Ernährung. Meine Quintessenz - Prof. Dr. Andreas Michalsen - E-Book

Ernährung. Meine Quintessenz E-Book

Prof. Dr. Andreas Michalsen

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Beschreibung

Professor Andreas Michalsen ist einer der profiliertesten Ärzte Deutschlands, er genießt international höchstes Ansehen und ist einer der renommiertesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin.

Nach mehreren Bestsellern hat der Berliner Mediziner jetzt die Quintessenzen der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefügt. Michalsen klärt darüber auf, wie wir allein mit guter Ernährung gesund, vital und kraftvoll leben können. Was und wie wir essen sollten, um viel länger zu leben, als wir bisher angenommen haben. Er räumt auf mit den großen Mythen um die Diäten, das Fett, das Salz und die Milch. Michalsen macht deutlich, was wir über die Pillen zur Langlebigkeit, über Superfood und die Abnehmspritze wissen sollten. Aus seinem Alltag im Krankenhaus schildert er, in welchen Fällen uns das Essen krank machen kann und wo die Gefahren für unsere Gesundheit lauern. Michalsen nimmt uns mit auf eine Reise durch unseren Körper. Er beschreibt, warum die Leber so unverzichtbar für uns ist. Wie aus dem Darm heraus die Energie entsteht und wie das System der Verdauung eng mit unserem Gehirn verzahnt ist.

Wenn Sie mehr über diese Phänomene Ihres Körpers wissen und die Geheimnisse unserer Lebensmittel kennen, schützen Sie sich vor Übergewicht und vor chronischen Krankheiten, vor Krebs und Demenz. Sie werden mit Sicherheit länger leben. Und Sie können damit auch noch helfen, das Klima zu retten.

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Seitenzahl: 625

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Cover

Titel

PROF. DR. ANDREASMICHALSEN

ERNÄHRUNG

MEINEQUINTESSENZ

Kraftvoll und gesund bleiben! Sicher länger leben!

Unter Mitarbeit von Udo Ludwig und Regina Carstensen

Herausgegeben von Friedrich-Karl Sandmann

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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eBook Insel Verlag Berlin 2024

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2024.

eBook Insel Verlag Berlin 2024

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Gestaltung: Sofarobotnik, Augsburg & München

© Immanuel Krankenhaus Berlin, Foto: Anja Lehmann

eISBN 978-3-458-78006-9

www.insel-verlag.de

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Was mir wirklich wichtig ist. Vorwort

Die Verbindung zwischen Kopf und Bauch. Wie Darm und Leber unsere Gesundheit bestimmen

Die Forschung entschlüsselt die zentrale Bedeutung des Darms für unsere Gesundheit

Wie der Darm unter Stress gerät

Patientengeschichte – Das Eigenbrauerei-Syndrom

So läuft der Darm wieder rund

Ölziehen

Das Mikrobiom ist individuell

Das Altern unseres Immunsystems

Dick durch Bakterien

Quintessenz: der Darm

So stärken wir unsere Leber, das wichtigste Organ für ein kraftvolles Leben

Die neue Volkskrankheit – wie eine Fettleber entsteht

Wie wir unsere Leber schützen und heilen können

Quintessenz: die Leber

Hastiges Essen schadet uns – wie wir es besser machen können

Am besten 40-mal kauen

Fasten nach Mayr

Den Vagusnerv anfeuern

Essen in Stille

Gesund durch eine Siesta

Quintessenz: richtig essen

Die heimlichen Verführer. Wie wir uns gegen schädliches Essen schützen können

Wir essen zu viel und zu oft

Warum unsere Verdauung mit der Fülle unserer Nahrung überfordert ist

Das Konzept der traditionellen Ernährung

Der Erfolg der mediterranen Diät

Was wir von der traditionellen Ernährung Okinawas lernen können

Quintessenz: Vorbilder für unsere Ernährung

Achtsamkeit bei Kohlenhydraten – warum wir alles über sie wissen sollten

Zucker ist nicht gleich Zucker

Vom Nutzen und Schaden der Kohlenhydrate

Meiden Sie den Fruchtzuckerschock

Ein Leben ohne Zucker

Patientengeschichte – Schachmatt von Süßem

Wenn der Blutzuckerspiegel zu hoch ist

Mein Tipp:

Die Auswahl gesunder Kohlenhydrate und ihre Zubereitung

Ein Lob auf das volle Korn

Hafer ist eines der gesündesten Getreide

Quintessenz: die Kohlenhydrate

Welche Fette unserer Gesundheit schaden und welche uns gesund machen

Das gefährliche Viszeralfett im Bauchraum

Der Fluch der gesättigten Fettsäuren

Was von Low Carb und ketogenen Diäten zu halten ist

Wie man gesund abnehmen kann

Es kommt auf die Zusammensetzung der Fettmoleküle an

Cholesterin

Die edlen Fette

Den Stoffwechsel ankurbeln

Olivenöl hat viele gesundheitliche Vorteile

Quintessenz: die Fette

Ballaststoffe – Superstars für einen gesunden Darm und ein normales Gewicht

Präbiotikum Inulin

Ballaststoffe helfen beim Abnehmen

Worin die guten Fettsäuren stecken

Vollkorn, immer wieder Vollkorn

Quintessenz: die Ballaststoffe

Proteine und der schmale Grat – alt werden oder vital aussehen?

Wie der Körper die Proteinzufuhr steuert

Wir müssen wieder lernen, natürlicher zu essen

Können wir länger leben, indem wir weniger essen?

Es ist schwierig, den richtigen Eiweißbedarf zu ermitteln

Eiweiß-Empfehlung für Sportler

Eiweißbedarf bei veganer Ernährung

Quintessenz: die Proteine

So nutzen wir das Salz richtig

Wie steht es um Ihre Salzbilanz?

Quintessenz: das Salz

Die Milch macht's – sicher nicht

Ernährung und unsere Gene

Abschied von der Milch

Quintessenz: die Milch

Industrie-Essen – warum hochverarbeitete Lebensmittel so schädlich für uns sind

Die Dopamin-Falle

Was Industrie-Essen mit uns macht

Industrie-Essen schädigt das Mikrobiom

Je mehr Zusatzstoffe, desto ungesünder

Quintessenz: das Industrie-Essen

So können wir die Krankheit Übergewicht bekämpfen

Adipositas – was die Medizin falsch macht

So gelingt das Abnehmen

Quintessenz: das Übergewicht

Die unterschätzte Gefahr – die Gifte in unseren Lebensmitteln

Das Pflanzengift Glyphosat

Die gefährliche Wirkung hormonaktiver Stoffe

Bisphenol A (

BPA)

Die Weichmacher – Phthalate

PFAS – Chemikalien für die Ewigkeit

Mikroplastik überschwemmt die Welt

Die besorgniserregende Belastung mit Schwermetallen

Quintessenz: Umweltgifte

Sicher länger leben. So können wir 120 Jahre und älter werden

Wie wir mehr gesunde Jahre gewinnen, als es die Evolution vorsieht

Es gilt, die gesunde Lebensphase zu verlängern

Die unsterbliche Qualle

Kennzeichen von Alterungsprozessen

Rasant altern durch falsche Nahrung

Der Lebensstil ist entscheidend

Auch wer erst mit 60 auf gesunde Ernährung setzt, gewinnt viele Lebensjahre

Patientengeschichte – Ernährung bei genetischer Vorbelastung

Weniger Kalorien versprechen ein längeres Leben

Und täglich bitte Superfoods

Langlebigkeit aus der Apotheke

So lässt sich die gesunde Lebensspanne verlängern

Quintessenz: die Lebensmittel für ein langes Leben

Bio-Boom – warum Mensch, Tier und Umwelt zusammengehören

Alles Bio – welche Labels wirklich gut sind

Wenn die Pflanze leidet, sind die Früchte gesund

Quintessenz: Bio-Lebensmittel

Wie unser Essen unserer Seele guttut

Gesunde Ernährung bei Depressionen

Ingwer, Chili, Erdbeeren – probieren Sie es aus

Quintessenz: Lebensqualität

Die verborgenen Geheimnisse der Lebensmittel

Unsere Getränke

Unsere Gewürze

Unsere Nahrungsergänzungsmittel

Wie wir uns selbst am besten heilen können – der Segen des Fastens

Plan für 5 Tage Leberfasten

Das Heilfasten

Patientengeschichte – Neustart mit Heilfasten

Das Scheinfasten – Fasting-Mimicking-Diät

Es sind sieben essenzielle Mechanismen des Fastens, die die Heilwirkung erzeugen

Wirkungsweisen des Fastens aus meinem Klinikalltag

Kann man sich schön essen?

Der Biorhythmus und die Chronobiologie des Essens

Das Intervallfasten

Patientengeschichte – die Grenzen des Intervallfastens

Intervallfasten bei Schichtarbeit

Quintessenz: das Fasten

Meine Behandlungskonzepte bei den häufigsten chronischen Erkrankungen

1. Übergewicht

2. Bluthochdruck

3. Diabetes Typ 2 und Fettleber

4. Gefäßverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall

5. Nierenerkrankungen

Die 15 wichtigsten Lebensmittel für den täglichen Bedarf

6. Arthrose

7. Rheuma

8. Reizdarmsyndrom

9. Hauterkrankungen

10. Allergien und Asthma

11. Migräne

12. Depression

13. Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, Parkinson, Alzheimer und Demenz

14. Krebserkrankungen

15. Infekten vorbeugen

Exemplarischer lacto-vegetarischer Ernährungsplan – Frühling/SommerExemplarischer lacto-vegetarischer Ernährungsplan – Herbst/Winter

Der kranke Planet. Wie wir mit unserer Ernährung das Weltklima retten können

Essen geht nicht nur uns etwas an

Planetary Health Diet – die Planetarische Ernährung ist der Ausweg

Die Planetary Health Diet für die Hosentasche

So schaffen wir die Ernährungswende

Meine Quintessenz

Index

Auswahl der wichtigsten Literatur

Der Darm

Die Leber

Richtig essen

Vorbilder für unsere Ernährung

Kohlenhydrate

Fette

Ballaststoffe

Proteine

Salz

Milch

Industrie-Essen

Übergewicht

Umweltgifte

Für ein langes Leben

Bio

Essen als Beitrag zur Lebensqualität

Die Geheimnisse unserer Lebensmittel

Fasten

Planetary Health Diet

Danksagung

Abbildungsnachweis

Informationen zum Buch

Was mir wirklich wichtig ist

Vorwort

Alle wissen, was gesunde Ernährung ausmacht, das ist uns längst bekannt. Wir haben gehört, dass Essen mit vielen Ballaststoffen unser Herz schonen kann und sekundäre Pflanzenstoffe bei Krebs vorbeugen, uns ist auch klar, dass zu viel Zucker schadet und eine einzige Tasse mit Ingwertee am Tag nicht wirklich etwas nützt, um ungesunde Nahrung auszugleichen, sie beruhigt nur unser Gewissen. Gut, wir wissen nicht genau, wie einzelne Nahrungsmittel in unserem Körper zusammenwirken, aber ist das denn wirklich so wichtig?

