Undercover Bridesmaid – Das perfekte Durcheinander - Katy Birchall - E-Book
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Undercover Bridesmaid – Das perfekte Durcheinander E-Book

Katy Birchall

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Beschreibung

Tüll und Tränen, Schampus und Tequila, hysterische Bräute und hyperventilierende Schwiegermütter: willkommen in Sophies Welt Als Undercover Bridesmaid wird Sophie als perfekte rechte Hand gebucht. Sie gibt sich als Freundin aus, wird aber dafür bezahlt, dass der schönste Tag im Leben reibungslos abläuft: Ob angesäuselte Trauzeugen oder pöbelnde Schwiegerväter, verschollenes Catering oder platzende Brautkleidnähte – Sophie sorgt dafür, dass jede Hochzeit ein Happy End hat. Davon kann sie selbst nur träumen, denn sie findet einfach nicht den Richtigen. Gut, dass Ablenkung in Sicht ist. Eine Dame aus dem Hochadel engagiert Sophie als Brautjungfer für ihre Tochter. Leider ist Lady Cordelia eine echte Bridezilla und tut alles, um die Arbeit der Bridesmaid zu torpedieren. Sophie ist kurz davor, alles hinzuschmeißen, als sie auf Cordelias attraktiven Bruder trifft … Wunderbar lustige Unterhaltung für alles Fans von Romantischen (Hochzeits-) Komödien!

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Aus dem Englischen von Sonja Rebernik-Heidegger

 

© Katy Birchall 2021

Titel der englisch Originalausgabe: »The Secret Bridesmaid«, Hodder & Stoughton LTd, London 2021

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Illustrationen: Designed by photographeeasia / Freepik, Designed by rawpixel.com / Freepik

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

 

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Einladung

Notizen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Literaturverzeichnis

Für Lauren G und Lauren F,die mir das Selbstvertrauen gaben, dieses Buch zu schreiben

Einladung zur Hochzeit von

Harrison Oliver Hodges und Michelle Emily Ace

18. September 2021

 

 

Notizen

WICHTIG! Harrison bekommt maximal EIN Bier vor der Zeremonie und EINEN Mut-Whisky vor seiner Rede.

Betrunken

a)macht er sich gerne aus dem Staub

b) tanzt wie ein Roboter

c) lässt die Schuhe an den Schnürsenkeln um den Kopf kreisen

 

WICHTIG! Michelle bekommt maximal EIN Glas Champagner vor der Zeremonie und EINEN Mut-Gin-Tonic vor ihrer Rede.

Betrunken

a) beginnt sie zu lallen

b) rappt spontan los

c) ruft ihren Boss an und gibt sich als Kermit der Frosch aus

 

GANZ WICHTIG! Dem Vikar einen Zettel mit den Namen des Brautpaars auf den Tisch legen. Bei der Probe zeigte er sich hocherfreut über die Hochzeit von Harriet und Michael.

 

Nicht vergessen: Die Großmutter des Bräutigams höflich darauf hinweisen, dass sie nicht jedes Mal über den flachen Hintern des Trauzeugen lästern soll, wenn er an ihr vorbeigeht.

 

Nicht vergessen: Onkel Adrian UNBEDINGT von Tante Sascha fernhalten. Seit sie ihm bei der letzten Hochzeit mit einer Bratpfanne eine übergezogen hat, verstehen sie sich nicht mehr sonderlich gut.

 

Nicht vergessen: Noch einmal überprüfen, ob die Alpakas wirklich pinkfarbene Schleifen für das Brautfoto tragen und KEINEAPRIKOTFARBENEN.

 

»Was macht er da?«, jammert Michelle. »Er macht alles kaputt!«

Ich werfe einen Blick auf die Tanzfläche. Harrison verteilt gerade mit einer Hand die dritte Flasche Whisky auf dem Boden, während er mit der anderen Hand ein Plastikfeuerzeug schwenkt. Seine Schuhe sind bereits vorhin bei »Don’t Stop Me Now« an den Schnürsenkeln um seinen Kopf gekreist.

»GLEICHSTEHTDIETANZFLÄCHEINFLAMMEN, BABY!«, hat er vor wenigen Augenblicken über das DJ-Mikrofon verkündet.

Normalerweise folgt solchen Ankündigungen eine Reihe von abgefahrenen Dance-Moves, in diesem Fall scheint Harrison die Tanzfläche allerdings wirklich in Flammen setzen zu wollen.

Die Gäste sind begeistert von der bizarren Wende der Hochzeitsfeierlichkeiten. Die Braut weniger.

Die größte Überraschung ist allerdings die vierundachtzigjährige Großmutter des Bräutigams, die in der ersten Reihe steht und ihn lautstark anfeuert: »Ja, lass es krachen, Harrison! Gib alles!«

Jetzt ist schnelles Handeln gefragt.

Ich wende mich wieder an Michelle und sehe ihr fest in die feuchten Augen. »Alles wird gut, Michelle. Ich will, dass du zwei Dinge für mich tust. Erstens musst du dich daran erinnern, dass du an Harrison vor allem seine Spontanität, seinen Abenteuersinn und seine Risikobereitschaft liebst.«

Ihr Blick springt panisch zu ihrem frisch angetrauten Ehemann, der gemeinsam mit den Gästen »Feuer! Feuer!« skandiert und dabei noch mehr Whisky auf der Tanzfläche verteilt.

»Zweitens gehst du rüber an die Bar und bestellst zehn flambierte Sambuca. Der Barkeeper soll sie auf dem Tresen aufreihen, aber sie erst auf mein Zeichen hin anzünden. Verstanden? Und jetzt lauf! Los!«

Sie hebt den Rock ihres elfenbeinfarbenen Spitzenkleids und hastet im Slalom an den Tischen vorbei in Richtung Bar, wobei sie beinahe ihre Großtante umstößt, die sich gerade über die exquisite Crème brûlée hermacht und von den Mätzchen des Bräutigams nichts mitbekommt.

Ich mache auf dem Absatz kehrt, eile zum DJ und reiße ihm das Mikro aus der Hand, sodass seine Anfeuerungsrufe abrupt verstummen. Er wirkt zutiefst beleidigt, bis ich ihm einen für diese Situationen eigens einstudierten, überaus missbilligenden Blick zuwerfe.

»Sorry«, flüstert er. »Es hat mich mitgerissen.«

»Ja, das sehe ich, DJ Arnold«, zische ich. »Das sehe ich.«

Er zuckt zusammen und verzieht sich unauffällig.

Der Bräutigam hat mittlerweile auch die letzte Whiskyflasche geleert. Er streckt das Feuerzeug in die Höhe und drückt. Doch nichts passiert. Er ist zu betrunken, und das Feuerzeug ist zu feucht und glitschig. Er versucht es immer wieder mit konzentriert gerunzelter Stirn. Das ist mein Moment!

»Ladys und Gentlemen!«, rufe ich ins Mikrofon. Sämtliche Köpfe drehen sich in meine Richtung. »Ich bitte um Applaus für die Braut! Michelle wartet an der Bar auf ihren Ehemann und die Hochzeitsgesellschaft!« Ich deute in Richtung Tresen. Alle drehen sich zu Michelle, die ihren Gästen fröhlich zuwinkt.

»Lass es krachen, Michelle!« Ich strahle sie an. Die Gäste jubeln.

Während sich alle in Michelles Richtung bewegen, steht Harrison noch immer auf der Tanzfläche. »Moment! Was wollte ich eigentlich?« Verwirrt betrachtet er den Whisky-See zu seinen Füßen. »Ach ja, jetzt weiß ich es wieder!«

»Vergesst den Bräutigam nicht, Leute!«, rufe ich eilig. Eine Handvoll Gäste reißt Harrison aus seinen Gedanken und nimmt ihn mit zu seiner Frau.

Ich senke das Mikro und wende mich an DJ Arnold. »Legen Sie ›Livin’ La Vida Loca‹ von Ricky Martin auf. Und keine Ausrutscher mehr, das ist die letzte Warnung.«

Nachdem ich die Caterer höflich ersucht habe, die Tanzfläche vom Whisky zu befreien, lehne ich mich gegen eine Stuhllehne und beobachte aus der Ferne, wie Michelle und Harrison anstoßen, ihre Drinks kippen und ihre Mütter dazu auffordern, es ihnen gleichzutun.

Als die Brautmutter das leere Glas auf die Bar knallt, grölen die Gäste vor Begeisterung.

»Gut gemacht!«, meint eine Stimme am Nebentisch. »Die Sache wäre beinahe eskaliert. Ich bin beeindruckt, wie Sie alles wieder hinbekommen haben.«

Ich schenke der Großtante der Braut ein Lächeln. Sie hat ihren Nachtisch mittlerweile aufgegessen und mustert mich neugierig. Offenbar hat sie alles ganz genau mitbekommen.

»Das war nicht der Rede wert«, versichere ich ihr.

»Michelle kann von Glück reden, eine so fantastische Brautjungfer zu haben. Ihr scheint euch sehr nahezustehen. Woher kennt ihr euch noch mal?«

»Aus der Grundschule. Wir sind jetzt seit sechsundzwanzig Jahren befreundet. Ich hätte mir das hier auf keinen Fall entgehen lassen«, antworte ich und muss grinsen, als Harrison Michelle hochhebt und durch die Luft wirbelt. Ich deute mit dem Kopf auf die leere Dessertschale. »Die Crème brûlée war köstlich, nicht wahr?«

Nicht alles, was ich gerade gesagt habe, entsprach der Wahrheit.

