Emmi in Korea 1: Urlaub mit Folgen - Stephanie Auten - E-Book

Emmi in Korea 1: Urlaub mit Folgen E-Book

Stephanie Auten

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zwischen Kimchi und K-Pop:
"Emmi in Korea" - Über das Leben einer deutschen Schülerin im fernen Asien

Ein seltsames Urlaubsziel haben sich Emmis Eltern für die Osterferien ausgesucht: Seoul in Südkorea - zehn Millionen Einwohner und am anderen Ende der Welt.
Dort angekommen merkt Emmi bald, dass es um viel mehr als einen Urlaub geht. Papa will in Südkorea arbeiten. Nicht nur für ein paar Wochen, sondern für ein paar Jahre! Und die ganze Familie soll mal eben mit. Ein Schock für die 12-Jährige!
Raus aus dem deutschen Nest, rein in die asiatische Mega-City - das klingt eigentlich total spannend. Aber dafür ihr altes Leben komplett hinter sich lassen? Wird Emmi wirklich so mutig sein? Und wie werden ihre besten Freundinnen Sina und Timo darauf reagieren?

Die etwas andere Buchreihe über große Veränderungen, Eltern, Freundschaft und natürlich... Liebe!

Insgesamt 6 Bände sind als E-Book erhältlich:

Band 1: Emmi in Korea - Urlaub mit Folgen
Band 2: Emmi in Korea - Umzug mit Hindernissen
Band 3: Emmi in Korea - Schulstart mit Herzklopfen
Band 4: Emmi in Korea - Herbstferien mit Nervenkitzel
Band 5: Emmi in Korea - Weihnachtszeit mit Pferdefuß
Band 6: Emmi in Korea - Neujahr auf Koreanisch

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Emmi in Korea

Band 1

Urlaub mit Folgen

 

Impressum

© / Copyright: Berlin, 2018 - Stephanie Auten

 

Anschrift:

Stephanie Auten

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

E-Mail: [email protected]

 

Korrektorat: Gitte Riedel

 

Umschlaggestaltung und -Illustration: Katharina Netolitzky,

https://katharina-netolitzky.jimdo.com/

 

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Impressum

Kapitel 1 – Wohin fliegt ihr nochmal?

Kapitel 2 – Herausforderungen

Kapitel 3 – Alles ganz normal

Kapitel 4 – Böse Vorahnung

Kapitel 5 – Der Schock

Kapitel 6 – Auf gar keinen Fall

Kapitel 7 – Oder vielleicht doch?

Kapitel 8 – Große Neuigkeiten

Kapitel 9 – Gar nicht so schlimm

Kapitel 10 – Der Moment der Wahrheit

Kapitel 11 – Alle Augen auf Emmi

Kapitel 12 – Keiner versteht mich

Kapitel 13 – Heimlichkeiten

Kapitel 14 – Eine Idee

Kapitel 15 – Ein Versuch

Kapitel 16 – Die bittere Wahrheit

Kapitel 17 – Toller Geburtstag

Ausblick und Feedback

Danksagung

 

Kapitel 1 – Wohin fliegt ihr nochmal?

 

Achtung bitte: Herr Thomas Schulze, ich wiederhole: Thomas Schulze, wird gebeten, sich dringend zum Informationsschalter C zu begeben.

Zum gefühlt zehnten Mal innerhalb von zwanzig Minuten ertönt diese Durchsage durch die Lautsprecher der riesigen Abfertigungshalle.

Genervt dreht sich Emmi zu ihren Eltern: „Wieso geht der nicht endlich zu diesem blöden Schalter? Das kann man doch gar nicht überhören, so oft wie er mittlerweile aufgerufen wurde.“

„Wahrscheinlich ist er auf einem der Massage-Sessel eingeschlafen“, sagt Papa und tippt geschäftig in sein Handy. Typisch Papa, selbst im Urlaub immer am Arbeiten. Emmi hätte sich nicht gewundert, wenn er im Anzug anstatt in Jeans und Pullover zum Flughafen gefahren wäre.

Mama unterbricht das Lied, das sie eben vor sich hin geträllert hat. „So einen Massage-Sessel könnte ich jetzt auch gebrauchen“, sagt sie und wuppt ächzend Emmis kleinen Bruder Benno auf den Arm. Mama ist immer am Singen. Kein Wunder, sie ist ja auch Gesangslehrerin, wenn sie nicht gerade kleine Brüder auf die Welt bringt.

