Engagiert Euch! - Stéphane Hessel - E-Book

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Stéphane Hessel

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Beschreibung

Der Widerstandskämpfer und Erfolgsautor Stéphane Hessel meldet sich erneut zu Wort: Nach Empört Euch! folgt sein Aufruf zum aktiven Einsatz für eine bessere Welt. Stéphane Hessels Streitschrift Empört Euch! hält die Welt in Atem. Die Verletzung der Menschenrechte und die Zerstörung der Umwelt gehen uns alle an. Wie aber kann sich jeder Einzelne ganz konkret für eine bessere Gesellschaft stark machen? Im Gespräch mit dem jungen Journalisten Gilles Vanderpooten vertieft der ehemalige Diplomat seine Vorstellung von einem engagierten Leben. Eine komplexer gewordene Welt, so Hessel, erfordert komplexe Strategien. Widerstand darf aber nicht nur im Kopf passieren. Wir müssen handeln, und zwar mit den Mitteln der Demokratie. Dazu gehören die Beteiligung an Protesten, internationale Zusammenarbeit sowie persönliches Engagement im Kleinen. Aber vor allem brauchen wir eines: den Glauben daran, dass unser bürgerliches Engagement die Welt verändern kann. "Der Diplomat Stéphane Hessel" - Ein Kinodokumentarfilm. Jetzt auf DVD: www.derdiplomatstéphanehessel-derfilm.de

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Seitenzahl: 52

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Das Buch

Der französische Widerstandskämpfer und Erfolgsautor Stéphane Hessel meldet sich erneut zu Wort: Nach Empört Euch! folgt sein Aufruf zum Engagement für eine bessere Welt. Im Gespräch mit dem jungen Journalisten Gilles Vanderpooten vertieft der ehemalige Diplomat seine Vorstellung von einem engagierten Leben. Eine komplexer gewordene Welt, so Hessel, erfordert komplexe Strategien. Widerstand darf aber nicht nur im Kopf passieren. Wir müssen handeln, und zwar mit den Mitteln der Demokratie. Dazu gehören die Beteiligung an Protesten, internationale Zusammenarbeit sowie persönliches Engagement im Kleinen. Aber vor allem brauchen wir eines: den Glauben daran, dass unser bürgerliches Engagement die Welt verändern kann.

Der Autor

Stéphane Hessel, geboren 1917 in Berlin, ist seit 1937 französischer Staatsbürger. Ab 1945 vertrat er Frankreich bei den Vereinten Nationen in New York, 1948 als Mitunterzeichner der UN-Charta der Menschenrechte. Im Auftrag der UNO und des französischen Außenministeriums war er als Diplomat tätig.

Der Übersetzer

STÉPHANE HESSEL

im Gespräch mit Gilles Vanderpooten

ENGAGIERT EUCH!

Aus dem Französischen von Michael Kogon

Die französische Originalausgabe erschien 2011unter dem Titel Engagez-vous! bei Éditions de l’Aube.

Diesen Gedankenaustausch über die Zukunft haben Stéphane Hessel und Gilles Vanderpooten zwischen September 2009 und Januar 2011 geführt.

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wieetwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oderÜbertragung können zivil- oder strafrechtlichverfolgt werden.

ISBN 978-3-8437-0133-4

© Éditions de l’Aube, 2011

© der deutschsprachigen Ausgabe

2011 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin

Umschlagfoto: Nadine Städtner

Satz und eBook: LVD GmbH, Berlin

Inhalt

Widerstand heute

Von der liberalen zur nachhaltigen Entwicklungspolitik

Die Entstehung des Umweltbewusstseins

Umweltschutz und Politik

Krise und internationale Institutionen

Alternativen schaffen

Blick auf morgen

Von Generation zu Generation

 

Anhang

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Fußnoten

Stéphane Hessel Lebenslauf

Biographische Zeittafel

Widerstand heute

Gilles Vanderpooten: Eine Ihrer Botschaften an die Jugend von heute lautet: »Setzt euch zur Wehr«[1], wie Sie es selber getan haben. Sie sagen: »Es braucht nur eine geschlossene, aktive Minderheit engagierter junger Menschen, und unser Land wird ein Land des Widerstandes sein.« Wie kann man den Geist der Résistance von 1941 bis 45 auf heute übertragen? Und wofür und wogegen genau soll man sich engagieren?

