Er kämpft um Ihr Baby - Marie Francoise - E-Book

Er kämpft um Ihr Baby E-Book

Marie Francoise

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Beschreibung

Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht.   Hochaufgerichtet stand Clarissa Berner in dem geschmackvoll eingerichteten Salon und sah den Mann vor sich mit kaltem Blick an. Nach außen hin schien jedes Gefühl für Leonhard Krantz in ihr erloschen zu sein, und niemand ahnte, welch ein Aufruhr in ihrem Innern tobte.   »Clarissa, Liebes…«, begann Leonhard, doch Clarissa hob sofort abwehrend eine Hand.   »Hör bloß auf, mich Liebes zu nennen«, entgegnete sie scharf. »Ich weiß genau, daß du es lediglich auf mein Vermögen abgesehen hast. Dein gestriges Telefongespräch war nur zu aufschlußreich für mich.«   Leonhard wurde rot vor Zorn. »Du hast mich also belauscht!«   Da lachte Clarissa auf, doch es war kein fröhliches Lachen. »Lauschen war da wirklich nicht nötig, Hardy. Du warst gestern so betrunken, daß du gar nicht gemerkt hast, wie laut du gesprochen hast. Man hat deine Stimme durch das ganze Haus gehört.«   Leonhard wußte, daß das eine Übertreibung war, denn schließlich umfaßte die Villa mehr als dreihundert Quadratmeter. Allerdings hätte er sich für diesen Ausrutscher, den er sich gestern geleistet hatte, noch immer ohrfeigen können. In den drei Jahren, die er jetzt mit Clarissa zusamen war, hatte er sich nicht einen Fehltritt erlaubt. Schließlich hatte er ja ganz genau gewußt, was für ihn auf dem Spiel stand. Doch gestern – das Wiedersehen mit seiner einstmals großen Liebe – da hatte er alle Bedenken über Bord geworfen und einen rauschenden Abend mit Carla verbracht. Er erinnerte sich noch, daß er ziemlich betrunken in die Berner-Villa gekommen war und Carla noch einmal angerufen hatte. Und er hatte mit dem Vermögen geprahlt, das

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Dr. Daniel – 30 –Er kämpft um Ihr Baby

Marie Francoise

  Hochaufgerichtet stand Clarissa Berner in dem geschmackvoll eingerichteten Salon und sah den Mann vor sich mit kaltem Blick an. Nach außen hin schien jedes Gefühl für Leonhard Krantz in ihr erloschen zu sein, und niemand ahnte, welch ein Aufruhr in ihrem Innern tobte.

  »Clarissa, Liebes…«, begann Leonhard, doch Clarissa hob sofort abwehrend eine Hand.

  »Hör bloß auf, mich Liebes zu nennen«, entgegnete sie scharf. »Ich weiß genau, daß du es lediglich auf mein Vermögen abgesehen hast. Dein gestriges Telefongespräch war nur zu aufschlußreich für mich.«

  Leonhard wurde rot vor Zorn. »Du hast mich also belauscht!«

  Da lachte Clarissa auf, doch es war kein fröhliches Lachen. »Lauschen war da wirklich nicht nötig, Hardy. Du warst gestern so betrunken, daß du gar nicht gemerkt hast, wie laut du gesprochen hast. Man hat deine Stimme durch das ganze Haus gehört.«

  Leonhard wußte, daß das eine Übertreibung war, denn schließlich umfaßte die Villa mehr als dreihundert Quadratmeter. Allerdings hätte er sich für diesen Ausrutscher, den er sich gestern geleistet hatte, noch immer ohrfeigen können. In den drei Jahren, die er jetzt mit Clarissa zusamen war, hatte er sich nicht einen Fehltritt erlaubt. Schließlich hatte er ja ganz genau gewußt, was für ihn auf dem Spiel stand. Doch gestern – das Wiedersehen mit seiner einstmals großen Liebe – da hatte er alle Bedenken über Bord geworfen und einen rauschenden Abend mit Carla verbracht. Er erinnerte sich noch, daß er ziemlich betrunken in die Berner-Villa gekommen war und Carla noch einmal angerufen hatte. Und er hatte mit dem Vermögen geprahlt, das er demnächst heiraten würde…

  Das leise Klirren, als Clarissas Verlobungsring auf die Rauchglasplatte des Tisches fiel, riß Leonhard in die Wirklichkeit zurück. Und die Wirklichkeit war ein immenser Reichtum, der für ihn jetzt in unerreichbare Ferne zu rücken drohte.

