Moon & Midnight − Die beste Freundin beißt man nicht - Katy Birchall - E-Book

Moon & Midnight − Die beste Freundin beißt man nicht E-Book

Katy Birchall

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Beschreibung

Diese Freundschaft ist dicker als Blut(orangensaft)Maggie Moon wohnt seit kurzem mit ihren Eltern in einer alten Villa, direkt neben einem dunklen Wald. Der ist verflucht, sagen die Dorfbewohner. Was für ein Quatsch, sagt Maggie – über sowas kann sie nur lachen! Bei einer Erkundungstour macht Maggie jedoch eine unglaubliche Entdeckung: ein verzaubertes Schloss, in dem das Vampirmädchen Theodora Midnight lebt. Theodora ist echt nett – und zum Glück Vegetarierin. Schnell werden Theodora und Maggie beste Freundinnen. Doch ausgerechnet Maggie entstammt einer Familie von berühmten Vampirjägern. Kann sie ihre Familie und den gierigen Bürgermeister davon überzeugen, dass ihre nachtaktiven Nachbarn nicht gejagt, sondern beschützt werden müssen?Mit fluffigen Fledermäusen, quietschenden Särgen und ganz viel Tomatenketchup: Dieses Buch lässt dich heulen – vor Lachen!- Die neue »bissige« Mädchenbuch-Dilogie von Erfolgsautorin Katy Birchall (»Emma Charming«)- Voller Magie, Witz, Slapstick und einem ordentlichen Schuss Blutorangensaft- Fortsetzung in Vorbereitung!- Mit vielen lustigen Vignetten von Alexandra Helm

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Seitenzahl: 269

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Ähnliche


Katy Birchall

Moon & Midnight

Die beste Freundin beißt man nicht

Band eins

 

Aus dem Englischen von Verena Kilchling

 

Mit Vignetten von Alexandra Helm

Über dieses Buch

 

 

Diese Freundschaft ist dicker als Blut(orangensaft)

 

Maggie Moon wohnt seit kurzem mit ihren Eltern in einer alten Villa, direkt neben einem dunklen Wald. Der ist verflucht, sagen die Dorfbewohner. Was für ein Quatsch, sagt Maggie – über sowas kann sie nur lachen! Bei einer Erkundungstour macht Maggie jedoch eine unglaubliche Entdeckung: ein verzaubertes Schloss, in dem das Vampirmädchen Theodora Midnight lebt. Theodora ist echt nett – und zum Glück Vegetarierin. Schnell werden Theodora und Maggie beste Freundinnen. Doch ausgerechnet Maggie entstammt einer Familie von berühmten Vampirjägern. Kann sie ihre Familie und den gierigen Bürgermeister davon überzeugen, dass ihre nachtaktiven Nachbarn nicht gejagt, sondern beschützt werden müssen?

 

Mit fluffigen Fledermäusen, quietschenden Särgen und ganz viel Tomatenketchup: Dieses Buch lässt dich heulen – vor Lachen!

Alle Bände über Moon & MIdnight:

Band 1: Die beste Freundin beißt man nicht

Band 2: Ein BISSchen Magie schadet nie (erscheint im Frühjahr 2024)

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Katy Birchall lebt nach einem Studium der Englischen Literatur- und Sprachwissenschaft wieder in ihrem Geburtsort London, England, und ist als Schriftstellerin und freiberufliche Journalistin tätig. Nach ihrem erfolgreichen Jugendbuchdebüt Plötzlich It-Girl bewies sie mit der Dilogie über Emma Charming, dass sie auch den Ton für etwas jüngere Leser*innen perfekt trifft. Katy Birchall liebt ihre drei Labradore abgöttisch, begeistert sich für Marvel-Comics ebenso wie für Jane-Austen-Romane und würde zu gerne einmal als Elfe die magische Welt aus Der Herr der Ringe hautnah erleben.

Inhalt

[Widmung]

Als die Dunkelheit [...]

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Danksagung

[Vorschau]

Für Margaret

Als die Dunkelheit hereinbricht, gleitet eine Gestalt mit Umhang im Schatten verzweigter, knorriger Bäume lautlos an den plätschernden Bach heran, der am Rand der Skeleton Woods entlangfließt.

Der Mann mit dem Umhang verharrt an der Baumgrenze, um über die Wiese zu blicken, die sich vor ihm erstreckt und an deren oberen Ende ein einsames, windschiefes Haus steht. Während er geduldig wartet, stürzt plötzlich ein Fledermausschwarm aus den Baumwipfeln herab und schwirrt wild flatternd um ihn herum. Der Mann erschrickt nicht, sondern heißt die Tiere mit einem unheilvollen Grinsen willkommen, bei dem er seine spitzen, strahlend weißen Eckzähne entblößt.

Nach einer Weile erscheint ein Auto, das sich mühsam die schmale, holprige Straße zum Haus hinaufkämpft und vor dem Gartentor zum Stehen kommt. Die Türen gehen auf, und vorn steigen ein Mann und eine Frau aus, gefolgt von einem Mädchen, das von der Rückbank springt. Die drei stellen sich nebeneinander ans Tor und betrachten ihr neues Zuhause.

Die Familie weiß nicht, dass sie beobachtet wird.