Stéphane Hessel: Die Résistance war historisch einmalig, nicht wiederholbar: ein besetztes Land, Menschen, die sich gegen Unerträgliches auflehnten.

Und heute? Unerträgliches auch jetzt, und wir sollten es halten wie damals, als wir die deutsche Besetzung, Auschwitz, den Nationalsozialismus, den Antisemitismus nicht hinnehmen wollten – mit der Vision, unser Land werde, sobald es befreit wäre, die Werte aus dem Programm des Nationalen Widerstandsrates für die Zukunft festschreiben.

G. V.: Das Programm des Nationalen Widerstandsrates forderte ganz konkrete Maßnahmen wie »die Rückgabe der gemeinsam erarbeiteten und dann monopolisierten großen Produktionsmittel, der Energiequellen, der Bodenschätze, der Versicherungsgesellschaften und der Großbanken an die Nation«. Halten Sie das auch heute noch für aktuell?

S. H.: Selbstverständlich hat sich seither vieles geändert. Die Problematik ist eine andere, und damit auch die Relevanz unseres damaligen Programms. Da würde blinder Übernahmeeifer nur schaden. Die Werte aber, denen wir damals verpflichtet waren, sind die gleichen geblieben und gleich verbindlich: die Werte unserer Republik und der Demokratie. Alle Regierungen seither können daran gemessen werden.

Das Programm des Nationalen Widerstandsrates verkörperte eine Vision, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat: ein entschiedenes Nein zum Diktat von Geld und Profit, zum Auseinanderklaffen von extremer Armut und arrogantem Reichtum, zum Wirtschaftsfeudalismus, ein entschiedenes Ja für eine wirklich unabhängige Presse, für umfassende soziale Sicherheit. Vieles von dem, was uns damals wichtig war und auch umgesetzt wurde, wird heute in Frage gestellt, bis zur echten Gefährdung.

Zahlreiche Maßnahmen der letzten Zeit sind für meine Kameraden aus der Résistance – und für uns – ein Schock. Sie lassen sich nicht mit diesen Grundwerten vereinbaren. Wir, und vor allem die Jungen, dürfen das nicht hinnehmen.

Verschließen wir nicht die Augen vor den schreienden Ungerechtigkeiten um uns herum. Lassen wir uns nicht vor Tatsachen stellen, die wir als leider vollendet zu akzeptieren hätten.

G. V.: Zum Beispiel?

S. H.: Für den größten Skandal halte ich die soziale Ungleichheit im Wirtschaftsleben, den Gegensatz von sehr reich und sehr arm in einer Welt, die zusammengewachsen ist. Nicht genug, dass es reiche und arme Länder gibt. Die Kluft zwischen beiden wird immer noch tiefer, vor allem seit etwa zwanzig Jahren, und wirkliche Abhilfe ist nicht in Sicht.

Der Jugend von heute muss das klargemacht werden. Aber gegen diese Art Ungerechtigkeit etwas zu unternehmen ist viel komplexer, als sich gegen eine Besatzungsmacht aufzulehnen. Damals schloss man sich einer Widerstandsgruppe an, ließ einen Eisenbahnzug hochgehen. Das war einfach – relativ. Heute heißt das: nachdenken, publizieren, Politiker wählen, die hoffentlich das Richtige tun werden – kurz, sehr langfristig planen und handeln.

G. V.: Wie sensibilisiert man für den »Skandal der Ungleichheit« die vielen Menschen, die damit nicht unmittelbar in Berührung kommen?

S. H.: Es genügt nicht, sich aufzuregen, wie ungerecht die Welt ist. Ungerechtigkeit ist sehr konkret. Sie lauert an meiner Tür, hier und jetzt.

Ich lebe unter Reichen und Armen. Irgendwann merke ich, dass es diese schlimme Armut gibt und dass ich falsch reagiere, wenn ich auf jemanden treffe, der gerade seine Stelle verloren hat, während seine Firma munter weiter kassiert.

