Emma Charming – Aus Versehen verzaubert - Katy Birchall - E-Book

Emma Charming – Aus Versehen verzaubert E-Book

Katy Birchall

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mein total verrücktes HexenlebenEmma Charming hat hoch und heilig versprochen, in der Schule kein bisschen Magie mehr anzuwenden, und sie ist fest entschlossen, das durchzuhalten. Bis ihr Zaubererfreund Oscar sie so auf die Palme bringt, dass sie gar nicht anders kann, als ihm einen kleinen Hexenstreich zu spielen. Oscar rächt sich mit einem geheimen Zauber – und gegen ihren Willen muss Emma plötzlich an einem großen Schulwettbewerb teilnehmen. Hilfe! Und wäre das nicht schlimm genug, trifft sie dabei auf ein anderes Hexenmädchen aus der Nachbarschule, die gar nichts Gutes im Schilde führt …Emma Charming hext weiter – und in der Schule wird's magisch!Der zweite Band über die zauberhafte Kinderbuchheldin – mit einem wunderschönem Cover von Eva Schöffmann-Davidov.Alle Bände der Mini-Serie:Band 1: Emma Charming - Nicht zaubern ist auch keine LösungBand 2: Emma Charming - Aus Versehen verzaubertSerie bei Antolin gelistet

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 341

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Katy Birchall

Emma Charming

Aus Versehen verzaubert Band 2

Roman

Aus dem Englischen von Verena Kilchling

FISCHER E-Books

Inhalt

[Widmung]Kapitel einsKapitel zweiKapitel dreiKapitel vierKapitel fünfKapitel sechsKapitel siebenKapitel achtKapitel neunKapitel zehnKapitel elfKapitel zwölfKapitel dreizehnKapitel vierzehnKapitel fünfzehnKapitel sechzehnKapitel siebzehnKapitel achtzehnKapitel neunzehnKapitel zwanzigKapitel einundzwanzigKapitel zweiundzwanzigKapitel dreiundzwanzigKapitel vierundzwanzigKapitel fünfundzwanzigKapitel sechsundzwanzigKapitel siebenundzwanzigDank

Für Sam, Luke,

Thomas, Lily und Ted

Kapitel eins

»Glaubst du an Hexen?«

Ich schütte vor Schreck mein Getränk über mich.

»WAS? An Hexen?NEIN!«, krächze ich und starre Karen, die die Frage gestellt hat, mit weit aufgerissenen Augen an. »Mach dich nicht LÄCHERLICH! Was für eine bescheuerte Frage! Hexen? Dein Ernst?«, rufe ich wild gestikulierend, wobei mir die hausgemachte Limonade von den Fingern tropft. »Das ist doch dummes Gerede, Karen. Total VERRÜCKT.« Um meiner Aussage noch mehr Nachdruck zu verleihen, lege ich den Kopf in den Nacken und lache laut. Dann verkünde ich: »Es gibt keine Hexen, das weiß jeder. Insofern: Nein, ich glaube nicht an Hexen.«

In der Runde herrscht Schweigen. Karen schneidet eine Grimasse in meine Richtung. »Danke für deine Meinung, Emma«, sagt sie mit einem abfälligen Grinsen, »aber ich hatte eigentlich nicht mit dir gesprochen.«

»Oh.«

Zoey und Lucy, die neben Karen in der Küche stehen, kichern. Meine Wangen werden heiß, als mir aufgeht, was für einen dämlichen Fehler ich begangen habe. Ich bin echt eine Idiotin! Sie hat noch nicht mal in meine Richtung gesehen, als sie ihre Frage gestellt hat! Bei genauerem Nachdenken weiß ich gar nicht, ob sie meine Anwesenheit überhaupt bemerkt hatte.

»Sorry«, entschuldige ich mich leise und senke den Kopf.

»Warum stellst du Fragen über Hexen?«, will Zoey von Karen wissen und wirft die Haare zurück. Mich ignoriert sie völlig.

»Weil Iris ständig von Hexen redet«, antwortet Karen, während ich am Rest meiner Limonade nippe. »Sie denkt, sie wäre einer begegnet.«

Ich spucke den gerade genommenen Schluck wieder aus und fange laut prustend an zu husten.

»IGITT!«, kreischt Lucy und weicht angewidert zurück. »Voll eklig!«

»Sorry«, entschuldige ich mich erneut. Meine Augen tränen, weil mir die Kohlensäure in die Nase gestiegen ist. »Was meintest du gerade über Iris? Denkt sie wirklich, sie wäre einer Hexe begegnet? Das kann doch gar nicht sein!«

»Also, ich glaube ihr«, antwortet Karen und dreht sich demonstrativ von mir weg. Es ist offensichtlich, dass ihr lieber wäre, ich würde sie und ihre Freundinnen allein lassen. »Sie träumt ständig von einer Hexe, die vor ihren Augen irgendeinen Hexenzauber vollführt. Es ist so ein immer wiederkehrender Traum, ihr wisst schon. Anscheinend ist darin alles megadetailgetreu und wirkt total echt, deshalb habe ich neulich zu ihr gesagt: Vielleicht hast du wirklich eine Hexe gesehen, und diese Hexe … « Ihre Augen weiten sich vor Aufregung. »Und diese Hexe hat anschließend deine Erinnerung an diese Begegnung gelöscht, allerdings nicht vollständig, so dass du jetzt immer wieder davon träumst! In Fernsehserien und Filmen passiert so was ständig.«

»So ein Quatsch.« Zoey verdreht lachend die Augen. »Sei doch nicht so leichtgläubig, Karen.«

»Genau, Karen«, stimme ich zu und nicke energisch. »Sei nicht so leichtgläubig.«

Karen funkelt mich wütend an, was ich zum Anlass nehme, das Feld zu räumen. Ich gebe vor, mir noch etwas zu trinken holen zu wollen, und schlängle mich durch die überfüllte Küche und anschließend den Flur entlang, wo die Partygäste plaudernd und lachend in Grüppchen herumstehen. Kurz entschlossen tauche ich in ein leeres Zimmer ab. Ich mache die Tür hinter mir zu und lehne mich mit laut klopfendem Herzen und flauem Gefühl im Magen dagegen.

Karen ist nicht leichtgläubig. Sie ist auch nicht bescheuert. Im Gegenteil, sie hat recht.

Ich weiß, dass Iris tatsächlich einer Hexe begegnet ist, und ich weiß, dass Iris mit eigenen Augen gesehen hat, wie diese Hexe magische Handlungen vollführt hat. Ich weiß auch, dass die Hexe mit Hilfe des Zaubertranks eines Nachwuchszauberers Iris’ Erinnerung daran gelöscht hat.

Ich weiß das alles.

Ich weiß es, weil ich die Hexe bin, von der Iris immer wieder träumt.