  »Liebes, ich war betrunken, wie du ganz richtig erkannt hast«, erklärte Leonhard in dem verzweifelten Versuch zu retten, was noch zu retten war. »Ich habe einfach nur angegeben.« Er machte ein zerknirschtes Gesicht. »Es tut mir leid.«

  Doch Clarissas Gesicht blieb abweisend. »Damit ziehst du dich nicht aus der Affäre, Hardy. Ich hatte schon länger den Verdacht, daß du nicht mich, sondern nur mein Vermögen liebst. Gestern bekam ich nun die endgültige Bestätigung dafür, und deshalb verlange ich, daß du noch heute dieses Haus verläßt.«

  Leonhard erstarrte. »Das… das ist doch nicht dein Ernst, Clarissa.«

  Sie wandte ihm den Rücken zu, damit er nicht sah, was sich in ihrem Gesicht abspielte. Wenn er auch nur ahnen würde, wie nah sie den Tränen war, dann würde er alle seine Trümpfe ausspielen, das wußte sie. Und sie wußte auch, daß sie seinem unwiderstehlichen Charme dann erliegen würde – ungeachtet der Tatsache, daß er sie doch nur ausnutzte.

  »Clarissa, du erwartest ein Baby von mir!« unternahm Leonhard noch einen Versuch, sie umzustimmen. »Nächste Woche wollten wir das Aufgebot bestellen und…«

  »Das ist jetzt hinfällig«, entgegnete Clarissa, vermied es aber immer noch, ihn anzusehen. »Und was unser Kind betrifft – es braucht keinen Vater, der schon vor der Ehe fremdgeht.« Erst jetzt wandte sie sich ihm wieder zu und versuchte ihrer Stimme Festigkeit zu geben, als sie hinzufügte: »Wir beide sind ohne dich besser dran. Und jetzt geh, Hardy. Ich will dich nie mehr sehen.« Dabei verfluchte sie ihr Herz, das etwas völlig anderes sagte.

*

  Bereits zwei Stunden später verließ Leonhard Krantz die Villa, und Clarissa ahnte nicht, daß er sich selbst geschworen hatte, ihr Vermögen nicht kampflos aufzugeben. Niedergeschlagen saß sie in dem geschmackvoll und keineswegs protzig eingerichteten Salon und starrte blicklos auf das Verlobungsfoto, das auf dem Sims des Kachelofens stand und das in Kürze einem Hochzeitsfoto hätte weichen sollen. Dabei stiegen Tränen in Clarissas schöne blaue Augen. Sie hatte Hardy blind vertraut, und nun war ihr Vertrauen so bitter enttäuscht worden. Noch immer hörte sie die Worte, die er mit einem boshaften Lachen zu der ihr fremden Frau am Telefon gesagt hatte.

  »Warte nur, Schätzchen, wenn mir das fette Täubchen erst ganz gehört, dann wird es für uns eine herrliche Zukunft geben. Clarissa hat Geld wie Heu, und es wird niemandem auffallen, wenn ich davon einen großen Teil für uns beide abzweige. Wir werden leben wie die Maden im Speck, und dafür nehme ich gern eine Frau in Kauf, die ich nicht liebe.«

  Die letzten Worte hatten sie am meisten geschmerzt. Auf eine so brutale Art zu erfahren, daß man nicht geliebt wurde… gerade von dem Mann, den man selbst mehr liebte als alles andere…

  »Gnädiges Fräulein, Herr Hollacher möchte Sie sprechen.«

  Clarissa erschrak, als so unerwartet die Stimme ihres Butlers erklang. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie voll aufnehmen konnte, was er gerade gesagt hatte.

  »Ja, in Ordnung, Johann, bringen Sie ihn herein«, erklärte sie schließlich.

  Johann deutete eine Verbeugung an, entschwand lautlos und kam wenig später mit Raimund Hollacher zurück. Nach einer erneuten Verbeugung ließ er Clarissa mit ihrem Besucher allein.

  Das freundliche Lächeln, mit dem Raimund auf Clarissa zuging, um sie zu begrüßen, gab nicht preis, wie sehr er sie in Wahrheit liebte. Auf diesen Gedanken wäre Clarissa auch nicht gekommen, denn sie hatte in Raimund nie mehr als den Freund aus Kindertagen gesehen. Sie waren praktisch zusammen aufgewachsen, hatten gemeinsam Kindergarten und Schule besucht und sich auch später immer noch gesehen – wenn auch in unregelmäßigen Abständen.

  »Raimund, schön, daß du mich besuchst«, erklärte Clarissa, konnte dabei aber die Melancholie nicht aus ihrem Gesicht vertreiben.

