Emmi in Korea 4: Herbstferien mit Nervenkitzel - Stephanie Auten - E-Book

Emmi in Korea 4: Herbstferien mit Nervenkitzel E-Book

Stephanie Auten

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Beschreibung

Zwischen Kimchi und K-Pop: "Emmi in Korea" - Über das Leben einer deutschen Schülerin im fernen Asien

Endlich Herbstferien!

Emmi hatte sich so sehr auf den Trip nach Deutschland gefreut! Aber dann muss Papa plötzlich doch in Seoul arbeiten. Kurzerhand beschließt Mama, anstatt nach Hause auf die kleine koreanische Insel Jeju zu fliegen.
Angeblich soll Jeju das Hawaii Koreas sein, doch das kann Emmi nicht trösten. Alle kennen Hawaii! Aber wer hat bitteschön schonmal von Jeju gehört?
Zu allem Überfluss soll Emmi ihre Ferien nur mit Mama und ihrem kleinen Bruder Benno verbringen, anstatt mit Opa, Sina und Timo. Das kann doch nur stinklangweilig werden! Oder etwa nicht?
Teil 4 der etwas anderen Buchreihe „Emmi in Korea“ über große Veränderungen, Freundschaft, Eltern und natürlich… Liebe!
Insgesamt sind sechs Bände erschienen:
Band 1: Emmi in Korea - Urlaub mit Folgen
Band 2: Emmi in Korea - Umzug mit Hindernissen
Band 3: Emmi in Korea - Schulstart mit Herzklopfen
Band 4: Emmi in Korea - Herbstferien mit Nervenkitzel
Band 5: Emmi in Korea - Weihnachtszeit mit Pferdefuß
Band 6: Emmi in Korea - Neujahr auf Koreanisch

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Kapitel 1 – Morgenroutine

Kapitel 2 – Reifeprüfung

Kapitel 3 – Falsche Antwort

Kapitel 4 – Schwere Entscheidungen

Kapitel 5 – Regentage

Kapitel 6 – Reif für die Insel

Kapitel 7 – Je oller, je doller

Kapitel 8 – Der große Tag

Kapitel 9 – Telepathie

Kapitel 10 – Retter in der Not

Kapitel 11 – Bitte, Mama!

Ausblick und Feedback

Danksagung

Emmi in Korea

***

Band 4

Herbstferien mit Nervenkitzel

Impressum

©/Copyright: Berlin, 2020 - Stephanie Auten

Anschrift:

Stephanie Auten

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

E-Mail: [email protected]

Korrektorat: Gitte Riedel

Umschlaggestaltung und -illustration: Katharina Netolitzky,

https://katharina-netolitzky.jimdo.com/

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Kapitel 1 – Morgenroutine

„Sina? Sina, kannst du mich hören?“

Emmi steht, wie fast jeden Nachmittag nach der Schule, mit dem Handy in der Hand und Kopfhörern im Ohr vor dem Kühlregal in dem winzigen Laden neben ihrem Seouler Wohnhaus. Sie greift nach einem weiß-braunen Schokomilchpäckchen mit dem Snoopy-Motiv. Es gibt noch andere Marken, aber Emmi kauft immer nur die Snoopy-Milch. Wahrscheinlich, weil sie den kleinen Comic-Hund schon vorher aus Deutschland kannte, während die anderen Milch-Packungen mit den koreanischen Schriftzeichen am Anfang ganz fremd aussahen. Es gibt auch Erdbeer-, Bananen- und Vanillemilch, aber Snoopy-Schoko mag Emmi mit Abstand am liebsten.

„Sina? Sina, was machst du denn?“

Während auf Emmis Handydisplay nur ein Teil des Geimersheim’schen Badezimmers, aber keine Sina Geimersheim zu erkennen ist, wandert Emmi gedankenverloren an den vollgestopften Regalen vorbei und überlegt, wie viel ihres koreanischen Taschengeldes sie wohl schon in dem kleinen Laden gelassen hat, der sich direkt neben dem Erdgeschoss ihres Hochhauses befindet. Trotzdem fast immer ein älterer, sehr dünner koreanischer Mann mit einer Vorliebe für klassische Musik vor Ort ist, nennen Mama und Papa das kleine Geschäft konsequent Tante-Emma-Laden. Obwohl er doch eher Onkel-Han-Laden oder so ähnlich heißen müsste. Und außerdem kennen Mama und Papa überhaupt keine Emma. Also zumindest keine, die älter als zehn ist.