 

Ich hätte nicht auf diese Party kommen sollen. Es ist alles Mums Schuld. Sie hat mich dazu überredet. Als Iris, das beliebteste Mädchen meiner Klasse, mir kurz vor Weihnachten eine Textnachricht schrieb, um mich zu ihrer Silvesterparty einzuladen, dachte ich zuerst, es handle sich um ein Versehen. Ich schrieb ihr zurück, um sie auf ihren Fehler aufmerksam zu machen, woraufhin sie mir mehrere lachende Emojis schickte und mir versicherte, es handle sich keineswegs um ein Versehen, sie würde sich wirklich sehr freuen, wenn ich käme, vorausgesetzt, ich hätte noch nichts anderes vor.

»Das ist ja toll!«, hatte Mum begeistert gerufen, als ich ihr erzählt hatte, dass ich zu einer Party eingeladen worden war. »Siehst du? Ich hab dir doch gesagt, dass die Ereignisse des letzten Halbjahrs schnell vergessen sind! Dir kann niemand lange böse sein. Es ist alles wieder gut, und im neuen Halbjahr fängst du einfach noch mal von vorne an.«

»Mum, du hast ja keine Ahnung«, hatte ich seufzend geantwortet. »Ich gehe nicht auf diese Party. Außerdem habe ich Hausarrest, schon vergessen? Du hast gesagt, du lässt mich während der gesamten Weihnachtsferien nicht mehr raus.«

»Ach, davon entbinde ich dich, es ist schließlich Silvester«, erklärte sie fröhlich. »Warum solltest du nicht auf die Party wollen? So schlimm ist die Lage nun auch wieder nicht, oder?«

Doch, Mum. Meine Lage ist schlimm. Meine Lage ist sogar sehr schlimm. Sie könnte überhaupt nicht schlimmer sein!

Als ich letzten Sommer meine Junghexenprüfung, auch JHP genannt, bestanden und damit bewiesen hatte, dass ich meine magischen Fähigkeiten unter Kontrolle hatte und gefahrlos auf eine normale Schule gehen konnte, war ich hellauf begeistert gewesen. Davor war ich nämlich mein ganzes LEBEN lang von Mums Hexenfreundin Dora zu Hause unterrichtet worden, und so hatte ich es kaum erwarten können, endlich zur Schule zu gehen und Gleichaltrige kennenzulernen. Die meisten Hexen absolvieren ihre JHP im Alter von fünf Jahren. Nur ich brauchte ein klein wenig länger dafür und hatte daher mit dreizehn Jahren noch immer keine Freunde. Jedes Jahr feierte ich aufs neue meinen Geburtstag mit Mum, Dora und deren Ehemann Howard. Howard weiß nicht, dass er mit einer Hexe verheiratet ist, deshalb konnten wir meistens noch nicht einmal etwas cooles Magisches unternehmen. Stattdessen saßen wir mit Partyhütchen da, aßen Geburtstagstorte und spielten Scharade. An einem besonders katastrophalen Geburtstag versuchte Mum, ein wenig Abwechslung in die Sache zu bringen, und schlug vor, dass wir Rollschuh laufen gingen.

Ich rollte natürlich gegen einen Müllcontainer und schlug mir einen Zahn aus.

Nein, ich möchte NICHT darüber reden.

Wie auch immer, ich war jedenfalls ganz HEISS darauf, zur Schule zu gehen und Zeit mit Gleichaltrigen zu verbringen. Vor meinem ersten Schultag musste ich Mum hoch und heilig versprechen, dass ich in der Schule nicht hexen würde. Schließlich, so warnte sie mich, wäre es eine Katastrophe, wenn die anderen Schüler herausfänden, dass Hexen in ihrer Mitte lebten. Dann wäre das Geheimnis, dass wir Hexen immer noch existieren, in Gefahr. Bla, bla, bla. Ich schwöre, ich hatte vor, mich an dieses Versprechen zu halten. Niemand würde freiwillig meine Mutter gegen sich aufbringen, das könnt ihr mir glauben. Sie kann absolut furchterregend sein und ist nicht nur eine hochintelligente, respekteinflößende Geschäftsfrau, Chefin einer erfolgreichen Werbeagentur, sondern auch die Große Hexenmeisterin, noch dazu die jüngste Hexe, die JEMALS in diese hohe Position gewählt wurde. Ich hatte also nicht vor, sie zu enttäuschen. Stattdessen war ich fest entschlossen, mich von meiner besten Seite zu zeigen, mich an die Regeln zu halten, mühelos durch meine Schuljahre zu gleiten und dabei massenhaft Freunde zu haben, kurzum, eine vollkommen normale Schülerin zu sein.

Leider liefen die Dinge nicht ganz nach Plan. Ich war ziemlich ungeübt darin, Anschluss an Gleichaltrige zu finden, und so fasste ich nach mehreren einsamen Wochen an der Schule den Entschluss, auf ein paar klitzekleine, harmlose Hexereien zurückzugreifen, um endlich ansatzweise dazuzugehören.

Unglücklicherweise übertrieb ich es ein wenig mit dem Hexen, zum Beispiel als ich unseren Direktor mit Hilfe von Magie zwang, ständig und überall Salsa zu tanzen, ohne je damit aufhören zu können. Oder als ich einen Schwarm Fledermäuse herbeihexte, damit er meinen Klassenkameraden Felix erschreckte, woraufhin die Fledermäuse ihn und seine Familie wochenlang vor ihrem Haus belagerten – ein Problem, das ich noch verschlimmerte, als ich die Fledermäuse wegzuhexen versuchte und sie stattdessen versehentlich in kleine Drachen verwandelte.

O Mann. Das war echt schlimm.

Der absolute Tiefpunkt war jedoch nicht die Sache mit den Drachen gewesen. Nein, der Tiefpunkt war erreicht, als ich mich mit Hilfe von Magie in eine unglaublich gute Tänzerin verwandelte, um die anderen Mädchen meiner Talentwettbewerbsgruppe zu beeindrucken. Daraufhin hielten mich Zoey, Karen, Lucy und Iris für eine professionelle Breakdancerin und waren total begeistert, weil sie glaubten, den Talentwettbewerb mit mir im Team haushoch gewinnen zu können. Bis ich in letzter Sekunde doch Gewissensbisse bekam und einen Rückzieher machte, woraufhin meine vermeintlich besten Freundinnen mit einer Tänzerin weniger und ohne erneute Probe vor einem riesigen Publikum auftreten mussten. Es ist also wenig überraschend, dass sie mich jetzt hassen.

