ich wohl weniger, du bist schließlich durch die Luft geflogen. Vielleicht bist du ein gefallener Engel?« Schlagartig wird sie ernst. »Geht es dir gut? Soll ich einen Krankenwagen rufen?« Sie fummelt schon an der hinteren Tasche der engen Shorts herum, wahrscheinlich auf der Suche nach ihrem Smartphone.

Ich horche in mich hinein. Mein Körper fühlt sich an, als hätte er Bekanntschaft mit einem Preisboxer gemacht. Ich spüre den mittlerweile ausgekühlten Sand unter mir, die feinen Körnchen, die nachgeben und rieseln, als ich mich auf die Knie wälze, dabei ein jämmerliches Stöhnen unterdrückend.

»Nein, lass das.«

»Aber du bist vielleicht verletzt!«

»Nur mein Stolz. Sag mal, wieso fährst du hier im Dunkeln ohne Licht herum?«

Sie errötet und zieht die Unterlippe zwischen ihre Zähne. »Ich … wollte nicht gesehen werden.«

»Nein, echt? Glückwunsch, Ziel erreicht.« Ich hieve mich hoch und schleppe mich zu dem Biest, dessen Motor immer noch wie ein alter Kater vor sich hin schnurrt. Als ich ihn ausschalte, wird es still und ich wende den Kopf, um das Mädchen anzusehen. Sie ist mir gefolgt und stützt sich am Lenker ab. Nicht schlecht, denke ich. Klein, aber kurvig, die dünne helle Jacke, die sie trägt, überlässt nichts der Phantasie. Im Licht des Quads funkeln ihre Katzenaugen.

Zaghaft deutet sie in Richtung der Strandvilla. »Weißt du, ich wollte dahin. Meine Mutter hat am Rad gedreht und es mir verboten, also bin ich aus dem Fenster geklettert …«

»Haben Wolken Fenster, Angel?«, unterbreche ich sie.

Sie stutzt kurz, bevor sie auflacht. »Weiß ich nicht, Devil. Ich bin nur ein ganz klitzekleiner Engel der untersten Kategorie und wir müssen in richtigen Häusern wohnen.« Sie hat Grübchen in ihren Wangen und die vertiefen sich jetzt. »Jedenfalls bin ich zur Gartentür raus, hab mir das Buggy geschnappt und bin los. Dachte, am Strand ist um diese Zeit sowieso keiner. Das Licht funktioniert nämlich nicht mehr.« Sie senkt die Stimme, als würde sie mir damit ein Geheimnis anvertrauen.

»Mach Sachen.« Ich hocke mich auf den Fahrersitz. Inzwischen fühle ich mich nicht mehr ganz so erschlagen. Morgen werde ich wahrscheinlich rumlaufen wie Gramps, wenn der einen Rheumaschub bekommt, aber im Moment geht es mir ganz gut. Eigentlich sogar großartig, stelle ich fest, als die Kleine den Kopf hebt und mir ein winziges Lächeln schenkt, das genauso unergründlich aussieht wie das der Mona Lisa. Ich habe nicht einmal Lust, zu der Party zu gehen, obwohl der anschwellende Lärm von dort beweist, dass es mittlerweile abgeht. Bis hierher hört man das Platschen von aufspritzendem Wasser im Pool und das Kreischen und Rufen der Leute, die dort ihren Spaß haben.

»Lass mich das noch mal zusammenfassen«, sage ich langsam. »Du bist von deiner Wolke abgehauen und wahrscheinlich schwarz mit einem nicht verkehrstüchtigen Fahrzeug durch die Gegend gebrettert. Warum bin ich der bösartige Teufel, wenn du die ganzen Regeln brichst, Angel?«

Sie schiebt ihre Hände in die Hosentaschen, als wüsste sie nicht, wohin damit, stellt sich auf die Zehenspitzen und wippt auf und ab. »Na ja …«, beginnt sie zögernd. Ihre linke Hand schlüpft hervor und greift nach ihrem Haar, als wäre es normalerweise länger und sie gewohnt damit zu spielen. Seufzend streicht sie eine Strähne hinter ihr Ohr und tritt näher, sodass sie fast mein linkes Knie berührt. »Das ist vielleicht peinlich«, sagt sie und starrt auf den Boden, als gäbe es dort etwas extrem Interessantes zu sehen. »Ich bin eigentlich immer Miss Goody Two-Shoes, aber das eine Mal, wenn ich wirklich was mache, geht’s natürlich schief.« Sie wendet den Kopf und starrt fast sehnsüchtig zur Villa hinüber.

»Kennst du Virginie?«, frage ich.

»Ginny? Ach, schon ewig«, antwortet sie und wedelt mit der Hand.

Der Sand knirscht unter schnellen Schritten und als hätten wir mit der Erwähnung ihres Namens sie selbst gerufen, taucht Virginie wie ein Schachtelteufel auf. Sie hält abrupt, als sie sowohl mich als auch die Kleine sieht und wir rutschen automatisch ein bisschen auseinander, als hätte sie uns bei irgendwas erwischt. Fast wünschte ich, es wäre so.

»Da bist du ja!« Virginies Stimme kiekst in Höhen, die nicht mal ein Eurofighter erreicht, und dann fällt sie dem Mädchen um den Hals, als wäre es ihre verlorene Zwillingsschwester. Die Kleine reagiert ähnlich und ein paar ziemlich langweilige Minuten ticken vorbei, in denen sie sich ständig was in die Ohren flüstern, umarmen, drücken, lachen und überhaupt einen Heidenlärm veranstalten. Ich überlege schon, ob ich sie allein lassen soll, aber etwas in mir sträubt sich dagegen, sie hier stehen zu lassen, ohne ihren Namen erfahren zu haben. Klar, ich könnte später Virginie fragen, aber … nein. Ich will hier nicht weg und ich hinterfrage nicht eine Sekunde lang meine Motivation. Die große Begrüßung endet abrupt, als Virginies Smartphone den Imperial Marsh ertönen lässt. Sie zuckt zusammen, kramt es heraus und wirft einen Blick auf das Display.

