Erlebter Garten - Gerhard Guth - E-Book

Erlebter Garten E-Book

Gerhard Guth

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Beschreibung

Sollte die Bank hinter ihrem Garten einmal so aussehen, haben sie keinesfalls genug gegärtnert, sondern es muss eine neue her!

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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Mit ein paar kleinen Buchgeschenken einschließlich einem E-Book-Reader zu einem bereits hohen Geburtstag wollte ich mich nun zum entspannenden Lesen zurückziehen. Doch es kam anders. Ich bekam den Anstoß, jetzt selbst meine Gartenerfahrungen aufzuschreiben.

Guth, Gerhard, Jahrgang 1936, Volksschule, einklassige! Im weiteren Leben hin und wieder etwas dazu gelernt. Funkverbindungen, sowohl für den Broterwerb wie auch als Hobby mit noch vorsintflutlichen Geräten betrieben. Im Laufe der Jahre dann von der Röhre zum Transistor etwas moderner geworden. Männer unterwiesen, wann beim Hinlegen der Karabiner von der rechten in die linke Hand zu übergeben ist, wie Nachrichten zu verschlüsseln und mittels Morsetaste zu übermitteln sind.

Die Schusterjungen und Hurenkinder sind mir schon begegnet und nun soll ich mich auch noch mit Schmutztitel und Frontispiz auseinandersetzen.

Bei Wind und Wetter stets den Drang nach draußen gehabt.

Fotos: Die Minolta wurde für die Schweizer Berge gekauft. Sie ist dort so viele Stunden um den Hals hängend getragen worden, dass die Ösen am Gerät schließlich durchgescheuert waren. Die Gartenfotos sind mehr oder weniger zufällig entstanden.

Sofern ein Leser über Frontispiz, Büdner oder ähnliche nicht so gebräuchliche Wörter stolpert, erklärt eine Eingabe in einen Browser und ein Klick alles besser, als ich das zustande bringen würde.

Im Garten der Natur leuchten Ende August die Silberdisteln.

Inhaltsverzeichnis

Immer 'raus

Der erste Garten

Der Blick in andere Gärten, die Gärten auf dem Dorf vor vielen Jahren

Garten, ein guter Grund draußen zu sein

Wie bin ich zu einem Garten gekommen?

Gartenwechsel

Möhren

Etwas Spinat

Bohnen

Dann haben wir noch den Salat

Alltägliches – Kartoffeln

Tomaten

Weitere Gemüse

Kraut/Kohl

Kräuter und Kräutersoße

Der Garten am Haus? Ein Stück Garten draußen im Feld?

Erfolge

Grenzen und Tiere

Kirschen und Zwetschgen

Sträucher

Aufräumen, Abräumen

Wasser

Gelb

Warten

Immer 'raus!

Situationsreport

Datum: Ende August, das Jahr spielt keine Rolle.

Ort: Berner Oberland – leider nicht mehr; Allgäu: gerade gewesen; zur Zeit: Badische Bergstraße; Ende September: Vinschgau – hoffentlich.

Im Garten: Der Rasen fast kniehoch. Das Salatbeet bereits erneut völlig zugewachsen. Unter den Beerensträuchern wuchert das Unkraut. Die Bohnen sind abgeerntet. Die Sträucher bleiben vorerst stehen in der Hoffnung, dass sie das Unkraut im Zaum halten. Die Kürbispflanzen haben bereits links das abgeerntete Zwiebelbeet und rechts die da noch stehenden Kohlstrünke überwuchert. Die Kartoffelstauden sind durch das wuchernde Unkraut gerade noch zu erkennen. Sie werden nach und nach ausgegabelt. Bevor sie eingelagert werden ist erst die Miete gebrauchsfertig zu machen. Sie ist Unkraut überwuchert, wird von Schnecken geliebt, und der Maulwurf wollte unbedingt durch den Maschendraht hinein. Sie ist zu fast einem Viertel mit Sand befüllt. 40 Gläser Gurken sind eingekocht. Köstliche Tomaten werden zu Salat und Püree verarbeitet. Die Zwetschgen bekommen Farbe. Weintrauben für Gelee können in den nächsten Tagen geerntet werden. Dahlien und Sonnenblumen beherrschen den Garten. Die Anfang August reifenden Brombeeren können, sofern der Gärtner weiterhin Glück hat, geerntet werden.