Ja, das ist es. Denn trotz unseres vermeintlichen Wissens über eine gesunde Ernährung läuft etwas grundlegend falsch. Nicht nur bei uns selbst, sondern in der Gesellschaft. Es ist geradezu dramatisch, eine Katastrophe, der wir uns noch gar nicht wirklich bewusst sind. Hitzig wird darüber debattiert, dass entweder Fette oder Kohlenhydrate ungesund sind, wobei oftmals sämtliche Fette und Kohlenhydrate über einen Kamm geschoren werden, eine differenzierende Betrachtung findet nicht statt. Eine solche ist aber notwendig – und ich versuche sie in diesem Buch. Seitdem sich die Ernährungswissenschaft als eigenes Fach etablierte, untersuchte sie Proteine, Fettsäuren und Kohlenhydrate, Mineralien und Vitamine, analysierte Makro- und Mikronährstoffe. Das große Ganze aber, die übergeordnete Struktur eines Lebensmittels, wurde vernachlässigt – ein schwerer Fehler. Erst seit einiger Zeit hat sich gezeigt, dass ein Nahrungsmittel in seiner Ganzheit mehr ist als die Summe seiner Teile. Und dieses Wissen, ein ganz neues Wissen, möchte ich Ihnen hier vermitteln. Es hilft Ihnen, einen Weg bei der Ernährung zu finden, durch den Sie nicht nur lange leben, sondern auch gesund leben können. Ich denke, keiner von uns möchte in seinen letzten Lebensjahrzehnten nur noch von Arzt zu Arzt rennen, viele Tabletten einnehmen, eine eingeschränkte Lebensqualität haben, womöglich sogar noch in ein Pflegeheim kommen, sondern jeder strebt doch ein genussvolles, freudvolles und fittes hohes Alter an. Länger leben und dabei gesund leben ist kein illusorisches Heilsversprechen, sondern eine Tatsache, die ich nach vielen Jahren als Arzt in der Klinik und in meiner Sprechstunde bei meinen Patienten beobachten konnte.

Dennoch löst dieses neue Wissen nicht etwa allein das Problem, dass immer mehr Menschen in Deutschland unter Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes Typ 2 oder Adipositas leiden. Bei unseren vermeintlichen Kenntnissen über gesunde Ernährung müsste sich die Zahl der erkrankten Menschen in den letzten Jahren verringert haben, doch das ist nicht der Fall. Genau das Gegenteil trifft zu – immer mehr Menschen leiden unter diesen Zivilisationskrankheiten in einem geradezu epidemischen Ausmaß. Dabei könnten sie verhindert werden, dann, wenn wir uns von der industriell hergestellten Nahrung verabschieden, denn medizinisch gesehen ist sie eine tickende Zeitbombe. Es handelt sich dabei um eine Nahrung, die in mehreren Produktionsschritten verändert, verarbeitet und mit Zusatzstoffen versehen wird und ein hohes Suchtpotenzial in sich birgt. Viele entwickeln geradezu einen Heißhunger darauf. Diese Produkte werden billig hergestellt und teuer verkauft – und führen im Körper zu massiven schädlichen Langzeitfolgen.

Doch die Verantwortung kann nicht nur bei den Einzelnen liegen, grundsätzlich ist eine Ernährungswende zu fordern. Ernährung wird von politischer und sozialer Seite viel zu wenig ernst genommen. Was uns fehlt, ist entschlossen ins Handeln zu kommen, von medizinischer, politischer und gesellschaftlicher Seite.

Landwirtschaft, Ernährungsindustrie und Ernährungswissenschaft hatten in der Vergangenheit allesamt das hehre Ziel, Menschen satt zu machen und Hunger und Mangel zu vermeiden. Das ist in den westlichen Industrieländern gelungen. Die Entwicklung von Dünger, die Einführung von landwirtschaftlichen Maschinen, die hochtechnisierte Produktion von Lebensmitteln, Kühlketten und modernen Transporttechniken, von Pestiziden und neuen Saatgutsorten – all diese Fortschritte führten zu einer gigantischen Steigerung der Nahrungsmittelproduktion. Auch die Sicherheit der Lebensmittel profitierte davon. Dann aber setzten sich Partikularinteressen, Lobbyismus, Gier, Bequemlichkeit und der große Appetit durch. Ebenjene Überflutung mit süßen, salzigen, fettigen, energiedichten und tierischen Nahrungsmitteln. Der gemeinschaftliche Erfolg der Nahrungsindustrie ist ein Pyrrhussieg, denn er hat zu hohe ökologische Kosten für die Erde, er hinterlässt große Schäden für das Klima, die Wasserressourcen, die Biodiversität, das Tierwohl – und letztlich für uns. Wenn wir so weitermachen und nicht gegensteuern, bringt er uns um. Und nicht anders den Planeten. Deshalb plädiere ich für eine Planetarische Diät (Planetary Health Diet), mit der es möglich wäre, viele Probleme gleichzeitig zu lösen. Sie ist der schnellste und mächtigste Hebel, um die Erde wieder zu einem gesunden Ort werden zu lassen. Und was auf den planetarischen Teller kommt – auch davon erzähle ich hier.

Es braucht nur ein wenig Mut, um eigene Verhaltensweisen zu verändern. Früher waren meine Lieblingsgerichte Schweinebraten mit Spätzle und Maultaschen, heute sind es Gemüsepasta oder ein indischer Linsen-Dal. Ich habe nichts vermisst, zwang mich nicht zur Askese und stellte fest, dass viele gesunde Gerichte gar nicht kompliziert oder teuer sein müssen und wunderbar schmecken. Das hat auch meine Familie für sich entdeckt.

In diesem Buch trage ich meine persönlichen und klinischen Erfahrungen als Arzt zusammen, meine Quintessenzen, die Ihnen verdeutlichen sollen, dass eine gesunde Ernährung präventiv wirkt, doch auch diverse Krankheiten, wie eine Fettleber, Depressionen oder Rheuma, heilen oder zumindest Beschwerden wirkungsvoll lindern kann. In vielen Fällen wird es möglich, Tabletten wegzulassen oder zu reduzieren. Die Frage, ob wir durch eine gute Ernährung länger leben können, kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Skeptiker, die der Ansicht sind, dass ein Leben in Askese einem bestimmt einfach nur länger vorkomme, entgegne ich, dass von Askese nicht die Rede sein kann. Eine gesunde Ernährung schmeckt köstlich, gibt Vitalität, Frische und Lebensqualität. Sie erweckt keine Illusion eines Lebensgewinns, sondern schenkt tatsächlich mehr gute Jahre ohne Krankheiten.

Und vielleicht kann ich Sie auch überzeugen – sich verstärkt für eine andere Ernährungsweise auf gesellschaftlicher Ebene einzusetzen. Ein gesunder Mensch und ein gesunder Planet bilden eine Einheit, sie bedingen sich gegenseitig und sind untrennbar. »One Health« ist die Muster-Speisekarte für den Menschen und den Planeten – ohne enthemmte Massentierhaltung, stattdessen mit Lebensmitteln, die den Namen wirklich verdienen. Ist die Erde gesund, können auch wir kraftvoll und gesund bleiben und sicher länger leben.

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen

Die Verbindung zwischen Kopf und Bauch

Wie Darm und Leber unsere Gesundheit bestimmen

Unsere Verdauung ist für unsere Gesundheit von zentraler Bedeutung. Sie ist eine Meisterleistung an Steuerung und Kommunikation in unserem Körper, ein multidisziplinäres Teamwork von Gehirn, Nerven- und Muskelzellen, von Enzymen, Hormonen, Botenstoffen. Alles, was wir täglich – und häufig in zu großen Mengen – zu uns nehmen, muss aufwendig gefiltert, abgebaut, umgewandelt, verwertet, recycelt oder gänzlich entsorgt werden. Am Ende dieser Vorgänge steht die Nährstoffaufnahme, die Energie für unser Leben liefert und von der letztlich auch unsere Gesundheit abhängt. Da die Inhaltsstoffe und die Kombinationen verschiedenster Nahrungsmittel komplex sind, wir zu viel, zu oft und zu schnell essen, wird der Körper überfordert und an die Grenzen seiner Fähigkeit zur Selbstregulation gebracht.

Die Forschung entschlüsselt die zentrale Bedeutung des Darms für unsere Gesundheit

Nach Jahrhunderten des Daseins als Aschenputtel in der Medizin wird der Darm seit Kurzem nicht mehr unterschätzt, im Gegenteil: Der Darm und die Ansammlung der Billionen von Mikroorganismen, denen er Heimat gibt, die Mikrobiota oder das Mikrobiom, sind das Hot Topic der Medizin. Der Darm kann vielerlei unangenehme Beschwerden bereiten. Das Reizdarmsyndrom verursacht Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen. Entzündungen führen zu akuten Infektionen und starken Beschwerden, schlimmstenfalls fördert dies die Entstehung von Darmkrebs. Zunehmend leiden die Menschen unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten, laut einer repräsentativen Erhebung rund ein Fünftel aller Deutschen.

