Englische Gedichte aus neuerer Zeit - Ferdinand Freiligrath - E-Book

Englische Gedichte aus neuerer Zeit E-Book

Ferdinand Freiligrath

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Beschreibung

Diese Ausgabe beinhaltet die wichtigsten poetischen Übersetzungen des deutschen Schriftstellers. Aus dem Inhalt: Das Waldheiligtum Vermischte Gedichte Des Cids Leichenzug Des Cids Auferstehung Die Indische Stadt Die Indianerin ( Long: Expedition to the source of St Peters River) Eine romantische Stunde Die Zugvögel Der Sonnenstrahl Nachtlied zur See Lied der Auswanderer Kirchenmusik Englands Tote Troubadour-Lied Die gebrochene Kette Des Kindes erster Kummer Weit entfernt Grablied zur See O ihr Stimmen u.v.a.

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Englische Gedichte aus neuerer Zeit

Ferdinand Freiligrath

Inhalt:

Ferdinand Freiligrath – Biografie und Bibliografie

Englische Gedichte aus neuerer Zeit

Das Waldheiligtum

Erster Teil

Zweiter Teil

Vermischte Gedichte

Des Cids Leichenzug

Des Cids Auferstehung

Die Indische Stadt

Die Indianerin ( Long: Expedition to the source of St Peters River)

Eine romantische Stunde

Die Zugvögel

Der Sonnenstrahl

Nachtlied zur See

Lied der Auswanderer

Kirchenmusik

Englands Tote

Troubadour-Lied

Die gebrochene Kette

Des Kindes erster Kummer

Weit entfernt

Grablied zur See

O ihr Stimmen

Was da frei, das ist mein Traum

Fern überm Meer

Der Engel Ruf

Verwandte Herzen

An den Efeu

Man mißt euch nicht, ihr schönen Blumen

Seit ich dich zuletzt gesehn

Mutter, o sing' mich zur Ruh'!

O, laßt sie ziehn

Die gebrochene Blume

Der letzte Wunsch

Grabgesang

Lied

Die Träumende

Die Heimat an den Verlorenen

Die Zauber der Heimat

Der Spanische Page

Erwartung

Der Hirtenknabe

Das unbekannte Grab

Die alte Zeit

Der Nordstern

Blumenlieder für Kinder

An Marie

Sankt Romnald

Der Krokodilkönig

Die Schlacht von Blenheim

Die Klagen der Armen

Die einsame Schnitterin

Eibenbäume

Ein Begräbnisplatz auf der Nordküste von Schottland

Tippo Saibs letzter Tag

An Lord Byron

Venetianisches Ständchen

Eine Proletarierfamilie in England

Mariana

Mariana im Süden

Ein Grablied

Die Schwestern

Die Ballade von Oriana

Der sterbende Schwan

Lied

Die Dame von Shalott

Lady Clara Vere de Vere

Ulysses

Locksley Hall

Godiva

Amphion

Das Bettlermädchen

Der Dichter

Excelsior

Der Regentag

Das Skelett in der Rüstung

Der Belfried zu Brügge

Nürnberg

Warnung

Thalaba der Zerstörer

Englische Gedichte aus neuerer Zeit, Ferdinand Freiligrath.

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849614201

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Ferdinand Freiligrath – Biografie und Bibliografie