Statt dem festen Vorsatz, heute zuerst die Liege unter dem Kirschbaum aufzustellen, zweieinhalb Stunden den Kampf gegen die Wildkräuter fortgesetzt.

Zum zigsten Geburtstag gab es einen E-Book-Reader, zwei Bücher, von Gartenliebhabern geschrieben, und kein Buch über Berge. Etwas über Berge wäre auch nicht notwendig gewesen, da ich auf allen Bergen war. Eine leicht zu durchschauende Falschaussage! Ich war weder auf dem Fudschi, noch auf dem Kilimandscharo, nicht auf der Jungfrau und selbst den Ortler habe ich verpasst, weil ich da die Gelegenheit nicht ergriffen habe. Als dieses Ereignis da in Sotschi war hätte ich mir, wäre ich Bundeskanzler gewesen, zumindest den Elbrus angesehen. Einen Blick auf den Mont Blanc haben wir von gegenüber, vom Mont Brevent, geworfen. Sehr bequem mit der Seilbahn. Doch tags zuvor waren wir mehr als sechs Stunden am Berg. Ferner ist die Reise vom Thuner See durch den Lötschberg, das Rhonetal hinunter über Martigny nach Chamonix recht aufwendig. Den Berg der Berge, das Matterhorn, haben wir mehrfach ganz aus der Nähe bestaunt. Vom Schwarzsee über Zermatt zur Hörnlihütte gibt es einen wunderschönen Wanderweg. Um die Drei Zinnen sind wir marschiert und das berühmteste Bergpanorama der Welt, Eiger, Mönch und Jungfrau, haben wir sehr oft von gegenüber bestaunt. Im Klartext: Im Urlaub oft vor Sonnenaufgang draußen gewesen.

Das, was mit einem E-Book-Reader alles auf einen zukommt, kann ich hier gar nicht abhandeln. Gibt es auch eine deutsche Bezeichnung für dieses Gerät? Da brauche ich Page Flip gar nicht zu schreiben: „Die Smart-Lookup-Funktion kombiniert ein vollständiges Wörterbuch mit X-Ray, Wikipedia, Word Wise und dem Bing Translator, sodass Sie Zugriff auf Definitionen, Personen, Orte und vieles mehr haben, ohne Ihre Seite verlassen zu müssen.“ Die Seite nicht, aber die Seele könnte einen beim Studium dieser Bedienungsanleitung verlassen. Bemerkenswert: Es gab im Internet 26 E-Books für 99 Cent. Während ich noch völlig desorientiert war über Rechnung und Bezahlung, waren diese 99 Cent bereits abgebucht. Wahrscheinlich, während ich in meinem Garten die Tomaten angebunden habe. Für die Bedienung eines solchen Gerätes und die Vermittlung von etwas Hintergrundwissen wäre der Operator früher drei Monate auf einen Lehrgang kommandiert worden. Der Kontrast: Dieses Hightech-Gerät kann die bunten Gartenbilder lediglich in Graustufen anzeigen.

Die beiden Bücher über Gärten und Gärtner habe ich gelesen. Doch ist da nicht sehr viel hängen geblieben. Einmal waren es die Funkien. Funki-, Herbi-, Pestizide? Damit konnte es nichts zu tun haben. „funghi“ kannte ich auch noch. Das konnte es nicht sein. Auch Word underlined das Wort Funkien gleich rot. Warum gibt es in einem Gartenbuch keine Bilder?

Doch das Netz klärte schnell auf, präsentierte diese Pflanzen gleich in voller Pracht.

Aus dem zweiten Büchlein ist mir lediglich der Kampf mit dem Klei in Erinnerung geblieben. Was gab es in diesem Garten eigentlich? Immerhin habe ich beschlossen, diese Lektüren noch einmal von vorne zu beginnen. Also genauer:

„Die Tage des Gärtners“, Jakob Augstein und

„Die grüne Hölle“, Maarten 'T Hart.