„Ich kann ihn auch mal nehmen“, sagt Emmi und streckt die Arme aus, doch in diesem Moment klingelt ihr eigenes Handy in ihrer Jackentasche. „Oder doch nicht“, murmelt sie und lächelt Mama entschuldigend an.

„Ja, ja. Seid ihr beide wieder besonders wichtig heute“, sagt sie mit einem spöttischen Grinsen, während sie Benno hin und her schaukelt und ihr Lied von eben wieder aufnimmt.

Emmi kramt ihr Telefon aus der Tasche ihrer Kapuzenstrickjacke und schaut auf das Display. Ein Videoanruf von…

„Lass mich raten: Schon wieder Sina?“, fragt Papa, ohne von seinem Telefon aufzuschauen. „Ihr seht euch doch schon in einer Woche wieder.“

„Ja“, sagt Emmi und schaut ihren Vater gespielt verständnislos an, „erst in einer Woche“, und nimmt ab.

„Ein Glück, du sitzt noch nicht im Flieger“, sprudelt es aus Sina heraus, kaum dass Emmi die Kopfhörerstöpsel in ihre Ohren gesteckt hat. „Ich habe eben Jonas gesehen, als ich kurz mit meiner Mutter einkaufen war. Er sah wieder sooo süß aus!“, quietscht Sina so laut in Emmis Ohren, dass sie die Augen zusammenkneift.

Emmi legt den Finger auf den Lautsprecher und seufzt kräftig. Nicht schon wieder das Jonas-Thema! Zum Glück ist die Internet-Verbindung am Flughafen mehr schlecht als recht, so dass Sina trotz Videochat Emmis leicht genervten Gesichtsausdruck nicht sehen kann. Zumindest nicht so deutlich.

Seit Monaten hat ihre beste Freundin kein anderes Thema als Jonas aus der achten Klasse. Und obwohl Sina wirklich Emmis allerbeste Freundin ist, kann sie nicht dieselbe Überzeugung mit ihr teilen, dass der beliebteste Junge der Mittelstufe sich ausgerechnet für eine 12-Jährige aus der sechsten Klasse interessiert.

Na gut, Emmi ist noch zwölf. Sina ist immerhin schon dreizehn.

„So, so. Jonas war also einkaufen?“, fragt Emmi mäßig interessiert nach. „Und? Hast du einen Joghurtbecher vor seine Füße klatschen lassen, er ist darauf ausgerutscht, hat dich mitgerissen, ihr habt euch tief in die Augen geschaut und euch dann romantisch vorm Quark geküsst?“

„Nein!“ Sina lässt sich von Emmis ironischem Unterton nicht aus dem Konzept bringen: „Vorm Hüttenkäse.“

Sie macht eine theatralische Pause, um sich zu sammeln.

Emmi trottet hinter ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder einen Schritt weiter in der Schlange zur Gepäckabgabe am Frankfurter Flughafen. Nur noch eine Stunde, dann fliegen sie in dieses komische Land, das ihre Eltern so kurzfristig für ihren Osterurlaub ausgesucht haben: Südkorea.

„Aber jetzt mal im Ernst. Es war so, so, so peinlich!“

Nun horcht Emmi doch auf. Wenn Sina einen Satz mit den Worten Es war so peinlich beginnt, dann kann die Geschichte nur gut werden.

„Ich bin hinter ihm hergeschlichen, um herauszufinden, was er so einkauft.“

„Was soll das denn bringen?“, unterbricht Emmi ihre beste Freundin direkt wieder. „Meinst du, er verliebt sich auf der Stelle, wenn er sieht, dass du dieselbe Leberwurst kaufst wie er?“

„Hm, Leberwurstküsse“, sagt Sina und bekommt einen Lachanfall, der so laut ist, dass Emmi kurz die Kopfhörerstöpsel aus ihrem Ohr nehmen muss.