Dichter, geb. 17. Juni 1810 in Detmold, gest. 18. März 1876 in Cannstatt, besuchte bis zu seinem 15. Jahre das Gymnasium seiner Vaterstadt, widmete sich jedoch dann dem kaufmännischen Stand und erlernte die Handlung bis 1831 in Soest, war hierauf in einem Wechselgeschäft zu Amsterdam, 1837–39 in Barmen tätig, entsagte aber, veranlasst durch den Beifall, den 1838 seine »Gedichte« fanden, der kaufmännischen Laufbahn und privatisierte 1840–41 in Weimar und Darmstadt. 1842 erhielt F. durch die Gunst des Königs von Preußen ein Jahrgehalt, in dessen Genuss er sich nach St. Goar begab, wo er mit dem mit gleicher Auszeichnung bedachten Emanuel Geibel ein heiteres, nur der Poesie gewidmetes Leben führte. F. begann hier sich von der tropischen Fremde, deren Leben er bis dahin fast ausschließlich in seiner Poesie gestaltet hatte, ab- und der Heimat zuzuwenden: in seinem poetischen »Glaubensbekenntnis« (Mainz 1844) trat er plötzlich offen zur Fahne des Liberalismus über und rechtfertigte diesen Schritt des genaueren in einem prosaischen Vorwort. Zugleich verzichtete er auf die königliche Pension. Wegen seines von jetzt an kundgegebenen politischen Radikalismus verfolgt, begab er sich 1845 in die Schweiz, ward aber auch hier ausgewiesen und siedelte daher 1846 nach London über, wo er Korrespondent in einem Handelshaus wurde. Die europäische Bewegung von 1848 begrüßte er mit zwei Gedichten: »Die Revolution« und »Februarklänge«, kehrte nach Deutschland zurück und ließ sich in Düsseldorf nieder. Ein Gedicht: »Die Toten-an die Lebenden«, zog ihm Verhaftung (29. Aug.) und Anklage auf Majestätsbeleidigung zu; doch ward er vom Geschworenengericht 3. Okt. freigesprochen (vgl. »Stenographischer Bericht des Prozesses gegen den Dichter F. F.«, Düsseld. 1848). In Holland, wo er sich niederzulassen gedachte, 1849 ausgewiesen, lebte er nun zu Bilk bei Düsseldorf, erhielt jedoch im Oktober 1850 die Weisung, Preußen zu verlassen. Nachdem er indes seine zehnjährige Untertanenschaft in Preußen nachgewiesen, wurde er im Mai 1851 als Ortsbürger in Düsseldorf aufgenommen. Wegen des zweiten Heftes seiner »Politischen und sozialen Gedichte« und wegen seiner Beteiligung an der demokratischen Zentralbehörde in Köln sollte er abermals verhaftet werden, er flüchtete daher wieder nach England und lebte seitdem in London, fern von den Umtrieben der Flüchtlingspropaganda, als Direktor einer schweizerischen Bankkommandite. Als das Bankhaus 1867 fallierte, kam der schon früher angeregte Gedanke, den Dichter durch eine Nationalsubskription seiner Muse zurückzugeben, zur Ausführung. Die Ergebnisse sicherten ihm ein sorgenfreies Leben, und er kehrte 1868 nach Deutschland zurück, um sich in Cannstatt bei Stuttgart niederzulassen. Freiligraths poetische Richtung zeigte sehr früh ein gewisses Überwiegen kräftiger und farbenlodernder Beschreibung. Er malte mit Vorliebe Bilder des Meeres, der Wüste, der Steppe, der tropischen Landschaft, Bilder des Kampfes und des Grauens, leidenschaftlich gespannte Situationen, ohne darum des zarten und innigen Gefühls ganz zu entbehren. Mit der völligen Neuheit des Inhalts verbanden Freiligraths »Gedichte« (Stuttg. 1838, 49. Aufl. 1896) Originalität der Form, selbst seine Wiederaufnahme des Alexandriners, den er jedoch mit kürzeren Versen vereinigte, war eigentümlich und geschickt. Die meiste Verwandtschaft zeigte F. mit Vietor Hugo, dessen »Oden« und »Dämmerungsgesänge« er daher auch mit Meisterschaft nachdichtete (in der Sauerländerschen Ausgabe von Victor Hugos Werken; vgl. Breitfeld, F. Freiligraths Übersetzungen aus V. Hugo, Plauen 1890). Dasselbe gilt von seinen Nachbildungen mehrerer englischer Lyriker, wie Th. Moore, Tannahill, Fel. Hemans, Burns etc. Einen weniger erfreulichen Eindruck machten seine späteren politischen und Zeitgedichte; die revolutionäre Überhitzung namentlich der älteren Gedichte dieser Art in den Sammlungen: »Ein Glaubensbekenntnis« (Mainz 1844, neue Ausg. 1863), »Ça ira« (Herisau 1846), »Politische und soziale Gedichte« (Düsseld. 1849–51, 2 Hefte) hatte vielfach etwas Gekünsteltes. Die spätern, in der zweiten englischen Verbannung geschriebenen Gedichte sowie die herrlichen patriotischen Dichtungen des Jahres 1870 (»Hurra Germania«, »Die Trompete von Gravelotte«) zeigten ihn hingegen im Vollbesitz seiner Kraft; der Dichter, der anfangs in romantische Ferne schweifte, war ein tieffühlender Interpret des nationalen Lebens der Zeit geworden. Gedichte aus seiner älteren, nicht politischen Zeit enthält die Sammlung »Zwischen den Garben« (Stuttg. 1849), die spätesten Dichtungen erschienen außer in den gesammelten Werken auch in den »Neuen Gedichten« (das. 1876, 3. Aufl. 1880). Außerdem gab er heraus: »Rolands Album« (Gedichte, Köln 1840); in Gemeinschaft mit I. Hub und Aug. Schnezler den 1. und 2. Jahrgang des »Rheinischen Odeon« (Koblenz 1836 u. 1839); mit Simrock und Matzerath das »Rheinische Jahrbuch für Kunst und Poesie« (Köln 1840 u. 1841); mit Levin-Schücking: »Das malerische und romantische Westfalen« (Barmen 1840–42; 3. Aufl., Paderb. 1889); mit Ed. Duller: »1842, Gedicht zum Besten des Kölner Doms« (Darmst. 1842) und »Karl Immermann, Blätter der Erinnerung an ihn« (Stuttg. 1842); »Dichtung und Dichter, eine Anthologie« (Dessau 1854) und die englische Anthologie »The rose, thistle and shamrock« (6. Aufl., Stuttg. 1887). Als Übersetzer ließ er den »Englischen Gedichten aus neuerer Zeit« (Zür. 1846) die Übertragung von Shakespeares »Venus und Adonis« (Düsseld. 1849) und Longfellows »Hiawatha« (Stuttg. 1857) folgen. Aus seinem Nachlaß erschienen noch zwei Jugendarbeiten: die Übersetzung von Byrons »Mazeppa« und die Erzählung »Der Eggesterstein« (Stuttg. 1883). Freiligraths »Gesammelte Dichtungen« (Stuttg. 1870, 6 Bde.; 6. Aufl. 1898) fanden eine glänzende Ausnahme. Seit 1875 gab er für den Hallbergerschen Verlag zu Stuttgart ein illustriertes Unterhaltungsblatt in englischer Sprache u. d. T.: »Illustrated Magazine« heraus. – Freiligraths Gattin Ida (gest. 6. Febr. 1899 in London) zeichnete sich ebenfalls als geschmackvolle Übersetzerin englischer Dichtungen aus; seine älteste Tochter, Käthe, übertrug Gedichte ihres Vaters vortrefflich ins Englische und veröffentlichte 1901 in der »Deutschen Revue« interessante Erinnerungen »Aus dem Nachlaß meiner Mutter«. Vgl. Schmidt-Weißenfels, F., eine Biographie (Stuttg. 1876); Buchner, Ferdinand F., ein Dichterleben in Briefen (Lahr 1881, 2 Bde.); Gisberte Freiligrath, Erinnerungen an Ferd. F. (Minden 1889); I. Rodenberg, Erinnerungen aus der Jugendzeit (Berl. 1899, 2 Bde.); Kurt Richter, F. F. als Übersetzer (das. 1899).