»Los, weg hier!«, zischt sie ihrer Freundin zu. Während mir Virginie den Rücken zuwendet, stürmt der freche kleine Engel in die Dunkelheit, schlägt einen Bogen und kauert sich hinter dem Biest nieder. Ich rutsche herum und beuge mich zu ihr hinunter.

»Was machst du denn da?«, frage ich leise im selben Moment, als Virginie »Bonsoir, Madame« in ihr Handy flötet.

»Psst«, sagt die Kleine. »Mach bitte das Licht aus, ja?« Schulterzuckend folge ich erst ihrer Anweisung und dann dem leichten Zug ihrer Hand an meinem Ärmel, lasse mich zu ihr hinuntergleiten und lehne mich an das Quad.

»Was machen wir hier?«, ändere ich die Fragestellung ein wenig.

Sie späht um die Vorderräder, aber jetzt ist es zu dunkel, um Virginie zu sehen. Nur ihre Stimme ist zu hören, die jetzt sanft, aber entschlossen etwas verneint. »Ginny lügt niemals«, flüstert Angel. »Deshalb darf sie nicht wissen, wo ich bin, verstehst du?«

»Nur Bahnhof«, gebe ich zu. »Sie kann sich doch denken, dass du nicht weit weg bist. Und mit wem redet sie überhaupt?«

»Sich etwas zu denken ist nicht dasselbe wie etwas zu wissen. Ginny erzählt gerade meiner Ma, dass sie keine Ahnung hat, wo ich bin, und sie sagt dabei die Wahrheit.« Sie seufzt. Wir sitzen so nahe beieinander, dass ihr warmer Atem über mein Gesicht streicht. Ich hebe meine Hand und schnappe mir eine Strähne ihrer seidigen Haare, wickle sie um meine Finger und genieße das kurze Luftschnappen des Mädchens.

»Dann hast du mich in die Irre geführt«, raune ich und beuge mich so weit vor, dass meine Stirn fast die ihre berührt. Im schwachen Mondlicht kann ich ihre glänzenden Augen erkennen und ihr lächelnder Mund macht mir Mut. Nicht dass ich jemals Probleme gehabt hätte, einem Mädchen näherzukommen, aber diese Kleine hier hat etwas … Ich weiß nicht. Jedenfalls ist mein Hals trocken, aber ich hoffe, ich klinge so cool, wie ich es mir vorstelle. »Du hast mich glauben lassen, du seist ein Engel. Dabei bist du die Tochter von Darth Vader. Ist dein Name also Leia?«

Sie presst ihre Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. »Ganz knapp daneben, Devil. Aber ich muss jetzt echt los, sonst ruft Darth Mum die ganze Gendarmerie zusammen.« Ihren Worten zum Trotz macht sie keine Anstalten, von mir wegzurutschen oder ihre Haare aus der Gefangenschaft meiner Finger zu lösen.

»Schön und gut«, murmle ich. »Aber was ist mit mir? Wo bleibt meine Entschädigung für den fast tödlichen Unfall, den ich deinetwegen erlitten habe?« Ich sorge dafür, dass sie das Lachen in meiner Stimme hört. Sie soll ja nicht glauben mir wirklich verpflichtet zu sein.

»Oh … oui. Das. Stimmt.« Einen Augenblick lang lauscht sie Virginies Gespräch und rutscht dann noch näher. Sie berührt fast mein Ohr, als sie haucht: »Wie kann ich das wiedergutmachen?«

In diesem Moment beschließt der Mond endlich mal seinen Job zu erledigen und lässt sich blicken. Sein Licht ist zwar nicht sonderlich hell, aber es reicht, um den Strand aus der völligen Dunkelheit zu reißen. Gramps würde wahrscheinlich murmeln, dass es sich um ein Zeichen handelt. Ich beschließe das als gutes Zeichen zu werten.

Ich atme tief ein, sammle mich. Mein Herz vollführt einen Stepptanz in meiner Brust, doch das hält mich nicht auf. Langsam drehe ich den Kopf, gebe ihr alle Zeit der Welt. Sie weicht keinen Millimeter und dann berühren sich unsere Lippen. »Alles gut«, murmle ich an ihrem Mund. Zwei Herzschläge, drei, vier … Wir sehen uns in die Augen. Und dann steht sie plötzlich über mir. Gerade noch so bekomme ich ihr Handgelenk zu fassen. »Gib mir deine Handynummer«, dränge ich leise.

Sie lächelt auf mich herab. »Du gehst doch auf die Intro, oder?«

»Ja …?«

»Dann sehen wir uns da. Bis Montag, Devil!« Die Nacht verschluckt sie. Ich sitze wie betäubt am Biest, bis sich Virginie über den Fahrersitz beugt und mir kichernd durch die Haare wuschelt.

