Mit Ernährung heilen - Prof. Dr. Andreas Michalsen - E-Book

Mit Ernährung heilen E-Book

Prof. Dr. Andreas Michalsen

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Beschreibung

Andreas Michalsen, Chefarzt für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin und Professor der Charité Berlin, schreibt auf dem neusten Stand der Forschung über gesunde Ernährung, Heilfasten und Intervallfasten. Indem er die Fakten mit dem Wissen aus seiner langjährigen Erfahrung verbindet, sensibilisiert er uns und schafft ein neues Bewusstsein für eine gesunde Ernährung und einfaches Fasten. Essen und Fasten gehören zusammen und sind hochwirksam in der Vorbeugung und Behandlung von chronischen Erkrankungen. Es werden außerordentliche Heilungserfolge erzielt und unsere Selbstheilungskräfte entscheidend gestärkt.

Die neuesten Erkenntnisse aus Praxis und Forschung und das Wissen über die Evolutionsgeschichte, den Darm und den Stoffwechsel.

Mit vielen Patientengeschichten und erfolgreichen Therapieprogrammen für die Behandlung der häufigsten chronischen Erkrankungen.

Warum alle Diäten gescheitert sind und wie wir endlich klug und gesund abnehmen können.

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Seitenzahl: 464

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PROF. DR. ANDREAS MICHALSEN

MIT ERNÄHRUNG HEILEN

Besser essen. Einfach fasten. Länger leben.

Unter Mitarbeit von Dr. Suzann Kirschner-Brouns

Herausgegeben von Friedrich-Karl Sandmann

Insel Verlag

Inhalt

Diese kurze Übersicht zeigt denInhalt desBuches; eindetailliertes Verzeichnis finden Sie jeweils zu Beginn der Kapitel.

Mit Ernährung heilenVorwort

Die Evolution, der Darm und der StoffwechselDie Erfolgsgeschichte des Menschen und der Irrweg unserer Ernährung

•Den natürlichen und gesunden Rhythmus wiederentdecken

•Fasten ist fest in unserer Kultur verankert

•Wie die Nährstoffe in die Zellen kommen

•Ein kluger Schutzmechanismus der Evolution

Besser essen, gesünder lebenNeues Bewusstsein für die Ernährung

•Die gesündesten Orte der Welt

•Die mediterrane Ernährung

•Die großen Nährstoffgruppen und ihre Lebensmittel

•Essen als Heilmittel und meine Superfoods

Einfach fasten, länger lebenHeilfasten, Scheinfasten, Intervallfasten

•Warum das Fasten für uns so bedeutsam ist

•Wie Fasten die Selbstheilung aktiviert

•Die Reaktionen des Körpers auf Essen und Fasten

•Die heilende und vorbeugende Wirkung des Fastens

Mit Ernährung und Fasten heilenMein Therapieprogramm für ein gesundes Leben

•Warum alle Diäten gescheitert sind

•Meine Therapien bei chronischen Erkrankungen

•Krebserkrankungen durch Ernährung und Fasten vorbeugen

•Neues Wissen aus der Altersforschung

Index

Literaturauswahl

Vorwort

Seit zehn Jahren bin ich als Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und als Professor für klinische Naturheilkunde der Charité tätig – und Ernährung hat für mich heute, auch in der eigenen Familie, den höchsten Stellenwert. Das war aber nicht immer so. Obwohl ich durch mein Elternhaus und besonders durch meinen Vater, der selbst naturheilkundlich orientierter Arzt war, erfahren habe, dass gesunde Ernährung ein Teil der Medizin ist, ernährte ich mich in meiner Zeit als Assistenzarzt und während vieler Nächte im Schichtdienst auf der Intensivstation, in der Feuerwehrzentrale oder zwischen Einsätzen mit dem Notarztwagen bedenkenlos von Fast Food, viel Süßem – und ich rauchte. Gemüse oder Salat standen nur selten auf meinem Ernährungsplan, es musste immer schnell gehen und einfach nur satt machen. Die Quittung folgte, als mir mit Anfang 30 die betriebsärztliche Untersuchung erhöhten Blutdruck und deutlich erhöhte Blutfettwerte attestierte. Die Kollegin ermahnte mich damals, etwas an meinem Lebensstil zu ändern. Ich nahm mir das tatsächlich zu Herzen, sah ich doch bei meiner täglichen Arbeit mit vielen Patienten, die einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten, was die Folgen einer ungesunden Ernährung und eines ungesundes Lebensstils sein konnten und dass es eigentlich darum gehen müsste, zu erforschen und zu vermitteln, wie man sich mit der richtigen Ernährung früher vor Krankheiten schützen kann. Ich selbst begann, mich mediterran zu ernähren, gab das Rauchen auf – und ein halbes Jahr später waren meine Blutdruck-, Cholesterin- und Triglycerid-Werte wieder normal.

In meiner damaligen internistischen Abteilung richtete ich meinen klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkt danach aus und entwickelte spezielle Patientenprogramme für Lebensstil, um präventiv gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzugehen. Schließlich wechselte ich in das Fach der Naturheilkunde und lernte staunend, was sich mit einer Ernährungsumstellung, aber auch durch das Heilfasten für beeindruckende gesundheitliche Resultate erzielen lassen. Ich untersuchte die Effekte des Fastens und von gesunder Ernährung in klinischen Studien und wollte die Ursachen ihrer gesunden Wirkung verstehen. Im Jahr 2008 gelangten die Alters- und Anti-Aging-Forscher der renommierten US-amerikanischen Universitäten zu der Erkenntnis, dass es kein einziges Medikament und keine einzelne medizinische Maßnahme gibt, die ein gesundes, langes Leben versprechen, sondern nur eine Möglichkeit: zu fasten! Ich nahm Kontakt mit diesen Wissenschaftlern und zu Fasten-Forschern weltweit auf. Es entwickelte sich ein fruchtbarer Austausch mit den Kollegen und eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung rund um die Frage: Wie kommt es dazu, dass Fasten im Laborversuch auf so einzigartige Weise das Leben zu verlängern in der Lage ist?