»Sie haben eine Tochter«, murmelt die Gestalt mit dem Umhang leise, während sich die Fledermäuse auf den umliegenden Ästen niederlassen. »Damit hatte ich nicht gerechnet.«

Plötzlich dreht sich das Mädchen um und blickt Richtung Wald, starrt ihn direkt an. Der Mann zuckt zusammen. Es ist fast, als …

Nein. Er schüttelt den Kopf. Das hat er sich bestimmt nur eingebildet. Um ihn jenseits der Wiese und des Bachs erkennen zu können, zumal nach Sonnenuntergang, halb verdeckt von den Bäumen, müsste sie schon …

Doch das kann nicht stimmen. Nicht sie, ein Kind.

Trotzdem, ihr Blick kommt ihm seltsam vor. Es scheint, als hätte sie gewusst, dass er da ist.

Unmöglich, sie kann ihn nicht gesehen haben. Er lacht in sich hinein, ein leises, bedrohlich klingendes Fauchen, das durch den Wald hallt. Offenbar machen sich seine vielen Dienstjahre und sein Alter bemerkbar. Seine Phantasie fängt an, ihm Streiche zu spielen.

»Kommt, meine Freunde, wir haben Arbeit zu erledigen«, sagt er zu den Fledermäusen, die mit einem gereizten Kreischen antworten. »Die Skeleton-Villa hat neue Bewohner, und wir müssen mit den Vorbereitungen für ihren Empfang beginnen.«

Er hält inne und beobachtet, wie das Mädchen mit ihren Eltern durchs Tor zum Haus geht. Ein boshaftes Grinsen umspielt seine Lippen.

»Sie können es bestimmt kaum erwarten, ihre neuen Nachbarn kennenzulernen!«

Mit einem erneuten unheilvollen Fauchen macht er kehrt, lässt seinen wogenden Umhang herumwirbeln und verschwindet im Schatten der Bäume. Seine glutroten Augen leuchten im Dunkeln.

Kapitel eins

»Und?«, sagt Mum und zeigt aufgeregt auf unser neues Haus. »Wie findet ihr es?«

Ich lasse die schmuddelig weiße Fassade, die abblätternde blaue Farbe der klapprigen Haustür und die verdreckten Fenster auf mich wirken. Letztere sehen aus, als wären sie zuletzt in der Steinzeit geöffnet worden.

»Es ist irgendwie …« Ich suche nach dem richtigen Wort und lege den Kopf schräg. »…schief.«

»Da hast du vollkommen recht«, sagt Dad lachend. Er streckt sich nach der langen Fahrt und legt mir dann seinen Arm um die Schultern. »Aber ich finde es total charmant, in einer windschiefen Villa zu wohnen, du nicht auch, Maggie? Solange sie nicht umkippt!«

Mum stimmt in sein Lachen ein, nur ich verstehe den Witz nicht. Das Haus sieht tatsächlich aus, als könnte es jeden Moment umfallen. Es als Villa zu bezeichnen, ist eindeutig übertrieben. Während meine Eltern sich wieder dem Auto zuwenden, um mit dem Auspacken zu beginnen, bleibe ich an dem kaputten Holztor stehen, hinter dem sich ein halb überwucherter Pfad zum Haus schlängelt.

Als Mum und Dad vor zwei Wochen völlig unerwartet verkündeten, dass wir in eine Kleinstadt namens Ghoston ziehen würden, von der ich noch nie gehört hatte und die mitten im Nirgendwo an der Küste Yorkshires lag, war mein erster Gedanke, dass die beiden verrückt geworden sein mussten.

Diese einsame, heruntergekommene Villa verstärkt meinen Eindruck noch.

Wenn sie wirklich in Ghoston läge, wäre alles halb so schlimm. Um sie zu erreichen, sind wir durch den Ort gefahren, immer weiter die Hauptstraße entlang und an den letzten Häusern vorbei, bis wir hier, weit außerhalb der Ortsgrenzen, gelandet sind. Die Skeleton-Villa liegt vollkommen allein, umgeben von Wiesen, die an einen großen, dunklen Wald grenzen.

Ich werfe einen Blick über die Schulter. Der Wald besteht aus hohen, knorrigen Bäumen mit dicken Stämmen und seltsam verdrehten Ästen, die gespenstisch im Wind knarren.

Plötzlich sehe ich in ihrem Schatten zwei rote Punkte aus der Dunkelheit leuchten und kneife die Augen zusammen, um sie besser erkennen zu können.

»Die Skeleton Woods«, sagt Dad plötzlich hinter mir. Er bleibt mit einer schweren Umzugskiste neben mir stehen und weist stirnrunzelnd mit dem Kinn zu den Bäumen. »Ein uralter Wald voller Geschichten … Du darfst ihn nicht betreten. Niemand darf das.«

»Warum nicht? Was sind das für Geschichten?«

»Alle möglichen Mythen und Legenden.« Seine Augen funkeln. »Manche sagen sogar …«

»Hör nicht auf deinen Vater«, unterbricht uns Mum und stößt ihn kopfschüttelnd mit dem Ellbogen an, als sie auf dem Weg zum Haus an uns vorbeikommt. »Du sollst ihn deshalb nicht betreten, weil er so groß ist und man sich leicht darin verirrt. Das hat nichts mit Gespenstern oder finsteren Mächten zu tun.«

»Gespenstern oder finsteren Mächten?«, frage ich fasziniert und starre mit großen Augen zum Wald. Was habe ich da vorhin wohl gesehen? »Spukt es dort etwa?«

»Merkst du, was du angerichtet hast?« Mum seufzt und wirft Dad einen bösen Blick zu. »Jetzt gibt sie keine Ruhe mehr.«

»Ich war nicht derjenige, der von Gespenstern und finsteren Mächten angefangen hat«, antwortet Dad lachend.