»Habe ich euch zufällig bei irgendwas gestört?«

Kapitel 2

Josie

Ich bin nicht zum ersten Mal aus Saint-Tropez weg und wieder da. Wenn man Eltern hat, die ständig in der Weltgeschichte herumreisen und dann Monate lang in fremden Ländern leben, weil sie die Leitung von Großbaustellen übernehmen (Ma) oder soziale Projekte betreuen (Dad), gewöhnt man sich auf Dauer dran. Doch ich habe es langsam satt, ihnen ständig wie ein treues Hündchen zu folgen. Anfangs ist das alles noch richtig toll – man sieht exotische Länder, lebt in Städten, die andere höchstens aus Wikipedia kennen, und lernt, gezwungenermaßen, eine Menge Schimpfwörter in fremden Sprachen. Aber ich bin jetzt in der Oberstufe und kann nicht ständig mein Pensum nach unterschiedlichen Lehrplänen in den unterschiedlichen Schulen erledigen. Notfalls schlüpfe ich bei Ginny unter – angeboten hat sie es mir oft genug. Im Gegensatz zu meinen Eltern kämen ihre nie auf die Idee, sie überallhin mitzunehmen, und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich sie darum beneiden oder deswegen bemitleiden soll.

»Weißt du«, hat sie mal zu mir gesagt, »einmal kam meine Mutter nach Monaten irgendwann in der Nacht nach Hause und ich hätte beinahe die Gendarmerie gerufen, so erschrocken war ich.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe sie im ersten Moment nicht erkannt, als ich in die Küche kam und mir was zu trinken holen wollte. Sie hatte kein Licht angemacht, daher …«

Ginny beherrscht das nonchalante Achselzucken perfekt, aber ich habe in ihrer Miene sehen können, dass sie dieser Vorfall beschäftigt hat, lange über den kurzen Aufenthalt ihrer Ma zu Hause hinaus.

Jetzt habe ich mir vorgenommen meine Eltern nicht mehr zu den entlegensten Winkeln der Erde zu begleiten, sobald ich wieder hier bin. Der Streit am Freitagabend hat sich darum gedreht und vielleicht war ich pampiger als notwendig; normalerweise ist Ma ziemlich gechillt und lässt so lächerliche Machtspielchen wie Hausarrest bleiben. Dass ich mich ihrer Anweisung widersetzt habe und abgehauen bin, ist nicht meine beste Idee gewesen, aber vielleicht war das auch eine Art Weckruf, denn sie sind nicht ausgerastet. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich sie jederzeit darüber in Kenntnis setze, wo ich hingehe und mit wem ich Zeit verbringe. Ein bisschen albern, aber ich habe zugestimmt, weil ich von Natur aus eher harmoniebedürftig bin und mir Streitereien immer länger aufs Gemüt gehen als notwendig.

Jedenfalls freue ich mich darauf, wieder an die Intro zu kommen. Hier treiben sich schließlich meine besten Freunde herum und die Lehrer sind mir noch immer am vertrautesten.

***

Ich schultere meinen Rucksack und schiebe die gusseisernen verzierten Tore zum Schulhof auf. Mit einem Blick erfasse ich meine Umgebung, doch zum Glück hat sich in den letzten vier Monaten nichts geändert. Die Intro sieht immer noch aus, als hätte jemand versucht das Palais Royal in halb so groß nachzubauen. Überall Säulen und Säulengänge, Galerien und rings ums Karree kleine Gärten mit immerzu blühenden Bäumen. Auf dem vorderen Hof halten sich Grüppchen von Schülern jeder Altersklasse auf, doch ich muss nicht lange suchen, bis ich das hell leuchtende Haar meiner besten Freundin entdecke. Ginny ist mit unserer alten Clique zusammen und ich atme auf. Auch da hat sich nichts verändert, außer …

Meine Hände werden feucht und ich wische sie an der Hose ab. Ich kenne diejenigen, mit denen Ginny zusammensteht, während sie wie üblich in der Luft gestikuliert. Da ist Matthieu, dessen Zähne jedes Mal in seinem dunklen Gesicht aufleuchten, wenn er über Ginnys Albernheiten lacht. Seine Rastalocken sind noch etwas länger geworden und er hat bunte Perlen in sie geflochten. Neben ihm steht Yuyun, unser Wunderkind. Sie ist noch nicht mal sechzehn, also um einiges jünger als wir, aber sie wurde schon mit vier oder so eingeschult und übersprang zwei Klassen, weil sie sich langweilte. Sie ist ein verdammtes Genie, nur furchtbar schüchtern. Dann gibt es da noch Abdul, Klassenclown und Teilzeitidiot. Er ist witzig und kann charmant sein, doch er neigt dazu, am Ende des Tages mehr Leute verärgert als positiv gestimmt zu haben. Matthieu und er sind wie siamesische Zwillinge, man sieht selten den einen ohne den anderen. Doch das sind alles Leute, mit denen ich quasi aufgewachsen bin, und obwohl ich wirklich froh bin sie wiederzusehen, stolpert mein Herz nicht ihretwegen plötzlich wie ein betrunkener Clochard. An eine Säule gelehnt, die Hände in den Hosentaschen, einen Fuß hinten am Pseudo-Marmor abgestützt, steht er.

Der Junge, den ich am Freitag beinahe über den Haufen gefahren habe. Ich kenne sogar seinen Namen, obwohl wir uns einander nicht vorgestellt haben. Als er vor ein paar Wochen an der Intro aufgetaucht ist, hat mir Ginny natürlich sofort von ihm berichtet und den Link zu seinem Instaprofil geschickt. Tristan Vanderbilt ist der typische Surferboy, einer von der Sorte, die scheinbar alle eine Allergie gegen Shirts oder Oberbekleidung haben. Doch selbst wenn er einen der hautengen Surferanzüge trägt, überlässt er nichts der Fantasie. Auf seinen Bildern steht er meistens auf einem Surfbrett und er benutzt Hashtags, die nur Surfer verstehen. Langweilig, wenn man so will. Ja, natürlich sieht er gut aus, aber das tun wir auf unseren Insta-Bildern immer. Überhaupt gibt es nirgendwo auf der Welt so viele heiße Typen wie in Saint-Tropez, auch wenn unser Nest scheinbar nur im Sommer bewohnt ist. Nein, nur weil jemand groß und muskulös ist, bringt er mich nicht dazu, in Schnappatmung zu verfallen. Ginny hat mir von ihm vorgeschwärmt, aber sie wechselt ihre Freunde manchmal schneller, als man »Abendkleid« sagen kann. Doch dann habe ich ihn mit meinem Strandbuggy beinahe gerammt und er hätte ernsthaft verletzt werden können. Schon bei dem Gedanken daran überläuft es mich eiskalt, obwohl die Hitze bereits am frühen Morgen alles zum Stillstand bringt. Und später …

