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Emma Charming – Nicht zaubern ist auch keine Lösung E-Book

Katy Birchall

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Beschreibung

Die Neue hat magische Kräfte, und keiner darf's wissen!Emma Charming hat dreizehn Jahre lang darauf gewartet, endlich eine Schule besuchen zu dürfen. Als junge Hexe darf sie erst unter normale Menschen, wenn sie ihre magischen Kräfte völlig unter Kontrolle hat. Das hat sie natürlich! Hofft Emma jedenfalls. Hoch und heilig verspricht sie, in der Schule auf jegliche Magie zu verzichten. Doch schon am ersten Tag geht alles schief – so wird sie nie Freunde finden! Und wenn sie doch ein kleines bisschen nachhilft? Was mit einer »Verbesserung« des eigenen Tanztalents ganz harmlos beginnt, stürzt Emma schnell von einem magischen Fettnäpfchen ins nächste. Am Ende wird sie die Drachen, die sie rief, buchstäblich nicht wieder los ... Kann Emma das Chaos noch aufhalten, ohne sich selbst zu verraten?Die »Plötzlich It-Girl«-Autorin ist zurück – so witzig, wie wir sie lieben, so magisch wie noch nie!Alle Bände der Mini-Serie:Band 1: Emma Charming - Nicht zaubern ist auch keine LösungBand 2: Emma Charming - Aus Versehen verzaubertSerie bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 328

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Katy Birchall

Emma Charming

Nicht zaubern ist auch keine Lösung Band 1

Roman

Aus dem Englischen von Verena Kilchling

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Inhalt

WidmungKapitel einsKapitel zweiKapitel dreiKapitel vierKapitel fünfKapitel sechsKapitel siebenKapitel achtKapitel neunKapitel zehnKapitel elfKapitel zwölfKapitel dreizehnKapitel vierzehnKapitel fünfzehnKapitel sechzehnKapitel siebzehnKapitel achtzehnKapitel neunzehnKapitel zwanzigKapitel einundzwanzigKapitel zweiundzwanzigKapitel dreiundzwanzigKapitel vierundzwanzigKapitel fünfundzwanzigKapitel sechsundzwanzigLeseprobe Band 2Der erste Tag des [...]Dank

Für Ben

Kapitel eins

Das ist er. Der Moment, auf den ich mein ganzes Leben gewartet habe.

Ich knie vor der Großen Hexenmeisterin, die sich nun erhebt und die Arme gen Himmel streckt. Die langen schwarzen Ärmel ihres Gewands blähen sich im Wind. Das einzige Geräusch, das die gespenstische Stille des nächtlichen Waldes durchbricht, ist das Knistern des Feuers hinter mir. Als die Große Hexenmeisterin einen Schritt auf mich zu macht, heben die anderen Hexen, die um uns herumsitzen, die Köpfe und beobachten sie erwartungsvoll.

»Emma Charming.«

Meine Hände zittern, und mein Herz klopft laut in meiner Brust. Jetzt wird es ernst. Ich blicke auf und sehe ihr in die Augen.

»Emma Charming«, wiederholt sie. »Der Hexenrat ist zu einer Entscheidung gelangt. Hiermit verkünde ich, dass …«

Sie zögert. Die anderen Hexen werfen sich gegenseitig verwirrte Blicke zu. Mir bleibt vor Aufregung die Luft weg. Warum spricht sie nicht weiter?

Nein. Das darf nicht sein. Es darf nicht vorbei sein. Nicht so.

»Hiermit verkünde ich, dass …«

Sie hält erneut inne. Die eintretende Stille ist unerträglich.

»Oh, Schätzchen«, sagt sie seufzend, und ihre Stimme nimmt sofort einen sanfteren Tonfall an. »Du hast da einen schwarzen Fleck im Gesicht! Wahrscheinlich Asche vom Feuer. Komm her.«

Sie leckt sich den Daumen und streckt die Hand aus, um mir über die Wange zu reiben.

»Mum!«, zische ich und schiebe ihre Hand weg. Die anderen Hexen fangen an zu kichern. »Lass das! Was machst du denn da?«

»Siehst du, schon weg.« Sie lächelt zufrieden. »Also, wo war ich stehengeblieben?«

»Du wolltest gerade das Ergebnis verkünden«, hilft ihr Dora fröhlich auf die Sprünge. »Und zieh es bitte nicht so in die Länge, Maggie. Mein Rücken tut schon weh vom Sitzen auf dem harten Waldboden.«

»Genau«, meldet sich Sephy zu Wort. »Mein Hintern ist auch schon ganz taub.«

»Wir könnten uns doch einfach ein paar schöne, bequeme Sitzgelegenheiten herbeihexen. Wozu ist man denn eine Hexe?« Dora grinst. »Zum Beispiel so etwas.«

Sie schnipst mit den Fingern und sitzt plötzlich auf einem gemütlichen Sofa.

»Schon besser«, sagt sie seufzend. »Fahr doch bitte fort, Maggie.«

»Dora, das ist nicht erlaubt«, tadelt Mum sie lachend. »Wir müssen uns an die Tradition halten, und die Tradition verlangt nun mal, dass wir auf dem Boden sitzend einen Kreis bilden, während ich das Ergebnis der Junghexenprüfung verkündige. Du kennst doch die Regeln.«

Mum schnipst nun ihrerseits mit den Fingern, und das Sofa verschwindet. Dora kauert wieder im Schneidersitz auf der nackten Erde.

»Mit den Hexen, die diese Tradition zu verantworten haben, würde ich gern mal ein Wörtchen reden«, schnaubt Dora entrüstet und verschränkt die Arme, wobei sie sich versehentlich ihren viel zu weiten Ärmel ins Gesicht schlägt. »Bei der Gelegenheit würde ich auch gleich nachfragen, warum wir beim Beurteilen der Junghexen diese dämlichen Gewänder tragen müssen! Unpraktischer geht es kaum!«

»Bitte, tu dir keinen Zwang an«, fordert Sephy sie mit einem frechen Grinsen auf und zeigt auf die Hexe neben sich. »Meine Mutter war eine dieser Hexen.«

Ihre Mutter hebt verwirrt den Kopf. »Was? Was hast du gesagt?«

»Ich habe Dora nur mitgeteilt, dass du einst die Tradition mitbegründet hast, dass wir zu diesem Anlass auf dem Boden im Kreis sitzen, stimmt’s nicht, Mutter?«, sagt Sephy laut. »Weißt du nicht mehr? Damals, vor rund zweihundert Jahren.«

»Ist die dämliche Zeremonie endlich vorbei?«, fragt die betagte Hexe zurück, ohne auf die Frage ihrer Tochter einzugehen. »Ich glaube nämlich, es fängt gleich an zu regnen.«

Sephy seufzt. »Das sagst du immer, Mutter.«

»Es stimmt ja auch immer.« Ihre Mutter verschränkt würdevoll die Arme.

