Wedding Season – Sieben Hochzeiten und ein Totalausfall  - Katy Birchall - E-Book
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Wedding Season – Sieben Hochzeiten und ein Totalausfall  E-Book

Katy Birchall

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Beschreibung

Mit wunderschönem Farbschnitt | Humorvoll-romantische Unterhaltung für England-Fans Ein Sommer, ein gebrochenes Herz und sieben Hochzeitseinladungen: Katy Birchalls neuer Roman »Wedding Season« ist der perfekte Lese-Spaß. In dieser charmanten romantischen Komödie schreibt Katy Birchall über die lustigsten Seiten der Wedding Season: Blumenschmuck und Pfauenfedern, verrückte Freunde und schrullige Verwandte, dazu jede Menge Überraschungen für herrlich komische Lesemomente! Freya ist im siebten Himmel, als sie ihre perfekte Traumhochzeit mit Matthew plant. Ihre soll die erste von insgesamt acht Hochzeiten sein, die in diesem Jahr im Kalender stehen. Doch als Matthew ihr wenige Stunden vor dem Gang zum Altar den Laufpass gibt, löst sich Freyas ganzer Lebensplan in Luft auf. Ihr Herz ist gebrochen! Wie soll sie nun als Single-Frau einen Sommer lang die Hochzeiten anderer Leute feiern? Zum Glück haben Freyas Freunde in Katy Birchalls grandiosem Roman eine geniale Idee: Für jede Hochzeitsparty denken sie sich eine Aufgabe aus, je verrückter, desto besser! So wollen sie Freya von ihrer eigenen geplatzten Hochzeit ablenken. Ob sie in einer alten Kirchentoilette festsitzt und vom Pfarrer gerettet werden muss oder in einem französischen Schloss mit einem Barmann knutscht - Freya merkt, dass sie trotz allem wieder Spaß am Leben haben kann. Als die letzte Hochzeit der Wedding Season ansteht, ist Freya nicht mehr dieselbe Frau, die sie zu Beginn des Heirats-Marathons war. Und vielleicht ist ihre eigene Liebesgeschichte doch noch nicht zu Ende... »Wedding Season« ist wie ein Glas Prosecco: prickelnd, lustig und viel zu schnell vorbei! Ob als Geschenk für die beste Freundin, für angehende Bräute oder für sich selbst: Dieser charmant-witzige Roman hat alles, was das Herz begehrt. Sympathische und liebevoll geschilderte Figuren, viele unerwarteten Wendungen, witzige Dialoge und unverwechselbares England-Flair. Ein Wohlfühlroman für alle, die ein leichtes, humorvolles und romantisches Buch lesen wollen! Schon Katy Birchalls romantische Komödie »Undercover Bridesmaid« war ein grandioser Leserinnen-Liebling. »Wedding Season« ist ihr von den begeisterten Fans sehnsüchtig erwarteter zweiter Hochzeits-Roman. Katy lebt mit ihrem Mann Ben und ihrem Findelhund Bono in London. Und selbstverständlich liebt Katy Hochzeiten über alles!

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Aus dem Englischen von Sonja Rebernik-Heidegger

 

© Katy Birchall, 2022

Titel der englischen Originalausgabe: »The Wedding Season« bei Hodder & Stoughton, an Hachette UK company, London 2022

© Piper Verlag GmbH, München 2023

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Dieses Buch ist den Frauen und Männern im Hochzeitsbusiness gewidmet, die 2020 so hart von der Pandemie betroffen waren.

Danke für euren Einsatz, um anderen den schönsten Tag ihres Lebens zu bescheren.

Prolog

»Hat jemand die Pfauen gesehen?«

Ich hebe den Blick von den zur Auswahl stehenden Servietten. »Wie bitte?«

»Hast du die Pfauen gesehen?«, wiederholt mein Bruder.

»Welche Pfauen?«

»Die ich gemietet habe. Sie sind verschwunden.«

»Adrian, wovon redest du?«

»Ich habe ein paar Pfauen gemietet, die morgen über den Rasen spazieren sollen. Als Überraschung. Das ist mein Hochzeitsgeschenk an dich.« Er grinst stolz. »Ich schätze, daran hast du bei deinen Planungen nicht gedacht. So originelle Ideen habe nur ich.«

Meine Augen werden schmal. »Du hast ein paar Pfauen gemietet, die während meiner Hochzeit über den Rasen spazieren sollen …?«

»Cool, oder?«

»Als Überraschung?«

»Ich wusste, du freust dich!«

»Und jetzt sind sie … verschwunden?«

»Na ja, nicht direkt verschwunden. Sie spazieren nur offenbar weiter weg, als ich gedacht hätte.«

Ich spitze die Lippen. Neben mir räuspert sich meine beste Freundin Ruby und konzentriert sich übertrieben geschäftig auf die Servietten.

»Also …«, beginnt Adrian noch einmal von vorn. »Habt ihr sie gesehen?«

»Nein, wir haben hier im Festzelt keine Pfauen gesehen«, zische ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Adrian, willst du mich auf den Arm nehmen?«

Er sieht mich verwirrt an. »Du meinst, wegen der Pfauen? Aber nein. Die sind wirklich entwischt. Wusstest du eigentlich, dass nur Pfauenhähne diese tollen Federn haben? Das hat mir der Kerl erzählt, von dem ich sie gemietet habe. Pfauenhennen sind total unscheinbar. Wer hätte das gedacht?« Er strahlt mich an. »Hey, glaubst du, dass sie im Haus sind? Die Leute lassen ständig die Tür offen …«

Nach einem schnellen Blick auf mein Gesicht greift Ruby ein. »Gute Idee. Sieh mal drinnen nach. Und … ja … wenn du schon im Haus bist, überprüfe am besten gleich alle Zimmertüren. Nicht, dass sie sich über Freyas Kleid hermachen …«

Ich schätze, meine Augen quellen mittlerweile auf unnatürliche Art aus meinem Kopf, so angestrengt versuche ich, nicht zu explodieren und meinem idiotischen kleinen Bruder die Meinung zu geigen, denn nach einem weiteren Blick in meine Richtung meint Ruby hastig: »LOS, Adrian! Beeilung!«

Adrian schlendert aus dem Festzelt in Richtung Haus und stibitzt im Vorbeigehen eines der Gastgeschenke aus dem bereitstehenden Weidenkorb neben dem Eingang.

Ruby dreht sich zu mir um, legt mir die Hände auf die Schultern und sieht mir in die Augen. »Los, wir atmen gemeinsam«, befiehlt sie und atmet langsam und tief ein und aus.

»Er lässt am Tag vor meiner Hochzeit Pfauen im Haus frei?«

»Also, eigentlich hat er sie im Garten freigelassen«, stellt Ruby klar und versucht nach Kräften, es herunterzuspielen. »Sie werden schon niemanden belästigen, und er findet sie bestimmt bis morgen früh. Außerdem musst du zugeben, dass es ein sehr originelles Geschenk ist.«

Ich schüttle fassungslos den Kopf.

»Aber jetzt sollten wir die Pfauen schleunigst vergessen und uns auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren«, verkündet Ruby. »Etwa, welche Serviettenfarbe du haben möchtest. Reinweiß, Schneeweiß oder Creme?«

Ich wende mich seufzend den Servietten zu. »Ich nehme … Schneeweiß.«

»Wenn du jetzt Reinweiß gesagt hättest, hätte ich dir die Freundschaft gekündigt.« Sie deutet auf das uns umgebende Festzelt. »Sieh dich nur um, Freya. Es ist perfekt. Ich würde sagen, wir können uns jetzt in aller Ruhe bei einem Glas Champagner entspannen, was meinst du?«

Ich drehe mich bewundernd im Kreis, während ein Dutzend Leute dem Festzelt den letzten Schliff verpasst. Es ist verrückt, wie sehr sich Dads Garten in wenigen Stunden verändert hat. Ich war schon immer der Meinung, dass sich der Rasen vor dem Haus hervorragend für ein Festzelt eignet und das im ländlichen Berkshire gelegene Grundstück der perfekte Ort für eine idyllische Gartenhochzeit ist. Nachdem Matthew um meine Hand angehalten hatte, haben wir also gar nicht erst nach anderen Locations gesucht. Und wenn ich mich jetzt so umsehe, bin ich mir sicher, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Langsam nimmt alles Gestalt an. Die Mühe und Zeit, die ich in diese Hochzeit und die winzigen, noch so albernen Details investiert habe (wer hätte gedacht, dass es buchstäblich Hunderte Papiersorten für die Einladungen gibt?), waren es am Ende wert.

Das Festzelt ist wunderschön, das mit Lichterketten geschmückte Zeltdach wie aus dem Märchenbuch, und auch wenn die Blumen erst morgen früh geliefert werden, weiß ich, dass es spektakulär aussehen wird, denn Lucy, die Floristin, ist ein Genie, und ich vertraue ihr vollkommen. Sie hat sogar darauf bestanden, heute noch einmal mit ihren Kolleginnen vorbeizukommen, um Maß zu nehmen, damit sie ihre Vision morgen genau so verwirklichen kann, wie sie es geplant hat. (Eine Frau nach meinem Geschmack.)