Englische Gedichte aus neuerer Zeit

Ich habe dieser Sammlung von Übersetzungen nur wenige einleitende Worte mit auf den Weg zu geben. Was ich, Lesern und Beurteilern gegenüber, zumeist hervorheben möchte, ist die Zeit ihres Entstehens. Nur ein sehr kleiner Teil des Buches nämlich (Locksley Hall, Godiva, Ulysses, Lady Clara Vere de Vere von Tennyson, Eine Proletarierfamilie in England von Ebenezer Elliott, Warnung von Longfellow und einiges andere) gehört meiner jüngsten Vergangenheit an: alles Übrige ist aus früherer Zeit. Die abschließende Zusammenstellung nach so langer Frist bedarf wohl nicht erst einer Erklärung. Alles will zuletzt geordnet, umgrenzt und – abgeschüttelt sein.

Sonst wüßt' ich kaum noch etwas hinzuzufügen, es wäre denn, um einem möglichen Verdachte übersetzerischer Willkür zu begegnen, die Bemerkung, daß ich die älteren Tennysonschen Sachen nach den ersten Auflagen der Originale (London, 1830 und 1832) bearbeitet habe; ein Umstand, den ich vergleichende Besitzer späterer Editionen, in welchen der Dichter manches bis zur Unkenntlichkeit verändert hat (ich erinnere u. a. nur an Mariana im Süden) nicht außer acht zu lassen bitte. Aus ähnlichem Grunde glaube ich nicht unerwähnt lassen zu dürfen, daß die Stanze des Hemansschen Waldheiligtums, bei sonst verwandtem Bau, sich auch im englischen Texte durch einen vierfachen Reim von der Spenserstanze unterscheidet. Die im Inhalt mit einem Sternchen bezeichneten Stücke hat meine Frau übersetzt.