Im Medizinstudium lernte ich, dass der Dickdarm in der Hierarchie der Verdauung – aber auch in der Rangfolge sämtlicher Körperorgane – ziemlich weit unten steht. Lässt man das Mikrobiom außer Acht, scheint das auch gerechtfertigt, zumindest wenn man die Abfolge der Verdauung nur stofflich betrachtet. Anders gesehen beginnt die Verdauung jedoch bereits im Kopf und setzt hier mittels komplexer neurohormonaler Signale des Gehirns ein: Zur Kommunikation und Koordination werden schon vor und dann während des Essens Botenstoffe ausgeschüttet. Die im Mund hoffentlich gut gekaute und eingespeichelte Nahrung wird geschluckt und erreicht über die Speiseröhre den Magen, wo sie ein Säurebad erwartet: Aufgrund ihres extrem sauren pH-Werts von 1,5 bis 2 ist die Magensäure ein hochwirksamer Schutz gegen ungebetene Mikroben und Bakterien. Nur wenige Bakterien sind überhaupt in der Lage, in einem solchen Milieu zu überleben. Eine Art von Bakterien hat aber enorme Bedeutung: die Helicobacter pylori. Für die Entdeckung, dass diese kleinen stäbchenförmigen Gäste in erster Linie für Magengeschwüre verantwortlich sind, wurde zwei australischen Forschern, Barry Marshall und John Robin Warren, 2005 der Nobelpreis verliehen. Sobald sich dieses Bakterium eingenistet hat und Beschwerden bereitet, sollte es tunlichst mit Antibiotika vertrieben werden. Im Magen wird die Speise durch Salzsäure, Enzyme und kräftige Schaukelbewegungen in eine dickflüssige Masse umgewandelt.

Je nachdem, was wir gegessen haben, benötigt der Magen zwischen ein und zwei Stunden für leicht Verdauliches wie Obst oder Gemüse und sechs bis acht Stunden für stark Eiweißlastiges, vor allem für Fleisch oder sehr Fettiges. Der Magen ist so etwas wie ein Häcksler in unserem Körper. Erst wenn die größten Teile im Speisebrei nicht mehr größer als eine Erbse sind, wird die Masse in den Dünndarm entlassen. Dort beginnt die Feinarbeit, und die Wege der unterschiedlichen Bestandteile der Nahrung trennen sich. Die in der Leber produzierten Gallensäfte werden in der Gallenblase gesammelt und in die Gallengänge gegeben, die Bauchspeicheldrüse stellt spezielle Enzyme her, die das Eiweiß spalten. Alles landet im Zwölffingerdarm. Im Dünndarm wird zusammen mit weiteren Säften aus der Bauchspeicheldrüse und der Galle auch die ätzende Magensäure neutralisiert.

Der Dünndarm, der sich über bis zu fünf Meter durch den Bauchraum windet, absolviert ein Hochleistungsprogramm. Eine besondere Rolle spielt dabei die Vergrößerung der Oberfläche. Hierfür hat der Darm sogenannte Zotten, etwa ein Millimeter hohe, fingerartige Ausstülpungen; sie sind mit unzähligen kleinen, fadenförmigen Fortsätzen bestückt. Durch diese Struktur entsteht eine enorme Oberfläche. Vor einigen Jahren dachte man noch, sie könne bis zu 300 Quadratmeter groß sein. Inzwischen weiß man, dass es nur 30 Quadratmeter sind. Aber immerhin: Diese Fläche dient der schnellen und umfassenden Aufnahme der Nährstoffe aus dem Speisebrei. Zuvor spalten Enzyme die zerkleinerte Nahrung in immer kleinere Moleküle auf: Eiweiße in Aminosäuren, Kohlenhydrate in Zucker und Fette in Fettsäuren und Monoglyceride. Erst in dieser Form gelangen die Nährstoffteilchen zusammen mit ebenfalls absorbierten Vitaminen und Mineralien über die Darmwand ins Blut. Von dort gelangen die Stoffe in die Leber. Von hier aus geht das, was unser Verdauungstrakt aus der Nahrung herausgequetscht hat, schließlich über das Blut in die Zellen, wo alles »endverbraucht« wird und uns diese neue Energie das Leben ermöglicht.

Was tagtäglich geschieht und sich so einfach anhört, ist in Wahrheit eine beeindruckende Leistung besonders des Dünndarms. Sie ist aber auch so anstrengend für die Zellen der Darmwand, dass täglich Milliarden von Darmepithelzellen neu gebildet werden und die Darmschleimhaut immer wieder runderneuert wird. Alle drei bis vier Tage regeneriert sie sich einmal komplett! Die abgestoßenen Zellreste werden Teile des Stuhlgangs. Das ist einer der Gründe dafür, warum selbst beim längeren Fasten immer noch kleinere Mengen Stuhlgang entstehen.

Hat der Dünndarm seinen Job erledigt, gelangt der noch unverdaute Rest in den Dickdarm. Auf den ersten Blick sieht es aus, als wäre der Dickdarm lediglich der Ort, an dem die Nahrungsreste vorbereitet werden, um sie dann auszuscheiden. Restwasser und Salz werden entzogen und zurück in die Blutbahn gebracht, der Stuhl wird trockener. Dafür kommt Schleim für eine bessere Gleitfähigkeit hinzu. Das ist aber nur die eine, vielleicht die langweiligere Funktion des Dickdarms. Vereinfacht kann man die Aufgabenteilung zwischen Dünn- und Dickdarm so zusammenfassen: Der Dünndarm verdaut, der Dickdarm verstoffwechselt. Denn die im Dickdarm eintreffenden Nahrungsreste, allen voran die nicht unmittelbar verwertbaren Ballaststoffe, treffen jetzt auf die Welt des Mikrobioms – es warten Billionen von Bakterien und Mikroorganismen, die sich über den Speiserest hermachen und ihn durch Enzyme und Fermentierung verdauen und sich davon selbst ernähren. Bei ballaststoffreicher Nahrung mit viel Gemüse und Vollkorngetreide ist es ein Festmahl für das Mikrobiom, bei Junkfood und überwiegend tierischen Lebensmitteln eine karge Angelegenheit mit wenig erfreulichen Folgen.

Inzwischen wissen wir, dass dieses Mikrobiom von ganz wesentlicher Bedeutung für unsere gesamte Gesundheit ist. Was noch bis zu Beginn dieses Jahrhunderts pauschal als »Darmflora« bezeichnet wurde und fast nur in naturheilkundlichen Kreisen Beachtung fand, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der dynamischsten und wichtigsten Felder der medizinischen Forschung entwickelt. Das Mikrobiom des Darms (von griechisch mikrós, »klein«, und bios, »Leben«) ist eine gigantische Ansammlung von Mikroben, die mit uns leben: Bakterien, Viren, Pilze, Archaeen und sogar Parasiten.

So komplex der Zusammenhang zwischen Mikrobiom, Ernährung, Gesundheit und Krankheit ist, so einfach ist das Grundprinzip der Symbiose mit unseren Mitbewohnern: Sie bekommen Kost und Logis gratis und helfen uns dafür, aus der Nahrung das zu gewinnen, was unserem Körper zugutekommt. Die Darmbakterien spalten die Ballaststoffe auf, produzieren für den Darm gesunde kurzkettige Fettsäuren und stellen sogar einige Vitamine und Aminosäuren her, aus denen wiederum wichtige Proteine zusammengesetzt werden. Die Mikroorganismen beseitigen aber auch Giftstoffe, wie sie etwa beim Abbau der Gallensäure entstehen. Darüber hinaus regeln sie auch den pH-Wert des Darms.

Vieles am Mikrobiom ist beeindruckend, allein das Gewicht von gut zwei Kilogramm und die schiere Anzahl der Mikroorganismen. Es ist ein großes Ökosystem, manche verwenden das Bild eines Dschungels, in dem sich eine unübersehbare Zahl größerer und kleinerer Tierchen tummeln. Lange stand die Medizin dieser Komplexität hilflos gegenüber.

Mehr als zwei Jahrzehnte habe ich versucht, über mikrobiologische Stuhltests, in denen mit klassischen Laborverfahren der Mikrobiologie die Bakterien auf Nährplatten ausgezählt werden, Rückschlüsse auf die Darmgesundheit meiner Patienten und den Verlauf ihrer Erkrankungen zu ziehen. Es gelang mir nicht, und so schwand irgendwann mein Vertrauen in diese Diagnosemethode, die sich als zu fehleranfällig erwiesen hatte. Lagen die Röhrchen mit den Stuhlproben etwa bei warmer Temperatur irgendwo herum oder waren sie zu lange unterwegs, waren die Ergebnisse verfälscht. Gastroenterologen sind der Ansicht, dass man für verwertbare Ergebnisse die Proben über eine Darmspiegelung gewinnen müsse. Aber wer lässt schon eine Darmspiegelung über sich ergehen, um das Mikrobiom analysieren zu können?

Schließlich wurde die Diagnosetechnik revolutioniert. Es begann die Ära der Genanalyse der Mikroorganismen in unserem Stuhl, die Gensequenzierung. Die Überraschung war zunächst groß, als festgestellt wurde, dass man durch die klassische mikrobiologische Analyse nur etwa ein Prozent der Mikroben erfasst hatte, also nur an der Oberfläche gefischt hatte und deshalb so gut wie nichts über das Mikrobiom wusste. Seither geht die Entwicklung rasant weiter. Erst mit der 16S-Sequenzierung – und neuerdings mit der Shotgun- oder Schrotschuss-Analyse zur Gensequenzierung und schließlich mit der von künstlicher Intelligenz (KI-)gestützten biomathematischen Verarbeitung. Es ist eine extrem komplexe Arbeit, die ohne leistungsfähige Computerprogramme nicht zu leisten wäre. Die Datenmengen, die bei der Gensequenzierung der Billionen von Mikroorganismen gewonnen werden, und die Wechselwirkungen mit anderen Faktoren ermöglichen uns Einblicke in das Verdauungssystems, die lange Zeit unvorstellbar waren.

Wissenschaftlicher stellten nun fest, dass sie die Hälfte der winzigen Tierchen, die sie im Mikrobiom identifizieren konnten, bis dahin nicht kannten. Sie hatten noch keine biologischen Namen. Die Forscher gaben ihnen teilweise wilde Spitznamen. Inzwischen konnten sie 30 Prozent der Mikrolebewesen charakterisieren. Zwar geht die Forschung davon aus, dass sie nicht mehr viel Zeit benötigen wird, um alle Mikrolebewesen zu klassifizieren, aber noch ist es leider zu früh, um die Erkenntnisse zielgerichtet in der Arztpraxis anwenden zu können.