Was wird da von mir gebraucht? Zur Stelle sein mit Worten und Taten, mit Herz und Verstand. Dem Betroffenen Unterstützung gewähren. So kann mich diese Kluft zwischen sehr reich und sehr arm, die meine Empörung geweckt hat, zu konkretem Handeln führen. Für diesen ersten großen Problembereich kann das Wort »Widerstand« also durchaus einen konkreten Sinn haben.

Im Gespräch mit Gymnasiasten und Studenten, die am Beginn ihres Berufsweges stehen, ist meine Botschaft: »Macht euch klar, was euch stört und empört, und dann versucht herauszufinden, was ihr konkret dagegen unternehmen könnt.«

G. V.: Widerstand ist zunächst nur ein Gedankenkonstrukt. Es muss in die Praxis umgesetzt werden, in Aktion. Ist die Jugend von heute da nicht zu konformistisch?

S. H.: Sich zur Wehr zu setzen, sich aufzulehnen darf natürlich nicht beim Nachdenken oder Benennen aufhören, sondern muss in Aktion münden. Da spüre ich allerdings in mir einen gewissen Pessimismus. Die Jugend von heute bleibt gegenüber schlimmen Zuständen, gegen die sie sich auflehnen müsste, eher passiv. Sie kann genau wie ich erkennen, wie skandalös die wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit ist, die Ausplünderung unserer Erde, die ungehemmte Gewalt in Darfur, in Palästina, vielerorts in Afrika und im Mittleren Osten. Natürlich wird darüber nachgedacht und diskutiert. Aber wie kann das in praktisches Engagement umgemünzt werden?

Immerhin nehmen die Jungen nicht mehr alles hin. Ich erinnere an die Demonstrationen gegen die Rentenreform in Frankreich. Abgesehen von der einen oder anderen Forderung besteht der Eindruck, dass die Jugend kein Gehör findet und dass sie nicht zufrieden ist mit der Art, wie sie regiert wird. Mich beunruhigt der gewaltige Abstand zwischen der Politik und der Jugend in Frankreich.

G. V.: Im Nahostkonflikt sind Sie mit Nachdruck für die Rechte der Palästinenser gegen die Politik der israelischen Regierung eingetreten. Das ist ein starkes und entschlossenes Engagement, aber es war auch riskant. Ihnen wurde eine Klage wegen »öffentlicher Aufhetzung zur Diskriminierung« angedroht. Bedeuten Stellungnahme und Engagement also zwangsläufig, dass man ein Risiko auf sich nimmt? Hält man manchmal besser den Mund?

S. H.: Nein! Die Freiheit der Meinungsäußerung ist – zumindest hierzulande – ein hohes und unverzichtbares Gut. Sich da zu exponieren zeugt von einem festen Charakter.

G. V.: Wohin man sieht: Gründe, sich aufzuregen, und Leid für viele Menschen. Ich denke an die ungleiche Verteilung von Einkommen, die Verlagerung von Produktionsstätten mit entsprechender Vernichtung von Arbeitsplätzen, die Schwierigkeiten der Jungen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen, oder daran, dass immer mehr Stellen gestrichen werden, sogar in Führungspositionen, ich denke an die Sinnentleerung der Arbeit, an Stress als Dauerzustand im Beruf, an riskante und umstrittene Managementmethoden usw. Allgemeiner gefragt: Ist angesichts der offensichtlichen Krise und der überall in der Welt wachsenden Ungleichheiten eine Revolte denkbar oder gar wünschenswert?

S. H.: Meine Generation ist ziemlich allergisch gegen den Gedanken einer Weltrevolution. Nicht zuletzt, weil wir mit ihr geboren wurden. Ich kam 1917 zur Welt, im Jahr der Russischen Revolution, das gehört zu meiner Persönlichkeit. Ich habe die – vielleicht unzutreffende – Überzeugung gewonnen, dass revolutionäre Gewaltakte gegen die bestehende Ordnung keinen geschichtlichen Fortschritt bringen.