Ich weiß immer noch nicht so richtig, was genau passiert ist. Tristan Vanderbilt war irgendwie süß und witzig und ich dachte keine Sekunde lang darüber nach, mit ihm zu flirten.

Ich. Miss-die-mit-Jungs-so-gar-nichts am Hut hat. Ich habe mich am Freitag gefühlt, als wäre ich so clever und schlagfertig, wie ich mich gab.

Nicht zu vergessen dieser Kuss! Ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken. Was zum Teufel hat mich da geritten? Ich habe natürlich schon Jungs geküsst, aber doch keine wildfremden. Instagram zählt schließlich nicht. Und eigentlich war das mit Tristan nicht einmal ein Kuss, höchstens ein Lippen-auf-Lippen-drücken. Warum mich diese kurze Zärtlichkeit so aus der Bahn wirft, weiß ich nicht. Er hat die Sache garantiert schon wieder vergessen.

Langsam nähere ich mich meiner Clique, dabei kann ich ihn in Ruhe betrachten. Während meine Freunde herumalbern und versuchen sich gegenseitig zu übertönen, beobachtet er sie schweigend. Sein Mundwinkel kräuselt sich leicht nach oben, was ihn gleichzeitig arrogant und belustigt aussehen lässt. Als wäre er sich nicht sicher, ob er sich an ihren Kindereien beteiligen oder über sie die Augen rollen soll. Dummerweise lenkt dieses Halblächeln meinen Blick auf seine Lippen und beinahe glaube ich zu spüren, wie sie sich auf meinen angefühlt haben. Ich zögere direkt ein bisschen weiterzugehen, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, meine Freunde in die Arme zu schließen und ihn weiter zu mustern, gebe mir dann jedoch innerlich einen Ruck.

Er bemerkt mich im selben Moment, als ich sie erreiche, und seine Augenbraue wandert in Zeitlupe nach oben. »Salut«, sagt er. Nichts in seiner Haltung oder Miene deutet darauf hin, dass wir vor drei Tagen … nun ja. Einen Moment hatten.

»Ni hao«, erwidere ich. Schließlich komme ich frisch aus Hongkong.

In seinen dunkelblauen Augen leuchtet irgendetwas auf; sie sind wie die Nacht, in der wir uns getroffen haben. Falls er jedoch zu einer Erwiderung ansetzen will, ist er zu langsam. Denn meine Freunde begrüßen mich, Ginny fällt mir um den Hals und während alle auf mich einreden, ertönt das Signal, dass in fünf Minuten Unterrichtsbeginn ist und wir uns beeilen müssen, um in unsere Klassenräume zu gelangen. Tristans und meine Blicke treffen sich kurz und da: Sein Mundwinkel geht minimal in die Höhe. Schon biegen er, Matthieu und Yuyun in den Ostflügel ab; also gehört auch er zum Abschlussjahrgang. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mit Ginny und Abdul zu unserem ersten Kurs zu eilen, doch als wir pünktlich das Klassenzimmer erreichen, fällt mir ein, dass ich ihm noch immer nicht gesagt habe, wie ich heiße.

Macht nichts, denke ich und lächle. Wenn er auch nur das geringste Interesse für mich aufbringt, hat er bestimmt Ginnys Instagram-Account durchsucht und ist dabei auf mich gestoßen. Falls nicht … wäre ich enttäuscht.

Oder auch nicht. Ich wende mich unserem Dozenten Monsieur Dulac zu und konzentriere mich. Schließlich ist Mathe wichtiger – und vor allem auch logischer – als Jungs, rede ich mir ein.

***

In der Mittagspause ist Tristan nicht da, auch Matthieu glänzt durch Abwesenheit. Yuyun und Abdul warten bereits an dem üblichen Tisch auf uns.

»Wo ist denn deine bessere Hälfte?«, fragt Ginny Abdul, der erst einmal einen Riesenhappen seines Currys hinunterschluckt, ohne überhaupt zu kauen. In irgendeinem vorigen Leben war Abdul mit Sicherheit eine Schlange, denn obwohl er seinen Kiefer nicht aushaken kann, ist er in der Lage, Unmengen von Essen auf einmal zu verschlingen. Zusätzlich besitzt er auch eine Asbestkehle, die ihn davor bewahrt, sich jemals zu verbrennen.

