Emmas Strategie - Carmen Lindenau - E-Book

Emmas Strategie E-Book

Carmen Lindenau

5,0

Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Simones Konditorei lag umgeben von Gärten am Ende einer Sackgasse, die in die Fußgängerzone von Büsum mündete. Das Haus mit der schneeweißen Fassade, dem moosgrünen Rahmen um das Schaufenster und der Holztür in der gleichen Farbe fiel den Passanten auf. Die meisten kamen näher, um wenigstens einen Blick in das Schaufenster zu werfen.Eine Spitzendecke, eine zierliche Kaffeekanne, die Torten und Kuchen auf Tellern mit zartem Blütenmuster präsentiert, so als sei die Kaffeetafel im eigenen Garten bereits gedeckt, das sah verlockend aus. Wer die Tür zum Laden öffnete, der kaufte auch etwas. Es duftete einfach zu verführerisch nach Schokolade, Honig und süßen Früchten.»Jetzt wird es ernst«, flüsterte Simone. Sie hatte Wechselgeld von der Bank geholt und ihr Fahrrad wieder vor der Konditorei abgestellt, als ihr Handy summte.Sie kannte die Telefonnummer, die auf dem Display aufleuchtete. Es war die der Restaurantleitung des neuen Hotels an der Uferpromenade. Sie wollten in Kürze ihr Café eröffnen und suchten nach einer ortsansässigen Konditorei, die sie täglich belieferte. Simone hatte sich beworben, nun würde sie sicher gleich erfahren, ob sie damit Erfolg hatte. »Simone Erdmann«, meldete sie sich, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte.»Edgar Frisch, Hotel Auenberg, guten Morgen, Frau Erdmann. Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie und ein zweiter Mitbewerber unsere Favoriten sind.»Das heißt, es gibt noch keine endgültige Entscheidung«, vergewisserte sie sich, dass sie Herrn Frisch richtig verstanden hatte.»Frau Auenberg wird demnächst ein paar Tage bei uns verbringen. Sie und Ihr Konkurrent erhalten dann die Gelegenheit, Frau Auenberg und eine Jury von Ihrem Können zu überzeugen.»Das klingt nach einem Wettbewerb.»Es ist ein Wettbewerb.

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Mami Bestseller – 5 –

Emmas Strategie

Sie sucht einen Mann für Mami ...

Carmen Lindenau

Simones Konditorei lag umgeben von Gärten am Ende einer Sackgasse, die in die Fußgängerzone von Büsum mündete. Das Haus mit der schneeweißen Fassade, dem moosgrünen Rahmen um das Schaufenster und der Holztür in der gleichen Farbe fiel den Passanten auf. Die meisten kamen näher, um wenigstens einen Blick in das Schaufenster zu werfen.

Eine Spitzendecke, eine zierliche Kaffeekanne, die Torten und Kuchen auf Tellern mit zartem Blütenmuster präsentiert, so als sei die Kaffeetafel im eigenen Garten bereits gedeckt, das sah verlockend aus. Wer die Tür zum Laden öffnete, der kaufte auch etwas. Es duftete einfach zu verführerisch nach Schokolade, Honig und süßen Früchten.

»Jetzt wird es ernst«, flüsterte Simone. Sie hatte Wechselgeld von der Bank geholt und ihr Fahrrad wieder vor der Konditorei abgestellt, als ihr Handy summte.

Sie kannte die Telefonnummer, die auf dem Display aufleuchtete. Es war die der Restaurantleitung des neuen Hotels an der Uferpromenade. Sie wollten in Kürze ihr Café eröffnen und suchten nach einer ortsansässigen Konditorei, die sie täglich belieferte. Simone hatte sich beworben, nun würde sie sicher gleich erfahren, ob sie damit Erfolg hatte. »Simone Erdmann«, meldete sie sich, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte.

»Edgar Frisch, Hotel Auenberg, guten Morgen, Frau Erdmann. Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie und ein zweiter Mitbewerber unsere Favoriten sind.«

»Das heißt, es gibt noch keine endgültige Entscheidung«, vergewisserte sie sich, dass sie Herrn Frisch richtig verstanden hatte.