Fortschritt ergibt sich, davon bin ich überzeugt, aus der Zusammenarbeit bestehender Kräfte. Ich bin ein bedingungsloser Anhänger der UNO. Meine Generation hat zwei große Leistungen erbracht: die Charta der Vereinten Nationen mit der anschließenden Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und die Befriedung Europas. Dazu die Freigabe der Kolonien. Das sind Errungenschaften, die Bestand haben müssen, auch wenn sie noch keine Handhabe für die Lösung schwierigerer Probleme bieten.

Die Vereinten Nationen haben einiges zuwege gebracht; man muss sie stärken, unterstützen, ihnen mehr Autorität und mehr Geld geben, statt sie weghaben und ersetzen zu wollen. Aber ein Mensch Mitte zwanzig mag sich schon fragen: Sollen wir weitermachen, ausbauen oder ganz neu anfangen?

In allen Gesellschaften existiert eine latente Gewalt, die ungehemmt ausbrechen kann, wie in den Befreiungskämpfen gegen die Kolonialherrschaft. Aufstände, zum Beispiel von Arbeitern, sind nach wie vor denkbar – wenn auch angesichts der heutigen Formen des Wirtschaftens im weltweiten Rahmen recht unwahrscheinlich. Unmenschliche Verhältnisse und Konflikte zwischen Arm und Reich, wie sie Émile Zola in seinem Roman Germinal beschrieben hat, gehören doch eher einer vergangenen Zeit an.

Andererseits kann heute selbst eine kleine Gruppe von Radikalen viel Unheil anrichten, da es mehr Mittel der Gewaltausübung gibt. Insofern enthält die Stabilität der Demokratien – aber auch die der Diktaturen – ein Element der Instabilität.

Die Jugend von heute ist gefordert, für die Werte einzustehen, nach denen sich ihr Vertrauen oder Misstrauen gegenüber den Regierenden bemisst. Das ist das Prinzip der Demokratie, durch das wir die Entscheidungsträger beeinflussen können.

Den Unterschied zwischen meiner Generation und der Ihren sehe ich darin, dass mein staatsbürgerliches Gefühl im Wesentlichen noch national orientiert war. Mir ging es um das gute Funktionieren und um den Erhalt meines Landes. Heute steuern wir eher auf ein Weltbürgertum zu, und sei es auch nur, weil immer offensichtlicher wird, dass die Aufgaben, von denen wir hier sprechen, für Einzelstaaten zu groß geworden sind. Selbst die bestmögliche Regierung schafft es nicht mehr allein, sie muss im Verbund agieren.

G. V.: Dazu dann noch, sogar direkt mit der Frage der Ungleichheiten verknüpft: die Umwelt …

S. H.: Die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist die zweite große Herausforderung, überall und jetzt. Das berührt und mobilisiert die Jugend von heute wahrscheinlich am meisten. Wir empfinden es als beunruhigend und beschämend, dass es unserer Erde nicht mehr gutgeht, dass dringend Notwendiges unterlassen wird, dass das Treiben einfach weitergeht. Auch hier lässt sich das Gebot des Widerstandes konkretisieren: als Protest gegen die Umweltzerstörung der großen Ölgesellschaften, gegen den Raubbau an unseren Ressourcen, gegen die Sünder wider das Gebot der Nachhaltigkeit.

G. V.: Halten Sie die Notwendigkeit des Umweltschutzes heute für ebenso einleuchtend und zwingend, wie es für Sie die Résistance war?

S. H.: In der Tat. Die Schutzbedürftigkeit unserer Umwelt ist sehr konkret, jedenfalls im Vergleich zum Kampf für mehr Gerechtigkeit. Das Engagement Ihrer Generation gegen die Verschwendung von Energie und Ressourcen ist eine solche Konkretisierung, wo man bereits etwas tun kann, für sich allein oder im Rahmen von Organisationen, die gegen Fehlentwicklungen – im Individualverkehr, in der Atomwirtschaft usw. – kämpfen. Ob individuell oder kollektiv: Der Kampf hat ein ganz konkretes Ziel.

Von der liberalen zur nachhaltigen Entwicklungspolitik

G. V.: Sie kritisieren entschieden das sehr liberale Entwicklungskonzept nach dem Muster der langjährigen Entwicklungspolitik der Vereinigten Staaten.