Es ist naheliegend, dass eine gute Balance im Darm generell zu weniger Entzündungen führt und damit der Körper weniger altert, Inflammaging genannt. Der russisch-ukrainische Immunologe Ilja Iljitsch Metschnikow (1845-1916) entdeckte die Fresszellen, die Makrophagen. Der Nobelpreisträger ahnte schon Anfang des 20. Jahrhunderts, wie wichtig bestimmte Bakterien für uns sind. Er mutmaßte, dass das Geheimnis des von ihm beobachteten langen Lebens bulgarischer Bergbauern in den Lederbeuteln begründet liege, in denen sie ihre Milch beförderten. Bei längerem Transport wurde die Milch darin aufgrund des Wirkens »guter« Bakterien sauer und somit zu einer Art probiotischem Getränk. Es entwickelte sich eine große Nachfrage nach diesem Nahrungsmittel mit dem Lactobacillus bulgaricus, das augenscheinlich viele Lebensjahre schenkte. Metschnikow führte noch viele weitere Forschungsarbeiten durch, die zeigten, dass milchsäureproduzierende Bakterien, wie sie in Sauermilch und Joghurt, ganz besonders aber in Kefir vorkommen, schädliche Bakterien verdrängen.

Wie der Darm unter Stress gerät

Heute sind sich alle Wissenschaftler einig: Das Mikrobiom ist von zentraler Bedeutung für unsere Gesundheit. Führende Forschergruppen etwa am King's College in London bewerten aufgrund ihrer Big-Data-Ergebnisse von mehr als 50 ‌000 Teilnehmern, 50 Bakterienspezies als eher gesund und 50 als ungesund. Der Zusammenhang mit Ernährung, aber auch mit Rauchen, Alkohol, Bewegung, mit Medikamenten oder Infektionen (etwa Covid-19) ist eindeutig. Negative Einflüsse wie zum Beispiel schlechtes Essen können zu einer Fehlbesiedelung des Darms, zu einer Dysbiose führen – einer Störung des natürlichen Gleichgewichts des Mikrobioms. Die Ernährungsweise ist vermutlich der entscheidende Grund dafür, dass der Zustand des Mikrobioms von Menschen aus den westlichen Industrienationen immer problematischer wird. Überernährung, die typische »Diät« mit ihrem Übermaß an Junkfood, Zucker, schädlichem Fett und Kohlenhydraten, zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und Vollkorngetreide führen zu einer Verarmung des Mikrobioms und zu Dysbiosen, die vielen Erkrankungen den Weg ebnen.

Schon länger spricht man von Präbiotika, wenn es um ballaststoffreiche Nahrungsmittel geht, die besonders nahrhaft für unser Mikrobiom sind. Beispiele sind Vollkorngetreide und Pflanzen, die viel des besonderen Ballaststoffs Inulin enthalten, das unter anderem in Schwarzwurzeln, Pastinaken, überhaupt in jedem Wurzelgemüse, in Zwiebeln und Knoblauch, Chicorée, Topinambur oder Artischocken reichlich enthalten ist. Diese Präbiotika füttern das Mikrobiom und helfen dabei, dass gute Bakterien im Darm dominieren.

Lange Zeit war im komplexen Zusammenspiel des Mikrobioms mit unserem Körper unbekannt, was die Mikroorganismen letztlich aus der Nahrung, die wir aufnehmen, machen – also welche Stoffwechselprodukte bei der Fermentierung entstehen. Für das, was schlussendlich unser Körper aus dem Essen gewinnt, wurde schließlich ein Fachbegriff gefunden: Postbiotika, auch postbiotische Metaboliten genannt. Es gibt Tausende von Stoffwechselprodukten, doch wie sie wirken, was sie Gutes tun und was sie uns auch antun, bekommen wir in der Regel nicht mit. Wir wissen aber, dass die Endprodukte dieser bakteriellen Verdauungsprozesse auch Gase verursachen, zum Beispiel beim Verzehr von Hülsenfrüchten. Diese enthalten Mehrfachzucker, die durch gasbildende Bakterien verspeist werden und Blähungen verursachen. Auch Darmblähungen sind im Grunde ein Werk des Mikrobioms.

Wissenschaftlicher Konsens besteht auch darin, dass eine Gruppe von Produkten des Mikrobioms äußerst positiv für unsere Gesundheit ist, gemeint sind die kurzkettigen Fettsäuren wie die Propion-, Essig- oder Buttersäure. Sie sind ein großartiges Beispiel für die Symbiose zwischen Menschen und Bakterien. Die Bakterien des Mikrobioms können beim Fermentieren kurzkettige Fettsäuren aus den Ballaststoffen bilden, diese wirken sich günstig auf das Immunsystem des Darms aus, sie sind entzündungshemmend und senken das Risiko für Adipositas, Diabetes Typ 2 und Autoimmunerkrankungen. Vor allem aber ernähren die Fettsäuren die Darmzellen und tragen so zur gesamten Darmgesundheit bei. Es wundert daher nicht, dass bei der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa offenbar ein Mangel an kurzkettigen Fettsäuren im Darm mitverursachend ist.

Die kurzkettigen Fettsäuren sorgen zudem für ein chemisch saures Milieu im Darm, was die Produktion guter Postbiotika fördert und es Salmonellen und anderen Erregern erschwert, uns krank zu machen. Bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Alzheimer oder Parkinson wird neueren Forschungsergebnissen zufolge häufig eine verminderte Anzahl propionbildender Bakterienstämme diagnostiziert. Wissenschaftler untersuchen derzeit, ob die Einnahme des Salzes der Propionsäure hilft, die Erkrankungen zu bekämpfen.

Als der britische Arzt James Parkinson (1755-1824) im Jahr 1817 seinen Essay über die »Schüttellähmung« schrieb, erwähnte er bereits explizit die den Magen-Darm-Trakt betreffenden Symptome und hob hervor, dass sie einen entscheidenden Anteil an dieser Erkrankung haben. 200 Jahre später ist man bei der Spurensuche im Darm endlich weiter und beim Mikrobiom angekommen. Beschwerden wie Verstopfung und Geschmacksverlust treten bei vielen Parkinson-Patienten schon Jahre vor den neurologischen Beschwerden auf. Dann wurde erkannt, dass bei Parkinson ein falsch gefaltetes Protein namens Alpha-synuclein im Gehirn die Krankheit mit verursacht. Genau dieses Alpha-synuclein findet sich beim Menschen mit Parkinson aber auch im Darm. Mediziner vermuten, dass es über den Vagusnerv, den Highway zwischen Darm und Kopf, ungebeten ins Gehirn reist. Kann man diese Dysbiose im Darm beeinflussen und sich somit vor Parkinson schützen oder die Krankheit behandeln? Im Tierversuch haben Wissenschaftler es bereits geschafft. Das heißt aber noch lange nicht, dass dies auch beim Menschen gelingen wird.

Kurzkettige Fettsäuren entscheiden ebenso darüber, ob Sport und Bewegung wirklich gesund für den Stoffwechsel sind. Schon länger ist bekannt, dass nicht alle Diabetes-Patienten von Sport profitieren, manche haben eine »Bewegungsresistenz«. In einer Studie der University of Hong Kong absolvierten 39 Patienten mit beginnendem Diabetes Typ 2 ein Sport- und Bewegungsprogramm, parallel dazu wurde ihr Mikrobiom untersucht. Nach zwölf Wochen sahen die Wissenschaftler bei allen Teilnehmern eine Gewichtsabnahme, aber nur bei zwei Dritteln verbesserten sich durch die Bewegung der Diabetes und die Blutfette, bei dem Rest tat sich nichts. Diese sogenannten Non-Responder hatten einen besonders hohen Anteil an Bakterien, die Gifte wie Kresol und Phenol sowie verzweigtkettige Aminosäuren produzieren, die Responder hingegen stellten unter anderem viele gute kurzkettige Fettsäuren her.

Einige Menschen haben durch Stress eine viel zu schnelle Verdauung. Durch eine gestörte Nährstoffaufnahme kann eine Mangelsituation entstehen, obwohl ausreichend Essen auf dem Teller ist. Oft aber geschieht genau das Gegenteil: Der Stuhlgang bleibt viel zu lange im Darm, ohne dass wir es merken. Muss sich jedoch der Darm zu lange mit den Resten des Essens herumplagen, kann das Entzündungen der Schleimhaut hervorrufen. Es kann zu Nahrungsunverträglichkeiten kommen und das Risiko von Darmkrebs erhöhen. Das Gefährliche ist, dass wir nicht bemerken, wenn der Kot tagelang im Darm bleibt, obwohl wir regelmäßig auf der Toilette sind.

In der Wissenschaft wird daher die sogenannte Transitzeit der Nahrung beschrieben und gemessen. Sie ist vermutlich bei 24 Stunden optimal und sollte nicht länger als 48 Stunden betragen. Sie selbst können Ihre Transitzeit ganz einfach durch den Rote-Bete-Test erfassen. Dafür essen Sie eine Portion Rote Bete und beobachten, nach welcher Zeit der Stuhlgang erstmals rot gefärbt ist. Eine ideale Verdauungsgeschwindigkeit wird durch eine Kombination aus einer darmverträglichen und pflanzenbetonten Ernährung mit viel Ballaststoffen, gründlichem Kauen und nicht zu viel Stress erreicht.

Auf der anderen Seite kann vor allem bei proteinreicher Ernährung, die von vielen Sportlern bevorzugt wird, bei einer unvollständigen Verdauung im Magen und Zwölffingerdarm und einer anschließend trägen Durchreise durch den Dickdarm Ammoniak entstehen, das Muskelschwäche, Müdigkeit und Erschöpfung hervorrufen kann. Ein ähnlicher Effekt tritt eventuell auf, wenn wir die oft verordneten Säureblocker zu uns nehmen. Der Magen ist zwar dann nicht mehr übersäuert und Sodbrennen und Gastritis können verschwinden, doch der Nachteil ist, dass die Medikamente zu einer schlechteren Verdauung der Proteine beitragen. Es kommt zu unerwünschten Reaktionen im Dickdarm.

