Emmi in Korea 3: Schulstart mit Herzklopfen - Stephanie Auten - E-Book

Emmi in Korea 3: Schulstart mit Herzklopfen E-Book

Stephanie Auten

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Beschreibung

Zwischen Kimchi und K-Pop:
"Emmi in Korea" - Über das Leben einer deutschen Schülerin im fernen Asien

Der erste Schultag an der Deutschen Schule Seoul wird der aufregendste Tag in Emmis Leben werden! Zumindest hat die 13-Jährige sich das so vorgestellt…
Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man als deutsches Provinz-Ei denkt. Denn am anderen Ende der Welt ticken die Uhren ein wenig anders: Dort reden schon 11-Jährige über die Uni und 13-Jährige über Schönheitsoperationen! Und die Jungs? Auch die verhalten sich ganz und gar nicht so, wie sie sollen.
Teil 3 der etwas anderen Buchreihe „Emmi in Korea“ über große Veränderungen, Freundschaft, Eltern und natürlich… Liebe!
Alle sechs Bände erhältlich als E-Book:
Band 1: Emmi in Korea - Urlaub mit Folgen
Band 2: Emmi in Korea - Umzug mit Hindernissen
Band 3: Emmi in Korea - Schulstart mit Herzklopfen
Band 4: Emmi in Korea - Herbstferien mit Nervenkitzel
Band 5: Emmi in Korea - Weihnachtszeit mit Pferdefuß
Band 6: Emmi in Korea - Neujahr auf Koreanisch
.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Kapitel 1 – Aller Anfang…

Kapitel 2 – Puh-Puh-Land?

Kapitel 3 – Zuhause ist es am schönsten

Kapitel 4 – Bogenschießen oder Taekwondo?

Kapitel 5 – Der Preis der Schönheit

Kapitel 6 – Hiobsbotschaft

Kapitel 7 – Willkommen bei den Parks

Kapitel 8 – Hinter den Kulissen

Ausblick und Feedback

Danksagung

Emmi in Korea

***

Band 3

Schulstart mit Herzklopfen

Impressum

© / Copyright: 2019 - Stephanie Auten

Anschrift:

Stephanie Auten

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

E-Mail: [email protected]

Korrektorat: Gitte Riedel

Umschlaggestaltung und -Illustration: Katharina Netolitzky,

https://katharina-netolitzky.jimdo.com/

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Kapitel 1 – Aller Anfang…

„Ich wusste ja gar nicht, dass Jan eine Freundin hat.“

Emmis Stimme zittert. Sie muss sich extrem konzentrieren, nicht sofort loszuheulen – hier, mitten auf dem Schulhof.

Der erste Tag an ihrer neuen Schule, der Deutschen Schule Seoul, der so neu, so anders, so unglaublich aufregend hätte werden sollen, ist nur wenige Minuten alt. Und Emmi ist sich sicher, dass ein Weltuntergang sich nicht schlimmer anfühlen kann.

Nicht weil ihre neue Schule tausende Kilometer weit weg von Emmis alter Heimat ist. Nicht weil sie sich in einem Land befindet, in dem sie kein Wort versteht, geschweige denn die Schrift lesen kann. Und auch nicht, weil es so unerträglich heiß und schwül ist, dass Emmi befürchtet, jeden Moment in einem Meer aus Schweiß davonzufließen. Ihrem Schweiß und dem ihrer Mitschüler. Und Lehrer.

Emmi verzieht angeekelt das Gesicht und presst ihre Augenlider fest aufeinander.

Nein, es ist viel, viel schlimmer.

Jan. Hat. Eine. Freundin.

Der Jan, in den sie sich auf den allerersten Blick verknallt hatte, als sie ihn vor ein paar Monaten das erste Mal hier in Seoul an dieser Schule gesehen hatte.

Der Jan, von dem Emmi insgeheim gehofft hatte, dass er sie auch mag.

Nur ein bisschen.

Der Jan, den Emmi fast geküsst hatte. Ihr erster Kuss.