Mum hat recht, ich gebe ganz sicher keine Ruhe. Ich war schon immer verrückt nach Gruselgeschichten, keine Ahnung, warum. Als kleines Mädchen habe ich immer auf Schauermärchen bestanden, wenn meine Eltern mir vor dem Schlafengehen etwas vorlesen wollten. Dad musste dann das Licht ausschalten und sich eine Taschenlampe unters Kinn halten, damit sein Gesicht möglichst unheimlich aussah. Bis heute liebe ich es, voller Anspannung darauf zu warten, was als Nächstes passiert. Auf Jahrmärkten oder in Vergnügungsparks interessiere ich mich nur für die Geisterbahnen oder Spukschlösser, in denen als Mumien oder Skelette verkleidete Schauspieler aus der Dunkelheit springen und man sich vor Schreck die Seele aus dem Leib brüllt, um anschließend über sich selbst zu lachen.

Eigentlich ist Dad schuld an meiner Vorliebe für alles Unheimliche. Er gruselt sich nämlich selbst gern, weshalb Mum regelmäßig die Augen verdreht, wenn wir an Kinoabenden den Film aussuchen. Dummerweise ist er genauso streng wie sie, wenn es darum geht, welche Filme ich schon sehen darf und welche nicht.

»Du bist erst elf«, ruft mir Mum jedes Mal in Erinnerung, wenn ich die beiden zu einem echten Horrorfilm überreden will. »Von so was bekommst du Albträume, glaub mir.«

Aber genau das ist der Punkt: Ich bekomme keine Albträume, hatte noch nie welche, in meinem ganzen Leben nicht. Ich weiß, wie ungewöhnlich das ist. Jeder andere, den ich kenne, hat schon mindestens einmal im Leben schlecht geträumt und ist schweißgebadet aufgewacht. Ich noch NIE. Kein einziges Mal. Es läuft mir auch nicht kalt den Rücken herunter, wenn ich ein gruseliges Buch lese oder einen Horrorfilm schaue. Die Handlung fasziniert mich, jagt mir jedoch keine Angst ein. Im Gegenteil, ich mache mir meistens einen Spaß daraus, schon am Anfang des Buchs oder Films zu erraten, wie der Held oder die Heldin wohl am Ende gegen das Böse gewinnt – den herumirrenden Geist besiegt, einer Horde blutrünstiger Vampire den Garaus macht, das Ungeheuer in die Schranken weist. Während alle anderen kreischen und sich ein Kissen vors Gesicht halten würden, bin ich immer viel zu beschäftigt mit dieser Frage, um mich zu gruseln.

Ganz schön merkwürdig, ich weiß.

»Hör auf, den Wald anzustarren, Maggie«, reißt mich Mum aus meinen Gedanken. »Was Dad meinte, sind nur alte Volksmärchen, die sich die Leute erzählen.«

»Es gibt Volksmärchen über diesen Wald?«, frage ich aufgeregt und ziehe mein Handy aus der Tasche. »Die will ich lesen!«

Mum räuspert sich demonstrativ. »Es ist gleich stockdunkel. Das kannst du gern alles nachlesen, nachdem du uns beim Ausladen geholfen hast.«

Mum kann ziemlich respekteinflößend sein, wenn sie will. Sie hat so einen strengen Tonfall, den sie aufsetzt, wenn es ihr wirklich ernst ist. Dann weiß man, dass man besser gehorcht, wenn man keinen Ärger will. Widerstrebend stecke ich mein Handy wieder weg.

»Also los«, fordert mich Dad lächelnd auf und fasst die Kiste in seinen Armen fester. »Erkunden wir unser neues Zuhause!«

Nun, da ich weiß, dass der angrenzende Wald voller spannender Geschichten steckt, bin ich schon viel begeisterter von der schiefen alten Villa. Ich schnappe mir meinen Rucksack und ein Kissen aus dem Auto, damit es so aussieht, als würde ich beim Auspacken helfen, und schlendere hinter Mum und Dad durch den Garten, wobei ich das wuchernde Unkraut mit dem Fuß beiseiteschiebe. Mum schließt die Haustür auf und öffnet sie voller Vorfreude. Nachdem sie Licht gemacht hat, betreten wir den Flur.

Mum und Dad sind letztes Wochenende schon zusammen mit dem Umzugsunternehmen hier gewesen, um den Großteil unserer Sachen herzubringen und alles für den Einzug vorzubereiten. Es ist tröstlich, hier und da ein paar altvertraute Möbel zu entdecken, aber alles ist total verwinkelt, verglichen mit unserer bisherigen Wohnung, und die Decken sind so niedrig, dass Dad den Kopf einziehen muss, wenn er durch eine Tür will.

Trotzdem gefällt mir die Villa irgendwie. Sie ist so anders.