Ich hätte das mit dem Talentwettbewerb bis zum Ende durchziehen können, dann wäre ich immer noch total beliebt in der Schule. Meine magischen Tanzkünste begannen zwar zu schwinden – kein Hexenzauber hält für immer –, aber ich besaß eine Geheimwaffe: einen Zaubertrank, der mich im Handumdrehen wieder in eine grandiose Tänzerin verwandelt hätte. Leider redete mir dieser dämliche Zauberer, von dem ich ihn hatte, ein schlechtes Gewissen ein und bewegte mich dazu, das Richtige zu tun, indem er darauf beharrte, ich würde mich selbst und alle anderen belügen, wenn ich mit Hilfe von Magie betrog.

O Mann, Zauberer sind echt das Letzte!

Wieso musste ich auch ausgerechnet an den EINZIGEN netten Zauberer der ganzen Welt geraten? Und damit nicht genug: Wieso musste er mich dazu überreden, ebenfalls nett zu sein? Dadurch wird alles so viel verwirrender, dabei ist mein Leben auch so schon eine absolute KATASTROPHE!

Hexen und Zauberer sind Feinde. Schon seit Jahrhunderten können wir uns gegenseitig nicht ausstehen. So ist die Welt nun mal. Hexen sind mächtige Wesen, die ihre Magie ausüben, indem sie einfach mit den Fingern schnipsen (was richtig cool ist). Zauberer wiederum stellen in ihren ekligen, stinkenden Kesseln lächerliche Zaubertränke her (was dagegen echt lahm ist).

Hexen HASSEN Zauberer. Zauberer HASSEN Hexen. Und damit basta. Ohne Wenn und Aber.

Und ich muss natürlich für ein Riesenchaos sorgen, indem ich mich ausgerechnet mit einem Zauberer anfreunde!

Schuld daran ist eindeutig Oscar Blaze, der genannte Zauberer. Schließlich kann ich nichts dafür, dass er in dieselbe Schule geht wie ich und zufällig auch noch in meiner Klasse ist. Und ich kann auch nichts dafür, dass wir einander auf die Schliche gekommen sind. Wenn jemand dafür verantwortlich gemacht werden muss, sollte er das sein, finde ich. Er hätte sich einfach aus meinen Angelegenheiten raushalten und mich weiter mit meiner Magie für Unruhe sorgen lassen können, aber nicht doch: Er MUSSTE sich ja unbedingt einmischen und nett zu mir sein und mir auch noch helfen!

Dadurch ist es jetzt total schwer, ihn nicht zu mögen.

»Geh zu der Party, Emma. Das wird bestimmt schön«, hatte Mum mit einem lang gezogenen Seufzen gesagt, als ich ihr all die oben genannten Gründe dafür aufgezählt hatte, dass ich mich besser nicht auf einer Party blicken ließ, zu der die halbe Schule kam. Den Part mit Oscar hatte ich dabei natürlich ausgelassen.

Mum darf auf keinen Fall herausfinden, dass ich mit Oscar Blaze befreundet bin! Niemals. Sie würde mich umbringen.

Es ist schon schlimm genug, dass ich mir ständig die abfälligen Kommentare meines Vertrauten Merlin anhören muss. Jede Hexe hat einen Vertrauten, ein Begleittier, das seine Gestalt verändern kann und immer bei ihr ist. Eigentlich sollte es so etwas wie ein Seelenverwandter sein, der seine Hexe ein Leben lang berät und unterstützt.

Ja, eine hübsche, romantische Vorstellung, doch während jede andere Hexe auf diesem Planeten einen wohlwollenden Vertrauten zu haben scheint, habe ich den griesgrämigen Merlin erwischt, der im besten Fall sarkastisch und unhöflich zu mir ist.

»Alle werden mich böse anstarren und hinter meinem Rücken über mich tuscheln. Die hassen mich!«, hatte ich Mum widersprochen, während Merlin die Gestalt einer Fledermaus angenommen, sich vergnügt auf meinen Kopf gesetzt und seine widerlichen Fledermauskrallen in meine Kopfhaut gebohrt hatte. »AUTSCH, MERLIN! Hau ab!«

Ich hatte den Arm nach oben geschwungen, um ihn zu verscheuchen, aber er war längst davongeflattert, und ich hatte mich selbst auf den Kopf gehauen.

Er kreischte vor Lachen und handelte sich einen bösen Blick von Mums Vertrauter Helena ein, die in Gestalt einer eleganten Bengalkatze neben Mums Füßen saß. Helenas Missbilligung ignorierend flog Merlin wieder zurück, um sich erneut auf meinen Kopf zu setzen.

»Emma Charming«, sagte Mum und kam herüber, um mir die Hände auf die Schultern zu legen. »Deine Mitschüler hassen dich doch nicht!«

»Sie halten mich für feige und gemein, weil ich Iris und die anderen Mädchen so kurz vor dem Talentwettbewerb im Stich gelassen habe.«

»Dann beweise ihnen das Gegenteil. Zeig ihnen, dass du ganz anders bist, und amüsiere dich auf der Party. Irgendwann musst du ihnen sowieso wieder gegenübertreten. Letztes Halbjahr sind sie doch auch deine Freunde geworden. Es wird nicht lange dauern, dann seid ihr alle wieder unzertrennlich.«

»Damals waren sie nur meine Freunde, weil ich ihnen mit Hilfe von Magie vorgegaukelt habe, ich sei cool.«

»Sie waren deine Freunde, weil sie deinen Charakter schätzen«, korrigierte mich Mum lächelnd und sah mir dabei fest in die Augen. »Mit Magie hatte das nichts zu tun.«

Damit lag Mum leider falsch, aber es war ein schöner Mutter-Tochter-Moment, und ich wollte ihn nicht kaputtmachen, indem ich sie darauf hinwies.

Und jetzt bin ich hier auf der Party und versuche, allen zu beweisen, dass ich kein schrecklicher Mensch bin. Bisher habe ich mein Getränk über ebenjene Mädchen gespuckt, mit denen ich mich eigentlich wieder versöhnen wollte, und mich anschließend in einem leeren Zimmer eingeschlossen. Es läuft also noch nicht so toll.

Merlin, der sich bislang in Gestalt einer Ameise unter meinem Rollkragen versteckt hatte, verwandelt sich in eine Vogelspinne und krabbelt meinen Arm hinunter, um es sich auf meiner Hand gemütlich zu machen.

Er sieht mich an und verdreht alle acht Augen.

»Ich weiß, ich weiß«, sage ich seufzend. »Du brauchst nichts zu sagen. Die Sache ist aussichtslos, und ich sollte nach Hause gehen, bevor ich mich noch mehr zum Affen mache.«

»Emma?«, fragt plötzlich eine Stimme von der anderen Seite des Zimmers.

Ich schnappe erschrocken nach Luft. Merlin verschwindet, indem er sich in eine Fliege verwandelt und surrend unter meinen Ärmel abtaucht.