»Oh, tatsächlich!«, ruft eine junge Hexe auf der gegenüberliegenden Seite des Sitzkreises. »Ich glaube, ich habe gerade einen Regentropfen auf der Nase gespürt.«

Die beiden Hexen neben ihr murmeln zustimmend.

»HALLO!«, rufe ich und winke mit den Armen. Alle sehen mich verwundert an, als hätten sie ganz vergessen, dass ich da bin. »Wir sind hier noch nicht fertig. Wäre es zu viel verlangt, dass ihr den heutigen Anlass wenigstens ein kleines bisschen ernst nehmt?«

»Entschuldige, Emma«, sagt Mum und wirft Dora und Sephy strenge Blicke zu. »Du hast vollkommen recht. Dies ist ein sehr wichtiger Moment für dich. Also, ich wollte gerade meine Verkündigung machen, nicht wahr?«

Sie räuspert sich und verfällt wieder in einen sachlicheren Tonfall.

»Emma Charming, der Hexenrat ist zu einer Entscheidung gelangt. Hiermit verkünde ich, dass …«

»WARTE!«, brüllt Sephy und jagt der gesamten Runde einen gewaltigen Schrecken ein. Sie hebt theatralisch die Hände, schließt die Augen und holt tief Luft.

»Was ist denn, Sephy?«, fragt Mum verdutzt. Alle Hexen starren Sephy erwartungsvoll an. »Stimmt etwas nicht?«

Nach einer Weile reißt sie die Augen wieder auf und verkündet feierlich: »Ja! Es regnet wirklich!«

Ich vergrabe stöhnend meinen Kopf in den Händen, während die Runde einhellig über das englische Wetter zu schimpfen beginnt.

Regenschirme tauchen auf und breiten sich schützend über die im Kreis sitzenden Hexen. Mum schnipst mit den Fingern und richtet ihren Blick dabei fest auf das Feuer. Dann zwinkert sie mir zu. »Jetzt kann der Regen den Flammen nichts mehr anhaben.«

»Toll«, murmele ich leise. »Könnt ihr mich nicht einfach auch ins Feuer werfen?«

»Das würde ich dir nicht empfehlen, Emma«, mischt sich Dora ein. Der Schirm über ihrem Kopf hat die Form eines Flamingos und ist knallpink und glitzert. »Es dauert ewig, bis man den Ruß wieder aus den Haaren bekommt.«

Die Hexen um mich herum beginnen sich angeregt über das Wetter und die besten Haarpflegetipps zu unterhalten, während ich mich aus meiner knienden Position in die Hocke erhebe und einen schweren Seufzer ausstoße. Mir schwant nichts Gutes. Vielleicht verzögern die Hexen die Verkündigung meines Ergebnisses absichtlich, weil ich durch die Prüfung gerasselt bin und sie sich davor drücken wollen, mir die schlechte Nachricht zu überbringen.

Wäre nicht das erste Mal.

Eigentlich müssten sie inzwischen Übung im Überbringen schlechter Nachrichten haben, schließlich ist es bereits das achte Mal, dass ich die Junghexenprüfung, auch JHP genannt, in Angriff nehme. Bei meinem ersten Versuch war ich fünf Jahre alt, und es lief ziemlich schlecht. Spektakulär schlecht sogar. Dora gab mir die Anweisung, eine Steckrübe drei Sekunden in der Luft schweben zu lassen und sie danach vorsichtig wieder auf dem Boden abzusetzen. Eine Standardaufgabe bei der JHP, die ich zu Hause viele Male geübt hatte. Wie immer versuchte ich, mich ganz auf die Steckrübe zu konzentrieren, ohne mich von meiner Nervosität beirren zu lassen. Mühsam schluckte ich den Kloß in meiner Kehle herunter. Mein Mund war staubtrocken, und meine Hand zitterte, als ich mit den Fingern schnipste und …

… Dora in eine Steckrübe verwandelte. Eine zutiefst traumatische Erfahrung für uns beide.

Sie war dennoch sehr verständnisvoll, und Mum machte den misslungenen Hexenzauber sofort wieder rückgängig. Dora musste also nicht besonders lange als Steckrübe herumlaufen. Hinterher ließ sie sich wortreich darüber aus, was für große Hexenkräfte es doch erahnen lasse, wenn man bereits mit fünf Jahren in der Lage sei, jemanden in eine Steckrübe zu verwandeln. Ich bewies ihr schon bald das Gegenteil, denn im darauffolgenden Jahr fiel ich erneut durch die Prüfung, genau wie zwei Jahre später, drei Jahre später … und so weiter und so fort.

Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob meine Bemühungen dieses Mal endlich von Erfolg gekrönt sein werden. Jedenfalls habe ich während der heutigen Prüfung niemanden in eine Steckrübe verwandelt, das ist schon mal vielversprechend. Als Dora nach vorn trat und mir die Anweisung gab, »einen Korb Birnen mit Mini-Zylindern auf dem Kopf« herbeizuhexen, zögerte ich allerdings kurz und warf ihr einen zweifelnden Blick zu. Für zögerliches Ausführen von Prüfungsaufgaben gibt es Punktabzug, das weiß ich.

Aber was ist das auch für eine merkwürdige Prüfungsaufgabe? Wann werde ich jemals plötzlich einen Korb Birnen mit Zylindern brauchen in meinem Leben? Mir entging nicht, dass auch Mum die Augen verdrehte, doch sie bat Dora nicht, mir eine neue Aufgabe zu stellen.

Dora wirkte ganz zufrieden mit den Birnen, die ich herbeihexte, mein Zögern hat mein Abschneiden also hoffentlich nicht allzu sehr beeinträchtigt. Sie nahm eine Birne aus dem Weidenkorb, den ich ihr präsentierte, betrachtete sie eingehend und brach in Gekicher aus. Dann hielt sie die Birne für die anderen Hexen hoch und rief: »Seht euch mal diese Birne an! Die hat einen Zylinder auf dem Kopf! Eine Birne mit einem Zylinder! Hihi!«

Als Nächstes verlangte sie von mir, einen großen Ast, der vor mir auf dem Boden lag, durch die Luft schweben zu lassen und ihn dann sanft wieder auf dem Boden abzusetzen, eine Aufgabe, die ich mit Bravour meisterte.