Patientengeschichte – Das Eigenbrauerei-Syndrom

Die Geschichte dieses Patienten liegt schon eine Weile zurück, sie hat mich sehr beeindruckt. Ein Mann von Mitte fünfzig wurde stationär in die Innere Medizin unserer Klinik eingeliefert. Er hatte Übergewicht, Bluthochdruck, einen beginnenden Diabetes, und sein Internist, so erzählte der Mann, habe ihm nach einem Ultraschall gesagt, dass sich bei ihm eine Fettleber abzeichne. Auffallend war zudem, dass seine Frau berichtete, ihr Mann wirke zunehmend unkonzentriert und aufbrausend, sei tagsüber oft schläfrig und wie benommen. Wir planten, den Schlaf genauer zu untersuchen, aber eine schwere Schlafstörung, ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, konnten wir als Ursache für die häufige Benommenheit ausschließen. Als alle Laborergebnisse vorlagen, waren wir über das Ausmaß der Leberfunktionsstörung und der Höhe der Leberwerte erstaunt. Es zeichnete sich eine Fettleberentzündung ab. Wir führten nochmals ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten über seinen Alkoholkonsum. Der Patient verneinte vehement, dass er Alkohol trinken würde, sagte aber auch, dass er sich häufiger fast wie betrunken fühle. Da einige Lehrbücher der Naturheilkunde auf das Autointoxikations-Syndrom hinwiesen, also auf eine Vergiftung von innen durch Darmbakterien, nahmen wir abermals Blut ab und bestimmten den Blutalkoholgehalt. Zu unserer Verblüffung lag dieser bei 1,6 Promille, obwohl der Patient nun schon seit drei Tagen im Krankenaus war und versichert hatte, dass er das Krankenhausgelände nicht verlassen habe.

Mein damaliger Chef stellte die Diagnose »Eigenbrauerei-Syndrom«, also Betrunkenheit von innen. Der Grund lag in einer Fehlbesiedlung des Darms mit Bakterien, wie wir bei der Untersuchung des Stuhls sahen. Wir behandelten den Patienten mit einer Fastentherapie, einem siebentägigen Heilfasten nach Mayr, und verabreichten zusätzlich gesundheitsfördernde probiotische Bakterienstämme. Die Therapie zeigte bald Wirkung. Der Mann fühlte sich nach einigen Tagen frischer und wacher, der Alkoholspiegel war bei null.

Inzwischen wurde in Studien die Existenz des »Eigenbrauerei-Syndroms« wissenschaftlich nachgewiesen. Ursache sind tatsächlich Fehlbesiedlungen von Bakterien und Pilzen im Darm, etwa mit Saccharomyces oder Klebsiellen, die wiederum in ihrem Stoffwechsel Alkohol produzieren, der dann über den Darm in das Blut übertritt.

Diese Geschichte illustriert einen besonders auffälligen Fall, die Spitze des Eisbergs sozusagen. Aus unverdächtigen Nährstoffen wie Kohlenhydraten können durch ein schlechtes Mikrobiom hochproblematische Giftstoffe entstehen. In der Naturheilkunde wurde dieses Phänomen schon vor vielen Jahrzehnten von dem Mediziner Karl Pirlet (1920-2010) beschrieben, er nannte es Autointoxikation, Selbstvergiftung.

Postbiotika können Gutes produzieren wie etwa Vitamine, aber auch krank machen, ein Beispiel dafür ist – neben dem Eigenbrauerei-Syndrom – das Trimethylamin (TMA). Das Gas entsteht, wenn wir Cholin oder L-Carnitin zu uns nehmen – es findet sich reichlich in Fleisch und Eiern. Wird dieses Essen nicht sonderlich im Magen und im Dünndarm verdaut, können die Bakterien im Dickdarm TMA daraus machen, und das riecht nach faulem Fisch. Gefährlich für unseren Körper wird es, sobald die Leber daraus Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) produziert. TMAO erhöht das Risiko für Herzkrankheiten, Diabetes Typ 2 und Prostatakrebs.

Große Beachtung erfuhr eine Studie von Forschern der renommierten Cleveland State University. Die Wissenschaftler verabreichten den Studienteilnehmern eine Mahlzeit mit reichlich Cholin, nämlich zwei hart gekochte Eier, und maßen wenig später deren TMAO-Werte. Die waren stark angestiegen. Danach gaben sie den Probanden Antibiotika, die die gefährlichen Darmbakterien angriffen, anschließend wiederholten sie das Experiment. Dieses Mal wurde kein giftiges TMAO mehr im Blut gemessen. Es kann natürlich keine Lösung sein, beim Essen von Eiern oder Fleisch jedes Mal Antibiotika zu schlucken. Die Folgen eines solchen Vorgehens wären noch fataler. Von Bedeutung ist auch, dass nicht alle Menschen negativ auf Cholin und L-Carnitin reagieren, es kommt – mal wieder – auf das Mikrobiom an. Da wir derzeit nicht genau erfassen können, welcher Mensch zu viel TMAO aus Cholin und L-Carnitin im Darm bildet, empfehle ich den sicheren Weg: keine oder wenig Eier und kaum Fleisch zu essen, dann bildet sich grundsätzlich ein besseres Mikrobiom aus.

Es gibt immer mehr Entdeckungen solcher Art. So ist zum Beispiel seit Langem bekannt, dass Salz bei Menschen Bluthochdruck verursachen kann. Viele Jahre dachte man, dass die Ursache die vermehrte Wasserfüllung der Blutgefäße und Nieren sei. Inzwischen hat man aber herausgefunden, dass das Salz bestimmten Bakterien im Darm hervorragend schmeckt. Diese vermehren sich dann stark – und deren Stoffwechselprodukte erzeugen schließlich den erhöhten Druck in den Blutgefäßen.

Der Darm ist kein reines Verdauungsorgan. Er beherbergt 70 Prozent aller körpereigenen Immunzellen, die zusammen mit der Darmschleimhaut und dem Mikrobiom ein höchst effektives Abwehrsystem bilden. Gute Bakterien verdrängen krank machende Mitbewerber oder bekämpfen Eindringlinge mit selbst gebildeten antibakteriellen Stoffen. Ganz tief im Bauch befinden sich die Darmbakterien, die über eine Schleimschicht von den darunterliegenden Darmepithelzellen getrennt sind. Die Darmepithelzellen enthalten Transportsysteme und können Nährstoffe aufnehmen, sie werden durch flexible Proteinverbindungen, Tight Junctions, zusammengehalten. Arbeiten sie optimal, lassen sie alle erwünschten Nährstoffe durch, verhindern aber die Durchreise unerwünschter Mikroorganismen und Gifte in den Körper. Klappt diese Türsteherfunktion nicht so gut, spricht man von »Leaky Gut«, einer geschädigten, undichten Darmschleimhaut; daraus können dann gesundheitliche Probleme resultieren. Zusätzlich bilden verschiedene Immunzellen als letzte Bastion gegen lästige Eindringlinge ein eigenes Immunsystem, das GALT, die englische Abkürzung für Gut-Associated Lymphoid Tissue. Diese Kampfeinheit unseres Körpers soll Krankheitserreger gezielt ausschalten, aber freundlich zu körpereigenen Zellen und Nahrungsbestandteilen sein.

Ich beschreibe diese Vorgänge so ausführlich, weil sie für unsere Gesundheit von extremer Wichtigkeit sind. Denn dieses gestaffelte Abwehrsystem kann bei Infektionen, Entzündungen, Stress und schlechter Ernährung ins Wanken geraten. Störende Bakterienarten, die in einem gesunden Mikrobiom unter Kontrolle sind, können bei Fehlfunktionen dieses sensiblen Abwehrsystems schweren Schaden anrichten. Aus einer ungesunden Nahrung entstehen dann noch ungesündere Stoffwechselprodukte. Darmentzündungen wie Colitis ulcerosa, Morbus Crohn oder das Reizdarmsyndrom sind dann die Folge. Aber auch Nahrungsmittelallergien sind letztlich das Ergebnis einer unpräzisen Abwehr unseres Darms.

Ist das Immunsystem durch eine Dysbiose schlecht trainiert, kann die Erkennung körpereigener und fremder Zellen durcheinandergeraten. Man vermutet heute, dass Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson durch ein aus der Balance geratenes Mikrobiom »getriggert« werden, das heißt, mit ausgelöst werden. Nach neueren Studien ist auch bei der Alzheimer-Demenz das Mikrobiom ursächlich involviert. Veränderungen des Mikrobioms sind schon im Vorstadium der Erkrankung zu finden. Die Forschung geht weiter und möglicherweise kann in einigen Jahren ein Stuhltest Auskunft darüber geben, wie hoch unser Risiko ist, an Demenz zu erkranken.

So läuft der Darm wieder rund

Die Interpretation moderner Gensequenzierungen des Mikrobioms ist komplex und letztlich immer noch zu schwierig, als dass es in die praktische Medizin Eingang gefunden hätte. Ich gehe aber davon aus, dass in den kommenden Jahren die Fortschritte schnell voranschreiten werden, gerade auch durch die künstliche Intelligenz. Ein Befund ist aber schon heute erkennbar und einfach zu bewerten: die Biodiversität des Mikrobioms. Eine große Artenvielfalt ist nicht nur Voraussetzung für ein gesundes Ökosystem unserer Erde, sie spielt auch in unserem Bauch eine große Rolle. Wenn im Wald Tiere, Pflanzen, Insekten und Mikroben zusammenleben, ergänzen sie sich und profitieren voneinander. Die einen leben vom Abfall oder den Ausscheidungen der anderen und umgekehrt. Genauso funktioniert die Symbiose in unserem Körper, das für beide Seiten vorteilhafte Zusammenspiel von Mikrobiom und Mensch. Je artenreicher das Mikrobiom ist, desto stabiler ist unsere Gesundheit und desto mehr sind wir vor Krankheiten geschützt.

Inzwischen sind mehr als 1500 Mikroben- und Bakterienarten im Darm des Menschen identifiziert, und die Anzahl der Entdeckungen steigt kontinuierlich mit den feiner werdenden Messmethoden. Individuell finden sich rund 150 Bakterienarten im Mikrobiom eines Europäers. Was sich enorm anhört, ist indes kein besonders guter Befund. Das Mikrobiom hat aufgrund unseres modernen Ernährungs- und Lebensstils bereits ziemlich gelitten. Denn bei Bevölkerungen mit ursprünglicherem Lebensstil zeigen sich in der Regel rund 300 und mehr Arten von Bakterien. Das Mikrobiom bei indigenen Stämmen enthält etwa doppelt so viele Bakterienarten wie die Darmflora von Menschen in der westlichen Welt.

