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Der Fall:
Auf einer alten Müllkippe am Moskauer Stadtrand findet ein Lumpensammler die Leiche des korrupten Polizisten Petjuchin. Michail Sokolow, genannt „Der Falke“, wird mit der Klärung des Falles betraut, obwohl er mit dem Opfer kurz vor dessen Tod eine Auseinandersetzung hatte.
Eine erste Spur führt in die Rotlichtszene, denn der Tote hatte dort offenbar Kontakte, die weit über das berufliche Maß hinausgingen. Mit der ihm eigenen, direkten Art ermittelt der Kriminalist im Umfeld eines „Escort-Service“, der ausgerechnet seinem alten Widersacher Senja Golubew gehört. Doch die Tatwaffe, eine alte deutsche Armeepistole, scheint in eine gänzlich andere Richtung zu weisen ... Die Kriminalisten um Michail Sokolow können schließlich die Täter dingfest machen.
Die Reihe:
Rau ist das Moskauer Pflaster, rau ist auch die Schale, die Michail Sokolow, genannt „Der Falke“, umgibt. Gemeinsam mit seinem Team und unter Leitung von Oberst Boris Kusnezow von der Abteilung für schwere Gewaltkriminalität kämpft Hauptmann Michail Sokolow für etwas mehr Sicherheit in Russlands Hauptstadt in den frühen 2000er Jahren. .
Seine Fälle führen den „Falken“ in alle Teile der Gesellschaft: Er ermittelt im Rotlicht-Milieu oder unter Obdachlosen genauso wie in scheinbar gutbürgerlichen Verhältnissen oder unter Neureichen und Mafia-Paten. Was er dabei sieht, geht oft unter die Haut. Mitri Suchoj (vermutlich das Pseudonym eines ranghohen Beamten des Moskauer Innenministriums) schildert in der Reihe "Michail Sokolow - Mörderische Gefahr" packende Kriminalfälle aus Putins Russland.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
„Mach die Beine breit, du Schlampe!“
Der nach Alkohol und Knoblauch stinkende Atem ihres Peinigers zog ihr direkt in die Nase. Sie wollte den Kopf angeekelt abwenden, doch die klobigen Hände des Mannes ließen ihr keinen Spielraum. Unbarmherzig hatte er einen Fuß zwischen ihre Schenkel geklemmt und versuchte ihre Beine zu öffnen. Die von der Decke hängenden Handfesseln gaben nicht nach, was immer sie auch tat. Er fluchte und schnaufte dabei wie eine Dampflok. Das Mädchen kratzte mit den Nägeln über seine stoppeligen Wangen, aber das schien ihm nichts auszumachen.
„Na, mein Täubchen, bist schon ganz wild“, keuchte der Mann und schob eine Hand unter ihren Rock. Sie wehrte sich verbissener als zuvor. Doch das alles schien nicht zu nützen.
Nach einigen ewig langen Minuten erlosch ihr Widerstand und sie schaltete in diesem Moment ihre Empfindungen aus. Sie spürte seine ekligen Finger kaum noch in sich. Sie roch kaum noch den schweißigen Geruch seiner Haut. Sie bemerkte nicht, wie er mit seiner feuchten Zunge über ihren Hals und die Ohren fuhr.
In diesem Moment dachte sie an ihr Dorf, an den goldschimmernden Bach in der Morgensonne, an die herrlichen Weizengarben nach der Ernte, deren Geruch ihr scheinbar noch heute in die Nase wehte. Sie dachte an die Großeltern und an ihren Hund Kolja, der sie neckte und immerzu spielen wollte.
Alle Gedanken an das Hier und Jetzt, an diese große, laute, schmutzige Stadt waren aus ihrem Kopf vertrieben. Und die Gefühle erstarben in ihr mit jedem Stoß, den sie irgendwo weit weg verspürte.
Michail Sokolow war spät dran. Erst hatte der alte Warmwasserboiler den Geist aufgegeben, so dass er sich kalt rasieren musste. Danach versperrte ihm der Hausmeister auf der Treppe den Weg, weil er sich bei Sokolow über den unangemeldeten Schlafgast in dessen Wohnung beschweren wollte.
„Alle Dauergäste haben sich ordnungsgemäß ins Hausbuch einzutragen!“, monierte Lew Iwanowitsch laut. „Das gilt auch für Sie, Michail Sergejewitsch!“
Michail war an dem Alten in seinem grauen, verwaschenen Kittel vorbeigeeilt und rief nur: „Machen Sie doch Meldung, Verehrtester!“
Dann schlüpfte er auch schon zur Tür hinaus und ließ einen kopfschüttelnden Hauswart zurück.
Mit großen Schritten eilte er auf die Metrostation zu und sprang, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die steile Treppe hinunter. Da sich offenbar halb Moskau im Berufsverkehr befand, verlief dieses Unterfangen nicht ganz reibungslos. Einige Male schaffte er es gerade noch, entgegenkommenden Passanten auszuweichen. Kopfschütteln und lautes Schimpfen begleiteten ihn bis hinab auf den Bahnsteig.