Der Jan, der zwei Jahre älter ist als sie, der schon in Shanghai gelebt hat, der viel zu cool ist für sie, und sich selbstverständlich nicht in ein naives 13-jähriges Kleinstadtmädchen verliebt, das gerade frisch aus Deutschland angekommen ist und überhaupt keine Ahnung von der Welt hat.

Der Jan, der sich gerade den Arm um die Hüfte eines wunderschönen koreanischen Models mit seidigschwarzen Haaren und mandelförmigen Augen legt, und die ihn anlächelt wie eine exotische Prinzessin.

Emmi hasst sie schon jetzt.

Ihr Kinn zuckt. Sie presst ihr Lippen zusammen, fassungslos über ihre eigene Dummheit, und dreht sich demonstrativ weg. Auch wenn sie weiß, dass sie diesen Anblick nie wieder aus ihrem Kopf bekommen wird.

Anne, die nicht nur Emmis erste Freundin in Südkorea ist, sondern ausgerechnet auch noch die kleine Schwester von Jan, bleibt mitten auf der steinernen Treppe stehen, auf der sie sich gerade mit den ganzen anderen Schülern ins Schulhaus drängeln. Sie schaut Emmi aus skeptischen, hellbraunen Augen und einem runden Mondgesicht an, um das sich wilde blonde Locken kringeln.

„Was denn?“ Emmi versucht so zu tun, als würde sie die Antwort nur am Rande interessieren. Kann man doch mal fragen, seit wann ihr Bruder eine neue Freundin hat.

Und warum verdammt noch mal es Anne nicht für nötig gehalten hat, Emmi auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen.

Anne zieht ihre Augenbrauen so weit nach oben, dass ihre Stirn in Falten liegt, obwohl Anne ja noch gar keine Falten haben kann.

„Du stehst also doch auf meinen Bruder!“, sagt sie trocken. Und so laut, dass ein Ruck durch Emmis Arm fährt. Am liebsten möchte sie Anne sofort den Mund zuhalten.

Ein paar Köpfe drehen sich nach ihnen um. Emmi schaut für ein, zwei Augenblicke in Gesichter, die sie nicht zuordnen kann. Emmi spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Ihr Kopf fühlt sich mit einem Mal noch heißer an, als er bei den hiesigen Temperaturen von fast 35 Grad sowieso schon ist.

„Ich? Auf deinen Bruder?“ Emmi versucht, das übliche, aufgeregte Gequieke der kleineren Klassen zu übertönen und tippt sich an die Brust. „Ach Quatsch! Ich??“

Aufgeregt tappt sie an Anne vorbei in das Schulgebäude hinein, nur um kurz darauf festzustellen, dass sie keine Ahnung hat, wo ihr Klassenzimmer ist. Kein Wunder, sie war erst einmal in diesem Gebäude. Und das ist schon vier Monate her. Und damals hatte sie keinen blassen Schimmer, dass diese Schule in der Hauptstadt Südkoreas bald ihre neue Schule sein würde.

Emmi schaut sich um. Sie sieht das kleine Treppenhaus, das sich über drei Etagen erstreckt, sieht Gänge, die mit den üblichen Bildern aus dem Kunstunterricht behangen sind sowie Zimmertüren, von denen Emmi nicht weiß, ob sich dahinter ihr Klassenzimmer oder der Physikraum oder die Kantine befindet.

Alles wirkt eine Nummer kleiner als in ihrer alten Schule. Dabei kommt Emmi aus einer minikleinen Stadt und manche ihrer alten Mitschüler wohnen sogar kilometerweitweg in den umliegenden Dörfern. Trotzdem ist die Deutsche Schule in der 10-Millionen-Stadt Seoul mit knapp 200 Schülern nicht mal halb so groß wie Emmis alte Schule.

Hilflos bleibt sie stehen und dreht sich zu Anne um.

Die ist direkt hinter ihr und hat immer noch ein großes Fragezeichen im Gesicht: „Was finden nur alle an meinem Bruder?“

Emmi atmet scharf durch die Nase aus. Kann sie es nicht gut sein lassen? Emmi will überhaupt nicht mehr an Jan denken.