Über der Rückenlehne eines Sofas taucht ein Kopf auf.

»Iris!«, rufe ich und schlage eine Hand vor die Brust. »Was machst du denn hier?«

Sie setzt sich aufrecht hin. »Hi, Emma.«

»Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen! Ich dachte, ich wäre allein.«

»Es mag seltsam klingen«, murmelt sie und verschränkt die Arme, »aber ich hätte schwören können, dass du dich gerade mit einer Spinne unterhalten hast.«

Kapitel zwei

Iris starrt mich misstrauisch an, steht vom Sofa auf und geht auf mich zu.

»Dass ich mich mit einer Spinne unterhalten habe? Sei nicht albern!«, widerspreche ich lachend. »Das muss eine optische Täuschung gewesen sein.«

»Aber du hast mit jemandem geredet, und ich dachte, ich hätte …«

Sie verstummt und runzelt die Stirn. Wie immer verblüfft es mich, wie viel erwachsener Iris aussieht, obwohl wir in derselben Klasse sind. Heute trägt sie ein silbernes Pailletten-Top zu einer schwarzen Skinny-Jeans und hochhackigen Stiefeln. Eine Seite ihrer langen dunklen Locken hat sie zurückgesteckt, die andere fällt ihr über die Schulter. Ihre Augen sind nur dezent geschminkt, im Gegensatz zu ihren knallroten Lippen, die ihren eleganten, coolen Look perfektionieren.

Ich hingegen trage einen viel zu großen Pullover, dazu Jeans und abgewetzte Turnschuhe. Kurz bevor ich von zu Hause aufbrach, saß Merlin in Gestalt eine Stinktiers auf meinem Schreibtisch, warf einen Blick auf mich und meinte: »Wir gehen also doch nicht zur Party.«

»Doch. Ich wollte gerade los.«

»Oh. Verstehe. Du willst also so bleiben?!«

»Ja.«

»Du willst in diesen Klamotten auf die Party?«

»Ja.«

»In den Sachen, die du jetzt gerade anhast?«

»Ja.«

»Mit diesem Outfit?«

»Wieso, ist damit irgendwas nicht in Ordnung?«

»Doch, alles super.«

»Gut.«

»Zumindest, wenn man den Eindruck erwecken möchte, man hätte jegliches Interesse an seinem Aussehen verloren.«

»Wieso? Ich sehe gut aus!«

»Na klar.«

»Das ist eben ein legerer Look!«

»Brauchst du Parfüm?« Er hatte sich umgedreht und seinen Schwanz gehoben. »Ich finde nämlich, mein Stinktiersekret würde perfekt dazu passen.«

Solche Sachen muss ich mir jeden Tag von ihm bieten lassen. Die meisten Vertrauten würden ihre Hexe dazu ermuntern, mit ihrem Äußeren ihre Persönlichkeit auszudrücken und sich anzuziehen, wie auch immer sie möchten. Neulich habe ich gehört, wie Helena zu Mum sagte, sie sei die schönste Hexe der ganzen Welt.

Merlin hat mal zu mir gesagt, ich würde aussehen wie ein Alien.

»Es liegt an deiner Kopfform«, hatte er nachdenklich gemurmelt. »Und auch irgendwie an deinem Gesicht.«

Gegen meine Kopfform kann ich natürlich nichts machen, aber jetzt, da ich vor der ultraglamourösen Iris stehe, wünschte ich mir schon, ich hätte mir mit meinem Outfit ein bisschen mehr Mühe gegeben. Ich hatte Mum mit meinem nachlässigen Styling zeigen wollen, dass ich GANZ UND GAR nicht begeistert darüber war, zu der Party zu müssen, und nur hinging, weil sie mich förmlich dazu zwang.

»Es ist wohl wirklich nicht besonders logisch, dass du dich mit einer Spinne unterhältst«, sagt Iris irgendwann mit gefurchter Stirn. Sie scheint immer noch tief in Gedanken versunken.

»Vielleicht haben dir deine Augen einen Streich gespielt, wegen dem, was an meinem ersten Schultag passiert ist«, mutmaße ich mit einem nervösen Lachen. »Erinnerst du dich? Als ich versehentlich meine zahme Spinne mit in die Schule genommen habe?«

Allein beim Gedanken an diesen Vorfall zucke ich innerlich zusammen. Laut darüber zu sprechen, ist noch viel unangenehmer. Damals war Merlin vor lauter Übereifer auf dem Schulflur aus meinem Ärmel gekrabbelt, in seiner Vogelspinnengestalt, vor sämtlichen Schülern. Noch immer mache ich diesen Schlüsselmoment für alles andere verantwortlich, was danach geschah. Wenn meine Mitschüler mich nicht von Tag eins an für einen totalen Freak gehalten hätten, wären sie vielleicht offener dafür gewesen, sich mit mir anzufreunden.

»Ich verspreche, dass ich meine Spinne heute nicht dabeihabe«, behaupte ich lachend und halte die Hände hoch. »Ich würde sie nie mit zu deiner Party bringen. Sie ist zu Hause in ihrem Terrarium.«

Ich höre ein zartes Stimmchen aus meinem Ärmel trällern: »Ach ja, ist sie das? Hihihi!«

Wehe, er tut es wieder!

»Entschuldige, du hast recht. War wahrscheinlich nur Einbildung«, murmelt Iris kopfschüttelnd.

»Es hat natürlich nicht unbedingt geholfen, dass ich laut mit mir selbst geredet habe. Das mache ich ziemlich oft.«

»Ich auch«, gesteht sie. Ihre Stirn ist immer noch gerunzelt.

»Tut mir leid, dass ich dich gestört habe«, sage ich und zeige aufs Sofa. »Alles okay bei dir?«

»Ja, alles gut. Ich brauchte nur ein bisschen Ruhe von dem Lärm und den vielen Leuten. Ich träume in letzter Zeit so seltsame Sachen und schlafe deshalb nicht besonders gut. Außerdem …« Sie hält inne, atmet tief durch und lächelt mich an. »Sorry, ich will dich nicht vollquatschen. Schon komisch, dass ich mich hier drinnen vor meiner eigenen Party verstecke, was?«

»Finde ich nicht«, antworte ich schulterzuckend. »Ich bin auch hier drinnen, um mich zu verstecken. Weil ich Karen, Lucy und Zoey mit Limo vollgespuckt habe.«

»Aha.« Sie unterdrückt ein Kichern. »Die waren bestimmt begeistert.«

»Und ich dachte, sie könnten mich gar nicht noch mehr hassen als ohnehin schon.«

Wir grinsen uns an. Auch wenn der Rest der Schule sauer auf mich ist, weil ich Iris angeblich im Stich gelassen habe – sie selbst ist mir überraschenderweise kein bisschen böse. Ihrer Ansicht nach habe ich ihr sogar einen Gefallen getan, weil mein Rückzug bedeutete, dass sie auf der Bühne im Mittelpunkt stehen und ihr Team zum Sieg führen konnte. Ich will keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber ich glaube, Iris und ich sind inzwischen so etwas wie Freundinnen.