»Man muss noch jede Menge Arbeit reinstecken«, stellt Mum seufzend fest und stemmt die Hände in die Hüften, während sie sich umsieht. »Aber wir haben es uns sicher schnell gemütlich gemacht.«

»Das denke ich auch«, pflichtet ihr Dad bei. »Ich fürchte, mein Onkel Bram hat das Haus ziemlich verwahrlosen lassen. Trotzdem, es lässt sich was draus machen. Wart’s nur ab, Maggie.«

»Ich find’s jetzt schon cool«, sage ich und entdecke ein großes Spinnennetz am Übergang zur Küche.

»Geh doch mal hoch und such dir ein Zimmer aus«, schlägt Mum vor. »Du darfst als Erste wählen.«

Mit dem Kissen, das ich aus dem Auto mitgenommen habe, stapfe ich die knarrende Treppe hoch und sehe mir die verschiedenen Möglichkeiten an. Eins der Zimmer ist deutlich größer als die anderen – das muss Großonkel Brams Schlafzimmer gewesen sein. Ich überlasse es Mum und Dad und entscheide mich für das zweitgrößte Zimmer, das am anderen Ende des Flurs liegt und zum Wald hin ausgerichtet ist. In allen Zimmern hängen große Spiegel mit schweren hölzernen Rahmen. Dads Onkel Bram muss ziemlich eitel gewesen sein.

Ich bin ihm nie begegnet, hatte kaum je von ihm gehört, bis er vor zwei Wochen unerwartet starb und uns diese alte, unheimliche Villa vererbte. Als Dad mir erzählte, dass wir hierherziehen würden, stellte ich ihm natürlich viele Fragen zu diesem Onkel Bram, aber Dad konnte mir nicht viel über ihn erzählen. Die beiden hatten schon seit Jahren keinen Kontakt mehr. Alles, was er wusste, war, dass Bram ein sehr zurückgezogenes Leben geführt hatte.

Inzwischen kann ich mir gut vorstellen, wie es dazu gekommen ist, dass er so isoliert war. Hier wohnt meilenweit kein anderer Mensch.

Ich fand es am Anfang ziemlich komisch, dass er uns sein Haus vermachte, obwohl wir gar nichts mit ihm zu tun hatten. Dad zuckte nur mit den Schultern und erklärte, das liege daran, dass wir Onkel Brams einzige Angehörige seien und er niemand anderen gehabt habe.

Ich setze mich aufs Bett und ziehe mein Handy aus der Tasche, um Skeleton Woods zu googeln, aber ich habe keinen Empfang. Auch nachdem ich mich aufs Bett gestellt und die Hand so hoch wie möglich gehalten habe, tauchen keine Balken auf dem Display auf. Ich drehe noch eine Runde durchs Zimmer und gebe es dann auf, lasse mich auf die nackte Matratze plumpsen und spähe aus dem Fenster. Es ist so still hier.

Mum und Dad gehen gerade auf dem Pfad zurück zum Auto, und ich sehe ihnen lächelnd dabei zu, wie sie das restliche Gepäck aus dem Kofferraum ziehen und sich aufgeregt darüber unterhalten, wie sie die Villa renovieren und einrichten wollen. Ich habe jetzt schon das Gefühl, dass wir uns hier mehr zu Hause fühlen werden, als es in London je der Fall war.

Mum will schon lange aufs Land ziehen. Meine Eltern sind beide Zahnärzte und waren in derselben Praxis angestellt, so haben sie sich damals kennengelernt. In der Nähe dieser Praxis zu wohnen erschien ihnen am praktischsten, aber Mum sprach immer wieder davon, wie toll sie es fände, in ein Dorf zu ziehen und dort eine Praxis aufzumachen, als Teil einer kleinen, verschworenen Gemeinde.

Wahrscheinlich haben sie und Dad sich deshalb so schnell dafür entschieden, hierher zu ziehen. Dass Großonkel Bram ihnen sein Haus vererbt hat, war ein echter Glücksfall. Und genau wie es sich Mum erträumt hat, gibt es in Ghoston eine kleine, völlig überlaufene Zahnarztpraxis, die dringend Unterstützung benötigt. Der hiesige Zahnarzt will anscheinend schon seit Längerem in Rente, konnte jedoch bisher niemanden finden, der seine Nachfolge antreten wollte. Als er den Praxissitz im Vorjahr inserierte, meldete sich kein einziger Interessent – offenbar wollte niemand in ein so kleines Nest mit zweifelhaftem Ruf ziehen. In der Praxis gibt es genug Arbeit für Mum und Dad, sie können sofort anfangen und haben vor, sie größer und moderner zu machen.

»Ach, da bist du«, sagt Mum und streckt den Kopf zur Tür herein. Sie streicht sich die Haare aus der Stirn. »Eine gute Wahl. Deine Kisten sind noch im großen Schlafzimmer. Sollen wir sie herbringen, damit du mit dem Auspacken anfangen kannst? Dad setzt gerade Wasser auf, damit wir eine heiße Tasse Tee trinken können.«

»Okay«, antworte ich und springe auf, um ihr zu dem Kistenstapel im großen Schlafzimmer zu folgen. »Mum, wann kriegen wir WLAN? Es gibt hier nicht mal Handy-Empfang.«

»Am Montag«, teilt sie mir mit und studiert die schwarzen Filzstift-Aufschriften, um herauszufinden, was in welchem Karton ist.