»Frau Auenberg wird demnächst ein paar Tage bei uns verbringen. Sie und Ihr Konkurrent erhalten dann die Gelegenheit, Frau Auenberg und eine Jury von Ihrem Können zu überzeugen.«

»Das klingt nach einem Wettbewerb.«

»Es ist ein Wettbewerb.«

»Dürfen Sie mir sagen, wer mein Mitbewerber ist?«

»Das ist kein Geheimnis. Sie und Jasper Hansen werden gegeneinander antreten. Den Termin und die genauen Einzelheiten werde ich Ihnen rechtzeitig mitteilen.«

Jasper Hansen, wer sonst?, dachte Simone, nachdem sie sich bei Herrn Frisch für seinen Anruf bedankt hatte und das Gespräch beendet war. »Carola, stell dir vor!«, rief sie und stürmte in die Konditorei.

»Was ist passiert?«, fragte Carola Bach, Simones beste Freundin und einzige Mitarbeiterin. Die hübsche dunkelhaarige Frau stand hinter der Verkaufstheke und trug eine sonnengelbe Schürze mit der Aufschrift: Konditorei Erdmann.

»Herr Frisch hat eben angerufen«, verkündete Simone aufgeregt.

»Herr Frisch aus dem Auenberg Hotel?«

»Genau der.«

»Und? Nun sag schon.«

»Jasper Hansen und wir sind in der Endausscheidung.«

»Das klingt nach einem Wettbewerb.«

»Den Frau Auenberg persönlich entscheiden wird«, sagte Simone und erzählte der Freundin, was sie von Herrn Frisch erfahren hatte.

»Das heißt, du musst nur besser als Jasper abschneiden, dann hättest du endlich deine feste Einnahmequelle, mit der du jeden Monat rechnen könntest.«

»Nicht ich, wir müssen besser abschneiden, Carola, ohne dich geht hier gar nichts, das weißt du.«

»Übertreibe nicht«, antwortete Carola und schaute verlegen zur Seite.

»Ich übertreibe sicher nicht.«

»Willst du Jasper ausstechen oder bestechen?«

»Bestechen? Womit?«

»Damit«, entgegnete Carola und deutete auf die fünf Rollen Wechselgeld, die Simone inzwischen aus ihrer Handtasche hervorgeholt hatte.

»Fünfzig Euro Kleingeld? Das wird nicht reichen, um einen Großverdiener wie Jasper zu überzeugen«, erwiderte Simone amüsiert und reichte Carola die eingerollten Münzen. »Wir müssen auf unsere Qualität vertrauen.« Hervorragende Qualität, freundliche Bedienung, Verlässlichkeit, ein Geschäft mit Atmosphäre, das waren die Begriffe, die in einem kürzlich erschienenen Zeitungsbericht über ihre Konditorei am häufigsten vorkamen.

Während Carola das Geld in die Kasse füllte, ließ Simone ihren Blick schweifen, betrachtete den Laden, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Hellgrüne Wände mit Fotografien der Umgebung in weißen Holzrahmen, der Boden schwarzweiß gefliest, die Verkaufstheke und die Regale aus rot glänzendem Ahorn, die Holzstiege, die hinauf in ihre Wohnung führte und von einem grünen Samtvorhang verdeckt wurde. Diese Verbindung zwischen Konditorei und privatem Bereich erzeugte bei ihren Kunden Vertrauen. Sie störten sich nicht daran, wenn es in dem kleinen Raum einmal eng wurde. Die meisten kannten sich und nutzten die Gelegenheit, Neuigkeiten auszutauschen. Hin und wieder durften sie auch einen Blick in die Backstube werfen und zusehen, wie Simone ihre Kuchen herstellte. Schon oft hatte sie von ihren Kunden gehört, dass der Besuch in der kleinen Konditorei für sie pures Glück bedeutete.

»Wenn wir gewinnen, dann wären wir so eine Art Hoflieferant für das Hotel Auenberg, eine Auszeichnung, die unseren Kundenstamm mit Sicherheit erweitern würde«, wandte sich Simone wieder Carola zu.

»Wir zwei Deerns verstehen unser Handwerk. Wenn wir unser Bestes geben, schaffen wir es«, erwiderte Carola.

»Wieso zwei Deerns? Wir sind doch drei norddeutsche Mädchen. Oder gehöre ich nicht dazu?« Ein Mädchen mit dicken blonden Zöpfen und großen blauen Augen lugte hinter dem Samtvorhang hervor.

»Natürlich gehörst du dazu, Emma«, versicherte Simone ihrer Tochter.