Bei der dritten Aufgabe mache ich mir hingegen ein wenig Sorgen, dass ich zu lange gebraucht haben könnte. Ich sollte eine kaputte Dusche, die wie aus dem Nichts vor mir auftauchte, wieder funktionstüchtig hexen. Letztendlich gelang mir das auch, allerdings nicht, ohne zwei Hexen mit dem unkontrolliert herumschießenden Duschkopf völlig zu durchnässen. Die beiden warfen Dora, die mühsam ein Lachen unterdrückte, äußerst unwirsche Blicke zu, bevor sie mit den Fingern schnipsten und sich wieder trocken hexten.

Ich hoffe einfach nur inständig, dass ich gut genug abgeschnitten habe, um die Prüfung endlich zu bestehen!

Die JHP ist die wichtigste Prüfung, die man als Hexe ablegen kann, denn wenn man sie besteht, bedeutet das, dass man seine magischen Kräfte gut genug beherrscht, um auf eine öffentliche Schule gehen zu dürfen. Die anderen Hexen trauen einem dann zu, ihr Geheimnis – nämlich dass Hexen bis heute existieren – sicher zu bewahren. Einer der größten Vorteile einer bestandenen JHP ist jedoch, dass man lernen darf, auf einem Hexenbesen zu fliegen.

Da ich bisher immer durch die Prüfung gerasselt bin, durfte ich noch nicht zur Schule gehen oder fliegen lernen. Stattdessen bin ich mein ganzes Leben lang zu Hause unterrichtet worden. Nicht, dass das besonders schlimm wäre. Dora, die beste Freundin meiner Mutter und unsere direkte Nachbarin, ist meine Hauslehrerin, und es ist immer lustig mit ihr, weil sie so verrückt ist.

Trotzdem muss ich jeden Tag mit meinen Büchern zu Hause herumsitzen, während andere Hexen in meinem Alter zur Schule gehen und Freundschaften schließen dürfen.

Dora ist echt super, aber auch ein bisschen schrullig. Neulich hat sie ihr Handy als »tragbare Kommunikationsmaschine« bezeichnet. Außerdem findet sie Birnen mit Zylindern auf dem Kopf zum Totlachen. Es wäre daher schön, zur Abwechslung mal Zeit mit Gleichaltrigen zu verbringen.

Na ja, wenn ich ehrlich bin, habe ich in den letzten Jahren vielleicht nicht immer dazu beigetragen, besonders verantwortungsbewusst und vertrauenswürdig zu erscheinen. Mir sind da so ein paar Missgeschicke passiert, rein versehentlich natürlich. Mum nimmt es mir beispielsweise bis heute übel, dass ich damals diesen Jungen in eine Kröte verwandelt habe – dabei hatte er es absolut verdient! Dazu gekommen war es folgendermaßen: Ich war mit Dora und Mum im Park und probierte mein neues Fahrrad aus. Als ich gerade meinen Helm anzog, kam der besagte Junge auf seinem Skateboard vorbei und rief laut: »HAHA, DU EIERKOPF!«

Daraufhin ballte ich wütend die Fäuste und muss dabei ZUFÄLLIG mit den Fingern geschnipst haben.

Jedenfalls fuhr vor mir plötzlich eine Kröte auf einem Skateboard durch den Park.

Ich fand den Anblick ziemlich lustig, und wenn irgendjemand mit einem Handy vor Ort gewesen wäre und die Kröte auf ihrem Skateboard gefilmt hätte, wäre das mit Sicherheit der Hit auf YouTube geworden. Leider ging Mum komplett an die Decke deswegen. Sie verwandelte den Jungen umgehend in sein bescheuertes Ich zurück, aber seine Erinnerung an den Vorfall konnte sie nicht auslöschen, denn das geht nur mit Zaubertrank. Und Hexen brauen keine Zaubertränke. Zauberer brauen Zaubertränke.

Unglücklicherweise hassen Hexen Zauberer, und diese Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit.

Mum war stinksauer, weil sie zum Großen Zaubermeister gehen und ihn bitten musste, ihr bei der Beseitigung des von mir angerichteten Chaos zu helfen. Es gibt nichts Demütigenderes für eine Hexe, als einen Zauberer um Hilfe bitten zu müssen. Ich hatte danach EWIG Hausarrest und bekam noch wochenlang Strafpredigten zu hören.

»Du kannst nicht einfach herumlaufen und Leute in Kröten verwandeln!«, schimpfte Mum immer wieder.

»Wenn sie mich Eierkopf nennen, muss ich mich doch wehren!«, argumentierte ich.

»Aber nicht mit Magie«, widersprach Mum aufgebracht. »In der realen Welt sind uns Hexen solche Dinge nicht erlaubt.«

»Was hat es denn für einen Sinn, eine Hexe zu sein, wenn ich einen Jungen, der mich Eierkopf nennt, nicht in eine Kröte verwandeln darf?«, protestierte ich lautstark.

Darauf hatte sie keine Antwort. Obwohl ich heute, ein paar Jahre später, durchaus verstehe, warum es besser gewesen wäre, nicht gleich auszurasten und gedankenlos herumzuhexen, stehe ich nach wie vor zu meiner Meinung, dass der Junge es verdient hatte und als Kröte sehr viel netter war.

Aber egal.

Im Moment zählt nur, dass ich in ein paar Tagen dreizehn werde und eine SEHR reife und SEHR begabte Hexe bin, die problemlos auf eine normale Schule gehen und normale Freundschaften schließen kann, ohne gleich auszuplaudern, dass sie über magische Kräfte verfügt. Eigentlich hätte ich die JHP schon vor Jahren bestehen müssen, doch aus irgendeinem Grund habe ich es immer wieder vermasselt. Vielleicht, weil ich mit dem Prüfungsdruck nicht umgehen konnte.

Was übrigens nicht besonders toll ist, wenn man zufällig die Tochter der Großen Hexenmeisterin ist. Dadurch wirkt eine nicht bestandene Prüfung gleich tausendmal schlimmer.