Ich kenne Michelle erst seit sieben Monaten, zwei Wochen und drei Tagen. Und sie bezahlt mich dafür, dass ich hier bin.

Die Crème brûlée war allerdings wirklich köstlich.

Kapitel 1

Mein Name ist Sophie Breeze, und ich bin professionelle Brautjungfer.

Ja, so etwas gibt es wirklich.

Moment, ich erkläre es Ihnen:

Die Idee nahm vor etwas mehr als zwei Jahren Gestalt an, als ich meiner Cousine Cara als Brautjungfer zur Seite stand. Cara ist Wirtschaftsanwältin in einer Kanzlei in London. Sie ist überaus intelligent, arbeitet hart und begegnet Stress mit trockenem Humor. Bloß die Hochzeitsvorbereitungen trieben sie unbemerkt an den Rand eines Nervenzusammenbruchs, weil sie nicht die Zeit fand, alles zu organisieren. Drei Monate vor dem großen Tag rief sie mich um drei Uhr morgens an.

»Sophie? Sophie, bist du da?«

»Ja, klar.« Ich gähnte laut. »Wie spät ist es? Ist was passiert? Geht es dir gut?«

»Nein, mir geht es nicht gut«, wimmerte sie. Es klang, als würde sie weinen.

Ich richtete mich auf. So hatte ich sie noch nie gehört. Wir waren praktisch zusammen aufgewachsen, und sie hatte nie geweint. Nicht als kleines Mädchen, nachdem sie vom Rad gefallen und in einen Brombeerstrauch samt darunter wachsender Brennnessel gestürzt war. Nicht als Teenager, als sie nicht nach Cambridge durfte, obwohl sie ihr Leben lang davon geträumt hatte. Nicht als Erwachsene, nachdem sie herausgefunden hatte, dass ihr Versager-Ex Geoff sie betrogen hatte. Ja, nicht einmal, als sie aus Versehen einen extrascharfen Jalapeño gegessen hatte und so tun musste, als wäre er gar nicht scharf, weil sie ihrem Vorgesetzten gegenübersaß.

»Cara, was ist los?« Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten, während ich das Licht anmachte. »Ist etwas mit Mike? Hatte er einen Unfall?«

»Nein, Mike geht es gut.« Sie schniefte. »Er liegt oben und schläft seelenruhig. Der Mistkerl.«

»O Gott, habt ihr euch gestritten?«

»Nein, nein. Ach, Sophie. Es ist die Hochzeeeiiiit!«

»Die Hochzeit?«

»Ja! Die Hochzeit. Es sind nur noch drei Monate! Und ich habe noch nichts organisiert! Das wird eine Katastrophe! Was soll ich bloß tun? Es tut mir leid, dass ich dich mitten in der Nacht anrufe, aber ich konnte nicht schlafen, und du bist die Einzige, die mir jetzt noch helfen kann.«

Ich stieß ein erleichtertes Seufzen aus, sank in die Kissen zurück und rieb mir lächelnd den Schlaf aus den Augen. Es war nicht das erste Mal, dass ich einen derartigen Anruf von einer Braut oder einem Bräutigam erhielt. Ich war schon oft Brautjungfer gewesen, und es gibt immer einen Moment der Panik, wenn scheinbar nichts richtig klappt und das Datum mit einem Mal sehr viel näher scheint als noch vor einem Tag.

Und es ist durchaus nachvollziehbar. Immerhin sollen die Braut und der Bräutigam eine Feier für die Leute organisieren, die ihnen auf dieser Welt am allermeisten bedeuten. Da bekommt es jeder mit der Angst zu tun. Ich verstehe das nur zu gut. Glücklicherweise hatte ich damals bei Caras Anruf bereits genug Erfahrung, um mit solchen Panikattacken umzugehen.

Zuallererst gilt: Beruhige die Braut oder den Bräutigam. »Cara, ich will jetzt erst mal, dass du tief ein- und ausatmest.«

»Aber die Arbeit macht mich zurzeit total fertig, und ich habe mir noch nicht einmal die Menüvorschläge des Caterers angesehen. Außerdem habe ich der Floristin möglicherweise gesagt, dass Lilien in Ordnung sind, und du weißt ja, was Mikes Mum von Lilien hält. Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Und wir müssen unbedingt einen DJ auftreiben, aber inzwischen hat vermutlich ohnehin niemand mehr Zeit und …«

»Tief ein- und ausatmen«, unterbrach ich sie sanft. »Mach es mir nach. Tief einatmen. Tief ausatmen. Tief einatmen. Tief ausatmen. Genau so. Und noch einmal. Du machst das toll.«

Nächster Schritt: Mach ihnen klar, dass Panik in dieser Situation nichts Außergewöhnliches ist. »Atme einfach weiter. Wunderbar! Und jetzt hör mir zu, Cara: Solche Gedanken sind vollkommen normal. Jeder erlebt den Moment der Verzweiflung, je näher die Hochzeit rückt. Es kann sich überwältigend anfühlen. Als hätte man nie mehr Zeit, um alles auf die Reihe zu bekommen.«

Danach folgt die Besinnung auf die Realität: »Ich verstehe vollkommen, dass drei Monate sich nicht sehr lange anhören, aber die meisten Dinge, über die du dir Sorgen machst, können innerhalb weniger Minuten geklärt werden. Maximal in ein paar Stunden. Und du hast noch neunzig Tage Zeit. Das ist mehr als genug.«

Dabei geht es vor allem darum, sachlich zu bleiben und dem Gegenüber das Gefühl der Kontrolle wiederzugeben. »Wir machen jetzt Folgendes: Wir erstellen eine Liste mit den Dingen, die noch erledigt werden müssen, dann wird es übersichtlicher. Deine Gedanken fahren gerade Achterbahn, und das Chaos macht dir Angst. Sobald du alles aufgeschrieben hast, fühlst du dich besser.«

»Was denkst du von mir – eine Liste habe ich natürlich«, erwiderte sie fast beleidigt. »Es ist nur noch kein einziger Punkt abgehakt. Aber die Liste, die steht.«

»Perfekt. Schick sie mir doch gleich mal, wenn du magst. Oder morgen früh.«

Nun wird es Zeit, die Aufmerksamkeit auf das Netzwerk an Unterstützern zu lenken. »Du steckst da nicht allein drin, Cara. Wozu gibt es deiner Meinung nach Brautjungfern und die Freunde des Bräutigams? Wir sind da, um euch zu helfen. Egal womit. Scheu dich nicht, uns zu fragen oder Aufgaben zu delegieren. Wie wär’s, wenn ich morgen auf einen Kaffee zu dir ins Büro komme und wir die Liste durchgehen? Dann können wir gemeinsam überlegen, wer was erledigen kann.«

»Das würdest du tun?«

»Klar! Kannst du deine Mittagspause erübrigen?«

»Ich glaube schon.«

»Ich werde da sein. Ich kenne einige DJs aus der Nähe, die ich schon auf anderen Hochzeiten gehört habe, und wir können gleich morgen Anfragen rausschicken. Außerdem hast du mehr als genug Zeit, um die Bestellung bei der Floristin zu ändern. Wenn du willst, erledige ich das für dich.«

Und am Ende steht eine sanfte Überleitung zu dem, worum es wirklich geht: »Ehrlich, Cara, es wird der schönste Tag deines Lebens, ganz egal, was passiert. Einfach deshalb, weil alle da sein werden, um zu feiern, dass Mike und du den Bund der Ehe schließt. Alles andere ist unwichtig.«

»Ja, wahrscheinlich. Der Druck, dass alles perfekt läuft, ist nur wahnsinnig groß.«

Das Wesentliche ist, das Gespräch mit einem Lachen zu beenden. »Es wird perfekt! Sogar wenn der DJ scheiße ist, weil wir keinen anderen mehr bekommen haben und wir am Ende Onkel Fred bitten müssen, den Brauttanz mit seiner verfluchten irischen Flöte zu begleiten.«

Sie kicherte los. »O mein Gott, erinnerst du dich daran, wie er sie zu Weihnachten bekommen hat?«

»Wie könnte ich das je vergessen! Ich werde es Mum niemals verzeihen. Eine Flöte als nettes Souvenir aus Dublin!«

»Es war schrecklich. Ich glaube nicht, dass sich meine Ohren je wieder vollständig erholen werden.«

»Das war doch die Zeit, als Granny plötzlich taub wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Zufall war. Nach dem zweiten Weihnachtsfest, bei dem er für uns alles spielen wollte, hat Dad die Flöte auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen.«

»Und ich gerate wegen so unwichtiger Details wie Lilien als Blumenschmuck in Panik, obwohl ich mich eigentlich auf die Suche nach der irischen Flöte machen sollte, damit Onkel Fred während der Abgabe der Unterschriften ein Solo zum Besten geben kann!«, kicherte Cara und seufzte tief. »Danke, Sophie. Das Lachen hat gutgetan. Und du hast wie immer recht. Alles wird gut. Ich war einfach einen Moment lang überwältigt.«

»Das wäre doch jeder! Du musst mir nicht danken. Morgen bringen wir die Sache auf die Schiene. Es wird perfekt, du wirst schon sehen. Und jetzt schlaf ein bisschen.«

»Du bist wirklich die Beste. Hey, weißt du, was, Sophie?«, meinte sie gähnend. »Du solltest das beruflich machen!«