Alles gleich wieder vergessen! Da nahm ich mir vor, aufzuschreiben, was mir mit Garten alles so einmal begegnet ist. „Vom Glück, im Freien zu sein“ ist die Unterüberschrift im Augsteingartenbuch. Nur einen Tag von Wind und Regen in der Stube festgehalten, vermisse ich dieses „Glück“ gleich heftig. Hin und wieder sind hier an der Bergstraße Wanderer anzutreffen, die gleichempfinden: „Ich muss jeden Tag 'raus.“ In der Woche begegnen Sie allerdings im Odenwald kaum Menschen. Und selbst an Sonntagen sind die Wanderer arg selten. Eine Rhein/Main-Metropole fast ohne Menschen?

So brauchen wohl nur wenige dieses Glück, im Freien zu sein? Und längst nicht jeder ist glücklich, wenn er plötzlich im Freien ist. Die gewohnte Zivilisation ist weg! Auf einem großen Bauernhof war der neue Gefechtsstand aufgebaut worden. Alles hatte gut geklappt. Doch der sonst so ausgeglichene Kommandeur und Oberstleutnant, angehender Generalstabsoffizier, war unruhig. Keine Meldung über Ausfälle, schon gar keine Unfälle. Die geplanten Fernmeldeverbindungen kamen nach und nach zu Stande. Und auch der Feind war nach aktueller Lage noch weit. Warum diese Nervosität? Dann, ein vorbeieilender Gefreite wurde heranzitiert: „Holen sie mir den Hauptfeldwebel!“ Als der Hauptfeldwebel erschien, wurde schnell klar, der Herr Oberstleutnant hatte Harndrang! Doch es wurde dem Hauptfeldwebel so akademisch mitgeteilt, dass der seinen Kommandeur irritiert und respektvoll schweigend ansah. Weitere Umschreibungen kamen, bis sich das Gesicht des Hauptfeldwebels aufhellte. Er legte los: Zunächst ist da drüben eine große Miste. Weiter hinten auf dem Grundstück gibt es einen großen Komposthaufen, die Kuhstalltüren sind von beiden Seiten offen, an der Scheunenseite steht noch so ein altes Herzhäuschen –noch benutzbar und sehr sauber- und außerdem habe ich selbstverständlich die Bauernfamilie gefragt, ob wir die Toilette im Haus benutzen dürfen. Die Soldaten habe ich bereits belehrt, wenn ...“ Da wurde er gestoppt. Mit soviel Informationen über eine so ungewohnte Umgebung hat ein angehender Generalstabsoffizier in seiner unangenehmen Notlage erst einmal fertig zu werden. Doch der Hauptfeldwebel gab noch einen Tipp, wo jetzt bei einbrechender Dunkelheit der günstigste Ort wäre.

Und wie ist das jetzt mit dem „gemischten“ Panzergrenadierbataillon, das im Wald seinen Bereitstellungsraum bezogen hat? Gemischte Donnerbalken? Getrennte öffentliche oder verdeckte Latrinen? Sind sie zu bewachen? Sagt die Wachanweisung etwas über die Geschlechter der Wachposten aus? Vielleicht findet der Krieg jetzt ja Für die Getreidefelder gab es, da das Getreide in dichten Reihen gesät wird, extra schmale Hacken. Viele Leute hatten Stunden, Tage da zu werkeln. Hin und wieder wuchsen Disteln groß wie Sträucher in den Feldern. Getreidegarben mit Disteln gespickt ließen die Frauen auf der Dreschmaschine, die sie aufzuschneiden und einzustreuen hatten, mächtig schimpfen.

Diese zwei kommen jeden Sommer, um das Unkraut in meinen Beeten zu „bekämpfen“ (Gärtnerlatein).

Bild 03: Gartenhelfer

auch nur noch dadrinnen statt. Schnell ist bei diesen Erinnerungen und Überlegungen der Garten aus dem Visier.