Als ich die Fakten mit meinem Wissen und meiner Erfahrung zur gesunden Ernährung zusammenbrachte, erkannte ich, dass Fasten und Ernährung an den gleichen Schnittstellen im Körper arbeiten, dieselben Mechanismen bedienen und wie Schlüssel und Schloss zusammenpassen! Durch regelmäßiges Heilfasten, Intervallfasten und eine betont pflanzliche Ernährung mit wenig verarbeiteten Lebensmitteln können wir so tatsächlich den meisten chronischen Erkrankungen vorbeugen und gezielt gegensteuern. Fasten und Essen ergänzen sich ideal. Die beeindruckenden Erkenntnisse und die Heilungserfolge an Tausenden von Patienten der Fasten-Forschung legen nahe, dass die Kombination aus regelmäßigem Fasten und gesundem Essen das Beste ist, was wir unserem Körper geben können.

Es muss also darum gehen, das, was wir essen, wann und wie oft wir essen mit unserem biologischen Programm, unseren uralten Genen und unserem Stoffwechselprogramm wieder in Einklang zu bringen.

Die Idee hinter diesem Buch ist, Ihnen verständlich zu zeigen, wie Sie besser essen und einfach und richtig fasten können, um den Jahren nicht nur mehr Leben(squalität) und Gesundheit zu geben, sondern womöglich auch dem Leben mehr Jahre. Ich möchte Ihren Blick schärfen für eine kluge und gesunde Ernährungsweise, die entscheidend ist für den Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit. Ich möchte aufklären, indem ich Sie mitnehme auf eine Reise zu unseren Ursprüngen, unseren uralten Genen, die uns bis heute ausmachen; ich stelle Ihnen die gesündesten Orte der Welt vor, an denen Menschen leben, die sich seit Generationen ursprünglich und traditionell ernähren und damit gesund älter werden als irgendwo sonst; ich erkläre unser Stoffwechselsystem und den Sitz des Immunsystems, das Mikrobiom (Darmflora), und zeige, wie entscheidend es für unsere Gesundheit ist und wie Sie es mit der richtigen Ernährung unterstützen können; ich stelle die großen Nährstoffgruppen und die Lebensmittel vor, die diese enthalten, und gehe den vielen Unsicherheiten und Missverständnissen nach, die sich um sie herum entsponnen haben: Fette, Proteine und Kohlenhydrate.

Im zweiten Teil des Buches erfahren Sie alles Wichtige zum großen Thema Fasten, die verschiedenen Methoden – Heilfasten, Scheinfasten, Intervallfasten – und bei welcher Erkrankung welches Fasten hilft. Welcher Fastentyp Sie sind und wie man seine Entlastungs- und Fastentage richtig gestaltet und eine Fastensuppe kocht, erfahren Sie im praktischen Teil. Im letzten Kapitel folgen meine zusammengefassten Empfehlungen und entwickelten Therapien für die häufigsten Erkrankungen, die sich mit der Kombination aus gesunder Ernährung und einfachem Fasten hochwirksam beeinflussen lassen.

Ich möchte Sie nicht nur davon überzeugen, sich mit Ihrer Ernährung und damit mit Ihrer Gesundheit zu beschäftigen, sondern Ihnen auch das Rüstzeug an die Hand geben, damit Sie sich aktiv selbst um Ihre Gesundheit kümmern können – denn Sie haben sie in der Hand!

Verlassen Sie sich nicht auf die Medizin, die Symptome bekämpft, sondern nehmen Sie sich selbst der Ursachen an. Denn: 70 Prozent der chronischen Erkrankungen, an denen wir mit zunehmendem Alter leiden, haben ihre Ursache auch in falscher Ernährung. Die Langzeitstudie »Global Burden of Disease« hat inzwischen gezeigt, dass die Bedeutung der Gene und der medizinischen Versorgung für die Gesundheit weniger wichtig sind, als wir denken, und dass die Ernährung und der Lebensstil für die meisten chronischen Erkrankungen maßgeblich sind. Schon im alten Griechenland wurde von Hippokrates, dem Urvater der Medizin, und seiner Schule die Ernährung und die díaita, die Heilung durch die Lebensweise, ins Zentrum jedweder Therapie gestellt. Die heutige kostenintensive und medikamentöse Medizin weiß um diese Zusammenhänge, schenkt ihnen aber kaum Beachtung: Für Bluthochdruck werden Blutdrucksenker, für Diabetes Antidiabetika, für Entzündungen Entzündungshemmer und für erhöhte Blutfette Fettsenker verschrieben. Und starkes Übergewicht wird immer öfter mit einer operativen Magenverkleinerung angegangen.

Krankheiten dagegen mit Ernährung und Fasten gegenzusteuern und vorzubeugen kostet wenig – und ist hocheffektiv für Ihre Gesundheit. Das Fasten sollte wieder einen festen Platz in unserem Leben haben. Seit ich die Fasten-Forscher getroffen habe und in Indien auch die ethische Dimension von Ernährung kennengelernt habe, habe ich übrigens beschlossen, mich komplett vegetarisch zu ernähren – einerseits aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, weil ich davon überzeugt bin, dass es die Ernährung der Zukunft für unseren Planeten ist.