Die Tische sind sorgfältig gedeckt, und nachdem nun auch die Servietten ausgesucht sind, sind wir beinahe fertig. Die Bühne wartet nur noch auf die Band, die Foto-Box steht in der Ecke, die Gastgeschenke liegen in dem Korb neben dem Eingang bereit (dank Adrian um einiges weniger, aber ich habe vorsorglich mehr bestellt), und der Sitzplan – gestaltet von einem Künstler, den ich auf Instagram entdeckt habe – thront auf der vorgesehenen Staffelei. Es gibt eine große, rustikale Truhe mit cremefarbenen Strickdecken, falls es kühl werden sollte, und im Haus warten vierzig riesige Regenschirme, falls es regnet, wenn wir zum Fotografieren nach draußen gehen, obwohl der Wetterbericht immer noch einen milden, sonnigen Tag versprach, als ich vor zehn Minuten zum letzten Mal nachgesehen habe. Man kann nicht vorsichtig genug sein, und ich habe wirklich versucht, an alles zu denken.

»Keine Sorge, meine Lieben, ich bin endlich hier und bereit, euch unter die Arme zu greifen«, ruft Leo, Rubys Freund, der gerade ins Festzelt tritt und sich die Hände reibt.

»Du kommst ein paar Stunden zu spät«, beschwert sich Ruby, während er auf uns zuschlendert. »Es ist alles erledigt!«

Er grinst verschmitzt. »Na, dann bin ich doch gerade rechtzeitig gekommen. Okay, der Zug hatte schon bei der Abfahrt heute Morgen Verspätung, und es war schwierig, am Bahnhof ein Taxi zu ergattern. Eigentlich hattest du recht, Rubes. Ich hätte mir gestern ebenfalls freinehmen und Mittwochabend mit dir herfahren sollen. Aber jetzt bin ich ja da!«

»Wann lernst du endlich, dass ich immer recht habe?« Ruby seufzt, als er den Arm um ihre Mitte schlingt und ihr einen Kuss auf die Wange drückt. »Mach dich jetzt mal nützlich, und bring uns Arbeitsbienen einen Drink. Das ist das Mindeste.«

»Für mich noch nicht«, winke ich ab, drehe mich zu den Tischen um und überprüfe noch einmal nervös das Gedeck. »Da sind noch ein paar Dinge auf meiner Liste, die ich abhaken muss.«

»Sie macht Witze, oder?«, fragt Leo Ruby, dann wendet er sich wieder mir zu. »Freya, du heiratest morgen. Solltest du dich nicht langsam entspannen?«

»Nur ganz wenige Bräute haben am Vortag der Hochzeit Zeit zum Entspannen, Leo«, erwidere ich, hole mein Handy heraus und gehe die Checkliste durch. »Dieser Tag ist traditionell dafür vorgesehen, die Nerven zu verlieren.«

»Du hast in deinem ganzen Leben noch nie die Nerven verloren, Freya. Worüber machst du dir jetzt noch Sorgen?«

»Na ja, mein Bruder hat die Pfauen verloren …«

»Die was?«

»… und Matthew sollte noch einmal mit dem Caterer reden, um den Zeitplan zu fixieren.«

»Wo steckt der Bräutigam eigentlich?«, fragt Leo.

»Bei seinen Eltern. Sie sind zusammen zum Mittagessen gefahren.«

Leo hebt die Augenbrauen. »Wohin denn? Doch nicht ins Crown! Ich kann mir nicht vorstellen, dass Matthews Eltern die kulinarischen Höhepunkte dort mögen.«

Leo hat recht. Ruby und er haben schon einige Male in meinem Elternhaus übernachtet und kennen das Crown. Es ist das einzige Pub in der Gegend – im Grunde ist es der einzige Laden in der Gegend, in dem man überhaupt etwas zu essen bekommt –, die Speisekarte ist kurz und das Essen fragwürdig. Wir sind uns ziemlich sicher, dass der Wirt Fertiggerichte aus dem Supermarkt in die Mikrowelle stellt und sie für einen Zehner verkauft. Matthews Mum Gail legt zudem großen Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Sie würde im Crown niemals etwas anrühren. Vermutlich würde sie sich nicht einmal auf einen der Stühle setzen.

Obwohl Matthew sich hier bei meinem Dad wohlfühlt, ist er im Grunde seines Herzens ein Stadtjunge, ob er es zugibt oder nicht. Er redet zwar davon, dass er einmal aufs Land ziehen möchte, aber dann müsste er die riesige Auswahl an Restaurants und Bars aufgeben, die sich in London praktisch vor unserer Haustür auftut, und nachdem er für sein Leben gerne isst und sich mit Leuten trifft, wird es bis dahin noch lange dauern.

»Ich glaube, sie sind zum Essen in die Stadt gefahren«, erkläre ich Leo. »Sie kommen sicher bald wieder.«

»Weißt du, was ich mir vorhin gedacht habe? Ich finde es total schön, dass ihr beide die Hochzeitssaison eröffnet und wir sie beschließen«, verkündet Leo.

Ich sehe ihn fragend an. »Die Hochzeitssaison?«

»Jaaa. Wir sind in diesem Jahr zu acht Hochzeiten eingeladen.« Leo stößt die Luft aus. »Echt verrückt.«

»Willkommen in den Mittedreißigern, Leo«, meint Ruby.

»Mitte dreißig? Ich bin zweiunddreißig! Das sind mehr oder weniger die späten Zwanziger!«, protestiert er.

»Klar, rede dir das nur ein«, sagt sie und tätschelt seinen Arm.

»Stimmt, mit unserer Hochzeit sind es bei uns auch acht«, murmle ich und führe die beiden zur Bar, um nachzusehen, ob für morgen alles bereitsteht.

»Genau. Eine ganze Saison voller Hochzeiten.« Leo nickt. »Wir starten im März mit eurer Hochzeit und bringen es im September mit unserer Hochzeit zu Ende. Es wird ein bedeutendes Jahr.«

»Sieh uns nur an, wir sind alle erwachsen geworden«, meint Ruby und beäugt die mit Kreide geschriebene Cocktail-Karte auf der Tafel neben der Bar. »Ich werde morgen ein nervliches Wrack sein. Die wasserfeste Mascara liegt schon bereit.«

»Glaubst du, du zerdrückst auch ein Tränchen, wenn ihr eure Versprechen abgebt, Freya?«, fragt Leo neugierig.

Ruby schnaubt. »Da kennst du sie aber schlecht. Sie hat ein Herz aus Stein, das sag ich dir.«

»Wie nett«, entgegne ich trocken. »Ich hoffe, das kommt morgen auch in deiner Trauzeuginnenrede vor?«

»Nö, dafür habe ich mir etwas viel Emotionaleres und Überschwänglicheres überlegt.« Sie wendet sich wieder an Leo. »Wenn hier einer heult, dann der Bräutigam.«

Leos Gesicht hellt sich auf, als er jemanden am Eingang des Festzeltes entdeckt. »Wenn man vom Teufel spricht!«

Matthew schlurft ins Zelt und weicht im letzten Moment den Caterern aus, die gerade weitere Ausrüstung hereintragen, wobei er beinahe die Floristin umstößt, die gemeinsam mit dem Zeltvermieter die Vorrichtungen und Gewichtsgrenzen für die vom Dach hängenden Blumenarrangements überprüft.

»T-tut mir leid«, stammelt er und stolpert weiter. Dieses Mal kracht er gegen ein paar Milchkannen, und sie schlagen dröhnend aneinander.

»Da bist du ja«, rufe ich lachend. »Die Kannen sind für die Blumen am Zelteingang. Wir stellen zwei hier auf und zwei am Beginn des Weges neben dem Gartentor. Was hältst du davon?«

»Ähm … super«, antwortet er gedankenverloren.

»Bevor ich es vergesse: Ich weiß, dein Dad macht sich Sorgen wegen der Anstecksträußchen, aber ich habe noch einmal bei der Floristin nachgefragt, und sie hat mir versichert, dass er auch eines bekommt.«

»Können wir … reden?«, fragt Matthew mit gedämpfter Stimme.

»Hey, du schwitzt ja. Ist alles okay?«, erwidere ich besorgt. »Du wirst doch nicht krank, oder?«

»Soll ich Paracetamol besorgen?«, bietet Ruby an, die näher getreten ist.

»Hey, Matthew!« Leo klopft ihm freudig auf den Rücken. »Wie fühlst du dich, Kumpel? Hier sieht es wirklich klasse aus! Ihr beide habt es echt drauf.«

»Jaaa, weil Matthew auch so viel damit zu tun hatte«, bemerke ich grinsend.

Es ist ein Running Gag zwischen uns, denn Matthews Beteiligung an der Hochzeit begann und endete mit dem Heiratsantrag. Jedes Mal, wenn ich seine Meinung hören wollte, winkte er ab und meinte, er wäre glücklich mit allem, was ich mir wünsche.

»Freya, ich muss wirklich dringend mit dir reden«, erklärt er mit ernstem Gesicht.

»Was ist denn los?«, frage ich, während Leo und Ruby einen besorgten Blick wechseln. »Befürchtest du immer noch, dass dein Onkel beleidigt sein könnte, weil wir ihn an Tisch neun gesetzt haben? Ich glaube nicht, dass er …«

»Das ist es nicht.«

»Was ist es dann?«

Sein Blick huscht hektisch durch das Festzelt, und er fährt sich mit der Hand durch die Haare, sodass sie in alle Richtungen abstehen. Ein paar Cateringmitarbeiter bitten uns, zur Seite zu treten, damit sie die Paletten mit den Gläsern hinter der Bar verstauen können.

»Hör mal, können wir irgendwohin, wo es nicht so hektisch ist?«, motzt Matthew.