Dieser Laden ist nicht der einzige Tante- oder Onkel-Laden seiner Art, es gibt tausende, wenn nicht sogar zehntausende in ganz Seoul. Und das ist bestimmt nicht übertrieben, überlegt Emmi, denn die südkoreanische Hauptstadt hat über zehn Millionen Einwohner.

Im Gegensatz zu den Ladenöffnungszeiten in Deutschland haben die manchmal winzig kleinen Mini-Supermärkte immer auf. Auch am Sonntag und auch nachts.

Das hat Emmi zumindest gehört, denn bisher hatte sie nie die Gelegenheit nachzuschauen, ob ihr Laden tatsächlich nachts durchgehend geöffnet hat. Obwohl sie nun schon dreizehneinhalb ist, muss Emmi unter der Woche immer noch rechtzeitig zum Abendessen und an den Wochenenden spätestens um 21 Uhr zu Hause sein.

Daran hat sich auch in Korea nichts geändert.

Im Gegenteil: Wehe, Emmi kommt zehn Minuten zu spät und meldet sich nicht! Dann bringt es Mama fertig, einen Notruf in den Klassenchat abzusetzen.

Superpeinlich!

Aber Emmi ist auch selbst schuld: Gleich in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft in einer völlig neuen Stadt auf einem völlig fremden Kontinent hatte sie es nicht nur fertiggebracht, sich hoffnungslos zu verlaufen, sie war auch noch so blöd gewesen, in einen Bus zu steigen! Einfach so. Ohne Ticket und ohne Ahnung, wo der Bus überhaupt hinfährt. Zuhause hatte Emmi immer ein Schülerticket gehabt und nie auch nur einen Gedanken an so etwas Banales wie Fahrkarten verschwendet. Und außerdem kennt sie daheim fast jede Ecke. Emmi konnte sich schlichtweg überhaupt nicht vorstellen, dass es hier in Korea anders ist. Dabei ist Seoul, hatte Emmi später nachgerechnet, hundert Mal so groß wie ihre Heimatstadt!

Unglaublich, wie naiv sie damals noch war!

Also damals vor zwei Monaten.

„Zwei Monate!“, murmelt Emmi leise vor sich hin. Also noch ein Jahr und zehn Monate in Korea. Plusminus. Damit rechnet Emmi fest. Aber hat ihr Anne nicht vor ein paar Wochen von einem Mädchen aus ihrer Zeit in Shanghai erzählt, deren Vater immer wieder seinen Arbeitsvertrag verlängert hat, so dass sie letztendlich sechs Jahre dort waren.

Unglaubliche sechs Jahre!

Da wäre Emmi ja mit der Schule fertig und würde ihr Abitur in Korea machen, wenn sie es denn soweit schafft. Ob sie…

„Em? Hast du was gesagt?“ Sinas Stimme lässt Emmi aus ihren Gedanken hochschrecken. Sie bleibt mitten in dem schmalen Gang mit den unzähligen Chipspackungen und den zum Teil äußert gewöhnungsbedürftigen Geschmacksrichtungen stehen. In acht von zehn Fällen schmecken sie nach Fisch.

„Na endlich, du…?“ Emmi runzelt die Stirn. Der Gedanke, nicht nur zwei, sondern viele, viele Jahre in Asien zu verbringen, hat sie verwirrt. Und Sinas Anblick verwirrt sie nochmal mehr. Irgendwie sieht ihre allerbeste Freundin heute komisch aus. Emmi kneift die Augen zusammen, um Sina besser erkennen zu können.

„Emmi, ich hab keine Zeit mehr“, ruft die ihr hektisch zu. „Ich habe immer noch meinen Schlafanzug an und ich muss zur Schule in…“ Sinas Auge schnellt in Richtung Kamera, um die Uhrzeit am oberen, rechten Rand des Handys erkennen zu können.

Emmi zuckt für den Bruchteil einer Sekunde zurück. Dann erkennt sie, was an Sina heute so komisch aussieht und grinst: „Äh, Sina… ich glaube, du musst noch…“

„Scheiße!“, kräht Sina dazwischen. „In fünf Minuten kommt der Bus!“ Ihre sowieso schon hohe Stimme überschlägt sich fast. „Emmi, wir sprechen später, okay? Küsschen!“

Und schwupp, hat sie aufgelegt.