Ernährung ist vieles: unsere körperliche Lebensgrundlage, Kultur, Genuss, aber auch Gewohnheit und unter Umständen Sucht. Sie kann im Körper so vieles bewirken, und wenn wir sie richtig zu nutzen wissen, ist sie reinste Medizin und Genuss zusammen – und damit das beste Mittel, um lange und gesund zu leben.

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen

Die Evolution, der Darm und der Stoffwechsel Die Erfolgsgeschichte des Menschen und der Irrweg unserer Ernährung

Den natürlichen und gesunden Rhythmus wiederentdecken

Fasten ist fest in unserer Kultur verankert

Darm und Stoffwechsel – wie die Nährstoffe in die Zellen kommen

Den natürlichen und gesunden Rhythmus wiederentdecken

Bis vor etwa 10000 Jahren zogen unsere Ahnen als Jäger und Sammler ohne festen Wohnsitz umher, sie sammelten Beeren, Samen, Wurzeln und Pilze, jagten Hasen oder Büffel. Dabei war die Sammlertätigkeit wichtiger als die der Jagd, denn die Früchte, Samen und Insekten deckten den größten Teil des täglichen Kalorienbedarfs und versorgten den Körper mit Vitaminen und Mineralstoffen. Man vermutet, dass der tägliche Bedarf an Nahrung drei bis sechs Stunden Arbeit in Anspruch nahm. War die Region fruchtbar, wurde man schneller satt.

Durch die Nutzung des Feuers wurden viele Pflanzenbestandteile zusätzlich essbar und erweiterten das Nahrungsspektrum enorm. Die Wissenschaft kann den Zeitraum, ab wann der Mensch in der Lage war, ein Feuer zu entzünden, also zwei bestimmte Steine aneinanderzuschlagen, bis ein Funke entsteht, nicht genau benennen. Wahrscheinlich konnten aber selbst Urmenschen wie der Homo erectus ein natürliches Feuer, das durch Blitzschlag entstanden war, vor rund einer Million Jahren nutzen. Schon damals spielten sie also mit dem Feuer. Durch ein Erhitzen der Pflanzen jedenfalls wurden die in ihnen enthaltenen faserigen Bestandteile aufgelöst, dazu viele Giftstoffe zerstört. Es erscheint daher plausibel, dass ein schonendes Erhitzen die meisten Nahrungsmittel bekömmlicher macht und dies der Gesundheit förderlich ist. Noch heute.

Rohkost

Unter Ernährungsexperten und Naturheilkundlern wird heftig diskutiert, ob Rohkost gesund ist, und wenn ja, in welcher Menge. Tatsache ist, dass das Erhitzen sowie Kauen und Einspeicheln der Nahrung dem Magen-Darm-Trakt einen guten Teil Arbeit abnehmen. Sicherlich hat das Erhitzen vor allem vor Infektionen geschützt und sich daher evolutionär durchgesetzt. Ob wir in Anbetracht der optimalen Lagerungs- und Kühlungsmöglichkeiten, die wir haben, immer noch jedes Lebensmittel erhitzen müssen, ist zu bezweifeln. Interessant ist aber, dass wir für die Verdauung von Rohkost andere Bakterien im Darm benötigen als für gekochte Speisen (siehe Mikrobiom, S.31ff.). Was Rohkost betrifft, so bin ich der Meinung, dass jeder das individuell entscheiden sollte, abhängig von Konstitution, Gesundheit und Verträglichkeit. Wenn der Körper zum Beispiel durch eine Erkrankung geschwächt ist, dann ist meistens auch der Verdauungstrakt in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Fall rate ich Ihnen unbedingt zu Gedünstetem oder Erwärmtem statt zu Rohkost, um Magen und Darm zu entlasten.

Lange Zeit wurde unumstritten angenommen, dass der Verzehr von Fleisch existenziell war für die Größenzunahme des Gehirns und damit entscheidend für die nächsten Schritte menschlicher Weiterentwicklung. Diesen Zusammenhang ließen archäologische Funde in Afrika vermuten. An ihnen konnte nachgewiesen werden, dass das Gehirn an Gewicht just in dem Moment zulegte, als Frühmenschen den afrikanischen Urwald hinter sich ließen und geografisch in steppenartige Regionen umsiedelten. Hatten sie sich zuvor vorwiegend von Pflanzlichem ernährt, mussten sie in ihrer neuen Umgebung auch ihren Speiseplan umstellen. Nun kamen Wüstenhasen oder andere Tiere »auf den Tisch«, denn es fehlten in den eher trockenen Gebieten Früchte tragende Bäume und Sträucher – das wurde lange Zeit gedacht, bis man begriff, dass man einen Denkfehler gemacht hatte: Denn die Regionen, in denen die Frühmenschen zuwanderten und die wir heute als Steppe oder gar Wüste einordnen, waren keineswegs nur karg, sondern zur damaligen Zeit auch von Wald bedeckt. Die Theorie mit dem Fleisch und dem Gehirn ist also nicht mehr ganz schlüssig. Wovon wir auf jeden Fall ausgehen können: Selbst wenn der Urmensch schon ein Allesfresser war, Fleisch stand nur äußerst selten auf seiner Speisekarte.