Ich sehe ihn stirnrunzelnd an. »Ähm … sicher. Leo und Ruby, könnt ihr ein paar Minuten die Stellung halten, und dann trinken wir etwas?«

»Klar. Wir sorgen dafür, dass alles glattläuft«, versichert Ruby. »Bis gleich.«

Ich folge Matthew, der aus dem Festzelt stürmt und zum Haus stapft. Die Hintertür steht offen, und wir treten ein. Dad und Adrian stehen in der Küche und reden aufeinander ein. Adrian pflastert ein Lächeln auf sein Gesicht, als er mich sieht.

»Na, hast du die flüchtigen Pfauen gefunden?«, frage ich, während Matthew weitergeht.

»Klar, Schwesterherz!«, ruft Adrian mir nach. »Alles unter Kontrolle!«

»Glaub ich dir nicht!«, erwidere ich säuselnd über die Schulter.

»Hab dich auch lieb!«

Ich schüttle den Kopf und muss unwillkürlich grinsen. Mein Bruder ist vielleicht ein Idiot, aber ein sehr liebenswerter.

»Ich weiß, die Sache mit den Pfauen ist verrückt«, meine ich zu Matthew, der sich wartend an das Treppengeländer lehnt. »Aber ich bin sicher, Adrian wird … Oh, hallo, Tante Em!«

»Da ist ja die hübsche Braut!«, ruft meine Tante aus dem oberen Stockwerk. »Und der gut aussehende Bräutigam! Bereit für morgen?«

»Es sieht alles fantastisch aus! Brauchst du etwas?«

»Ich will nur noch mal meine Lesung durchgehen«, erklärt sie, während Matthew den Blick gesenkt hält und ungeduldig mit dem Fuß wippt. »Dein Onkel sitzt mit der Vikarin bei einer Tasse Tee im Wohnzimmer. Was für eine wundervolle Frau! Sie hat uns von der Predigt morgen erzählt. Es wird sehr bewegend.«

»Ja, sie ist toll, oder?« Ich blicke lächelnd nach oben.

»Hat man heute denn nirgendwo seine Ruhe?«, murrt Matthew.

Er sieht aus, als würde er jeden Moment die Nerven verlieren, dann packt er mich am Handgelenk, zieht mich einige Schritte den Flur entlang, reißt die Tür der Kammer unter der Treppe auf, drängt mich hinein und schließt sie hinter sich. Ich taste verblüfft nach dem Lichtschalter. Der Raum ist vollgestopft mit Haushaltsgeräten wie Staubsaugern und Besen, sodass wir eng aneinandergepresst dastehen.

»Matthew, was machst du da?«, flüstere ich und schiebe einen Mopp beiseite, der mir auf die Schulter gerutscht ist. »Warum sind wir in der Besenkammer?«

»Ich konnte mich dort draußen nicht einmal selbst denken hören«, knurrt er.

»Na ja, wenn du unbedingt in Ruhe reden willst, hätten wir doch auch einen anderen Platz finden können.« Ich rümpfe die Nase, als ich mir eine Spinnwebe aus dem Gesicht wischen muss. »Es gibt nettere Orte, um alleine zu sein.«

»Das kann aber nicht warten.«

Er beißt sich auf die Lippen. Langsam werde ich unruhig. Er wirkt fahrig, auf seiner Stirn stehen Schweißperlen, und sein Blick huscht hin und her.

»Matthew, was ist los?«, frage ich besorgt und greife nach seinen Händen. »Sind dir die Pfauen zu viel?«

Er entzieht sie mir im nächsten Moment. »Pfauen? Was? Nein! Es geht nicht um Pfauen. Wovon redest du?«

»Du bist mit den Nerven am Ende, deshalb solltest du dich erst gar nicht damit befassen. Sagen wir einfach, es gab ein Pfauen-Problem, aber es ist alles unter Kontrolle.«

Er sieht mich verwirrt an, dann scheint es plötzlich, als würde er jeden Widerstand aufgeben. Er lässt die Hände sinken, seine Schultern sacken in sich zusammen, er senkt den Blick. Er stößt die Luft aus und presst die Augen zusammen. »Ich kann das nicht«, flüstert er.

»Was kannst du nicht? Matthew, ist alles okay? Was ist denn los?«

»Es tut mir leid«, wimmert er. »Ich weiß es schon seit einiger Zeit, und ich hätte es dir früher sagen sollen. Ich habe vorhin mit meinen Eltern darüber gesprochen, und sie meinten … na ja … ich muss es dir sagen.«

Ich strecke die Hand nach ihm aus, doch er weicht zurück, soweit es in diesem engen Raum möglich ist, und stößt dabei gegen den stets einsatzbereiten Staubsauger. Er springt an, und Matthew sucht hektisch nach dem Knopf. Ich greife nach unten und mache das Ding für ihn aus.

»Matthew, was ist los? Du machst mir Angst. Was es auch ist, du kannst es mir sagen.« Ich lächle aufmunternd. »Wir schaffen es gemeinsam aus der Welt.«

»Ich kann das einfach nicht«, krächzt er. »Nichts von alldem. Nicht mehr. Ich kann diese Hochzeit nicht durchziehen.«

Ich starre ihn an und bringe kein Wort heraus.

»Es tut mir so leid«, sagt er und hebt den Blick, um mich anzusehen. »Es ist aus.«

Kapitel 1

Wenn man am Tag vor der Hochzeit in einer Besenkammer den Laufpass bekommt, fühlt sich zunächst alles ziemlich scheiße an.

Ich hätte nie erwartet, dass meine Welt einmal derart aus den Fugen geraten könnte, aber selbst wenn, hätte ich nicht gedacht, dass es in einer Besenkammer passieren würde. Auf meiner Schulter lag ein Wischmopp, mein rechter Fuß balancierte auf einem Kehrblech und dem dazugehörigen Besen, über meinem Kopf hingen etwa hundert ekelerregende Spinnweben, und kaum fünf Zentimeter vor mir stand mein Verlobter – der Mann, mit dem ich die letzten zwölf Jahre meines Lebens verbracht hatte, die Liebe meines Lebens –, der soeben beschlossen hatte, dass dies der beste Ort war, um mir zu sagen, dass er … nun ja … seine Meinung geändert hatte.

Eine Besenkammer.

Mein Gehirn konnte die Information zunächst nicht verarbeiten, also bat ich ihn, den letzten Teil zu wiederholen. Bloß, um mich selbst noch ein wenig mehr zu quälen. Ich gab mich nicht zufrieden damit, wie er es beim ersten Mal ausgedrückt hatte, obwohl er mir klar zu verstehen gegeben hatte, dass er diese Hochzeit nicht durchziehen konnte. Nein. Ich ließ es ihn wieder und wieder sagen und erwartete jedes Mal, dass seine Worte endlich Sinn ergaben.

Aber das taten sie nicht. Matthew stand bloß weiter vor mir in der Besenkammer und erklärte ein ums andere Mal, dass er schon länger Zweifel hatte, es aber nicht wahrhaben wollte. Er hatte gehofft, dass sie fortgehen würden, und als das nicht geschah, wusste er nicht, was er tun sollte. Die Hochzeit rückte näher, und er suchte nach einer Möglichkeit, mir zu sagen, dass er aus der Nummer rauswollte. Aber er brachte den Mut nicht auf.

Plötzlich war der Tag vor der Hochzeit gekommen, und er ertrug den Gedanken nicht, mir Kummer zu bereiten, aber er wusste, dass er es tun musste, denn es wäre noch grausamer gewesen, mich zu heiraten. Also führte er seine Eltern zum Essen aus und sagte ihnen die Wahrheit. Und sie bestätigten, dass er es mir unbedingt sagen musste. Noch heute. Hier und jetzt.

»Und sie haben gesagt, dass du in einer Besenkammer Schluss machen musst?«, flüsterte ich schließlich. Gail und Andrew liebten mich, warum hatten sie ihrem Sohn keinen besseren Rat gegeben, als die Hochzeit in einer Besenkammer abzusagen?

»Nein, natürlich nicht.« Er runzelte die Stirn. »Sie haben nicht speziell von einer Besenkammer gesprochen. Das hier ist bloß der einzige Ort, an dem wir unsere Ruhe haben.«

Während Matthew weiter beteuerte, wie leid es ihm täte, und mir erklärte, dass er mich zwar liebte, aber eben nicht mehr verliebt in mich sei, verfiel ich in eine seltsame Starre. Und nachdem ich nichts erwiderte – weil ich einfach zu benommen war –, sprach er immer weiter. Er listete einen Grund nach dem anderen auf, warum er mir den Laufpass gab, und ich speicherte sie in meinem Unterbewusstsein, um sie später zu sezieren.

Er glaubte, er könnte glücklicher sein, als er jetzt war. Als wir uns kennenlernten, waren wir noch schrecklich jung, und wir hatten nie die Gelegenheit, uns auch anderweitig umzusehen. »Was wäre, wenn … ?«, sagte er ständig. Was wäre, wenn wir beide noch viel glücklicher sein könnten, als wir miteinander waren? Was wäre, wenn es da draußen noch mehr gab? »Ich kann das nicht tun, Freya. Es fühlt sich nicht richtig an. Es tut mir leid.«

Nachdem er sich irgendwann nicht mehr ständig wiederholen wollte, ging er zum logistischen Teil über und gab heldenhaft bekannt, dass er mich auf jede erdenkliche Weise unterstützen würde, um den Prozess einfacher für mich zu machen.