»Ich muss also heute Abend und den ganzen Sonntag ohne Internet auskommen?«, frage ich und rümpfe die Nase.

»Genau. Wir werden gezwungen sein, tatsächlich miteinander zu reden«, zieht sie mich auf und drückt mir den ersten Karton in die Arme. »Keine Sorge, langweilig wird uns bestimmt nicht. Wir können uns im Ort umsehen, vielleicht sogar einen Blick in deine neue Schule werfen«, schlägt sie fröhlich vor.

Sofort werde ich nervös. Ich bin nämlich nicht gerade die beste Schülerin. In meinen Zeugnissen steht immer das Gleiche: dass ich mich leicht ablenken lasse und aufhören muss, in Tagträume abzutauchen. Was das Thema Freunde angeht, bin ich auch nicht besser. Ich wünschte, ich wäre eins dieser Mädchen, die immer genau wissen, wie sie sich bei den anderen beliebt machen.

So wie Nina Delby, das angesagteste Mädchen an meiner alten Schule. Vor zwei Jahren hat sie mich zu einer Übernachtungsparty eingeladen, zusammen mit allen anderen Mädchen aus unserer Klasse. Ich war nicht direkt unbeliebt damals, nur eher ruhig und unauffällig. Es war trotzdem nett, dass sie mich eingeladen hat, obwohl ich gar nicht zu ihrer Clique gehörte. Ich glaube, sie wollte nicht, dass sich irgendjemand ausgeschlossen fühlte.

Es war jedenfalls die Nacht, in der ich alles vermasselte.

Wir saßen im Schlafanzug in Ninas Wohnzimmer, aßen Eis und hörten Musik, als Nina plötzlich verkündete, dass es Zeit für einen Film sei. Ninas Eltern sind längst nicht so streng wie meine und ließen uns ganz allein aussuchen, was wir schauen wollten.

Ich habe immer noch keine Ahnung, warum ich ausgerechnet in diesem Moment beschloss, meine Zurückhaltung über Bord zu werfen und den Mund aufzumachen.

Hätte ich doch die Klappe gehalten. Hätte ich doch einfach mein Eis weitergegessen und mich damit zufriedengegeben, die Filmauswahl der anderen abzunicken. Stattdessen schlug ich vor, dass wir uns diesen GENIALEN Film ansahen, von dem ich gehört hatte: Vampire im Morgengrauen.

»Oooh!«, rief eine meiner Klassenkameradinnen. »Ist das der mit dem Vampirmädchen, das eine normale Schule besucht? Der soll echt witzig sein!«

Ich wusste nichts über die Handlung und zuckte daher nur mit den Achseln und meinte: »Keine Ahnung, kann sein.« Nina sagte, das klinge gut, und suchte den Film heraus. Wir machten es uns gemütlich und freuten uns auf einen angenehmen Filmabend.

Es wurde die totale KATASTROPHE. Der Film handelte nicht von einem Vampirmädchen, das auf eine normale Schule geht, und er war auch nicht witzig. Er war grauenerregend, zumindest für die anderen. Ich war die Einzige, die ihn genoss. Die übrigen Übernachtungsgäste schrien bei jeder gruseligen Szene wie am Spieß, und Ninas beste Freundin fing sogar an zu weinen. Angeblich hatten danach alle wochenlang Albträume, und meine Eltern wurden mit Anrufen von wütenden Eltern bombardiert. Ich hatte eine EWIGKEIT Hausarrest.

Nina warf mir vor, ihr die Party verdorben zu haben, und sprach danach kaum noch ein Wort mit mir. Ein paar Tage später kam ich an ihr und ein paar anderen Mädchen vorbei und hörte sie sagen: »Maggie Moon ist der totale FREAK.« Dieser Ruf blieb für die nächsten zwei Jahre an mir haften, daher war ich mega-happy, als Mum und Dad verkündeten, dass wir umziehen und ich auf eine andere Schule kommen würde.

Aber was ist, wenn ich es an der neuen Schule auch wieder vermassle? Was, wenn mich dort auch keiner mag?

Vielleicht bleibe ich ja ein Freak, und zwar für immer.

»Dass du nervös bist, ist doch ganz normal«, sagt Mum, die meinen Gesichtsausdruck offenbar richtig gedeutet hat und mir hilft, meine Umzugskisten ins andere Zimmer zu bringen. »So fühlt man sich nun mal, wenn man an eine neue Schule kommt.«

»Ich weiß«, antworte ich nickend und schlucke den Kloß in meiner Kehle herunter. Ich stelle meine Kiste unter dem Fenster ab und richte mich auf, um zum Wald hinüberzublicken. Dann stoße ich einen tiefen Seufzer aus. »Ich hoffe nur einfach, dass hier alles anders wird.«

Kapitel zwei

Die Ghoston School sieht überhaupt nicht aus wie eine Schule. Als wir am Montagmorgen bei der Dorfwiese um die Ecke biegen und sie vor uns aufragen sehen, fällt mir die Kinnlade herunter. Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch wird stärker. Es handelt sich um ein imposantes Steingebäude mit hohen Fenstern und unzähligen Türmchen, Dachvorsprüngen und Schornsteinen.