»Mattie? Ist mit Isolde weg. Die haben eine Freistunde und sind surfen.«

Ich spucke beinahe meinen Apfelsaft über den Tisch. »Isolde? Ehrlich jetzt, Abdul?«

Er zuckt die Schultern. »Wer nennt denn seinen Sohn Tristan?«

Ein guter Einstieg, um mehr über den Neuen zu erfahren, denke ich. »Ja, wer?«, frage ich. »Wo kommt er her? Gehört er jetzt zum Team?« Als wir in der zweiten beziehungsweise im Fall von Matthieu und Yuyun dritten Stufe gewesen sind, führte die Intro einen Wettbewerb durch, an dem sich alle Schüler unserer Jahrgänge beteiligen mussten. Es war eine Mischung aus Geocaching und Sport und wirklich nur machbar, wenn man ein Genie war – sowohl schulisch als auch physisch – oder es schaffte, mit den anderen des Teams zusammenzuarbeiten. Obwohl wir uns eigentlich bis zum Ende hin stritten, lösten wir die Aufgaben als drittschnellste Gruppe, hatten jedoch dank Yuyun alles richtig beantwortet, sodass wir noch an dem Team vor uns vorbeizogen und insgesamt den zweiten Platz belegten. Ich weiß gar nicht, wie es passiert ist, aber seitdem sind wir zusammengeblieben und ich vermisse meine Freunde immer schrecklich, wenn ich wieder irgendwo in China, Namibia oder Venezuela sitze und nur über Social Media Kontakt mit ihnen halten kann.

»Keine Ahnung. Er macht nicht gern den Mund auf, es sei denn, es geht ums Surfen. Mattie hat Gift und Galle gespuckt, als er ihn das erste Mal auf dem Brett gesehen hat, denn bisher war er immer der King auf dem Wasser gewesen. Scheint so, als hätte Isolde ihm den Thron geklaut, aber jetzt sind sie Best Buddys, weil er ihn schon zweimal vor Arnaud gedeckt hat.«

Rektor Arnaud ist der Leiter der Intro und obwohl unsere Eltern beziehungsweise deren Arbeitgeber einen Haufen Geld im Jahr für uns bezahlen, ist er der Meinung, er könnte uns behandeln, als befänden wir uns im Knast. Wenn mal einer von uns ohne Krawatte oder Schuluniform auftaucht, rastet er aus. Und einmal hat Matthieu Arnauds albernen Hut an einen Ast des ältesten Zitronenbaums gebunden – natürlich ganz oben. Das sind höchstens fünf Meter, so groß werden die ja nicht, aber Arnaud ist dann hinter Matthieu hergerannt, als hätte dieser sein Haus angezündet. Seitdem ist und bleibt Matthieu seine erste Anlaufstelle, wenn irgendwo in der Intro was schiefläuft. Und so lächerlich, wie sich Arnaud gern benimmt, so wagt es doch normalerweise keiner, ihm zu widersprechen oder ihm entgegenzutreten, denn der Rektor lässt sich gerne Gemeinheiten einfallen. Nachsitzen ist dann noch das Harmloseste, er hat auch schon Schüler mit Handfeger und Kehrschaufel die ganze Schule putzen lassen. Falls Tristan wirklich Matthieu gerettet hat – und dann auch noch mit Absicht –, kennt er also Arnaud nicht richtig oder es interessiert ihn nicht, ob der sich irgendeine Gemeinheit einfallen lässt. Es geht das Gerücht, dass der Rektor Geschenken von Eltern nicht abgeneigt ist, genauso soll er schon Leute durchfallen haben lassen, die keine mächtigen oder berühmten Verwandten vorzeigen können. Selbst erlebt habe ich es nicht, kein Kunststück, wenn man fast jedes Jahr mal für ein paar Monate lang fehlt, aber zutrauen würde ich es ihm.

»Jedenfalls hat Matthieu ihn einfach angeschleppt und er gehört damit zum Team«, wirft Ginny ein. »Viel reden tut er wirklich nicht, aber sein Akzent ist hinreißend, findest du nicht, Josie?«

Ich schaffe das Kunststück, gleichzeitig mit den Schultern zu zucken und den Kopf sowohl zu schütteln als auch zu nicken.

»Ja, ganz nett«, sage ich betont beiläufig.

Sie lacht. »Ganz nett? Ich hatte das Gefühl, dass am Freitag bei euch mehr war als nur was ganz Nettes!« Sie malt Anführungsstriche in die Luft.

»Ach, du kennst ihn schon?«, brummt Abdul. »Warum fragst du dann?«

»Ich weiß gar nichts. Eigentlich wollte ich mich am Freitag zu Ginnys Party schleichen«, verteidige ich mich. »Aber Ma hat’s gemerkt und es mir versaut.«

O verdammt. Eine Steilvorlage für Ginny.

»Zum Glück.« Sie beugt sich verschwörerisch vor. »Sonst wäre es wohl zwischen Josie und Tristan versaut geworden.«

Ich hasse sie, ganz ehrlich. Beste Freundin hin oder her, in diesem Moment möchte ich sie erwürgen.

Yuyun reißt ihre Augen auf, Abdul schaut skeptisch. »Ich war bei Ginny, aber weder du noch Tristan waren da zu sehen.«

»Ich dachte, er wäre auf dem Weg zu dir gewesen«, sage ich zu Ginny.

»Das dachte ich auch. Aber nachdem du rotwangig und mit Schlafzimmerblick abgedüst bist …«

»Was? Bin ich gar nicht!«, behaupte ich.

Sie ignoriert meinen Einwurf. »… hat er auch nur was mit seiner sexy dunklen Stimme gemurmelt … Dass er nach Hause müsse, um sich um seinen Gramps zu kümmern.«

Ich runzle die Stirn. »Ist das irgendein Synonym für Ich fahre jetzt zur nächsten Bar und schleppe das erstbeste Mädchen ab, das bei drei nicht auf dem Baum ist?«

»Er lebt bei seinem Großvater.« Die leise Stimme gehört Yuyun, die in ihrer üblichen bedächtigen Art Nudelsuppe löffelt. Sie schaut nicht auf, doch das nehme ich nicht persönlich. Yuyun vermeidet Augenkontakt zu anderen, wenn es irgendwie möglich ist, und sie kann es auch nicht leiden, wenn sie jemand unverhofft anfasst. Wenn ich genau darüber nachdenke, kann sie es auch nicht leiden, wenn man sie überhaupt berührt.