Zürich, im Frühjahr 1846. F. Freiligrath.

Felicia Hemans-Das Waldheiligtum

Das folgende Gedicht hat die Absicht, die geistigen Kämpfe sowohl, als die äußeren Leiden eines Spaniers zu beschreiben, der, vor den religiösen Verfolgungen seines Vaterlandes im 16. Jahrhundert fliehend, sich mit seinem Kinde in den Wäldern Nordamerikas eine Zuflucht sucht. Man nimmt an, daß er selbst seine Geschichte in der Wildnis erzählt, die ihm ein Asyl gewährt hat.

Erster Teil

Ihr Plätze alle meiner stillen Freuden, Euch lass' ich hinter mir auf immerdar!

So ist des Geistes Ruf an mich ergangen: Mich treibt nicht eitles, irdisches Verlangen.

Die Jungfrau von Orleans.

Der Unterdrückung bot ich meine Brust, Und für des Glaubens angestammte Freiheit Ging ich in Ketten, und vergoß mein Blut.

Reue; Tragödie von Coleridge.

1.

Die Stimmen meiner Heimat! Jede Nacht Durch meine Träume noch hör' ich sie klingen; Hör' meines Herzens klaren tiefen Schacht Mit reiner Freude selig sie durchdringen! O, diese Stimmen! sind auch ein'ge schon. Verscholl'nen Liedern gleich, der Welt entflohn; Starb auch in andern jenes wilde Singen Des Glücks schon und der Lust: – doch noch bereiten Sie täglich mir ein Fest, die Stimmen andrer Zeiten!

2.

Sie rufen mich durch dieser Wälder Schweigen Früh bei der Blätter morgendlichem Wehn; Sie ziehn vorbei, wenn sich die Blumen neigen. Und wenn am Himmel auf die Sterne gehn; Gleichwie ein Bach, an dem ihr vormals, ruhtet, Zur Zeit des Durstes durch den Geist euch flutet, So hör' ich immer noch ihr süß Getön; Bis, matt vor' Lechzen, meiner Seel' ich sage: O, einer Taube Flug, daß er davon mich trage,

3.

Zu meiner Arche! – Doch wohin, wohin? – Ein sehnend Herz, ich nehm' es mit ins Grab! Ich bin von denen, über deren Sinn Ein Hauch – und flog' er hörbar kaum hinab Den glatten See und seines Schilfrohrs Hecken – Gewalt hat, Schatten früh'rer Zeit zu wecken. Wie eines Zaubrers machtbegabter Stab! So muß es sein! – der Himmel über mir, Mein eigner wird er nie! – Ruhn meine Toten hier?

4.

Nein, unter Blumen ruht ihr fern im Süden; Um eure Gräber lächelnd spielt das Licht! Bis auf ein einz'ges! – Über einer Müden Aufbraust ein einsam Meer: hier ruht ihr nicht! 'S ist nicht des Ölbaums feierlich Geflüster, 'S ist nicht das Wasser, das da rauscht, wo düster Kastanien säuseln, was zum Ohr mir spricht; Die Halle sind's, die nur im Herzen tönen, Und, Muscheln gleich der See, sich klingend heimwärts sehnen.

5.

Still! – Von mir werf', ich diesen Gram, ein Aar, Der von den kräft'gen, ausgespannten Flügeln Den Regen schüttelt! – Land das mich gebar, Mich und mein Kind: – mit deinen prächt'gen Hügeln, Mit deinen Reben du, Hispania, Was steht dein Sohn im Urwald finster da? Mit Kett' und Falter wolltest du ihn zügeln! Der Schmerz vernarbt nicht: – seht die Spuren ihr? Schmach, zorn'ges Brüten, Groll – das gab die Heimat mir!

6.

Schmach! – Ein befleckter Name! – Horch, der Wind! Sein Rauschen spricht ihn doch nicht aus! – Das Zittern Der Blätter hör' ich, die voll Taues sind, Und höre rings der Waldung leises Schüttern! Sie sprechen ihn nicht aus! – Der Zedern Dom Hallt ihn nicht wieder, und der freud'ge Strom Verrät ihn nicht des Schilfes grünen Gittern! Was ist ein Name, wo der Herr allein In stolzer Einsamkeit spricht zu den Wüstenei'n?