Forschungen zeigen immer wieder den Zusammenhang: Je natürlicher und traditioneller unsere Ernährung und je natürlicher unser Lebensstil ist, desto mehr Bakterienarten befinden sich im Mikrobiom. Aber das ist nicht naturgegeben, wir können einiges tun, um unsere Diversität zu erhöhen: viele Ballaststoffe essen, Fermentiertes (milchsauer vergorene Lebensmittel) essen, viele unterschiedliche Pflanzen zu uns nehmen. Jedem pflanzlichen Lebensmittel – zu denen etwa auch Kaffee, Erbsen, Nüsse oder Äpfel zählen – können die Biomathematiker der führenden Mikrobiom-Labore inzwischen auch typische Bakterienstämme zuordnen. Es gilt die Formel: Je vielfältiger pflanzlich wir essen, desto diverser wird unser Mikrobiom.

Meine Empfehlung: Essen Sie 30 unterschiedliche Pflanzensorten pro Woche. Das klingt zunächst einmal nach sehr viel, aber es gelingt viel leichter, als Sie vielleicht zunächst denken. Weizen, Roggen, Hafer, Leinsamen, Reis, Kartoffeln als sättigende Basis, dazu Zwiebeln, Knoblauch, ein paar Blättchen Basilikum, Petersilie, Kreuzkümmel, Ingwer, Oliven(öl) und Essig, ein Fruchtaufstrich (nicht zu süß!), ein paar Nüsse und Mandeln, Kaffee, Tee und ein paar Stücke Bitterschokolade. Und dann brauchen Sie nur noch zehn pflanzliche Produkte aus dem großen Bereich Obst, Gemüse, Salate und Hülsenfrüchte hinzuzufügen und ihr Mikrobiom ist glücklich.

Schließlich sollten wir darauf achten, dem Mikrobiom nicht zu viel zuzumuten. Alkohol, Rauchen, Stress, Industrie-Essen mit Zusatzstoffen, Süßstoffe, Konservierungsstoffe sowie gewisse Medikamente mag das Mikrobiom überhaupt nicht. Neben Antibiotika zählen zu den schädlichen Medikamenten die viel zu häufig verordneten Säureblocker, die sogenannten Protonenpumpenhemmer, und verschiedene Schmerzmittel. Bei Medikamenten sind besonders wir Ärzte gefragt. Antibiotika sind bei schweren Erkrankungen ein Segen, aber sie sollten nicht bei einer einfachen Erkältung eingesetzt werden. Inzwischen gibt es Kampagnen wie »Klug verschreiben«, aber deren Wirkung ist leider bislang überschaubar; es werden immer noch viel zu viele Antibiotika verschrieben. Wir alle können dazu beitragen, dass dies weniger wird, indem wir uns bei einer Erkältung erst mal ins Bett legen und vielleicht ein paar Heilpflanzen und Tees nutzen.

Das Darm-Mikrobiom hängt übrigens auch mit dem Mikrobiom im Mund zusammen. Beide können sich positiv wie negativ beeinflussen. Mein Ratschlag ist daher, auf eine gute Zahnpflege zu achten, Zahnseide zu verwenden, gegebenenfalls die Zunge zu schaben und bei Parodontose das Ölziehen zu nutzen.

Ölziehen

Die morgendliche Mundspülung mit Speiseöl stammt aus dem Ayurveda. Sie sorgt zwar nicht dafür, dass der Körper Schlacken absondert, wie oft behauptet wird, doch die Spülung kann über den Speichel schon früh am Tag die Verdauung in Gang setzen. Studien haben gezeigt, dass das Ölziehen eine wirksame Therapie gegen Parodontose und die entzündliche Parodontitis ist, Krankheitserreger im Mund bekämpft und gegen Mundgeruch vorbeugt. Dabei hat es weniger unerwünschte Wirkungen als chemisches Mundwasser. So funktioniert Ölziehen: Nehmen Sie jeden Morgen einen Esslöffel mit Bio-Speiseöl (Sonnenblume, Sesam, Olive) in den Mund. Bewegen Sie das Öl etwa drei bis fünf Minuten lang im Mund – auch zwischen den Zähnen, indem Sie es durch die Zwischenräume hindurchpressen. Spucken Sie das Öl aus und spülen Sie den Mund mit Wasser. Putzen Sie sich danach die Zähne.

Das Mikrobiom ist individuell

Bei der Erforschung des Mikrobioms wird mehr und mehr deutlich, dass jeder Mensch ein individuelles Mikrobiom hat und dass auch dessen Reaktion auf Nährstoffe sehr unterschiedlich ist. Deshalb fällt es auch so schwer zu definieren, wie ein optimales Mikrobiom aussehen sollte. Interessanterweise aber stimmen viele der im Enddarm lebenden Bakterienarten bei den meisten Menschen überein.

Die Besiedlung des Darms mit Mikroben beginnt unmittelbar bei der Geburt. Studien bei Primaten zeigen, dass die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft einen Einfluss auf das Mikrobiom der Kinder hat. Auch die Art der Geburt spielt eine Rolle, ob ein Kind mit einem Kaiserschnitt oder durch eine natürliche Entbindung zur Welt gekommen ist. Die natürliche Entbindung ist besser, und auch das Stillen hat einen positiven Einfluss. Im ersten Lebensjahr sind in den Stuhlproben von Mutter und Kind rund zur Hälfte die gleichen Stämme von Mikroorganismen vorhanden. Im permanenten Austausch mit Bakterien der näheren Umgebung – vor allem durch die Nahrung – entwickelt sich das Mikrobiom der Kinder bis zum Alter von etwa zwei bis drei Jahren stetig weiter und ähnelt dann bereits dem eines Erwachsenen. Die Gemeinsamkeiten des Mikrobioms von Mutter und Kind gehen nach drei Jahren auf etwa 25 Prozent zurück. Danach stabilisieren sich die Verhältnisse mit einer Übereinstimmung von 19 Prozent im Alter von 18 Jahren. Gewisse Gemeinsamkeiten halten sich aber, selbst wenn die Kinder nicht mehr zu Hause wohnen. Sie betragen im Alter von 30 Jahren noch 14 Prozent und sind selbst bei älteren Erwachsenen noch nachweisbar. Die Kinder werden von der Mutter offenbar lebenslang geprägt, wobei die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten eine Rolle spielen, die in einer Familie über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Es spricht vieles dafür, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms nicht stark vererbt wird. Der Lebensstil und die Nähe zwischen Menschen haben eine Bedeutung. Menschen, die unter einem Dach wohnen – gleichgültig, ob sie eine Familie oder WG-Partner sind –, weisen auch Gemeinsamkeiten im Mikrobiom auf. In einer Studie, veröffentlich 2023 im Fachblatt Nature, wurde sogar Gemeinsamkeiten zu Nachbarn und Bewohnern derselben Ortschaft deutlich. Selbst Städte haben »eigene« Mikrobiome!

Diese Forschungsergebnisse haben eine hohe Bedeutung für uns. Sie zeigen, dass unsere Lebensumstände wesentlich dazu beitragen, wie es in unserem Bauch aussieht. Und sie zeigen, dass wir selbst viel dazu beitragen können, gesund zu bleiben. Besonders wichtig sind für die lebenslange Prägung des Mikrobioms die ersten zwei bis drei Lebensjahre. Deswegen sollten auch in dieser Zeit keine übertriebene Hygiene oder ein zu leichtfertiger Einsatz von Antibiotika erfolgen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich niemand mehr um sein Mikrobiom bemühen sollte, weil es schon im Kleinkindalter definiert wird. Im Gegenteil: Im Mikrobiom herrschen dynamische Verhältnisse. Veränderungen und Verschiebungen sind grundsätzlich lebenslang möglich, sie benötigen in der Regel drei bis sechs Monate. Bei deutlichen Ernährungsumstellungen – wenn zum Beispiel ein leidenschaftlicher Fleischesser zum Vegetarier wird – kann dieser Wandel auch schneller gehen. Das bedeutet, dass wir das Schicksal unseres Mikrobioms letztlich zum größeren Teil in unserer Hand haben.

Das Altern unseres Immunsystems

Falten und graue Haare machen uns in der Regel nicht froh, aber sie sind medizinisch ohne Bedeutung. Eine der gefährlicheren Folgen des Älterwerdens ist aber die Immunoseneszenz, das Altern unseres Immunsystems. Wenn das Immunsystem immer mehr schwächelt, werden wir anfälliger für lebensbedrohliche Lungenentzündungen oder andere schwere Infekte. Auch die Wirksamkeit von Impfungen reduziert sich. Einige Studien konnten zeigen, dass die Ernährung einen großen Einfluss auf die Alterung des Immunsystems ausübt, vor allem der Verzehr von Gemüse und Obst. Dabei hat das Mikrobiom wieder einmal eine große Bedeutung. Grundsätzlich verändert sich auch das Mikrobiom mit dem Alter. Vor allem die Biodiversität nimmt ab. Studien an Supercentenarians, also Menschen, die 110 Jahre und älter waren, zeigten, dass diese eine auffallend gut erhaltene Artenvielfalt aufweisen. Zudem fiel den Forschern auf, dass diese gesunden Methusalems häufiger Bakterien wie Bifidus, Akkermansia oder Christensenellaceae in ihrem Darm beherbergen und reichlich kurzkettige Fettsäuren produzieren. Ob das nun aber die Henne oder das Ei ist, lässt sich derzeit nicht sagen. Jedenfalls essen diese sehr gesunden alten Menschen mikrobiom-freundlich. Zahlreiche Unternehmen forschen weltweit zu den Effekten von Probiotika, Präparaten oder Nahrungsmittel mit lebensfähigen Mikroorganismen, zum Beispiel Milchsäurebakterien und Hefen, um das Mikrobiom zu verändern. Man darf gespannt sein, ob sich hieraus irgendwann einmal eine echte Anti-Aging-Pille entwickeln wird.