»Was? Mich mitten in der Nacht anrufen lassen?«

»Nein! Den Brautjungfernjob. Du warst schon auf einer Million Hochzeiten und weißt, worauf es ankommt. Außerdem liebst du diese Dinge und wärst mit Leidenschaft dabei. Ehrlich, mir tut jede Braut leid, der du nicht als Brautjungfer zur Seite stehst. Du könntest es zu einem Vollzeitjob ausbauen. Als professionelle Brautjungfer.«

»Was? So etwas gibt es doch gar nicht!«

»Aber es wäre möglich.«

Ich schnaubte. »Okay, na klar, Cara. Ich werde demnächst professionelle Brautjungfer.«

»Warum denn nicht? Es wäre wie das, was du jetzt machst, nur dass du nicht Manager betreust, sondern als persönliche Assistentin der Braut fungierst.«

»Schlafmangel führt offenbar doch zu Gedächtnisverlust. So etwas gibt es bereits! Schon mal was von Hochzeitsplanerinnen gehört?«

»Ja, schon klar, aber viele Leute brauchen keine Hochzeitsplanerin, weil sie selbst etwas auf die Beine stellen möchten. Ich würde keine Hochzeitsplanerin engagieren, obwohl ich dringend Hilfe brauche! Eine professionelle Brautjungfer würde die Braut hingegen lediglich unterstützen und ihr bei der Planung helfen, damit sie auf dem Weg zur Hochzeit nicht den Verstand verliert. Das ist viel entspannter. Du solltest unbedingt darüber nachdenken.«

»Okay, du verrücktes Huhn. Aber jetzt schlaf erst mal. Bitte.«

»Gute Nacht, Sophie. Und danke.«

Ich legte auf, kuschelte mich in meine Kissen und freute mich auf ein paar Stunden Schlaf, bevor ich wieder ins Büro musste. Doch am nächsten Tag ging mir die Idee nicht mehr aus dem Kopf. Eine professionelle Brautjungfer? Das war total absurd.

Oder?

 

Am Montagmorgen nach Michelles und Harrisons Hochzeit schlendere ich in mein Büro (okay, es ist nicht wirklich ein Büro, nur eine kleine, fensterlose Kammer ähnlich einem Wandschrank in meiner Wohnung in Südlondon, in die ich einen Schreibtisch gestellt habe, aber egal) und mache meinen Laptop an. Ich habe 534 neue E-Mails bekommen, seit ich gestern Abend zum letzten Mal online war.

Das ist nicht ungewöhnlich. Ich halte nicht nur Kontakt zur Braut und zum Bräutigam der jeweiligen Hochzeit, sondern auch zu verschiedenen Familienmitgliedern, Zulieferern und Locations.

Trotzdem brauche ich zuerst einen Becher Kaffee.

Ich gehe von meinem Büro (okay, na gut, von meinem Wandschrank) in die Küche und mache den Wasserkocher an. Während ich darauf warte, dass das Wasser zu blubbern beginnt, streiche ich die pinkfarbene Bluse glatt, die ich heute zur Arbeit trage. Obwohl ich mein eigener Boss bin, beginnt mein Tag genau wie damals, als ich noch als persönliche Assistentin in der City gearbeitet habe. Ich stehe um sechs Uhr auf, dusche, lege Make-up auf und wähle ein bürotaugliches Outfit aus.

Cara macht sich deshalb ständig über mich lustig – »Warum sitzt du nicht im Schlafanzug im Homeoffice, wie normale Menschen?« –, aber immerhin weiß ich nie, ob ich nicht im nächsten Moment zu einer Notfallsitzung ausrücken muss. Neulich wollte ich zum Beispiel gerade ein idyllisches Cottage auf dem Land für einen Junggesellinnenabschied buchen, als ich einen verzweifelten Anruf von einer Braut erhielt. Ich sollte zu ihr kommen und mit ihrem Vater sprechen, mit dem sie sich gerade wegen der Gästeliste in die Haare geraten war. Ich musste sofort los, bevor die Situation eskalierte. Ich habe erlebt, wie ganze Familien an der Erstellung der Gästeliste zerbrachen, und in solch einem Fall ist es essenziell, vor Ort zu sein, bevor jemand etwas sagt, das er später bereut.

Glücklicherweise schaffte ich es rechtzeitig, konnte die Situation entschärfen und einen Kompromiss erzielen. Nick und Sarah – die Nachbarn des Brautvaters – wurden eingeladen, obwohl die Braut die beiden nicht kannte, dafür würde ihr Vater auf eine Einladung seines gesamten Wein-Clubs verzichten. Dessen Mitglieder wurden stattdessen zu dem Grillfest am Sonntag nach der Hochzeit eingeladen.

Vater und Braut verstehen sich wieder und reden sogar miteinander.

Was vielleicht nicht der Fall wäre, wenn ich fünf Minuten später eingetroffen wäre, weil ich mich vorher noch umziehen musste.

Cara ist die Einzige, die weiß, was ich wirklich beruflich mache. Abgesehen von meinen Eltern und meinen Klienten natürlich. Alle anderen glauben, ich würde als persönliche Assistentin in einer Finanzkanzlei in der City arbeiten. Ich kann nicht riskieren, dass jemand meine wahre Identität errät, denn damit würde ich eines meiner wesentlichen Verkaufsargumente verlieren: Niemand braucht zu wissen, dass ich dafür bezahlt werde, an der Hochzeit teilzunehmen. Das ist seltsamerweise ein wesentlicher Punkt für viele Bräute und deren Familien. Sie wollen nicht den Eindruck erwecken, dass sie ihren großen Tag nicht alleine organisieren konnten.

Ein wesentlicher Teil meines Jobs besteht darin, so viel wie möglich über die Braut in Erfahrung zu bringen, um die Gäste und – oft – auch die anderen Brautjungfern davon zu überzeugen, dass wir beste Freundinnen sind und es einen guten Grund gibt, warum sie bis jetzt noch nichts von mir gehört haben. Weil ich zum Beispiel die letzten fünf Jahre im Regenwald von Guatemala gelebt habe. Oder weil ich im Zeugenschutzprogramm bin.

Ja, ich weiß. Manchmal muss man eben kreativ sein.

Das Wasser kocht, und ich mache Kaffee, während ich darüber nachdenke, was heute alles zu tun ist. Unter anderem muss ich das Streichquartett anrufen, das auf der Hochzeit am kommenden Wochenende spielt, und sie bitten, Kanye Wests »Gold Digger« von der Setlist zu streichen (ehrlich, Jungs, was habt ihr euch bloß dabei gedacht?). Ich rühre gerade Milch in meinen Kaffee, als ich die Post durch den Briefschlitz fallen höre, und nehme meinen Becher mit zur Tür, um sie zu holen und alles in mein Büro zu bringen. Ich lasse die Briefe auf meinen Schreibtisch und mich selbst auf den Stuhl fallen und will gerade mit der Beantwortung der E-Mails beginnen, als einer der Briefe meine Aufmerksamkeit erregt.

Es ist ein teuer aussehender, dicker, cremefarbener Umschlag, auf dem in eleganter Handschrift mein Name steht.

Wenn jemand eine Hochzeitseinladung auf den ersten Blick erkennen kann, dann bin ich das.

Es ist nur so, dass ich von allen Paaren, mit denen ich privat befreundet bin und bei denen eine Hochzeit wahrscheinlich wäre, bereits Einladungen erhalten habe. Ich kenne niemanden sonst, der bald heiraten wird. Ich greife neugierig nach dem Umschlag und bewundere den exquisiten Stil und das elegante Wachssiegel an der Rückseite. Mein Herz macht einen kleinen Sprung, so schön ist diese Einladung.

Oh-oh. Erregt mich der Anblick dieser teuren Einladung etwa?

»Ich brauche endlich mal wieder ein Date«, erkläre ich laut, auch wenn mich niemand hören kann.

Ich öffne den Umschlag und ziehe die in Gold gefasste Einladung heraus. Als ich die Namen des glücklichen Brautpaars lese, verpuffen sämtliche Glücksgefühle, die ich beim Aufwachen noch gespürt haben mag.

Von: [email protected]

An: [email protected]

Betreff: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Sophie,

danke für Ihre Anfrage zu unserem Junggesellinnen-Special am 4. Juni 2022 für 20 Personen.

Es steht euch eine vergnügliche Fahrt auf dem Kanal mit unserem eigenen Partyboot bevor. Jede der Freundinnen bekommt eine Flasche Prosecco gratis … und die Braut gleich zwei!

Möchten Sie auch das Stripper-Paket dazu buchen?

Herzliche Grüße

Tina

 

Von: [email protected]

An: [email protected]

Betreff: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Tina,

super, danke für die Rückmeldung.

Was genau ist das Stripper-Paket?

Herzliche Grüße

Sophie

 

Betreff: AW: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Sophie,

Sie, die Braut und alle Freundinnen werden unser Junggesellinnen-Special inkl. Stripper-Paket lieben!

Gegen einen kleinen Aufpreis steht euch eine vergnügliche Fahrt auf dem Kanal mit unserem eigenen Partyboot bevor. Jede der Freundinnen bekommt eine Flasche Prosecco gratis … und die Braut gleich zwei!

Und dazu einen Stripper!

Möchten Sie das Upgrade buchen?

