Emma - Jane Austen - E-Book

Emma E-Book

Jane Austen.

0,0

Beschreibung

Die kluge, selbstbewusste aber auch verwöhnte junge Emma Woodhouse lebt ein Leben ohne finanzielle Nöte. Um sich die Langeweile auf dem elterlichen Besitz zu vertreiben, versucht sie sich - mal recht, mal schlecht - als Arrangeurin zwischenmenschlicher Beziehungen. Nicht selten intrigant und gegen die Opfer ihrer Bemühungen handelnd, erkennt sie ihr sinnloses Unterfangen, als sie selbst für den wahren Gentleman Mr. Knightley entflammt. Wie dumm, dass sie diesen ursprünglich für die schöne Harriet Smith vorgesehen hatte. Jane Austens Werk gilt als richtungweisend für die englische Literatur, sowohl stilistisch als auch inhaltlich. "Ich werde eine Heldin schaffen, die keiner außer mir besonders mögen wird." [Jane Austen] Null Papier Verlag

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 787

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jane Austen

Emma

Vollständige Fassung

Jane Austen

Emma

Vollständige Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-79-1

www.null-papier.de/emma

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Au­to­rin und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel

Zwei­tes Ka­pi­tel

Drit­tes Ka­pi­tel

Vier­tes Ka­pi­tel

Fünf­tes Ka­pi­tel

Sechs­tes Ka­pi­tel

Sieb­tes Ka­pi­tel

Ach­tes Ka­pi­tel

Neun­tes Ka­pi­tel

Zehn­tes Ka­pi­tel

Elf­tes Ka­pi­tel

Zwölf­tes Ka­pi­tel

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Acht­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Achtund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel

Vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Sechs­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Sie­ben­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Achtund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Neun­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel

Fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Ein­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Zwei­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Drei­und­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Vierund­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Fün­fund­fünf­zigs­tes Ka­pi­tel

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Newslet­ter abon­nie­ren

Der Newslet­ter in­for­miert Sie über:

die Neu­er­schei­nun­gen aus dem Pro­gramm

Neu­ig­kei­ten über un­se­re Au­to­ren

Vi­deos, Lese- und Hör­pro­ben

at­trak­ti­ve Ge­winn­spie­le, Ak­tio­nen und vie­les mehr

htt­ps://null-pa­pier.de/newslet­ter

Zum Buch

Die klu­ge, selbst­be­wuss­te aber auch ver­wöhn­te jun­ge Emma Wood­hou­se lebt ein Le­ben ohne fi­nan­zi­el­le Nöte. Um sich die Lan­ge­wei­le auf dem el­ter­li­chen Be­sitz zu ver­trei­ben, ver­sucht sie sich - mal recht, mal schlecht – als Ar­ran­geu­rin zwi­schen­mensch­li­cher Be­zie­hun­gen. Nicht sel­ten in­tri­gant und ge­gen die Op­fer ih­rer Be­mü­hun­gen han­delnd, er­kennt sie ihr sinn­lo­ses Un­ter­fan­gen, als sie selbst für den wah­ren Gent­le­man Mr. Knight­ley ent­flammt. Wie dumm, dass sie die­sen ur­sprüng­lich für die schö­ne Har­riet Smith vor­ge­se­hen hat­te.

Jane Aus­tens Werk gilt als rich­tung­wei­send für die eng­li­sche Li­te­ra­tur, so­wohl sti­lis­tisch als auch in­halt­lich.

»Ich wer­de eine Hel­din schaf­fen, die kei­ner au­ßer mir be­son­ders mö­gen wird.« (Jane Aus­ten)

Autorin und Werk

Ste­ven­ton in Hamps­hi­re, eine gute Wo­che vor dem Weih­nachts­fest des Jah­res 1775: Fuß­stap­fen füh­ren über den ver­schnei­ten Ra­sen zum zwei­stö­cki­gen Pfarr­haus der Ort­schaft. Dort le­ben Wil­liam Ge­or­ge Aus­ten, sei­ne Frau Cas­san­dra und die sechs Kin­der. Die Brü­der wer­fen Schnee­bäl­le in die frost­glit­zern­den Baum­kro­nen vor dem Haus. Kom­men die Kin­der fröh­lich und ver­fro­ren zur Tür her­ein, emp­fängt sie der Duft des Holz­feu­ers – aber heu­te müs­sen sie still sein. Va­ter Wil­liam kann sich nicht auf sei­ne Ge­dan­ken zur Weih­nachtspre­digt kon­zen­trie­ren, denn Mut­ter Cas­san­dra liegt in den We­hen.

Be­co­ming Jane

Jane Aus­ten wird am 16. De­zem­ber 1775 ge­bo­ren, als sie­ben­tes Kind der Pfar­rers­fa­mi­lie. Sie ist das zwei­te Mäd­chen und wird ih­rer Schwes­ter Cas­san­dra le­bens­lang eng ver­bun­den sein. Lei­der ver­nich­tet Cas­san­dra die meis­ten Brie­fe ih­rer jün­ge­ren Schwes­ter nach de­ren frü­hem Tod, wes­halb über die große Dame der eng­li­schen Li­te­ra­tur nicht all­zu viel be­kannt ist.

Die El­tern le­gen viel Wert auf Bil­dung; das Haus be­her­bergt eine große Biblio­thek, die stän­dig er­wei­tert wird und den Kin­dern zu­gäng­lich ist. Jane ist be­reits recht be­le­sen, als sie im Al­ter von zwölf Jah­ren selbst zu schrei­ben be­ginnt. Die jun­ge Dame ver­fasst be­vor­zugt scharf­zün­gi­ge Kurz­ro­ma­ne und Thea­ter­stücke, lässt ei­ni­ge Ar­bei­ten je­doch un­voll­en­det oder wird sie spä­ter wie­der auf­grei­fen. The­ma­tisch ist sie von Be­ginn an ih­rer Sa­che si­cher: Das Eng­land des Re­gen­cy mit sei­nen so­zia­len Sit­ten, ins­be­son­de­re mit der ab­hän­gi­gen Stel­lung der Frau, wird von ihr sa­ti­risch kri­ti­siert.

Nach dem Um­zug nach Bath, wo die Fa­mi­lie bis 1805 lebt, ent­ste­hen we­ni­ge Wer­ke – zu­min­dest wird das an­ge­nom­men. Als der Va­ter ver­stor­ben ist, las­sen sich Mut­ter Aus­ten und die bei­den Schwes­tern in Southamp­ton nie­der, be­vor sie 1809 nach Chaw­ton zie­hen. In dem dor­ti­gen Land­haus wohnt Jane Aus­ten, ge­mein­sam mit ih­rer Schwes­ter und ei­ner Freun­din, bis zu ih­rem Tod.

Be­legt ist, dass Jane im Jahr 1802 einen Hei­rats­an­trag ab­lehnt; ob ihr wei­te­re Avan­cen ge­macht wer­den, ist un­be­kannt. Mög­li­cher­wei­se ist es ihre be­wuss­te Ent­schei­dung, un­ver­hei­ra­tet zu blei­ben. Dass sie ihre ganz ei­ge­ne Sicht­wei­se be­züg­lich die­ser Fra­ge hat, be­le­gen ihre Ro­ma­ne, in de­nen die Pro­tago­nis­tin­nen zwar letzt­end­lich die Ehe ein­ge­hen, sich den Ent­schluss je­doch nie­mals leicht ma­chen. Die Her­aus­for­de­rung ist in der Ab­hän­gig­keit be­grün­det, worin Frau­en ent­we­der durch einen Ehe­gat­ten ver­sorgt wer­den oder le­bens­lang auf wohl­mei­nen­de Ver­wand­te an­ge­wie­sen sind. Jane und ihre Schwes­ter, die eben­falls un­ver­hei­ra­tet ist, er­fah­ren das selbst, als sie nach Chaw­ton zie­hen. Ihr dor­ti­ges Wohn­haus ge­hört ei­nem ih­rer Brü­der. Für ge­ach­te­te Bür­ge­rin­nen aus wohl­ha­ben­dem Hau­se ist es zu je­ner Zeit un­denk­bar, den ei­ge­nen Le­bens­un­ter­halt zu er­ar­bei­ten – Ja­nes Exis­tenz als Schrift­stel­le­rin be­fin­det sich in ei­ner Grau­zo­ne und ist ten­den­zi­ell an­rü­chig.

By a Lady

In­so­fern nimmt es nicht Wun­der, dass ihre Ro­ma­ne un­ter dem Pseud­onym »by a Lady« (»von ei­ner Dame«) er­schei­nen, wenn­gleich mit wach­sen­der Aner­ken­nung die wah­re Iden­ti­tät der Au­to­rin be­kannt wird. Jane Aus­ten hät­te ein in­di­vi­du­el­les, viel­leicht männ­li­ches, Pseud­onym wäh­len kön­nen. Dass sie sich da­für ent­schei­det, Ge­schlecht und un­ge­fäh­re Stan­des­zu­ge­hö­rig­keit mit­zu­tei­len, darf wohl als Stel­lung­nah­me ver­stan­den wer­den, pas­send zum In­halt ih­rer Wer­ke. Ob­wohl sie sich dar­in als klar­sich­ti­ge Beo­b­ach­te­rin er­weist, mensch­li­che Schwä­chen hu­mor­voll be­leuch­tet und vor Ge­sell­schafts­kri­tik kei­nes­wegs zu­rück­schreckt, wer­den vor al­lem die spä­ten Ro­ma­ne po­si­tiv auf­ge­nom­men. Dass der all­seits ge­ach­te­te Wal­ter Scott ihr größ­te Ach­tung zollt, wird da­bei nicht ohne Wir­kung ge­blie­ben sein.

Jane Aus­tens Werk gilt als rich­tung­wei­send für die eng­li­sche Li­te­ra­tur, so­wohl sti­lis­tisch als auch in­halt­lich. Die dar­in ge­üb­te Kri­tik be­fasst sich mit der Lage le­di­ger Frau­en des ge­ho­be­nen Bür­ger­tums, in sacht-iro­ni­schem Stil. Der Lie­bes­ro­man, in des­sen Zen­trum eine un­ver­hei­ra­te­te Frau steht, dient der Au­to­rin stets als Rah­men so­zia­ler Be­trach­tun­gen. Spä­te­re Ro­ma­ne, die zum Teil aus frü­hen Ent­wür­fen ent­ste­hen, sind eben­so ge­nau be­ob­ach­tet, je­doch er­zäh­le­ri­scher ver­fasst. So be­schäf­tigt sich Jane Aus­ten 1809 mit dem be­reits 1796 ent­stan­de­nen »Eli­nor and Ma­ri­an­ne«, das schließ­lich 1811 un­ter dem Ti­tel »Sen­se and Sen­si­bi­li­ty« (Ver­stand und Ge­fühl) er­scheint. In dem­sel­ben Jahr über­ar­bei­tet sie »First Im­pres­si­ons«, das 1813 als »Pri­de and Pre­ju­di­ce« (Stolz und Vor­ur­teil) ver­öf­fent­licht wird.

Ihr zu­rück­ge­zo­ge­nes Le­ben in Chaw­ton ver­bringt Jane Aus­ten schrei­bend. Wäh­rend die­ser Zeit ent­ste­hen »Mans­field Park«, »Emma« und »Per­sua­si­on«, das spä­ter in der deut­schen Über­set­zung un­ter den Ti­teln »Über­re­dung« und »Anne El­li­ot« pu­bli­ziert wird.

Im Mai 1817 be­gibt sich Jane Aus­ten, ge­mein­sam mit ih­rer Schwes­ter, zur ärzt­li­chen Be­hand­lung nach Win­che­s­ter, wo sie am 18. Juli des Jah­res stirbt. Ihre Grab­stät­te be­fin­det sich in der Ka­the­dra­le von Win­che­s­ter.

Ja­ne Aus­ten bei Null Pa­pier: www.null-papier.de/austen

Erstes Kapitel

Emma Wood­hou­se, hübsch, klug und reich, im Be­sitz ei­nes ge­müt­li­chen Heims so­wie ei­ner glück­li­chen Ver­an­la­gung, ver­ei­nig­te sicht­lich ei­ni­ge der bes­ten Ga­ben des Le­bens auf sich. Sie war schon fast ein­und­zwan­zig Jah­re auf der Welt, ohne je wirk­lich Schwe­res oder Beun­ru­hi­gen­des er­lebt zu ha­ben.

Sie war die jün­ge­re der bei­den Töch­ter ei­nes sehr lie­be­vol­len und äu­ßerst nach­sich­ti­gen Va­ters. Schon lan­ge, seit der Ver­hei­ra­tung ih­rer Schwes­ter, war sie die Frau des Hau­ses. Ihre Mut­ter war schon zu lan­ge tot, als dass sie sich ih­rer Zärt­lich­kei­ten noch hät­te er­in­nern kön­nen. An de­ren Stel­le war eine vor­treff­li­che Frau als Er­zie­he­rin ge­tre­ten, die eine bei­nah müt­ter­li­che Zu­nei­gung für sie emp­fand.