7.

Und ist's nicht viel, daß frei und unbeschränkt Ich vor Ihm knien darf an des Waldsees Welle? Knien darf im Forst, der Ihm die Kronen senkt, Und dumpf ertönt vom Sturz der Wasserfälle? Was bin ich still, warum denn jauchz' ich nicht? Lernt' ich doch endlich, was Er liebend spricht. Von Menschenrede sondern! – Licht und helle Brach meine Seele sich durch Wollen Bahn, Und schwebte fessellos und stolz zu Ihm hinan!

8.

Und du, mein Sohn, der du auf meinen Knien Aufschlägst das Auge, dunkel, ernst und mild. Voll von der Kindheit heißem Liebeglühn, Das seinen Tiefen ohne Trug entquillt; O du, der schlummernd mir am Herzen lag, Indes ich sorgsam anhielt seinen Schlag – Für deine Träume schlug es allzu wild! – Mein Sohn, mein Sohn, und ist es keine Gnade, Daß beten du gelernt auf frischem Waldespfade?

9.

Was sollt' ich weinen auf dein lockig Haar? Nie wird dein Schritt der Väter Schloß durchtönen; Ihr flatternd Banner schwingst du nimmerdar. Gehst nicht voran der Bergbewohner Söhnen, Die für die Freiheit einst verspritzt ihr Blut! – Von Spanien fern trug uns des Meeres Flut: Doch wird dein Herz auch unterm Druck nicht stöhnen; Du wirst nicht tragen, was ich selber trug, Der ich um meinen Zorn, der Falschheit Mantel, schlug!

10.

Du sel'ges Kind, dein Los wird anders fallen! Umsonst nicht lebt' ich, litt umsonst nicht Weh'! Hört mich, ihr alten, prächt'gen Waldeshallen, Hört mich, ihr Ströme, die ihr braust zur See! Hör' mich, du Wildnis, grasbewachs'ne, große, Durch die der Sturmwind fährt mit jähem Stoße: – Hört alle mich! Zu sterben, ohne je Sein Leid zu klagen, es ist schön! Doch brechen Sah' ich mein trotzig Herz, dürft' es vor euch nicht sprechen!

11.

Ihr schaut die Eiche dort; sie war der Stolz Der Wälder rings: – ihr seht es an den Resten. Wie grün ihr Laub, wie üppig war ihr Holz, Bis wilder Wein den Tod gab ihren Ästen. Er warf die Fesseln keck von Ast zu Ast, Da sank der Baum, da welkte Blatt und Bast, Da starb er ab, den man genannt den besten. O Gott, o Gott! und was erblick' ich hier? Ein Bild der Menschenhand, mein Vaterland, mit dir!

12.

Doch bist du lieblich! Deine Berge klingen – O, Spaniens süße, trübe Melodien! In meiner Kindheit mocht' ich gern sie singen. Die den Verbannten schmerzlich jetzt durchziehn! Um Fels und Hügel wehn Hispanias Lieder: O, hört' ich einmal noch den Hirten wieder; Und in den Tälern, die von Trauben glühn, Den Maultiertreiber, daß sein Mund die Stille Mit unsrer Heldenzeit volltön'gen Namen fülle!

13.

Doch einst lag Schweigen ernst auf deinen Wäldern Und deiner Felsen moosbewachs'nem Wall. Öd war's im Weinberg, öd war's auf den Feldern, Öd in den Gärten – Schweigen überall! Wer, nahm dem Rebstock seine Purpurbürde? Frei zog die Herde, fern von ihrer Hürde: Wo war der Hirt, wo seiner Pfeife Schall? – Kein Lied, kein Rufen, kein Gestampf von Rossen: – Es hatten in die Stadt die Weiler sich ergossen!

14.

Die Berge still! – Doch in der Stadt Gedränge, Gewühl und Toben! – Wie ein Waldstrom brach Sich ihren Weg die aufgeregte Menge; – Dann einer dumpfen, tiefen Glocke Schlag! Horch, Schlag auf Schlag! – dazwischen tote Pausen, Wie furchtbar still der Sturmflut zorn'ges Brausen Sie unterbrechen; jetzo tausendfach Ton hast'ger Schritte, dröhnend, wie ein Regen, Der ein weithallend Dach peitscht unter Donnerschlägen!

15.