„Nee, das kann ich mir nicht vorstellen. Jonas ist zu perfekt, um Leberwurst zu essen. Und wenn er wirklich Leberwurst essen sollte, wäre das für mich ein Grund, mich auf der Stelle zu entlieben.“

„Als ob!“, antwortet Emmi. „Selbst, wenn Jonas sich Leberwurst unter die Achseln reiben würde, wärst du doch total verrückt nach ihm.“

Emmis Papa dreht sich nach ihr um und schaut sie irritiert an. Wahrscheinlich, weil sie zwei Mal innerhalb von zwei Sätzen das Wort Leberwurst erwähnt hat. Emmi zuckt mit den Schultern und betrachtet die Falten auf seiner hohen Stirn.

„Willst du gar nicht wissen, was ich Peinliches im Supermarkt angestellt habe?“, fragt Sina ungeduldig.

„Aber unbedingt“, sagt Emmi und rückt einen weiteren Schritt zu ihren Eltern auf. Nur noch ein paar Leute vor ihnen, dann wird sie endlich ihren unglaublich schweren Koffer los. Dabei hat sie wirklich nur das Nötigste eingepackt.

„Also ich war ganz nah an ihm dran beim Käseregal“, holt Sina Emmi aus ihren Gedanken.

Emmi muss jetzt schon grinsen. Sie kennt Sina seit dem Kindergarten – sie weiß genau, dass Sina eine Meisterin darin ist, sich im passenden Moment bis auf die Knochen zu blamieren.

„Gerade als ich so nah an ihm dran war, dass ich fast sehen konnte, welchen Käse er mag, hat meine Mutter durch den ganzen Supermarkt gebrüllt.“

Emmi kichert los, obwohl sie noch gar nicht weiß, was Sinas Mutter ihr zugerufen hat. Aber das Talent, mit Anlauf in Fettnäpfchen zu springen, hat Sina eindeutig von ihrer Mutter.

„Lass mich raten: Sie hat dich gefragt, ob du noch Binden oder Tampons brauchst?“

„Wenn es mal so gewesen wäre. Das hätte ihm ja immerhin gezeigt, wie erwachsen ich schon bin.“

Emmi beobachtet durch das Display ihres Handys, wie Sina mit einer Hand demonstrativ ihre Locken nach hinten wirft. Sie scheint noch in ihrem Bett zu liegen, während Emmi schon seit 6 Uhr auf ist. Und das an einem Samstag.

„Sehr erwachsen siehst du aus in deinem rosa Einhorn-Schlafanzug. Sind Einhörner nicht schon längst wieder out?“, stichelt sie, wohlwissend, dass Sina ihren alten, abgetragenen Schlafanzug über alles liebt.

„Lenk nicht ab! Und nein, Einhörner werden nie out. Nie, nie, niemals.“

„Wenn du das sagst.“ Emmi lächelt breit in ihr Handydisplay. „Und? Was hat deine Mutter gesagt?“

„Sie hat gesagt,“ Sina kommt näher an die Handykamera – so nah, dass ihr Gesicht unnatürlich rund und groß wird. Sie schaut nach links und rechts, als ob sich ein geheimer Spion in ihrem Zimmer befinden würde.

Emmi reckt den Hals und macht ein gespanntes Gesicht.

„Mum hat mir zugerufen, dass sie den Blumenkohl doch wieder zurücklegt. Davon hätte ich doch letztens so Blähungen und Durchfall bekommen.“

Emmi beobachtet kichernd, wie Sina sich mit der flachen Hand mehrmals an die Stirn klatscht.

„Hat er es mitbekommen?“, fragt Emmi nach Luft japsend.

„Natürlich hat er das! Er hat sich umgedreht und mich angegrinst“, schließt Sina ihre Erzählung.

„Na, ist doch super.“ Emmi grinst Sina breit durch die Kamera ihres Handys an. „Jetzt weiß er wenigstens, dass er bei eurem ersten romantischen Picknick kein Blumenkohlschnitzel auftischen sollte.“

„Oder er setzt sich in der Schulkantine demnächst in die entgegengesetzte Ecke, wenn es Blumenkohl gibt.“

Emmi lacht so laut auf, dass sich nun auch Mama nach ihr umdreht. Im Gegensatz zu Papa grinst sie, wird aber sofort wieder von Benno abgelenkt, der auf ihrem Arm gerade versucht, ihre Pässe anzukauen.

„Wie heißt die Stadt nochmal, wo ihr hinfliegt?“, wechselt Sina urplötzlich das Thema.