»Sei nicht albern, Emma«, sagte Mum, nachdem ich letztes Jahr im Anschluss an die wieder einmal verhauene Prüfung mit ihr über dieses Thema sprach. »Dass ich die Große Hexenmeisterin bin, spielt doch überhaupt keine Rolle.«

»Mum«, erwiderte ich seufzend. »Du bist so gut im Hexen, dass du von allen Hexen Großbritanniens dazu auserkoren wurdest, dem Hexenrat vorzustehen und sämtliche wichtigen Hexenentscheidungen zu treffen.«

»Als jüngste Kandidatin, die jemals zur Großen Hexenmeisterin erwählt wurde«, fügte Mum mit einem versonnenen Blick hinzu, bevor sie sich beim Anblick meines frustrierten Stirnrunzelns zusammenriss. »Nicht, dass das von Bedeutung wäre. Ist doch nur ein Titel, nichts weiter.«

»Trotzdem. Alle erwarten von mir, dass ich genauso glänzend bestehe wie du damals. Stattdessen bin ich als Hexe eine absolute Vollkatastrophe.«

»Nein, bist du nicht«, widersprach sie bestimmt. »Du bist eine großartige Hexe, du glaubst nur nicht genug an dich. Während der Prüfung bist du den aufmerksamen Blicken des Hexenrats ausgesetzt und lässt dich davon unter Druck setzen. Du gerätst in Panik und machst Fehler, genau wie unzählige großartige Hexen vor dir. Nächstes Jahr bestehst du mit Bravour, du wirst sehen.«

Nun, ein Jahr nach diesem Gespräch, hocke ich hier im Wald und warte darauf, dass mir endlich das Ergebnis einer Prüfung verkündet wird, die, seit ich denken kann, wie eine finstere Wolke über mir schwebt – und alle sind nur damit beschäftigt, über den Regen zu plaudern!

»Ich erinnere mich noch gut an das große Unwetter von 1859«, erklärt Sephys Mutter in düsterem Tonfall. »Ihr hättet sehen sollen, wie es damals stürmte! So etwas habe ich davor und danach nie wieder erlebt.«

»O ja, ich erinnere mich«, nickt eine ebenfalls betagte Hexe auf der anderen Seite des Sitzkreises. »Fast wäre mir der Schornstein vom Dach geweht.«

»MUM!«, übertöne ich verzweifelt das Stimmengewirr. »Bin ich wieder durchgefallen? Kannst du mich nicht endlich von meinem Elend erlösen? Es ist absolut okay, wenn ich auch diesmal nicht bestanden habe, ich komme damit klar.«

Schweigen senkt sich über die Runde herab. Mum holt tief Luft.

»Nein, Emma Charming«, sagt sie mit einem liebevollen Lächeln. »Du hast es geschafft. Du hast bestanden!«

Kapitel zwei

Der laute Jubel und die Glückwunschrufe des Hexenrats hallen durch den Wald, und ich hüpfe aufgeregt auf der Stelle und rufe: »JUCHHU! ENDLICH!«

»Gut gemacht, Emma«, lobt mich Mum lachend und tritt nach vorn, um mir die Hände auf die Schultern zu legen. Sie sieht mir fest in die Augen. »Du hast dich wacker geschlagen. Ich bin stolz auf dich!«

»Glückwunsch, Emma«, sagt Dora, steht mit laut knackenden Gelenken auf und umarmt mich überschwänglich.

Als wir uns wieder voneinander lösen, sehe ich, dass ihr dicke Tränen übers Gesicht kullern.

»Dora? Warum weinst du?«, frage ich. »Ist das nicht die BESTE NACHRICHT ALLER ZEITEN? Du kannst endlich dein normales Leben weiterführen und musst dich nicht mehr täglich mit mir als Schülerin herumschlagen!«

Doras Gesicht verzieht sich, und sie bricht in lautes, heftiges Schluchzen aus. Ich blicke ratlos zu Mum hinüber. Sie lächelt nur teilnahmsvoll und legt ihrer besten Freundin den Arm um die Schultern.

»Sieht aus, als würde deine Hauslehrerin unter Trennungsschmerz leiden, Emma.«

»Unsinn«, widerspricht Dora resolut und schnäuzt sich in ein blaugepunktetes Taschentuch. »Ich könnte nicht begeisterter sein von der neuen Situation. Ab jetzt habe ich jede Menge Zeit zur Verfügung, zum Beispiel für neue, interessante Hobbys. Und du, Emma … na ja, du … wirst zur Schule gehen … und erwachsen werden und …«

Dora bricht ab, weil ihr die Stimme versagt. Sie schlingt die Arme um mich und zieht mich erneut an sich, hält mich so fest umklammert, dass ich kaum Luft bekomme.

»Wir werden uns trotzdem ganz oft sehen, Dora, du wohnst doch nebenan«, murmele ich an ihrer Schulter. »Wahrscheinlich wird es mir ganz guttun, endlich mal ein paar Gleichaltrige kennenzulernen. Und mal etwas ganz allein zu machen.«

»Ganz allein bestimmt nicht«, sagt eine nüchterne, gelangweilte Stimme zu meinen Füßen. »Ein unglücklicher Zufall will es, dass wir auf immer und ewig aneinander gekettet sind.«

Merlin. Fast hätte ich vergessen, dass es ihn gibt.

Auch wenn es viele magische Vorteile hat, einen entscheidenden Nachteil bringt das Hexendasein mit sich: Man hat stets ein Begleittier an seiner Seite.

Genau das hat uns Hexen oft verraten, damals im sechzehnten Jahrhundert, als plötzlich alle durchdrehten und Jagd auf uns machten. Jede Hexe besitzt nämlich einen sogenannten Vertrauten, der sie führt und begleitet, und so wurden schnell alle rätselhaften Frauen mit schwarzen Katzen auf der Schulter zu Verdächtigen.

Ich wünschte, ich könnte statt Merlin ein süßes, flauschiges, stinknormales Hauskätzchen haben, aber leider ist mein Vertrauter genau wie das meiste andere in meinem Leben eine absolute Katastrophe. Ihr stellt euch jetzt vielleicht einen liebenswerten, wohlgesinnten Begleiter vor – gemeinsam durch dick und dünn, bedingungslose Freundschaft und so. Weit gefehlt. Merlin verbringt den Großteil des Tages damit, mich auf meine vielen Unzulänglichkeiten hinzuweisen und sich über mich lustig zu machen. So wie neulich, als er mich fragte, ob mir auch schon aufgefallen sei, dass ich für ein Mädchen ziemlich behaarte Hände hätte.

Nein, es war mir noch nicht aufgefallen, aber von da an konnte ich an nichts anderes mehr denken.

Merlin kann wie alle Vertrauten nach Belieben seine Gestalt verändern. Vertraute können sich zwar nicht in Menschen verwandeln, aber in so ziemlich jedes andere Wesen. Und sie bleiben für immer bei der ihnen zugewiesenen Hexe. Ich werde Merlin also nie wieder los, mein ganzes restliches Leben nicht.

Ganz schön deprimierend.