»Gotische Architektur«, sagt Dad und parkt am Rand der kiesbedeckten Einfahrt. »Das wird dich sicher freuen.«

»Meine Güte!« Mum seufzt genervt, während sie sich losschnallt. »Es ist Maggies erster Schultag. Können wir uns da bitte auf wichtigere Dinge konzentrieren?«

Ich lächle Dad dankbar im Rückspiegel zu, weil ich das an ein Spukschloss erinnernde Äußere meiner neuen Schule als seltsam beruhigend empfinde. Dann steige ich aus und betrachte beklommen die Freundesgrüppchen, die an uns vorbei zum Eingang der Schule schlendern.

»Na komm«, sagt Mum und legt aufmunternd ihre Hand auf meine Schulter. »Gehen wir zur Schulleiterin, um dich anzumelden.«

Ich greife die Riemen meines Rucksacks fester und gehe zwischen Mum und Dad aufs Schulgebäude zu. Dabei überlege ich, welche der Schülerinnen und Schüler, die um uns herumwuseln, wohl in meiner Klasse sind. Es ist eine deutlich kleinere Schule als meine letzte, aber die vielen Kinder und Jugendlichen, die gleichzeitig zum Eingang strömen, sind trotzdem beängstigend. Eine freundliche Dame am Empfang beschreibt uns den Weg zum Rektorat, vor dem wir schweigend auf einer Reihe roter Plastikstühle Platz nehmen und darauf warten, dass wir hereingebeten werden.

Plötzlich geht mit einem Knall die schwere Holztür auf, und ein etwa gleichaltriges Mädchen stürmt wütend heraus. Sie hat die pechschwarzen Haare auf dem Kopf zu einem unordentlichen Knoten geschlungen und ihre Schuluniform auf ganz eigene Weise interpretiert: Die Pulloverärmel sind unterschiedlich hochgerollt, der Kragen der Bluse hochgeklappt und die schwarze Strumpfhose durchlöchert.

»Ari Whitman!«, ertönt eine angespannte Stimme aus dem Büro. Das Mädchen verzieht das Gesicht. »Ich war noch nicht fertig mit dir.«

Eine große Frau – vermutlich Miss Woods, die Schulleiterin – erscheint in der Tür. Sie stemmt die Hände in die Hüften und stößt einen langen Seufzer aus. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie das schwarzhaarige Mädchen an, das die Arme vor der Brust verschränkt und trotzig das Kinn reckt.

»Ach, entschuldigen Sie, Miss Woods«, säuselt es, offenbar froh darüber, in uns ein Publikum gefunden zu haben. »Ich dachte, Ihr Vortrag wäre zu Ende.«

»Ist er nicht«, widerspricht Miss Woods und sieht sie streng an. »Ari, es ist noch nicht mal neun Uhr morgens, und du hast schon Ärger mit ZWEI Lehrkräften. Können wir es irgendwie hinbekommen, dass es am Ende des Schultags nicht drei sind?«

»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass ich nichts dafür kann«, erwidert Ari.

»Mr. Kelvin hat sich also selbst einen Zettel an den Rücken geklebt, oder wie? Und Mrs. Pott hat deine nicht-existierende eineiige Zwillingsschwester dabei beobachtet, wie sie auf ihrem Schreibtisch herumgeschnüffelt hat.«

Ari grinst. »So ist es. Glauben Sie wirklich, dass ich mich hätte erwischen lassen, wenn ich diese Dinge getan hätte? Kommen Sie schon, Miss Woods, Sie wissen genau, dass ich dafür viel zu gewitzt bin!«

»Soso.« Miss Woods wirft ihr erneut einen strengen Blick zu, aber ihre Mundwinkel zucken, als hätte sie Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. »Ich möchte, dass du dich für den Rest des Tages vorbildlich benimmst, Ari. Und diesmal meine ich es ernst.«

»Sie meinen es jedes Mal ernst.«

»Könntest du außerdem BITTE deine Uniform in Ordnung bringen?«, fügt Miss Woods in resigniertem Tonfall hinzu. »Steck wenigstens deine Bluse in den Rock!«

»Wird erledigt«, antwortet Ari, bevor sie mir zuzwinkert und davonschlendert.

Ich sehe ihr grinsend hinterher. Miss Woods fährt sich unterdessen mit einer Hand durch die Haare, bevor sie sich zu uns umdreht.

»Tut mir leid, dass Sie diese Szene miterleben mussten«, sagt sie und schüttelt uns die Hände. »Ari ist ein sehr … extrovertiertes Mädchen. Hochintelligent und mindestens ebenso frech. Wie auch immer, kommen Sie doch bitte mit in mein Büro. Herzlich willkommen an unserer Schule, liebe Maggie!«

Ich folge ihr schüchtern durch die Tür, und Mum und Dad treten ebenfalls ein. Wir setzen uns vor Miss Woods’ Schreibtisch, während sie dahinter Platz nimmt und in einer wilden Ansammlung ungeordneter Akten und loser Papiere herumwühlt.