„Ernsthaft, Sina?“ Emmi schüttelt demonstrativ den Kopf. „Das habe ich dir doch schon zigmal gesagt. Ich glaube, das letzte Mal vor einer Stunde.“

Emmi ist der festen Überzeugung, dass Sina ohne sie nicht lebensfähig ist, denn Sina vergisst alles: Die Hausaufgaben, den Geburtstag ihrer eigenen Mutter oder eben das Urlaubsziel ihrer besten Freundin – auch wenn es gefühlt die exotischste Stadt ist, die es auf der Welt gibt.

„Ich habe dir doch vorgestern erst die Bilder auf Google gezeigt: Wolkenkratzer, alte Holzhäuser mit Schiebetüren, Essen mit Stäbchen. Du erinnerst dich vielleicht dunkel?“

„Ja, doch. Es liegt mir auf der Zunge – So… so…“

„Na komm, Sina. Nur noch ein Buchstabe. Das schaffst du!“

Sina macht ein angestrengtes Gesicht, als würde sie gerade eine schwierige Matheaufgabe lösen: „So… So… Son… Som… Sombrero, Sojasoße…“

„Sonnenstich?“, wirft Emmi ein.

„Sockenschuss?“, kontert Sina und wirft die Arme nach oben. „Ach, was weiß ich! Du hast gewonnen.“

„Was denn?“, fragt Emmi. „Eine vergessliche Freundin?“

„Dafür habe ich andere Qualitäten“, erwidert Sina und zwinkert ihr zu.

Bevor Emmi nachfragen kann, welche das denn genau sind, fährt Sina ungeduldig fort:

„Also wie heißt jetzt die tolle, asiatische Riesen-Mega-Großstadt mit 10 Millionen Einwohnern, gegen die unsere Kleinstadt das reinste Kuhkaff ist?“

„Seoul, Sina. S-E-O-U-L. Die Hauptstadt von Südkorea. Wie das englische Wort soul für Seele, nur mit e.“

„Also hat doch mehr als ein Buchstabe gefehlt. Kein Wunder, dass ich nicht auf den Namen gekommen bin“, schlussfolgert Sina mit so entwaffnender Logik, dass Emmi nichts darauf einfällt. Zumal sie gerade auch keine Lust hat, Sina lang und breit zu erklären, dass man Seoul trotz der zusätzlichen Buchstaben einfach nur Sssoool ausspricht.

„Ach Sina, was soll ich nur eine Woche lang ohne dich und deinen messerscharfen Verstand machen?“, seufzt Emmi stattdessen.

„Wieso, bin ich nicht immer live dabei? Gibt es da, wo ihr hinfliegt, etwa kein Internet?“

„Ich glaube, in Südkorea gibt es überall Internet. Hat Timo zumindest behauptet. Er war immer noch ganz aus dem Häuschen, dass ich nach Seoul fliege und er nicht.“

„Aber warum? Was gibt es denn dort so Tolles?“

„Du meinst außer Waschbären-Cafés?“

„Es gibt dort Waschbären-Cafés? Mit echten Waschbären?“

„Und mit Schafen und Kängurus. Katzen-Cafés sind denen anscheinend zu langweilig.“

„Und Timo ist jetzt neidisch, weil du ins Waschbären-Café gehst und er nicht?“

„Mit Sicherheit auch das. Aber er ist noch viel neidischer darauf, dass dort die besten Computerspieler der Welt leben. Als ob das eine Sehenswürdigkeit wäre.“

„Uh, wie langweilig“, sagt Sina und gähnt demonstrativ. „Aber vielleicht kann man die in Korea auch in einem Café angucken.“

„Und vielleicht auch streicheln“, kichert Emmi.

Mama bedeutet ihr mit einem Winken, dass sie direkt zum Security-Check gehen. Emmi nickt Mama zu.

„Macht ihr eigentlich was zusammen, während ich weg bin? Also Timo und du?“, fragt Emmi beiläufig, während sie ihren Pass von Mama entgegennimmt.

Obwohl Emmi sowohl mit Sina als auch mit Timo befreundet ist, machen sie immer nur zu dritt etwas zusammen. Außer morgens, wenn Emmi und Timo gemeinsam zur Schule laufen. Timo lebt seit zwei Jahren mit seinen Eltern im Reihenhaus direkt nebenan. Auch Emmis Eltern sind erst vor fünf Jahren in die neugebaute Siedlung gezogen, während Sina mit ihrer Mutter noch immer in einer kleinen Wohnung in einem großen Mehrfamilienhaus am Rande ihrer Kleinstadt lebt.