Ich starrte ihn immer noch benommen an. »Den Prozess?«

»Die Absage der Hochzeit.«

Oh! Genau. Das. Mein Gott. Ich verlor Matthew und die Hochzeit, mit deren Planung ich elf Monate lang beschäftigt gewesen war. Unsere Gäste mussten erfahren, dass ich gerade in einer Besenkammer den Laufpass erhalten hatte. Weniger als vierundzwanzig Stunden, bevor ich vor den Altar hätte treten sollen.

Wir mussten die Gästeliste durchrufen, damit sich niemand umsonst auf den Weg machte, und alle heimschicken, die bereits hier waren. Das Zelt musste abgebaut werden, und die Caterer konnten wieder einpacken. Genauso wie die Floristin, die Band, die Kellner, die Vikarin, das Streichquartett für die Kirche, die Agentur, die uns den Hochzeitswagen zur Verfügung stellte, die Taxis für die Fahrt von der Kirche zum Empfang, der Kerl mit der Foto-Box …

»Was ist mit den Pfauen?«, flüsterte ich.

»Wie bitte?«, fragte er und trat den Staubsauger mit dem Fuß beiseite.

»Die Pfauen. Sie sind verschwunden.«

»Freya, was …?«

»Die Pfauen, die morgen über den Rasen spazieren sollten«, wiederholte ich verärgert, weil er es nicht kapierte. »Die Hochzeit findet nicht statt. Also müssen wir sie suchen und nach Hause bringen.«

Matthew starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Was ich – ehrlich gesagt – auch getan hatte.

»Pfauen? Darüber machst du dir Sorgen? Über die Pfauen?« Er presste die Lippen aufeinander. »Ich habe dir gerade gesagt, dass die Hochzeit nicht stattfinden wird, und du …« Er brach ab und schüttelte seufzend den Kopf. »Hör zu, Freya, genau davon rede ich die ganze Zeit. Wir … passen nicht mehr zueinander. Du bist die ganze Zeit so pragmatisch. So gefasst. Was super ist. Für dich. Aber ich bin …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Ich bin chaotisch. Temperamentvoll. Emotional. Wir können nicht gut füreinander sein. Das geht nicht. Wir ergeben keinen Sinn.«

Er schüttelte den Kopf, und ich starrte ihn wieder an.

»Freya, du hast allen Grund, mich zu hassen«, fuhr er trübselig fort. »Ich wünschte aus tiefstem Herzen, ich müsste dir das nicht antun. Ich bin ein dämlicher Arsch und hätte es dir viel früher sagen sollen. Es tut mir so leid. Aber ich weiß auch, dass ich das Richtige tue. Ich glaube, eines Tages wirst du mir dankbar sein.«

Das darauffolgende Schweigen zog sich in die Länge. Er versuchte es auszuhalten, gab aber irgendwann auf und fragte, ob alles okay sei. Als ich immer noch nicht antwortete, flehte er mich an, etwas zu sagen. Ihm zu sagen, was er tun sollte.

Ich bat ihn, mich in der Besenkammer allein zu lassen.

Er schien verwirrt, aber er nickte, sagte noch einmal, wie leid es ihm täte, und öffnete die Tür. »Ich suche deinen Dad und rede mit ihm«, erklärte er leise. »Um die Sache in Gang zu bringen.«

Um unsere Hochzeit abzusagen.

Ich bat ihn, die Tür zu schließen, und nachdem er fort war, machte ich das Licht aus und rutschte neben dem Kehrblech und dem Besen zu Boden. Der Mopp fiel nach vorne und krachte auf meinen Hinterkopf. Ich saß eine Weile so da und überlegte, ob es wirklich nötig war, die Besenkammer jemals wieder zu verlassen.

Vielleicht konnte ich für immer hierbleiben. Es war gar nicht so schlecht. Klar roch es muffig, und es wohnten bereits diverse Spinnen hier, aber wenn man darüber hinwegsah, war es durchaus gemütlich.

Nach einiger Zeit ging die Tür auf, und Dad setzte sich zu mir. Er legte seinen Arm um meine Schultern. Ich lehnte den Kopf an ihn und schloss die Augen. »Dad«, flüsterte ich in die Dunkelheit. »Ich will niemanden sehen.«

»Das dachte ich mir schon«, erwiderte er. »Adrian kümmert sich darum.«

»Wie konnte das passieren?«

»Ich weiß es nicht«, sagte er und drückte mich an sich. »Ich weiß es wirklich nicht.«

Wir blieben lange Zeit so sitzen, bis Adrian schließlich an die Tür klopfte und uns mitteilte, dass die Gäste gegangen wären. Es waren nur noch wir drei übrig. Dad und er zogen mich gemeinsam auf die Füße und schleppten mich in mein Schlafzimmer, wo sie mich aufs Bett setzten.

Sie verließen nur widerwillig das Zimmer, nachdem ich sie mehrmals dazu aufgefordert hatte, und schlossen langsam die Tür hinter sich. Als ich endlich mit vollkommener Sicherheit wusste, dass ich allein war, begann ich zu weinen, und mein Körper wurde von einem alarmierend unkontrollierbaren Schluchzen gebeutelt.

Meine ganze Welt war gerade auf spektakuläre Art und Weise aus den Fugen geraten.

 

Dad bringt mir mal wieder neue Walnüsse.

Seit dem Laufpass in der Besenkammer ist eine Woche vergangen, und seitdem bekomme ich mehrmals täglich Walnüsse. Offenbar hat Dad gegoogelt, wie man Leute nach einer Trennung am besten aufbaut, und in einem Artikel waren stimmungsaufhellende Nahrungsmittel angeführt, darunter auch Nüsse.

Mittlerweile bin ich von Schalenresten umringt. Sie sind überall. Ich habe keine Ahnung, wo er so viele Nüsse herhat.

»Danke, Dad«, sage ich, als er mit einer weiteren Schüssel durch die Tür tritt. »Aber ich habe keinen Hunger. Ich habe noch die Nüsse, die du mir heute Morgen gebracht hast.«

»Ich lasse sie dir da, falls du Lust auf einen Snack hast«, beharrt er und stellt sie auf den Tisch neben die Tastatur. »Also! Wie läuft’s mit der Arbeit?«

»Gut.«

»Bist du sicher, dass du schon wieder arbeiten willst, Freya? Es ist super, dass du es von zu Hause erledigen kannst, aber dein Boss hat gesagt, dass du dir freinehmen kannst, und ich finde, es wäre vielleicht gut, wenn …«

»Nein, Dad, ich muss arbeiten«, erkläre ich bestimmt und halte den Blick auf den Bildschirm gerichtet, während ich durch meine E-Mails scrolle. »Es lenkt mich ab. Es gibt mir einen Grund, morgens aufzustehen.«

»Ja, aber …« Er sucht nach den richtigen Worten.

Ich seufze und drehe mich zu ihm um. »Ehrlich, Dad. Es ist okay … Ich brauche keinen Urlaub.«

»Wenn du meinst«, sagt er traurig.

Ich schenke ihm ein leises Lächeln. »Hör mal, Dad, du musst dir keine Sorgen machen. Es kommt wieder in Ordnung. Ich fahre in einer Woche zurück nach London. Ich wollte Matthew bloß Zeit geben, um … seine Sachen aus der Wohnung zu holen. Damit ich sie nicht sehe, wenn ich nach Hause komme und sie …«

Mich an ihn erinnern. An unser gemeinsames Leben. An unsere Zukunft.

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter und wende mich eilig wieder dem Laptop zu. Gott, ich hasse es, mich so zu fühlen. Ich hasse diesen ständigen Schmerz in mir.

Ich werde diesen verdammten Schmerz nicht los.

Es klingt seltsam, aber ich bin zweiunddreißig, und mir wurde zum ersten Mal das Herz gebrochen. Ich habe Matthew mit zwanzig kennengelernt und hatte vor ihm keine ernsthaften Beziehungen. Er war meine erste Liebe. Wenn ich das früher jemandem erzählt habe, hieß es immer, wie viel Glück ich doch hatte. Doch jetzt erscheint mir die Tatsache, dass ich nie einen anderen geliebt habe, wie ein böser Fluch. Weil ich keine Ahnung habe, wie man mit einer Trennung klarkommt. Ich hätte nie gedacht, dass es sich so anfühlt.

Wie kann jemand, der gerade noch der wichtigste Mensch auf der Welt für dich war, einfach so verschwinden? Wobei er nach wie vor da draußen ist. Er will sein Leben nur nicht mehr mit dir verbringen. Und du sollst ebenfalls mit deinem Leben weitermachen. Du weißt alles über diese Person, und plötzlich darfst du sie nicht mehr kennen. Es ist, wie den Tod eines Freundes zu betrauern, obwohl dieser noch lebendig und quietschvergnügt ist.

Ich verstehe es nicht. Das kann nicht wirklich passieren. Es kann nicht sein.

Matthew wird erkennen, was er getan hat. Er muss. Er hat einen riesigen, grausamen, schrecklich demütigenden Fehler gemacht, und das wird ihm bald klar werden. Er wird zur Vernunft kommen, und dann wird alles gut. Bis dahin habe ich als vorübergehende Maßnahme beschlossen, mich vor der Welt zu verstecken. Ich kann nicht zulassen, dass mich jemand so sieht.