Und nun – o, welch ein Zug! Aufflog das Tor, Das einen Kerker von der freud'gen Helle Des Tages schied! – Wer wankte draus hervor, Langsam geleitet über seine Schwelle? Sie, die gelernt auf feuchten Moderstreu'n, Wie man in Nacht vergißt den Sonnenschein; Wie man entfremdet wird in dunkler Zelle Menschlichen Zügen selbst! – Vor ihr Gesicht Die Hände preßten sie, geblendet schier vom Licht!

16.

Und das am Menschen sind des Menschen Werke! – Es waren ein'ge drunter, die ihr Leid Mit der Verzweiflung düstrer, herber Stärke Umgürtet hatten, wie ein ehern Kleid Der Krieger trägt, der im Gefecht sich maß: Doch ihre Rüstung drückte sie, man sah's! Und andrer Geist war Härterm noch geweiht: Sie lächelten; – o, schrecklich Lächeln dessen, Dem irr die Seele floh! – wo schläft sie unterdessen?

17.

Doch weiter, weiter (seines Glaubens wegen Zum Feuertode!) schritt der finstre Zug. Es war das Opfer, das dem Herrn entgegen Das stolze Land des Rittertumes trug. Sie schritten stumm an Tausenden vorbei; O Gott, wie anders alle diese – frei, Stolz, schön, geliebt! – doch jede Fiber schlug! Ein Volk hielt seinen Odem an; mit Zittern Ließ den Gedanken: Tod! es seine Brust durchschüttern!

18.

Wohl mochte rings von Mitleid und von Zorn Manch Herz erglühn von diesen tausend Herzen, Denn allenthalben quillt der Liebe Born, Und auch das Weib, das lächelnd unter Schmerzen Gebiert und säugt, auf dessen treuen Knien Zuerst Gebete lallend uns entfliehn – Das Weib auch sah des Zuges Trauerkerzen! Doch sonnig lacht der Herd, süß ist das Leben, Und wert der freie Schritt – drum sah man alle beben.

19.

Mut, Jugend, Kraft! – Ihr Wille war gebunden, Ein Frost befiel ihr Lieben und ihr Hassen; Still, wie ein Wald in schwülen Mittagsstunden, So standen rings die atemlosen Massen; Starr, ein gefrorner Strom! – Doch bald befreit. Braust er und brandet, wie zu bess'rer Zeit! Die Dulder aber hielten aus; – gelassen, Mit festem Gange schritten sie zur Glut! Wer band das Volk? – es sah, und alles däucht' ihm gut.

20.

Und mir auch däucht' es gut; – aus fernem Land Denselben Tag erst war ich heimgekommen; Doch voll von meines eignen Geist; – die Hand War noch nicht da, die mir vom Aug' genommen Mit kräft'gem Griff des Irrwahns falt'ge Decken. Ich starrte, wie durch Flor; – mit stummem Schrecken Sah ich den Festprunk, düster und beklommen; Und regten Mitleid sich und Ungeduld: Hinwarf ich schaudernd sie, dem Giftkelch gleich der Schuld.

21.

Doch ich erwachte, jenen Träumern gleich. Die jäh bei Nacht das Horn ruft auf die Wälle; Anstürmt der Feind; sie führen Streich auf Streich; Sie müssen kämpfen, bis die eigne Schwelle Ihr Blut gefärbt. In meine Seele brach, Rasch und gewaltig, wie ein Donnerschlag, Das Licht sich Bahn: und mit des Lichtes Helle Einschritt die Freiheit lächelnd durch Ruinen; Spät, doch vergebens nicht: – neu ließ den Schutt sie grünen.

22.

Und immer noch, wie eine Wolke schier, Die, langsam zieh'nd, am Horizonte dräu't, Traumhaft vorüber glitt die Festschar mir, Und ohne Tränen sah ich an ihr Leid. Ein jeglich Opfer schien mir nur ein Bild, Gemalt, zu zeigen, was den Geist erfüllt, Der auf dem Rande bebt der Sterblichkeit; Bis einer kam – kalt überlief es mich; Mein Freund, mein erster Freund! – und fiel mein Blick auf dich?

23.

Auf dich, mit dem zur Zeit des Herbstgetümmels Ich einst als Kind der Heimat Trauben brach; Vor dessen Auge, wie vor dem des Himmels, Des Knaben Seele kindlich offen lag; An dessen Seite kühn zur Schlacht ich trabte; Aus dessen Helme frische Flut mich labte, Als heiß mein Haupt die Tropensonne stach: Mild zu dem Wunden beugtest du dich nieder; – Die Jahre flohn indes, – und so sahn wir uns wieder!