Andererseits will sie bestimmt nicht mehr mit mir befreundet sein, wenn sie jemals erfährt, dass ich es war, die ihre Erinnerung gelöscht hat.

»Was meintest du vorhin? Du hättest seltsame Sachen geträumt?«, frage ich betont fröhlich, um an mehr Informationen zu kommen. Ich muss dringend in Erfahrung bringen, wie groß die Schwierigkeiten sind, in denen ich stecke.

»Ach, mach dir deswegen keine Gedanken«, antwortet sie und wischt meine Frage mit einer abwehrenden Geste beiseite. »Langweiliges Thema. Lass uns lieber zurück zur Party gehen.«

»Vielen Dank noch mal für die Einladung. Ist echt schön bei dir.«

»Freut mich«, erwidert sie und greift um mich herum, um die Tür aufzumachen. »Bald beginnt das Feuerwerk, das solltest du dir nicht entgehen lassen.«

Sie verlässt das Zimmer, und eine große Gruppe Partygäste, die im Flur zusammensteht, begrüßt sie lautstark. Musik dröhnt aus den Lautsprechern. Vollkommen unbemerkt und von allen ignoriert trete auch ich auf den Flur hinaus. Unsicher schlendere ich durchs Haus.

»Emma! Hier drüben!«

Beim Klang von Oscars Stimme grinse ich breit und drehe den Kopf. Er steht mit Felix in einer Ecke der Küche. Froh, endlich einen Verbündeten zu haben, gehe ich zu den beiden hinüber.

»Frohes neues Jahr!«, sage ich. »Wie geht’s euch?«

»Felix hat schlechte Laune, weil er schon zum Nachsitzen verdonnert wurde, obwohl das neue Halbjahr noch gar nicht angefangen hat«, informiert mich Oscar, während Felix bereits jetzt gelangweilt wirkt von meiner Anwesenheit.

»Wie hast du denn das geschafft?«, frage ich beeindruckt.

»Er wurde dabei erwischt, wie er während des Schulballs versucht hat, ins Büro des Direktors einzubrechen.«

»Oha.«

»Vielleicht wäre ich nicht erwischt worden, wenn mein Freund für mich Wache geschoben hätte, statt seine Zeit mit dir zu vergeuden«, sagt Felix spitz und wirft mir einen angewiderten Blick zu. »Ich gehe raus, um das Feuerwerk vorzubereiten. Vielleicht lässt mich Iris’ Vater eine Rakete anzünden.«

»Dann viel Glück!«, ruft ihm Oscar hinterher. Anschließend dreht er sich mit einem entschuldigenden Lächeln zu mir um. »Manchmal ist er ein ziemlicher Idiot.«

»Du meinst also, es gibt auch Zeiten, in denen er kein Idiot ist?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Fällt mir schwer, das zu glauben.«

Oscar grinst mich an. »Wo ist Merlin? Wird er heute wieder plötzlich auftauchen und alle Anwesenden zum Ausrasten bringen?«

»Ich habe ihm strikt verboten, mir noch mal auf diese Weise das Leben zu ruinieren. Im Moment sitzt er … äh …« Ich merke, dass ich ihn nicht mehr auf meinem Arm spüre, und gerate in Panik. »Wo steckt dieser kleine …«

»AUA!« Oscars Hand zuckt zu seinem Hals.

Ich sehe, dass Merlin als Wespe hinter Oscars Kopf schwebt und höhnisch kichert.

»Merlin!«, zische ich wütend. »Komm sofort zurück!«

Er surrt widerwillig zu mir herüber und landet auf meiner Schulter, wo er sich wieder in eine Spinne verwandelt.

»Sorry«, sage ich zu Oscar, der finster beobachtet, wie Merlins haarige Spinnenbeine unter meinem Kragen verschwinden. »Du weißt ja, er ist nicht unbedingt ein Fan von …«

»Zauberern. Ja, ich weiß«, knurrt Oscar. »Glaub mir, die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit.«

»Wenigstens hat er sich nicht in einen Löwen verwandelt und dir den Arm abgebissen«, gebe ich zu bedenken. »Er meinte nämlich neulich, dass er das vorhätte, wenn er dich das nächste Mal sieht.«

»Wie nett von ihm, dass er der Versuchung widerstanden hat.«

»Tut mir leid, ehrlich. Das ist echt nicht okay von ihm. Ich werde ein ernstes Wörtchen mit ihm reden.«

»Lieb von dir.« Er seufzt. Dann verzieht sich sein Mund zu einem Lächeln. »Wie war Weihnachten bei dir?«

»Super«, antworte ich und vergewissere mich mit einem Schulterblick, dass uns niemand zuhört. »Mum hat es bei uns zu Hause schneien lassen und die Treppe in eine Skipiste verwandelt, auf der wir dann Snowboarden gelernt haben. Danach haben wir Marshmallows auf einem Lagerfeuer im Wohnzimmer geröstet.«

»Verstehe.« Oscar trinkt einen Schluck von seiner Cola. »Also ein ganz normales, durchschnittliches Weihnachtsfest.«

»Muss ganz schön öde sein, wenn man keine Hexe ist«, sage ich und werfe ihm einen mitleidigen Blick zu. »Was machen Zauberer an Weihnachten? Versuchen sie, einen Zaubertrank zu brauen, der sie zumindest für einen Tag cool werden lässt?«

Er verdreht die Augen, während ich selbstgefällig grinse.

»Nein, wir haben ein ganz traditionelles, normales Weihnachten gefeiert. Mein Vater weiß nicht, dass er mit einer Zauberin verheiratet ist, schon vergessen?«

»Ach ja.« Ich nicke und denke wieder einmal, was für ein Glück es ist, dass ich keinen normalen Vater habe, der mir und Mum den Spaß verderben könnte. »Echt doof.«

»Nö, gar nicht. Am zweiten Weihnachtsfeiertag haben Mum und ich vorgegeben, shoppen zu gehen, während mein Dad den Dienst im Buchladen übernommen hat. Und dann haben wir von einem Zaubertrank getrunken, den Mum speziell dafür gebraut hatte, und uns für einen Tag in die besten Piloten der Welt verwandelt. Wir haben uns Düsenflugzeuge ausgeliehen, es war der beste Tag meines Lebens! Ich habe mich gefühlt wie in dem Film Top Gun!« Er legt mir eine Hand auf die Schulter. »Unser Zauberer-Weihnachten toppt sogar noch euer Hexen-Weihnachten, was?«