Miss Tay­lor ge­hör­te nun schon seit sech­zehn Jah­ren zu Mr. Wood­hou­ses Fa­mi­lie, sie war we­ni­ger Er­zie­he­rin als Freun­din, hing sehr an bei­den Töch­tern, be­son­ders aber an Emma. Zwi­schen ih­nen be­stand eine eher schwes­ter­li­che Ver­traut­heit. Schon als Miss Tay­lor noch als Er­zie­he­rin wirk­te, hat­te sie es mit ih­rem sanf­ten Tem­pe­ra­ment sel­ten ge­wagt, Ver­bo­te aus­zu­spre­chen, aus der Re­spekts­per­son war längst eine Freun­din ge­wor­den. Trotz der großen ge­gen­sei­ti­gen Zu­nei­gung tat Emma stets, was sie ge­ra­de woll­te. Sie schätz­te Miss Tay­lors Mei­nung zwar sehr, setz­te aber meis­tens doch ihre ei­ge­ne durch. Es war für Emma kei­nes­wegs von Vor­teil, dass man ihr zu viel Hand­lungs­frei­heit ließ. Au­ßer­dem neig­te sie dazu, sich selbst zu über­schät­zen; ne­ga­ti­ve Ei­gen­schaf­ten, die die Ge­fahr in sich bar­gen, sich un­güns­tig für sie aus­zu­wir­ken. Ge­gen­wär­tig war die­se Ge­fahr in­des­sen noch so ge­ring, dass man ih­rer kaum ge­wahr wur­de.

Ei­nes be­rei­te­te ihr jetzt Kum­mer – wenn auch so­zu­sa­gen po­si­ti­ver Na­tur – Miss Tay­lor hei­ra­te­te. Die­ser Ver­lust ver­ur­sach­te ihr die ers­te Be­trüb­nis ih­res Le­bens. Am Hoch­zeits­tag der ge­lieb­ten Freun­din saß Emma in trau­ri­ge Ge­dan­ken ver­sun­ken da und dach­te dar­über nach, wie es nun wei­ter­ge­hen sol­le. Nach­dem die Hoch­zeit vor­bei war und das Braut­paar sie ver­las­sen hat­te, wa­ren Emma und ihr Va­ter al­lein zu­rück­ge­blie­ben, um ge­mein­sam zu spei­sen, ohne einen Drit­ten zu er­war­ten, der den Abend et­was un­ter­halt­sa­mer ge­stal­tet hät­te. Ihr Va­ter zog sich wie üb­lich zu sei­nem Ver­dau­ungs­schläf­chen zu­rück, und sie konn­te nichts wei­ter tun, als da­sit­zen und über ih­ren Ver­lust nach­den­ken.

Die Hei­rat bot ih­rer Freun­din die denk­bar bes­ten Mög­lich­kei­ten, denn Mr. We­ston war nicht nur ein Mann von vor­treff­li­chem Cha­rak­ter, der au­ßer­dem das pas­sen­de Al­ter und an­ge­neh­me Ma­nie­ren hat­te und es war für sie eine in­ne­re Be­frie­di­gung, die­se Ver­bin­dung in selbst­lo­ser und groß­zü­gi­ger Freund­schaft her­bei­ge­wünscht und ge­för­dert zu ha­ben, aber es hat­te sie viel Mühe ge­kos­tet. Sie wür­de Miss Tay­lors Ab­we­sen­heit je­der­zeit schmerz­lich emp­fin­den. Sie er­in­ner­te sich ih­rer Güte in frü­he­ren Ta­gen, der Lie­be und Zu­nei­gung von sech­zehn Jah­ren, wie sie sie seit ih­rem fünf­ten Le­bens­jahr un­ter­rich­tet und mit ihr ge­spielt hat­te, wie sie stets all ihre Kraft ein­ge­setzt, um sie in ge­sun­den Ta­gen für sich zu ge­win­nen und sie zu un­ter­hal­ten und wie sie sie wäh­rend ih­rer ver­schie­de­nen Kin­der­krank­hei­ten ge­pflegt hat­te. Sie war ihr da­für zu großem Dank ver­pflich­tet, aber die Ver­trau­lich­keit der letz­ten sie­ben Jah­re, die Gleich­stel­lung und völ­li­ge Of­fen­heit, die sich nach Isa­bel­las Hei­rat ein­stell­te, nach­dem sie sich selbst über­las­sen wa­ren, ent­hielt für sie an­ge­neh­me Erin­ne­run­gen, die ihr noch teu­rer wa­ren. Sie war eine Freun­din und Ka­me­ra­din ge­we­sen, wie es we­ni­ge gab, in­tel­li­gent, ge­bil­det, nütz­lich und sanft, sie kann­te alle Ge­wohn­hei­ten der Fa­mi­lie, nahm an all ih­ren Sor­gen An­teil, be­son­ders an den ih­ren, eben­so an ih­ren Ver­gnü­gun­gen, ih­ren Plä­nen, sie war ein Mensch, mit dem man im­mer of­fen spre­chen konn­te, wenn einen et­was be­drück­te, und ihre Zu­nei­gung war so blind, dass sie nie et­was zu ta­deln fand.

Wie soll­te sie die­sen Wech­sel er­tra­gen? Si­cher­lich, ihre Freun­din zog nur eine hal­be Mei­le von ih­nen weg, aber es war Emma klar, dass zwi­schen ei­ner Mrs. We­ston, die eine hal­be Mei­le ent­fernt wohn­te, und ei­ner Miss Tay­lor im Hau­se ein großer Un­ter­schied be­stand; und Emma war trotz ih­rer na­tür­li­chen und häus­li­chen Tu­gen­den jetzt in großer Ge­fahr, geis­tig zu ver­ein­sa­men. Sie lieb­te ih­ren Va­ter zwar sehr, aber er war kein gu­ter Ka­me­rad. Er war ihr we­der in erns­ter noch in leich­ter Un­ter­hal­tung ge­wach­sen.

Der Nach­teil des großen Al­ters­un­ter­schieds (Mr. Wood­hou­se hat­te sehr spät ge­hei­ra­tet) wur­de durch sei­ne Kon­sti­tu­ti­on und sei­ne Ge­wohn­hei­ten noch ver­grö­ßert; da er zeit sei­nes Le­bens ein Hy­po­chon­der ohne jede kör­per­li­che und geis­ti­ge Ak­ti­vi­tät ge­we­sen war, wirk­te er da­durch viel äl­ter, als er ei­gent­lich war. Ob­wohl er all­ge­mein we­gen sei­ner Her­zens­freund­lich­keit und sei­nes lie­bens­wür­di­gen Na­tu­rells be­liebt war, hät­ten die­se Ei­gen­schaf­ten doch nicht aus­ge­reicht, um die Men­schen für ihn ein­zu­neh­men.

Ob­wohl ihre Schwes­ter nach ih­rer Ver­hei­ra­tung sich re­la­tiv nah in Lon­don, in ei­ner Ent­fer­nung von sech­zehn Mei­len, nie­der­ge­las­sen hat­te, war sie doch nicht täg­lich er­reich­bar; und man muss­te auf Hart­field manch lang­wei­li­gen Ok­to­ber- und No­vem­ber­tag tot­schla­gen, ehe Isa­bel­la an Weih­nach­ten mit Mann und Kin­dern zu Be­such kam, die das Haus mit Le­ben er­füll­ten und Emma eine an­ge­neh­me Ge­sell­schaft wa­ren.

High­bu­ry, der große und be­leb­te Ort, war schon bei­nah eine Stadt, trotz ei­ge­nem Na­men, ei­ge­ner Ra­sen­flä­chen und Sträu­cher ge­hör­te Hart­field ei­gent­lich dazu, aber es bot ihr nie­mand Gleich­ge­sinn­ten. Ge­sell­schaft­lich stand Fa­mi­lie Wood­hou­se dort an ers­ter Stel­le. Alle schau­ten zu ihr auf. Sie hat­ten im Ort zwar vie­le Be­kann­te, da ihr Va­ter zu al­len höf­lich war, aber sie hät­te nicht eine da­von auch nur für einen Tag an Miss Tay­lors Stel­le se­hen mö­gen. Es war ein be­trüb­li­cher Wan­del, und Emma blieb nichts wei­ter üb­rig, als zu seuf­zen und in mü­ßi­gen Träu­men zu schwel­gen, bis ihr Va­ter wie­der auf­wach­te, sie wür­de sich dann Mühe ge­ben müs­sen, hei­ter und ge­löst zu er­schei­nen.

Sie muss­te ver­su­chen, sei­ne Stim­mung zu he­ben. Er war ein ner­vö­ser und häu­fig de­pri­mier­ter Mensch, der alle moch­te, an die er ge­wöhnt war, und von de­nen er sich un­gern trenn­te, da er jede Art von Ver­än­de­rung ab­lehn­te. Er emp­fand es stets als läs­tig, wenn eine Ehe­schlie­ßung eine sol­che Ver­än­de­rung nach sich zog und hat­te sich noch kei­nes­wegs mit der Hei­rat sei­ner ei­ge­nen Toch­ter ab­ge­fun­den, konn­te von ihr nicht ohne Mit­ge­fühl spre­chen, ob­wohl es eine aus­ge­spro­che­ne Lie­bes­hei­rat ge­we­sen war; nun woll­te man ihn auch noch zwin­gen, sich von Miss Tay­lor und sei­nen sanft egois­ti­schen Ge­wohn­hei­ten zu tren­nen. Da er nie im­stan­de ge­we­sen war, sich in die Denk­wei­se und Ge­füh­le an­de­rer Men­schen hin­ein­zu­ver­set­zen, neig­te er sehr zu der An­sicht, Miss Tay­lor habe sich selbst und ih­nen et­was Un­ver­zeih­li­ches an­ge­tan, und dass sie viel glück­li­cher ge­wor­den wäre, hät­te sie den Rest ih­res Le­bens auf Hart­field ver­bracht. Um ihn von solch trüb­sin­ni­gen Ge­dan­ken ab­zu­len­ken, plau­der­te und lä­chel­te Emma so un­be­fan­gen wie mög­lich, aber als der Tee ser­viert wur­de, konn­te er es nicht las­sen, ge­nau das­sel­be wie wäh­rend des Din­ners zu sa­gen.

»Arme Miss Tay­lor – ich wünsch­te, sie wäre wie­der hier. Scha­de, dass Mr. We­ston je auf sie ver­fal­len ist!«

»Sie wis­sen, Papa, dass ich Ih­nen nicht zu­stim­men kann. Mr. We­ston ist solch ein gut­ge­laun­ter, an­ge­neh­mer und vor­treff­li­cher Mann, der eine gute Frau durch­aus ver­dient. Sie hät­ten Miss Tay­lor doch nicht ewig hier fest­hal­ten kön­nen und mei­nen ex­zen­tri­schen Lau­nen aus­set­zen, wenn sie ein ei­ge­nes Haus ha­ben kann?«

»Ein ei­ge­nes Haus! – Wo­rin be­steht denn der Vor­teil ei­nes ei­ge­nen Hau­ses? Un­se­res ist drei­mal so groß; – au­ßer­dem hast du nie­mals ex­zen­tri­sche Lau­nen, mei­ne Lie­be.«

»Wie oft wer­den wir sie be­su­chen und sie wer­den zu uns kom­men! – Wir wer­den uns im­mer wie­der tref­fen! Wir müs­sen da­mit den An­fang ma­chen, in­dem wir bald hin­ge­hen und ih­nen einen Hoch­zeits­be­such ab­stat­ten.«

»Mei­ne Lie­be, wie soll ich denn dort­hin ge­lan­gen? Ran­dalls ist so weit ent­fernt. Ich könn­te nicht halb so weit ge­hen.«

»Wer re­det denn da­von, dass Sie zu Fuß ge­hen sol­len, Papa. Wir wer­den na­tür­lich den Wa­gen neh­men.«

»Den Wa­gen! Aber Ja­mes wird den Wa­gen nicht gern für solch eine kur­ze Fahrt ein­span­nen wol­len; – und wo sol­len die ar­men Pfer­de blei­ben, wäh­rend wir un­se­ren Be­such ma­chen?«

»Na­tür­lich in Mr. We­stons Stall, Papa. Sie wis­sen doch, dass wir das al­les schon ar­ran­giert ha­ben. Wir ha­ben es ges­tern Abend mit ihm be­spro­chen. Was Ja­mes be­trifft, geht er be­stimmt im­mer gern nach Ran­dalls, seit sei­ne Toch­ter dort Haus­mäd­chen ist. Ich be­zweifle nur, dass er uns gern ir­gend­wo an­ders hin­fah­ren wür­de. Da­ran sind Sie schuld, Papa. Sie ha­ben Han­nah die gute Stel­lung ver­schafft. Nie­mand wäre auf sie ge­kom­men, wenn Sie nicht ih­ren Na­men ge­nannt hät­ten. – Ja­mes ist Ih­nen sehr zu Dank ver­pflich­tet!«

»Ich bin froh, dass ich an sie dach­te. Es war ein Glück, denn es wäre mir un­an­ge­nehm ge­we­sen, wenn Ja­mes sich von mir über­gan­gen ge­fühlt hät­te; und ich bin si­cher, sie gibt eine gute Die­ne­rin ab, sie ist ein höf­li­ches Mäd­chen und weiß sich gut aus­zu­drücken, ich hal­te viel von ihr. Wann im­mer ich sie sehe, macht sie stets einen an­mu­ti­gen Knicks und er­kun­digt sich nach mei­nem Be­fin­den, und wenn du sie zu Näh­ar­bei­ten hier hast, stel­le ich fest, dass sie die Tür vor­sich­tig schließt und nie zu­knallt. Sie wird si­cher eine aus­ge­zeich­ne­te Die­ne­rin und die arme Miss Tay­lor wird froh sein, je­mand um sich zu ha­ben, an den sie ge­wöhnt ist. Weißt du, wann im­mer Ja­mes hin­über­geht, um sei­ne Toch­ter zu be­su­chen, wird sie Neu­es über uns er­fah­ren. Er wird ihr er­zäh­len, wie es uns al­len geht.«

Emma gab sich alle Mühe, ihn in die­ser er­freu­li­chen Stim­mung zu hal­ten und hoff­te da­bei, dass das Puff­spiel ih­ren Va­ter leid­lich über den Abend hin­weg­brin­gen und er sie nicht mehr mit sei­nen Küm­mer­nis­sen be­hel­li­gen wer­de. Der Tisch für das Puff­spiel wur­de zwar auf­ge­stellt, aber da kurz dar­auf Be­such kam, wur­de er nicht ge­braucht.