»Woher weißt du das denn?« Seit wann bin ich so neugierig? Aber es scheint, dass mich Tristan Vanderbilt mehr interessiert, als gut für mich ist. Jungs wie ihn kenne ich zur Genüge und zwar aus allen Ländern und von sämtlichen Kontinenten. Sie lächeln, sie flirten, sie legen flach und werden danach nie wieder gesehen.

»Wir haben uns unterhalten. In Physik. Es war langweilig.«

Nur Yuyun kann behaupten, Physik sei langweilig. Ich meine, es ist nicht gerade mein Lieblingsfach, ich muss mich dabei immer so konzentrieren, um überhaupt mitzukommen, dass mir für Langeweile keine Zeit bleibt. Das ist auch nicht verblüffend, sondern eher, dass sich Yuyun überhaupt auf ein Gespräch mit dem Neuen eingelassen hat. Manchmal redet sie nicht einmal mit uns und es kostet sie viel Kraft, die Fragen der Lehrer vor allen Leuten zu beantworten, obwohl sie so schlau ist, dass sie ihnen wahrscheinlich noch was vormachen könnte.

Aber sie müssen zumindest ein paar Worte miteinander gewechselt haben, wenn sie Bescheid weiß.

Ginny runzelt die Stirn. »Ich kenne gar keine Vanderbilts in Saint-Tropez. Ihr vielleicht?«

Abdul und ich schütteln den Kopf.

»Es ist Monsieur Davide.« Ohne uns anzusehen, schiebt Yuyun ihre nur halb geleerte Schüssel fort.

»Oh.« Abdul runzelt die Stirn. »Ich wusste gar nicht, dass er eine Tochter hat, geschweige denn einen Enkel.« Jeder in Saint-Tropez kennt Monsieur Davide. Er führt seit gefühlt hundert Jahren das Café Soleil Couchant, ist trotz seines Alters der beste Boule-Spieler der Stadt und hat uns, als wir noch Kinder waren, immer leckeren Kuchen geschenkt. Mittlerweile versorgt er Jüngere als uns; vermutlich macht er das schon immer so.

Yuyun zerrupft ihre Serviette. »Ich glaube, da gab es eine Tragödie. Tristan wollte nicht darüber sprechen.« Yuyun redet nicht mal gern über sich, von daher hat sie wohl auch kaum nachgebohrt, doch als ich einen Blick mit Ginny wechsle, steht ihr die Neugier ins Gesicht geschrieben.

***

Später, als ich in Latein sitze und gelangweilt aus dem Fenster schaue, sehe ich Matthieu und Tristan auf den Schulhof schlendern. Sie sind offenbar wirklich surfen gewesen, ihre Haare sind feucht und auch die T-Shirts liegen eng an, als hätten sie keine Zeit oder Lust gehabt, sich ordentlich abzutrocknen. Bevor sie durch die hohe doppelflügelige Eingangstür verschwinden, dreht sich Tristan um und scannt die Straße vor der Intro. Es sieht aus, als suche er jemanden. Plötzlich hebt er den Kopf und ich habe das Gefühl, dass er mich direkt ansieht. Sein Gesicht verzieht sich kurz, als wäre er über irgendetwas wütend. Beinahe erschrocken wende ich mich ab und Madame Pichard zu, die uns ausschweifend die Aufgaben erklärt, die wir spätestens nächste Woche abgeben müssen. Ihre Worte, so hoch und aufdringlich ihre Stimme ist, rauschen an mir vorbei. Warum hat Tristan gerade so fuchsteufelswild ausgesehen?

Kapitel 3

Tristan

Was bin ich doch für ein Idiot! Die letzten Wochen sind so gechillt gewesen, dass ich mich völlig entspannt hatte. Ich mache mir nicht viel Mühe, dem Unterricht zu folgen, warum auch? Bald bin ich hier wieder weg, so wie immer. Aber es macht Spaß, einfach ein normales Leben zu führen, mit einer coolen Clique abzuhängen und mit einem neuen Freund surfen zu gehen. Es fällt mir nicht schwer, so zu tun, als würde ich die Leute hier mögen und als interessiere mich der belanglose Kram, über den sie den ganzen lieben langen Tag quatschen.

Und dann kommt sie daher und ich vergesse mich. Vergesse alles.

Nur wegen eines Mädchens.

Josie Hellwig.

Und verdammt noch mal, sie ist doch nichts Besonderes, oder? Und dennoch … muss ich am Freitag kurzzeitig meinen Verstand verloren haben. Diese kleine, kurvige, rothaarige Waldnymphe, als die sie mir da mitten in der Nacht erschienen ist, hätte auch härteren Männern als mir jeden Gedanken rauben können.

Härteren Männern, haha. Heute Morgen und die beiden Morgen davor bin ich mit einem Mordsständer aufgewacht, weil ich von ihr geträumt habe.

Josie Hellwig. Man muss sich den Namen auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe sie geküsst. Na schön, es war mehr so ein keusches Lippenberühren, bestimmt nichts, was als ernsthaftes Küssen durchgehen kann, aber Himmel noch mal, hat sie mich scharf gemacht. Wahrscheinlich auch noch, ohne es wirklich zu wollen.

Ich würde sie am liebsten verführen, aber ich fürchte, so einfach ist das nicht. Andererseits, wann hätte mich das jemals abgehalten?