„Du musst noch dein linkes Auge schminken“, murmelt Emmi ihren angefangenen Satz zu Ende. Sie seufzt und geht mit ihrer Snoopymilch zur Kasse. Kurz überlegt sie, ob sie noch Geld für einen Schokoriegel übrighat, ist dann aber doch zu geizig.

So geht das schon seit Wochen mit Sina. Ihre beste Freundin war schon immer eine Langschläferin. Die Snooze-Taste ihres Weckers findet Sina im Schlaf und ohne hinzugucken. Und früher hat Emmi das auch nie gestört. Wenn sie beieinander übernachtet haben, konnten sie ja meist am nächsten Tag ausschlafen.

Doch seit Emmi in Korea lebt, müssen sie ihre Telefonate planen. Und das ist mit einer Chaos-Queen wie Sina gar nicht so einfach: Bei sieben Stunden Zeitverschiebung, zumindest in der Sommerzeit, ist ihre beste Freundin gerade erst aufgestanden, wenn Emmi mit der Schule fertig ist. In diesem kurzen Zeitfenster hatten sie sich anfangs zum Chatten verabredet. Doch es hat sich schnell herausgestellt, dass das nur dienstags und freitags funktioniert, wenn Emmi keinen Unterricht oder AGs am Nachmittag hat. Im Unterricht und in den Pausen sind Handys an der Deutschen Schule Seoul verboten, genauso wie in ihrer alten Schule in Deutschland. Zwar können sie sich den Rest der Zeit schreiben oder süße Videos von Hunden oder Pferden hin- und herschicken, aber irgendwie ist das doch nicht dasselbe wie jeden Tag zusammen in derselben Schule zu sein.

Zweimal miteinander zu sprechen unter der Woche ist schon extrem wenig, findet Emmi. Wo sie und Sina doch früher jeden Tag stundenlang gequatscht haben. Aber zweimal wäre besser als nichts, würde Sina nicht regelmäßig so spät aufstehen, dass sie nicht mal mehr ein paar Minuten haben.

Wenn Sina wenigstens in der Lage wäre, zwei Dinge gleichzeitig zu tun! Oft ist sie so konzentriert darauf, sich morgens im Bad mit aufgerissenem Mund die Wimpern zu tuschen, dass sie nicht in der Lage ist, aufzunehmen, was Emmi ihr gerade erzählt. Geschweige denn, selbst etwas zu erzählen. Im Endeffekt sieht Emmi Sina also zwei Mal pro Woche, wenn überhaupt, dabei zu, wie die sich für die Schule fertigmacht. Als würde Emmi ein Video auf Youtube schauen – Sinas Morgenroutine oder so.

Die wirklich wichtigen Dinge können sie oft nur am Wochenende bequatschen. Und das ist dann immer so viel, dass Emmi auch nach anderthalb Stunden Chat mit Sina nicht das Gefühl hat, hundertprozentig zu wissen, was in ihrer alten Schule gerade so passiert.

Und das passt Emmi ganz und gar nicht.

„Kamsahamnida.“ Gedankenverloren nickt Emmi dem Laden-Onkel zu und tritt ins Freie. Sofort schlägt ihr die immer noch schwüle Wärme wie eine Wand entgegen, obwohl es bereits Anfang Oktober ist und damit nicht mehr ansatzweise so heiß und feucht wie im August, als Emmi mit ihrer Familie in Seoul angekommen ist. Doch mittlerweile machen ihr die Temperaturen kaum noch etwas aus. Wie so vieles, was ihr noch vor ein paar Monaten unvorstellbar erschien – zum Beispiel in einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht, in einen Laden zu gehen, um etwas zu kaufen. Und zwar allein, ganz ohne Mama und Papa im Schlepptau!

Vom Onkel-Han-Laden sind es exakt fünf Schritte zu der großen Glasschiebetür ihres Wohnhauses, die sich automatisch öffnet, wie in einem Kaufhaus. Hier im Eingangsbereich ist es genauso kalt wie im Onkel-Laden. Die Klimaanlage läuft auch hier auf Hochtouren. Wie lang die wohl noch an sein werden? Es ist zwar noch warm, viel wärmer als in Deutschland, aber immerhin ist es Oktober.