Herzliche Grüße

Tina

 

Betreff: AW: AW: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Tina,

wow. Danke für die zusätzliche Info.

Können wir den Stripper aussuchen?

Herzliche Grüße

Sophie

 

Betreff: AW: AW: AW: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Sophie,

natürlich! Ich sende Ihnen zeitnah Fotos der zur Auswahl stehenden Stripper, und Sie können den heißesten für Ihr Junggesellinnen-Special inkl. Stripper-Paket aussuchen*!

*Leider können wir nicht garantieren, dass der gewünschte Stripper auch an dem gewählten Tag auf dem Boot auftreten wird.

Herzliche Grüße

Tina

 

Betreff: AW: AW: AW: AW: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Tina,

ich bespreche das Angebot mit der Braut und melde mich wieder.

Herzliche Grüße

Sophie

 

Betreff: AW: AW: AW: AW: AW: AW: Junggesellinnenabschied Juni 2022

Hi Sophie,

denken Sie doch bitte auch an unser Junggesellinnen-Special inkl. Stripper-Premium-Paket!

Gegen einen kleinen Aufpreis steht euch eine vergnügliche Fahrt auf dem Kanal mit unserem eigenen Partyboot bevor. Jede der Freundinnen bekommt eine Flasche Prosecco gratis … und die Braut gleich zwei!

Und dazu einen Stripper … der Zirkuskunststücke vorführt*!

*Wir können nicht garantieren, dass der gewünschte Stripper auch an dem gewählten Tag auf dem Boot auftreten wird.

Herzliche Grüße

Tina

 

Kapitel 2

»Daniel hat dich zu seiner Hochzeit eingeladen?«, kreischt Cara und starrt die Einladung an, die ich ihr gerade gegeben habe. »Hat er den Verstand verloren?«

Ich zucke mit den Schultern und nehme einen großen Schluck Wein. »Vielleicht ist es eine Geste.«

»Was für eine Geste soll das denn sein?«

»Ich weiß auch nicht … eine Geste des guten Willens?«

»Der Kerl ist so ein Arsch.«

Ich trinke noch mehr Wein. Cara holt tief Luft, mustert mich eingehend und schiebt die Einladung über den Tisch zu mir zurück. Wir sitzen in einer schicken, fast leeren Bar ein paar Häuser von ihrem Büro entfernt. Wir landen immer hier, wenn etwas Herausragendes passiert. Wie zum Beispiel an dem Tag nach Caras Hochzeits-Nervenzusammenbruch. Oder damals, nachdem ich meinen ersten Auftrag als professionelle Brautjungfer an Land gezogen hatte. Oder eben heute, nachdem mich mein Ex-Freund zu seiner Hochzeit eingeladen hat.

»Was hast du jetzt vor?«, fragt Cara und verschränkt die Arme.

»Was meinst du?«

»Willst du antworten?«

»Natürlich.« Ich runzle die Stirn und stecke die Einladung in meine Tasche, damit ich sie nicht mehr sehen muss. »Es ist eine Hochzeit. Es wäre inakzeptabel, nicht auf die Einladung zu reagieren.«

Cara schnaubt. »Aber es ist okay, dass er dich überhaupt eingeladen hat …«

Ich zucke erneut mit den Schultern und schenke mir das nächste Glas ein.

Ihr Gesichtsausdruck wird weicher. »Geht es dir gut?«

»Klar«, erwidere ich so überzeugend wie möglich. »Alles okay.«

»Immerhin ist es ja noch nicht lange her, seit ihr euch getrennt habt, und …« Sie bricht ab.

Ich weiß auch so, was sie sagen will. Das wissen alle. Daniel war die Liebe meines Lebens. Er hat mir das Herz gebrochen. Ich habe seitdem niemanden kennengelernt. Ich war auf keinem einzigen Date. Er hingegen wird bald heiraten. Und zwar Francesca, die er im letzten Juni kennengelernt hat. Nur zwei Monate, nachdem er mit mir Schluss gemacht hat.

O Gott, ich brauche einen Tequila.

»Wir brauchen Tequila«, spricht Cara mir aus der Seele und macht sich auf den Weg zur Bar.

Daniel und ich haben uns im ersten Uni-Jahr kennengelernt. Wir wohnten im selben Wohnheim und waren eng befreundet – genau wie alle anderen aus unserem Haus. Er gestand mir seine Liebe während einer Verkleidungsparty im zweiten Semester. Ich war als Grashüpfer verkleidet, er als Schinken-Käse-Sandwich. Wir standen draußen und unterhielten uns mit ein paar Freunden, die sich mit der Zeit alle verzogen, sodass am Ende nur noch wir beide übrig blieben. Wir redeten gerade über den zweiten Teil von High School Musical, als er plötzlich mit seinen Gefühlen für mich herausplatzte. Ich war so überrascht, dass ich erst mal gar nichts sagte und ihn nur anstarrte. In diesem Moment torkelte eine Freundin aus der Bar, übergab sich in einen Blumentopf neben der Tür, und ich musste sie nach Hause bringen.

Danach ist ewig nichts passiert. Unsere Freunde redeten andauernd darüber. Sie versicherten mir immer wieder, dass Daniel mich wirklich mochte, aber ich hatte Zweifel. Wir waren so verschieden. Er war beliebt, witzig und aufgeschlossen. Sein Leben war eine einzige Party, und er tat ständig urkomische und verrückte Dinge. Ich hingegen war so vernünftig und verlässlich, dass mich die Direktorin der Junior High gefragt hatte, ob ich nicht Sprecherin der Mädchen und der Jungs sein wollte. Weshalb ich am Ende zur ersten geschlechterübergreifenden Schulsprecherin unserer Schule ernannt wurde.

Doch Daniel und ich waren nicht nur grundverschieden, ich hatte auch Angst. Ich war glücklich damit, mit ihm befreundet zu sein, und wollte unsere Freundschaft nicht gefährden. Ich wollte nicht, dass sich an unserer Truppe etwas ändert.

Eines Abends gestand ich meinen Freunden nach zu vielen Wodkas, dass ich Daniel irgendwie doch mochte. Am selben Abend küsste er ein anderes Mädchen aus unserer Truppe.

»Seht ihr?«, meinte ich zu meinen zwei Mitbewohnerinnen, nachdem wir nach Hause gekommen waren und ich mich für ein tiefschürfendes Gespräch in die leere Badewanne gesetzt hatte. »Er mag mich nicht wirklich. Nicht ernsthaft.«

Die verwirrende Lieben-wir-uns-oder-lieben-wir-uns-nicht-Geschichte zog sich bis ins dritte Studienjahr, als wir beide – in Caras Worten – »uns endlich überwanden« und richtig miteinander ausgingen. Und es war perfekt. Wir kannten einander so gut und waren so lange gute Freunde gewesen, dass die Beziehung mühelos war. Daniel und Sophie. Sophie und Daniel. Alle wussten, dass es passieren würde. Es war Bestimmung. Und auch in unserem Freundeskreis änderte sich nichts, außer dass es noch mehr Spaß machte, miteinander auszugehen, weil Daniel und ich nicht von irrationaler Eifersucht geplagt wurden oder so tun mussten, als wollten wir nicht ständig in der Nähe des anderen sein. Als wir nach der Uni alle nach London zogen, nahmen wir uns nicht sofort eine gemeinsame Wohnung, denn das wäre nicht vernünftig gewesen. Allerdings verbrachten wir so viel Zeit zusammen, dass es bald nicht mehr vernünftig war, nicht zusammenzuwohnen.

Ich konnte nicht glauben, dass ich das Glück gehabt hatte, jemanden wie ihn zu finden. Er war der EINE. Er brachte mich zum Lachen. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen, wenn meine Freundinnen mir von ihren Dates erzählten und davon, wie schwierig es war, jemanden kennenzulernen. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich dieses große Glück nicht verdient.

Doch dann, acht Jahre nachdem wir uns überwunden hatten und zusammengekommen waren, hatte er mich überwunden.

Ich sah es nicht kommen. Das ist das Demütigendste an der ganzen Geschichte. Ich hatte keine Ahnung. Keinen Verdacht – bis er mich eines Abends bat, mich zu ihm aufs Sofa zu setzen, weil er mit mir reden müsste. Ich war vollkommen ahnungslos. Ich war so dämlich und selbstzufrieden, dass ich dachte, wir wären beide glücklich in unserer Beziehung.

Er meinte, er würde mich nicht mehr lieben. Und dass es ihm schrecklich leidtäte.

»So, hier ist der Tequila«, ruft Cara und stellt das Glas mit der Zitronenscheibe vor mir ab, bevor sie ihres hebt, um anzustoßen.

Wir stürzen den Tequila hinunter, und ich verziehe das Gesicht, als er meine Kehle hinunterbrennt und kurz darauf von der Säure der Zitrone abgelöst wird.

»Wusstest du von der Verlobung?«, frage ich, während Cara sich setzt. »Hat Jen oder irgendjemand dir davon erzählt?«

Cara und ich stehen uns so nahe, dass sie zum Ehrenmitglied unserer Truppe ernannt wurde, nachdem sie mich einige Male an der Uni besucht und ich sie zur Unterstützung auf zahllose Partys mitgeschleppt hatte. Sie war ein zentrales Mitglied unserer Truppe, das unabkömmlich für mich wurde, nachdem Daniel mit mir Schluss gemacht hatte und ich ihm immer wieder bei einem Treffen im Pub mit unseren gemeinsamen Freunden begegnete. Während andere, wie etwa Jen, neutral bleiben mussten, war Cara zu hundert Prozent auf meiner Seite.