Dick durch Bakterien

Die Mikrobiom-Forschung hat ein ehernes Gesetz der Ernährungswissenschaft infrage gestellt. »Eine Kalorie ist eine Kalorie«, so lautete viele Jahrzehnte lang ein Lehrsatz. Esse ich mehr Kilokalorien, als ich verbrauche, werde ich dick. Inzwischen ist bekannt, dass übergewichtige Menschen ein andersartiges Mikrobiom besitzen als durchschnittlich gewichtige, es zieht mehr Energie aus der Nahrung. Den Beweis erbrachten 2023 Forscher um Steven Smith von der Arizona State University. Sie gaben Studienteilnehmern unter strenger Kontrolle über elf Tage lang zwei unterschiedliche Kostformen, die die identische Menge Kilokalorien enthielten. Der Unterschied: Einmal war die Ernährung unfreundlich und einmal günstig für das Mikrobiom. Die gesunde Variante bestand vorwiegend aus Ballaststoffen, resistenter Stärke und nicht zu fein gemahlenem und püriertem Essen. Das Ergebnis war frappierend: Bei der mikrobiom-freundlichen Kost blieben im Schnitt 116 Kilokalorien mehr im Stuhlgang zurück. Das hatte zwei Ursachen: Einige Kilokalorien wurden wohl in den groben Ballaststoffen für den Dünndarm nicht entdeckt. Zudem stieg die Anzahl von günstigen Bakterien, die die Nahrung fermentieren, also umwandeln.

Das heißt, dass eine Kilokalorie tatsächlich nicht immer eine Kilokalorie ist, sobald sie in den Darm wandert. Dies erklärt auch, dass laut einiger Studien übergewichtige Patienten mit einer niedrigen Darmbakterienvielfalt und ungünstigeren Bakterienarten schlechter auf kalorienreduzierte Diäten ansprechen. So konnte nachgewiesen werden, dass adipöse Menschen eine geringere Biodiversität als schlanke Menschen haben. Wissenschaftler machten an Mäusen eine erstaunliche Entdeckung: Sie übertrugen den Stuhl dicker, übergewichtiger Mäuse auf dünne Mäuse und stellten fest, dass die Dünnlinge plötzlich fett wurden, ohne dass deren Ernährung geändert wurde. Die Vermutung: Die Zusammensetzung des Mikrobioms kann einen entscheidenden Einfluss auf die Futterverwertung haben. Einige Bakterien sind zudem in der Lage, mit eigenen Enzymen unverdauliche Ballaststoffe in Zucker und Fettsäuren umzuwandeln, die der Körper dann aufsaugt. Die Folge ist, dass mehr Energie aus der Nahrung gezogen wird, besonders gilt dies für Kohlenhydrate.

Die »Ausrede« vieler dicker Menschen, sie könnten nichts für ihre überflüssigen Pfunde, sie seien eben gute Futterverwerter, ist also nicht ganz falsch. Dafür sind aber nicht die Hormone oder irgendwelche Drüsen verantwortlich, wie man früher vermutete. Es ist nicht naturgegeben, was die Mikroorganismen im Darm aus der Nahrung machen. Wir können selbst einiges dazu beitragen, dass unser Darm bestens funktioniert. Für unsere Gesundheit gilt die Formel: Entscheidend ist, was wir essen, wie wir essen und was unsere Darmbakterien daraus machen.

Wie wichtig das Mikrobiom ist und wie stark es leidet, wenn wir ungesund leben, konnten Forscher am Weizmann-Institut in Rechovot, Israel, aufzeigen. Sie fanden heraus, dass das Mikrobiom einen eigenen Biorhythmus besitzt. Ihr Tag-Nacht-Rhythmus wird durch den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme bestimmt. Das könnte einer der Gründe für die positive Wirkung desIntervallfastens sein. Ich gehe davon aus, dass sich unsere innere Uhr durch das Fasten beruhigt und das zum Abschmelzen des Körpergewichts beiträgt. Und die Ergebnisse der israelischen Wissenschaftler können auch erklären, warum etwa Schichtarbeit oder ein Jetlag unsere Verdauung durcheinanderbringen.

Daran schließt sich die Frage an, wie belastbar das Mikrobiom ist. Was tun wir ihm im Urlaub oder an den Wochenenden an, wenn wir beim Essen oder Trinken womöglich über die Stränge schlagen? Schadet es, wenn man sich mal ein paar Tage nur von Junkfood, Limo und alkoholischen Getränken ernährt? Die Antwort ist eindeutig: leider Ja. Bei extremen Ausschweifungen – sich beispielsweise eine Woche lang fast nur von Chicken Nuggets, Burger, Schnitzel oder Fritten zu ernähren –, bekommt das Mikrobiom tatsächlich Probleme. Zwar ist es ziemlich widerstandsfähig, es besitzt die Fähigkeit, sich zu erholen. Dazu muss es aber vor den Exzessen stabil gewesen sein, und man sollte die »Challenge«, die man ihm zumutet, nicht übertreiben. Wir können uns das Mikrobiom wie eine gespannte Feder vorstellen: Wird sie zu oft und zu lange gedehnt, leiert sie irgendwann aus.

Da das Mikrobiom ein komplexes Gebilde ist, ist es momentan noch schwierig zu diagnostizieren, was die konkreten Ursachen für bestimmte Beschwerden sind. Erst recht ist es herausfordernd, die richtige Therapie abzuleiten, wenn es ihm fühlbar nicht gut geht. Sucht man heute eine Apotheke auf, hat man beim Anblick der unzähligen Probiotika-Packungen – meist haben sie ein »flora«, »bio« oder »biotic« im Namen – den Eindruck, dass diese gezielt gegen fast alle Krankheiten eingesetzt werden können. Die Studienlage ist aber sehr schmal, und viele der angepriesenen Wirkungen sind noch reine Mutmaßungen – unterstützt vor allem durch ein lautes Marketing. Stellen wir uns das Mikrobiom erneut als großen Dschungel mit Billionen von Mikroorganismen und mehr als tausend Spezies vor, so wird deutlich, dass die bloße Gabe von ein paar Bakterienstämmen eher ein niedlicher Therapieansatz bleiben muss. Der entscheidende Punkt ist, wie man Bakterien dazu bringt, sich dauerhaft bei uns im Bauch anzusiedeln. Sie dürfen nicht nur als Durchreisende kurz im Darm auftauchen, um dann wieder zu verschwinden.

Sicher ist, dass die Zahl der Erkrankungen, bei denen die Behandlung mit Probiotika erfolgreich ist, wachsen wird. Mögliche Indikationen sind schon heute Darmentzündungen, das Reizdarmsyndrom, Durchfallerkrankungen, Verstopfung, Allergien. Spannend sind erste Ergebnisse zu den Wirkungen von Probiotika bei Erkältungen und Infekten. Aber es wird wohl noch eine Weile dauern, bis man herausgefunden hat, wie präzise Krankheiten nachhaltig behandelt oder vorgebeugt werden können, indem wir Bakterien verabreichen.

Nochmals zu den Löchern im Darm. Die Darmwand kann man sich wie einen verschlossenen Mund vorstellen, durch den nichts dringt. Die Zwischenräume zwischen den Zähnen, um im Bild zu bleiben, sind mit einer Art Reißverschlusssystem geschlossen. Sie werden durch Proteinmoleküle gebildet, den schon erwähnten Tight Junctions. Wie der Mund lässt sich der Darm bei Bedarf öffnen, ohne dass wir allerdings etwas davon mitbekommen. Türöffner ist ein Protein namens Zonulin, es wird von den Darmepithelzellen produziert und kann im Stuhl gemessen werden. Pflanzenstoffe wie Flavonoide in Obst und Beeren unterstützen die gute Funktion dieser Darmbarriere. Zusatzstoffe in Industrie-Essen, Medikamente wie Antibiotika, Schmerzmittel oder Alkohol, größere Mengen an Fruktose und Zucker, aber auch Konservierungsstoffe schaden ihr.

Muten wir unserem Darm zu viel zu, lösen sich die Tight Junctions zwischen den Zellen zu weit auf, die Barriere der Darmschleimhaut leckt, sie wird undicht. Es entsteht ein Leaky Gut, ein »löchriger« Darm, durch den Krankheitserreger wie Viren, Bakterien und Pilze, Giftstoffe und Abfallprodukte der Darmbakterien dann ins Blut gelangen können. So können auch giftige Stoffe – Endotoxine – aus der Hülle abgestorbener Bakterien ins Blut und von dort aus ins Binde- und Fettgewebe gelangen und dort Entzündungen auslösen. Das kann schon nach einer Mahlzeit mit viel gesättigten Fetten der Fall sein. Noch vor wenigen Jahren haben Wissenschaftler die Existenz des Leaky Gut infrage gestellt. Inzwischen ist die Existenz dieser Löcher hinreichend belegt, zunächst durch Bluttests. Seit einiger Zeit werden nun auch mit einer faszinierenden neuen Technik, der konfokalen Laserendoskopie (CLE), bei einer Spiegelung des Darms Löcher in der Wand sichtbar. Dazu spritzt man ein Kontrastmittel. Bei einer intakten Darmepithelbarriere tritt kein Kontrastmittel in den Dünndarm über.

Die neue Technik hilft auch der Frage auf den Grund zu gehen, ob bei Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln – etwa auf Kuhmilch oder Weizen – die Darmschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen wird. Besteht eine Unverträglichkeit, sehen wir in der Tat den Austritt der Kontrastmittel in den Darm. Natürlich ist diese Technik noch zu aufwendig und belastend, um alle Lebensmittel durchzutesten, aber sie hat die Existenz des Leaky Gut gesichert. Und sie ist heute schon bei der Diagnostik eines Reizdarmsyndroms hilfreich. Wahrscheinlich hängt auch die müde machende Wirkung schwer verträglicher Mahlzeiten (»Suppenkoma«) mit einer undichten Darmbarriere zusammen. Toxische Substanzen und Bakterienteile können ins Blut übertreten und Menschen schlapp machen. Mit dem Einsatz der Laser-Endoskopie kann vielleicht in Zukunft vielen Betroffenen geholfen werden.

Quintessenz: der Darm

Der Darm freut sich über gesunde, besonders pflanzliche Nahrung. Versuchen Sie divers zu essen, nehmen Sie sich vor, pro Woche 30 unterschiedliche Pflanzensorten zu essen. Kaufen Sie nach der Regenbogen-Formel ein, also farbenfroh, von Rot, Orange, Gelb, Grün bis hin zu Violett. Die Farben weisen auf einen hohen Gehalt von Polyphenolen hin. Diese Abwehrstoffe der Pflanzen sind bestes Futter für gute Bakterien.