  Aufmerksam sah Raimund sie an. »Was ist denn los, Clarissa? Hast du Probleme?«

  Für einen Augenblick drängte es Clarissa, sich ihrem besten Freund anzuvertrauen, ließ es dann aber bleiben. Es war noch zu schmerzlich für sie, über Hardys Verrat zu sprechen.

  »Nicht der Rede wert«, meinte sie nur. »Eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Hardy und mir.«

  Der Name schnitt Raimund schmerzhaft ins Herz. Gegen den blendend aussehenden Leonhard Krantz hatte er nie eine Chance gehabt, dabei war er ganz sicher, daß Hardy Clarissa gar nicht liebte – jedenfalls nicht halb so sehr wie er selbst es tat.

  »Ich habe gehört, daß er gestern abend ziemlich… wie soll ich sagen? Nun, war wohl recht angeheitert«, erklärte Raimund.

  Energisch schüttelte Clarissa den Kopf. »Nein, Raimund, er war nicht angeheitert, sondern stockbetrunken.« Dann winkte sie ab. »Sprechen wir nicht mehr darüber, oder…« Prüfend sah sie ihn an. »Bist du deswegen gekommen?«

  »Nein, ich bin nur Übermittler«, entgegnete Raimund mit einem gezwungenen Lächeln, dann zog er aus der Innentasche seines Jacketts ein schmales, weißes Kuvert und überreichte es Clarissa. »Eine Einladung zur Goldenen Hochzeit meiner Eltern.«

  »Das freut mich aber«, erklärte Clarissa und meinte das auch durchaus ehrlich. Sie hatte die Hollachers immer gut leiden können. Nach dem Tod ihrer Eltern waren sie sogar beinahe so etwas wie Ersatzeltern für sie geworden. »Bestell deinen Eltern ganz liebe Grüße von mir, und sag ihnen, daß ich zu diesem großen Fest gern kommen werde.«

  Raimund zögerte, sprach das, was ihm am Herzen lag, dann aber doch aus. »Mit Hardy?«

  »Nein, ich komme ohne ihn«, antwortete Clarissa, ging ansonsten aber nicht näher auf dieses Thema ein, und Raimund spürte, daß er jetzt nicht weiter nach Leonhard fragen durfte.

  »Clarissa, wenn du meine Hilfe brauchen solltest… gleichgültig, wann – dann kannst du immer auf mich zählen.«

  Mit einem zarten Lächeln legte Clarissa eine Hand auf seinen Arm.

  »Das weiß ich doch, Raimund, und es ist ein gutes Gefühl, einen so treuen Freund wie dich zu haben.«

  Ich wünschte, ich wäre mehr als nur dein Freund, mußte Raimund unwillkürlich denken, dabei wußte er, daß sich dieser Traum für ihn niemals erfüllen würde.

*

  Auf der Autobahn herrschte reger Verkehr, und obwohl Nico Elsner nach dem dreiwöchigen Südsee-Urlaub eigentlich hätte erholt sein müssen, fühlte er sich sehr müde und ausgelaugt. Wie waren er und seine Freundin Anita Wagner nur auf die unsinnige Idee gekommen, von Frankfurt aus loszufliegen? Sicher, bei der Hinfahrt waren sie noch vol-ler Euphorie gewesen, denn schließlich hatten damals drei Wochen Südsee vor ihnen gelegen. Doch jetzt… der Urlaub war vorbei, und die elende Autobahn schien kein Ende nehmen zu wollen.

  Nico warf seiner Freundin einen kurzen Blick zu. Sie war auf dem Beifahrersitz eingeschlafen. Mit einem leisen Seufzer konzentrierte sich Nico wieder auf den Verkehr. Wenn er doch auch einfach schlafen könnte, aber die Autobahn verlangte seine volle Aufmerksamkeit. Trotzdem wandte er sich noch einmal kurz seiner schlafenden Freundin zu. Dieser Moment der Unachtsamkeit genügte. Von der linken Fahrspur zog ein Kleinbus in die Mitte herüber und übersah dabei Nicos Wagen.

  »Ist der verrückt!« schrie Nico auf.

  Im selben Augenblick versuchte er auszuweichen, doch es war bereits zu spät. Während Anita, die von Nicos Stimme geweckt worden war, gellend aufschrie, rammte der Kleinbus Nicos Wagen und quetschte ihn unbarmherzig gegen das Wohnmobil, das auf der rechten Fahrspur genau in der gleichen Höhe fuhr. Hilflos mußten Nico und Anita miterleben, wie ihr Auto zusammengedrückt wurde, bis alle drei Fahrzeuge mit blockierenden Reifen endlich zum Stehen kamen.