Während der heutigen Prüfung hatte Merlin beschlossen, die Gestalt einer Wespe anzunehmen und die Hexen zu nerven, indem er ihre Ohren umschwirrte, bis Mum ihm einen ÄUSSERST strengen Blick zuwarf. Daraufhin hatte er sich schnell in eine Ratte verwandelt und es sich neben dem Feuer gemütlich gemacht.

Meine Mutter kann sehr einschüchternd wirken, wenn sie will. Sie ist nicht umsonst die Große Hexenmeisterin.

»Ach, Merlin«, sage ich nun seufzend. »Ich weiß genau, dass du dich insgeheim freust, egal, was du sagst. Nachdem ich endlich die Prüfung bestanden habe, wird unser Leben deutlich interessanter, meinst du nicht auch?«

»Unser Leben? Das Leben ist doch generell völlig überbewertet«, antwortet er gähnend, wofür er einen bösen Blick von Mums Vertrauter Helena kassiert, die in Gestalt einer Bengalkatze neben ihrer Herrin steht.

»Du könntest Emma ruhig ein bisschen mehr unterstützen«, zischt ihm Helena zu. »Sie hat hart auf dieses Ziel hingearbeitet, und als ihr Vertrauter solltest du dich darüber freuen, dass sie so erfolgreich …«

»Bla, bla, bla«, unterbricht Merlin sie unhöflich. »Sind wir hier endlich fertig?«

»Ich verstehe echt nicht, wie du diesen Kerl erträgst, Emma!«, faucht Helena mit gesträubtem Fell.

»Es ist ein täglicher Kampf«, gebe ich zu.

»Wenn ich nur daran denke, dass ich jetzt mit dieser reizenden Lydia Cooper auf Bora Bora sein könnte!«, mault Merlin. »Das ist mal eine richtige Hexe!«

Ich sehe Mum an und verdrehe genervt die Augen. Merlin erinnert mich gern und oft daran, dass er als Vertrauter für Lydia Cooper in Betracht gezogen wurde, eine junge Hexe, die auf Bora Bora lebt. Betrüblicherweise (so sieht er es) wurde er stattdessen mir zugeteilt und dazu verdammt, ein Leben im Elend zu führen.

»Schluss damit, Merlin«, rügt ihn Mum. »Wir wissen alle, dass das nicht stimmt. Jeder Vertraute ist vom Schicksal nur für eine ganz bestimmte Hexe vorgesehen. Es kann also gar nicht sein, dass du für eine andere in Betracht gezogen wurdest.«

»Ich wette, Lydia Cooper schlürft gerade Kokoswasser unter Palmen und blickt dabei aufs türkisblaue Meer hinaus.« Merlin seufzt. »Ich hingegen befinde mich mitten in einem englischen Wald, umgeben von Hexen, die um ein Feuer herumtanzen, und einem verwirrt dreinblickenden Mann mit miserablem Modegeschmack.«

»Was?«, fragt Mum erschrocken. »Was soll das heißen, einem Mann mit …«

Sie folgt Merlins Blick und schnappt nach Luft.

»Dora!«, ruft sie, packt ihre beste Freundin beim Arm und zeigt über meine Schulter hinweg.

Doras Ehemann steht mit einer dicken Fleecejacke, einer Stirnlampe und einer Kamera um den Hals im Wald und starrt uns entsetzt an.

Dora wirbelt herum und stößt bei seinem Anblick einen tiefen Seufzer aus. »Nein, nicht schon wieder!«

»D-Dora?«, stammelt er, mit Augen so groß wie Untertassen. Inzwischen haben auch die letzten Hexen aufgehört, vor Freude über meine bestandene Prüfung ums Feuer herumzutanzen. »W-was m-machst d-du …?«

»Hallo, Howard!«, begrüßt ihn Dora und winkt betont fröhlich. »Wieder mal auf Dachsbeobachtung? Du hättest mir sagen sollen, dass du noch raus willst!«

Sie dreht sich zu Mum um. »Keine Sorge, ich habe noch ein wenig Zaubertrank vom letzten Mal. Ich sorge dafür, dass er ihn heute Abend trinkt, dann ist bald alles nur noch ein ferner Traum. Wir sehen uns später zu Hause.«

»Danke, Dora«, antwortet meine Mutter lächelnd. »Hallo, Howard, schön, dich zu sehen!«

Dora nimmt ihren Mann beim Arm und zieht ihn von uns weg, während er weiter schockiert vor sich hin brabbelt. Mum wendet sich unterdessen an die versammelten Hexen.

»Tja, ich denke, wir sind dann fertig für heute Abend. Es war wunderbar, euch alle zu sehen, ich freue mich schon auf unsere nächste Versammlung!«

Wir winken den anderen Hexen zum Abschied zu und beobachten, wie sie nach und nach auf ihren Hexenbesen in der Nacht verschwinden, nicht ohne mir letzte Glückwünsche zuzurufen. Mum legt eine Hand auf meine Schulter und drückt sie liebevoll. Dann schlägt sie die Haube ihres Gewands zurück.

»Du hast es geschafft, Emma! Ich wusste es«, sagt sie mit einem stolzen Lächeln.

»Hat ja auch lange genug gedauert.«

»Allerdings«, murmelt Merlin, aber es ist mir ausnahmsweise egal. NICHTS könnte mein derzeitiges Glücksgefühl trüben, nicht einmal mein griesgrämiger Vertrauter.

»Wie lange es dauert, spielt keine Rolle«, versichert mir Mum und wirft Merlin einen bitterbösen Blick zu. »Am Ende warst du erfolgreich, nur das zählt. Bist du bereit für dein nächstes Abenteuer?«

Ich schnipse mit den Fingern und lasse kleine Feuerwerkskörper in den Himmel hinaufschießen, wo sie in einem Regenbogen aus Farben explodieren. Merlin, der sich inzwischen in ein kleines Äffchen verwandelt hat und auf meiner Schulter kauert, hält sich mürrisch die Ohren zu.

»Ja«, antworte ich grinsend. »Bin ich!«

Kapitel drei

Einige Tage nach meiner Prüfung wache ich morgens davon auf, dass lautes Flüstern durch meine Zimmertür dringt.

»Mach schon! Schnell, bevor sie aufwacht!«

»Ich komme ja.«

»Pass auf, dass du nicht auf die knarrende Bodendiele trittst!«

»Welche?«

»Die da vorne.«

»Welche da vorne?«

»Du weißt schon. Die da. Die da vorne!«

»Ach so. Na klar, ich steige drüber.«

Eine Sekunde später gibt die lockere Bodendiele auf dem Treppenabsatz ein lautes Knarren von sich. Totenstille. Ich grinse in mich hinein. Kurz darauf beginnt das Flüstern erneut.