In meinen ersten Wochen hier haben mir einige Mädchen schöne Augen gemacht und, ich gebe es zu, ich habe nichts anbrennen lassen. Aber bei ihr geht es nicht. Ich bin jetzt ein Teil ihrer Clique, ein Freund wie Abdul und Matthieu, mit denen sie meinen Informationen nach nichts hat und auch nie Interesse zeigte. Vor allem sind das hier alles intellektuelle Kids aus hoch angesehenen Familien und ich …

Ich bin nur ein windiger kleiner Ganove aus Kapstadt, eines dieser weißen Kids, die unbedingt echte Gangster werden wollen. Dabei komme ich gar nicht aus zerrütteten Verhältnissen, im Gegenteil. Meine Familie gehört der privilegierten weißen Oberschicht an und mein Dad ist heute noch der Meinung, das Schlimmste, was Südafrika passieren konnte, waren Nelson Mandela und Präsident de Klerk. Hätte er die Macht dazu, würde er die Apartheid lieber heute als morgen wieder einführen.

Mit anderen Worten: Meine von mir ach-so-heiß geliebte Familie ist eine Bande von Rassisten. Ohne meine Schwester Juliette wäre ich zweifelsohne ebenso geworden, doch sie ist stärker als der Rest von uns und hat es geschafft, mir rechtzeitig Vernunft in meinen Sturschädel zu hämmern. Nicht wortwörtlich, denn Juliette ist die liebenswürdigste Person, die ich kenne. Und ja, falls es jemandem aufgefallen ist: Mein Dad ist vernarrt in Opern und Weltliteratur. Ihm ist es nur immer egal gewesen, ob wir unter den dummen Namen, die er uns verpasst hat, leiden.

Mein Dad ist ein Arschloch, meine Mom eine Lady, die die Augen verschließt, wenn er fremdgeht, und ich bin froh, dass ich jetzt hier bin, eine Weltreise von ihnen entfernt.

Trotzdem kann ich nicht lange bleiben. Das weiß ich, das weiß Gramps. Wir kennen uns nicht halb so gut, wie es sein müsste, aber er hat am Freitag, als ich das Biest abstellte, sofort gewusst, dass mit mir was nicht stimmt.

»Ein Mädchen, n’est-ce pas?«

Dieser rothaarige Engel hatte mich so geflasht, dass ich völlig geistesabwesend war. »Wer?«, fragte ich deshalb ein bisschen dümmlich.

Gramps schmunzelte. »Junge. Wenn ein Bursche in deinem Alter so schaut, steckt immer ein Mädchen dahinter.«

»Ja«, gab ich seufzend zu. »Hast du eine Ahnung, wer sie sein könnte? Klein, genau richtig …« Mir wurde heiß. Mir! Wegen eines Mädchens!

Ich beschrieb sie ihm und Gramps’ Gesicht verdüsterte sich. »Oui. Ich glaube, ich weiß genau, wen du meinst. Josie Hellwig.« Er seufzte tief. »Du hast echt ein Händchen für richtig Ärger, hm?« Nonchalant zuckte er mit den Schultern. »Nun ja. Niemand hat behauptet, dass das Leben fair ist.«

Mit dieser Weisheit hat er mich im Hof stehen lassen, wo ich überlegte, ob ich wie der Nachbarshund den Mond anheulen sollte.

Heute Morgen dann schlendert sie auf den Schulhof, als würde er ihr gehören. Ich habe sie schon in dem Moment bemerkt, als sie das Tor aufstößt, lasse mir aber nichts anmerken und tue so, als würde ich meinen neuen Freunden zuhören.

Ich beobachte aus den Augenwinkeln, wie Josie mich beobachtet, wobei sie sich nicht einmal Mühe gibt, das zu verbergen. Wahrscheinlich glaubt sie, dass ich an Virginies Lippen hänge, wie es scheinbar alle anderen männlichen Wesen in Saint-Tropez tun, sobald sie den Mund aufmacht. Aber ich habe gelernt meine Umgebung ständig im Blick zu behalten. Befriedigt bemerke ich, dass Josie unsere kurze Begegnung genauso wenig kaltgelassen hat wie mich. Ich wette, sie hat mich spätestens am Wochenende auf Instagram abgecheckt, den einzigen Social-Media-Kanal, den ich zurzeit nutze.

Endlich ist sie nahe genug, dass ich sie grüßen kann.

»Salut«, sage ich. Soll ich erleichtert oder ärgerlich sein, dass dieses Mädchen auch bei Tageslicht genau so anziehend wirkt wie im Dunkeln? Ihre Haare leuchten wie das Licht eines Leuchtturms in der Nacht. Während die anderen sich auf sie stürzen wie Footballspieler auf einen Gegner kann ich sie mir genauer ansehen. Sie ist klein, aber an ihr stimmt einfach alles. Als sie Abdul die Hände auf die Schultern legt und ihm Bises – Küsschen links, Küsschen rechts – gibt, muss sie sich auf die Zehenspitzen stellen, was eine ganz dumme Idee ist. Es drückt sowohl ihre Brüste nach vorn als auch ihren Hintern … nun ja. Nach hinten. Ich muss schlucken. Wenn sie eines dieser typischen Mädchen ist, hält sie ihn wahrscheinlich für zu dick, aber Himmel! Er wäre perfekt, um ihn zu packen und die Kleine hochzuheben, damit sie ihre Beine um meine Taille schlingen könnte.

Fast dankbar registriere ich, dass uns der Signalton daran erinnert, unsere Kursräume aufzusuchen. Matthieu, Yuyun, die über einen IQ verfügt, der wahrscheinlich kaum noch messbar ist, und ich wenden uns ab, da wir zu den Abschlussjahrgängen gehören, und endlich kann ich wieder aufatmen und mit dem oberen Gehirn denken. Ich muss mich zusammenreißen, denn es ist nicht damit getan, Josie Hellwig cool entgegenzutreten. Ab jetzt werde ich sie jeden Tag sehen, mit ihr reden und sie zu einer Freundin machen. Einer engen Freundin, keiner festen.