»Sophie, natürlich wusste ich es nicht«, antwortet sie sanft. »Sonst hätte ich es dir erzählt.«

»Sie müssen schon einige Zeit verlobt sein. Oder sie heiraten superschnell. Allerdings glaube ich nicht, dass sie kurzfristig einen Termin auf Belmond Manor bekommen haben. Es ist eine der begehrtesten Hochzeits-Locations. Andererseits heiraten sie im Februar, also nicht in der Hochsaison. Du solltest Belmond Manor mal googeln, wenn du Zeit hast. Es ist bezaubernd und …« Ich verstumme.

»Aber jetzt mal im Ernst, warum hat er dich eingeladen?«, fragt Cara immer noch verwirrt. »Das ergibt doch keinen Sinn.«

»Vielleicht fand er es unfair, die ganze Uni-Truppe einzuladen und mich nicht. Vielleicht will er nicht, dass ich mich ausgeschlossen fühle. Er war immer schon sehr umsichtig.«

»Ach komm schon! Ihr beide seid einunddreißig! Wir sind doch hier nicht auf dem Schulhof!«

»Das ist der einzige Grund, der mir einfällt. Wir haben uns immer gut verstanden. Und die Uni-Truppe ist nicht mehr dieselbe, seit wir uns getrennt haben. Es war allen unangenehm. Vielleicht will er das ändern und uns einander wieder näherbringen. Vielleicht will er, dass wir … Freunde werden.«

»Indem er dich zu seiner Hochzeit einlädt? Sophie, wenn er wieder dein Kumpel sein möchte, hätte er dich zu einem verdammten Abendessen im Pizzaladen eingeladen oder so. Außerdem hätte er nicht nur zwei Monate nach eurer Trennung und dem Ende eurer achtjährigen Beziehung etwas mit einer anderen angefangen und ihr nach nur einem Jahr einen Antrag gemacht, wenn er dein Freund sein möchte.« Cara schüttelt den Kopf und spitzt die Lippen. »Ich hoffe, ich laufe ihm bald mal über den Weg, damit ich ihm eine reinhauen kann.«

Ich lache. »Dann hoffe ich, dass du ihm nicht über den Weg läufst. Er hat nie etwas falsch gemacht.«

»Ha!«

»Technisch gesehen nicht! Ja, es ging alles sehr schnell, aber er hat mich nicht betrogen. Hör mal, Cara, ich weiß, du machst dir Sorgen, aber ich komme schon klar. Bestimmt. Es ist nur … nachdem ich den Umschlag aufgemacht habe, war es, als würde der ganze Schmerz erneut auf mich einprasseln. Ich habe acht Jahre meines Lebens an jemanden verschwendet, der einer anderen nach nur einem Jahr einen Antrag gemacht hat. Während ich zu Hause sitze und mich von dicken Umschlägen aus exquisitem Papier in zartem Eierschalenweiß angezogen fühle. Argh.« Ich lege den Kopf auf die Tischplatte. »Ich bin eine Katastrophe.«

»Nein, bist du nicht«, erwidert Cara und tätschelt meinen Kopf. »Auch wenn wir über die Sache mit dem Umschlag noch einmal reden müssen.«

»Was stimmt bloß nicht mit mir?«

Ich hebe den Kopf vom Tisch und sehe sie an. Ein Bierdeckel klebt in meinem Gesicht. Na super!

»Herrgott noch mal!«, kreische ich, während Cara die Hand ausstreckt und danach greift. »Siehst du? Ich bin ein Wrack. Jemand, der am Montagabend Tequila in sich hineinstürzt und mit einem Bierdeckel im Gesicht herumläuft!«

»Das ist leicht übertrieben, und normalerweise trinkst du montags keinen Tequila. Du bist die vernünftigste Person, die ich kenne, und hast immer alles unter Kontrolle. Niemand würde dich jemals als Wrack bezeichnen«, versichert Cara mir, während sie dem Barkeeper ein Zeichen gibt, dass wir noch zwei Tequila brauchen. »Die Einladung war ein grausamer Schock. Antworte ihm und vergiss es. Konzentriere dich auf deine Karriere. Du hast so viel am Laufen! Daniel hat dich nie unterstützt! Erinnerst du dich, wie er dich immer wegen deiner Vorliebe für Hochzeiten aufgezogen hat? Und nicht auf nette Art, sondern herablassend? Und jetzt sieh dich an! Du bist ihn los, und plötzlich hast du deine Leidenschaft zum Beruf gemacht.«

Ich nicke langsam. »Du hast recht.«

»Selbstverständlich habe ich recht! Lass dich von Daniels Hochzeitseinladung nicht aus der Bahn werfen. Du bist jetzt viel glücklicher als damals mit ihm.«

Der Barkeeper bringt die Gläser und die Zitronenscheiben. Wir stoßen an, stürzen den Tequila hinunter und knallen die Gläser auf den Tisch.

»Ja, ich sollte mich besser auf meine Arbeit als auf mein katastrophales Privatleben konzentrieren. Ich brauche die Bräute, und die Bräute brauchen mich.«

»Auf alle Fälle. Hast du im Moment gerade etwas besonders Tolles am Start?«

»Alle Hochzeiten sind auf ihre Art toll«, erkläre ich, und Cara verdreht die Augen. »Aber ein neuer Großauftrag wäre super.«

»Ich dachte, du bist absurd beschäftigt.«

»Langsam geht die Hochzeitssaison zu Ende. Ich habe in den kommenden Monaten einige Hochzeiten, aber viele sind es nicht. Und da ich jetzt sämtliche Gedanken an Daniel und seine Nobelhochzeit verdrängen muss, wäre es super, wenn ich keine Zeit zum Denken hätte«, verkünde ich fest entschlossen.

»Du könntest es ja mit … ähm … Dating versuchen?«, schlägt Cara mit einem verschlagenen Lächeln vor. »Du warst schon ewig nicht mehr auf einem Date. Es nimmt eine Menge Zeit in Anspruch und ist eine hervorragende Ablenkung.«

»Da helfe ich lieber anderen Leuten dabei, die richtige Serviettenfarbe auszusuchen, die ihre Identität als Paar widerspiegelt.«

»Wann hattest du das letzte Mal Sex?«

Ich beschäftige mich eingehend mit der Getränkekarte.

»Sophie?« Cara lässt nicht locker. »Hattest du Sex, seit mit Daniel Schluss ist?«

»Ich war sehr beschäftigt und …«

»Dann ist es also über ein Jahr her …«

»Hey! So schlimm ist das nicht!«, rufe ich und werfe den Bierdeckel nach ihr. »Ich hatte zu tun. Und wir waren acht Jahre zusammen! Es ist nicht so einfach, weiterzuziehen und mit einem anderen ins Bett zu springen. Wobei … er hatte damit offenbar keine Probleme.«

»Mike hat einen Kollegen, mit dem du vielleicht zusammenpassen könntest«, meint sie und wirft den Bierdeckel wieder zurück. »Er sieht gut aus und liebt Hunde.«

»Was will frau mehr? Ich denke darüber nach, aber ehrlich: Im Moment geht es mir gut, so wie es ist.«

»Na gut.« Sie hebt ihr Glas. »Auf uns. Und dass es uns im Moment gut geht.«

Ich stoße mit ihr an. »Cheers.«

»Und weißt du, was?«, ruft sie etwas zu laut. »Scheiß auf Daniel und seine Eierschalen-Einladung oder was auch immer du vorhin gesagt hast. Seine Stimme war viel zu dröhnend, und die Haare waren eine Katastrophe.«

Ich lache auf. Wir bleiben noch eine Stunde, trinken Wein und reden über Daniels Fehler, bis uns klar wird, dass es Montag ist und wir nach Hause gehen sollten. Ich umarme Cara innig, bevor ich in die U-Bahn in Richtung Balham steige, und danke ihr, dass sie immer da ist, wenn ich sie brauche.

»Kein Problem, Lieblingscousine«, lallt sie und macht sich auf den Weg zur Central Line. »Und denk daran: Gib dir einen Moment, um niedergeschlagen zu sein, dann lehne die Einladung dankend ab und vergiss die Sache. Im Moment geht es dir gut, vergiss das nicht.«

Das ist ein vernünftiger Rat. Ich werde meiner Niedergeschlagenheit heute Abend freien Lauf lassen und morgen mit meinem Leben weitermachen. Ich werde auf die Einladung antworten und die Sache anschließend vergessen.

Ich fahre nach Hause, sinke auf das Sofa und scrolle durch die verschiedenen Playlists auf meinem Handy, bis ich den Song finde, nach dem ich suche. Ich drücke auf Play. Katy Perrys »The One That Got Away« dröhnt aus meinen Bluetooth-Lautsprechern. Ich stoße ein lautes »Ha!« aus. Cara fände es sicher witzig, dass ich aus all den wunderbaren Liedern über Liebe und Verlust ausgerechnet dieses ausgesucht habe.

Anschließend ziehe ich die Einladung aus meiner Tasche, presse sie an meine Brust und schließe die Augen, als die Tränen zu fließen beginnen.

 

Dienstag, 8:00 morgens. Das Telefon klingelt.

 

ICH: Hallo?

TIMMY: Sophie? Hier ist Timmy. Warum klingt deine Stimme so kratzig?