Er konnte gerade noch durch die sich schließende Tür des überfüllten Waggons hechten, als die Bahn mit einem dumpfen Aufbrummen losfuhr.
Gewohnheitsmäßig begann Sokolow die anderen Fahrgäste zu mustern. Die meisten Mitreisenden schliefen halb oder lasen in einem Buch. Sie fuhren jeden Tag dieselbe Strecke und wussten ohne nachzudenken, wo sie wann auszusteigen hatten. Einige Leute glaubte er auch zu erkennen. Seit knapp drei Jahren fuhr er fast täglich zu gleicher Zeit diese Strecke. Da blieb es auch in einer Millionenstadt wie Moskau nicht aus, regelmäßig dieselben Gesichter zu sehen.
Der dürre Kerl mit dem Wieselgesicht kam ihm ebenfalls bekannt vor, allerdings aus einem anderen, eher unangenehmen Zusammenhang. Das Wiesel starrte scheinbar unbeteiligt zum Fenster hinaus, hinter dem nur die Schwärze des U-Bahn-Schachtes auszumachen war. Sokolow folgte dem Blick. In dem Fenster spiegelte sich ein Teil des Waggoninneren mitsamt Fahrgästen. Der Blick des Wiesels war auf eine alte Frau mit prall gefülltem Rucksack gerichtet, der zwischen den krummen Beinen der Alten abgestellt war.
Die automatische Bandansage kündigte die nächste Station an. Erste Unruhe kam unter den aussteigewilligen Passagieren auf. Sokolow registrierte, dass das Wiesel jemandem zuzwinkerte. Im spiegelnden Fenster vermochte Sokolow den Adressaten dieser Geste auszumachen. Ein kleiner Mann mit abgewetzter, blauer Joppe und einer Wollmütze auf dem birnenförmigen Schädel trat einen Schritt an die Alte mit dem Rucksack heran und rempelte ihr einen Arm in die Seite. Die Alte drehte sich um und schimpfte. Die Birne konterte lautstark und lenkte die Aufmerksamkeit der Frau geschickt auf sich, während das Wiesel mit einer schnellen Bewegung nach dem Riemen des Rucksackes griff und durch die sich gerade öffnende Tür ins Freie stürzte. Während die Alte sich dieser Tatsache gerade erst bewusst wurde, hechtete Michail Sokolow dem Wiesel hinterher. Dieser registrierte verwundert den Verfolger und setzte zum Spurt an. Doch die drängelnde Menge in der Metro-Station und der unhandliche Rucksack hemmten den Flüchtenden stärker als gedacht. Nach einigen Metern erreichte der Jäger den Dieb kurz vor der Treppe nach oben. Nur ein ratlos herumsuchender Alter in ausgedienter Uniformjacke trennte ihn noch von dem Dieb. Er schob den Veteranen kurzerhand beiseite und stieß seinen ausgestreckten Arm in den Rücken des Flüchtenden. Der strauchelte und schlug mit dem Gesicht unsanft auf die Stufen. Blut rann aus dessen Mund und Nase, als Sokolow den Kopf des Mannes hart zur Seite drehte. Schmerzverzogen und hasserfüllt starrte das Wiesel seinen Verfolger an.
„Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein, Wiesel! Vergreife dich nie wieder an fremdem Eigentum, sonst brech´ ich dir alle Knochen!“, knurrte der Hauptmann der Kriminalmiliz Michail Sokolow und klopfte sich die Hände an der grauen Stoffhose aus.
Mit einer leichten Verspätung betrat Sokolow die Dienststelle der Moskauer Kriminalmiliz in der Petrowka 38. Er nickte dem uniformierten Pförtner zu, während er den Dienstausweis routiniert in die Höhe hielt. Eigentlich hatte er wie üblich die Treppe angesteuert, aber der Ruf seines Namens hielt ihn davon ab.
„Steigen Sie zu mir in den Lift, Michail Sergejewitsch“. Was eine Bitte hätte sein können, klang bei Oberst Boris Kusnezow allerdings wie ein Befehl. Der Angesprochene betrat die enge Kabine, die von dem ebenso großen wie breiten Kusnezow fast vollständig ausgefüllt wurde. Ehe die Tür vollständig geschlossen war, begann der Leiter der Abteilung für schwere Gewaltverbrechen: „Michail Sergejewitsch, es liegt eine Beschwerde gegen Sie vor. Petjuschin von der Rauschgiftfahndung hat am Freitag behauptet, Sie hätten ihn geschlagen und verleumdet.“
Sokolow kratzte sich am Kopf. Er hätte es sich denken können. Diese korrupte Ratte setzte also zur Gegenwehr an.
Er entgegnete: „Boris Romanowitsch, ich hatte Petjuchin im Verdacht, mit der Bande von Senja Golubew gemeinsame Sache zu machen. Und tatsächlich erhielt sein Klub „Paradies“ laut meinem Informanten eine Razziawarnung. Ich hatte Petjuchin aber ein Falle gestellt: Nur er wusste von der vermeintlichen Razzia. Sie können verstehen, dass ich den Kerl darauf angesprochen habe.“