Ich schüttle mürrisch seine Hand ab und ärgere mich, dass ich Mum nicht gefragt habe, ob wir mit Düsenflugzeugen herumfliegen können. »Mir doch egal. Zauberer sind jedenfalls … unfähig.«

Er lächelt verschmitzt. »Der war gut.«

»Nein, das meine ich ernst.« Ich sehe nach, ob Iris in der Nähe ist, und fahre flüsternd fort: »Du weißt doch noch, dieser Zaubertrank, den du gebraut hast, um Iris’ Erinnerung zu löschen, nachdem sie uns beim Schulball gesehen hat? Der hat nicht funktioniert.«

Er reißt erschrocken die Augen auf. »Ernsthaft? Sie weiß über uns Bescheid?«

»Mehr oder weniger. Sie träumt nachts davon, weiß aber nicht, dass es ein reales Erlebnis war. Dein Zaubertrank war kompletter Mist, er hat ihre Erinnerung nur getrübt. Dabei sollte er doch bewirken, dass sie alles vergisst!«

»Also, erstens warst du diejenige, die in der Schule mit Magie angefangen hat, nicht ich!«, verteidigt er sich aufgebracht. »Und zweitens ist es total schwierig, erinnerungslöschenden Zaubertrank richtig hinzubekommen. Ich bin noch in der Zauberausbildung, falls du es vergessen haben solltest.«

»Tja, dann hättest du vielleicht vorher überprüfen sollen, ob der Zaubertrank richtig funktioniert, bevor du ihn ihr in den Smoothie schmuggelst«, echauffiere ich mich.

»Und du hättest keinen Schwarm Fledermäuse auf Felix hetzen und sie dann in kleine Drachen verwandeln sollen, die mitten in Essex auf einem Baum abhängen!«

O MANN, WARUM MÜSSEN ZAUBERER SO NERVIG SEIN?!

»Versuch nicht, das Thema zu wechseln«, sage ich. »Wir sollten lieber überlegen, was wir jetzt tun wollen.«

»Können wir denn was tun?« Sein Blick schweift über die Partygäste und bleibt an Iris hängen, die am anderen Ende des Zimmers mit Karen über irgendetwas lacht. »Wenn du mich fragst, sollten wir einfach abwarten. Vielleicht vergisst sie das Ganze wieder.«

»Oder die Träume werden deutlicher, und sie erkennt unsere Gesichter!«

»Das wird bestimmt nicht passieren.« Oscar schüttelt den Kopf. »Im Gegenteil, ihre Erinnerung wird immer mehr verblassen.«

»Ich hoffe es. Falls nicht, sind wir vielleicht doch wieder gezwungen, auf Magie zurückzugreifen.«

Er sieht mich stirnrunzelnd an. »Das können wir nicht, Emma, nicht nach allem, was dadurch schon schiefgelaufen ist. Denk dran, was wir vor Weihnachten vereinbart haben: keine Magie mehr. Das ist das Beste, glaub mir.«

»Keine Sorge, ich verspreche dir, dass dieses Halbjahr anders wird«, beteuere ich und sehe ihn fest entschlossen an. »Keine Magie mehr.«

Kapitel drei

Einen Tag vor dem Ende der Weihnachtsferien kommt Dora mit einer großen Überraschung zu uns herüber.

»Wie findet ihr mein neues Haustier?«, fragt sie gespannt und steht mit dem größten Hund, den ich je gesehen habe, in der Tür.

»Der ist ja süß!«, rufe ich und breite die Arme aus. Dora macht die Haustür hinter sich zu und lässt die Leine los.

Der Koloss von einem Hund rennt mit großen Sätzen los, springt mit seinen riesigen Pfoten an mir hoch und wirft mich um. Dora schnipst gerade noch rechtzeitig mit den Fingern, um eine Matratze hinter mir auf dem Boden erscheinen zu lassen und mir eine weiche Landung zu bescheren. Ihr Hund stellt sich über mich und fängt an, mir mit seiner feuchten, sabbernden Zunge übers Gesicht zu lecken. Kichernd schiebe ich seine Schnauze beiseite.

»Er heißt Muffin«, verkündet Dora stolz.

Sie packt seine Leine und zieht ihn von mir weg, damit ich mich vom Boden aufrappeln kann. Begeistert streichle ich ihm über den Kopf, während er hechelnd und schwanzwedelnd neben mir steht. Dora und Howard sind fanatische Tierliebhaber, und ihr Haus nebenan unterscheidet sich kaum noch von einem Zoo. Sie besitzen nicht nur selbst jede Menge Tiere, sondern kümmern sich zusätzlich um gerettete, heimatlose Vierbeiner, daher wird man bei ihnen stets von einer beeindruckenden Vielfalt an tierischen Hausbewohnern begrüßt. Man weiß nie genau, was einen erwartet, wenn man bei ihnen durch die Haustür kommt. Im Laufe der Jahre hatten sie schon Hunde, Katzen, Schweine, Nagetiere, Schlangen und ein Chamäleon namens Tobias, das den beiden einmal verlorenging, bis sie es im Schlafzimmer wiederfanden, wo es sich farblich an Doras Nachttischlampe angepasst hatte.

Doras Vertrauter nimmt zu Hause immer die gleiche Gestalt an, wodurch Howard glaubt, dass er neben all den anderen Tieren auch einen Corgi namens Mac besitzt.

»Muffin ist meganiedlich!«, schwärme ich, schlinge die Arme um seinen Hals und drücke ihn an mich, während er mir begeistert das Ohr abschleckt. »Wo hast du ihn her, Dora?«

»Aus dem Tierheim. Offenbar hatten seine Vorbesitzer keine Ahnung, dass Deutsche Doggen so groß werden«, antwortet sie und verdreht seufzend die Augen. »Ich wollte ihn eigentlich nur als Pflegehund aufnehmen, aber sobald ich ihm persönlich gegenüberstand, wusste ich, dass Muffin zu mir gehört. Howard ist überglücklich. Er hat sich schon immer einen großen Hund gewünscht.«

»Als Muffin heute Morgen den Fernseher umgestoßen hat, wirkte er nicht mehr ganz so glücklich«, merkt Mac an, der sich in Corgi-Gestalt hinter Doras Beinen versteckt. »Oder gestern Abend, als er einen ganzen Laib Brot vom Tisch stibitzt und ihn mit zwei Happen verschlungen hat.«

Muffin leckt sich stolz die Lefzen.

»Er braucht noch ein bisschen Erziehung, das ist klar«, räumt Dora ein. »Aber er lernt bestimmt schnell. Er ist extrem intelligent.«

Muffins Zunge hängt aus seinem Maul, und auf dem Boden bildet sich eine Sabberlache.

»Intelligent? Ungehobelt, meinst du wohl.« Mac schnaubt verärgert.