Herbstferienzeit.

Die Emmi supergern mit Sina verbracht hätte.

Wie auf Kommando vibriert ihr Handy.

Der Bus ist heute eine Minute später gekommen. YES!!!

Emmis Lippen ringen sich zu einem kleinen Schmunzeln durch. Ob sie Sina noch schreiben soll, dass sie mit nur einem geschminkten Auge das Haus verlassen hat? Nein, besser nicht. Am Ende muss sie sich noch Vorwürfe anhören, wie Emmi sie in solch einem Aufzug aus dem Haus lassen konnte.

Glückwunsch! Dann kannst du mich doch jetzt anrufen, schreibt Emmi zurück, während sie den Fahrstuhl betritt und auf den Knopf mit der Zahl 18 drückt.

Kopfhörer vergessen, antwortet Sina prompt.

Emmi verdreht die Augen.

Sie muss an ihren alten Klassenlehrer Herrn Althaus denken, der vor ein paar Jahren mal zu Sina gesagt hat, dass die wohl ihren Kopf vergessen würde, wenn der nicht angewachsen wäre. Damals hat Emmi überhaupt nicht verstanden, was ihr Lehrer damit gemeint haben könnte, außer einem äußerst gruseligen Anblick einer kopflosen Sina, aber heute weiß Emmi zu einhundert Prozent, was Herr Althaus Sina damit sagen wollte.

Außerdem hat sich schon wieder dieser Wurm aus der 6c neben mich gesetzt!!!, liest Emmi weiter. Sie weiß nicht genau, welcher Wurm aus der sechsten Klasse genau gemeint ist. Letztes Schuljahr, als Emmi noch in Deutschland war, hatte der Wurm anscheinend noch kein Interesse an ihrer besten Freundin.

Mach mal unauffällig ein Foto von ihm, schreibt Emmi zurück und muss nun doch kichern.

Es dauert keine drei Sekunden, bis sie eine Antwort von Sina erhält:

Bist du noch ganz dicht? Am Ende denkt der noch, ich schau mir sein Bild abends im Bett an.

Emmi kann sich bildlich vorstellen, wie Sina bei dem Gedanken ihre Kringellocken schüttelt und die Nase krauszieht. Sie sucht nach einem passenden Smiley und sendet es an Sina.

Morgen fällt Sport in der Ersten aus. Lass uns dann reden, schreibt Sina weiter. Ich verspreche dir auch, dass ich morgen nicht snoozen werde! Tausendprozentiges Ehrenwort!

Es macht bing und die Fahrstuhltür geht auf.

Emmi tritt in den 18. Stock hinaus, mit hochgezogener Augenbraue. Ich kann nicht, schreibt sie. Ich hab doch morgen meine Prüfung in Taekwondo.

Emmi wundert sich, dass Sina die Prüfung vergessen zu haben scheint. Schließlich hat sie ihr bestimmt schon fünf Mal davon erzählt: Es ist Emmis erste Gürtelprüfung – angeblich pupseinfach und normalerweise von Grundschulkindern durchgeführt. Trotzdem ist Emmi supernervös.

Ach ja, stimmt. Dann halt nicht. Schade.

Emmi seufzt und schaut von ihrem Telefon auf. Ohne noch darüber nachdenken zu müssen, tippt sie den Türcode zur Wohnungstür ein. Emmi kennt niemanden in Korea, der noch einen Schlüssel für seine Haustür hat. Alle haben ein digitales Schloss und einen Code. Und ihren hat Emmi sich so fest ins Gedächtnis gehämmert, dass sie ihn wohl nie wieder vergessen wird: 0208. Der Tag, an dem sie in diese Wohnung gezogen sind.

Emmi weiß nicht so recht, was sie von Sinas Antwort halten soll. Ist Sina jetzt eingeschnappt, weil Emmi morgen keine Zeit für sie hat? Dabei ist Sina doch diejenige, die ständig verschläft. Emmi hat immerhin morgen etwas Wichtiges vor!

Ja, schade, antwortet sie genauso knapp zurück, während sie mit hängenden Schultern die Wohnung betritt. Es ist ungewöhnlich still in der Mayerschen Hochhauswohnung – kein Poltern, kein Klimpern, kein Kleinkindergeschrei. Anscheinend holt Mama Benno gerade vom Kindergarten ab.