Die damalige Ernährungsform hat sich evolutionär als ideal erwiesen: Sie war vorwiegend pflanzlich und vor allem vielseitig. Ausgrabungen haben ergeben, dass die Sammler und Jäger der Steinzeit kaum unter einer Mangelernährung litten, größer im Wuchs waren und über eine bessere Gesundheit verfügten als ihre sesshaften Nachfahren. Der damalige Homo sapiens war außerdem höchst flexibel. Kam es zu einer Dürre in seinem Landstrich, zog er weiter; wurde ein Lebensmittel ungenießbar aufgrund eines Schädlingsbefalls, aß er eben etwas anderes. Steinzeitmenschen bildeten aus diesem Grund »die erste Wohlstandsgesellschaft«, wie es oft heißt, denn ihnen ging es erstaunlich gut. Neben ihrer ausgewogenen Nahrung lebten sie in Gemeinschaften ohne größeren Stress – zumindest arbeiteten sie nicht bis zum Burn-out. Außerdem waren sie den ganzen Tag an der frischen Luft und bewegten sich ausreichend.

Was aber nicht bedeutet, dass das Leben in vielerlei Hinsicht nicht beschwerlich genug war, von der medizinischen Versorgung ganz zu schweigen. Dennoch möchte ich den Blick noch einmal explizit auf die Ernährungsgewohnheiten der Sammler und Jäger lenken: zumeist pflanzlich und vielseitig. Das entspricht den traditionellen Ernährungsformen, wie wir sie heute noch in den Gegenden beobachten, in denen die Menschen besonders alt werden und dabei gesund bleiben (siehe Blue Zones, S.44ff.).

Noch ein anderer Aspekt ist hier spannend, nämlich der natürliche Rhythmus, in dem in der Steinzeit die Nahrungsaufnahme stattfand. Die Natur gab vor, was und zu welcher Zeit gegessen wurde. Fand man einen Strauch voller Beeren, schlug man sich den Bauch voll; erlegte man ein Tier, wurde es direkt verzehrt, denn die Kühltruhe existierte noch nicht. Gab das Areal nichts mehr her, zog man weiter, und mitunter musste man tagelang ohne Nahrung auskommen. Mit Sonnenuntergang war sowieso Schluss mit Essen, bei Dunkelheit legte man sich schlafen. Nach Sonnenaufgang stand nicht gleich das Frühstück in Gestalt von Müsli parat, sondern man musste sich erst einmal aufraffen, um es sich zu beschaffen. Der Weg zur nächsten Nahrungsquelle war im Zweifel weit entfernt und beschwerlich. Wobei: Im Sommer dürften die Vorräte der Natur reichhaltiger gewesen sein als im kargen Winter.

Dem Verdauungssystem Erholung gönnen

Immer wieder wurde die Nahrungsaufnahme unterbrochen, es gab kürzere oder längere Phasen des Hungerns. Über Zehntausende von Jahren hatten die Menschen in diesen beiden Punkten (Flexibilität und Rhythmus) keine große Wahl. Für unseren Körper war das anscheinend auch kein Problem. Im Gegenteil: Heute wissen wir, dass sich unsere Zellen erholen und Reparaturmechanismen anwerfen, wenn der Körper längere Zeit nichts zu essen bekommt.

Doch als die Frühmenschen vorerst genug von ihrer Mobilität hatten und als Sammler und Jäger davon zu träumen begannen, Bauern zu werden, wurden sie sesshaft – mit Scholle, Ackerbau, Viehzucht, Vorratskammern für den Winter und allem Drum und Dran. Auf diese Weise setzte man der Unberechenbarkeit der Natur und den Gezeiten einen regelmäßigen Rhythmus entgegen. Fragen wie »Was essen wir?« und »Wann essen wir?« stellten sich nicht. Auch wenn immer wieder Hungersnöte durch Ernteausfälle die Menschen plagten und das Leben anstrengender wurde, weil von morgens bis abends auf den Feldern und in den Ställen geschuftet werden musste, so gab es nun öfter regelmäßige Mahlzeiten als früher. Allerdings ging durch den systematischen Anbau von Nutzpflanzen wie Getreide nach und nach die Nahrungsvielfalt verloren. Gleichzeitig wurde mehr tierisches Protein gegessen (Fleisch- und Milchprodukte). Nicht zu vergessen: Der Mensch wurde abhängiger von seiner Umgebung.

Dieser Prozess verlief kontinuierlich weiter, bis sich mit den industriellen Revolutionen unser Leben und unsere Ernährungsgewohnheiten noch einmal radikal veränderten. Und das in jeder Hinsicht. Durch Elektrizität, Kühlschränke und schnelle Transportmöglichkeiten erhielten Menschen auf einmal schier unbegrenzten Zugang zu Nahrungsmitteln. Heute können die meisten von uns das ganze Jahr über an sieben Tagen in der Woche vierundzwanzig Stunden am Tag (24/7 also) essen und arbeiten. Auf den ersten Blick war dies der Sieg über die unberechenbare Natur, auf den zweiten ein großes Problem für die Biologie des menschlichen Körpers – ein fragwürdiger Erfolg also.

Der moderne Fortschritt, vor allem in der Lebensmittelindustrie, hat unsere Gene und Zellen nämlich wenig beeindruckt – höchstens negativ. Das uralte Programm – Essen, gefolgt von Phasen des Hungerns, gefolgt von Nahrungsaufnahme – ist immer noch in ihnen verankert. Zwar gibt es schon einige »jüngere« genetische Anpassungen und Veränderungen in unserem Körper, doch die sind rar. So haben wir Europäer zum Beispiel in den letzten 10000 Jahren aufgrund der Viehzucht eine Möglichkeit entwickelt, Kuhmilch zu vertragen. Das Milchzucker spaltende Enzym Laktase ermöglicht es, dass die meisten von uns keine Bauchkrämpfe mehr bekommen, wenn sie Kuhmilch trinken und Kuhmilchkäse essen (siehe auch S.89f.). Das dürfte zu Beginn der Zuchtviehnutzung nicht der Fall gewesen sein und am Anfang bei den meisten sesshaft Gewordenen zu einigen Bauchschmerzen geführt haben.