ICH: Tut mir leid, harte Nacht.

TIMMY: Die Arbeit?

ICH: Mhm.

TIMMY: Hast du kurz Zeit? Ich brauche einen Rat.

ICH: Ich habe immer Zeit. Ich bin deine Brautjungfer! Dafür bin ich da. Wie kann ich helfen?

TIMMY: Ich habe mir Gedanken über die Stühle gemacht.

ICH: Welche Stühle? Bei der Trauung? Oder beim Empfang?

TIMMY: Bei der Trauung. Ich habe mir da etwas überlegt.

ICH: Schieß los!

TIMMY: Stell dir vor … Grau. Chiffon. Schärpen.

(Pause)

TIMMY: Also, was denkst du?

ICH: Brillant.

TIMMY: Wirklich?

ICH: Ja. Perfekt. Und an welche Art Stuhl hast du gedacht?

TIMMY: Es gibt mehr als eine Stuhlart?

ICH: Ja, und du kannst sie alle haben. Die Location hat eine große Auswahl im Angebot. Darf ich einen Vorschlag machen?

TIMMY: Klar.

ICH: Chiavari. Traditionell, elegant, ein wenig rustikal, aber mit einer grauen Schärpe sehr exklusiv.

TIMMY: Moment, ich google es mal … bleib kurz dran …

(Pause)

TIMMY: O mein Gott, die sind der Hammer!

ICH: Sie passen zu dir. Und zu dem Vibe, den du dir wünschst.

TIMMY: Du bist ein Genie.

ICH: Nö, ich mache nur meinen Job.

TIMMY: Chiavari, hm? Wer hätte gedacht, dass Stühle so wichtig sind. Du bist die Beste. Ich melde mich bald wieder wegen der Gastgeschenke.

ICH: Ich freue mich auf deinen Anruf. Hab einen schönen Tag!

TIMMY: Du auch. Ach, und Sophie?

ICH: Ja?

TIMMY: Starker Kaffee, Ibuprofen und Salzgebäck, Schätzchen. Dann ist der Kater zu Mittag weg.

ICH: Aber ich habe keinen …

TUUUUUUUT

Kapitel 3

Timmy hat gerade aufgelegt, da klingelt es an der Tür.

Ich stöhne und ziehe mir die Decke über den Kopf. Wahrscheinlich ist es der Postbote mit einem Paket, und hoffentlich lässt er es bei einem meiner Nachbarn, dann kann ich es später abholen. Warum musste ich an einem Montagabend bloß so viel trinken? Was habe ich mir nur dabei gedacht? Und dann auch noch Tequila. Ich werde Cara umbringen. Wir sind doch keine zwanzig mehr! Das war total überflüssig! Warum haben wir überhaupt …?

Ach ja, Daniels Hochzeitseinladung. Deshalb.

Ich glaube, ich muss mich übergeben.

Sekunden später klingelt es erneut, und als ich immer noch nicht reagiere, klingelt es Sturm. Als mir klar wird, dass es nur eine verzweifelte Braut kurz vor dem Nervenzusammenbruch sein kann, hieve ich die Beine aus dem Bett, dann meinen Körper und wische mir die zerzausten Haare aus der Stirn. Ich nehme meinen Morgenmantel vom Haken an der Tür und schlüpfe hinein, während ich mir schnell eine Ausrede einfallen lasse, warum ich aussehe, wie ich aussehe. Ich werde behaupten, ich sei krank, und hoffen, dass die Braut vor meiner Tür mich nicht als ausgesprochen unprofessionell abstempelt.

»Hallo?«, krächze ich in die Gegensprechanlage.

»Sophie? Bist du das? Was ist mit deiner Stimme passiert? Du klingst grauenhaft! – Hast du etwa einen Kater? An einem Dienstag? Ich dachte schon, du bist vielleicht tot!«

Ich schließe die Augen, und meine Kopfschmerzen steigern sich schlagartig. »Mum. Hi.«

»Lässt du mich nicht rein?«

»Habe ich denn eine Wahl?«, murmle ich, drücke den Türöffner und öffne die Wohnungstür. Dann schlurfe ich in die Küche und fülle den Wasserkocher auf. Ich höre meine Mutter reden, während sie die Treppe hochsteigt, obwohl sie noch nicht einmal in der Nähe der Wohnung ist. Ihre Stimme hallt von den Wänden wider. Ich stelle den Kocher beiseite. Eine Schmerztablette ist jetzt wichtiger.

»Warum sind die Wände so verkommen? Und der Teppich müsste auch mal gereinigt werden. Wohnt hier etwa ein Hund im Haus? Überall Haare! Und was ist das für ein Geruch? Wie fauliges Seegras.«

Sie eilt in die Wohnung und sieht mich in der Küche mit einer Paracetamol in der Hand. »Was ist passiert?«, fragt sie, und ihre Augen weiten sich, während sie ihren Mantel und die Handtasche auf den Haken im Flur hängt. »Wurdest du überfallen?«

»Was?« Ich nehme die Paracetamol mit einem großen Schluck Wasser. »Wie kommst du darauf, dass ich überfallen wurde? Hier sieht es doch gar nicht danach aus.«

»Nein, aber du siehst schrecklich aus!«

»Und das bringt dich sofort zu der Annahme, dass ich überfallen wurde.«

»Nun, irgendetwas muss passiert sein, Sophie. Es ist Dienstag, und du schluckst hier Pillen, als gäbe es kein Morgen! Ich hoffe, du machst das nicht jeden Tag?«

Ich massiere mir die Schläfen. »Ich habe bloß eine Tablette gegen Kopfschmerzen genommen, Mum. Da ist man für gewöhnlich noch nicht drogenabhängig.«

Sie kommt in die Küche, übernimmt das Anstellen des Wasserkochers und holt zwei Becher aus dem Schrank. »Dann bist du also verkatert?«

»Ich bin krank.«

Sie hebt die Augenbrauen und wirft mir einen Blick zu, wie es nur Eltern können. Selbst wenn man schon über dreißig ist. »Wirklich?«

»Genau genommen ja.«

»Vom Alkohol?«

»Spielen die Details denn eine Rolle? Ich bin krank, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«

»Hattest du ein Date?«, fragt sie und hängt die Teebeutel fein säuberlich in die Becher. Meine Mum macht alles fein säuberlich, selbst so alltägliche Dinge wie Tee kochen.

»Sozusagen. Es war ein Date mit Cara.«

»Warum gehst du an einem Montagabend mit Cara aus?«

»Moment mal. Warum bist du hier?«

»Sehr nett, danke vielmals!«

»Du weißt, was ich meine«, erwidere ich und verdrehe die Augen, was ziemlich schmerzhaft ist. »Es ist schön, dich zu sehen, Mum. Aber was machst du an einem Dienstagmorgen bei mir in der Wohnung?«

»Du hast unseren Brunch vergessen.«

Ich runzle die Stirn und stapfe an ihr vorbei ins Schlafzimmer, um einen Blick in meinen Handykalender zu werfen. Sie hat natürlich recht. Wir wollten uns heute zum Brunch treffen, um mal wieder ausgiebig zu quatschen. Ich gehe zurück und bleibe in der Küchentür stehen. »Mum, es ist halb neun.«

»Ja und?« Sie gießt das kochende Wasser in unsere Becher.

»Du weißt aber schon, was Brunch bedeutet, oder? Es ist eine Kombination aus Frühstück und Mittagessen.«

»Ganz genau.«

Ich sehe sie an. »Und warum bist du dann jetzt schon hier?«, frage ich und hoffe, dass die Paracetamol bald Wirkung zeigt.

Sie holt stirnrunzelnd die Milch aus dem Kühlschrank. »Du sagtest, wir würden uns zum Brunch treffen. Und hier bin ich.«

Wenn mein Kopf nicht ohnehin schon explodieren würde, hätte ich ihn spätestens jetzt gegen die Wand geschlagen.

»Wunderbar! Aber zum Brunch trifft man sich nicht um halb neun! Dann wäre es ja ein Frühstück!«

»Das ist aber verwirrend«, entgegnet sie mit einem übertriebenen Seufzen und gibt mir meinen Tee. »Aber egal, jedenfalls bin ich jetzt hier.«

Es hat keinen Sinn, die Diskussion fortzuführen. Ich habe bereits verloren. Das hier ist so typisch für Mum, dass ich es eigentlich hätte besser wissen sollen. Mein Organisationstalent kommt ganz klar von ihrer Seite der Familie. Mein Dad ist das komplette Gegenteil. Er ist ständig mit den Gedanken woanders, verliert alles und weiß die meiste Zeit nicht, wo er gerade sein sollte, hat aber immer Spaß an der Sache. Meine Mum hingegen hat mehrere, farblich verschiedenen Themen zugeordnete Kalender und gibt sich große Mühe, nie pünktlich zu sein. Stattdessen kommt sie immer zu früh. In diesem Fall mehrere Stunden.

Bevor sie vor einem Jahr in Rente ging, arbeitete Mum als PR-Betreuerin mehrerer Fernsehstars und war so gewöhnt daran, sämtliche Konsequenzen schlechter Presse bravourös aus der Welt zu schaffen, dass sie seit jeher eine Meisterin darin ist, für jegliche Probleme des täglichen Lebens eine Lösung zu finden oder sie in Chancen zu verwandeln. Sie ist klug, arbeitsam und pragmatisch und wirkt immer irgendwie nachdenklich, als würde sie bereits nach dem besten Weg suchen, den nächsten Stein wegzuräumen, bevor er überhaupt in Sichtweite ist. Eine derart vernünftige Mutter ist toll, vor allem, wenn etwas schiefgeht und sie einen wieder auf Schiene bringt, aber es kann auch ziemlich anstrengend sein.