Normalerweise genießt Emmi diese Stille sehr, denn sie hat selten Ruhe vor Benno. Oft vergehen nur ein paar Minuten, bis ihr kleiner Bruder weint oder zehnmal hintereinander nach Mama ruft.

Aber gerade fühlt sich die Stille bedrückend an. Irgendwie… einsam.

Anne hat da viel mehr Verständnis für Emmi – für ihre Prüfung, für ihre Nervosität – aber Anne macht ja schließlich selbst Taekwondo, und das schon viel länger als Emmi. Überhaupt ist Anne extrem ehrgeizig, wenn es um Sport geht. Sina hingegen ist keine Ausrede zu blöd, um nicht am Sportunterricht teilnehmen zu müssen. Im letzten Schuljahr hat sie einmal sogar ihre Periode vorgeschoben, obwohl sie die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hatte!

Emmi seufzt tief. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten.

Ob der Taekwondo-Gürtel wenigstens Jan beeindrucken wird?

Wahrscheinlich nicht.

Denn der ist immer noch mit Sora zusammen. Obwohl er Emmi doch zu Beginn des Schuljahres seine Liebe gestanden hat – irgendwie. Erst ihr Fast-Kuss am Schultor, dann der Zettel mit dem Herz…

Es muss einen Zusammenhang geben, davon ist Emmi nach wie vor fest überzeugt! Obwohl Jan ihr seitdem keinen Zettel mehr geschrieben hat und auch sonst sehr gut zu verstecken weiß, dass er in Emmi verliebt ist. Vor Sora und vor allen anderen auch. Nur manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, dann sucht sein Blick nach ihr: Auf dem Schulhof. Oder im Schulgebäude. Oder bei Anne zuhause. Das kann doch nicht immer ein Zufall sein!

Anne sieht das natürlich ganz anders: Vielleicht liegt es daran, dass du ihn ständig anglotzt. Irgendwann muss ihm das ja auffallen. Und dann kuckt er halt zurück, hatte sie Emmi einmal völlig genervt an den Kopf geknallt.

Emmi hatte es ihr nicht übelgenommen. Klar will Anne sich nicht vorstellen, dass ihr Bruder in eine ihrer Freundinnen verliebt ist. Und sie in ihn. Jan ist Annes großer Bruder. Und den findet sie offensichtlich genauso blöd wie Schwestern ihre Brüder, egal ob groß oder klein, nun mal finden.

Seitdem versucht Emmi, das Thema Jan ihr gegenüber zu vermeiden, auch wenn es ihr unheimlich schwerfällt. Immerhin könnte Anne ihr alles über Jan erzählen! Wirklich absolut alles! Und in seinem Zimmer spionieren, ob Jan vielleicht heimlich genauso kleine Herzchen in seine Hefte malt wie Emmi. Nur mit J, nicht mit E. Und nicht ganz so verschnörkelt.

Emmi lächelt bei dem Gedanken. Nein, so ein Typ ist Jan bestimmt nicht. Aber wie schafft er es nur, sich Emmi gegenüber so neutral zu verhalten? Und wieso trennt er sich nicht endlich von Sora?

Weil er sie nicht verletzen will?

Weil sie das beliebteste Mädchen der Schule ist?

Weil sie in ihrer Freizeit als Model arbeitet?

Weil es ihm peinlich vor seinen Freunden wäre, sich von Sora zu trennen und mit ihr zusammenzukommen, weil sie eben… Sora ist?

Ein Schauer läuft Emmi über den Rücken, obwohl die Klimaanlage auf 25 Grad eingestellt ist, und damit mindestens 7 Grad wärmer als in dem koreanischen Tante-Emma-Laden.

Dieses Gedankenkarussell dreht sich nun schon seit mehreren Wochen in Emmis Kopf. Immer und immer wieder. Emmi weiß längst, dass ihr diese Gedanken nicht guttun. Immer wieder versucht sie sich in ihrem Kopf vorzustellen, wie sie endlich den Mut aufbringt, Jan zur Rede zu stellen. Ein für alle Mal mit ihm zu klären, ob er Emmi nun gut findet oder nicht oder ob er das alles für ein lustiges Spiel hält oder…

Emmis Telefon brummt erneut auf. Missmutig grapscht sie danach und erwartet, dass es Sina ist, weil sie ihr vielleicht doch noch Glück für die Prüfung wünschen möchte.