»Ah, da ist es ja«, sagt sie, als sie endlich meine Unterlagen findet. Sie überfliegt sie und verschränkt dann die Hände, um mich mit einem herzlichen Lächeln anzusehen. »Ich denke, du wirst dich hier an der Ghoston School wohlfühlen, Maggie. Wie ich sehe, hast du gar nicht so schlechte Noten, und ich bin mir sicher, dass du viele neue Freunde finden wirst.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe, und Miss Woods kehrt noch einmal zur ersten Seite meiner Akte zurück und liest sie. Sie macht einen viel netteren Eindruck als mein letzter Direx, der ständig nur herumgeschrien hat. Miss Woods hat schon jetzt mehr gelächelt, als ich es bei ihm je erlebt habe, und wirkt auch sonst deutlich entspannter. Ihre braunen Locken sind nachlässig zurückgebunden, als hätte sie nicht viel Zeit darauf verwendet, und sie trägt eine schwarze Brille mit rechteckigem, breitem Rahmen und fröhliche bunte Ohrhänger, die wackeln, wenn sie redet, was mich ein bisschen ablenkt.

»Hier sind gar keine außerschulischen Aktivitäten aufgeführt.« Miss Woods strahlt mich an. »Gibt es trotzdem irgendetwas, was dich interessiert? Wir haben jede Menge tolle Sportmannschaften und AGs.«

»Maggie liest leidenschaftlich gern«, meldet sich Dad zu Wort, weil ich vor Nervosität nicht weiß, was ich sagen soll. »Sie liebt Gruselgeschichten.«

»Unter anderem«, fügt Mum hinzu und wirft ihm einen verärgerten Blick zu.

»So richtig unheimliches Zeug? Wunderbar!«, sagt Miss Woods und scheint sich aufrichtig zu freuen, eine Reaktion, mit der wohl keiner von uns gerechnet hat. »Mr. Frank hat in der Bibliothek eine tolle Sammlung an Grusel- und Spukgeschichten. Er kann dir sicher ein paar empfehlen. Dass auch unsere Stadt, beziehungsweise die Skeleton Woods eine unheimliche Vergangenheit haben, weißt du bestimmt schon, oder?«

»Ich konnte noch nichts darüber nachlesen, weil wir bei uns zu Hause keinen Handy-Empfang haben und das WLAN erst heute eingerichtet wird«, antworte ich, nachdem ich mich aufrechter hingesetzt habe. Es ist das erste Mal, dass ich den Mund aufmache, seit wir in Miss Woods’ Büro sind. »Aber Dad hat schon erzählt, dass es in den Skeleton Woods spukt.«

»Sehr gut. Diese Schule umgibt übrigens auch eine ziemlich mysteriöse Geschichte«, sagt Miss Woods lächelnd, während Mum verzweifelt die Augen schließt. »Ich muss dir unbedingt erzählen, was …«

Sie wird von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Gerade als es spannend wurde! Die Schulsekretärin steckt mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf zur Tür herein.

»Der Bürgermeister ist da und will in der Aula eine Ansprache vor den Schülern halten, Miss Woods. Er macht einen ziemlich … ungeduldigen Eindruck«, erklärt sie und wirft ihrer Chefin einen vielsagenden Blick zu.

Miss Woods nickt. »Sagen Sie ihm, dass ich gleich bei ihm bin.«

Nachdem die Tür wieder zu ist, steht Miss Woods auf und schiebt ihren Stuhl zurück. Wir erheben uns ebenfalls.

»Tut mir leid, dass wir uns nicht länger unterhalten können. Bürgermeister Bloomingdale möchte während der heutigen Morgenversammlung eine kleine Ansprache halten«, erklärt sie, und ihr munterer Tonfall klingt ein wenig gezwungen.

»Wie großzügig von ihm, dass er sich für die Schüler Zeit nimmt«, sagt Mum. »Bestimmt hat er viele interessante Dinge zu erzählen.«

»Äh … ja. Sehr interessant, da bin ich mir sicher«, stimmt ihr Miss Woods halbherzig zu. »Es ist jedenfalls schön, dich kennengelernt zu haben, Maggie! Herzlich willkommen noch mal an der Ghoston School! Ich werde jemanden rufen, der dir dein Klassenzimmer zeigt.«

Nachdem sie meinen Eltern versichert hat, dass ich hier in guten Händen sein werde, bringt sie uns zurück in den Wartebereich. Dort verabschiedet sie sich rasch von Mum und Dad und eilt zu einem mürrischen Mann mit fettigen, glatt zurückgekämmten Haaren, der in einem schicken, dreiteiligen Anzug an der Tür steht und ungehalten auf die Uhr blickt.

Ein älterer Schüler wird von der Sekretärin damit beauftragt, mir mein Klassenzimmer zu zeigen. Ich winke meinen Eltern nervös zu, bevor ich mit ihm davongehe, und bin so aufgeregt, dass ich mich fast übergeben muss. Wir schlängeln uns durch ein Labyrinth aus Fluren und erreichen schließlich das richtige Zimmer, aus dem uns Lärm entgegenschlägt.

»Das ist es«, sagt der ältere Schüler und zeigt auf die Tür. »Viel Glück!«

Er schlendert davon und lässt mich allein zurück. Mit klopfendem Herzen betrachte ich das Chaos im Klassenzimmer. Es ist noch kein Lehrer da, und die Schüler stehen oder sitzen in Grüppchen zusammen, albern herum oder unterhalten sich laut. Ein Junge verfolgt einen anderen, der offenbar sein Heft geklaut hat, und ich bekomme beinahe ein zerknülltes Blatt ins Gesicht, das jemand Richtung Papierkorb geworfen hat.