Nach einem Gespräch mit ihr fühle ich mich jedes Mal erschöpft.

»Also, beantwortest du jetzt meine Frage?«, ruft sie, während sie ins Wohnzimmer geht und sich auf das Sofa setzt.

Gott sei Dank habe ich gestern Staub gesaugt, sonst hätte sie sicher gemeckert. Ihr Haus in Putney ist immer makellos sauber, und alles ist dort, wo es sein sollte. Dad lässt gerne Untersetzer umherwandern, nur um ihre Reaktion zu testen. »Hier, mein Schatz, eine schöne Tasse T… – Moment! Wo ist der Untersetzer, der sonst immer auf diesem Tisch liegt? Ich weiß nicht, wie das immer … Oh! Das ist er ja. Auf dem Tisch dort drüben! Wie ist denn das passiert? Ich muss ihn aus Versehen falsch hingelegt haben. Egal, hier, mein Schatz, eine schöne Tasse Tee auf dem richtigen Untersetzer.«

Er macht es mindestens zwei Mal die Woche, und sie hat immer noch keine Ahnung, was mit ihren Untersetzern los ist.

»Welche Frage noch gleich?«, hake ich nach.

»Warum du und Cara euch an einem Montagabend volllaufen lasst? Das sieht euch nicht ähnlich.«

Ich muss es ihr irgendwann sagen. Ich sehe mich nach der Einladung um und entdecke sie in einer Sofaritze hinter Mum. Ach ja, ich habe sie mir gestern Abend an die Brust gedrückt, während ich traurige Songs gehört habe. Gott, wie erbärmlich!

»Deswegen.« Ich strecke ihr die Einladung entgegen. »Ich werde jetzt erst einmal duschen. Ich habe heute Vormittag noch tausend Dinge zu erledigen.«

»O Sophie«, seufzt sie traurig, während sie die Einladung liest.

»Es geht mir gut. Ehrlich«, erkläre ich so fröhlich, wie ich kann, und gehe zum Badezimmer. »Ich musste mich gestern bloß abreagieren, und jetzt bin ich bereit, es zu vergessen.«

Ich versperre die Badezimmertür hinter mir und erhasche einen Blick auf mein Spiegelbild. Ich sehe grauenhaft aus, und mit einem Mal schäme ich mich für mich selbst. Ich schäme mich und bin gleichzeitig auch wütend, dass ich zugelassen habe, dass Daniel einen solchen Effekt auf mich hat, obwohl ich eigentlich über ihn hinweg bin. Dass ich wegen ihm den Wecker nicht gehört und verschlafen habe und außerdem gestern Abend viel zu viel getrunken habe, obwohl es so viel zu tun gibt. Dass er mir das Gefühl gibt, ich hätte mein Leben nicht im Griff und wäre eine Versagerin, obwohl ich weiß, dass das nicht stimmt.

Ich werfe einen neuerlichen Blick in den Spiegel und sehe, dass ich gestern nur ein Auge abgeschminkt habe. Ich habe wohl vergessen, dass es noch ein zweites in meinem Gesicht gibt.

»Reiß dich zusammen«, befehle ich mir und mache die Dusche an. »Das hast du nicht nötig.«

Ich werde auf die Einladung antworten, sie anschließend sofort vergessen und mit meinem Leben weitermachen. Ja. Genau so werde ich es machen. Du wirst schon sehen, Daniel. Ich werde sicher nicht zu deiner dämlichen Hochzeit mit den dämlich perfekten Einladungen, der dämlichen Traum-Location und dem dämlichen exquisiten Vier-Gänge-Menü kommen. Ich mache stattdessen etwas total Großartiges. Etwas, das Daniel nie von mir erwarten würde. Etwas Unfassbares. Etwas Gewagtes, Außergewöhnliches. Etwas vollkommen Verrücktes. Etwas Beeindruckendes, bei dem alle nur noch »Wow!« sagen werden.

Etwas wie … Fallschirmspringen! – Warum nicht? Ich werfe mich aus einem Flugzeug. Das schaffe ich! Und ich werde es genau an Daniels Hochzeitstag tun.

Und wenn er dann unsere gemeinsamen Freunde fragt, warum ich nicht gekommen bin, würden sie sagen: »Sophie? Ach, die ist gerade beim Fallschirmspringen.«

WUMM. Das wird ihn umhauen.

Daniel: »Was? Sophie ist beim Fallschirmspringen? Das ist so mutig, verrückt und unglaublich! Ich habe ihr unrecht getan. Ich hatte sie gar nicht verdient. Sie will mich sicher nicht zurück.«

Und unsere Freunde: »Nö, Kumpel, ganz sicher nicht.«

Als ich in die Dusche trete, fühle ich mich besser. Ich bin bereit, mein Selbstmitleid zu begraben und an die Arbeit zu gehen.

»Willst du darüber reden?«, fragt Mum vorsichtig, als ich angezogen und meine Mails checkend aus meinem Schlafzimmer komme.

»Worüber?«

»Über die Einladung.«

»Danke, Mum, aber ich habe schon viel zu viel drüber geredet. Ich antworte später darauf. Wo ist sie denn?«

»Mhm.« Sie nickt langsam und gibt mir den Umschlag.

Ich nehme ihn lächelnd entgegen. »Ist schon okay, Mum. Ich werde nicht hingehen.«

»Ah.« Sie entspannt sich sichtlich. »Das ist sicher die richtige Entscheidung. Er hätte dich nicht einladen dürfen. Das war grausam von ihm.«

»Ich glaube nicht, dass er grausam sein wollte.« Ich lache auf. »Ich glaube, er wollte nett sein.«

»Lass dich nicht davon runterziehen. Du bist ohne ihn besser dran.«

»Das glaube ich auch.«

»Du hast ein ausgefülltes Leben. Keine Zeit, um dir über die Vergangenheit Gedanken zu machen.«

»Ganz genau.«

»Er hat dich ausgesaugt. War von dir abhängig. Dad und ich konnten ihn von Anfang an nicht leiden.«

»Klar.«

»Weißt du, was du brauchst?«

»Eine Bloody Mary?«

»Jemanden, der dich verwöhnt! Jemanden, der dich in Aufregung versetzt! Du arbeitest so hart, und auch wenn ich dich uneingeschränkt in deiner Karriereauswahl unterstützt habe«, betont sie, »befürchte ich, dass es nicht gesund ist, wenn du ständig auf Hochzeiten bist. Und jetzt steht auch noch Daniels bevor …«

»Das ist okay, Mum«, versichere ich ihr. »Ich sehe das anders. Hochzeiten sind mein Job.«

»Ich habe neulich von einer Agentur gelesen, die Dates für Gruppen und nicht nur für Paare organisiert. So kannst du einen netten Abend unter Gleichgesinnten verbringen und Spaß haben, auch wenn dir keiner der Männer gefällt.«

»Mum«, stöhne ich. »Bitte keine Dating-Ratschläge.«

»Das würde ich niemals tun!«, ruft sie schockiert. »Ich meine doch nur, dass du einen lustigen Abend mit einem gut aussehenden jungen Mann verdient hast, der dich verwöhnt.«

Meine Eltern sind tatsächlich ziemlich cool, was meine Beziehungen zu Männern angeht. Mum interessierte sich immer schon mehr für meine Karriere und meine finanzielle Unabhängigkeit, und es war nicht gerade einfach für sie, als ich ihr nach mehreren Jahren als persönliche Assistentin sagte, dass ich von nun an professionelle Brautjungfer sein wollte. Dass ich mit dreißig plötzlich wieder Single war, war meinen Eltern im Vergleich dazu egal.

»Ich verstehe Daniels Vorgehensweise einfach nicht«, fährt Mum fort. »Aber vielleicht können wir etwas Positives daraus ziehen. Vielleicht gibt es dir die Motivation, wieder unter Leute zu gehen. Selbstverständlich nur, wenn du dazu bereit bist. Du weißt schon, mal sehen, was so alles auf dem Markt ist.«

Ich muss unwillkürlich lächeln. »Danke, Mum. Ich werde darüber nachdenken. Und nachdem wir dieses unangenehme Gespräch nun zu einem guten Abschluss gebracht haben, muss ich noch einige Anrufe erledigen und E-Mails checken, bevor wir uns auf den Weg machen.«

Sie hebt die Hände. »Ich lass dich in Ruhe. Ich kann ja …«, sie sieht sich um, und ihr Blick bleibt an einem Stapel Hochzeitsmagazine auf dem Couchtisch hängen, »… ein bisschen lesen. Vielleicht kann ich dir bei einer deiner Hochzeiten unter die Arme greifen.«

Als ich in mein Büro (meinen Wandschrank) gehe, blättert sie bereits vergnügt in einem der Magazine. Ich beantworte gerade eine E-Mail über Stoffmuster, als Mum hinter mir auftaucht.

»Sag nicht, dass du dich jetzt schon langweilst. Ehrlich, Mum, man kann frühestens um zehn zum Brunch!«

»Sieh dir mal das an!«, erwidert sie und hält mir das Magazin vor die Nase. Mein Blick fällt auf die Verlobungsanzeigen.