Bevor mein Herz in der Besenkammer in tausend Stücke geschlagen wurde, hätte ich mich als energiegeladene, emsige Person beschrieben. Ich bin ein Morgenmensch und schaffe es schon beim ersten Weckerklingeln aus dem Bett, während Matthew immer mehrere Male die Schlummertaste drückte. Ich war meistens bereits beim Joggen, bevor er aufstand. Ich bin keine gute Läuferin – ehrlich gesagt, bin ich gar nicht sportlich –, aber ich mag die ruhige Einsamkeit, um meine Gedanken in die richtigen Bahnen zu lenken, und nach einer 5-Kilometer-Runde fühle ich mich bereit für den Tag.

Wieder zu Hause, duschte ich, zog mich an, legte Make-up auf und kochte Kaffee, während Matthew im Bad war. Er nahm irgendeinen alten Becher, während ich den Kaffee immer aus dem alten Flachmann mit der Aufschrift HOTSTUFF trinke, den Ruby mir vor Jahren als Scherz gekauft hat. Ich liebe diesen Flachmann, und wenn ich meinen Morgenkaffee nicht daraus trinke, wird es ein schlechter Tag. (Es klingt wie ein schräger Aberglaube, ich weiß, aber an dem Morgen, als Matthew mir den Laufpass gegeben hat, habe ich den Kaffee aus einem von Dads Bechern getrunken. Das ist Beweis genug.)

Wenn ich die Wohnung verließ, zog Matthew sich gerade an. Er ist Grafikdesigner, und sein Büro ist im Süden Londons, eine halbe Stunde von unserer Wohnung entfernt.

Ich sagte ihm jeden Tag: »Ich liebe dich«, gab ihm seinen Kaffee und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, und er erwiderte verschlafen: »Ich dich auch.«

Vielleicht geschehen diese Dinge bei vielen Paaren aus Gewohnheit, aber für mich hat es sich nie so angefühlt.

Jedenfalls war ich seit der Hochzeit, die nicht stattfand, nicht mehr joggen. Ich bringe nicht einmal die Energie auf, mich zu waschen. Ich stehe einfach in der Dusche und lasse das Wasser auf meinen Kopf prasseln. Ich meine, es ist tragisch, und hätte ich die Kraft dazu, würde ich mich für mich selbst schämen, aber für solche Gefühle gibt es keinen Platz.

Ich habe momentan keine Lust auf Körperhygiene, und meine Haut dankt es mir mit einem Ausschlag, wie um auf mich einzutreten, obwohl ich bereits am Boden liege. Es ist grausam. Jahrelang habe ich rigoros auf meine Gesichtspflege geachtet – doppelte Reinigung, Vitamin-C-Serum, sanfte Feuchtigkeit –, und jetzt ist alles umsonst. Selbst die Vorstellung, das Gesicht wenigstens am Abend zu waschen, ist mir zu viel.

Es ist alles im Eimer. Alles. Meine Liebe, mein Leben, meine Mischhaut.

An dem Tag, der mein Hochzeitstag hätte werden sollen, verließ ich mein ehemaliges Kinderzimmer bloß, um ins Bad zu gehen, und selbst da bewegte ich mich mehr oder weniger auf allen vieren. Einmal stand Dad gerade an der Treppe, als ich über den Teppich an ihm vorbeikroch. Er sah mir nach und sagte kein Wort.

Vielleicht werden wir irgendwann darüber lachen.

Als am darauffolgenden Tag das Zelt abgebaut wurde, schloss ich alle Vorhänge im Haus, damit ich nicht zufällig einen Blick darauf erhaschte. Ich rollte mich mit Kopfhörern im Bett zusammen und hörte Musik in voller Lautstärke, um nicht das Klopfen und Krachen zu hören, die das Ende meiner Hochzeit bedeuteten.

Am Montag brachte ich genug Energie auf, um zum Mittagessen nach unten zu gehen. Adrian und Dad bemühten sich redlich, keine große Sache daraus zu machen, aber es war offensichtlich, wie unwohl sie sich fühlten. Während ich missmutig das Essen von einer Seite des Tellers auf die andere schob, saßen sie steif auf ihren Stühlen und versuchten sich an einer unnatürlich fröhlichen Unterhaltung.

»Singen die Vögel heute nicht herrlich?«, bemerkte Adrian, der mit Sicherheit noch nie in seinem Leben bewusst einen Vogel zwitschern gehört hatte. »Ach, die Natur.«

»Ja, die Natur.« Dad nickte und gab sein Bestes. »Sie gibt uns so viel.«

»Ja.«

»Hmm.«

Sie sahen mich an. Ich sagte nichts und hielt den Blick auf den Teller gerichtet. Ich war zu fertig, um mich am Gespräch zu beteiligen. Es folgte eine unangenehme Stille, bis Adrian es nicht länger aushielt. »Ich glaube, ich höre eine Hummel!«

»Wie außergewöhnlich!«

Das Gespräch ging in dieser Tonart weiter, bis ich mich bei ihnen für das Essen bedankte, meinen Teller in die Spülmaschine stellte und zurück in die Sicherheit meiner bedrückenden kleinen Höhle verschwand. Seither hat sich meine Kommunikationsfähigkeit stetig verbessert, aber es ist alles so ermüdend. Ich bin erschöpft. Die ganze Zeit.

Ich habe beschlossen, dass ich keinen Urlaub brauche. Ich hatte mir zwei Wochen für die Flitterwochen freigenommen, doch Dienstagfrüh rief ich meinen Boss Phil an und bat darum, so weiterzumachen, als wäre nichts passiert. Ich hatte die letzten drei Tage im emotionalen Sumpf meines Zimmers verbracht und brauchte etwas, um mich von dem Horror abzulenken, zu dem mein Leben verkommen war.

»Sind Sie sicher, dass Sie arbeiten können?«, fragte Phil und klang sehr verlegen.

Phil ist ein hölzerner Mensch, und die Tatsache, dass er mit mir in dieser schwierigen Zeit reden musste, muss fürchterlich für ihn gewesen sein. Mit einundsechzig ist er ein wenig älter als der Rest des Teams, und da er von Natur aus schüchtern und ruhig ist, mag er die gesellschaftliche Seite des Zusammenarbeitens nicht, weshalb wir einander nicht sonderlich gut kennen. Er ist ein Mensch, der am liebsten morgens in sein Büro marschiert, seine Arbeit erledigt und abends wieder nach Hause geht.

»Natürlich, es geht mir gut!«, beharrte ich. Ich saß zusammengesunken auf dem Bett, trug lediglich eine Unterhose, Hüttenschuhe und Matthews altes Foo-Fighters-T-Shirt, und in meinem Nasenloch steckte ein zusammengedrehtes Taschentuch. Nach dem letzten Weinkrampf hatte ich mir so heftig die Nase geputzt, dass ich Nasenbluten bekommen hatte. »Warum auch nicht?«

»Oh. Na ja. Ich … ähm … es hat mir sehr leidgetan, als ich gehört habe … was passiert ist. Sehr leid.«

Der Gedanke, dass alle im Büro darüber redeten, war demütigend. Sie hatten sicher Mitleid mit mir. Mit der Idiotin, die einen Tag vor ihrer Hochzeit keine Ahnung hatte, dass ihre Beziehung im Eimer war. Ich konnte selbst noch immer nicht glauben, dass ich diese Idiotin war. »Danke, Phil, aber es geht mir gut.«

»Wenn Sie denken, die Arbeit wäre eine gute Ablenkung …«

»Genau das denke ich.«

»Aber Sie müssen auf sich achtgeben, Freya«, erklärte er bestimmt, was wirklich süß war. »Sie machen es in Ihrem eigenen Tempo.«

»Versprochen.«

Das war natürlich gelogen. Ich arbeite als Markenbeauftragte für Suttworth, den größten Getränkehersteller des Landes, und die Leute in Großbritannien hören nicht auf, Alkohol zu kaufen und zu trinken, nur weil sich mein Leben in der Krise befindet. Allerdings habe ich ein großartiges Team, das mir zur Seite steht, und so kann ich von zu Hause aus arbeiten und muss nicht salonfähig sein, was mir definitiv entgegenkommt. Außerdem habe ich mich bemüht, alle offenen Probleme zu beseitigen, bevor ich letzte Woche unter großem Getöse in mein Hochzeitswochenende verabschiedet wurde. Sie haben meinen Schreibtisch mit weißen Luftballons und silbernen Konfetti geschmückt, und es gab Champagner.

Ich war die aufgeregte zukünftige Braut, die nach ein paar weiteren Tagen der Vorbereitung heiraten und anschließend nach Barbados in die Flitterwochen jetten würde.

Bäh.

Jedenfalls helfen die unzähligen Schalen mit Walnüssen in meinem Zimmer nicht wirklich. Ich habe vorhin halbherzig versucht, einen Nusskern in die Luft zu werfen und mit dem Mund zu fangen. Er prallte an meinem Mundwinkel ab und landete auf dem Boden. Ich starrte darauf hinunter und jammerte. »WAAARUUUUM?«

Es war ein weiterer Tiefpunkt in meinem Leben.