»Ein echter Prachtkerl«, sagt Merlin und klettert in Gestalt eines Streifenhörnchens an Muffins Bein hinauf, um sich auf seinen Rücken zu setzen. »Groß wie ein Kalb. Mit einem derart riesigen Hund könnte man eine Menge Schabernack anstellen.« Er grinst verschmitzt in meine Richtung und reibt sich die Pfötchen. »Stell dir vor, was für ein Chaos man anrichten könnte! Himmlisch!«

»Das reicht jetzt, Merlin«, antworte ich und runzle missbilligend die Stirn. »Ermuntere ihn ja nicht zu irgendwelchen …«

»AUF SIE MIT GEBELL!«, grölt Merlin und entfernt die Leine von Muffins Halsband. Dann klammert er sich an Muffins Fell fest.

Muffin macht einen Satz nach vorn und trabt unbeholfen ins Wohnzimmer hinüber. Seine langen Beine scheinen plötzlich überall zu sein. Dora und ich eilen ihm hinterher, während er heftig mit dem Schwanz wedelnd seine Kreise durch den Raum zieht und dabei polternd Vasen und Fotorahmen von Couch- und Beistelltischen wirft.

»Was ist denn hier los?«

Mum erscheint in der Wohnzimmertür. Dora und ich stehen unterdessen wie angewurzelt da und sehen hilflos mit an, wie das Unheil seinen Lauf nimmt. Merlin klammert sich immer noch an Muffins Rücken und ruft laut »Yippie!«, während er in rasendem Tempo durchs Zimmer getragen wird.

»Das ist mein neuer Hund Muffin«, erklärt Dora an Mum gewandt und zuckt zusammen, als ihr Schützling erneut krachend eine Vase umstößt. Große und kleine Scherben verteilen sich über den ganzen Teppichboden. »Ist er nicht hinreißend?«

»Er ist auf jeden Fall nicht zu überhören.« Mum stemmt die Hände in die Hüften und ruft: »Muffin! Sitz!«

Muffin stemmt die Pfoten in den Teppich, kommt ruckartig zum Stehen und katapultiert Merlin hoch in die Luft. Kurz bevor dieser gegen die Wand knallt, verwandelt er sich in eine Mücke und weicht surrend nach oben aus.

Gehorsam trottet Muffin zu Mum und setzt sich vor sie hin.

Sie schnipst mit den Fingern, und das Wohnzimmer beginnt, sich auf magische Weise wieder zusammenzufügen: Die Glasscherben und Rahmenfragmente umgeben erneut die Fotos, die Vasenteile nehmen ihre frühere Form an und landen auf den Tischchen, und die Blumenstängel gruppieren sich zu Sträußen. Nachdem die Rückverwandlung vollzogen ist, wirkt das Zimmer noch ordentlicher und friedlicher als zuvor, obwohl ein riesiger Hund hechelnd in seiner Mitte sitzt.

»Lasst uns ein Tässchen Tee trinken«, schlägt Mum vor und deutet auf die Sitzgruppe. »Nimmst du Zucker, Dora?«

»Heute nicht, danke, Maggie«, antwortet Dora und macht es sich auf dem Sofa bequem.

Mum schnipst erneut mit den Fingern, und drei Tassen Tee kommen aus der Küche angeflogen und landen in unseren Händen. Ich setze mich im Schneidersitz auf den Boden, und Merlin nimmt die Gestalt eines schwarzen Katers ein und rollt sich auf meinem Schoß zusammen.

Muffin sitzt immer noch ergeben vor Mum und wartet auf weitere Anweisungen. Sie schnipst mit den Fingern, und ein großer, weich gepolsterter Hundekorb erscheint in einer Zimmerecke nebst einer Wasserschüssel und einem Kauknochen.

»Mach es dir gemütlich, Muffin«, sagt Mum und weist mit dem Kinn Richtung Korb.

Dankbar leckt er ihr die Hand und trottet davon, um sich hinzulegen und genüsslich auf seinem Knochen herumzunagen.

»Keine Ahnung, wie du das immer anstellst, Maggie«, sagt Dora seufzend und blickt liebevoll zu Muffin hinüber, während sich Mac – noch immer in seiner Lieblingsgestalt als Corgi – vor ihren Füßen zu einem Schläfchen niederlässt. »Sogar die Tiere wissen, dass du die Chefin bist.«

»Ich stelle nur von Anfang an klar, wer das Sagen hat.« Mum lacht in sich hinein und setzt sich neben ihre Freundin, während Helena als Schmetterling auf ihrer Schulter landet. »Du warst schon immer zu weichherzig, und weder deine Tiere noch ich würden dich anders haben wollen.«

Dora lächelt, stellt ihre Teetasse ab und streicht die Knitterfalten in ihrem pinkfarbenen Rock glatt. Mich erstaunt immer wieder, wie gut sich Mum und sie verstehen, obwohl sie so unterschiedlich sind. Wenn man sie nebeneinander sieht, würde man nie darauf kommen, dass sie beste Freundinnen sind. Dora ist ein bunter Farbklecks voller Schleifchen und Regenbogenmuster, während meine Mum grundsätzlich aussieht, als wäre sie unterwegs zu einer wichtigen Vorstandssitzung, sogar an Tagen, an denen sie nur zu Hause herumhängt und faulenzt.

Da Dora direkt nebenan wohnt, ist es beinahe so, als hätte ich zwei Mütter, wofür ich sehr dankbar bin, vor allem, wenn Mum und ich uns mal streiten. Wenn ich Abstand von ihr brauche, muss ich nur ein paar Schritte zu Dora gehen und kann dort vor mich hin schmollen, mich mit frisch gebackenen Keksen füttern lassen und mir anhören, wie wunderbar ich doch sei.

Dank Dora habe ich es nie wirklich bedauert, keinen Vater zu haben. Ich hatte zwar mal einen, aber der ist abgehauen, als ich noch ein Baby war, und hat nie den Kontakt gesucht, daher weiß ich nichts über ihn. Etwas, was man nie kennengelernt hat, kann man wohl auch nicht vermissen.

Mum redet nie über meinen Vater, und ich stelle auch nicht gern Fragen über ihn, weil sie immer so traurig schaut, wenn er doch einmal in einem Gespräch auftaucht. Sie versucht, ihre Traurigkeit vor mir zu verbergen, aber man erkennt sie in ihren Augen. Auch wenn sie es nie ausgesprochen hat, verrät ihr Gesichtsausdruck, dass mein Vater – wer auch immer er ist – ihr das Herz gebrochen hat.