Anne breitet ratlos die Arme aus. „Mein Bruder ist faul, furzt, rülpst, stinkt…“

Nun muss Emmi doch gegen ihren Willen lachen.

„Und trotzdem rennen ihm die Mädels die Bude ein, als gäbe es die letzten Karten für ein BTS-Konzert.“

Auf die Information, dass Annes Bruder sich auch bei anderen Mädchen äußerster Beliebtheit erfreut, hätte Emmi getrost verzichten können. „Was für ein Konzert?“, fragt sie abwesend, obwohl sie das gerade eigentlich gar nicht interessiert.

Anne verdreht die Augen. „Au weia, Emmi. Wenn du in Korea überleben willst, musst du echt noch eine Menge lernen!“ Sie wedelt unwirsch mit der Hand. „Aber ist ja auch egal. Hier ist unser Klassenzimmer“, sagt Anne bevor Emmi nachfragen kann und zeigt auf eine blaue Tür.

Auch das Zimmer interessiert Emmi gerade nicht die Bohne, aber trotzdem wirft sie einen Blick hinein. Es ist hier deutlich kleiner, als Emmi es von zuhause gewohnt ist. Aber es sind ja auch deutlich weniger Leute in ihrer neuen Klasse. Gerade mal elf Mitschüler, hat Anne ihr berichtet, wird Emmi haben. Inklusive Anne.

Elf!

In ihrer alten Klasse waren sie fast dreißig.

In dem kleinen Raum im dritten Stock ist es stickig, obwohl Emmi eine Klimaanlage rauschen hören kann. Das Geräusch ist ihr mittlerweile vertraut. Klimaanlagen gibt es in Seoul einfach überall, und diese wurde wohl gerade erst angeschaltet, denn es ist alles andere als kühl in dem Raum. Und das heißt Schweißflecken-Alarm!

Emmi wirft einen kurzen, unauffälligen Blick unter ihre Achseln.

Okay, schon zu spät.

„Wir haben noch Zeit, lass uns wieder rausgehen. Hier schwitzt man sich ja tot“, sagt Anne passenderweise und dreht sich um. „Ich hasse den Schulanfang in Korea. In allen anderen Ländern, in denen es so heiß ist wie hier, haben die Schüler mindestens zwei oder sogar drei Monate Ferien. Nur wir müssen bei dieser Affenhitze in der Schule hocken.“

„Drei Monate?“ Emmi ist verblüfft. Das hieße ja frei von Juni bis August.

„Ja, aber dafür haben die nicht so viele Ferien zwischendurch“, räumt Anne ein, während sie die Treppe ansteuert.

„Ich komme gleich nach. Ich muss aufs Klo.“ Emmi geht ein paar Schritte, dann bleibt sie erneut stehen und seufzt. „Anne, kannst du mir zeigen, wo die Toilette ist?“

Anne grinst und nickt.

Emmi trabt hinter ihr die Treppe hinunter. Es ist laut im Schulhaus, obwohl von hier oben kaum Kinder zu sehen sind. Im ersten Stock zeigt Anne auf eine Tür. „Aufgeregt?“, fragt sie und dreht sich zu Emmi um.

„Ich?“, sagt Emmi mit hoher Stimme. Es klingt genauso wie eben, als Anne sie gefragt hat, ob sie auf Jan steht.

„Ja, schon ein bisschen“, gibt Emmi zu und lässt die Schultern sinken.

Anne legt Emmi die Hand auf die Schulter und lächelt sie aufmunternd an. „Mach dir keine Sorgen. Hier war fast jeder von uns irgendwann mal neu. Sogar die meisten Lehrer. Jeder weiß, wie du dich gerade fühlst.“

Emmi nickt und atmet tief durch. „Danke“, haucht sie und versucht zurückzulächeln, auch wenn es wahrscheinlich etwas gequält wirkt.