»Na gut.« Dad klatscht in die Hände und sieht sich um. »Melde dich, falls du mal eine Pause brauchst.«

»Klar.« Ich klicke auf eine Tabelle, die ich gar nicht brauche, bloß um etwas zu tun. »Danke, Dad.«

»Ich bin eigentlich aus einem bestimmten Grund gekommen.«

»Du hast die Walnüsse gebracht.«

»Da ist noch etwas«, sagt er und zwingt mich, mich noch einmal zu ihm umzudrehen. »Adrian fliegt morgen zurück nach New York, und ich dachte, du könntest Leo und Ruby einladen. Damit du etwas Gesellschaft hast.«

»Ich will niemanden sehen.«

»Es wäre aber eine gute Idee.«

»Ich habe doch dich.«

Er lächelt bescheiden. »Ich bin nicht gerade eine Stimmungskanone. Du brauchst Leute, die deine Laune heben.«

»Meine Laune ist bestens.«

Er seufzt. »Freya, ich weiß, das ist alles nur Fassade …« Er hebt die Hände, als ich etwas entgegnen will. »Bitte. Ich kenne dich. Du kommst nach deinem alten Herren und tust, als wäre alles in Ordnung, obwohl es das nicht ist. Du willst nicht darüber reden.« Er sieht zu Boden, und seine Stimme wird sanft. »Ich weiß, wie das ist, aber vertrau mir, es ist wichtig, ab und zu alles rauszulassen. Ich verstehe, dass du nicht darin versinken willst, aber kehre es nicht unter den Teppich. Nicht so etwas. Du darfst dich auch mal anlehnen. Wozu gibt es uns, wenn wir dir in schwierigen Zeiten nicht zur Seite stehen?«

Ich hole tief Luft. »Also gut, Dad. Ich lade Ruby und Leo übers Wochenende ein. Es muss echt schlecht um mich stehen, wenn ausgerechnet du von schwierigen Zeiten redest.«

»Ich dachte, ich versuche es mal mit Aufrichtigkeit.«

»Das ist dir gut gelungen.«

»Erwarte nur nicht, dass es zur Gewohnheit wird.«

»Freut mich, zu hören.«

»Dann lädst du Ruby und Leo also ein?«, hakt er nach.

»Ich schreibe ihnen gleich.«

»Gut so. Jetzt lasse ich dich weiterarbeiten.« Er geht zur Tür, dann hält er noch einmal inne und sieht zu mir zurück. »Ach, deine Mum hat noch einmal angerufen. Sie meinte, du würdest nicht ans Handy gehen.«

»Sie gehört absolut nicht zu den Menschen, mit denen ich reden möchte. Jetzt und überhaupt.«

»Akzeptiert. Aber sie ist deine Mum. Sie macht sich Sorgen. Sie will für dich da sein.«

»Das ist ja mal was ganz Neues«, erkläre ich.

»Ich weiß, sie kann etwas … na ja …« Er sucht nach dem richtigen Wort, gibt es dann aber auf. »Du weißt schon. Aber sie bereut wirklich, wie es mit dir und Adrian gelaufen ist, und sie versucht ein besseres Verhältnis aufzubauen. Bloß, weil ihr erwachsen seid, heißt das nicht, dass sie sich keine Sorgen macht. Du hättest sie hören sollen, als ich sie anrief, um ihr zu sagen, dass … die Dinge nicht so gelaufen sind wie geplant.« Er runzelt die Stirn. »Sie war völlig aufgelöst und wollte unbedingt sogar für ein paar Wochen herkommen, damit sie in deiner Nähe ist. Es war nicht einfach, sie zu überreden, zu Hause zu bleiben. Ich glaube, sie möchte wenigstens hören, dass es dir gut geht. Eine Nachricht reicht vermutlich.«

Ich atme tief durch. »Okay. Ich schreibe ihr.«

»Gut.« Er lächelt warmherzig. »Du musst einfach einen Fuß vor den anderen setzen.«

Ich sehe ihn blinzelnd an. »Was?«

»Im Leben«, sagt er, als würde das alles erklären. »Einen Fuß vor den anderen, dann kommst du irgendwann ans Ziel. Das weiß ich.«

Gründe, Matthew NICHT anzurufen

Er hat das Leben, das wir uns aufgebaut haben, mit einem Schlag zerstört.Er hat mir in einer Besenkammer den Laufpass gegeben.Er hat unsere Hochzeit platzen lassen.Er hat mich zutiefst gedemütigt, und ich weiß nicht, wie ich JEMALS WIEDER meinen Freunden und diversen Familienmitgliedern gegenübertreten soll, ohne dabei im Erdboden zu versinken. Er hat mich jede Menge Geld gekostet, weil er die Hochzeit EINEN TAG VOR DER TRAUUNG platzen ließ und nicht schon drei Monate vorher, sodass wir nur die Anzahlung und nicht ALLES verloren hätten. Er ist ein verdammtes, selbstsüchtiges Arschgesicht, und ich hasse ihn.

Gründe, Matthew anzurufen

Ich liebe und vermisse ihn, und ich verstehe nicht, wie es so weit kommen konnte.

Fazit

Ich werfe das Handy aus dem Fenster.Ich beschließe, Total Eclipse Of The Heart anzuhören. Mir fällt ein, dass alle Musik auf dem Handy ist.Ich erinnere mich, dass ich das Telefon gerade aus dem Fenster geworfen habe.Ich jammere, so laut es geht: »Warum ist diese Welt so beschissen?«Ich erinnere mich, dass ich einen Laptop besitze.Ich verwende den Laptop, um Total Eclipse Of The Heart anzuhören. Ich weine in mein Kissen.Das Problem ist (vorerst) gelöst.

 

Kapitel 2

»Also, wie können wir Matthews Leben zerstören?«

Leo und ich wechseln einen Blick, während Ruby in meinem Zimmer auf und ab schreitet und immer wieder einen Schluck Bier aus der Flasche nimmt. In Dads Garage lagert jede Menge Alkohol. Genug für eine ganze Hochzeit. Schon zehn Minuten nach ihrer Ankunft hat Ruby sich auf den Weg dorthin gemacht und ist mit einem Kasten ausgewählter Biere und Weine zurückgekehrt, um den Kühlschrank zu bestücken. Dank meines Jobs hatten wir auch jede Menge Spirituosen für die Bar, weshalb ich zumindest in den nächsten Jahren keine alkoholischen Getränke kaufen muss.

Der nicht enden wollende Weinvorrat ist möglicherweise das einzig Gute an der ganzen Sache.

»Im Ernst«, fährt Ruby fort und runzelt konzentriert die Stirn. »Das schreit nach Rache. Ich rede ja nicht davon, ihn umzubringen oder so. Aber wir brauchen etwas, um sein Leben für immer zu zerstören.«

»Na, Gott sei Dank hast du die Sache mit dem Mord klargestellt«, murmelt Leo.

»Der Tod wäre zu einfach«, kocht Ruby. »Es gibt Schlimmeres.«

Leo wirft mir einen panischen Blick zu.

Dad hatte recht, dass ich meine Freunde übers Wochenende einladen sollte. Ich bin dankbar, dass sie hier sind, vor allem, nachdem ich mich am frühen Morgen von Adrian verabschieden musste. Ich fühlte mich schrecklich verlassen, als er auf das Auto zuging, das ihn zum Flughafen bringen sollte. Wir standen uns immer schon sehr nahe, und in den letzten Tagen war er mein Fels in der Brandung.

Ruby und Leo konnten mir heute tatsächlich schon das eine oder andere Lächeln entlocken. Ein echtes Lächeln. Und einmal musste ich sogar lachen. Was mir ein wenig Hoffnung an das Leben im Allgemeinen zurückgibt.

Nur ein winzig kleines Stück, aber immerhin.

Ruby, Leo und ich kamen im ersten Jahr an der Uni im selben Studentenwohnheim unter und verstanden uns auf Anhieb, woraus bald eine innige Freundschaft wurde. Wir wohnten den Rest unserer dreijährigen Uni-Zeit zusammen und gingen am Ende gemeinsam nach London. Wir standen alles miteinander durch: Freunde und Freundinnen, Trennungen, Prüfungen, neue Jobs, Familiendramen.

Vor ein paar Jahren küssten sich Leo und Ruby nach einem feuchtfröhlichen Abend in der Stadt, und ich war (a) schockiert, dass sie sich voneinander angezogen fühlten, auch wenn sie noch so viel Wodka getrunken hatten, (b) entsetzt, dass sie damit womöglich unsere herrlich ausgeglichene Dreierfreundschaft aufs Spiel setzten, und (c) verwirrt, weil sie – wenn ich ehrlich war – ein tolles Paar abgaben. Warum war mir das noch nie aufgefallen?

Glücklicherweise waren die beiden alles andere als verwirrt und gaben am Ende zu, dass sie schon eine Weile heimlich etwas für den anderen empfanden und es miteinander versuchen wollten. Ich hatte Angst, dass ich zum fünften Rad am Wagen verkommen würde, doch die Dynamik unserer Freundschaft änderte sich kaum. Vielleicht, weil beide darauf achten, dass ich mich nicht überflüssig fühle. Ruby und ihre Eltern fliegen etwa jedes Jahr nach Mauritius, um die Familie ihrer Mum zu besuchen, und als Leo sie zum ersten Mal begleitete, wurde ich ebenfalls eingeladen. Ich wollte zuerst ablehnen, um Leo nicht die Schau zu stehlen, doch dann dachte ich mir: Hallo, wer schlägt eine Einladung nach Mauritius aus?

Ruby, Leo und ich waren eine verschworene Gemeinschaft, die »Drei Musketiere«. Matthew wurde als meine zweite Hälfte willkommen geheißen, doch er hatte einen eigenen Freundeskreis, mit dem er viel Zeit verbrachte. Nach dem Umzug nach London kam er Ruby und Leo näher, und wir trafen uns als Paare, doch er akzeptierte auch, dass Leo, Ruby und ich eine Verbindung hatten, die ihn nicht mit einschloss. Matthew mochte Leo und Ruby sehr, und sie mochten ihn ebenfalls, aber wir drei sind eine Gemeinschaft, und daran wird sich nie etwas ändern.