24.

Noch seh' ich sie – die Miene, stolz und kühn, Die bleiche Stirne, machtbewußt und klar, Denselben Blick, der einst so hell mir schien, Und mich erhob zur Stunde der Gefahr, Als in den weißen, schneebedeckten Anden Von Indianern wir umzingelt standen, Dem Berghirsch gleich in gier'ger Hunde Schar; O, welch' ein Tag!– Durch Speer- und Pfeileregen Bluttriefend brachst du Bahn: o, wärst du da erlegen!

25.

Doch nein! Ich wünsch' es nicht! Denn edler starbst du! Starbst für die Wahrheit! – Und an ihrem Thron, Mein Freund, mein Alvar, eine Statt erwarbst du Dir bei den Tausenden, die lächelnd schon Ihr Blut verspritzt auf seinen Stufen haben: Ihr Tod war ihr Triumph! – Ob unbegraben, In alle Welt ist ihre Asch' entflohn! Frisch weht der Wind, in den man aus sie streu'te, Daß er, ein Säemann, als Saatkorn sie verbreite!

26.

Du, dem der Seele Trachten offenbar: Du, dem kein Frevel noch verhüllt geblieben; Du, der allwissend den Gedanken gar Sieht, wie ein Ding, mit Sonnenstrahl geschrieben; Du weißt es, Herr, was dieser Mann, verbrach: Daß er, wie jene, sein Gebet dir sprach, Die stille dir ihr Herz zu opfern lieben; Daß er dich ehrte, jenen ersten gleich, Die auf des Ölbergs Haupt hinknieten ins Gesträuch,

27.

Denn durch die Nebel, die ihn hier umfloren, Bricht oft der Geist, dem du ein Wecker bist; Und fühlt und ahnt – er ist von dir geboren! – Daß Menschenwort nicht immer dein Wort ist! Und – o du Staub, dem Toren Macht verleihn; Gebrechlich Rohr, das Geißel möchte sein; Ohnmächt'ger Funken, der zerstörend frißt, Weil Gott ihn nicht zertrat – wo blieb' ein Hoffen, Ständ' uns vor Menschenspruch nicht eine Zuflucht offen?

28.

Doch das empfand ich später erst; denn jetzt Sah ich nur ihn! und Tage, längst gewichen. Frischt' er mir auf, wie, wenn es Wasser netzt, Neu glüht ein Bild, das dunkel und verblichen. O Tag des Stolzes, als im Eisenhut Zuerst ich unter Bannern focht, mein Blut Vollpulsig springend zu der morgendlichen Trompete Schmettern – als sein Schwert mir blitzte, Wie eines Bruders Schwert, der seinen Bruder schützte!

29.

Mich traf ein Speer in jenes Tages Lauf; Ich fiel – die Schlacht ging über mein Gesicht; Bewußtlos lag ich, endlich wacht' ich auf; Wie sah ich alles wieder jetzt: – das Licht, Des Mondes Licht – Rüststücke – blut'ge Kiesel, – Der Quelle Saum – des Wassers süß Geriesel – Und Alvar über mir, der warm und dicht Mit seinem Mantel vor der Nacht mich deckte: O, nichts was nicht sein Schau'n in meiner Seele weckte!

30.

Bis ich zuletzt, im Drange der Gesichte, Ward, wie ein Mann in schwerer Träume Haft; Sein Leib erbebt; es drückt ihn, wie Gewichte; Er sieht, er hört, doch starr und ohne Kraft. Manch teuer Antlitz beugt sich über ihn, Doch Düstres auch sieht er sein Haupt umziehn: So stand auch ich, so ward ich selbst entrafft Von diesen lieben, wohlbekannten Zügen, – Und konnte weinend doch an seine Brust nicht fliegen!

31.

Er schritt vorüber, – und wer schritt ihm nach? Zwei: – seine Schwestern! – ach, um gleiche Schuld! Die Hoheit, die auf diesen Stirnen lag, Wohl kannt' ich sie, und dieser Züge Huld! Doch o – wie anders beider Angesicht! Blumen, wie diese, blühn im Kerker nicht: Ihr, so geliebt, vom Glück so eingelullt, Inez, Therese – königliche Frauen, Erwuchst ihr einzig denn zu dieser Stunde Grauen?