„Keine Ursache!“ Anne ist schon auf dem nächsten Treppenabsatz. „Wir sehen uns gleich draußen.“

Emmi drückt die Tür zur Mädchentoilette auf und stellt erleichtert fest, dass sie leer ist. Schnell hebt sie erst einen Arm, dann den anderen, um festzustellen, dass sie richtig vermutet hat – tennisballgroße, dunkle Flecken zeichnen sich unter den Achseln ihres roten T-Shirts ab.

Mit einem flappenden Geräusch lässt Emmi die Arme fallen und schaut sich eine Sekunde ratlos im Spiegel an. Ausgerechnet am ersten Schultag! Sie wollte doch einen guten Eindruck machen vor ihren neuen Mitschülern und hat sich ewig überlegt, was sie anziehen soll. Warum hat sie nicht daran gedacht, dass es nicht nur heiß, sondern auch ekelhaft schwül draußen ist? Warum hat sie etwas Dunkelrotes angezogen und nichts Helles? Warum hat sie kein Wechselshirt mitgenommen? Sie lebt doch nun immerhin schon seit fast zwei Wochen in diesem Land und hat bereits so viel geschwitzt, wie in Deutschland im ganzen Jahr nicht!

Alarmiert dreht Emmi ihrem Spiegelbild den Rücken zu. Wenigstens scheint sie nur unter den Achseln Schweißflecken zu haben. Noch.

Sie schnappt sich eine Rolle Klopapier aus einer der Kabinen, umwickelt ihre Hände mit ein paar Blättern und klemmt sie unter ihren Achseln fest, in der Hoffnung, damit die dunkelroten Flecken in Windeseile trocken zu können. Dann nimmt sie ein weiteres, einzelnes Blatt und tupft sich die Nasenflügel und die Oberlippe ab.

Der Anblick, den sie im Spiegel bietet, erinnert sie prompt an ihren besten Freund Timo zuhause und seine berühmte Walross-Achselfurz-Imitation, bei der sie und Sina sich immer gekugelt haben vor Lachen. Das war zu einer Zeit vor der Pubertät, als ihm noch nicht alles hochnotpeinlich war. Also vor ungefähr acht Wochen.

Emmi muss kichern bei dem Gedanken. Das Toilettenpapier um ihre Nase wird aufgewirbelt, so dass die Ähnlichkeit zum Walross noch frappierender wird. In der hohen gekachelten Toilette wirkt ihr Lachen wie ein Echo.

Natürlich wird genau in diesem Moment die Tür aufgerissen.

Und natürlich steht da genau in diesem Moment nicht irgendein kleines Mädchen aus der Grundschule oder so, das Emmi erstaunt anschaut, während sie mit Klopapier unter den Achseln und auf der Oberlippe irre vor sich hinkichert.

Nein, es ist natürlich SIE – die neue Freundin von Jan. Ausgerechnet sie. Von allen Schülerinnen dieser Schule.

In weniger als einer Sekunde zieht Emmi das Klopapier von ihrer Oberlippe und knüllt es zusammen. Ihr Kichern hört abrupt auf, ihr Gesicht gefriert zu einer Grimasse, während sie Jans Modelfreundin erschrocken anstarrt. Oder besser gesagt ihr Spiegelbild.

Irgendetwas muss Emmi tun, um nicht wie eine komplette Vollidiotin dazustehen.

Ichu, ichu, hustet sie kurzentschlossen in ihre offene Handfläche. Wenn Mama das jetzt sehen würde – wo sie Emmi doch jahrelang eingebläut hat, in die Armbeuge zu husten und nicht in die offene Hand.

„Ähm, geht’s dir gut?“, fragt die Modelfreundin zu allem Überfluss. Aus der Nähe sind ihre dunklen, mandelförmigen Augen noch schöner. Ihre makellose Haut hat wahrscheinlich noch nie einen Pickel gesehen. Ihre Haare glänzen, als ob sie sie drei Stunden gebürstet hätte.

Emmi hasst sie noch abgrundtiefer als noch vor ein paar Minuten.