Mr. Knight­ley, ein ver­stän­di­ger Mann von sie­ben- oder achtund­drei­ßig Jah­ren, war nicht nur ein al­ter und ver­trau­ter Freund der Fa­mi­lie, als äl­te­rer Bru­der von Isa­bel­las Mann fühl­te er sich mit ih­nen be­son­ders ver­bun­den. Er wohn­te un­ge­fähr eine Mei­le von High­bu­ry ent­fernt und war ein häu­fi­ger, stets will­kom­me­ner Be­su­cher. Dies­mal war er ih­nen noch will­kom­me­ner, da er di­rekt von ih­ren ge­mein­sa­men Ver­wand­ten aus Lon­don kam. Er war nach ei­ner Ab­we­sen­heit von ei­ni­gen Ta­gen zu ei­nem spä­ten Din­ner zu­rück­ge­kehrt und an­schlie­ßend nach Hart­field her­über­ge­kom­men, um zu be­rich­ten, dass in Bruns­wick Squa­re al­les wohl­auf sei. Es wa­ren er­freu­li­che Nach­rich­ten, die Mr. Wood­hou­se zu­nächst sehr an­reg­ten. Mr. Knight­ley hat­te ein hei­te­res We­sen, das wohl­tu­end auf ihn wirk­te, und die Ant­wor­ten auf sei­ne Fra­gen nach der »ar­men Isa­bel­la« stell­ten ihn au­ßer­or­dent­lich zu­frie­den. Mr. Wood­hou­se be­merk­te dar­auf dank­bar, »Es ist sehr freund­lich von Ih­nen, Mr. Knight­ley, uns noch zu solch spä­ter Stun­de auf­zu­su­chen. Ich be­fürch­te, Sie hat­ten nicht ge­ra­de einen an­ge­neh­men Spa­zier­gang.«

»Nichts we­ni­ger als das, Sir, es ist eine wun­der­vol­le Mond­nacht und so mild, dass ich von Ihrem star­ken Feu­er weg­rücken muss.«

»Aber ist es nicht drau­ßen sehr feucht und schmut­zig? Hof­fent­lich er­käl­ten Sie sich nicht.«

»Schmut­zig, Sir! Schau­en Sie sich mei­ne Schu­he an, sie sind ganz sau­ber und tro­cken.«

»Nun, das wun­dert mich, denn wir hat­ten hier einen star­ken Re­gen, der eine hal­be Stun­de lang mit großer Hef­tig­keit nie­der­ging, wäh­rend wir beim Früh­stück sa­ßen. Ich woll­te schon vor­schla­gen, die Hoch­zeit zu ver­schie­ben.«

»Üb­ri­gens, ich habe Ih­nen ja noch gar nicht gra­tu­liert. Mir war näm­lich klar, dass Sie es für sich durch­aus nicht nur als Glück emp­fin­den, wes­we­gen ich mich mit mei­nen Glück­wün­schen nicht all­zu­sehr be­eilt habe. Hof­fent­lich ist al­les so­weit zu­frie­den­stel­lend ab­ge­lau­fen. Wie habt ihr euch alle be­nom­men? Wer hat denn am meis­ten ge­weint?«

»Ach, na­tür­lich die arme Miss Tay­lor! Sʹist eine trau­ri­ge An­ge­le­gen­heit.«

»Ar­mer Mr. und arme Miss Wood­hou­se, bit­te sehr, aber ich kann un­mög­lich ›ar­me Miss Tay­lor‹ sa­gen. Ich habe zwar vor Ih­nen und Emma große Ach­tung, aber hier geht es um die Al­ter­na­ti­ve: Ab­hän­gig­keit oder Un­ab­hän­gig­keit. Es ist auf alle Fäl­le viel leich­ter, nur einen Men­schen an­statt de­ren zwei zu­frie­den­stel­len zu müs­sen.«

»Be­son­ders, wenn ei­ner die­ser bei­den ein der­art lau­ni­sches und un­er­träg­li­ches Ge­schöpf ist!« warf Emma fröh­lich ein. »Ich weiß, dass es das ist, wor­an Sie den­ken und auch un­ver­blümt aus­spre­chen wür­den, wäre mein Va­ter nicht an­we­send.«

»Mei­ne Lie­be, ich glau­be, das trifft tat­säch­lich zu«, sag­te Mr. Wood­hou­se seuf­zend. »Ich fürch­te, ich bin manch­mal wirk­lich sehr lau­nen­haft und un­er­träg­lich.«

»Mein liebs­ter Papa, Sie neh­men doch nicht etwa an, dass ich Sie da­mit ge­meint habe, oder Mr. Knight­ley dies glau­ben ma­chen woll­te. Was für ein schreck­li­cher Ge­dan­ke! Oh nein, ich dach­te da­bei aus­schließ­lich an mich selbst. Mr. Knight­ley hat, wie Sie wis­sen, an mir oft et­was aus­zu­set­zen, wenn auch nur im Scherz. Wir sa­gen ein­an­der im­mer, was uns ge­ra­de so ein­fällt.«

Mr. Knight­ley war tat­säch­lich ei­ner der we­ni­gen Men­schen, die an Emma Wood­hou­se Feh­ler ent­deck­ten, und auch der ein­zi­ge, der mit ihr dar­über sprach, und ob­wohl es für Emma selbst nicht ge­ra­de an­ge­nehm war, wuss­te sie ge­nau, dass es ih­ren Va­ter noch här­ter tref­fen wür­de, hät­te er eine Ah­nung da­von, dass sie durch­aus nicht von al­len für voll­kom­men ge­hal­ten wur­de.

»Emma weiß, dass ich ihr nie schmeich­le«, sag­te Mr. Knight­ley, »aber ich woll­te nie­mand Un­recht tun. Miss Tay­lor war dar­an ge­wöhnt, zwei Men­schen zu­frie­den­stel­len zu müs­sen, wäh­rend es jetzt nur noch ei­ner ist. Es ist sehr wahr­schein­lich, dass sie schon da­durch bes­ser dran ist.«

»Nun«, sag­te Emma, ge­willt, es durch­ge­hen zu las­sen, »Sie möch­ten doch si­cher et­was über die Hoch­zeit er­fah­ren und ich wer­de Ih­nen gern dar­über be­rich­ten. Wir ha­ben uns alle char­mant be­nom­men. Alle wa­ren pünkt­lich zur Stel­le, alle sa­hen vor­teil­haft aus, es gab kei­ne Trä­nen und kei­ne lan­gen Ge­sich­ter. Oh nein, wir wuss­ten ja, dass wir nur eine hal­be Mei­le von­ein­an­der ent­fernt le­ben wür­den und uns je­den Tag se­hen könn­ten.«

»Mei­ne gute Emma er­trägt al­les mit Fas­sung«, sag­te ihr Va­ter. »Aber, Mr. Knight­ley, es ist ihr doch sehr schmerz­lich, die arme Miss Tay­lor zu ver­lie­ren, und sie wird sie in Zu­kunft si­cher­lich noch mehr ver­mis­sen, als ihr jetzt klar ist.«

Emma wand­te das Ge­sicht ab und schwank­te zwi­schen La­chen und Wei­nen.

»Es wäre un­denk­bar, dass Emma solch eine Ge­fähr­tin nicht miss­en soll­te«, sag­te Mr. Knight­ley. »Wir hät­ten sie nicht so gern, Sir, wenn wir dies an­neh­men müss­ten, aber sie ver­steht auch, wie will­kom­men ein ei­ge­nes Heim für Miss Tay­lor in ih­rem Al­ter sein muss und wie wich­tig eine aus­rei­chen­de Ver­sor­gung für sie ist, Miss Tay­lor kann es sich in­fol­ge­des­sen nicht leis­ten, mehr Kum­mer als Freu­de zu emp­fin­den. Alle ihre Freun­de müs­sen sich dar­über freu­en, sie so glück­lich ver­hei­ra­tet zu se­hen.«

»Sie ha­ben noch et­was ver­ges­sen, was für mich ein Grund zur Freu­de ist«, sag­te Emma, »noch dazu ein sehr wich­ti­ger – näm­lich der, dass ich die Ver­bin­dung zu­stan­de ge­bracht habe. Sie müs­sen wis­sen, ich habe die­se schon vor vier Jah­ren an­ge­bahnt und ihr Zu­stan­de­kom­men be­weist, wie recht ich hat­te, wäh­rend noch vie­le Leu­te sag­ten, Mr. We­ston wür­de nie wie­der hei­ra­ten, das trös­tet mich über alle Unan­nehm­lich­kei­ten hin­weg.«

Mr. Knight­ley konn­te nur den Kopf schüt­teln. Ihr Va­ter er­wi­der­te zärt­lich: »Ach, mei­ne Lie­be, ich wür­de es vor­zie­hen, du wür­dest kei­ne Ehen stif­ten und Er­eig­nis­se vor­her­sa­gen, denn lei­der trifft das, was du sagst, im­mer zu. Bit­te stif­te kei­ne wei­te­ren Ehen.«

»Ich ver­spre­che Ih­nen, Papa, kei­ne für mich selbst zu stif­ten, wer­de es aber stets gern für an­de­re tun. Es be­rei­tet so viel Ver­gnü­gen. Und dann noch nach die­sem Er­folg, wis­sen Sie! Wo alle be­haup­te­ten, Mr. We­ston wür­de nie wie­der hei­ra­ten. Du lie­be Zeit, nein! Mr. We­ston, der schon so lan­ge Wit­wer war und sich un­be­weibt völ­lig wohl zu füh­len schi­en, der sich dau­ernd um sei­ne Ge­schäf­te in der Stadt oder sei­ne Freun­de küm­mer­te, der über­all, wo er auch hin­kam, gern ge­se­hen und stets gu­ter Lau­ne war – Mr. We­ston hät­te es nicht nö­tig ge­habt, auch nur einen ein­zi­gen Abend al­lein zu ver­brin­gen, wenn er es nicht ge­wollt hät­te. Oh nein, Mr. We­ston wür­de be­stimmt nicht wie­der hei­ra­ten. Ein­zel­ne er­wähn­ten so­gar ein Ver­spre­chen, das er sei­ner Frau am Ster­be­bett ge­ge­ben habe, und an­de­re spra­chen da­von, sein Sohn und der On­kel wür­den es nicht zu­las­sen. Manch hö­he­rer Un­sinn wur­de in der Sa­che ge­äu­ßert, aber ich hielt nichts da­von. Ich hat­te an je­nem Tag (vor etwa vier Jah­ren), als Miss Tay­lor und ich ihn in Broad­way Lane tra­fen, und als er, da es zu nie­seln an­ge­fan­gen hat­te, so ga­lant da­v­on­stürz­te und sich von Far­mer Mit­chell für uns zwei Schir­me aus­lieh, be­reits mei­nen Ent­schluss ge­fasst. Von da an plan­te ich die Ver­bin­dung, und da ich in die­sem Fall so er­folg­reich war, kön­nen Sie, lie­ber Papa, nicht von mir er­war­ten, dass ich das Ehe­stif­ten auf­ge­be.«

»Ich be­grei­fe nicht recht, was Sie un­ter ›Er­fol­g‹ ver­ste­hen«, sag­te Mr. Knight­ley. »Er­folg setzt An­stren­gung vor­aus. Sie ha­ben Ihre Zeit zweck­mä­ßig und takt­voll an­ge­wen­det, wenn Sie sich in den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren um die­se Ehe­schlie­ßung be­müht ha­ben. Durchaus eine Be­schäf­ti­gung, die dem Geist ei­ner jun­gen Dame an­ge­mes­sen ist. Wenn aber, wie ich es sehe, ihre so­ge­nann­te Ehe­stif­tung dar­in be­steht, dass Sie die­sel­be le­dig­lich plan­ten, in­dem Sie sich ei­nes mü­ßi­gen Ta­ges ein­re­de­ten, ›ich glau­be, es wäre für Miss Tay­lor vor­teil­haft, wenn Mr. We­ston sie hei­ra­ten wür­de‹, und Sie es sich im­mer wie­der sug­ge­rier­ten – wie­so spre­chen Sie da von Er­folg? Wo­rin be­steht Ihr Ver­dienst? Was bil­den Sie sich ei­gent­lich ein? Sie hat­ten eine glück­li­che Vorah­nung, das ist al­les.«

»Und ha­ben Sie nie er­lebt, wie viel Freu­de und Ge­nug­tu­ung ei­nem eine glück­li­che Vorah­nung be­rei­ten kann? Dann kann ich Sie nur be­dau­ern. Ich hät­te Sie für in­tel­li­gen­ter ge­hal­ten. Sie kön­nen mir glau­ben, eine glück­li­che Vorah­nung be­ruht nicht nur auf Glück. Es kommt im­mer auch et­was Be­ga­bung hin­zu.