»Tut mir wirklich leid, Häschen, ich habe mich wohl vor lauter Aufregung verzählt«, entschuldigte sich Carola bei dem Kind.

»Du musst aber ganz schön aufgeregt sein, wenn du nicht mehr bis drei zählen kannst.«

»Frechdachs«, antwortete Carola lachend.

»Jasper steht da draußen«, flüsterte Emma, die das Schaufenster im Blick hatte.

Jasper Hansen, sportlich durchtrainiert, mit streichholzkurzen hellen Haaren und Dreitagebart, lehnte an der Motorhaube seines Mercedes’ und starrte auf die Konditorei. Offensichtlich kam er gerade aus seiner Backstube. Er trug noch seine Arbeitskleidung, graue Hose und weiße Konditorjacke.

»Ich bin weg!«, rief Emma und versteckte sich hinter dem Vorhang, als Jasper sich aufrichtete und näher kam.

»Moin, moin, die Damen!«, rief er, als er gleich darauf den Laden betrat.

»Jasper, was kann ich für dich tun?« Simone wich unbewusst einen Schritt vor ihm zurück.

»Was für eine scheinheilige Frage«, antwortete er mit einem herablassenden Grinsen. »Du weißt genau, was ich mir wünsche. Wie viele Anträge habe ich dir gemacht? Vier? Fünf? Oder waren es sechs?«

»Jasper, du bist sicher nicht hier, um mir einen weiteren Heiratsantrag zu machen.«

»Es wäre alles so einfach, Simone. Wir beide wären ein unschlagbares Team. Deine Klitsche wird nicht mehr lange existieren, das hat gar nichts mit mir zu tun. Der Markt löscht alles aus, was unrentabel ist.«

»Der Markt macht gar nichts, es sind die Menschen, die anderen das antun. Was willst du, Jasper?« Ich werde mich nicht von dir einschüchtern lassen, dachte Simone.

»Frisch hat dich auch angerufen?«

»Ja, ich weiß Bescheid. Wir werden uns miteinander messen.«

»Miteinander messen? Eine niedliche Umschreibung für einen harten Kampf. Hör zu, Süße, du hast nicht wirklich eine Chance. Die Auenberg wird gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer des Hotels, den sie übrigens persönlich vorstellen wird, über die zukünftigen Lieferanten entscheiden. Ich erwarte einen Manager der neuen Schule, knallhart und extrem gewinnorientiert. Ich werde alles in die Waagschale werfen, was mein Geschäft zu bieten hat. Das sind über hundert Angestellte und Tonnen von Mehl und Gewürzen. Was willst du dem entgegensetzen?«

»Warum redest du so böse mit meiner Mami?« Emma kam hinter dem Vorhang hervor und baute sich vor Jasper auf.

»Sieh an, die kleine Göre hat auch was zu sagen.« Jasper musterte das Mädchen in dem roten Kleid und den weißen Turnschuhen, das ihm so selbstbewusst entgegentrat.

»Erstens bin ich keine Göre, zweitens gehe ich nach den Ferien in die zweite Klasse. Ich bin nicht mehr klein, aber du bist wirklich sehr unfreundlich.«

»Und du bist vorlaut.«

»Geht es noch, Jasper? Du wirst dich doch nicht ernsthaft mit dem Kind anlegen?«, wies Carola ihn zurecht.

»Die Göre hat mich angegriffen.«

»Das ist albern«, erwiderte Carola kopfschüttelnd. »Simone, du solltest etwas sagen«, flüsterte sie und stieß die Freundin, die regungslos dastand und auf den Boden schaute, vorsichtig an.

Simone sah langsam auf und schaute ihren Mitbewerber direkt an. Sie hatte einen Augenblick gebraucht, um ihren Ärger über Jasper in den Griff zu bekommen. Sie wollte sich vor dem Kind nicht mit ihm streiten. »Es ist lächerlich, wie du auf Emma reagierst. Es ist auch sinnlos, dass du dir solche Mühe gibst, mich in die Ecke zu drängen. Ich werde gegen dich gewinnen.«

»Gewinnen? Ich habe mich wohl verhört, du leidest an Selbstüberschätzung, meine Liebe.«

»Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Jasper«, sagte Simone und hielt ihm die Tür auf.