„Alles gut. Hab mich nur verschluckt“, krächzt sie abweisend und hustet noch einmal demonstrativ hinterher, um auch wirklich klarzumachen, dass Emmi in keinstem Fall ihr eigenes Spiegelbild angekichert hat. Dann entdeckt sie einen Rest Klopapier an ihrem Kinn, wird puterrot und fummelt es weg.

Die Modelfreundin nickt. Dann lächelt sie Emmi an und legt den Kopf schief. „Du bist neu, oder?“

Emmi ist irritiert. Was soll das werden? Will sie hier auf dem Klo Smalltalk mit ihr betreiben? Und warum ausgerechnet mit ihr? Emmi ist mindestens zwei Klassen unter ihr.

„Hm“, grunzt Emmi knapp.

Das Model lächelt wieder. Und macht keine Anstalten, in der Toilettenkabine zu verschwinden. Emmi wird ungeduldig. Sie hält das Klopapier so fest unter ihren Achseln gepresst, dass ihre Arme wehtun. Warum tut sie nicht endlich das, was sie vorhatte zu tun?

„Du bist mir vorhin auf dem Schulhof schon aufgefallen. Du bist in Annes Klasse, oder?“

Emmi schaut in ihr überraschtes Spiegelbild und stellt fest, dass es ganz schön dämlich aussieht. Sie fängt direkt wieder an zu schwitzen.

Emmi ist ihr aufgefallen? Dem Model? Was will sie ihr denn bitte damit sagen? Hat sie etwa einen siebten Sinn für Konkurrentinnen? Hat sie mitbekommen, dass Emmi Jan zugewunken hat und jetzt hat sie sie aufs Klo verfolgt?

So ein Quatsch! Warum sollte jemand wie sie ausgerechnet Emmi als Konkurrenz ansehen?

Unbehaglich tritt sie von einem Fuß auf den anderen und weiß nicht, wo sie hinschauen soll.

„Das erste Mal in Südkorea?“, bohrt das Model weiter.

„Hmhm“, macht Emmi erneut und hofft, dass sich das Gespräch damit nun endlich erledigt hat und sie aufs Klo verschwindet. Wenn nicht, dann scheint sie ja noch blöder…

„Die Jungs werden dir in Scharen hinterherrennen“, sagt das Model und zwinkert Emmis Spiegelbild über den Toilettenspiegel zu.

Emmi ist perplex.

Bitte was?

Wer?

Sie?

„Wie meinst du das?“, rutscht es Emmi heraus, obwohl sie doch kein Wort mit ihr wechseln wollte.

Sofort bereut sie es.

Bestimmt will dieses Möchtegern-Model Emmi nur verarschen und sagt gleich etwas ganz Fieses zu ihr. So wie die dumme Kuh Clarissa damals an ihrer alten Schule.

Emmi schluckt.

Sofort kommen die Erinnerungen an den Tag auf dem Schulhof hoch, als Clarissa ihr aufgrund ihrer dünnen Beine den Spitznamen Spinnenbein verpasst hat und Emmi ihn sich über Monate hinweg jedes einzelne Mal von Clarissa und ihren Freundinnen anhören durfte, wenn sie an ihnen vorbeilief. So dass es Emmi irgendwann vermied, ihnen über den Weg zu laufen.

Wie kann sie nur so doof sein und jetzt schon wieder auf so eine fiese Nummer hereinfallen? Emmi bekommt Gänsehaut und spannt sich innerlich an, als das Model den Mund öffnet:

„Du hast blaue Augen, du hast lange blonde Haare, du hast superhelle Haut. Und groß für dein Alter bist du auch. Du bist das genaue Gegenteil von mir. Bis auf die Größe vielleicht.“ Das Model lacht, und so sehr sich Emmi anstrengt, kann sie beim besten Willen keinen fiesen Unterton feststellen.

Emmi sucht die versteckte Kamera in der Toilette. Hat sie das gerade richtig verstanden? Hat das Schulmodel ihr gerade etwa so etwas wie ein Kompliment gemacht? Über ihr Aussehen? Ihr? Emmi mit den Spinnenbeinen und den plattesten Spaghettihaaren, die die Welt je gesehen hat?