Was mein un­an­ge­brach­tes Wort ›Er­fol­g‹ be­trifft, an dem Sie An­stoß zu neh­men schei­nen, wüss­te ich nicht, warum ich es für mich nicht be­an­spru­chen soll­te. Sie ha­ben zwei net­te Deu­tun­gen ge­ge­ben, aber ich glau­be, da ist noch eine drit­te – ein Zwi­schen­ding von Al­les-Tun und Gar­nichts-Tun. Hät­te ich Mr. We­stons Be­su­che hier im Hau­se nicht be­güns­tigt, ihn er­mu­tigt und klei­ne Schwie­rig­kei­ten aus­ge­bü­gelt, dann wäre viel­leicht trotz­dem nichts da­bei her­aus­ge­kom­men. Ich neh­me an, Sie ken­nen Hart­field gut ge­nug, um zu ver­ste­hen, was ich mei­ne.«

»Man hät­te es ei­nem frei­mü­ti­gen, of­fen­her­zi­gen Mann wie Mr. We­ston, und ei­ner ver­nünf­ti­gen, na­tür­li­chen Frau wie Miss Tay­lor durch­aus über­las­sen kön­nen, mit ih­ren ei­ge­nen An­ge­le­gen­hei­ten fer­tig zu wer­den. Sie ha­ben sich durch Ihre Ein­mi­schung mög­li­cher­wei­se mehr ge­scha­det als ih­nen genützt.«

»Emma denkt nie an sich selbst, wenn sie an­de­ren nütz­lich sein kann«, er­wi­der­te Mr. Wood­hou­se, der al­les nur halb mit­be­kom­men hat­te. »Aber stif­te bit­te kei­ne wei­te­ren Ehen, mei­ne Lie­be, es sind über­flüs­si­ge Din­ge, die nur das Fa­mi­li­en­le­ben be­ein­träch­ti­gen.«

»Nur noch eine, Papa; die von Mr. El­ton. Du hast ihn doch gern; ich muss un­be­dingt eine Frau für ihn fin­den. Ich wüss­te hier in High­bu­ry kei­ne, die zu ihm pas­sen wür­de – er ist schon ein gan­zes Jahr hier und hat sein Haus be­hag­lich ein­ge­rich­tet, es wäre doch scha­de, wenn er noch län­ger le­dig blie­be, und als er heu­te ihre Hän­de in­ein­an­der leg­te, kam es mir so vor, als hät­te er mit Bli­cken sa­gen wol­len, er wäre gern an ih­rer Stel­le! Ich hal­te viel von Mr. El­ton, und dies wäre die ein­zi­ge Mög­lich­keit, ihm zu hel­fen.«

»Mr. El­ton ist be­stimmt ein sehr hüb­scher und an­stän­di­ger jun­ger Mann, und ich habe große Ach­tung vor ihm. Aber wenn du ihm eine Auf­merk­sam­keit er­wei­sen willst, mei­ne Lie­be, dann lade ihn doch ein­mal ein, mit uns zu spei­sen. Das wäre das rich­ti­ge. Ich neh­me an, Mr. Knight­ley wird so freund­lich sein, ihn ab­zu­ho­len.«

»Je­der­zeit, Sir, mit dem größ­ten Ver­gnü­gen«, sag­te Mr. Knight­ley la­chend. »Ich bin ganz Ih­rer Mei­nung, dass dies der bes­se­re Weg wäre. La­den Sie ihn zum Din­ner ein, Emma, und set­zen Sie ihm vom Fisch und Fleisch die bes­ten Stücke vor, aber über­las­sen Sie es ihn, sich die pas­sen­de Frau zu su­chen. Ver­las­sen Sie sich drauf, ein Mann von sechs- oder sie­ben­und­zwan­zig Jah­ren kommt auch al­lein zu­recht.«

Zweites Kapitel

Mr. We­ston stamm­te aus High­bu­ry, er war in ei­ner an­ge­se­he­nen Fa­mi­lie ge­bo­ren, die wäh­rend der letz­ten zwei oder drei Ge­ne­ra­tio­nen zu Rang und Be­sitz ge­kom­men war. Er hat­te eine gute Er­zie­hung ge­nos­sen, aber da es ihm schon früh im Le­ben ge­lun­gen war, zu ei­ner be­schei­de­nen Un­ab­hän­gig­keit zu kom­men, la­gen ihm die ein­fa­che­ren Be­ru­fe nicht mehr, de­nen sei­ne Brü­der nach­gin­gen und es war für sei­nen ak­ti­ven, leb­haf­ten Geist ge­nau das rich­ti­ge ge­we­sen, in die neu­ge­grün­de­te Bür­ger­wehr der Graf­schaft ein­zu­tre­ten.

Cap­tain We­ston war all­ge­mein be­liebt; und als die Wech­sel­fäl­le sei­nes Mi­li­tär­le­bens ihn mit Miss Churchill, aus be­deu­ten­der Yorks­hi­re-Fa­mi­lie, zu­sam­men­führ­ten und die­se sich in ihn ver­lieb­te, wun­der­te sich nie­mand dar­über, au­ßer ih­rem Bru­der und des­sen Frau, die ihn nie ge­se­hen hat­ten und so von Stolz und Wich­tig­tue­rei er­füllt wa­ren, dass sie die Ver­bin­dung übel­nah­men.

Miss Churchill in­des­sen, voll­jäh­rig und im un­ein­ge­schränk­ten Be­sitz ih­res Ver­mö­gens – ob­wohl die­ses zu dem Fa­mi­li­en­be­sitz in kei­nem Ver­hält­nis stand – ließ sich von die­ser Ehe­schlie­ßung nicht ab­brin­gen und die Hoch­zeit fand zur un­end­li­chen Krän­kung von Mr. und Mrs. Churchill statt, die sie mit an­ge­mes­se­nem An­stand vers­tie­ßen. Es war eine un­pas­sen­de Ver­bin­dung, die nicht viel Glück brach­te. Mrs. We­ston hät­te ei­gent­lich mehr dar­in fin­den kön­nen, denn sie hat­te einen Ehe­mann, des­sen war­mes Herz und freund­li­che Ver­an­la­gung ihn den­ken ließ, dass ihr für die große Ge­fäl­lig­keit, in ihn ver­liebt zu sein, al­les zu­ste­he, aber ob­wohl sie ir­gend­wie Geist hat­te, war es nicht ge­ra­de der rich­ti­ge. Sie hat­te ge­nü­gend Ent­schluss­kraft be­wie­sen, ih­ren ei­ge­nen Wil­len ge­gen den ih­res Bru­ders durch­zu­set­zen, aber wie­der­um nicht ge­nug, ihr un­ver­nünf­ti­ges Be­dau­ern ob ih­res Bru­ders eben­so un­ver­nünf­ti­gen Zorn zu un­ter­drücken oder den Lu­xus ih­res frü­he­ren Heims zu ver­mis­sen. Sie leb­ten über ihre Ver­hält­nis­se, trotz­dem war al­les mit Ens­com­be nicht zu ver­glei­chen; sie lieb­te ih­ren Mann zwar noch im­mer, aber sie woll­te gleich­zei­tig Cap­tain We­stons Frau und Miss Churchill auf Ens­com­be sein.

Es er­wies sich für Cap­tain We­ston, von dem alle, be­son­ders die Churchills, an­nah­men, er sei eine her­vor­ra­gen­de Ver­bin­dung ein­ge­gan­gen, dass er bei die­sem Han­del am al­ler­schlech­tes­ten weg­ge­kom­men war; denn als sei­ne Frau nach drei­jäh­ri­ger Ehe starb, war er eher är­mer als vor­her und hat­te noch für ein Kind zu sor­gen. Man nahm ihm in­des­sen die­se Aus­ga­ben bald ab. Der Jun­ge war, mit dem zu­sätz­lich mil­dern­den An­spruch der lan­gen Krank­heit sei­ner Mut­ter, das Mit­tel zu ei­ner Art von Ver­söh­nung ge­wor­den; und da Mr. und Mrs. Churchill kei­ne ei­ge­nen Kin­der noch ir­gend­ein an­de­res jun­ges We­sen hat­ten, für das sie hät­ten sor­gen müs­sen, mach­ten sie kurz nach dem Tode von Mrs. We­ston das An­ge­bot, den klei­nen Frank ganz in ihre Ob­hut zu neh­men. Der ver­wit­we­te Va­ter mag viel­leicht ei­ni­ge Skru­pel ge­habt und ei­ni­ges Wi­der­stre­ben emp­fun­den ha­ben, aber an­de­re Er­wä­gun­gen lie­ßen ihn die­se über­win­den und das Kind wur­de der Ob­hut und dem Reich­tum der Churchills über­ge­ben; er selbst brauch­te sich nur noch um sein ei­ge­nes Wohl­er­ge­hen zu küm­mern und da­nach zu trach­ten, sei­ne Lage zu ver­bes­sern, so gut es ging.

Eine völ­li­ge Le­ben­sum­stel­lung wur­de wün­schens­wert. Er trat aus der Bür­ger­wehr aus und be­schäf­tig­te sich mit Han­del, da er Brü­der hat­te, die dar­in in Lon­don schon gut eta­bliert wa­ren, was ihm einen vor­teil­haf­ten Start er­mög­lich­te. Es war ein Un­ter­neh­men, das ihm ge­ra­de ge­nug Ar­beit brach­te. Er hat­te noch im­mer ein klei­nes Haus in High­bu­ry, wo er fast alle sei­ne frei­en Tage ver­brach­te; und so gin­gen die nächs­ten acht­zehn oder zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens zwi­schen nütz­li­cher Be­schäf­ti­gung und den Zer­streu­un­gen der Ge­sell­schaft an­ge­nehm da­hin. Er hat­te in der Zwi­schen­zeit ge­nü­gend Ver­mö­gen er­wor­ben – aus­rei­chend, um sich den Kauf ei­nes klei­nen Be­sit­zes nahe High­bu­ry zu er­mög­li­chen, den er sich im­mer ge­wünscht hat­te. Aus­rei­chend, um selbst eine Frau wie Miss Tay­lor zu hei­ra­ten, die kei­ne Aus­s­teu­er be­saß und ganz nach den Nei­gun­gen sei­ner freund­li­chen und ge­sel­li­gen Ver­an­la­gung zu le­ben.

Es war jetzt schon ei­ni­ge Zeit her, seit Miss Tay­lor be­gon­nen hat­te, sei­ne Plä­ne zu be­ein­flus­sen, aber es war nicht der ty­ran­ni­sche Ein­fluss, den Ju­gend auf Ju­gend aus­übt, sein Ent­schluss, sich nicht nie­der­zu­las­sen, ehe er Ran­dalls kau­fen kön­ne, war nicht er­schüt­tert wor­den, und er hat­te dem Ver­kauf die­ses Be­sit­zes lan­ge ent­ge­gen­ge­se­hen, aber er hat­te mit die­sem Ob­jekt in Aus­sicht stän­dig wei­ter­ge­macht, bis al­les ver­wirk­licht war. Er hat­te ein Ver­mö­gen er­wor­ben, sein Haus ge­kauft, eine Frau ge­fun­den und einen neu­en Le­bens­ab­schnitt be­gon­nen, der alle Mög­lich­kei­ten grö­ße­ren Glücks barg, als je­ner, der hin­ter ihm lag. Er war nie un­glück­lich ge­we­sen, selbst in sei­ner ers­ten Ehe hat­te sein ei­ge­nes Tem­pe­ra­ment ihn da­vor be­wahrt, aber erst die zwei­te soll­te ihm zei­gen, wie wun­der­bar eine ur­teils­fä­hi­ge und wahr­haft lie­ben­de Frau sein kann und ihm den er­freu­lichs­ten Be­weis da­für lie­fern, dass es we­sent­lich bes­ser sei zu wäh­len, an­statt ge­wählt zu wer­den, Dank­bar­keit zu er­we­cken an­statt sie zu emp­fin­den.