Sina zuckt mit den Schultern. „Ich weiß noch nicht. Ich habe Timo zwar gefragt, aber er hat sich rausgeredet. Ich glaube, er will gar nichts mit mir alleine unternehmen.“

„Er hat bestimmt Angst, dass du zu laut furzt, weil du wieder Blumenkohl gegessen hast.“

„Du blöde Kuh!“ Sina kringelt sich so vor Lachen in ihrem Einhorn-Pyjama, dass ihre Korkenzieherlocken wild durcheinanderwirbeln.

Um Sinas Mähne beneidet Emmi ihre beste Freundin wirklich. Emmis Haare hängen nicht nur wie plattgeklopfte Spaghetti auf ihre Schultern runter, sie haben auch noch eine undefinierbare dreckigblonde Farbe, während Sina mit ihren goldenen Locken wie ein Engel aussieht – und in der jährlichen Schulaufführung in der Grundschule auch immer die Engelrollen abbekommen hat, sofern denn Engel darin vorkamen. Emmi war deswegen immer ein bisschen eifersüchtig auf Sina. Nur ein ganz kleines bisschen.

Sina sollte mit nach Asien fliegen, denkt Emmi. Sie würde bestimmt toll dort ankommen mit ihren Haaren, ihren großen, runden Augen und dem kleinen Gesicht. Wie in einem Anime.

Emmi hingegen sieht nicht im Geringsten wie eine Comic-Figur aus. Eher wie ein zu groß geratener Wischmopp. Und zwar nicht nur wegen ihrer Spaghetti-Haare. Der Rest ihres Körpers ist so lang und platt wie ein Besenstiel.

Während alle anderen Mädchen in ihrer Klasse, inklusive Sina, deutliche Anzeichen der beginnenden Pubertät zeigen, kann Emmis Körper nur eines: In die Länge wachsen.

„Mir ist gerade noch was zu Südkorea eingefallen“, sagt Sina plötzlich.

„Jetzt bin ich aber gespannt.“

„Südkorea“, sagt Sina lehrerhaft und hebt den Zeigefinger, „ist das Land, aus dem die K-Pop-Bands kommen.“

Schon wieder muss Emmi lachen. Sie vermisst ihre beste Freundin jetzt schon.

„Fahrt ihr deswegen dahin?“, fragt Sina.

Emmi steht auf dem Schlauch: „Wie meinst du das?“

„Na, stehen deine Eltern neuerdings auf K-Pop?“

Emmi muss so heftig lachen über Sinas absurde Logik, dass ihr Tränen in die Augen schießen. Ein paar Köpfe in der Warteschlange drehen sich in ihre Richtung. Aber das ist Emmi ausnahmsweise egal. Die Vorstellung, dass ihr wichtiger Business-Papa, den sie unter der Woche immer nur im Anzug aus dem Haus gehen sieht, zu zuckersüßen K-Pop-Liedern hin und her hüpft, ist einfach zu drollig.

„Keine Ahnung, was meine Eltern dort wollen. Wir fliegen ja auch nur für eine Woche da hin, dabei dauert der Flug megalang.“

„Wie lang denn?“

„Ich glaube, elf Stunden oder so.“

„Wahnsinn! Was soll man denn elf Stunden in einem Flugzeug machen?“

„Zwei Mal essen, mindestens drei Filme und hoffentlich genauso viele Serien gucken“, antwortet Emmi. „Zumindest hat Papa das gesagt.“

Emmi ist selbst noch nie so lange geflogen und ist deswegen mächtig nervös.

„Ich wäre ja schon zufrieden, wenn meine Mum mal mit mir nach Paris fährt“, sagt Sina und schaut verträumt aus dem Fenster. „Von mir aus auch mit dem Zug.“

Ein Hauch von schlechtem Gewissen überkommt Emmi. Während sie regelmäßig mit ihren Eltern in den Sommerurlaub fliegt, kann Sinas Mutter sich keine Reisen leisten. Emmi weiß das und Sina weiß es auch.