Arg verstädtert! Die Tochter war mit holländischen Buben mehr als sechs Stunden über die Berner Alpen gegangen, da, wo es nur noch Steine gab. „Wo hätte ich da hingehen sollen?“, hat sie mich sehr vorwurfsvoll gefragt. Da war ich fast ein wenig schuldbewusst.

Auch im Garten gibt es diese Fragen. „Wo kann ich einmal?“ „Hinter der Gartentür kannst du dich hinhocken“, sagt der Opa. „Opa! Wenn ich nackt bin, mache ich doch im Stehen!“, werde ich belehrt. Paradiesischer Garten! Da ist die Welt noch für eine kurze Zeitspanne in Ordnung.

Dann umgekehrt! Für den, der stets draußen ist, hat der dann auch Glück, wenn er einmal nach drinnen kommt? Die Mähmaschine war über den Feldhasen gesaust. Geduckt, geschockt in der Mulde hatte ihn der Bauernbub ergriffen. Der Vater sagte sofort: „Lass ihn laufen. Der hält sich nicht!“ Als Tier, das Bewegungsfreiheit braucht, wurde er nicht in einem Kaninchenstall 80 cm x 80 cm eingesperrt, sondern kam in eine Schweinebox, früher für zwei Schweine, noch fast drei Meter mal drei Meter. „Geh nicht in den Stall!“, hieß es gleich, „der muss sich erst beruhigen.“ Der Hase rannte in der Nacht von Mauer zu Mauer, bis er tot war.

Werden meine Tomaten von der Fensterbank im Mai nach draußen gebracht, sind sie auch erst einmal geschockt. So wende ich mich jetzt erst gleich den Nutz- und Zierpflanzen, den Büschen und Bäumen im Garten zu. Und als Hobbygärtner will ich hier kein angelerntes Wissen von mir geben, sondern lediglich „das Glück, etwas für Gartenarbeit übrig zu haben“, beschreiben.

Der erste Garten

Zu unserem Garten, dem Garten der Großeltern, waren es 45 Minuten zu laufen. Vor allem gab es dort Johannis- und Stachelbeeren, einen großen Mirabellenbaum, den zu meiner Zeit die Wühlmäuse in Angriff genommen hatten. Mit Wasser wurden sie bekämpft, also versucht, sie zu vertreiben. Zwei Apfelbäume, ein paar Himbeersträucher. Oben ein verwildertes Stück in dem wohl einmal Hühner gehalten worden waren. Manchmal Tomaten und eine große mit Teerpappe verkleidete Gartenhütte, die zum Übernachten geeignet war. Ein alter Handwagen und ein mittlerer Gartenweg von vielleicht 100 Metern Länge am unteren Ende mit einem Rondell war zum Befahren gut geeignet. Der Garten war also weit außerhalb gelegen. Zurück in die Stadt am späten Nachmittag wurde stets überlegt, laufen oder die Straßenbahn nehmen? Hinauf zur Haltestelle (Die Bahn kam von der Hessenschanze, oder war es die Prinzenquelle am Rande des Habichtswaldes?) waren es auch bereits fast 20 Minuten und dann das Wichtigste, sie kostete ja 10 Pfennig. Für die Tante und mich also bereits zwanzig. Und mitunter klang es durch, dass die Mutter mich da ja ohne Geld abgegeben hatte.

In bleibender Erinnerung sind die milden Maiabende mit Maikäfern ohne Ende. Dazu Glühwürmchen, die ich bis heute nie mehr irgendwo gesehen habe. Die Maikäfer konnten aus der Luft geschlagen werden und wurden nebenan den Hühnern vorgeworfen. Die Hühner sollten mit Maikäfern nur begrenzt gefüttert werden, da die Eier sonst bitter schmecken würden.

Im Herbst 1944 war am Garteneingang ein riesiger Bombentrichter und die eiserne Gartentür einschließlich Zaun waren verschwunden.