Bitterstoffe, Gewürze und Nüsse sind ideal für den Darm und die Verdauung, weiterhin Sauerkraut, Kimchi, Joghurt (auch vegan), Sauerteigbrot, Tempeh, reifer Käse, kalte Kartoffeln und Nudelsalat, saure Gurken (wobei die meisten Gurken im Glas heute nicht fermentiert, sondern nur mit Essig versetzt sind).

Schützen Sie den Darm vor Gift. Damit sind in erster Linie das Industrie-Essen, hochverarbeitete Lebensmittel und Fertiggerichte gemeint. Diese gehören ebenso wenig auf den Teller wie Wurst und belasteter Fisch.

Verzichten Sie auf Süßstoffe, und denken Sie daran, dass Alkohol dem Mikrobiom schadet. Der Darm ist eine gut funktionierende Maschine, aber auch er braucht mal eine Pause. Versuchen Sie deshalb zu fasten – und wenn es nur für einige Stunden ist.

So stärken wir unsere Leber, das wichtigste Organ für ein kraftvolles Leben

Während der Darm und seine Bedeutung heute medizinisch in einem helleren Licht erstrahlen als noch vor zehn Jahren, arbeitet ein anderes Organ weiterhin unermüdlich im Dienste unserer Gesundheit – und leider im Schatten unseres Bewusstseins. Gibt es für Herzen Schrittmacher, für Nieren die Ersatztherapie mittels Dialyse und lassen sich Lungen zumindest für eine begrenzte Zeit beatmen, so sind die Möglichkeiten, das Organ aufzupeppen, bei der Leber begrenzt. Bei Leberversagen müssen die Betroffenen auf ein Spenderorgan für eine Transplantation hoffen.

Möchte man die Leistung der Leber angemessen würdigen, so ist sie das wahre Wunderwerk unseres Körpers: ein Hidden Champion. Sie ist vieles zugleich: zentrales Organ für den Stoffwechsel, Energiereaktor, Entgiftungszentrale und eine Art Warenumschlagplatz für die gesamte Körperchemie. Dabei produziert sie unablässig lebenswichtige Proteine wie Hormone, Enzyme, Transportproteine für Nährstoffe und zudem täglich fast einen Liter Gallenflüssigkeit, die für die Aufnahme und Verdauung von Fetten und Vitaminen aus dem Darm notwendig ist. Die Leber ist mit einem Gewicht von 1,5 bis zwei Kilogramm auch die größte Drüse des menschlichen Körpers.

Vor allem verarbeitet, verwertet und speichert die Leber die Nährstoffe aus dem Darm. Es ist immer noch ein großes Rätsel, wie sie all diese Stoffwechsel- und Energieprozesse steuert und organisiert. Unzählige Signalmoleküle und Rezeptoren stimmen sich offenbar sekündlich ab, ohne dass wir davon etwas mitbekommen. Es ist eine großartige Leistung der Leber, dass wir von all diesen Vorgängen nichts spüren. Die rackert und rackert und quält uns nicht mit Schmerzen – von einer Ausnahme abgesehen, wenn die Leberkapsel stark gedehnt wird. Selbst wenn sie erkrankt ist, spüren wir lediglich einen erheblichen Vitalitätsverlust. Sprichwörtlich heißt es daher: »Die Müdigkeit ist der Schmerz der Leber.«

Es gibt einen spannenden Bezug zur Sichtweise der antiken medizinischen Lehren und deren Ärzte auf die Leber. Sowohl in der antiken Medizin der Griechen und Römer als auch in der traditionellen chinesischen und indischen Medizin werden Lebererkrankungen mit psychischen Beschwerden in Verbindung gebracht. Lebererkrankungen sollen demnach reizbar machen, ärgerlich, sogar cholerisch. Das Wort »cholerisch« stammt vom griechischen Wort für Galle (cholé). Der Volksmund hat auch hier Formulierungen gefunden: »Es kommt einem die Galle hoch.« Oder: »Dem ist wohl eine Laus über die Leber gelaufen.« Zusammenhänge von Lebererkrankungen und psychischem Unwohlsein sind nach heutigen Erkenntnisstandards nicht belegt, aber da Erkrankungen der Leber müde machen und Müdigkeit in der Regel Reizbarkeit und Unausgeglichenheit zur Folge haben, gibt es doch eine naheliegende Verbindung. Aus meiner Erfahrung heraus sind Menschen mit Lebererkrankungen überdurchschnittlich häufig emotional belastet und tatsächlich oft überspannt und gereizt.

Die neue Volkskrankheit – wie eine Fettleber entsteht

Als ich mit meiner internistischen Tätigkeit begann, war die häufigste Lebererkrankung die virale Leberentzündung, die Hepatitis. Es gibt verschiedene Formen der Hepatitis, die mit den Buchstaben A bis E versehen sind. Es sind ernste Erkrankungen, aber glücklicherweise konnten in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte in der medikamentösen Behandlung der Hepatitis gemacht werden. Dazu kommt die Prävention durch die Schutzimpfungen, für mich sind die medizinischen Fortschritte bei Leberentzündungen ein gutes Beispiel für den Erfolg der modernen Medizin.

Man könnte also meinen, der Leber, diesem überragenden Organ unseres Körpers, würde es immer besser gehen, gesundet am wissenschaftlichen Fortschritt. Aber im Schatten dieses Erfolgs ist im Laufe der Jahre eine andere Bedrohung zur Volkskrankheit geworden – die Fettleber. Die Fettleber ist eine Folge von Über- und Fehlernährung, von zu hohem Alkoholkonsum, manchmal auch von Medikamenten. Inzwischen sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung in Deutschland betroffen. Dachte man früher noch, dass die Fettleber nur eine unwichtige Nebendiagnose bei der Ultraschalluntersuchung des Bauchraums darstellt, so steht heute fest, dass die Fettleber sehr wohl ein ernst zu nehmender medizinischer Befund ist.

Denn aus der Fettleber entwickelt sich häufig, sofern keine Besserung eintritt, eine Fettleberentzündung und schließlich eine Leberzirrhose. Das Problem ist gewichtig, denn bis heute gibt es keine Medikamente gegen eine Fettleber. So drängt sich die Frage auf: Wie können wir uns besser um unsere Leber kümmern?

Die gute Nachricht ist, dass die Leber unser Organ ist, das sich am besten von Schädigungen erholen kann. Sie hat ein geradezu fantastisches Potenzial, sich zu regenerieren. Die einfachste Möglichkeit, einer Fettleber vorzubeugen, ist es natürlich, Extreme beim Essen und Trinken zu meiden.

Zur Linderung des Problems sind Kreuzfahrten jedenfalls nicht empfehlenswert. Berühmt wurde die Studie der Arbeitsgruppe des US-amerikanischen Endokrinologen und Diabetologen Guenther Boden, unter Wissenschaftlern wird sie auch die AIDA-Studie genannt. Die Forscher gaben Probanden eine Woche lang jeden Tag 6000 Kilokalorien einer ungesunden »Western Diet« zu essen. Das sind rund zweieinhalbmal so viel Kilokalorien wie die Standardempfehlungen vorgeben. Doch wer einmal auf einem Kreuzfahrtschiff gereist ist, wird wissen, dass solche extensiven Nahrungsaufnahmen durchaus vorkommen. Und das betrifft nicht nur sämtliche All-you-can-eat-Angebote, mit denen auch einige Restaurants werben. Bei der Studie von Boden und seinem Team hatte das exzessive Essen nachhaltige Folgen für die Gesundheit der Teilnehmer. Sie nahmen im Schnitt 3,5 Kilogramm zu und es zeichnete sich bereits die erste Stufe eines Diabetes mellitus ab, der wichtigsten Ursache einer Fettleber.

Weiterhin nicht gut für die Leber ist der längere Besuch von Rockfestivals. So untersuchten dänische Forscher den Stoffwechsel von 14 Besuchern des berühmten Roskilde Festivals auf der Insel Seeland. Sie fassten die Ernährungsform der jungen Erwachsenen während des Festivals folgendermaßen zusammen: eine Woche lang Fast Food und Alkoholtrinken. Es war wenig verwunderlich, dass das schlechte Essen und das exzessive Trinken der Gesundheit der Untersuchten nicht bekömmlich waren. Aber die Schnelligkeit, mit der es zu gesundheitlichen Schädigungen kam, überraschte die Experten. Nach der Festivalwoche verschlechterte sich die Insulinfunktion bei fast allen Probanden. Bei vier der 14 Festivalbesuchern sah man im Ultraschall bereits Anzeichen einer Fettleber.

Die Leber reagiert auf zu viel Gift und zu viel ungesundes Essen mit Größenwachstum und Einlagerung von Fett. Daraus wird dann die Fettleber, die im Ultraschall vergrößert ist und viel heller als gesundes Lebergewebe erscheint. Das Tröstliche aber ist, dass sich dieser Prozess der Verfettung wieder umkehren kann. Niemand muss also bei der Erstdiagnose wegen des Befunds verzweifeln. Auch nicht angesichts der Tatsache, dass es bisher kein Medikament gibt, das uns dabei hilft, das krank machende Fett wieder abschmelzen zu lassen. In diesem Fall sind wir auf uns selbst angewiesen: Die Leber kann in kurzer Zeit wieder vollständig gesund werden, vor allem durch Fasten, eine Umstellung der Ernährung und des Lebensstils. Diese Regeneration sehen wir quasi im Stundentakt beim Heilfasten, ebenso, wenn auch etwas weniger stark ausgeprägt, bei speziellen Leberdiäten (siehe S. →ff.).

Selbstverständlich sollte es das Ziel sein, eine Fettleber gar nicht erst entstehen zu lassen. Schaffen Sie es, eine vollwertige pflanzenbetonte Ernährung mit nicht zu viel Zucker zu sich zu nehmen und nicht oder nur ganz wenig Alkohol, Softdrinks und Limonaden zu trinken, wird es recht unwahrscheinlich, dass Ihr Arzt beim Ultraschall das unsympathische Wort Fettleber in den Mund nehmen muss.

Wie wir unsere Leber schützen und heilen können

Die Leber ist also eines unserer wichtigsten Organe, auf das wir Rücksicht nehmen können, indem wir uns gut ernähren. Es gibt zudem etliche Methoden, um das Organ vor der Wandlung in eine Fettleber zu schützen.