Aber es ist Anne: Wann fliegt ihr nochmal genau nach Jeju?

Gleich am Montag. Warum?, antwortet Emmi auf Annes Frage.

Emmi reibt sich mit Daumen und Zeigefinger über ihre müden Augen.

Der Urlaub! Der hat ihr gerade noch gefehlt!

In einer Woche beginnen Emmis erste Ferien in Südkorea. Gleichzeitig sind es wohl die ersten Ferien überhaupt, auf die Emmi so gar keinen Bock hat!

Vor wenigen Tagen sah das noch ganz anders aus: Da wäre Emmi mit ihrer Familie nämlich nach Hause geflogen, weil Papa genau in der Ferienzeit in Deutschland hätte arbeiten sollen.

Emmi hatte sich riesig gefreut – auf Sina, auf Timo, auf Opa, auf ihr altes Haus. Sie hatte bereits begonnen, mit Sina Pläne für die Ferien zu spinnen.

Doch dann hatte der bescheuerte Chef von Papa, mit dem er sowieso ständig noch nach der Arbeit bis spätabends essen gehen muss, plötzlich seine Meinung geändert: Papa soll nun doch in Korea bleiben. Und weil so ein früher Heimflug sowieso nicht geplant war, hatten ihre Eltern kurzerhand beschlossen, den Deutschlandbesuch auf die Weihnachtsferien „zu verschieben“. So wollten sie es Emmi zumindest weismachen. Obwohl Familie Mayer so oder so fest geplant hat, Weihnachten in Deutschland zu verbringen. Der Urlaub ist also gar nicht verschoben.

Er ist einfach futsch.

Emmi hatte natürlich niemand nach ihrer Meinung gefragt.

Wie immer.

Sie hatte vor Wut geweint und Papa angebettelt, dass er nochmal mit seinem Chef reden möge, doch es hat alles nichts genützt: Papa bleibt über die Herbstferien in Seoul. Er und Mama hatten dann beschlossen, dass wenigstens der Rest der Familie in den Urlaub fahren soll – Mama, Benno und sie. Vielleicht nur um Emmi ein wenig zu besänftigen. Nur halt nicht ganz so weit wie nach Deutschland.

Emmi hatte einige Tage gebraucht zu akzeptieren, dass ihr Heimatbesuch gestrichen ist. Aber dann waren ihr durchaus einige, nette Ziele eingefallen – Australien, Hawaii, Bali – alles deutlich näher an Seoul als an Deutschland. Das hatte Emmi extra im Internet recherchiert.

Doch Mama hatte beschlossen, nach Jeju zu fliegen.

Nicht nach Sydney oder Oahu.

Nein, nach Jeju.

War das nicht diese komische Insel von der Mama ihr vor ein paar Monaten mitten im Umzug erzählt hat? Die Insel, auf der sie Schweine essen, die vorher die Kacke der Menschen gefressen haben?

Also zumindest früher mal.

Heute wohl nicht mehr.

Das hatte Mama ihr versichert.

Aber was weiß Mama schon?

Nun könnte Emmi ja vollkommen egal sein, was die Schweine auf Jeju essen, schließlich isst sie nach wie vor kein Fleisch, auch wenn das in Korea deutlich schwieriger ist als in Deutschland. Schon mehr als einmal hat sie kleine Fleisch- oder Wurststückchen in ihrem Essen gefunden, obwohl das so überhaupt nicht auf der Speisekarte stand.

Aber was ist Jeju bitte für ein Urlaubsziel?

Emmi war mehr als eingeschnappt gewesen, dass Mama sich nicht für etwas Cooleres entschieden hatte.

Jeju – wer von ihren Mitschülern in Deutschland kennt schon Jeju?

Sydney hingegen – das hätte richtig Eindruck bei ihrer alten Klasse gemacht. Dort war noch niemand von denen gewesen. Selbst Mina nicht, die einen Vater hat, der beim Flughafen arbeitet und deswegen immer umsonst fliegen darf. Und Mina dadurch auch.

Das Vibrieren ihres Handys reißt Emmi aus ihren Gedanken. Es ist wieder Anne. Bestimmt hat sie eine total coole Idee, was man in den Herbstferien in Seoul machen könnte. Und das verpasst Emmi nun auch noch, weil sie mit Mama und Benno nach Jeju fliegen muss.