»War ja KLAR, dass du die EINZIGE knarrende Diele erwischt!«

»Du hattest auf eine ganz andere Diele gezeigt!«

»Stimmt nicht. Ich habe sie ja fast schon mit dem Finger berührt!«

»Von wegen! Dein Finger hat viel weiter nach rechts gezeigt! Kennst du deine eigenen Bodendielen nicht, oder wie?«

Merlin, der sich die ganze Nacht als Siebenschläfer neben mir ins Kissen geschmiegt hat, verwandelt sich in einen stacheligen Igel.

»Können die beiden mal endlich zum Ende kommen?«, faucht er und rollt sich zu einer Kugel zusammen.

»Pst!«, mache ich stirnrunzelnd, schließe die Augen und tue so, als würde ich schlafen.

»Okay«, höre ich meine Mutter flüstern. »Sollen wir jetzt reingehen?«

»Ja, legen wir los!«

»Ich zähle bis drei, und dann rufen wir laut Überraschung!.«

»Überraschung!? Meinst du? Sollten wir nicht lieber Alles Gute zum Geburtstag! rufen?«

»Aber es ist doch eine Überraschung.«

»Ja, eine Überraschung zum Geburtstag.«

»Also gut. Dann eben Alles Gute zum Geburtstag!.«

»Hm. Vielleicht ist Überraschung! doch besser. Klingt kürzer und prägnanter.«

»DORA!«

»Was denn? Ich bin bereit! Nichts wie rein!«

»Eins … zwei … drei!«

Die Tür geht ruckartig auf, und das Licht wird eingeschaltet. Auf ein Fingerschnipsen meiner Mutter hin fliegen bunte Luftschlangen durch mein Zimmer, Glitter rieselt von der Decke, und eine riesige Torte mit lila Zuckerguss kommt zu mir ans Bett geschwebt.

»ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG!«, ruft Mum.

»ÜBERRASCHUNG!«, ruft Dora gleichzeitig.

Die beiden sehen sich irritiert an, und ich breche in Gelächter aus, während Merlin sich griesgrämig unters Kissen verzieht. Er war immer schon ein Morgenmuffel.

»Wow, wie cool!« Ich beobachte lächelnd, wie überall um mich herum der Glitter durch die Luft schwebt und dann praktischerweise verschwindet, bevor er den Boden erreicht und für Unordnung sorgen könnte. Typisch Mum. »Danke!«

»Alles Gute zum dreizehnten Geburtstag, Emma!« Mum kommt zu mir, um mich fest zu umarmen. »Vor dir liegt ein aufregendes neues Lebensjahr!«

»Unglaublich, dass du jetzt ein echter Teenager bist!«, sagt Dora und umrundet mit feuchten Augen mein Bett, um mir einen dicken Kuss auf die Wange zu drücken. »Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als du geboren wurdest.«

»Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug«, bestätigt Helena und flattert in Gestalt eines Schmetterlings um die Torte herum, die immer noch vor mir in der Luft schwebt.

»Jetzt bestärke Dora nicht auch noch, Helena.« Mac, Doras Vertrauter, der in seiner Lieblingsgestalt als Corgi neben seiner Herrin steht, kichert. »Sie ist doch schon gerührt genug. Gleich öffnen sich alle Schleusen.«

»Sei still, du frecher Kerl!«, rügt ihn Dora und tätschelt ihm liebevoll den Kopf. »Ich habe nur ein bisschen Glitter ins Auge bekommen.«

»Komm, wir gehen runter und bereiten das Frühstück vor«, fordert Mum sie lachend auf und zwinkert mir zu. Dann zieht sie Dora aus dem Zimmer, die sich mit ihrem Ärmel die Augen trocken tupft. »Bis gleich, Geburtstagskind!«

Ich freue mich so auf den heutigen Tag, dass ich im Handumdrehen angezogen bin und mir die Haare zusammengebunden habe. Fröhlich hüpfe ich die Treppe hinunter und gehe in die Küche. Merlin folgt mir lustlos in Gestalt eines schwarzen Katers.

Mum und Dora sitzen schon am Küchentisch. Mum nippt an einem Becher Kaffee – vermutlich bereits dem zweiten des Tages –, und Dora hat eine große Kanne Tee vor sich stehen. Wenn sie direkt nebeneinander sitzen, wirken sie so grundverschieden, dass kein Außenstehender sie für beste Freundinnen halten würde. Mum ist vernünftig, hat eine autoritäre Ausstrahlung und ein eher ruhiges Temperament. Dora ist hingegen laut, spontan und chaotisch. Der Kleiderstil der beiden könnte ebenfalls nicht gegensätzlicher sein. Im normalen Leben ist Mum nämlich Geschäftsführerin einer Werbefirma und daher immer schick gekleidet. Heute trägt sie eine weiße hochgeschlossene Bluse zu einer schwarzen Culotte, während Dora in einem ihrer typischen farbenfrohen Outfits steckt: neon-pink geblümtes Oberteil zu lindgrünem Rock.

Wenn Dora so einen Raum betritt, verbreitet sie automatisch gute Laune.

Mum und Dora sind schon seit Ewigkeiten beste Freundinnen. Als Mum mit mir schwanger wurde, beschloss sie, in das Haus neben Dora zu ziehen, die inzwischen Howard geheiratet hatte – der übrigens nicht weiß, dass sie eine Hexe ist – und zu ihm in eine Stadt in Essex gezogen war. Mum spricht nicht gern über meinen Vater. Ich weiß nur, dass er sie sitzengelassen hat, weshalb sie umzog, um in Doras Nähe zu sein. Ich habe keine Ahnung, ob ihm klar war, dass Mum eine Hexe ist. Auch wenn ich es gern wissen würde, frage ich lieber nicht näher nach. Mum tut zwar immer so, als wäre sie über die ganze Sache hinweg, aber wenn ich meinen Vater erwähne, verzieht sie unwillkürlich das Gesicht. Im Grunde ist es auch nicht so wichtig, denn ich habe nie das Gefühl gehabt, dass mir durch die Abwesenheit meines Vaters etwas entgeht. Schließlich habe ich als Ersatz sozusagen zwei Mütter.