Im Laufe der Jahre habe ich jede Menge Theorien über ihn aufgestellt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein interessanter Typ ist. Meine Mutter würde sich niemals in einen Langweiler verlieben, und schon gar nicht würde sie einem solchen bis heute hinterhertrauern. Nein, er muss absolut UNGLAUBLICH sein und geht wahrscheinlich irgendeiner megawichtigen Arbeit nach, die ihn damals gezwungen hat, seine Familie zu verlassen.

Als ich noch kleiner war, dachte ich, er wäre vielleicht Astronaut und würde seit Jahren die Erde umkreisen oder befände sich auf einer bahnbrechenden Forschungsreise zu einem Lichtjahre entfernten Planeten. Was für eine dumme, unrealistische Theorie. Astronaut? Also echt. So was von kindisch.

Jetzt, da ich älter bin, habe ich eine deutlich logischere, erwachsenere Theorie.

Mein Vater ist natürlich Spion.

Warum hätte er sonst so vollkommen spurlos verschwinden müssen? Bestimmt befindet er sich irgendwo auf Undercover-Mission, und es wäre höchst gefährlich, wenn er Kontakt zu seiner Tochter aufnehmen würde. Dass er es nicht tut, ist als großes Opfer zu werten. Er muss der Typ Mann sein, der für sein Land einfach alles geben würde, so wie James Bond. Ich respektiere das. Kein Wunder, dass sich meine Mutter jedes Mal so aufregt, wenn sie an ihn denkt. Wer könnte einem derart heldenhaften, mutigen, integeren Mann schon das Wasser reichen?

Manchmal frage ich mich, ob ich ihn eines Tages, wenn er erfolgreich die Welt gerettet hat, endlich kennenlernen darf.

Ich hoffe es.

»Hey, wie war deine Silvesterparty, Emma?«, unterbricht Dora meine Gedanken und sieht mich gespannt an.

»Die war … äh … schön«, antworte ich knapp und trinke einen Schluck von meinem Tee.

»Mehr bekomme ich auch nicht aus ihr heraus«, teilt Mum Dora mit. »So schlecht kann es dort allerdings nicht gewesen sein. Sie war ziemlich lange weg.«

»Wie aufregend!«, ruft Dora.

Ich verdrehe die Augen. »Warum überrascht euch das so?«, frage ich trotzig, stelle meine Tasse ab und streiche Merlin geistesabwesend übers Fell. Sein Schwanz wedelt zufrieden hin und her.

»Weil wir dich förmlich aus dem Haus zwingen mussten und du uns immer wieder versichert hast, dass du nach zehn Minuten wieder abgeholt werden willst«, antwortet Mum grinsend. »Und dann dein dramatisches Gerede darüber, dass dich angeblich jeder an der Schule hasst und du überhaupt keine Freunde hast. Gib es zu: Die Party war super, genau wie wir es vorhergesagt haben!«

»Also, als super würde ich sie nicht gerade bezeichnen«, murmele ich. »Sie war … okay.«

Mum und Dora schütteln kichernd die Köpfe über mich, bevor sie dazu übergehen, über Mums Arbeit zu sprechen. Dora will von ihr wissen, wie es mit ihrem neuen großen Projekt läuft.

Wenn ich ehrlich bin, hatte ich tatsächlich Spaß auf der Party, was hauptsächlich an Oscar und Iris lag. Ohne die beiden hätte ich wirklich nach zehn Minuten die Flucht ergreifen müssen, weil ganz offensichtlich war, dass mich außer ihnen keiner dort haben wollte.

Oscar und ich hatten abrupt aufhören müssen, über Magie zu sprechen, als Iris zu uns herübergekommen war. Und wegen Iris war auch Felix zu uns zurückgeschlendert und hatte meine Anwesenheit notgedrungen ertragen. Es hatte nicht lange gedauert, bis sich ein ganzes Grüppchen in unserer Ecke zusammendrängte. Ich hatte angefangen, mich zu amüsieren, an Gesprächen teilzunehmen und mich wie ein normaler Mensch auf einer Party zu fühlen.

Merlin hatte sich ebenfalls benommen. Er war in seinem Versteck geblieben und hatte sich als Raupe auf meiner Schulter zusammengerollt, um ein Nickerchen zu halten.

Insofern ja: Der Großteil der Party war super, ABER dann hatte ich es doch noch geschafft, allen den Abend zu VERMASSELN.

Zum Glück wissen nur Oscar und ich, was WIRKLICH passiert ist. Trotzdem …

Dazu gekommen ist es folgendermaßen: Als wir während des Feuerwerks alle in Iris’ Garten standen und die bunten Farben bewunderten, die über unseren Köpfen explodierten und den Nachthimmel erhellten, beugte sich Oscar plötzlich zu mir und flüsterte mir ins Ohr, dass die Keine-Magie-Regel genau genommen erst gelte, wenn das neue Schulhalbjahr anfange.

»Und?«

»Vielleicht könntest du dieses Feuerwerk für uns alle noch ein bisschen spektakulärer machen«, sagte er grinsend.

Feuerwerk-Hexerei ist simpel, darin bin ich wirklich geübt.

Also schnipste ich unauffällig mit den Fingern, woraufhin die Raketen noch größer und farbenfroher wurden – es war das auffälligste Feuerwerk weit und breit. Um uns herum schnappten die anderen Partygäste nach Luft. »Oooooohs« und »Aaaaahs« waren zu hören, und alle starrten mit weit aufgerissenen Augen zum Himmel.

Oscar beugte sich erneut zu mir und flüsterte: »Gar nicht schlecht für eine Hexe.«

Ich drehte mich zu ihm um, um einen spitzen Kommentar über Zauberer loszulassen, aber er stand so dicht vor mir, dass meine Gedanken vollkommen durcheinandergerieten. Als ich in seine Augen blickte, ging ein seltsamer Ruck durch meinen Körper.

Plötzlich war neben uns ein ohrenbetäubender Knall zu hören, gefolgt von maschinengewehrähnlichem Knattern. Das Feuerwerk war komplett außer Kontrolle geraten, und die Raketen schossen pfeifend und zischend in alle Richtungen. Die Leute fingen an zu kreischen und rannten panikartig zum Haus, während die Feuerwerkskörper überall um uns herum explodierten.

»Emma!«, schrie Oscar und kauerte sich mit zugehaltenen Ohren auf den Boden. »Was hast du getan?«

Weil gerade ein Feuerwerkskörper auf uns zugerast kam, legte ich mich flach auf den Rasen. Er verfehlte meinen Kopf nur knapp und explodierte knapp oberhalb der Dachziegel von Iris’ Haus.

»Du musst dich konzentrieren!«, wies mich Merlin an, der neben meinem Ohr saß. »Emma! Konzentrier dich!«

Ich versuchte die Schreie meiner Klassenkameraden auszublenden, die um ihr Leben rannten, hinter Bäumen und Hecken Schutz suchten oder durch die Haustür zurück ins