Die Missachtung der Bedürfnisse des Stoffwechsels

Unser Verdauungs- und Stoffwechselsystem hat sich ansonsten seit 100000 Jahren kaum verändert. Das war anscheinend auch nicht nötig. Der menschliche Organismus war im Lauf der Evolution stets klug. Fortwährend hat er versucht, den Königsweg zu finden, um sowohl in Phasen des Hungerns als auch des Überflusses gesund zu bleiben. So gut es ging. Darum kann unser Körper bis heute mit dem fragwürdigen Erfolg der Nahrungssuche bestens umgehen. Entweder es gibt etwas zu essen – oder eben nicht.

Da beginnt aber das Problem. Unser Körper ist mit den umfassenden Veränderungen der Lebensgewohnheiten vor allem der letzten 200 Jahre völlig überfordert. Moderne Transportmittel und Kühlsysteme ermöglichen die permanente Verfügbarkeit von Nahrung aus aller Welt. Zu jeder Jahreszeit. Dazu kommen industriell gefertigte Lebensmittel mit etlichen künstlichen Zusatzstoffen, mit zu viel Zucker, viel zu viel Salz. Auch tägliche Fleischgerichte sind moderne Errungenschaften, mit denen das uralte Stoffwechselsystem unseres Körpers nicht klarkommt.

Industrielle Lebensmittel

Das Angebot der Lebensmittelindustrie an Fertigprodukten, sogenannten Convenience-Erzeugnissen, wird immer größer: Tiefkühlkost, Konserven, Instant-Produkte, Produkte aus dem Kühlregal, aber auch ungekühlte Komplettmahlzeiten, Fertigprodukte in Bio-Qualität – und neu hinzu gekommen sind auch Fertigprodukte, die damit werben, vegan zu sein. Sie sollen uns bei der Zubereitung von Mahlzeiten Arbeitsschritte und Zeit ersparen. Gespart wird aber auch an gesunden Inhaltsstoffen, dafür beinhalten viele dieser Produkte zahlreiche schädliche Zusatz- und Aromastoffe, Geschmacksverstärker und zu viel Fett, Zucker und Salz. Mit den berühmt berüchtigten »Ravioli in der Dose« kam Ende der 1950er-Jahre das erste Fertigprodukt auf den deutschen Markt. Im Jahr 2018 wurde für Deutschland ein Umsatz mit Fertiggerichten von insgesamt 3,74 Milliarden Euro ermittelt – die Branche jubelt, da sich angeblich eine steigende Tendenz abzeichnet. Dem gilt es entgegenzuwirken! Gesund ist, was frisch auf den Tisch kommt und nicht industriell vorverarbeitet wurde.

Für uns Menschen ist aber nicht nur das Überangebot – laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft standen 2016 rund 160000 (!) verschiedene Lebensmittel in den Regalen hiesiger Supermärkte –, sondern ebenso die Zeitspanne, in der wir essen beziehungsweise nicht essen, problematisch. So wunderbar es natürlich ist, dass wir hierzulande keine Hungersnöte mehr kennen, so dramatisch ist es für den Körper, wenn wir unser Bedürfnis nach Essen beim geringsten Appetit augenblicklich stillen. Die meisten essen nämlich heute ohne Grund, ganz einfach, weil sie es können. Nahrung ist in unserer Wohlstandsgesellschaft ja pausenlos vorhanden: hier der kleine Vormittagssnack, dort der »Coffee to go«, auf dem Tresen im Büro die Glaskugel mit Süßigkeiten, nachmittags das Stück Kuchen in der Kantine oder der Smoothie, weil der so besonders gesund sein soll.

Das Verrückte ist, dass wir uns trotz dieser Menge an verfügbarer Nahrung nicht nur zu ungesund, sondern auch zu einseitig ernähren. Nämlich zu viele Kohlenhydrate, zu viele tierische Eiweiße, ungesunde Fette, zu viele Zusatzstoffe.

Die dramatische Zunahme chronischer Erkrankungen

Die Folgen sehen und spüren wir alle. Übergewicht und ernährungsbedingte Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arthrose, Diabetes, Gefäßverkalkungen, Niereninsuffizienz oder Rückenschmerzen nehmen seit Jahren dramatisch zu.

Die häufigsten chronischen Erkrankungen der gesamten westlichen Welt insgesamt, zunehmend aber auch in Asien und Afrika, sind: Arthrose, Rheuma, Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit und Schlaganfall, Atemwegserkrankungen sowie Krebserkrankungen. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts hat ergeben, dass in Deutschland 43 Prozent der Frauen und 38 Prozent der Männer von mindestens einer chronischen Krankheit betroffen sind; mit steigendem Alter nimmt die Häufigkeit der Erkrankungen zu. Ab einem Alter von 65 Jahren treten, unabhängig vom Geschlecht, sogar mehrere chronische Erkrankungen auf, siehe auch DiagrammS.18.

Anteil der Menschen mit mindestens einer chronischen Krankheit nach Geschlecht und Alter

Quelle: www.rki.de/geda/2014

Die ernährungsbedingten Erkrankungen sind jedoch kein biologisches Schicksal, sondern wurden erst mit unseren veränderten Lebens- und Ernährungsgewohnheiten zur Epidemie.