  Der Fahrer des Wohnmobils sprang sofort heraus, um möglicherweise Erste Hilfe leisten zu können. Als er das zusammengequetschte Auto sah, wurde er bleich vor Schreck. Der Fahrer des Kleinbusses, der den Unfall verschuldet hatte, war ohnehin nur noch ein Nervenbündel und zu keiner Handlung fähig. Einzig ein Taxifahrer, der hinter den ineinander kollidierten Autos anhielt, bewies Geistesgegenwart und informierte über Funk seine Zentrale, bevor er heraussprang und nach vorn eilte.

  »Polizei und Notarzt werden alarmiert!« verkündete er, dann versuchte er zu dem eingequetschten Fahrzeug durchzukommen, doch das war ein hoffnungsloses Unterfangen. Die drei Autos waren dermaßen ineinander verkeilt, daß ein Ausein-

anderkommen schier unmöglich schien.

  »Wenn die noch am Leben sind, wäre es ein Wunder«, murmelte der Taxifahrer, dann kletterte er auf die zusammengedrückte Motorhaube und hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Windschutzscheibe, bis die Beifahrerin langsam den Kopf hob.

  »Gott sei Dank, sie lebt«, murmelte der Taxifahrer, dann brüllte er: »Was ist mit Ihnen? Können Sie sich bewegen?«

  Anita schüttelte schwach den Kopf. Sie war zwischen Sitz und Armaturenbrett hilflos eingeklemmt. Langsam wandte sie den Kopf und erschrak. Nico hing wie leblos in seinem Sitz. Sein ganzer Körper sah irgendwie verdreht aus.

  »Nico.« Es kostete Anita Mühe, seinen Namen auszusprechen. »Nico… bitte… sag doch etwas…«

  Doch er gab keine Antwort. Mit letzter Kraft gelang es Anita, ihren linken Arm freizubekommen, dann tastete sie nach Nicos Handgelenk. Der Puls war schwach aber regelmäßig. Aufatmend schloß Anita die Augen, dann glitt sie in eine tiefe Bewußtlosigkeit.

*

  Es dauerte mehr als eine Stunde, bis die Rettungsmannschaft Nico und Anita aus dem demolierten Wagen befreien konnte, dann wurden sie mit Blaulicht und Martinshorn ins nächste Krankenhaus gefahren.

  Eine genaue Untersuchung bei Anita ergab, daß sie außer einer schweren Gehirnerschütterung und etlichen Quetschungen keine nennenswerten Verletzungen davongetragen hatte. Nico dagegen hatte es weit schlimmer erwischt. Nicht genug damit, daß sein rechts Bein gebrochen und das andere schwer gequetscht war – er hatte sich auch noch die Wirbelsäule und das Rückenmark verletzt.

  Der Chirurg schüttelte bedauernd den Kopf. »Da ist nichts mehr zu reparieren. Die Verletzung des Rückenmarks ist zwar nicht allzu schwer, aber sie genügt leider, um seine Beine zu lähmen.«

  Die OP-Schwester warf ihm einen erschrockenen Blick zu. »O mein Gott. Er ist doch noch so jung.«

  Der Chirurg seufzte nur. An solchen Tagen haßte er seinen Beruf.

  »Bringen Sie ihn auf die Intensivstation, und rufen Sie mich, sobald er aufwacht.«

  Doch das war gar nicht nötig, denn der Chirurg stand gerade neben Nicos Bett, als der junge Mann langsam die Augen öffnete.

  »Nun? Wie fühlen Sie sich?« wollte er wissen.

  »Schmerzen«, brachte Nico mühsam hervor. »Am ganzen Körper.«

  Der Chirurg nickte. »Das kann ich mir vorstellen.« Dann injizierte er ein Schmerzmittel und wartete, bis Nico wieder eingeschlafen war.

  »Das Ehepaar Elsner möchte Sie sprechen«, flüsterte ihm eine Schwester zu.

  Der Chirurg seufzte erneut. Heute blieb ihm aber auch gar nichts erspart.

  »Herr und Frau Elsner?« sprach er Minuten später das Ehepaar an, das nervös auf dem Flur hin und her ging, dann reichte er beiden die Hand. »Dr. Sebald. Ich habe Ihren Sohn operiert.«

  »Wie geht es ihm?« fragte Brigitte Elsner angstvoll. »Er… er lebt doch?«

  »Ja, er lebt«, konnte Dr. Sebald sie beruhigen, dann geleitete er die beiden in eines der Ärztezimmer und bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. »Allerdings muß ich Ihnen leider sagen, daß die Verletzungen Ihres Sohnes äußerst schwer sind.«

  »Aber er wird doch wieder… gesund?« Es war Günter Elsner, der diese bange Frage stellte.