»Sorry!«

Ich drehe den Kopf, um zu sehen, wer der Übeltäter war, und entdecke Ari, die vorhin aus dem Büro der Direktorin gestürmt ist. Sie grinst mich an und bedeutet mir winkend, mich zu ihr und dem Jungen zu gesellen, der neben ihr sitzt.

»Hi, ich bin Ari«, stellt sie sich vor und pikt dem Jungen dann ihren Finger in den Arm. »Und das ist Miles.«

Miles blickt von dem Buch auf seinem Schoß auf und lächelt mir zu. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Der Junge sieht aus wie aus dem Ei gepellt: Seine hellen Haare sind sorgfältig gekämmt, und seine Uniform ist blitzsauber und ordentlich.

»Hi, ich bin Maggie«, krächze ich. Mein Blick fällt auf den Block, der vor Ari liegt. Er ist mit unglaublich guten Skizzen übersät, die fast alle Drachen zeigen. »Hast du die gezeichnet?«

Sie nickt und hält den Block hoch, damit ich ihn besser sehen kann. »Ja, aber das sind nur grobe Entwürfe.«

»Die sind ja der Wahnsinn!«, sage ich bewundernd.

»Mach sie nicht noch eingebildeter, als sie schon ist«, warnt mich Miles mit einem schiefen Grinsen.

Ari ignoriert ihn einfach. »Danke«, sagt sie zu mir. »Ich bekomme sie leider nicht immer so hin, wie ich sie haben möchte. Das Papierknäuel, das ich vorhin weggeworfen habe, war ein missratener Versuch, einen Zauberer zu zeichnen. Tut mir leid, dass er fast an deinem Kopf gelandet wäre. Zeichnest du auch gern?«

Ich schüttle den Kopf. »Ich bin total schlecht in Kunst.«

»Miles auch«, teilt mir Ari bereitwillig mit. »Du hättest mal sein Ananas-Bild von vor den Ferien sehen sollen! Es war so grottenschlecht, dass unsere Kunstlehrerin Tränen gelacht hat. Sie hat nicht mal versucht, so zu tun, als fände sie es gut. Stattdessen hat sie mit dem Finger darauf gezeigt, sich vor Lachen gekrümmt und sich den Bauch gehalten.«

»Das ist ja wohl ein bisschen übertrieben!«, murmelt Miles und wirft ihr einen bösen Blick zu. »Außerdem interessiere ich mich sowieso nicht für Kunst. Ist mir egal, wenn ich nicht gut malen und zeichnen kann.«

»Stimmt. Du magst keine Farben und machst dich auch nicht gern schmutzig.« Ari nickt und wendet sich wieder mir zu, um zu erklären: »Miles ist ein ziemlich komischer Kauz. Ist dir schon aufgefallen, wie er sein Buch liest? Findest du das nicht auch seltsam?«

Ich betrachte das Buch, kann jedoch nichts Außergewöhnliches feststellen.

»Er macht seine Bücher nicht richtig auf beim Lesen, weil er Knicke am Buchrücken verhindern will«, hilft mir Ari auf die Sprünge, als sie mein verständnisloses Gesicht sieht. »Keine Ahnung, wie man so ein Buch lesen kann. Man muss richtig reinschielen. Du solltest mal sehen, wie sauer er wird, wenn ich die Ecken meiner Bücher umknicke, um mir eine Seite zu merken. Er schenkt mir jedes Jahr ein Lesezeichen zum Geburtstag.«

»Ich hab dir nur einmal ein Lesezeichen geschenkt, und das war zu Weihnachten, zusammen mit einem Buch«, stellt Miles klar und verdreht die Augen. Dann sieht er mich lächelnd an. »Ihr seid also gerade erst nach Ghoston gezogen? Wohnst du auch in der Nähe der Schule? Ari und ich sind Nachbarn, zu Fuß brauchen wir nicht mal fünf Minuten hierher.«

»Unser Haus ist ziemlich abgelegen«, antworte ich und kann kaum glauben, dass Ari und Miles so nett zu mir sind. »Das Grundstück grenzt direkt an die Skeleton Woods.«

Ari reißt die Augen auf. »Cool! Aber es ist nicht die kleine Villa, in der dieser komische alte Mann gewohnt hat, oder? Diese weiße, die aussieht, als würde sie bald umkippen?«

»Doch, genau die. Die Skeleton-Villa. Sie hat meinem Großonkel Bram gehört.«

»Oh, tut mir leid.« Ari verzieht peinlich berührt das Gesicht. »Ich wusste nicht, dass er ein Verwandter von dir war. So … komisch war er auch wieder nicht.«

»Schon gut. Ich bin ihm selbst nie begegnet«, sage ich lachend. Ari wirkt erleichtert. »So wie er das Haus hinterlassen hat, war er tatsächlich ein bisschen seltsam. Wart ihr zwei schon mal in den Skeleton Woods?«

Ari und Miles sehen sich an.

»Natürlich nicht.« Miles schüttelt erschrocken den Kopf. »Da setze ich keinen Fuß rein!«