Er brauch­te nur eine ihm ge­neh­me Wahl zu tref­fen, sein Ver­mö­gen ge­hör­te aus­schließ­lich ihm, denn was Frank be­traf, war die­ser still­schwei­gend als Erbe sei­nes On­kels er­zo­gen wor­den; es war eine of­fen an­er­kann­te Ad­op­ti­on, und Frank soll­te, wenn er mün­dig wür­de, den Na­men Churchill an­neh­men. Es war in­fol­ge­des­sen höchst un­wahr­schein­lich, dass er je die Un­ter­stüt­zung sei­nes Va­ters be­nö­ti­gen wür­de. Die­ser mach­te sich des­we­gen auch kei­ne Sor­gen. Die Tan­te war eine lau­ni­sche Frau und be­herrsch­te ih­ren Mann völ­lig; aber es lag nicht in Mr. We­stons Na­tu­rell, sich vor­zu­stel­len, dass eine Lau­ne stark ge­nug sein könn­te, um je­mand, der so ge­liebt wur­de und der, wie er an­nahm, auch ver­dien­te, ge­liebt zu wer­den, zu be­ein­flus­sen. Er sah sei­nen Sohn je­des Jahr in Lon­don und war stolz auf ihn; und die­se lie­be­vol­le Be­schrei­bung von ihm als ei­nem aus­ge­zeich­ne­ten jun­gen Mann ließ auch High­bu­ry ir­gend­wie stolz auf ihn sein. Er wur­de als ge­nü­gend zum Ort ge­hö­rig be­trach­tet, um sei­ne Ei­gen­schaf­ten und Aus­sich­ten zu ei­ner Sa­che von all­ge­mei­ner An­teil­nah­me zu ma­chen.

Mr. Frank Churchill war der Stolz von High­bu­ry, und alle wa­ren au­ßer­or­dent­lich neu­gie­rig dar­auf, ihn zu se­hen, ob­wohl das Kom­pli­ment so we­nig er­wi­dert wur­de, dass er in sei­nem gan­zen Le­ben noch nie dort ge­we­sen war. Man sprach zwar oft da­von, dass er kom­men und sei­nen Va­ter be­su­chen wür­de, aber es wur­de nie Wirk­lich­keit.

Jetzt, nach der Hei­rat sei­nes Va­ters, nahm man all­ge­mein an, der Be­such sol­le als ge­büh­ren­de Auf­merk­sam­keit statt­fin­den. Es gab in der gan­zen Stadt dar­über kei­ne ab­wei­chen­de Mei­nung, we­der als Mrs. Per­ry mit Mrs. und Miss Ba­tes Tee trank, noch als die­se den Be­such er­wi­der­ten. Nun war es für Frank Churchill an der Zeit, sich bei ih­nen se­hen zu las­sen, und die Hoff­nung nahm zu, als man hör­te, er habe sei­ner neu­en Mut­ter in der An­ge­le­gen­heit ge­schrie­ben. Für ein paar Tage wur­de der net­te Brief, den Mrs. We­ston er­hal­ten hat­te, in je­der Vor­mit­tags­vi­si­te er­wähnt. »Ich neh­me an, Sie ha­ben von dem net­ten Brief ge­hört, den Mr. Frank Churchill an Mrs. We­ston ge­schrie­ben hat? Ich glau­be, es war wirk­lich ein net­ter Brief. Mr. Wood­hou­se er­zähl­te mir da­von. Er hat den Brief ge­se­hen und er sagt, er habe nie in sei­nem Le­ben einen net­te­ren Brief ge­se­hen.«

Es war wirk­lich ein höchst ge­schätz­ter Brief. Mrs. We­ston hat­te sich na­tür­lich von dem jun­gen Mann sehr vor­teil­haf­te Vor­stel­lun­gen ge­macht; und solch freund­li­che Auf­merk­sam­keit war ein un­wi­der­leg­li­cher Be­weis für sei­nen aus­ge­präg­ten ge­sun­den Men­schen­ver­stand und ein höchst­will­kom­me­ner Bei­trag zu all den Glück­wun­sch­äu­ße­run­gen, die ihre Hei­rat ihr schon be­schert hat­te. Sie hat­te das Ge­fühl, eine sehr glück­li­che Frau zu sein, und sie leb­te schon lan­ge ge­nug, um zu wis­sen, dass man sie mit Recht glück­lich schät­zen kön­ne. Ihr ein­zi­ger Kum­mer war die teil­wei­se Tren­nung von Freun­den, de­ren Freund­schaft für sie sich nie ab­ge­kühlt hat­te und für die es nicht leicht ge­we­sen war, sich von ihr tren­nen zu müs­sen.

Sie wuss­te, dass man sie zu­wei­len ver­miss­te, und konn­te nicht ohne Schmerz dar­an den­ken, Emma könn­te auch nur ein ein­zi­ges Ver­gnü­gen ver­säu­men oder sich auch nur eine Stun­de lang­wei­len, weil ihre Ge­sell­schaft ihr ab­ging; aber die gute Emma hat­te kei­nen schwa­chen Cha­rak­ter und war der Lage bes­ser ge­wach­sen, als die meis­ten Mäd­chen es ge­we­sen wä­ren. Sie hat­te ge­sun­den Men­schen­ver­stand, Ener­gie und Auf­trieb, wes­halb man hof­fen konn­te, dass sie gut und glück­lich über die klei­nen Schwie­rig­kei­ten und Ent­beh­run­gen hin­weg­kom­men wür­de. Und dann lag auch eine Be­ru­hi­gung in der ge­rin­gen Ent­fer­nung Ran­dalls von Hart­field, be­quem selbst für al­lein spa­zie­ren­ge­hen­de weib­li­che We­sen und in Mr. We­stons Cha­rak­ter und Ver­hält­nis­sen, wo auch die her­an­na­hen­de Jah­res­zeit kein Hin­der­nis sein wür­de, die Hälf­te der Aben­de in der Wo­che ge­mein­sam zu ver­brin­gen.

Mrs. We­ston be­trach­te­te ihre gan­ze Le­bens­si­tua­ti­on mit Dank­bar­keit, die nur für Au­gen­bli­cke Be­dau­ern auf­kom­men ließ. Ihre Zufrie­den­heit – eine Zufrie­den­heit, die das üb­li­che Maß über­stieg – die Freu­de über ih­ren Be­sitz war so of­fen­bar, dass Emma, ob­wohl sie ih­ren Va­ter zu ken­nen glaub­te, sich manch­mal dar­über wun­der­te, dass er die »arme Miss Tay­lor« noch im­mer be­dau­er­te, wenn sie sie auf Ran­dalls in­mit­ten jeg­li­chen häus­li­chen Kom­forts ver­lie­ßen, oder wenn sie sie am Abend weg­ge­hen sa­hen, von ei­nem auf­merk­sa­men Ehe­mann zur ei­ge­nen Kut­sche ge­lei­tet. Aber sie ging nie­mals, ohne dass Mr. Wood­hou­se lei­se seufz­te und sag­te:

»Ach, die arme Miss Tay­lor! Sie wäre so froh, wenn sie blei­ben könn­te.«

Sie wür­den we­der Miss Tay­lor zu­rück­ge­win­nen, noch be­stand Aus­sicht, dass das Be­mit­lei­den auf­hö­ren wür­de; aber ei­ni­ge Wo­chen brach­ten Mr. Wood­hou­se doch eine ge­wis­se Er­leich­te­rung. Die Glück­wün­sche der Nach­barn hat­ten auf­ge­hört, er wur­de nicht mehr län­ger mit Gra­tu­la­tio­nen zu die­sem trau­ri­gen Er­eig­nis be­läs­tigt; und der Hoch­zeits­ku­chen, der ihm so vie­le Qua­len be­rei­tet hat­te, war gänz­lich ver­zehrt wor­den. Sein ei­ge­ner Ma­gen konn­te nichts Schwe­res ver­tra­gen, und er ver­moch­te sich nie vor­zu­stel­len, dass an­de­re Leu­te an­ders sei­en als er. Was ihm nicht be­kam, das be­trach­te­te er auch für an­de­re als un­ge­eig­net; und er hat­te ih­nen des­halb ernst­haft aus­re­den wol­len, über­haupt von dem Hoch­zeits­ku­chen zu neh­men; und als sich dies als ver­geb­lich er­wies, eben­so ernst­haft ver­sucht zu ver­hin­dern, dass je­mand da­von aß. Er hat­te sich so­gar die Mühe ge­macht, Mr. Per­ry, den Apo­the­ker, des­halb zu kon­sul­tie­ren. Mr. Per­ry war ein in­tel­li­gen­ter Mann von gu­ter Er­zie­hung, und sei­ne Be­su­che wa­ren eine der An­nehm­lich­kei­ten in Mr. Wood­hou­ses Le­ben; als er ge­fragt wur­de, muss­te er (al­ler­dings, so schi­en es, sehr ge­gen sei­ne in­ne­re Nei­gung) be­stä­ti­gen, dass Hoch­zeits­ku­chen si­cher­lich vie­len nicht be­kom­me – viel­leicht den al­ler­meis­ten, wenn man ihn nicht mit Maß ge­nie­ße. Mit die­ser Mei­nung, die sei­ne ei­ge­ne be­stä­tig­te, hoff­te Mr. Wood­hou­se je­den Be­su­cher des jung­ver­hei­ra­te­ten Paa­res be­ein­flus­sen zu kön­nen; aber der Ku­chen wur­de den­noch ge­ges­sen und es gab für sei­ne wohl­wol­len­den Ner­ven kei­ne Ruhe, ehe er nicht ver­schwun­den war.

Es ging ein Gerücht in High­bu­ry um, man habe all die klei­nen Per­rys mit ei­nem Stück von Mrs. We­stons Hoch­zeits­ku­chen in der Hand ge­se­hen; aber Mr. Wood­hou­se woll­te es nicht glau­ben.

Drittes Kapitel

Mr. Wood­hou­se hat­te auf sei­ne Art gern Ge­sell­schaft. Er lieb­te es, wenn sei­ne Freun­de ihn be­su­chen ka­men; und er konn­te aus ver­schie­de­nen Grün­den, we­gen sei­ner lan­gen An­we­sen­heit in Hart­field, sei­ner Gut­mü­tig­keit, sei­nem Ver­mö­gen und sei­ner Toch­ter, die Be­su­che sei­nes klei­nen Freun­des­krei­ses weit­ge­hend so steu­ern, wie es ihm pass­te. Er hat­te mit Fa­mi­li­en au­ßer­halb die­ses Krei­ses we­nig Ver­kehr; sein Grau­en vor lan­gem Auf­blei­ben und großen Din­ner-Ein­la­dun­gen lie­ßen nur sol­che Be­kannt­schaf­ten zu, die ihn ent­spre­chend sei­nen ei­ge­nen Be­din­gun­gen be­such­ten. Glück­li­cher­wei­se wohn­ten vie­le von ih­nen in High­bu­ry, das Ran­dalls im glei­chen Pfarr­be­zirk und Don­well Ab­bey, den Sitz Mr. Knight­leys im an­gren­zen­den Pfarr­be­zirk ein­schloss. Manch­mal, wenn Emma ihn dazu über­re­den konn­te, hat­te er ei­ni­ge der Au­ser­wähl­ten und Bes­ten zum Din­ner bei sich; aber im All­ge­mei­nen zog er Abend­ein­la­dun­gen vor; und wenn er sich nicht ge­ra­de für Ge­sell­schaft un­ge­eig­net fühl­te, gab es in der Wo­che kaum einen Abend, an dem Emma nicht den Kar­ten­tisch für ihn auf­stel­len konn­te.

Ech­te Freund­schaft von lan­ger Dau­er brach­te die We­stons und Mr. Knight­ley ins Haus und bei Mr. El­ton, ei­nem Jung­ge­sel­len wi­der Wil­len, be­stand kaum die Ge­fahr, dass er das Vor­recht ver­schmäh­te, einen trost­lo­sen, ein­sam ver­brach­ten Abend ge­gen die Ele­ganz und Ge­sell­schaft des Wood­hou­se­schen Empfangs­zim­mers und das Lä­cheln der hüb­schen Toch­ter ein­zut­au­schen.

Nach die­sen Gäs­ten kam eine zwei­te Gar­ni­tur; von de­nen Mrs. und Miss Ba­tes so­wie Mrs. God­dard am leich­tes­ten er­reich­bar wa­ren; drei Da­men, die zu ei­nem Be­such in Hart­field je­der­zeit be­reit wa­ren, die so oft ab­ge­holt und wie­der nach Hau­se ge­bracht wur­den, wie Mr. Wood­hou­se glaub­te, es den Pfer­den und Ja­mes zu­mu­ten zu kön­nen. Es wäre in­des­sen eine Krän­kung ge­we­sen, wenn dies nur ein­mal im Jahr statt­ge­fun­den hät­te.