Wo ist eigentlich der coole Tristan hin, der Frauen anlächelt, eine Nacht mit ihnen verbringt und dann Adieu sagt? Ich glaube, er sitzt immer noch in Gramps’ Hof und heult den Mond an. Ich schüttle den Kopf über mich selbst und versuche meine Gedanken endlich wieder auf den Unterricht zu lenken.

Von daher bin ich regelrecht erleichtert, als Matthieu mich in der ersten Pause anhaut.

»Du hast nachher auch eine Freistunde, oder? Wollen wir das Essen sausen lassen und ein bisschen Surfen gehen?«

Ein guter Mann! Bestimmt sitzt während der Mittagspause die ganze Clique zusammen und quatscht, aber er hat mir soeben einen Aufschub verschafft.

***

Auf dem Wasser gelingt es mir, sie zu vergessen. Zumindest solange, bis wir wieder zur Intro zurück müssen und ich mich dabei ertappe, wie ich hinter den Scheiben nach ihr suche. Bin ich verrückt, oder was? Unwillig verziehe ich das Gesicht und folge Matthieu in den Englischkurs, den wir gemeinsam haben. Das zumindest ist mal ein Fach, in dem ich überhaupt nicht aufpassen muss. Natürlich, im Prinzip könnte mir alles egal sein, ob ich hier gute Noten erhalte oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Aber ich darf auch nicht wie der letzte Idiot daherkommen, sonst bin ich bestimmt schneller aus der Clique wieder raus, als ich reingekommen bin.

Also folge ich dem Unterricht und wenn mich ein Dozent fragt, antworte ich so gut, wie es mir möglich ist. Natürlich auch so lässig wie möglich, als Streber will ich schließlich auch nicht durchgehen.

Am Ende komme ich Josie Hellwig nicht aus, was natürlich auch nicht schlimm ist. Ich möchte schließlich, dass mich die kleine Miss Goody Two-Shoes mag, auch wenn mich Gramps vor ihr gewarnt hat.

***

Wir treffen uns nach der Schule in der Au Près Bar, nur wenige Schritte vom Hafen entfernt. Die Besitzerin hat eine Art Veranda mit Stühlen und Strandkörben versehen, davor stehen kleine Tischchen, auf denen man kaum mehr als eine Mokkatasse abstellen kann und trotzdem noch aufpassen muss, dass sie nicht herunterfällt. Schon für zwei Leute ist es eng, zu sechst muss man ein paar Tische und Stühle zusammenrücken. Als ich ankomme, sind sie schon alle da, Virginie winkt, als sie mich sieht.

»Tristan The Titan!«, ruft sie. Ich schenke ihr ein träges Lächeln. Was für ein bekloppter Name. Klar, ich habe mich auf Instagram selbst so genannt – zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, je arroganter ich rüberkomme, desto interessanter. Jetzt möchte ich mich nur noch krümmen, wenn mich einer meiner neuen Freunde so ruft.

Ich verbeuge mich vor Virginie wie vor einer Königin. »Schöne Frau.«

Sie wird nicht rot, natürlich nicht. Als alteingesessener Saint-Tropez-Adel ist sie es gewohnt, von Kerlen umschwärmt zu werden, doch sie zieht mich heran und haucht mir ein paar Bises auf die Wangen. Nun, das lasse ich mir gern gefallen. Abdul hält mir die Handfläche zum Abklatschen entgegen, Yuyun nicke ich nur zu. Soweit es sie betrifft, kann man sich körperliche Begrüßungen sparen, so viel ist klar. Matthieu und ich tauschen ein stummes Shaka, dann richtet sich mein Blick auf Josie.

»Angel«, sage ich. Bewusst dämpfe ich meine Stimme ein wenig; es soll intim klingen, aber nicht wirklich so, als wollte ich mit ihr flirten.

»Da bist du ja, Devil.« Ihre Stimme klingt ein bisschen atemlos. »Ich wollte das schon immer mal wissen, was bedeutet diese komische Faust? Bisher hat Matthieu das noch nie gemacht.«

»Meinst du das?« Ich zeige ihr das Shaka, die Faust mit abgespreiztem Daumen und Zeigefinger. Sie nickt. Auf ihren Wangen liegt eine leichte Röte, die natürlich auch von der Sonne kommen könnte, aber ich bilde mir ein, dass es an mir liegt. Es ist nur noch ein Platz frei, direkt neben ihr, und als ich Virginie ansehe, liegt ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen.

Ah, sie hat es also geplant. Glaubt sie, die Kleine und ich werden auf der Stelle übereinander herfallen? Prinzipiell hätte ich natürlich nichts dagegen, dennoch bedenke ich Virginie mit einer hochgezogenen Augenbraue, auf die sie nonchalant die Schultern zuckt.

»Es gibt nicht wirklich sichere Infos über den Ursprung, aber es ist ein Zeichen, das Shaka genannt und von Surfern verwendet wird.« Ich lasse mich neben ihr auf den Plastikstuhl fallen, der droht nach hinten zu kippen. Dafür, dass Madame Moreau Mordspreise für ihre winzigen Gläser Eistee und Coke nimmt, hätte sie schon längst einmal vernünftige Möbel hier hinstellen können. Aber das gehört zum Ambiente, habe ich sie gegenüber Gramps mal sagen hören, die Touristen lieben und erwarten das.

»Und hat es eine Bedeutung?«

Ich starre Matthieu an. »Alter, was für ein Surfer bist du, wenn du ihnen noch nie was darüber erzählt hast?«