Wenn ich sauer bin auf Mum, stürme ich manchmal aus dem Haus und gehe die fünf Schritte zu Dora hinüber. Sie schafft es immer, mich wieder aufzuheitern, und wenn es ihr doch einmal nicht gelingt, übernimmt Howard diesen Part. Mir ist noch nie ein Mensch begegnet, der sich derart begeistern kann, und zwar für absolut alles. Er ist ebenfalls Lehrer, allerdings kein Hauslehrer wie Dora, sondern Biologielehrer an einer öffentlichen Schule. Die beiden sind verrückt nach Tieren und haben jede Menge Pflegetiere bei sich aufgenommen. Im Moment tummeln sich in ihrem Haus zwölf Hunde, fünf Katzen, drei Schweine, ein Frettchen, mehrere Hamster und eine Würgeschlange.

Howard glaubt, dass sie außerdem einen Corgi namens Mac besitzen.

Mums und Doras Vertraute kommen genauso gut miteinander aus wie die beiden Hexen selbst. Helena macht gern Bemerkungen über die Tatsache, dass Mac ständig schläft, wohingegen er sie mit Vorliebe dafür aufzieht, dass sie so steif und überkorrekt ist.

Keiner der beiden mag Merlin, was ich absolut verstehen kann.

»Da ist sie ja!«, ruft Mum strahlend und winkt mich an den Küchentisch. »Was hättest du gern zum Frühstück? Pfannkuchen?«

Ich nicke begeistert, und Mum schnipst mit den Fingern und hext einen Teller vor mich auf den Tisch, auf dem sich vor Sirup triefende Pfannkuchen türmen. Während ich es mir schmecken lasse, werfe ich einen Blick auf die Wanduhr.

»Mum«, murmele ich kauend, »du kommst zu spät zur Arbeit.«

»Ich weiß, ich mache mich besser auf den Weg«, antwortet sie seufzend, steht auf und greift nach ihrer eleganten Handtasche, die schon auf dem Küchentresen wartet. »Sicher, dass es dir nichts ausmacht, wenn ich heute ins Büro gehe? Ich verspreche auch, dass wir heute Abend richtig feiern! Dann bekommst du deine Geschenke überreicht.«

»Alles gut, Dora fährt mit mir in die Stadt«, beruhige ich Mum, während sie mir einen Abschiedskuss gibt. »Wir gehen nämlich zur Feier des Tages shoppen.«

»O ja«, bestätigt Dora mit funkelnden Augen. »Und ich weiß auch schon genau, in welchem Laden!«

 

»Schon wieder?« Ich betrachte mit verschränkten Armen den Laden, zu dem mich Dora geschleift hat. »Dora!«, stöhne ich genervt. »Ich will nicht in noch eine Zoohandlung! Wir waren doch heute schon in zweien!«

»Ja, aber in dieser gibt es diese tolle neue Frettchenschaukel!«, erwidert sie aufgeregt.

Ich zeige keine Reaktion.

Sie räuspert sich. »Diese Schaukel möchte ich unbedingt für unser Frettchen haben, und ich weiß, dass sie hier verkauft wird.«

»Warum schnipst du nicht einfach mit den Fingern und hext sie dir nach Hause?«

Sie wirft mir einen missbilligenden Blick zu. »Nicht so laut, Emma, es könnte uns jemand hören! Die Antwort ist ganz einfach: Es macht viel mehr Spaß, in Geschäften herumzustöbern, etwas Schönes zu entdecken und es zu kaufen, statt alles, was man sich wünscht, in Sekundenschnelle vor sich zu haben.«

Ich sehe mich in der Gegend um, auf der Suche nach einem interessanteren Geschäft. Ein Haus, das abseits des Gewimmels der Haupteinkaufsstraße in einer Seitengasse steht, erregt meine Aufmerksamkeit. Über der Tür hängt ein klappriges, abgeblättertes Schild, auf dem steht: Blaze Books – gebrauchte Bücher und Antiquitäten.

Dora hat mir einmal erzählt, dass es in manchen alten Buchläden in Essex – der Grafschaft, in der wir wohnen – noch Nachschlagewerke und Memoiren gibt, die vor Hunderten von Jahren von Hexen verfasst wurden. Sie schwärmt immer wieder davon, was für eine reiche Hexengeschichte Essex vorzuweisen hat. Leider war auch die Hysterie hier am größten, als wir Hexen im sechzehnten Jahrhundert verfolgt und gejagt wurden. Viele von uns wurden damals getötet, lebten jedoch in Wahrheit weiter – was Schauspielkünste angeht, konnte den damaligen Hexen niemand das Wasser reichen.

Sie alle überstanden die schlimme Zeit und konnten ihre Erlebnisse niederschreiben.

Angeblich enthalten viele dieser alten Erfahrungsberichte detaillierte Schilderungen der bösen Flüche, mit denen die Hexen die Leute damals belegten. Nach den Hexenprozessen steckten sie voller Verbitterung und hielten ihre Racheakte für die Nachwelt fest. Dora meint, ich solle einen großen Bogen um diese Bücher machen. Sie seien düster und blutrünstig.

Ich hingegen finde, dass sie MEGA-SPANNEND klingen! Gefunden habe ich noch keine, aber ich gehe trotzdem gern in Buchhandlungen und stöbere dort herum.

»Geh du ruhig in die Zoohandlung und kaufe deine Frettchenschaukel, Dora. Ich bummle ein bisschen in der Nähe herum, und wir treffen uns wieder, wenn du fertig bist«, schlage ich vor.

»Allein bummelst du mir hier auf keinen Fall herum«, antwortet sie. »Na gut, wir müssen nicht unbedingt in die Zoohandlung. Wo möchtest du denn hin?«

Ich zeige auf den Buchladen in der Gasse, und sie runzelt die Stirn.

»Nein, kommt nicht in Frage.«

»Warum nicht?«

Sie zögert. »Weil es ein miserabler Buchladen ist. Wahnsinnig schlecht sortiert. Ich habe mal versucht, dort ein Weihnachtsgeschenk für Howard zu finden – keine Chance! Na komm, wie wäre es, wenn wir zu einem Kaufhaus fahren und uns in der Modeabteilung umsehen? Dann kannst du dir was zum Geburtstag aussuchen.«

Dora liebt Buchläden – sie ist schließlich Hauslehrerin. Es kann also nur einen Grund dafür geben, dass sie nicht in diesen speziellen Buchladen möchte: Sie weiß, dass es darin ein paar von diesen alten, angeblich so blutrünstigen Hexenbüchern gibt, und will nicht, dass ich sie aufspüre, lese und von ihrem Inhalt traumatisiert werde.

Was natürlich bedeutet, dass ich unbedingt in den Buchladen muss! Mir kommt plötzlich eine Idee.