Und bei einem dieser Bombenangriffe, da kann ich das Wort Glück leicht gebrauchen, hatten wir tatsächlich Glück. Nach Entwarnung haben wir den Hochbunker verlassen und waren kaum ein paar Querstraßen weiter da schlugen in der Nähe die ersten Bomben ein. „Da hinein, da hinein“, rief ich. „Das Haus ist zu klein“, rief die Tante, eilte über die Straße mich mitzerrend und schon saßen wir im Nachbarhaus unter lauter verängstigten Menschen im Keller. Ein paar Mal schlugen die Bomben in nächster Nähe ein. Der gepflasterte Kellerfußboden schlug Wellen. Dann Ruhe, also raus. Das Haus gegenüber gab es nicht mehr. Glück? Noch einmal davongekommen!

Gegenüber dem Haus, in dem wir wohnten, brannte dann das viergeschossige Eckhaus. Da haben wir schon wieder Glück gehabt. Solch ein Glück auf Kosten der Nachbarn will man bestimmt nicht. Über das Glück ließe sich dann sicher noch mehr schreiben als über Gärten.

Für den Transport von Sachen zum und vom Garten gab es lediglich eine braune Aktentasche. Das heißt, hin war sie ohnehin leer, was sollte da schon mitgenommen werden. Fast eine Stunde Hinweg, etwa drei Stunden im Garten und eine Stunde zurück, da wurde weder etwas zu Essen noch etwas zu Trinken gebraucht. Mineralwasser in Flaschen gab es wohl noch nicht und außerdem hatte der Garten ja bereits einen Wasseranschluss bekommen.

Dass die Stadt da „Wasser“ gelegt hatte, war bereits ein schlechtes Zeichen: „Die wollen Bauland daraus machen.“ Zu zahlen war da dann auch gleich dafür. Erben wollten das Grundstück fünf Geschwister, doch das Bezahlen blieb an der Tante hängen. Ob es da im Garten einmal ein Butterbrot gegeben hat, wenn, dann ein Butterbrot im eigentlichen Sinne, lediglich mit Butter geschmiert und Zucker bestreut, kann ich mich nicht erinnern. Aber ich glaube eher, in der Zeit brauchte man noch nicht jeden Tag etwas zu essen! Es gab ja auch noch keine Autos: „Kein Auto in der großen Stadt Kassel.“ Eine Milchhandlung gab es gleich unten im Nebenhaus. Die Ware wurde da jeden Morgen von Pferd und Wagen angeliefert. Waren die Pferdehufe und das Geräusch der eisernen Reifen verklungen wurde ich hinuntergeschickt, um mit der Kanne Milch zu holen.

Auf dem Rückweg vom Garten war die Aktentasche, oft prall gefüllt mit Gartenprodukten, nicht völlig zu verschließen und dann ganz unangenehm zu schleppen. „Hätten wir doch die Straßenbahn genommen“, war dann zu hören.

Gleich nach dem Krieg ist die Tasche dann auch, schon ein wenig ramponiert, als Reisetasche verwandt worden. Von Kassel zum Hohen Meißner - dort wurde nur sparsam mit Holz geheizt - wurden darinnen nebst den Reiseutensilien auch vier Briketts transportiert. Man will ja nicht frieren, wenn man da einmal zu Besuch ist! In Kassel zum Bahnhof Wilhelmshöhe oder gar nach Bettenhausen, in Albungen an der Werra zum Bus und vom Bus noch fast eine Stunde ins Nachbardorf, da haben vier Briketts schon ein Gewicht. Doch auch hier hatte die Tante Glück. Die Tasche wurde ihr ein ganzes Stück getragen. „Hat der doch gesagt“, meinte sie dann bei uns angekommen, „die Tasche wäre so schwer, als wären da Briketts darinnen. Ich habe aber nichts dazu gesagt.“

Heute ist der seinerzeit herrliche Garten der Großeltern längst verschwunden. Die Grundstücke wurden umgelegt. Wie das bei solchen Angelegenheiten war und wohl heute auch noch ist, die alten Eigentümer fühlten sich da ziemlich übervorteilt: „Bei der Stadt sollte es Leute geben, die scharf auf diese Grundstücke waren.“ Das ganze Gebiet war bald rundherum zugebaut. Kassel hatte sich vergrößert.