»Eines Tages wirst du dich fragen, ob dein Widerstand es wert war. Die Konditorei Erdmann wird es nicht mehr lange geben«, schnaubte Jasper und marschierte davon.

»Das war großartig«, lobte Carola Simone.

»Habe ich wirklich gesagt, dass wir gewinnen werden?«

»Ja, ich habe es laut und deutlich gehört.«

»Vielleicht hat Jasper recht, und ich leide tatsächlich an Selbstüberschätzung.«

»Unsinn, wer nicht davon überzeugt ist, dass er etwas schaffen kann, der wird es nie zu etwas bringen.«

»Nach dieser Ansage zittern mir aber schon ein bisschen die Knie«, gab Simone zu.

»Dann gönne dir ein paar freie Stunden. Geh mit Emma an den Strand.«

»Ja, wir gehen an den Strand!«, jubelte Emma.

»Aber nur über Mittag.«

»Ihr könnt bleiben solange ihr wollt, ich komme schon zurecht. Außerdem lenkt die Arbeit mich ab, du weißt, wie dringend ich Ablenkung brauche«, seufzte Carola.

»Du willst dich ablenken, weil Sören wieder nach Dänemark gegangen ist und du deshalb traurig bist, stimmt’s?«, fragte Emma.

»Wenn er mich wirklich lieb gehabt hätte, dann wäre er nicht gleich nach seinem Studium wieder fortgegangen. Eine kleine Bäckerin und ein Chirurg, das passt wohl nicht.«

»So denkt Sören nicht«, widersprach Simone der Freundin.

»Warum ist er dann fort?«

»Er hat dir versprochen, dass er wiederkommt.«

»Ich habe seit zwei Wochen nichts mehr von ihm gehört.«

»Du hast eine Karte von ihm bekommen.«

»Ja, mit den Worten: Habe ein bisschen Geduld. Gemeint war damit wohl, dass ich ihn vergessen soll.«

»Wenn Sören nicht wiederkommt, dann musst du dir eben einen neuen Freund suchen«, mischte sich Emma in das Gespräch ein.

»Ja, vielleicht, irgendwann.«

»Was weg ist, ist weg, dann ist Platz für etwas Neues.«

»Das ist wahr, ohne Zweifel«, sagte Carola und verbiss sich das Lachen, während Simone ihre Tochter verblüfft anschaute.

»Ja, ohne Zweifel, weil meine Oma das gesagt hat, als ich in den Osterferien bei ihr und Opa in Bayern war und wir den Dachboden entrümpelt haben.«

»Deine Oma ist eine weise Frau«, stimmte Carola dem Kind zu. »So, nun ab mit euch«, forderte sie Simone und Emma auf.

»Mami muss sich noch umziehen«, erklärte das Mädchen und musterte das graue T-Shirt, das Simone zu ihrer Jeans trug.

»Sie hat recht, es kann nicht schaden, sich ein wenig hübsch zu machen«, schloss sich Carola Emma an.

»Heißt das, ihr findet mich hässlich?« Simone spielte die Gekränkte und fuhr sich mit einem Blick der Verzweiflung durch ihr langes blondes Haar.

»Aber Mami, du bist doch ganz wunderschön, nur das, was du anhast, ist nicht so schön.« Emma neigte ihr Köpfchen zur Seite und sah ihre Mutter unschuldig an.

»Wir gehen nur zum Strand, nicht zu einer Modenschau.«

»Mami, bitte.«

»Wenn dir so viel daran liegt, was soll ich anziehen?«

»Wir gucken mal in deinen Schrank«, erklärte Emma und stob vor Simone die Treppe hinauf.

*

Die Wohnung über der Konditorei hatte zwei Zimmer. Eines im ersten Stock und ein zweites unter dem Dach, das Simone für Emma eingerichtet hatte. Im Wohnzimmer nutzte Simone ein Bücherregal als Raumteiler und hatte sich so eine gemütliche Schlafecke geschaffen.

Unter dem Fenster neben der Balkontür hatte ein Esstisch seinen Platz, und in dem Einbauschrank neben dem Bad hatte Simone ihre Kleider untergebracht. Die offene Küche aber war das Schmuckstück des Zimmers, rot lackierte Möbel mit einer weißen Arbeitsplatte und weißen offenen Regalen.

»Das steht dir bestimmt gut, Mami.« Emma hatte die Schwebetür des Einbauschrankes zur Seite geschoben und tippte auf das mintfarbene Sommerkleid mit dem Margaritenmuster.