Chronische Erkrankungen – mit Ernährung heilen

Die Geschichte der Medizin der letzten 200 Jahre belegt zweifellos unglaublich große Erfolge. Durch Prävention, Hygiene, Impfungen und die effektive Behandlung von Infektionen und Verletzungen können heute akute und schwere Erkrankungen behandelt und auch geheilt werden. Die Säuglingssterblichkeit ist weltweit dramatisch gesunken, überhaupt leben wir heute medizinisch besser versorgt und länger. Andererseits fehlen der modernen Medizin nachhaltige Konzepte für die epidemisch auftretenden chronischen Erkrankungen, die durch eine ständige Nahrungsverfügbarkeit und der damit zusammenhängenden Überernährung bedingt sind. Es liegt nahe, die Folgen durch innovative Medikamente, die aktuell in Tausenden von pharmazeutischen Laboren entwickelt werden, zu bekämpfen. Aber Medikamente sind grundsätzlich nie so perfekt auf den Körper abgestimmt wie gesunde Ernährung und Bewegung. So haben Mediziner und Pharmakologen zwar Wege gefunden, ein zu hohes Cholesterin infolge falscher Ernährung mit modernen Medikamenten zu stoppen. Die Medikamentengruppe der Statine, die die Cholesterinsynthese blockiert, führt aber dazu, dass der Körper sich Alternativen sucht, um Cholesterin herzustellen. Mit Nebenwirkungen. Damit überwiegt nicht bei jedem, der sie einnimmt, der Nutzen.

Eine ideale Therapie sieht anders aus. Mit einer Ernährungsumstellung und regelmäßiger Bewegung ist viel gewonnen, nicht nur als Therapie einer Hypercholesterinämie, sondern auch als Prävention (siehe S.311ff.).

Es wäre gesünder für uns, wir wären schlechtere Futterverwerter geworden, aber die Evolution hat andere Gene gewinnen lassen. Sie hatte nicht mit Kühlschränken zu konkurrieren, ihr ging es einzig und allein ums Überleben – und das hieß in Urzeiten eine erfolgreiche Anpassung an eine oft widrige Umwelt. Da gab es die kargen Winter oder die Erfahrung, dass eine Dattelpalme nur jedes zweite Jahr Früchte trug – das erforderte kluges Handeln. Und so legte der Körper möglichst schnell und ergiebig Fettreserven für schlechte Zeiten an. Gute Futterverwerter, also Homo sapiens mit mehr Gewicht auf den Rippen, das ihnen über Notzeiten hinweghalf, waren die Gewinner bei der Fortpflanzung. Die Fähigkeit, ausreichend Fettreserven zu lagern, wurde dementsprechend an die Folgegeneration weitergegeben. Aber da Hungersnöte in der westlichen Zivilisation inzwischen selten sind, machen unsere Fettreserven wenig Sinn; sie werden kaum durch äußere Umstände aufgebraucht. Und längst ist das Übergewicht mit seinen Folgekrankheiten auf dem Vormarsch.

Wäre unser Körper ein Auto, könnten wir das Modell wechseln. Statt mit dem Geländewagen weiterhin durch die Landschaft zu brettern (und Mammuts zu jagen), könnten wir in ein kleines Stadtauto einsteigen. Aber da dies nicht möglich ist, weil die Evolution unseren Stoffwechsel vor hunderttausenden Jahren geprägt hat, besteht auf absehbare Zeit die Lösung ausschließlich darin, den Sprit zu wechseln. Und das betrifft nicht nur die Art, sondern auch die Menge des Treibstoffs, den unser Körper in der heutigen Zeit benötigt. Weniger, leichtere und gesündere Kost ist angesagt (und regelmäßig gar nichts), denn wir laufen nicht mehr täglich sechs Stunden durch die Landschaft. Stattdessen sitzen wir acht Stunden lang still. Die Umstellung des Treibstoffs, sprich: unserer Nahrung, ist die einzig wirklich sinnvolle Lösung.

Ernähren wir uns (wieder) gesünder und fasten (wieder) öfter, stehen die Chancen gut, gesund zu bleiben und sehr alt zu werden.

Schon im antiken Griechenland bildete bei Hippokrates (460–370 v.Chr.), dem Urvater der Medizin, die díaita (Ernährungs-, aber auch Lebensweise) das Zentrum jeder Therapie. Interessanterweise empfahl der Arzt zur Behandlung von Fettleibigkeit körperliche Bewegung und nur eine große Essensmahlzeit in 24 Stunden, also Intervallfasten pur!

Fasten ist fest in unserer Kultur verankert

Auch bei uns ist regelmäßige Nahrungskarenz seit Jahrhunderten traditionell verankert. In allen Weltreligionen wird gefastet. Fasten gilt als Zeit der Einkehr und Besinnung und ist durch den freiwilligen Verzicht ein Ausdruck von Glauben und Demut. Zudem werden die Sinne geschärft, der Körper wird in einen wachen, klaren und euphorischen Zustand versetzt. Das ist evolutionär bedeutungsvoll, denn so entgehen einem die unter dem Gras versteckten Pilze genauso wenig wie der Geruch des Wildes, das hinter einem Busch versteckt grast. Anders formuliert: Mit allen Sinnen lässt sich erfolgreicher Nahrung sammeln und erjagen.