„Ähm…“ Emmi weiß nicht, was sie sagen soll. Sie wartet immer noch darauf, dass die Modelfreundin ihr eine Falle stellt, die gleich zuschnappen wird.

„Aussehen ist wichtig hier in Korea“, fügt sie hinzu, als Emmi nicht weiterspricht. „Und so blonde Mädchen wie du kommen hier im Land der natürlichen Schwarzhaarigen besonders gut an.“

„Ist das so, ja?“ Emmi Stimme klingt heiser. Sie versucht immer noch, so uninteressiert wie möglich rüberzukommen. Nur für den Fall, dass das Model doch noch vorhat, sie auszulachen.

Doch stattdessen gibt die einen Ton von sich, den Emmi irgendwo zwischen Seufzen und einem traurigen Lachen einordnen würde. Dazu lässt sie ihren Blick über blank geputzten, weißen Fliesen der kleinen Mädchentoilette schweifen, als würde sie sich am liebsten ganz weit weg wünschen.

Es klingelt.

„Wir müssen“, sagt Emmi, froh darüber, dieser merkwürdigen Situation entfliehen zu können.

Das Model nickt. „Ich bin übrigens Sora“, sagt sie und verschwindet in der Toilettenkabine. Sie spricht ihren Namen merkwürdig aus – sie betont das S stark und spricht die zweite Silbe kurz und abgehackt aus.

„Emmi“, sagt Emmi verwirrt in Richtung der geschlossenen Tür. Keine Ahnung, ob sie das jetzt mitbekommen hat.

Hastig zieht Emmi das feuchte Toilettenpapier hervor, wobei weiße Fusseln unter den Achseln kleben bleiben, aber sie hat es zu eilig, aus der Toilette herauszukommen. Fluchtartig verschwindet sie aus der Tür.

****

Nach dieser unerwarteten und irgendwie verwirrenden Begegnung will Emmi sich am liebsten direkt in ihr neues Klassenzimmer verziehen, sich auf ihren Platz setzen und den Tag endlich vorbeigehen lassen, obwohl die erste Stunde noch nicht mal angefangen hat. Doch dann sieht sie, dass Anne noch draußen auf dem Schulhof steht. Und da sie keine Ahnung hat, auf welchem Platz Anne sitzt, läuft sie kurzerhand zurück hinaus auf den Hof.

Ein anderes, deutlich kleineres Mädchen mit halblangen, schwarzen Haaren läuft neben Anne her und redet auf sie ein. Vielleicht eine weitere neue Mitschülerin von Emmi? Wenn sie auch nur halb so nett ist wie Anne, dann ist dieser erste Schultag ja vielleicht doch noch irgendwie zu retten.

„Hi!“ Emmi hebt die Hand und versucht, so freundlich wie möglich zu lächeln, als beide ihr entgegenkommen, in der Hoffnung, einen sympathischen ersten Eindruck zu machen.

„Hallo“, sagt das koreanische Mädchen zurück, doch sie lächelt nicht. Im Gegenteil, sie wirkt als wäre sie irgendwie… eingeschnappt.

Und noch etwas anderes irritiert Emmi: Sie sieht sehr jung aus. Höchstens zehn. Und sie wirkt nun noch kleiner als vorhin. Klein und zierlich. Emmi kommt sich wie eine Riesin neben ihr vor, und sogar Anne ist mindestens einen Kopf größer.

Okay, dann kann sie doch keine Mitschülerin von ihnen sein. Wahrscheinlich ist die Kleine sogar noch in der Grundschule. Emmi ist etwas überrascht, dass Anne sich überhaupt mit ihr abgibt.

„Das ist Emmi. Sie ist neu“, beginnt Anne und zeigt dann auf das Mädchen. „Und das ist Jeon-Kyeong“, sagt Anne so schnell und so selbstverständlich, als ob sie gerade eine Lena oder eine Charlotte vorgestellt hätte.