  Dr. Sebald schwieg einen Augenblick. Wie sollte er darauf antworten? Er wußte genau, daß er das, was geschehen war, nicht in schöne Worte kleiden konnte. Die Wahrheit, die dieses Ehepaar jetzt erwartete, war grausam – und diese Grausamkeit konnten nichts und niemand mildern.

  »Ihr Sohn hat bei dem Unfall eine Verletzung der Wirbelsäule davongetragen«, erklärte er. »Unglücklicherweise ist dabei das Rückenmark in Mitleidenschaft gezogen worden.« Er stand auf, schaltete einige Bildschirme ein und klemmte etliche Röntgenbilder davor. Dann wies er mit einem Zeigestock auf eine bestimmte Stelle des ersten Bildes. »Sehen Sie, die Verletzung liegt hier, im Bereich der Lendenwirbelsäule.« Er drehte sich zu dem Ehepaar um. »Das bedeutet, daß die Beine Ihres Sohnes gelähmt sein werden.«

  Brigitte Elsner preßte beide Hände gegen den Mund, um nicht laut aufzuschreien.

  »Ich will Ihnen nicht zu große Hoffnungen machen, aber…« Dr. Sebald stockte kurz. »Ich werde mich um einen Platz in einer Rehabilitationsklinik bemühen. Die Wartelisten sind zwar sehr lang, allerdings habe ich da gewisse Beziehungen. Mit Hilfe von gezielter Krankengymnastik sind schon ungeheure Erfolge erzielt worden. Vielleicht gelingt es Ihrem Sohn, irgendwann zumindest wieder laufen zu lernen.«

*

  Die Novembernebel legte sich drückend und schwer auf Clarissa Berners Gemüt. Stunde um Stunde stand sie am Fenster und starrte in die milchige Masse, die um ihre Villa waberte.

  »Ich muß hier weg«, sagte sie zu sich selbst und erschrak dabei ein wenig vor ihrer eigenen Stimme. In der Stelle des Zimmers klang sie laut, fast drohend. Rasch schüttelte Clarissa diesen Gedanken ab. Es war Unsinn, sich so etwas einzureden. Schließlich war sie ja schon öfter allein in der Villa gewesen.

  Beinahe lautlos öffnete sich die Tür zum Salon, und der Butler Johann trat ein.

  »Gnädiges Fräulein, Herr Hollacher möchte Sie sprechen«, erklärte er in seiner zurückhaltenden Art.

  Nur mit Mühe unterdrückte Clarissa einen Seufzer. Sie mochte Raimund von Herzen gern, aber im Augenblick wäre sie wirklich lieber allein gewesen. Trotzdem bat sie Johann, ihren Besucher hereinzubringen.

  »Grüß dich, Clarissa.« Raimunds herzliches Lächeln erreichte auch seine sanften grauen Augen. »Ich wollte nur sehen, wie du den gestrigen Abend überstanden hast.«

  Clarissa zwang sich zu einem Lächeln. »Soweit ganz gut. Es war ein sehr schönes Fest. Meine Güte, Goldene Hochzeit…« Unwillkürlich mußte sie denken, daß Leonhard und ihr diese Krönung langjähriger Liebe niemals vergönnt sein würde.

  »Clarissa, ich weiß, es geht mich nichts an, aber… hat es zwischen dir und Hardy einen tieferen Riß gegeben?« fragte Raimund behutsam und riß sie damit aus ihren Gedanken.

  Wieder wurde der Wunsch, über alles zu sprechen, beinahe übermächtig in Clarissa, doch erneut schob sie diesen Gedanken beiseite. Es war einfach zu schmerzlich, gestehen zu müssen, daß man einem Schwindler auf den Leim gegangen war. Daß man jemanden geliebt hatte… und noch immer liebte, der dieses ehrliche, tiefe Gefühl gar nicht verdiente.

  »Nein, Raimund«, antwortete sie endlich. »Es war lediglich ein Streit.« Sie senkte den Kopf, weil sie es haßte, lügen zu müssen. »Das renkt sich schon wieder ein.« Und dann faßte sie einen spontanen Entschluß. »Ich werde für ein paar Wochen verreisen.«

  Überrascht sah Raimund sie an. »Verreisen? In deinem Zustand?«

  Clarissa zuckte die Schultern. »Ich bin nur schwanger, aber nicht krank. Und mein Arzt hat mir erst vor ein paar Tagen bestätigt, daß alles in Ordnung ist. Also sehe ich keinen Grund, weshalb ich nicht verreisen sollte.«