32.

Öd euer Haus jetzt! An der Wand, bestaubt, Hängt eure Zither unter Spinngeweben! Und in der Halle, jedes Tons beraubt, Der seinen Rufen Antwort einst gegeben, Stumm und verarmt in seiner Banner Kreis Sitzt euer Vater, ein gebrochner Greis! Die Banner flüstern und er wähnt mit Beben, Daß jetzt ein Name, den in stolzer Reih' Ein Stamm von Helden trug, durch euch geschändet sei.

33.

Weh' euch, ihr Süßen – unter Liebesblick Und Liebeswort und Liebesgruß erzogen! Einst sah ich euch in Schönheit und in Glück, Dem Liede lauschend und vom Kranz umflogen! – Doch in der einen mochten da wohl schon Gedanken schlummern, die die Menge flohn! Trüb oft umflort' es ihrer Stirne Bogen; Und ernstes Sinnen, wie es nachts erwacht, Lag tief in ihres Aug's gesenkter Wimpernpracht.

34.

Und ging sie hin, dem Feste sich zu zeigen, So war es nur, wie wenn ein düstrer Stern Zusieht im Felde einem Hirtenreigen; Lichtvoll zugegen, aber hoch und fern! Zu lächeln strebend – ach, auch das wie lieb! – Sah sie die Freude, der sie fremd doch blieb! Einsam und trüb in ihres Wesens Kern, Stritt sie mit Ird'schem nicht – nur ein zu klares Licht goß sie drüber aus, ein allzu traurig wahres.

35.

Allein das Unglück weiß aus seinem Schacht Den Hort der Seele an das Licht zu bringen: Den Mut, die Stärke! So auch läßt die Nacht Melodisch nur der Ströme Wellen klingen! Noch gestern schlummernd, zuckte jede Kraft In ihrer Brust heut, ewig langer Haft Zum ersten Male stolz sich zu entringen! Sie gab sie frei! – Könnt eine Rose mild Trotz bieten dem Orkan, die wäre wohl ihr Bild!

36.

Denn sieh', der milde Trübsinn, dessen Schleier Ihr schönes Haupt umwallte, war geflohn, Und eine Flamme, wie prophetisch Feuer, Blitzt' ihr im Auge. War es Stolz – war's Hohn – Gefühl der Kränkung – ach, das alles band Mit eh'rnen Reifen, fest wie Diamant, Manch zagend Herz, daß es nicht breche, schon! Das ihre nicht! Ihr Seelenhalt war fester; Hinschritt sie ungebeugt – des Tapfern tapfre Schwester!

37.

Doch ist es qualvoll, ach, bei allem Süßen, Ein Weib zu sehn, das so sich Kränze flicht; Zu sehn dies reine, reiche Überfließen All' jener Quellen, draus die Liebe bricht! In fremdem Leben, es umklammernd, ruht Des Weibes Leben: keiner Stürme Wut Raubt ihm den Halt! die Frau umstrahlt das Licht Der Zärtlichkeit, ihr Aug' ist naß von herben Tränen der Leidenschaft – drum kann sie so auch sterben!

38.

Drum schrittest du auch hoch und stolz von hinnen. Als hätt' ein Sieg die Seele dir erweitert! Drum warfst du ab dein eignes holdes Sinnen, Und ruhtest nicht, bis du den Freund erheitert! Den Stern, den Bruder deiner heil'gen Jugend, Der an dem Born der Wahrheit und der Tugend Vom Staub der Erde deine Brust geläutert! Du wolltest nicht, daß er, in dessen Nähe Du nie gezittert noch, zuletzt dich zittern sähe!

39.

Denn keine Liebe noch war eingekehrt In deinen Traum, als die mit sanfter Kette Zusammenhält, was eine Brust genährt. Und was erwuchs an einer Feuerstätte!Die hob dein Leben! – Ich begreif' es kaum: Dasselbe Spielen unter einem Baum, Dasselbe Mahl, dasselbe kleine Bette, Dasselbe Knie'n, dasselbe erste Flehen – Muß alles das so oft im Hauch der Welt verwehen?

40.

Doch dich berührt' er nicht; noch auch den Lieben, Mit dem du littest! Ja, du warst beglückt! Dir konnte nichts das Bild der Neigung trüben: Drum wie 'nen Schild auch hast du es gedrückt An deinen Busen! hast du lange Nächte Gewacht am Pfühl des Dulders, seine Rechte