In der Tat braucht Emmi einen Moment, um überhaupt zu begreifen, dass diese zwei fast gleichklingenden Silben, die in Emmis Ohren irgendwie klangen wie Jonkjong, ein Name sein sollen.

„Hä wie?“, rutscht es Emmi raus, doch sie bereut es sofort, als sie Jonkjongs – oder wie auch immer sie heißt – Blick sieht.

„Wohl noch nie einen koreanischen Namen gehört?“, sagt die Kleine schnippisch.

Spätestens in diesem Augenblick weiß Emmi, dass dieses kleine Biest mit dem unaussprechlichen Namen nicht Emmis Freundin werden wird.

„Ich… ich bin noch nicht so lange hier“, versucht Emmi sich zu verteidigen. Ihre Stirn prickelt. „Ich kann noch kein Koreanisch.“

Die Kleine mustert sie so, dass Emmi sich unwohl fühlt. „Merkwürdig. Anne hat erzählt, dass du im April schon hier warst“, antwortet sie arrogant, als sie bei Emmis Gesicht angekommen ist.

Emmi fühlt, wie Wut in ihr hochsteigt. Was bildet sich dieser Zwerg eigentlich ein? Als ob Emmi mit der Einreise automatisch Koreanisch können müsse. Sie will etwas entgegnen, aber ihr fällt nichts ein. Irgendwie hat sie ja auch recht. Emmi hat in Deutschland tatsächlich kein Koreanisch gelernt, obwohl sie ein paar Monate Zeit gehabt hätte. Mama hat sogar einen Sprachkurs belegt und Emmi immer mal wieder ein paar Sachen beigebracht, die sie aber bald wieder vergessen hatte. Es war einfach so viel zu tun: Die ganzen Klassenarbeiten und Projekte vor Schuljahresende, die letzte Klassenfahrt mit ihrer alten Klasse. Und die ersten und zugleich letzten Sommerferienwochen in Deutschland hatte Emmi ganz bestimmt nicht mit Lernen verbringen wollen.

„Dann fangen wir doch mit Lektion 1 an“, versucht Anne die angespannte Stimmung zu unterbrechen. „In Korea ist es üblich, dass die Vornamen aus zwei Silben zusammengesetzt werden.“

Ah, deswegen hat Sora ihren Namen vorhin so komisch ausgesprochen, kommt es Emmi in den Sinn.

„Und manche koreanischen Namen sind für uns wirklich sehr gewöhnungsbedürftig. Ich habe auch eine Weile gebraucht“, fügt Anne hinzu, lacht und gibt … Jon-Jon – oder so ähnlich, Emmi hat den Namen schon wieder vergessen - einen Klaps auf die Schulter.

„Und ich dachte schon, es läge an mir“, murmelt Emmi und lächelt angestrengt. Irgendwie war Sora ihr vorhin auf Anhieb und gegen ihren Willen wesentlich sympathischer als dieser kleine Giftzwerg, der nichts Besseres zu tun hat, als neue Schülerinnen gleich am ersten Schultag herunterzuputzen.

Hatte Anne nicht behauptet, alle hier seien freundlich und offen? Vor allem zu neuen Schülern?

„Und in welche Klasse musst du?“, wagt Emmi einen allerletzten Versuch, nett zu sein, auch wenn sich alles in ihr dagegen sträubt. „Fünfte?“

Anne räuspert sich.

Der Giftzwerg schaut irritiert zu ihr hoch. „Wen meinst du? Mich?“

„Sechste?“, fragt Emmi ungläubig.

Anne räuspert sich noch ein wenig lauter und Emmi ahnt, dass sie gerade mit Anlauf in das nächste Fettnäpfchen gesprungen ist.

„Ich“, sagt der Giftzwerg betont, „bin in derselben Klasse wie Anne.“ Dann dreht sie sich beleidigt um, so dass ihre schwarzen Haare fliegen, und springt mit ihren kurzen Beinen die Stufen der Steintreppe zum Schulgebäude hinauf.