Es gab zu dieser Zeit auch keine Fernsehgeräte. Um informiert zu sein, schaute die gute Tante - oft hatte sie mich in Garten und Bunker mitgezerrt - aus dem Fenster. In so einem Eckhaus, vier Stockwerke, konnte schon erkannt werden, was die Nachbarn so trieben. Dann, etwas makaber fast, hatte sie sich eines Tages zu weit aus dem Fenster gelehnt. Sie wohnte in einem dieser hohen alten Häusern im dritten Stock. Das ganze Kasseler Bombeninferno hatte sie schadlos überstanden.

Und zum Wort Bunker und der Neugier der Tante gibt es jetzt noch eine Erinnerung. Nach einem Bombenangriff war der Hauswart des Notbunkers verschwunden. Bei jeder neuen Nacht im Bunker war das dann Thema: „Wo ist er geblieben?“ In den Gärten hinter den Häusern sollte ein Verschlag sein, in dem welche liegen, hieß es. Nach Entwarnung, war es aber immerhin noch möglich, dass eine Rotte Nachzügler noch ein paar Bomben abwerfen wollte, da musste die Tante hin. Sie musste den Toten im Stroh dort aufdecken. Doch es war „nur“ ein Ausländer. Der Bunkerwart, stellte sich nach Aufräumarbeiten ein paar Tage später heraus, hatte an der Außenmauer des Behelfsbunkers gestanden, als dort eine Bombe einschlug.

Den riesigen Verschiebebahnhof sozusagen gleich nebenan hatten sie nicht bombardiert. Sie haben ihre Bomben mehrheitlich über Frauen und Kindern abgeladen. Was haben die sich davon versprochen?

Viele Sonnenblumen schmücken jedes Jahr meinen Garten.

Bild 04: Bleibt der Gärtner nicht am Ball entsteht, hier die grüne Hölle.

Der Blick in die anderen Gärten - Die Gärten auf dem Dorf vor vielen Jahren

Jeder im Dorf hatte einen Garten. Woher ich das als Kasseläner weiß? Evakuiert waren wir auf ein kleines Dorf am Hohen Meißner. Berge tragen stets den Zusatz „hoch“, wenn sie nicht ganz so hoch sind wie viele andere darum herum. Nun, die Rhön ist hier aber auch schon ein ganzes Stück weg. Ganz akurate Nutzgärten hatten die Bauersleute. Salat, Gurken und Tomaten, Weiß- und Rotkraut, Rote Beete, Tomaten, Schnittlauch, Zwiebeln wurden da angebaut. Stets habe ich das Tomatenbrot zum Erstaunen der Bauersleute dem Wurstenbrot vorgezogen. Gleich, ob Sülze, Blutwurst, Garwurst oder gar die fast berühmte hessische „Alte Wurst“ auf dem Tisch stand.

Der Nutzgarten war natürlich vorn an der Straße. Er war fast so etwas wie ein Aushängeschild des Bauernhofes. Kein Unkräutchen wurde hier geduldet. Alle Beete und alle Reihen waren ganz genau ausgerichtet. Da blieb kein Blatt vom geernteten Salatkopf liegen. Hinter der Scheune gab es Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Der alte Bauer saß dann vor dem Backtag am Freitag stundenlang in der Scheune und hat die Birnen geschält. Sie kamen nach dem Backen in den noch sehr warmen Backofen. Als Hozeln kamen sie heraus. Es gab dann sogar eine Art Hozelsuppe, genannt Saure Brühe. Die Saure Brühe enthielt, soweit ich mich erinnere, Herz und Nieren, geschnetzelt, sowie Kartoffeln. Das war keine Vorsuppe, sondern ein Mittaggericht, das alle satt zu machen hatte.

Eine Reihe Möhren wurde stets im offenen Feld meist bei den Futterrüben gesät. Im Herbst gab es dann zwei große Drahtkörbe voll prächtiger Möhren. Völlig unproblematisch. Zu meinen Möhren komme ich noch.