»Einverstanden.«

»Echt?« Emma war über den schnellen Entschluss ihrer Mutter offensichtlich erstaunt.

»Ja, Schatz, du hast eine gute Wahl getroffen.« Simone streichelte dem Kind über das Haar, nahm das Kleid aus dem Schrank und huschte ins Bad.

»Du siehst so schön aus«, stellte Emma fest, als Simone kurz darauf in dem Kleid und mit hochgestecktem Haar wieder zu ihr kam. »Mami, ich frage mich manchmal etwas«, sagte sie nachdenklich und sah Simone an.

»Was fragst du dich, mein Schatz?«

»Ich bin doch meistens ein braves Kind, du bist lieb und siehst schön aus. Warum haben wir denn noch niemanden gefunden, der ein Papa für mich sein könnte?«

»Das ist nicht so einfach, Emma.«

»Doch, es ist ganz einfach. Du musst dich nur verlieben, so wie Carola sich in Sören verliebt hat. Wenn der Verliebte dann wieder fortgeht, musst du dich eben wieder neu verlieben.«

Sie will meine Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöhen, deshalb sollte ich mich umziehen, dachte Simone und fragte sich, was in diesem klugen Köpfchen ihrer Tochter noch so alles vor sich ging.

»Oder will uns etwa keiner haben? So wie Lukas, der hat uns ja auch nicht gewollt«, riss Emma sie aus ihren Gedanken.

»Emma, nein, so darfst du nicht denken. Dein Vater hat dich sehr lieb. Er hat nur schon eine Familie.« Simone ging vor dem Kind in die Hocke und zog es zärtlich an sich. Es tat ihr in der Seele weh, wenn Emma so etwas sagte. Auch wenn sie selbst mit Lukas nicht mehr viel zu tun haben wollte und auf jede Unterhaltszahlung von ihm verzichtete, sie würde ihn vor Emma niemals schlecht machen.

Sie war Lukas während eines Urlaubs auf Hawaii begegnet. Die Inselwelt hatte sie ins Träumen versetzt, und der junge Ingenieur, der dort an einem Brückenprojekt mitarbeitete, eroberte ihr Herz. Dass er damals schon verheiratet war und zwei Kinder hatte, ahnte sie nicht. Als sie es herausfand, war Emma bereits unterwegs. »Du kannst deinen Papa jederzeit besuchen«, versicherte sie dem Kind.

»Ich kann aber seine Frau nicht leiden, die guckt mich immer so komisch an, und die anderen Kinder kümmern sich sowieso nicht um mich.«

»Deine Geschwister sind einige Jahre älter als du, irgendwann werdet ihr euch bestimmt gut verstehen.«

»Dann warte ich so lange, und wenn Papa mich sehen will, dann soll er mich besuchen.«

»Wenn du ihm das so sagst, dann wird er das auch machen.«

»Mir wäre aber ein Papa lieber, der immer für mich da ist. Wie merkt man denn eigentlich, dass man verliebt ist?«

»Wenn du dem Richtigen begegnest, dann fühlst du dich auf einmal ganz leicht.«

»So als könnte man fliegen?«

»Ja, es ist ein bisschen so wie Fliegen.«

»Dann ist Carola jetzt abgestürzt?«

»Nein, das glaube ich nicht«, antwortete Simone und bemühte sich, nicht laut aufzulachen. »Ich denke, sie fliegt noch, sonst wäre sie nicht so traurig. Aber nun haben wir genug über die Liebe philosophiert. Was hältst du davon, wenn wir heute eine Sandburg bauen?«

»Das ist eine gute Idee«, sagte Emma und rannte auf den Balkon, um ihr Sandspielzeug zu holen, das sie dort abgestellt hatte.

Simone legte die Hand auf das dunkel gemaserte Geländer der alten Holztreppe, während sie auf Emma wartete. Es fühlte sich gut an, dieses Haus zu besitzen. Vor fünf Jahren hatte sie die Konditorei von ihrer Großtante übernommen. Nach dem Tod der Tante vor zwei Jahren hatte sie auch das Haus geerbt und für sich und Emma eingerichtet. Die Konditorei und das Haus, das war eine Einheit. Sie würde nicht zulassen, dass Jasper das Lebenswerk ihrer Tante zerstörte.

*