Nun fühlt sich Emmi doch ein wenig schlecht. Sie hätte es besser wissen müssen. Schließlich ist sie nicht erst seit gestern hier und weiß, dass Koreaner im Durchschnitt deutlich kleiner sind als Deutsche.

Emmi schaut Anne zum zweiten Mal heute hilflos an, doch die scheint das alles eher lustig zu finden und zuckt nur grinsend mit den Schultern: „Jeon-Kyeong ist… ein wenig speziell“, sagt sie, als ob das irgendwas erklären würde. „Aber eigentlich ist sie sehr nett und auch sehr hilfsbereit. Du wirst schon sehen.“

Aber Emmi ist sich gar nicht sicher, ob sie überhaupt etwas davon sehen will.

Kapitel 2 – Puh-Puh-Land?

Als Emmi das kleine Klassenzimmer betritt, bekommt sie gerade noch mit, dass es genau eine freie Zweierbank gibt. Auf die sich der Giftzwerg prompt setzt.

Emmi lässt ihren Blick schweifen. Nur noch zwei freie Sitzplätze sind jetzt in der ganzen Klasse übrig – einer neben dem Giftzwerg und einer neben einem ebenfalls koreanisch aussehenden Jungen, der genauso missmutig dreinschaut, wie Emmi sich gerade fühlt.

Der Giftzwerg winkt Anne überschwänglich zu. Die wirft Emmi einen entschuldigenden Blick zu und nimmt Platz. Dabei hatte Anne Emmi vor ein paar Wochen gefragt, ob sie im neuen Schuljahr nebeneinander sitzen wollen und Emmi hatte sich so darüber gefreut.

Und nun?

Unschlüssig bleibt Emmi neben der Tafel stehen. So hat sie sich ihren ersten Schultag ganz und gar nicht vorgestellt.

„Du bist Emilie, richtig? Du kannst gleich hier vorn bleiben.“ Emmis neuer Klassenlehrer hat gerade das Zimmer betreten und schließt die Tür hinter sich, durch die Emmi am liebsten flüchten würde. Jetzt sofort.

„Bitte – Emmi!“, sagt sie schnell, in der Hoffnung, dass ihr neuer Lehrer sich nicht angewöhnt, Emmi mit ihrem ungeliebten und furchtbar altmodischen Namen anzusprechen. Sie hat ihren neuen Lehrer vor ein paar Monaten schon einmal gesehen, und auch heute fällt ihr wieder auf, dass er eine nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeit mit Herrn Althos hat. Er hat lediglich ein wenig mehr Haare auf dem Kopf und ist nicht Emmis Physik-, sondern ihr Biolehrer. Und seine Hosen sehen sogar recht neu aus.

„Ich bin Herr Sommer“, fährt der neue Herr Althos fort, „Sommer wie Winter“. Er lacht, als ob ihm dieser Witz zum ersten Mal eingefallen wäre.

Emmi verdreht innerlich die Augen. Denselben komischen Humor wie Herr Althos hat er also auch.

Auffordernd schaut Herr Sommer in die Klasse, doch die begeisterten Lacher bleiben aus. Es scheint ihn nicht zu stören, denn er lacht immer noch, als er sich erneut Emmi zuwendet.

Schnell zieht sie die Mundwinkel nach oben zu etwas, das hoffentlich irgendwie amüsiert aussieht.

„Wir begrüßen dieses Schuljahr drei neue Schüler.“ Herr Sommer dreht sich wieder zur Klasse, so dass Emmi ihre Mundwinkel wieder fallenlassen kann.

„Und wir würden uns freuen, wenn ihr euch mit ein paar Sätzen vorstellt. Emmi, magst du anfangen?“

Damit hatte Emmi gerechnet. Trotzdem fühlt sich ihr Kopf in diesem Moment an wie ein schwarzes Loch. Sie hat keine Ahnung, was sie sagen soll. Schließlich hat sie doch alles, was es über sie zu erzählen gibt, schon vor ein paar Monaten gesagt. „Ich… ich heiße Emmi, also eigentlich Emilie, aber bitte nennt mich Emmi.

---ENDE DER LESEPROBE---