Mrs. Ba­tes, die Wit­we ei­nes frü­he­ren Vi­kars von High­bu­ry, war eine sehr alte Dame, die au­ßer über Tee­trin­ken und ein Spiel Qua­dril­le über al­les hin­aus war. Sie leb­te mit ih­rer ein­zi­gen Toch­ter in äu­ßerst be­schei­de­nen Ver­hält­nis­sen, sie wur­de mit all der Rück­sicht und dem Re­spekt be­han­delt, den eine harm­lo­se alte Dame de­ren Le­ben­sum­stän­de un­güns­tig sind, er­war­ten konn­te. Für eine Frau, die we­der jung, noch hübsch, noch reich, noch ver­hei­ra­tet war, er­freu­te sich ihre Toch­ter ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Be­liebt­heit. Da­durch, dass sie so hoch in der öf­fent­li­chen Gunst stand, be­fand sich Miss Ba­tes in denk­bar miss­li­cher Lage; und sie be­saß nicht die geis­ti­ge Über­le­gen­heit, mit sich selbst fer­tig zu wer­den, oder de­nen, die sie nicht moch­ten, we­nigs­tens äu­ßer­lich Re­spekt ab­zu­nö­ti­gen. Sie hat­te sich nie der Schön­heit oder Klug­heit rüh­men kön­nen. Ihre Ju­gend war un­auf­fäl­lig ver­lau­fen und ihre mitt­le­ren Le­bens­jah­re wa­ren der Pfle­ge ei­ner krän­keln­den Mut­ter und dem Be­stre­ben ge­wid­met, ihr klei­nes Ein­kom­men so weit als mög­lich zu stre­cken. Den­noch war sie eine glück­li­che Frau, von der noch dazu nie­mand ohne Wohl­wol­len sprach. Die­ses Wun­der wur­de durch ihre all­um­fas­sen­de Freund­lich­keit und ihr zu­frie­de­nes Ge­müt be­wirkt. Je­der­mann hat­te sie gern, sie war an je­der­manns Glück in­ter­es­siert, er­kann­te schnell die Vor­zü­ge ei­nes Men­schen, hielt sich selbst für das glück­lichs­te Ge­schöpf, das von den Wohl­ta­ten des Le­bens, wie ei­ner vor­treff­li­chen Mut­ter und vie­len gu­ten Nach­barn und Freun­den um­ge­ben war, sie be­saß ein Heim, in dem es an nichts fehl­te. Die Ein­fach­heit und Fröh­lich­keit ih­res Na­tu­rells lie­ßen sie je­der­mann an­ge­nehm er­schei­nen und wa­ren für sie eine Quel­le des Glücks. Sie konn­te auch über klei­ne Din­ge viel er­zäh­len, was für Mr. Wood­hou­se ge­nau das Rich­ti­ge war, und sie war stets voll tri­via­ler Ge­dan­ken und harm­lo­sen Klat­sches.

Mrs. God­dard war Lei­te­rin ei­ner Schu­le – nicht ei­nes Se­mi­nars oder ei­ner An­stalt oder sonst et­was, das in lan­gen Sät­zen ge­ho­be­nen Un­sinns be­haup­te­te, fort­schritt­li­che Er­run­gen­schaf­ten mit ele­gan­ter Tu­gend­haf­tig­keit, mit neu­en Grund­sät­zen und neu­en Sys­te­men zu ver­bin­den – wo jun­ge Da­men für hor­ren­de Sum­men aus der Ge­sund­heit in die Ei­tel­keit ge­drängt wer­den –; son­dern ei­nes rich­ti­gen, ehr­li­chen, alt­mo­di­schen In­ter­nats, wo ver­nünf­ti­ge Leis­tun­gen zu ei­nem eben­sol­chen Preis ge­bo­ten wer­den und wo­hin man Mäd­chen schickt, da­mit sie aus dem Wege sind und sich ein biss­chen Bil­dung zu­sam­men­krat­zen, ohne Ge­fahr zu lau­fen, als Wun­der­kin­der nach Hau­se zu­rück­zu­keh­ren. Mrs. God­dards Schu­le hat­te den bes­ten Ruf und ver­dien­te ihn auch; denn High­bu­ry galt als be­son­ders ge­sun­der Ort; sie be­saß ein weit­räu­mi­ges Haus mit Gar­ten, gab den Kin­dern reich­lich und nahr­haft zu es­sen, ließ sie im Som­mer viel her­um­lau­fen und be­han­del­te im Win­ter ei­gen­hän­dig ihre Frost­beu­len. Es war des­halb kein Wun­der, dass jetzt ein Ge­fol­ge von zwan­zig jun­gen Mäd­chen­paa­ren ihr zur Kir­che folg­te. Sie war eine schlich­te, müt­ter­li­che Frau, die in ih­rer Ju­gend hart ge­ar­bei­tet hat­te und die des­halb jetzt ein Recht dar­auf zu ha­ben glaub­te, sich bei ei­ner ge­le­gent­li­chen Tee­vi­si­te zu er­ho­len, und da sie von frü­her Mr. Wood­hou­ses Freund­lich­keit viel schul­de­te, fühl­te sie sich dazu ver­pflich­tet, ihr ge­pfleg­tes, rings­um mit fei­nen Hand­ar­bei­ten gar­nier­tes Wohn­zim­mer ver­las­sen zu müs­sen, um am Ka­min ei­ni­ge Six­pence-Stücke zu ge­win­nen oder zu ver­lie­ren.

Es wa­ren die­se Da­men, die Emma am leich­tes­ten zu­sam­men­brin­gen konn­te, und sie freu­te sich für ih­ren Va­ter, dass dies in ih­rer Macht stand, ob­wohl es für sie selbst kein Ge­gen­mit­tel für die Ab­we­sen­heit Mrs. We­stons war. Sie war ent­zückt, wenn ihr Va­ter zu­frie­den aus­sah, und freu­te sich, der­ar­ti­ges so gut ar­ran­gie­ren zu kön­nen, aber das lang­wei­li­ge Ge­schwätz die­ser drei Frau­en ließ sie emp­fin­den, je­der so ver­brach­te Abend sei ge­nau das, was sie voll Furcht vor­aus­ge­ahnt hat­te.

Als sie ei­nes Mor­gens wie­der ein­mal so da saß und vor­aus­sah, dass auch die­ser Tag ge­nau­so en­den wür­de, brach­te man ihr eine Nach­richt von Mrs. God­dard, die re­spekt­voll an­frag­te, ob man ihr ge­stat­ten wür­de, Miss Smith mit­zu­brin­gen; eine hoch­will­kom­me­ne An­fra­ge, denn Miss Smith war ein sieb­zehn­jäh­ri­ges Mäd­chen, das Emma vom Se­hen gut kann­te und für das sie schon lan­ge sei­ner Schön­heit we­gen In­ter­es­se emp­fand. Eine freund­li­che Ein­la­dung ging zu­rück und die schö­ne Her­rin des Hau­ses brauch­te vor dem Abend kei­ne Angst mehr zu ha­ben.

Har­riet Smith war die na­tür­li­che Toch­ter von ir­gend­je­mand. Ir­gend­je­mand hat­te sie vor ein paar Jah­ren in Mrs. God­dards Schu­le un­ter­ge­bracht und hat­te sie un­längst zum Rang ei­ner be­vor­zug­ten Schü­le­rin er­ho­ben, die bei der Schul­lei­te­rin wohnt. Das war al­les, was über ihre Ver­gan­gen­heit all­ge­mein be­kannt war. Sie hat­te of­fen­sicht­lich au­ßer de­nen, die sie in High­bu­ry ken­nen­ge­lernt hat­te, kei­ne Freun­de und war ge­ra­de von ei­nem lan­gen Be­such bei ei­ni­gen jun­gen Da­men auf dem Land zu­rück­ge­kehrt, die dort mit ihr zur Schu­le ge­gan­gen wa­ren.

Sie war ein sehr hüb­sches Mäd­chen und stell­te zu­fäl­lig den Schön­heits­typ dar, den Emma be­son­ders be­wun­der­te. Sie war klein, wohl­ge­run­det und hell­häu­tig, mit blü­hen­dem Teint, blau­en Au­gen, hel­lem Haar, re­gel­mä­ßi­gen Zü­gen und ei­nem Aus­druck großer Sanft­heit; und noch ehe der Abend zu Ende ging, war Emma von ih­rer Per­son und ih­rem Be­neh­men glei­cher­ma­ßen ent­zückt und fest ent­schlos­sen, die Be­kannt­schaft fort­zu­set­zen.

Ihr fiel zwar an Miss Smit­hs Un­ter­hal­tung nichts be­son­ders Klu­ges auf, aber sie fand sie im gan­zen sehr ge­win­nend, nicht un­kon­ven­tio­nell schüch­tern, nicht ab­ge­neigt zu plau­dern, und den­noch weit da­von ent­fernt, auf­dring­lich zu sein, sie zeig­te an­ge­mes­se­ne und schick­li­che Zu­rück­hal­tung, schi­en er­freut und dank­bar zu sein, dass man sie nach Hart­field ein­ge­la­den hat­te, und so na­tür­lich da­von be­ein­druckt, dass al­les einen viel schö­ne­ren Stil auf­wies, als sie ge­wöhnt war, sie schi­en ge­sun­den Men­schen­ver­stand zu be­sit­zen und Er­mu­ti­gung zu ver­die­nen. Die­se sanf­ten blau­en Au­gen und all die na­tür­li­che An­mut soll­ten nicht an die zweit­klas­si­ge Ge­sell­schaft von High­bu­ry und de­ren Be­kann­ten­kreis ver­schwen­det wer­den. Ihre bis­he­ri­gen Be­kannt­schaf­ten wa­ren ih­rer na­tür­lich un­wür­dig. Die Freun­de, die sie erst vor kur­z­em ver­las­sen hat­te, muss­ten ihr scha­den, ob­wohl sie be­stimmt sehr an­stän­di­ge Men­schen wa­ren. Es han­del­te sich um eine Fa­mi­lie na­mens Mar­tin, die Emma vom Hö­ren­sa­gen kann­te, sie hat­te von Mr. Knight­ley einen großen Hof ge­pach­tet und wohn­te im Pfarr­be­zirk von Don­well – wahr­schein­lich sehr acht­bar, da Mr. Knight­ley viel von ihr hielt; aber sie war si­cher­lich grob und un­ge­bil­det und als in­ti­me Freun­de ei­nes Mäd­chens völ­lig un­ge­eig­net, dem nur noch ei­ni­ge Kennt­nis­se und Ele­ganz fehl­ten, um voll­kom­men zu sein. Sie wür­de sie über­wa­chen; sie ver­edeln, sie von ih­ren un­pas­sen­den Be­kannt­schaf­ten ab­son­dern und sie in die gute Ge­sell­schaft ein­füh­ren, auch ihre Mei­nung und ihre Ma­nie­ren bil­den. Es wäre ein in­ter­essan­tes und be­stimmt gut­ge­mein­tes Un­ter­fan­gen, das ih­rer ei­ge­nen Le­bens­si­tua­ti­on, ih­rer Muße und ih­ren Kräf­ten wohl an­ste­hen wür­de.

Sie war so ein­ge­hend da­mit be­schäf­tigt, die­se sanf­ten blau­en Au­gen zu be­wun­dern, zu plau­dern und zu­zu­hö­ren und ne­ben­bei Plä­ne zu schmie­den, dass der Abend un­ge­wöhn­lich schnell ver­ging und das Sup­per, das stets sol­che Ein­la­dun­gen ab­schloss und vor dem sie meist nur her­umsaß und die rich­ti­ge Zeit ab­war­te­te, war fer­tig und in der Nähe des Feu­ers an­ge­rich­tet, ehe sie es be­merk­te. Mit ei­ner grö­ße­ren Be­reit­wil­lig­keit und grö­ße­rem Ei­fer als sonst, den­noch dank­bar für die Aner­ken­nung, al­les rich­tig zu ma­chen, mit ei­nem gu­ten Wil­len und viel Freu­de über die ei­ge­nen Ide­en tat sie al­les, was dem Mahl zur Ehre ge­reich­te, half bei der Be­die­nung und emp­fahl mit Nach­druck die über­ba­cke­nen Aus­tern, weil sie wuss­te, sie wür­de dem frü­hen Zu­bett­ge­hen und den höf­li­chen Skru­peln ih­rer Gäs­te da­mit ent­ge­gen­kom­men.

Bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten kämpf­ten in Mr. Wood­hou­se die wi­der­sprüch­lichs­ten Ge­füh­le mit­ein­an­der. Er hat­te es gern, wenn das Tisch­tuch auf­ge­legt wur­de, da dies in sei­ner Ju­gend üb­lich ge­we­sen war; aber er be­dau­er­te aus der Über­zeu­gung, Abend­mahl­zei­ten sei­en un­ge­sund, dass et­was dar­auf ser­viert wur­de; und wäh­rend er sei­nen Be­su­chern in sei­ner Gast­freund­lich­keit ei­gent­lich al­les gönn­te, war er um ihre Ge­sund­heit in Sor­ge, da sie trotz­dem es­sen wür­den.