»Die Tochter der Marquise von Meade hat sich verlobt.«

»Ja, Lady Cordelia, ich weiß.« Ich betrachte das Foto des zukünftigen Brautpaars auf irgendeinem schicken Londoner Event und den riesigen Diamanten, der an Cordelias Finger prangt. »Das habe ich letzte Woche schon gesehen.«

»Kaum zu glauben, dass ich nichts davon gewusst habe!«

So sehr es nervt, dass meine Mum mich beim Arbeiten stört, um mir zu erzählen, dass eine weitere Promi-Hochzeit bevorsteht, verstehe ich natürlich, warum sie so aufgeregt ist.

Lady Cordelia Swann ist eine dieser Berühmtheiten, die jeder kennt, von den Großeltern bis zum Teenager. Sie ist die einzige Tochter einer der ältesten, adeligsten und – nicht zu vergessen – reichsten Familien in Großbritannien und war bereits mit zwei Jahren auf den Gesellschaftsseiten vertreten. Die Mädchen in meiner Klasse waren besessen von ihr und ihrer besten Freundin Lady Annabel Porthouse. Die beiden waren in unserem Alter und immer auf den coolsten Partys unterwegs, hatten berühmte Freunde und trugen die angesagtesten Designerklamotten. Lady Cordelias Mum hatte in den 1960ern als Model gearbeitet und war ein richtiges Partygirl, bevor sie den Marquess heiratete. In den letzten Jahren hat sich Lady Cordelia zwar ein wenig aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, doch die Familie Swann ist immer noch sehr bekannt.

Es gibt sogar einen Fernsehfilm über Lady Cordelias Leben, der sich vor allem auf die Zeit konzentriert, als sie mit Mitte zwanzig in ihrem Stadthaus in Chelsea mit einem berühmten Rockstar zusammenlebte. Der Film heißt: Lady Cordelia Swann – Die wilden Jahre und ist in etwa so gut, wie der Titel vermuten lässt.

»Das wird die Hochzeit des Jahrzehnts«, fährt Mum fort und wirft mir einen hoffnungsvollen Blick zu. »Deshalb dachte ich, es würde dich vielleicht interessieren. Du solltest Lady Cordelia Swann schreiben und ihr deine Dienste anbieten.«

»Was? Sei nicht albern! Sie wird sich die teuersten Hochzeitsplanerinnen im ganzen Land sichern.«

»Nun, dann ist sie eine Idiotin. Du bist die Beste für diesen Job.«

»Das sagen doch alle Mütter.« Ich schenke ihr ein Lächeln. »Aber danke trotzdem.«

Sie nimmt das Magazin wieder an sich und seufzt. »Schade. Stell dir nur mal vor, bei so einer Hochzeit mitzuarbeiten.«

»Ja«, murmle ich und wende mich wieder meiner E-Mail zu. »Stell dir das mal vor.«

WhatsApp-Gruppe »Clares Junggesellinnenparty«

Hallo, alle zusammen! Ich freue mich schon supertoll darauf, mit euch in ein paar Wochen Clares Junggesellinnenabschied zu feiern. Wenn ihr einen Moment Zeit habt, klickt bitte auf den unten stehenden Link und gebt eure Menüauswahl und mögliche Sonderwünsche für das Essen am Samstagabend ein. Danke! Zur Erinnerung: Clare hat sich für das Motto RAVE entschieden, also nehmt leuchtend bunte Klamotten mit, und ich sorge für die Leuchtstäbe und jede Menge Neon-Make-up!

Danke euch allen! Küsschen!

http://marcosrestaurantbrighton.co.uk/

 

Jessica

Das ist so aufregend!!!!! Ich habe eine Glutenunverträglichkeit, hoffe das ist ok!

 

Aber klar doch!

Gib es einfach in der Spalte mit den Sonderwünschen ein 🙂.

 

Corinne

OMG ich kann es kaum ERWARTEN! Gibt’s auch was für Veganer?

 

Natürlich! Klick auf den Link, dann erhältst du die verschiedenen Optionen.

 

Rachel

YIIIIPIIIEEE! Ich freue mich tierisch! Darf ich fragen, ob es einen Dresscode gibt? Brauchen wir besondere Klamotten?

 

Ich freue mich auch! Ja, das Thema ist RAVE, also bitte bunte Klamotten mitbringen! 🙂

 

Fran

Wie TOLL! OMG! Soll ich Neon-Make-up besorgen?

 

Wie nett, dass du fragst, aber keine Sorge. Das Neon-Make-up liegt schon bereit!!

 

Rachel

Wir brauchen UNBEDINGT Leuchtstäbe!!

 

Super Idee!! Ich habe schon welche organisiert.

 

Sarah

YESSS! Ich bin schon so aufgeregt! Ich esse keine Meeresfrüchte, wenn das okay ist.

 

Klar, kein Problem. Schreib es bitte in die Spalte mit den Sonderwünschen, nachdem du dem Link gefolgt bist.

 

Sarah

Ich bin nicht allergisch oder so. Ich mag die Dinger nur nicht.

 

Ah, kein Problem! Es gibt mehr als genug Auswahlmöglichkeiten und nur eine Meeresfrüchtevariante, soviel ich weiß. Klick auf den Link und sieh es dir an.

 

Mandy

Das wird so COOOL! Ich hätte gerne das Steak mit den Fritten.

 

Geht klar. Wenn du es bitte noch ins Formular einträgst, das du unter dem eigens eingerichteten Link abrufen kannst? 🙂

 

Naomi

Ich habe es gerade ausgefüllt, danke fürs Organisieren! Was sollen wir denn zum Essen anziehen? Abendkleid?

 

Danke fürs Ausfüllen! Das Thema für Samstag ist RAVE, also kommt bitte in bunten Klamotten.

 

Holly

Ich kann es kaum erwarten, in der Arbeit geht es gerade rund, da kommt eine Auszeit genau richtig! Tolles Thema, soll ich Neon-Make-up oder so was mitbringen? Oder passt das nicht?

 

Danke, das ist lieb. Ich habe bereits Neon-Make-up besorgt!

 

Jenna

Tut mir leid, falls ich zu kompliziert bin, aber ich bin seit einiger Zeit Vegetarierin und laktoseintolerant!! SORRY!!

 

Kein Problem! Wähle ein vegetarisches Gericht und schreib in die Spalte »Sonderwünsche«, dass du keine Laktose verträgst.

 

Anna

Ich kann es gar nicht mehr ERWARTEN!! Du meintest bunte Klamotten – geht ein gelbes Kleid? Was anderes hab ich nicht!

 

Klingt doch toll! Ein gelbes Kleid ist perfekt!

 

Carey

Hey, tut mir leid, dass ich mich so spät einklinkte. Ich hab wohl einiges verpasst! Also, gibt es ein Motto für den Abend?

 

Kapitel 4

Einladung zur Hochzeit von

Nisha Sharma und Luke Forde

25. September 2021

»Verdammt«, murmelt Nisha und betrachtet eingehend die komplizierten Henna-Muster auf ihren Händen und Unterarmen. »Ich kann sie nirgendwo finden.«

»Was denn?«, frage ich und überprüfe noch einmal, ob mein Sari meine Schulter ordnungsgemäß bedeckt und nicht im nächsten Moment nach unten rutscht.

»Lukes Initialen.« Sie inspiziert ihre Hände. »Sie sollten irgendwo in den Mustern versteckt sein.«

»Aber dann ist es doch besser, wenn du sie nicht findest.« Ich bewundere die verschnörkelten Muster auf ihrer Haut.

»Schon.« Sie hebt seufzend die Arme und sucht an den Ellbogen weiter. »Aber es ist Tradition, dass sich der Ehemann in der Hochzeitsnacht auf die Suche danach begibt. Wenn er sie nicht findet, werde ich der Überlieferung nach die Oberhand in unserer Ehe haben.« Sie grinst verschmitzt. »Ich will wissen, wo sie sind, damit ich sie so gut wie möglich vor ihm verstecken kann. Ich will nicht, dass er mit dem Glauben in die Ehe geht, das Schicksal hätte gewollt, dass er die Zügel in der Hand hält.«

Ich schüttle lachend den Kopf. »Vielleicht sind sie in den Mustern auf deinen Füßen versteckt.«

»Nein, sie sind ganz sicher an den Händen oder Armen«, erwidert sie bestimmt und senkt die Arme, sodass die unzähligen Armreifen klirren. »Ich hoffe, er findet sie nicht vor mir. Sonst bin ich stinksauer.«

Die Arbeit mit Nisha war eine der schönsten beruflichen Erfahrungen meiner bisherigen Karriere. Sie plante eine anglo-indische Hochzeit – einschließlich einer hinduistischen Zeremonie in einem eleganten Hotel in Kent – und ist vor wenigen Monaten auf meine Website gestoßen. Damals war sie einem Nervenzusammenbruch nahe, weil der Druck, die wichtigsten Traditionen beider Kulturen zu kombinieren, zu groß geworden war und sie gleichzeitig fest entschlossen war, die Kontrolle zu behalten und sich nicht von den Familien übervorteilen zu lassen. Ihr Verlobter Luke ist wundervoll, aber schüchtern und desorganisiert und hatte nicht wirklich etwas beizutragen, sodass Nisha als schwer beschäftigte Ärztin den Großteil der Planung allein erledigen musste.