Mama dreht sich zu Emmi um: „Schluss jetzt. Wenn wir durch den Sicherheits-Check durch sind, müssen wir uns beeilen. Sag Sina viele Grüße!“

„Okay, ich muss Schluss machen, Sina“, sagt Emmi mit einem kleinen Kloß im Hals. „Ich melde mich, wenn ich angekommen bin.“

„Ich hab dich lieb“, sagt Sina und winkt ihr zu.

„Ich dich auch.“ Emmi winkt zurück und legt auf.

Sie nimmt die Kopfhörer aus dem Ohr und legt sie neben ihr Handy in eine graue Plastikwanne, die anschließend über ein kleines Fließband durch einen Scanner fährt. Ihren Rucksack legt sie in eine zweite Wanne.

„Die Strickjacke bitte auch ausziehen“, sagt die Frau hinter dem Fließband.

Bitte nicht, denkt Emmi. Unter ihrer dunkelblauen, dicken Kapuzenstrickjacke trägt sie nur ein knappes Top ohne Ärmel, das nicht nur ihren dünnen, langgezogenen Oberkörper, sondern auch ihre dünnen, langen Arme zur Schau stellt.

Spinnenarme.

Spinnenbeine.

Clarissa, diese dumme Kuh aus der achten Klasse hat das mal zu ihr gesagt. Einfach so, in der Hofpause kurz vor den letzten Sommerferien, als Emmi schon einen Kopf größer war als alle anderen in ihrer Klasse. Dabei war Clarissa selbst mindestens genauso groß.

Emmi muss schlucken bei der Erinnerung an diesen unsäglichen Moment auf dem Schulhof.

„Muss das sein?“, mault sie die Frau von der Sicherheitsfirma an.

„Emmi, tu gefälligst, was die Frau dir sagt!“, sagt Mama scharf von der Seite.

Widerwillig schält sich Emmi aus ihrer Jacke und legt sie in die Plastikwanne. Sie fühlt sich plötzlich unglaublich nackt und hält die Arme vor ihrem Oberkörper überkreuzt. Sie hat das Gefühl, dass alle Blicke auf sie gerichtet sind, auch wenn die Leute um sie herum eher gelangweilt in der Gegend rumschauen, anstatt ihr auf den nicht vorhandenen Busen zu starren.

Eine zweite Frau bedeutet Emmi mit einem Nicken, dass sie nach vorn treten kann. Es ist einer dieser neuen Ganzkörperscanner, bei dem man nicht mehr von einer Person mit einem Scangerät abgetastet wird, sondern man die Arme heben und eine Weile so stehen bleiben soll, damit der Scanner den gesamten Körper nach versteckten Gegenständen abscannen kann.

Theoretisch weiß Emmi das auch. Papa hat es ihr vorher erklärt.

Praktisch fühlt sie sich so unwohl, in ihrem kurzen Top auch noch die Arme von ihrer Brust zu nehmen und weit anheben zu müssen, dass sie viel zu schnell die Arme wieder senkt und hektisch aus dem Rahmen hinausläuft.

Es piept laut.

„Hey“, ruft eine der Frauen von der Securityfirma, „nochmal zurück!“

Emmi spürt, wie sie dunkelrot anläuft.

Wenn sie bisher keiner bemerkt hat, werden spätestens jetzt alle die Köpfe recken, wer da schon wieder den Verkehr aufhält.

Sie dreht sich um und wagt es nicht, den Passagieren hinter ihr ins Gesicht zu schauen. Bestimmt sind sie total genervt von ihr.

Emmi zwingt sich zur Ruhe, tritt erneut in den Scanner und hebt die Arme.

Es piept erneut, diesmal deutlich leiser.

Emmi rechnet fest damit, dass die Security-Frau sie auffordern wird, nun auch noch ihre Hose auszuziehen. Doch diese sagt nur freundlich „Alles in Ordnung“, zwinkert ihr aufmunternd zu und schiebt Emmi die beiden Plastikwannen mit ihrem Rucksack, ihrem Handy und ihrer Jacke entgegen.

Erleichtert atmet Emmi aus und schnappt sich blitzschnell wie ein Adler auf Beutejagd ihre Jacke.

Erst als sie den Reißverschluss ihrer Kapuzenstrickjacke hochgezogen hat, fühlt sie sich wieder sicher.

„Da bist du ja endlich“, sagt Mama hektisch, während Emmi sich ihre Kopfhörer wieder ins Ohr steckt. „Was hat denn da so lang gedauert?

---ENDE DER LESEPROBE---