Jedenfalls haben sich Leo und Ruby als perfektes Paar erwiesen, und hier sind wir nun. Wir sind immer noch beste Freunde, und die beiden sind verlobt und werden im September heiraten.

Es war für uns Schicksal, dass wir im selben Jahr heiraten würden.

Das hat Matthew uns nun gründlich verdorben.

»Wir könnten eine Verleumdungskampagne gegen ihn starten«, überlegt Ruby, während ich mich in die Decke kuschle.

Ich liege immer noch im Bett, aber das ist den beiden egal. Leo ist zu mir unter die Decke gekrochen, und Ruby trinkt um elf Uhr vormittags Bier.

In unserer Freundschaft wird niemand für irgendetwas verurteilt.

»Was meinst du?«, fragt Leo. »Willst du ihm ein Verbrechen in die Schuhe schieben?«

»Bombenidee.« Ruby nickt langsam und reißt die Augen auf wie ein verrücktes Genie beim Pläneschmieden. »Es ist ganz einfach. Wir legen ihn rein, und er verbringt den Rest seines Lebens im Gefängnis. Mal sehen, wer dann lacht.«

»Ich schätze, dann lacht niemand mehr«, meint Leo. »Außerdem brauchen wir ein besonderes Verbrechen, das wir ihm anhängen können.«

»Kein Problem.« Ruby zuckt mit den Schultern. »Wir rauben eine Bank aus und hinterlassen überall seine Fingerabdrücke.«

Leo sieht sie fassungslos an. »Das ist … idiotisch.«

»Weißt du, Leo«, beginnt sie, und ihre Augen werden schmal. »Du könntest mich ruhig ein wenig unterstützten, anstatt wie ein fauler Hund im Bett zu liegen und zynische Kommentare abzugeben.«

»Ich liege auch wie ein fauler Hund im Bett«, merke ich an.

»Ja, aber du darfst das.« Ruby tritt ans Bett und streichelt mir über die Haare. »Du kannst ein kleiner fauler Hund sein, solange du willst.«

»Na gut.« Leo seufzt. »Wie wäre es, wenn wir sein Haus mit faulen Eiern bewerfen?«

Ruby verdreht die Augen. »Wie alt sind wir? Acht?«

»Du hast mit acht anderer Leute Häuser mit Eiern beworfen?«

»Lass uns nicht aus den Augen verlieren, worum es hier geht«, wischt Ruby seine Frage beiseite und wandert weiter auf und ab. »Wir können sein Haus nicht mit Eiern bewerfen, weil er keines hat, falls du das vergessen hast. Er wohnt wieder bei seinen Eltern. Und sosehr ich ihn im Moment auch mit jeder Faser meines Körpers hasse, seine Eltern scheinen nett zu sein. Tut mir leid, Freya.«

»Muss es nicht«, erwidere ich bedrückt. »Sie sind nett. Wirklich nett.«

Leo legt schweigend eine Hand auf meine.

Ruby setzt sich auf die Bettkante. »Hast du inzwischen mal von Matthew gehört?«

»Nicht wirklich«, gebe ich zu. »Er hat letzten Samstag angerufen und gefragt, ob alles okay ist.«

»Er fragte tatsächlich, ob an dem Tag, an dem ihr eigentlich heiraten wolltet, alles okay bei dir ist? Wie einfühlsam!« Ruby schüttelt den Kopf. »Ich bin stinkwütend auf diesen Kerl.«

»Dad ließ ihn nicht mit mir reden. Er hatte mein Telefon für mich verwahrt. Als ich es wiederhatte, habe ich Matthew etwa fünf Billionen Mal angerufen, aber er ist nicht rangegangen.« Ich zögere und nestle an meinen Fingernägeln herum. »Irgendwann hat er geschrieben, dass wir den Kontakt vorerst besser abbrechen und uns Zeit und Raum geben sollten. Was mich nicht davon abgehalten hat, ihn weiterhin zweimal am Tag anzurufen. Ich habe mein Handy aus dem Fenster geworfen, um nicht mehr in Versuchung zu geraten, aber zehn Minuten später bin ich in den Garten hinunter und habe danach gesucht. Es war in einer Hecke gelandet und unbeschädigt. Ich habe ihn sofort noch einmal angerufen, aber er ging nicht ran. Scheiße, bin ich erbärmlich.«

»Nein, bist du nicht. Das ginge jedem so, nach allem, was passiert ist«, erklärt Leo, und Ruby nickt zustimmend.

Ich seufze schwer. »Ich … ich weiß bloß, dass es noch nicht vorbei ist. Wir finden am Ende immer eine Lösung. Er braucht Zeit, dann kommt alles wieder in Ordnung.«

Ruby sieht mich blinzelnd an und runzelt die Stirn. »Moment. Du glaubst, das wird wieder?«

Ich werfe aufgebracht die Hände hoch. »Wir waren zwölf Jahre zusammen. Zwölf Jahre. So etwas schmeißt man nicht einfach weg. Er hat vor der Hochzeit kalte Füße bekommen, das kann passieren. Es ist eine bedeutende Angelegenheit. Der Druck ist riesig. Das verstehe ich. Aber wir sind füreinander bestimmt, das wird er bald erkennen.«

»Freya …«, beginnt Ruby vorsichtig.

»Es war eine Kurzschlusshandlung. Er hat sich das nicht richtig überlegt. Wenn er erst ein wenig Zeit hat, bemerkt er es schon. Und, ja, ich bin am Boden zerstört, dass er unsere Hochzeit ruiniert hat, und er hat mich vor … na ja, vor allen gedemütigt, aber am Ende des Tages lieben wir einander. Das weiß er.«

Ruby und Leo wechseln einen Blick. Ich weiß, was sie denken, aber ich weiß auch, dass ich recht habe. Ich hatte die ganze Woche Zeit, um darüber nachzudenken. Matthew ist in Panik geraten und hat aus einer Laune heraus mit mir Schluss gemacht. Wir waren unsere ganzen Zwanziger zusammen, kein Wunder, dass er Angst hat, er hätte etwas verpasst. Aber ich glaube nicht, dass er mich nicht mehr liebt.

Warum hat er mir einen Verlobungsring angesteckt, wenn es nicht so wäre? Ich habe ihn ja nicht dazu gezwungen. Es ging allein von ihm aus.

»Freya«, beginnt Ruby von Neuem und räuspert sich. »Willst du ihn überhaupt zurück? Nach allem, was er dir angetan hat?«

»Ich weiß, es klingt verrückt«, antworte ich schulterzuckend, »aber ja, ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Die vergangene Woche war die Hölle. In den letzten zwölf Jahren gab es keinen einzigen Tag, an dem ich nicht zumindest mit ihm gesprochen habe. Es ist wie ein kalter Entzug. Grauenhaft.«

»Matthew hat am Tag vor deiner Hochzeit mit dir Schluss gemacht«, wiederholt Ruby, als hätte ich es vergessen. »Er verdient es nicht, dass du jemals wieder mit ihm redest. Er ist ein selbstsüchtiger, rückgratloser …«

»Also, was Ruby damit sagen will …«, unterbricht Leo Ruby und wirft ihr einen warnenden Blick zu. »Du hast viel durchgemacht. Dein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Du solltest dich vor allem auf dich selbst konzentrieren, anstatt darauf zu warten, dass er zurückkommt. Wir wollen alle nur, dass es dir gut geht.«

Ich drehe mich zur Seite, um ihn anzusehen. »Wir alle?«

»Du hast ein gutes Netzwerk, und deine Freunde sind für dich da, was auch immer du brauchst.«

Ich drücke den Kopf tiefer ins Kissen. »Sie tratschen und lästern doch nur über mich, oder? Es ist so demütigend. Ich habe noch auf keine einzige Nachricht geantwortet. Sie klingen so bemitleidend.«

»So ist es überhaupt nicht«, widerspricht Ruby ernst. »Alle halten Matthew für das Letzte. Niemand tratscht oder lästert über dich. Es ist einfach … beschissen.«

»Aber es wird besser«, fügt Leo fröhlich hinzu. »Du stehst das durch und gehst gestärkt daraus hervor.«

»Genau wie Britney und Kelly Clarkson und die anderen Großen immer sagen«, fügt Ruby feierlich hinzu.

Ich schaffe ein Lächeln. »Ihr habt recht. Aber jetzt genug von mir. Reden wir über euch! Wie war eure Woche? Wie geht es den Hochzeitsvorbereitungen?«

Leo sieht mich entsetzt an. »Freya, wir reden jetzt sicher nicht über unsere Hochzeitsvorbereitungen.«

»Komm schon, Leo, ich kann dem Thema ohnehin nicht aus dem Weg gehen. Es ist Hochzeitssaison, weißt du noch? Es sind acht. Moment … sieben. Acht waren es mit meiner eigenen.«

»Du solltest im Moment nicht über solche Dinge nachdenken«, erklärt Ruby mir sanft.

»Okay, aber irgendwann muss ich es. Natürlich ist das Jahr, in dem ich vor dem Altar sitzen gelassen wurde, das geschäftigste Hochzeitsjahr bisher.« Ich seufze tief. »Was bis jetzt auch gut war. Es sollte das beste Jahr meines Lebens werden.«

»Wir begleiten dich jeden Schritt des Weges«, erinnert mich Leo.