Wir kommen mit!, murmelt Emmi Annes Nachricht und begreift im ersten Moment gar nicht, wie Anne das meint.

Mein Dad muss auch arbeiten, klärt Anne sie unaufgefordert auf. Also habe ich meiner Mum vorgeschlagen, dass wir doch mit euch nach Jeju fliegen können! Super, oder?

Sofort schießt Emmi eine Frage in den Kopf.

Die einzig wichtige Frage.

Ob das heißt, dass Jan auch mitkommt?

Aber das kann sie Anne ja schlecht aufs Brot schmieren. Zumindest nicht sofort.

Yayyy!, schreibt Emmi sofort zurück. Ich hab schon gedacht, ich muss den langweiligsten Urlaub meines ganzen Lebens auf dieser lahmen Insel verbringen.

Emmi lässt das Handy sinken und beschließt, sich ab jetzt auf ihre ersten Ferien hier in Korea zu freuen.

Mit Anne werden die Herbstferien doch hoffentlich ein ganzes Stück erträglicher als gedacht. Und die Aussicht, dass Jan vielleicht mitkommen könnte – bei diesem Gedanken wird Emmi gleich ganz anders.

Kapitel 2 – Reifeprüfung

Am nächsten Tag hat es bereits zur Mittagspause geklingelt und Emmi hat es immer noch nicht geschafft, Anne unauffällig zu fragen, ob Jan in den Urlaub mitkommt. Alles Mögliche haben sie seit heute Morgen schon bequatscht, nur Jan hat Anne mit noch keinem einzigen Wort erwähnt. Nicht mal einem klitzekleinen. Ob das Absicht von ihr ist?

Dafür weiß Emmi jetzt jede Menge über ihr nächstes Reiseziel, denn zum Glück war Anne schonmal auf Jeju und hat ihr erzählt, dass es dort sogar noch ein bisschen wärmer sein wird als in Seoul, weil die Insel südlich vom koreanischen Festland liegt. Sogar Palmen sollen auf der Insel wachsen.

Das kann sich Emmi gar nicht vorstellen – zwar sind es jetzt, zwischen Anfang und Mitte Oktober, immer noch mindestens 15 bis 20 Grad jeden Tag und die hohe Luftfeuchte bringt sie immer noch zum Schwitzen, aber Palmen hat Emmi in Seoul noch keine wachsen sehen. Zumindest keine, die direkt aus dem Boden wachsen, nur eingetopfte. Außerdem hatte Mama ihr gestern gesagt, dass Jeju nur etwas weniger als eine Stunde Flugzeit von Seoul entfernt ist.

„Wann haben wir nochmal die Prüfung?“, fragt Anne sie plötzlich über Geschirrgeklapper und Stimmengewirr hinweg. In der kleinen Schulkantine gibt es heute Bibimbap – Emmis absolutes Lieblingsessen, seit sie in Korea angekommen ist. Es besteht aus Reis, der viel mehr zusammenklebt als der übliche Reis, den Emmi aus Deutschland kennt, verschiedenen Gemüsen, Ei und Gochujang, der scharfen Chilipaste, deren Namen Emmi erst seit ein paar Wochen kennt und von der sie immer einen großzügigen Esslöffel unter ihren Reis, ihr Gemüse und ihr Ei rührt.

Die Prüfung!

Für ein paar Minuten hatte Emmi nicht an die Prüfung gedacht.

Fast ist sie Anne für den plötzlichen Themawechsel ein bisschen böse. Ihre gemeinsame Taekwondo-Prüfung findet heute Nachmittag statt. Anne hat schon einige Prüfungen absolviert und ist viel weiter als Emmi. Die soll heute ihre erste Prüfung ablegen. Und obwohl Anne ihr schon dutzendmal versichert hat, dass diese Prüfung absolut pillepalle sein wird, ist Emmi sofort wieder supernervös.

„15 Uhr“, sagt Emmi knapp und schiebt schnell ein „Aber jetzt lenk nicht vom Thema ab“ hinterher. Erstens hat sie überhaupt keine Lust, an die Prüfung denken zu müssen, und zweitens sucht sie im Kopf immer noch nach einem Weg, Anne nach Jan zu fragen.

---ENDE DER LESEPROBE---