Im Christentum wird 40 Tage ab Aschermittwoch bis Ostern gefastet, die Sonntage nicht mitgezählt. Jesus wurde am Ende seiner Fastenzeit in Versuchung geführt, ließ sich aber nicht beirren. Als der Teufel ihm zuraunte: »Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden«, konterte er: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« (Matthäusevangelium). Griechisch-orthodoxe Christen fasten 180 bis 200 Tage im Jahr, zu unterschiedlichen Zeiten. Sie praktizieren ein Teilfasten, bei dem vor allem auf Fleisch verzichtet wird. Im Judentum wird je 25 Stunden vor den Feiertagen Purim und Pessach sowie an Jom Kippur gefastet. Auch der Prophet Mohammed fastete. Dazu und zur Meditation zog er sich regelmäßig auf den Berg Hira zurück, auf dem er 610 n.Chr. das erste Offenbarungserlebnis hatte. Im Monat Ramadan, dem neunten Monat des islamischen Mondkalenders, erhielt Mohammed dort den Koran. Viele der 1,6 Milliarden Muslime auf der Welt fasten darum heute im Ramadan und verzichten von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Die Sadhus, hinduistische Gurus, sind lebenslang in Askese, und im Buddhismus fasten viele zu Vesakh, dem höchsten buddhistischen Feiertag. In der Theravada-Tradition des Buddhismus ist Intervallfasten üblich, es wird dann nur einmal am Tag gegessen, und zwar in der späten Morgenzeit bis zum Mittag.

Effekte des Fastens wurden auch für kriegerische Zwecke genutzt. In der Antike hielten Spartaner und Perser ihre Soldaten dadurch wehrfähig. Im Alten Testament wird beschrieben, wie die Makkabäer, jüdische Aufständische, drei Tage lang hungerten, bevor sie gegen König Antiochus in den Kampf zogen. Und der deutsche Kaiser Otto I. verweigerte seinem Heer vor der entscheidenden Schlacht gegen die Ungarn das Essen.

Die heilsame Wirkung des Fastens – von der Antike bis heute

Der antike griechische Schriftsteller Plutarch (um 45 bis um 125 n.Chr.) war ebenfalls vom Fasten überzeugt. Er empfahl: »Statt Medizin zu nehmen, faste heute lieber.« Ähnliche Zitate sind von Platon und seinem Schüler Aristoteles überliefert. Grundsätzlich verwundert es nicht, dass das Fasten in seiner religiösen Tradition, aber auch in seinem philosophischen Kontext lobend und positiv erwähnt wird. Wie gesagt, der Verzicht auf Nahrung steigert die Wachheit, die Aufmerksamkeit und die Sinne.

Spätere Literaten machten sich auf ihre Weise Gedanken zum Fasten. Mark Twain formulierte: »Etwas Hunger kann für den Kranken tatsächlich mehr tun als die besten Arzneien und Ärzte.« Und für seinen amerikanischen Kollegen Upton Sinclair war das Fasten eine persönliche Rettung. Er widmete seinen positiven Fastenerfahrungen sogar ein ganzes Buch. Seine Gesundheit war durch den Stress einer jahrelangen intensiven Recherche und Arbeit an seinem Buch Der Dschungel, einem Enthüllungsbuch über die schrecklichen Zustände in den Schlachthöfen von Chicago, stark angeschlagen. Medizinische Behandlungen brachten keine Besserung, lange Fastenkuren hingegen schon. Im Jahr 1911 veröffentlichte er seine Fastenerfahrung in The Fasting Cure. Er blieb ein Fan des Fastens bis zu seinem Tod mit 90 Jahren. Zu dieser Zeit gab es bereits einige Fastenärzte, die als Pioniere viele Patienten behandelten und über ihre eindrucksvollen Erfolge berichteten. Der britische und in die Staaten übergesiedelte Arzt Henry S. Tanner (1831–1918) machte seine erste Fastenerfahrung 1877 (er fastete 40 Tage), etwa zur gleichen Zeit dokumentierte der US-amerikanische Fastenarzt Edward H. Dewey (1837–1904) seine Fastenheilerfolge.

Aber erst moderne Forschung und Molekularbiologie konnten die Effekte des Fastens wissenschaftlich nachweisen. In den folgenden Kapiteln werde ich die eindrucksvolle therapeutische Wirkung von Fasten und kalorischer Restriktion bei vielen chronischen Erkrankungen vorstellen. Das betrifft sowohl die Therapie als auch die Prävention. Die Forschungen auf diesem Gebiet haben dem Fasten inzwischen zu neuer Popularität verholfen. Laut einer Forsa-Umfrage von 2017 erfreut sich Fasten auch hierzulande wieder zunehmender Beliebtheit, innerhalb von fünf Jahren ist die Zahl derjenigen, die ab Aschermittwoch fasten, von 15 auf 59 Prozent gestiegen.

Der Gerontologe Valter Longo von der University of Southern California wurde 2018 vom Time Magazine aufgrund seiner Fastenforschungen unter die 50 einflussreichsten Menschen auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge (health care) gewählt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten zum Fasten sind bahnbrechend, und ich bin froh, dass wir inzwischen bei einigen wissenschaftlichen Projekten eng zusammenarbeiten.

Inzwischen geht es vor allem um die Frage, wie gefastet werden sollte und gar nicht mehr darum, ob Fasten gesund ist – das ist längst hinreichend erwiesen! In meinem großen Fasten-Kapitel erfahren Sie, wie und mit welchen Erfolgschancen mit dieser Therapiemethode Krankheiten zu bekämpfen oder vorzubeugen sind (siehe S.168ff.).

Natürlich wünsche ich niemandem, dass er unfreiwillig hungern muss, doch wir alle tun gut daran, uns aus gesundheitlichen Gründen das Hungergefühl regelmäßig aus eigener Entscheidung zurückzuholen.

Unsere heutigen Ernährungsgewohnheiten sind regelrecht entgleist. Studien zeigen, dass die meisten Menschen bis zu zehnmal am Tag etwas essen. Ein richtiges Hungergefühl kennt fast niemand mehr, Kalorien werden nicht nur zu den Mahlzeiten, sondern auch fortwährend zwischendurch eingenommen, kontinuierlich sozusagen.