Das ein­zi­ge, was er mit ei­ge­ner Zu­stim­mung emp­feh­len konn­te, war ein klei­nes Schäl­chen dün­nen Ha­fer­schleims, wie er es aß; und ob­wohl er sich zu­sam­men­nahm, wäh­rend die Da­men mit Be­ha­gen an­ge­neh­me­re Din­ge ver­speis­ten, konn­te er es nicht un­ter­las­sen zu sa­gen:

»Mrs. Ba­tes, ich möch­te Ih­nen vor­schla­gen, es mit ei­nem die­ser Eier zu ver­su­chen. Ein sehr weich­ge­koch­tes Ei ist nicht un­ge­sund. Ser­le ver­steht am bes­ten, ein Ei zu ko­chen. Ich wür­de es Ih­nen nicht emp­feh­len, wenn je­mand an­de­rer es ge­kocht hät­te – aber sie brau­chen nichts zu be­fürch­ten, wie sie se­hen, sind sie sehr klein – ei­nes un­se­rer klei­nen Eier wird Ih­nen nicht scha­den. Miss Ba­tes, las­sen Sie sich von Emma ein klei­nes Stück Tor­te vor­le­gen – nur ein sehr klei­nes. Es gibt bei uns aus­schließ­lich Ap­fel­tor­te. Sie brau­chen kei­ne Angst vor un­ge­sun­den Kon­ser­ven zu ha­ben. Ich rate in­des­sen nicht zu dem Rahm­pud­ding. Mrs. God­dard, wie wäre es mit ei­nem hal­ben Glas Wein? Ein klei­nes hal­b­es Glas, mit Was­ser ver­mischt? Ich glau­be nicht, dass es Ih­nen schlecht be­kom­men wür­de.«

Emma ließ ih­ren Va­ter re­den, wäh­rend sie die Gäs­te zu­frie­den­stel­lend ver­sorg­te; und es mach­te ihr be­son­de­res Ver­gnü­gen, sie ge­ra­de an die­sem Abend be­frie­digt nach Hau­se zu schi­cken. Miss Smit­hs Glück­se­lig­keit ent­sprach ganz ih­ren Ab­sich­ten, denn Miss Wood­hou­se war in High­bu­ry solch eine be­deu­ten­de Per­sön­lich­keit, dass die Aus­sicht, ihr vor­ge­stellt zu wer­den, eben­so­viel Be­stür­zung wie Freu­de aus­ge­löst hat­te; aber das be­schei­de­ne, dank­ba­re klei­ne Mäd­chen ver­ab­schie­de­te sich im Ge­fühl größ­ter Dank­bar­keit, ent­zückt über die Freund­lich­keit, mit der Miss Wood­hou­se es wäh­rend des gan­zen Abends be­han­delt und ihm beim Ab­schied auch noch tat­säch­lich die Hand ge­schüt­telt hat­te.

Viertes Kapitel

Har­riets Smit­hs Ver­traut­heit mit Hart­field wur­de bald zur Ge­wohn­heit. In ih­rer rasch ent­schlos­se­nen Art hat­te Emma kei­ne Zeit ver­lo­ren, sie ein­zu­la­den, zu er­mu­ti­gen und sie ge­be­ten, recht oft zu Be­such zu kom­men, und je mehr ihre Be­kannt­schaft sich ver­tief­te, umso bes­ser wur­de auch ihr ge­gen­sei­ti­ges Ein­ver­neh­men.

Emma hat­te bald er­kannt, wie nütz­lich Har­riet als Beglei­te­rin bei ih­ren Spa­zier­gän­gen sein wür­de. In die­ser Hin­sicht war Mrs. We­stons Ver­lust be­son­ders schmerz­lich ge­we­sen; da ihr Va­ter nie über das Ge­hölz hin­aus­ging, wo zwei Be­gren­zun­gen des Grund­stücks ihm je nach Jah­res­zeit für sei­nen lan­gen oder kur­z­en Spa­zier­gang ge­nüg­ten; und durch Mrs. We­stons Hei­rat wa­ren ihre Be­we­gungs­mög­lich­kei­ten sehr ein­ge­schränkt wor­den.

Sie war ein­mal al­lein nach Ran­dalls ge­gan­gen, aber es war kein Ver­gnü­gen ge­we­sen; und eine Har­riet Smith, die man je­der­zeit zu ei­nem Spa­zier­gang ein­la­den konn­te, war des­halb als zu­sätz­li­che An­nehm­lich­keit will­kom­men. Je öf­ter sie sie sah, umso bes­ser ge­fiel sie ihr in je­der Hin­sicht und wur­de da­durch in ih­ren freund­li­chen Ab­sich­ten be­stärkt.

Har­riet war be­stimmt nicht klug, aber von Na­tur sanft, ge­fü­gig und dank­bar; gänz­lich frei von Ein­bil­dung und nur von dem Wunsch be­seelt, von ei­nem Men­schen an­ge­lei­tet zu wer­den, zu dem sie auf­schau­en konn­te. Emma fand es sehr lie­bens­wert, dass sie sich so schnell an sie an­ge­schlos­sen hat­te und ihre Nei­gung zu gu­ter Ge­sell­schaft so­wie die Fä­hig­keit zu er­ken­nen, was ele­gant und hübsch ist, zeig­te, dass sie auch Ge­schmack be­saß, ob­wohl man kei­nen ho­hen In­tel­li­genz­grad bei ihr er­war­ten konn­te. Emma war völ­lig da­von über­zeugt, dass Har­riet Smith ge­nau die jun­ge Freun­din sei, die sie brauch­te und die ihr zu Hau­se fehl­te. Solch eine Freun­din wie Mrs. We­ston gab es nicht noch ein­mal. Das Schick­sal wür­de ei­nem nie zwei von die­ser Art zu­bil­li­gen, was sie sich auch gar nicht wünsch­te. Es war et­was völ­lig an­de­res – ein aus­ge­präg­tes und ganz an­ders ge­ar­te­tes Ge­fühl. Die Zu­nei­gung zu Mrs. We­ston be­ruh­te auf Dank­bar­keit und Ach­tung. Har­riet soll­te wie eine Freun­din ge­liebt wer­den, der man nütz­lich sein kann. Für Mrs. We­ston konn­te man nichts mehr tun; für Har­riet al­les.

Ihre ers­ten Ver­su­che be­hilf­lich zu sein, be­stan­den dar­in, her­aus­zu­fin­den, wer ihre El­tern wa­ren; aber Har­riet konn­te ihr kei­ner­lei Aus­kunft ge­ben. Sie er­zähl­te be­reit­wil­lig al­les, was in ih­rer Macht stand, aber alle dies­be­züg­li­chen Fra­gen wa­ren ver­ge­bens. Emma konn­te an­neh­men, was sie woll­te; ver­moch­te sich aber kei­nes­wegs vor­zu­stel­len, dass sie in der glei­chen Lage nicht die Wahr­heit her­aus­ge­fun­den hät­te. Har­riet hat­te nicht ge­nü­gend Scharf­sinn. Sie gab sich da­mit zu­frie­den, zu hö­ren und zu glau­ben, was Mrs. God­dard ihr zu er­zäh­len für rich­tig hielt, und forsch­te nicht wei­ter nach.

Mrs. God­dard, die Leh­re­rin­nen und die Mäd­chen, so­wie die Schulan­ge­le­gen­hei­ten im All­ge­mei­nen, nah­men na­tür­lich in ih­rer Un­ter­hal­tung einen brei­ten Raum ein – und das schi­en, ab­ge­se­hen von ih­rer Be­kannt­schaft mit den Mar­tins von der Ab­bey-Mill-Farm, al­les zu sein. Die Mar­tins nah­men ihre Ge­dan­ken weit­ge­hend ein; sie hat­te zwei äu­ßerst glück­li­che Mo­na­te bei ih­nen ver­bracht; und sie er­zähl­te nun gern, wie viel Spaß ihr der Be­such ge­macht habe. Sie schil­der­te die vie­len An­nehm­lich­kei­ten und Wun­der des An­we­sens. Da Emma die Schil­de­rung ei­ner an­de­ren Ge­sell­schafts­schicht amü­sier­te, er­mu­tig­te sie Har­riets Ge­schwät­zig­keit und ge­noss die ju­gend­li­che Sch­licht­heit, die mit so viel Ent­zücken da­von spre­chen konn­te, »dass Mrs. Mar­tin zwei Wohn­zim­mer be­sit­ze, zwei wirk­lich sehr schö­ne: und ei­nes da­von sei fast ge­nau­so groß wie Mrs. God­dards Empfangs­zim­mer, und auch noch eine zwei­te Magd, die schon fünf­und­zwan­zig Jah­re bei ihr sei; und sie be­sä­ßen acht Kühe, zwei da­von Al­der­neys, so­wie eine klei­ne Welsh-Kuh, und da sie die­se so gern hat­te, habe Mrs. Mar­tin ge­sagt, man kön­ne sie ih­re Kuh nen­nen, und im Gar­ten stün­de ein sehr hüb­sches Som­mer­häus­chen, wo sie im kom­men­den Jahr ein­mal alle Tee trin­ken wür­den – ein sehr hüb­sches Som­mer­häus­chen, das groß ge­nug sei, um ein Dut­zend Per­so­nen auf­zu­neh­men«.

Sie fand es zu­nächst amüsant, ohne über die tiefe­ren Grün­de nach­zu­den­ken, aber als sie die Fa­mi­li­en­ver­hält­nis­se all­mäh­lich bes­ser ken­nen­lern­te, wur­de das Amü­se­ment von an­de­ren Ge­füh­len ver­drängt. Sie hat­te sich in­so­fern eine falsche Vor­stel­lung ge­macht, als sie sich ein­bil­de­te, es hand­le sich um Mut­ter und Toch­ter so­wie einen Sohn und des­sen Frau, die alle zu­sam­men­leb­ten; aber als her­aus­kam, dass Mr. Mar­tin, der in ih­rer Schil­de­rung einen wich­ti­gen Platz ein­nahm und der häu­fig we­gen sei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Gut­mü­tig­keit an­er­ken­nend er­wähnt wur­de, mit der er dies oder je­nes ge­tan hat­te, le­dig war; dass es also in die­sem Fall kei­ne jun­ge Mrs. Mar­tin, kei­ne Ehe­frau gab – da sah sie in all die­ser Gast­lich­keit und Güte eine Ge­fahr für ihre arme klei­ne Freun­din, und wenn man sich ih­rer nicht an­näh­me, müs­se sie not­ge­drun­gen für im­mer ge­sell­schaft­lich ab­sin­ken.

Als Fol­ge die­ser ein­leuch­ten­den Idee wur­den ihre Fra­gen zahl­rei­cher und be­deut­sa­mer; be­son­ders nach­dem sie Har­riet so­weit ge­bracht hat­te, noch mehr von Mr. Mar­tin zu er­zäh­len, was die­se of­fen­bar gern tat. Har­riet sprach mit großer Be­reit­wil­lig­keit von dem An­teil, den er an ih­ren Spa­zier­gän­gen im Mon­den­schein und ih­ren fröh­li­chen abend­li­chen Spie­len ge­habt hat­te; und sie wur­de nicht müde zu be­to­nen, wie gut­mü­tig und auf­merk­sam er sei. »Er habe ei­nes Ta­ges einen Weg von drei Mei­len zu­rück­ge­legt, nur um ihr ei­ni­ge Walnüs­se zu brin­gen, weil sie ge­sagt hat­te, wie gern sie die­se möge – und er sei auch sonst sehr auf­merk­sam. Er lud ei­nes Abends den Sohn sei­nes Schä­fers zum Vor­sin­gen ins Wohn­zim­mer ein. Sie sin­ge sehr gern und er täte es auch. Sie hiel­te ihn für sehr klug und ver­stän­dig. Er be­sit­ze eine schö­ne Schaf­her­de und in der Zeit, als sie bei ih­nen weil­te, habe man ihm für sei­ne Wol­le ein bes­se­res An­ge­bot ge­macht als an­de­ren in der Ge­gend. Sie glau­be, je­der­mann spre­che von ihm mit Aner­ken­nung. Sei­ne Mut­ter und Schwes­tern hät­ten ihn sehr gern. Mrs. Mar­tin habe ei­nes Ta­ges zu ihr ge­sagt (und sie er­rö­te­te, als sie es sag­te), es gäbe kei­nen bes­se­ren Sohn als ihn und sie sei des­halb si­cher, er wür­de ein gu­ter Ehe­mann wer­den, wen und wann im­mer er auch hei­ra­te. Nicht dass sie wün­sche, er sol­le sich schon jetzt ver­hei­ra­ten. Es eile da­mit kei­nes­wegs.«