»Weißt du was, Dora? Wir können doch in die Zoohandlung gehen. Es war dumm von mir, dass ich vorhin nicht wollte.«

Ihr Gesicht hellt sich auf. »Wirklich?«

»Ja! Ich freue mich schon total auf … das ganze Tierfutter und so.«

»Super! Es wird dir bestimmt gefallen, Emma!« Sie klatscht begeistert in die Hände, während ich mit vorgetäuschtem Enthusiasmus neben ihr den Laden betrete. »Es gibt hier eine ganze Abteilung nur mit Chinchilla-Spielzeug!«

»Cool! Diese Chenilla-Abteilung könnte ich mir doch anschauen, während du deine Frettchenschaukel holst.«

»Chinchilla-Abteilung, du Dummchen«, korrigiert sie mich kichernd, bevor sie in einen Gang abbiegt und davoneilt. »Die Chinchilla-Sachen sind ganz hinten. Wir treffen uns dort. Bis gleich!«

Sobald sie um die nächste Ecke verschwunden ist, flitze ich aus der Zoohandlung und eile die Gasse entlang zum Buchladen.

»Du bist aus einer öden Zoohandlung geflüchtet, um stattdessen einen stinklangweiligen Laden voll verstaubter Bücher aufzusuchen?«, stöhnt Merlin, der in Gestalt eines Käfers auf meiner Schulter sitzt. »Jetzt ist es amtlich: Ich habe die bekloppteste Junghexe aller Zeiten am Hals.«

Ich ignoriere ihn und öffne die Tür zum Buchladen. Eine alte Türglocke bimmelt über meinem Kopf, und ein großer Mann mit dunklen, zerzausten Haaren schielt hinter einem Bücherstapel hervor.

»Hallo!«, begrüßt er mich munter und schiebt den Bücherstapel beiseite, damit er sich über die Ladentheke beugen kann. »Willkommen bei Blaze Books. Suchst du irgendwas Bestimmtes?«

Ich schüttle den Kopf. »Ich wollte mich nur ein bisschen umsehen.«

»Dann viel Vergnügen!« Er weist lächelnd auf die Bücherregale, bevor er sich wieder seinem Stapel zuwendet.

Ich steuere als Erstes die Abteilung für historische Werke ganz hinten im Laden an, weil ich vermute, dass die ältesten Bücher sich dort irgendwo verstecken. Im ganzen Geschäft ist es leer und still. Verglichen mit dem Rummel auf der Haupteinkaufstraße herrscht hier eine angenehm ruhige und friedliche Atmosphäre.

»Warum fragst du den Mann nicht einfach, wo die Hexenbücher sind?«, will Merlin mit genervter Stimme von mir wissen.

»Das würde ja auch gar nicht komisch rüberkommen«, antworte ich sarkastisch und überfliege die Buchrücken vor mir im Regal. »Ich kann doch nicht einfach hingehen und sagen: Entschuldigen Sie, Sie haben hier nicht zufällig ein paar alte Hexenbücher herumliegen?«

»Wir haben hier aber wirklich Hexenbücher«, sagt plötzlich eine Stimme aus dem Nichts.

Ich kreische erschrocken auf und schlage mir am Regal hinter mir den Kopf an.

»Autsch! Hast du dir weh getan?« Ein Junge kommt hinter den Bücherreihen hervor, die ich gerade abgesucht habe.

»Nein, alles gut. Danke«, antworte ich rasch, reibe mir den Hinterkopf und ignoriere Merlins Gekicher, der sich rasch unter dem Kragen meines T-Shirts in Sicherheit gebracht hat. »Du hast mich nur erschreckt.«

»Sorry.« Der Junge grinst. »Ich dachte, du hättest mich gesehen. Mit wem hast du da eigentlich geredet?«

»Wann?«

»Gerade eben. Über die Hexenbücher.«

»Mit mir selbst«, behaupte ich. »Ich habe laut nachgedacht.«

Er nickt. »Das mache ich auch manchmal, wenn ich mich unbeobachtet fühle. Ich bin Oscar Blaze. Meinen Vater hast du vermutlich schon an der Ladentheke kennengelernt, als du reingekommen bist.«

Oscar scheint ungefähr in meinem Alter zu sein. Er ist ein wenig größer als ich und hat dunkle, wuschelige Haare, braune Augen und ein kleines Muttermal auf der Wange.

»Hi, ich bin Emma.« Ich lasse den Blick über die Regale gleiten. »Habt ihr hier drinnen wirklich Hexenbücher?«

»Ja. Volksmärchen über Menschen, die mit einem Fluch belegt wurden, und so was alles«, flüstert er mit Gruselstimme. »Interessierst du dich für sowas?«

»Nein, Quatsch, überhaupt nicht«, antworte ich eilig und schüttle den Kopf.

Ich habe noch nicht viel Erfahrung mit dem Kennenlernen von Gleichaltrigen, aber es macht bestimmt keinen tollen Eindruck, wenn man zugibt, auf alte Hexenbücher und Volksmärchen zu stehen.

»In solchen Büchern steht nur Müll, das weiß doch jeder«, füge ich beiläufig hinzu, um meine Aussage zu unterstreichen.

»Kann schon sein«, sagt er und betrachtet mich neugierig. »Ich finde sie trotzdem irgendwie cool. Wenn du willst, kann ich eins für dich heraussuchen.«

»Brauchst du nicht, war nur so ein dummer Gedanke.«

Ich tue so, als würde ich aufmerksam die Buchrücken vor mir im Regal studieren, und hoffe, dass er den Wink versteht und sich verzieht. Dann hätte ich vielleicht die Chance, die Bücher, von denen er gesprochen hat, selbst zu finden. Mein Handy fängt an, laut in meiner Tasche zu klingeln. Ich erschrecke mich so über das plötzliche Geräusch, dass ich mir schon wieder den Hinterkopf am Regal stoße.

Oscar verzieht mitfühlend das Gesicht und sagt: »Du solltest aufhören, dir ständig den Kopf anzuschlagen.«

»Danke für den guten Rat«, murmele ich und wühle in meiner Tasche nach dem Handy. Doras Name leuchtet auf dem Display auf. Sobald das Klingeln aufgehört hat, ruft sie erneut an.

»Ich muss los«, teile ich Oscar mit und zeige auf mein Telefon.

»Dann bis demnächst.«

Während er wieder im nächsten Gang verschwindet, nehme ich das Gespräch an. Dora beginnt sofort, mir eine aufgebrachte Standpauke zu halten – ich hätte auf keinen Fall einfach aus dem Zoogeschäft abhauen dürfen, sie hätte sich solche Sorgen um mich gemacht!