»Ganz genau«, bestätigt Ruby. »Wir arbeiten einen Plan aus, um dich unbeschadet durch die Saison zu bringen. Überlass das nur uns. Und technisch gesehen, wurdest du nicht vor dem Altar sitzen gelassen. Das ist doch schon mal was.«

»Ja, das ist es wohl. Eine Besenkammer ist um einiges diskreter. Er hat mir gar nicht erst die Chance gegeben, in mein Kleid zu schlüpfen.«

Ruby zuckt zusammen und sieht zu dem Kleid hoch, das immer noch in einem Kleidersack an meiner Schranktür hängt.

Ich weiß, es klingt materialistisch, aber ein Teil von mir findet, das Traurigste an der Absage ist, dass ich dieses Kleid nicht tragen konnte. Das Kleid, das ich erst in der siebten Brautkleiderboutique gefunden habe. Ein elfenbeinfarbenes Kreppkleid mit überkreuztem, schulterfreiem Oberteil, herzförmigem Ausschnitt und einem fließenden A-Linien-Rock. Es ist wirklich wunderschön.

»Soll ich es irgendwo verstecken?«, bietet Ruby an.

»Nein, schon gut. Ich behalte es hier, nur für den Fall.«

»Aber jetzt reden wir nicht mehr von diesen Dingen«, meint Ruby plötzlich. »Sehen wir uns lieber trashige Filme an, stopfen uns mit köstlichem Essen voll und trinken schon am Vormittag. Ein Tag nach dem anderen, okay?«

»Ganz genau.« Ich sehe zu dem Kleidersack hoch. »Ein Tag nach dem anderen.«

Ruby streckt die Hand aus und drückt meine, dann richtet sie sich auf. »Also, Leo und ich haben etwas vorbereitet, um dich aufzumuntern und dich daran zu erinnern, dass alles gut wird.«

Leo stöhnt und vergräbt das Gesicht in den Händen. »Nein, Rubes. Du hast mich dazu gezwungen.«

»Ja, Leo, ganz genau«, stößt Ruby zwischen den Zähnen hervor. »Weil Freya etwas zum Lachen braucht.«

»Warum muss ich das machen?«

»Leo, komm und nimm deine Position ein. Sofort.«

Leo klettert zögerlich aus dem Bett, während ich verwirrt von einem zum anderen schaue. »Was soll das?«

»Du wirst schon sehen«, verkündet Ruby, verbindet ihr Handy mit den Lautsprechern und stellt die Bierflasche ab.

Leo stemmt die Hände in die Hüften. »Das war nicht meine Idee.«

»Wir haben die ganze Woche daran gearbeitet«, informiert mich Ruby. »Bist du bereit?«

»Ich schätze schon.«

Sie wählt etwas auf ihrem Handy aus und legt es auf den Tisch. Britney Spears’ Stronger dröhnt aus den Lautsprechern, und Ruby und Leo beginnen zu tanzen. »Tanzen« klingt ziemlich professionell – in Wahrheit springt Ruby durchs Zimmer und versucht Leo aufzumuntern, der halbherzig ihre Arm- und Beinbewegungen imitiert und die Hüften schwingt. Ich breche in Gelächter aus, setze mich auf und genieße die Show. Ich kann gar nicht aufhören zu kichern.

»Siehst du?«, ruft Ruby glücklich. »Ich habe dir ja gesagt, dass es sie aufmuntern wird! Also, Leo, bereit für die Dirty-Dancing-Hebefigur?«

»Rubes, ich glaube echt nicht, dass …«

Sie sprintet in vollem Tempo auf ihn zu, und er gibt sein Bestes, um sie hochzuheben. Als sie am Ende in einem Knäuel auf dem Boden zusammenbrechen, kreische ich vor Lachen und halte mir den Bauch. In diesem Moment scheint alles ein wenig leichter, und das bedeutet eine Menge. Denn vor ein paar Tagen, in den dunkelsten Momenten, war ich mir nicht sicher, ob ich jemals wieder lachen könnte.

Kapitel 3

Eine Woche später kehre ich in die Wohnung in London zurück.

Ich stehe mit den Taschen neben meinen Füßen in der stillen, leeren Diele und bereue sofort, dass ich darauf bestanden habe, es allein durchzuziehen.

Alle meine Sachen sind genau dort, wo ich sie zurückgelassen habe. Als ich noch dachte, ich hätte mein Leben unter Kontrolle, in seliger Unwissenheit, dass es bereits in Trümmern lag. Matthews Sachen sind fort und haben bizarre Lücken hinterlassen. Die Fotosammlung auf dem Kaminsims wirkt ohne das Foto seiner Eltern asymmetrisch, unter dem Fernseher fehlt die PlayStation und im Bücherregal klaffen Löcher, wo seine Biografien Platz gefunden haben. Er liest ausschließlich Biografien.

Ein Teil von mir dachte, er würde sich nicht die Mühe machen auszuziehen. Ein Teil von mir dachte, er würde die Wohnung betreten, sich an das Leben erinnern, das wir zusammen aufgebaut haben, und erkennen, dass er einen riesigen Fehler begangen hat.

»O mein Gott«, flüstere ich, als mir etwas dämmert. »Er hat Percy mitgenommen!«

Okay, eine Sekunde lang war ich traurig, aber jetzt bin ich stinkwütend. Ich hole das Handy heraus und rufe Ruby an. Sie antwortet nach dem zweiten Klingeln.

»Hey! Bist du schon in der Wohnung? Ist alles okay?«

»ERHATPERCYMITGENOMMEN!«

»Häh?«

»PERCY! ERHATIHNMITGENOMMEN!«

Sie schnappt nach Luft. »Nein!«

»Doch!«

»Dieser WICHSER!«

»Ich weiß! Ich kann es nicht glauben! Er hat ihn einfach mitgenommen! Er ist fort!«

»Aber du solltest das Sorgerecht bekommen!«

»Natürlich! Was soll ich jetzt tun?«

Ich höre Leo im Hintergrund, der wissen möchte, was los ist.

»Matthew hat Percy mitgenommen«, erklärt Ruby ihm, während ich warte. »Freya ist gerade in die Wohnung gekommen, und Percy ist fort.« Es folgte eine Pause. »Komm schon … Percy! Du kennst doch Percy! Die Topfpflanze!«

»Nicht irgendeine Topfpflanze«, schnaube ich. »Ein Fensterblatt, das ich gekauft und großgezogen habe. Percy ist riesig, und er gehört mir. Aber er hat ihn mitgenommen!«

»Du bist jetzt auf Lautsprecher«, informiert mich Ruby.

»Hi, Freya«, erklingt Leos leise Stimme.

»Leo, ist das zu glauben? Wie konnte er nur? Er hat Percy mitgenommen!«

»Moment«, meint Leo vorsichtig. »Hast du ihm die Pflanze nicht geschenkt?«

Es folgt eine kurze Pause, dann zischt Ruby: »Ach, halt die Klappe, Leo. Was hat das denn damit zu tun?«

»Ich meine ja nur«, erklärt Leo und bereut offensichtlich, dass er sich in das Gespräch eingemischt hat. »Vielleicht dachte Matthew, Percy würde ihm gehören, nachdem er ihn ja zum Geburtstag bekommen hat.«

»Ja, klar, und ich dachte, wir würden heiraten, nachdem Matthew ja um meine Hand angehalten hat«, erwidere ich giftig. »Manche Dinge ändern sich, Leo.«

»Weißt du was? Du hast recht«, keucht Leo, dem Ruby vermutlich gerade in den Arm geboxt hat. »Er hätte dir Percy überlassen sollen. Die Pflanze gehört auf jeden Fall dir.« Dann fügt er eilig »Matthew ist ein Arschloch« hinzu, falls noch Fragen bezüglich seiner Loyalität offen sind.

»Danke, Leo«, bemerkt Ruby kühl. »Vergiss bloß nicht, auf wessen Seite du stehst.«

»Leute, was soll ich tun?«, frage ich verzweifelt und kann den Blick nicht von der leeren Stelle abwenden, an der Percy gestanden hatte. »Ich muss ihn zurückholen! Aber ich kann Matthew nicht anrufen. Nach dem Vorfall am letzten Wochenende habe ich mir geschworen, dass ich mich eine Weile nicht melde.«

Am anderen Ende der Leitung herrscht erneut Stille, und ich sehe vor mir, wie Leo Ruby einen anklagenden Blick zuwirft. Er gibt ihr immer noch die Schuld an dem, was passiert ist, dabei war ich die Schuldige. Ich habe es nicht geplant, es ist einfach … passiert.

Ich kann mich nicht einmal auf zu viel Alkohol hinausreden, denn ich war nüchtern.

Letzten Samstag nach dem Abendessen gingen Leo und Dad ins Wohnzimmer, tranken Bier und redeten über Golf oder etwas ähnlich Langweiliges. Ruby und ich quatschten in meinem Zimmer, und ich weiß auch nicht, aber irgendwie haben wir einander aufgestachelt, bis wir es für eine gute Idee hielten, zum Haus von Matthews Eltern zu fahren und eine Erklärung einzufordern.

Ich bin mir sicher, dass es meine Idee war, auch wenn Ruby sich keine Mühe gab, mich davon abzubringen. »Los, machen wir’s!«, waren ihre exakten Worte.

Wir schlichen uns aus dem Haus zu meinem Auto, weil wir wussten, dass Leo und Dad es uns ausreden würden.