›Gut ge­macht, Mrs. Mar­tin!‹ dach­te Emma. ›Sie wis­sen, was Sie wol­len.‹

»Und als sie von dort weg­ging, war Mrs. Mar­tin so nett, Mrs. God­dard eine schö­ne Gans zu schi­cken, die schöns­te, die Mrs. God­dard je zu Ge­sicht be­kom­men hat. Mrs. God­dard hat­te die­se am Sonn­tag zu­be­rei­tet und ihre drei Leh­re­rin­nen, Miss Nash, Miss Prin­ce und Miss Richard­son zum Sup­per ein­ge­la­den.«

»Ver­mut­lich ist Mr. Mar­tin nicht an Din­gen in­ter­es­siert, die über sei­ne Ge­schäfts­in­ter­es­sen hin­aus­ge­hen. Er liest wahr­schein­lich nicht?«

»Oh ja! – Das heißt, nein – ich weiß nicht recht – aber ich glau­be, er hat schon viel ge­le­sen – wenn auch nicht das, was Sie in­ter­es­sie­ren wür­de. Er liest zwar die A­grar-Be­rich­te und ei­ni­ge an­de­re Bü­cher, die in ei­ner der Fens­ter­bän­ke auf­be­wahrt wer­den, aber die liest er nicht vor. Manch­mal las er uns am Abend, be­vor wir zum Kar­ten­spiel über­gin­gen, aus den Ele­gan­ten Aus­zü­gen vor, was ich sehr un­ter­halt­sam fand. Au­ßer­dem weiß ich, dass er den Vi­kar von Wa­ke­field ge­le­sen hat. Die Ro­man­tik des Wal­des oder die Kin­der der Ab­tei hat er in­des­sen noch nie ge­le­sen. Ehe ich sie er­wähn­te, hat­te er von die­sen Bü­chern nie et­was ge­hört; aber er will sie jetzt er­wer­ben, so­bald er dazu kommt.« Die nächs­te Fra­ge war:

»Wie sieht Mr. Mar­tin aus?«

»Oh! Nicht hübsch – kei­nes­wegs hübsch. Ich fand ihn zu­nächst bei­nah häss­lich, aber jetzt nicht mehr. Nach ei­ni­ger Zeit, wis­sen Sie, ge­wöhnt man sich an sein Aus­se­hen. Ha­ben Sie ihn denn noch nie ge­se­hen? Er ist hie und da in High­bu­ry und rei­tet be­stimmt jede Wo­che auf dem Weg nach King­ston hier durch. Er ist schon oft an Ih­nen vor­bei­ge­kom­men.«

»Durchaus mög­lich, ich könn­te ihn viel­leicht schon fünf­zig­mal ge­se­hen ha­ben, ohne zu wis­sen, wer er ist. Ein jun­ger Far­mer, ob zu Pferd oder zu Fuß, wäre der letz­te Mensch, der mei­ne Neu­gier er­regt. Die klei­nen Grund­be­sit­zer ge­hö­ren ei­ner Men­schen­klas­se an, die mich schon rein ge­fühls­mä­ßig nichts an­geht. Je­mand, der eine oder zwei Stu­fen tiefer steht und ein acht­ba­res Aus­se­hen hat, könn­te mich in­ter­es­sie­ren, da ich dann mit Recht an­neh­men dürf­te, ih­ren Fa­mi­li­en ir­gend­wie nütz­lich sein zu kön­nen. Aber da ein Far­mer mei­ne Hil­fe be­stimmt nicht braucht, neh­me ich aus die­sem Grun­de kei­ne No­tiz von ihm, an­de­rer­seits be­ach­te ich ihn des­halb nicht, weil er ge­sell­schaft­lich un­ter mir steht.«

»Si­cher­lich. Oh ja, es ist un­wahr­schein­lich, dass er Ih­nen auf­ge­fal­len sein soll­te, aber er kennt Sie vom Se­hen sehr gut.«

»Ich be­zweifle nicht, dass er ein sehr an­stän­di­ger jun­ger Mann ist. Ich weiß es so­gar ge­nau; und wün­sche ihm al­les Gute. Wie alt ist er ei­gent­lich?«

»Er wur­de am B. Juni vier­und­zwan­zig, und mein Ge­burts­tag ist am 23., nur ein Un­ter­schied von fünf­zehn Ta­gen, was ich sehr merk­wür­dig fin­de.«

»Erst vier­und­zwan­zig. Das ist zum Hei­ra­ten zu jung. Sei­ne Mut­ter hat ganz recht, dass es da­mit kei­ne Eile hat. Sie schei­nen so­weit ganz wohl­ha­bend zu sein, und wenn sie sich schon jetzt dar­um be­mü­hen wür­den, ihn zu ver­hei­ra­ten, müss­ten sie es viel­leicht spä­ter be­reu­en. Wenn er in etwa sechs Jah­ren eine pas­sen­de jun­ge Frau sei­ner ei­ge­nen Ge­sell­schafts­schicht fin­den könn­te, die auch et­was Geld hat, wäre dies durch­aus wün­schens­wert.«

»Erst in sechs Jah­ren! Lie­be Miss Wood­hou­se, dann wäre er ja schon drei­ßig Jah­re alt.«

»Nun, das ist ge­ra­de der Zeit­punkt, wo die meis­ten Män­ner, die nicht fi­nan­zi­ell un­ab­hän­gig sind, es sich leis­ten kön­nen, zu hei­ra­ten. Ich neh­me an, dass Mr. Mar­tin erst sein Glück ma­chen muss, man kann in die­ser Welt nichts vor­weg­neh­men. Wie viel Geld er beim Tod sei­nes Va­ters auch ge­erbt ha­ben mag, was im­mer sein An­teil am Fa­mi­li­en­be­sitz, es ist, glau­be ich, noch nicht greif­bar, al­les in sei­nen Be­stän­den usw. an­ge­legt; und ob­wohl er mit Ge­schick und ein biss­chen Glück ei­nes Ta­ges reich sein könn­te, ist es un­wahr­schein­lich, dass er schon viel Ge­winn er­zielt ha­ben kann!«

»Be­stimmt ist es so. Aber sie le­ben sehr kom­for­ta­bel. Sie ha­ben zwar kei­nen Haus­die­ner – viel­leicht brau­chen sie noch kei­nen; und Mrs. Mar­tin spricht da­von, spä­ter ein­mal einen Boy zu en­ga­gie­ren.«

»Ich hof­fe, es bringt dich nicht in Ver­le­gen­heit, Har­riet, wenn er ein­mal hei­ra­tet; – ich mei­ne, falls du sei­ne Frau ken­nen­ler­nen soll­test; denn wenn auch ge­gen sei­ne Schwes­tern we­gen ih­rer hö­he­ren Bil­dung nichts ein­zu­wen­den ist, braucht man dar­aus noch lan­ge nicht zu schlie­ßen, dass er eine Frau hei­ra­tet, die dei­ner Be­ach­tung wert ist. Das Un­glück dei­ner Ge­burt soll­te dich, was dei­nen Um­gang be­trifft, be­son­ders vor­sich­tig sein las­sen. Du bist zwei­fel­los die Toch­ter ei­nes Gent­le­man und musst dei­nen An­spruch auf die­se Le­bens­stel­lung nach bes­ten Kräf­ten un­ter­stüt­zen, sonst wür­den vie­le Men­schen sich ein Ver­gnü­gen dar­aus ma­chen, dich zu er­nied­ri­gen.«

»Ja, ver­mut­lich gibt es sol­che. Aber wäh­rend ich auf Hart­field zu Be­such bin und Sie so freund­lich zu mir sind, Miss Wood­hou­se, habe ich kei­ne Angst da­vor, was je­mand mir an­tun könn­te.«

»Du ver­stehst sehr gut, wie wich­tig Ein­fluss ist, Har­riet, aber ich möch­te dich in der gu­ten Ge­sell­schaft so gut eta­bliert wis­sen, dass du auch von Hart­field und Miss Wood­hou­se un­ab­hän­gig bist. Ich möch­te dich in dau­er­haf­ten gu­ten Be­zie­hun­gen se­hen – und zu die­sem Zweck wäre es rat­sam, mög­lichst kei­ne un­pas­sen­den Be­kannt­schaf­ten zu ha­ben. Ich wün­sche des­halb, soll­te Mr. Mar­tin hei­ra­ten, wäh­rend du noch in der Ge­gend bist, dass nie­mand dei­ne Ver­traut­heit mit sei­nen Schwes­tern dazu her­an­zie­hen möge, um dich sei­ner Frau vor­zu­stel­len, die mög­li­cher­wei­se nur eine un­ge­bil­de­te Far­mer­s­toch­ter ist.«

»Si­cher­lich, ja. Ob­wohl ich ei­gent­lich nicht glau­be, dass Mr. Mar­tin je­mand hei­ra­ten wür­de, der nicht we­nigs­tens et­was Bil­dung hat und gut er­zo­gen ist. Ich will Ih­nen je­doch nicht wi­der­spre­chen und ich wür­de be­stimmt kei­nen Wert dar­auf le­gen, sei­ne Frau ken­nen­zu­ler­nen. Ich wer­de aber vor den Mis­ses Mar­tin stets große Ach­tung ha­ben, be­son­ders vor Eli­sa­beth, und es täte mir leid, wenn ich die­se Freund­schaft auf­ge­ben müss­te, denn sie sind bei­nah so gut er­zo­gen wie ich. Aber soll­te er eine ge­wöhn­li­che, un­wis­sen­de Frau hei­ra­ten, wür­de ich sie be­stimmt nicht be­su­chen, wenn ich es ver­mei­den könn­te.«

Emma be­ob­ach­te­te sie durch das Auf und Ab die­ser Rede, konn­te aber kei­ne alar­mie­ren­den Sym­pto­me von Ver­liebt­heit ent­de­cken. Der jun­ge Mann war ihr ers­ter Ver­eh­rer ge­we­sen und sie ver­trau­te dar­auf, dass auch kei­ne an­der­wei­ti­ge Bin­dung be­stand und Har­riet aus die­sem Grun­de kei­ne ernst­haf­ten Schwie­rig­kei­ten ma­chen und sich ir­gend­wel­chen freund­schaft­li­chen Ver­ein­ba­run­gen von ih­rer Sei­te wi­der­set­zen wür­de.

Sie tra­fen Mr. Mar­tin gleich am nächs­ten Tag, als sie auf der Stra­ße nach Don­well spa­zie­ren­gin­gen. Er war zu Fuß, und nach­dem er sie äu­ßerst re­spekt­voll ge­mus­tert hat­te, schau­te er ihre Beglei­te­rin mit un­ver­hoh­le­nem Wohl­ge­fal­len an. Emma kam eine sol­che Beo­b­ach­tungs­mög­lich­keit sehr zu­stat­ten, sie ging, wäh­rend die bei­den mit­ein­an­der spra­chen, ei­ni­ge Schrit­te wei­ter, wo­bei sie Mr. Mar­tin mit ei­nem schnel­len Sei­ten­blick ab­schät­zen konn­te. Er sah sehr ge­pflegt aus, wirk­te wie ein ver­nünf­ti­ger jun­ger Mann, aber sein Äu­ße­res wies kei­ne an­de­ren Vor­zü­ge auf; und wenn man ihn mit ei­nem Gent­le­man ver­glich, dann, so dach­te sie, müs­se er not­ge­drun­gen al­les an Bo­den ver­lie­ren, was er in Har­riets Nei­gung ge­won­nen hat­te. Har­riet war für gute Ma­nie­ren durch­aus emp­fäng­lich, sie hat­te von sich aus die ru­hi­ge Freund­lich­keit von Em­mas Va­ter teils mit Be­wun­de­rung, teils mit Ver­wun­de­rung wahr­ge­nom­men. Mr. Mar­tin wirk­te so, als ob ihm Ma­nie­ren gänz­lich un­be­kannt sei­en.

Sie blie­ben nur we­ni­ge Mi­nu­ten bei­sam­men, man durf­te eine Miss Wood­hou­se doch nicht war­ten las­sen; und Har­riet kam dann mit lä­cheln­dem Ge­sicht und ver­wirr­tem Ge­müt auf sie zu­ge­lau­fen, das sich, wie Miss Wood­hou­se hoff­te, bald be­ru­hi­gen wür­de.

»Dass wir ihn ge­ra­de hier tref­fen muss­ten! Er sag­te, es sei rei­ner Zu­fall ge­we­sen, dass er nicht den Weg über Ran­dalls ge­nom­men hat. Er hat­te nicht an­ge­nom­men, dass wir die­sen Weg ein­schla­gen wür­den. Er hat­te ge­glaubt, wir gin­gen meist in Rich­tung Ran­dalls. Er ist bis jetzt noch nicht da­zu­ge­kom­men, sich die Ro­man­tik des Wal­des zu kau­fen. Als er das letz­te­mal in King­ston war, hat­te er so­viel zu tun, dass er nicht mehr dar­an dach­te, aber er geht mor­gen wie­der dort­hin. Wie merk­wür­dig, dass wir uns so zu­fäl­lig tra­fen! Nun, Miss Wood­hou­se, ent­spricht er Ihren Er­war­tun­gen? Was hal­ten Sie von ihm? Fin­den Sie ihn sehr un­an­sehn­lich?«