Aber es geht nicht nur um die Menge. Wir Menschen genießen gern, und gab es noch vor Hunderten von Jahren nur die Süße der reifen Früchte oder selten einmal mit Honig Gesüßtes, so werden wir heute von der Lebensmittelindustrie mit Zucker überschüttet. Kaum ein Produkt enthält keinen Zucker.

Darum ist es neben dem Fleisch vor allem der Zucker, der unsere gesunden traditionellen Ernährungsformen mittlerweile konterkariert. Die »Kreta-Diät« war die Urform der gesunden Mittelmeerdiät (siehe S.48ff.). 2017 war ich auf Kreta und konnte feststellen, dass es fast nirgendwo mehr das klassische Vollkornfladenbrot gibt, sondern nur noch leicht gesüßtes Weißbrot und enorme Mengen Süßes. Da wundert es nicht, dass in Griechenland heute mehr übergewichtige Menschen leben und die Herzinfarktraten höher sind als in anderen europäischen Ländern. Es ist das mediterrane Paradox: Die »Erfinder« der gesündesten Ernährungsform sind mittlerweile die Menschen, die übergewichtig und krank sind!

Noch nie standen uns frisches Obst, Gemüse und Gewürze in einer solchen Fülle zur Verfügung – und zwar das ganze Jahr über. Allerdings hat der Transport von Lebensmitteln rund um den Globus dazu geführt, dass wir nicht mehr saisonal und regional essen. Beides ist für unser Mikrobiom, unseren Darm wahrscheinlich von Nachteil (siehe S.31ff.) und man nimmt an, auch für unsere Gene.

Abgesehen davon, dass wir instinktiv spüren, wie unnatürlich es ist, im Dezember Erdbeeren, Tomaten und Melonen im Supermarkt vorzufinden. Wirklich gut schmeckt die importierte Ware dann auch selten, und der Vitamin- und Nährstoffgehalt ist durch den abgebrochenen Reifungsprozess, wenn die Waren oft noch »grün« in die Container gelangen, sowieso fragwürdig.

Mein Tipp: Berücksichtigen Sie grundsätzlich, zu welcher Jahreszeit und zu welchem regionalen Gericht importiertes Gemüse oder Obst passen könnten. Ist das nicht der Fall, verzichten Sie besser auf das Überseeangebot!

Ein kluger Schutzmechanismus der Evolution

Übelkeit in der Schwangerschaft ist ein Mechanismus, der im Lauf der Evolution entstanden ist, um den Embryo vor Giften zu schützen. Schwangere reagieren stark auf Gerüche, auf einen bitteren Geschmack sowie auf tierische Produkte und treffen dadurch eine gesunde Nahrungsauswahl für ihr Ungeborenes. Oder verzichten »freiwillig« auf potenziell Schädigendes.

So erklärt man sich, dass Schwangere gerade auf Fleisch, Fisch und Eier mit Abneigung reagieren, denn tierische Produkte waren von jeher eine Parasitenquelle. Eine Untersuchung von 27 unterschiedlichen traditionellen Gemeinschaften weltweit zeigte, dass in 20 von ihnen Schwangerschaftsübelkeit auftrat, in sieben jedoch nicht. Deren Bewohner ernährten sich überwiegend vegetarisch, vor allem von Mais. Übelkeit ist also ein evolutionärer Schutzmechanismus, auch bei Nichtschwangeren.

Dieser Schutzmechanismus wird von modernen Lebensmitteln oft überdeckt durch Zusatzstoffe (Zucker oder auch Salz). Ohne diese »Vernebler« würden wir uns viele moderne Krankheiten und damit viel Leid ersparen. Limonade ohne Zucker aber würde niemand mehr trinken, Süßigkeiten ohne Zucker verlören ihren Reiz, Fertigsoßen ohne Geschmacksverstärker würden die Menschen nicht kaufen.

Interessanterweise sind fast alle Früchte von Natur aus ungiftig. Früchte sehen so leuchtend schön aus, damit sie von Tier und Mensch gegessen werden, denn nur dann wird ihr Samen in der Welt verteilt. Klar, dass deshalb Pflanzen ihre Früchte meist giftfrei halten. Sie hüllen sie oft lediglich in eine Schale, die mit natürlichen Abwehrstoffen gespickt ist. Die anderen Pflanzenteile werden von uns Menschen eher gemieden oder müssen speziell zubereitet werden, damit wir sie gut verdauen können. Alles ist perfekt durchdacht.

Zusammenfassung

Nahrungsaufnahme und lange Phasen des Hungerns wechselten einander in der fast 100000-jährigen Geschichte des

Homo sapiens

immer wieder ab. Eine variantenreiche, pflanzliche Ernährung war so lange die Basis.

Erst vor rund 12000 Jahren begann mit Ackerbau, Viehzucht und Vorratsspeicherung die Zeit der regelmäßigen, aber auch einseitigeren Nahrungsaufnahme. Eingang in die »moderne« Ernährungsweise fanden nun große Mengen an tierischem Protein.

Vor allem seit Mitte des letzten Jahrhunderts haben die Menschen in den Industrienationen freien Zugang zu Nahrungsmitteln. Neue Nahrungsmittel, die reich an Zucker, Salz und Zusatzstoffen sind, haben zusammen mit der Möglichkeit, rund um die Uhr essen zu können, unsere Ernährungsgewohnheiten in einer nie da gewesenen Weise verändert.

Gleichzeitig nehmen Übergewicht und chronische Krankheiten dramatisch zu. Das ist kein Wunder, denn im Großen und Ganzen haben sich unsere Gene und unser Stoffwechsel seit 100000 Jahren kaum verändert. Darum ist für unseren Körper, der jahrtausendelang an Essenspausen ebenso gewöhnt war wie an eine abwechslungsreiche, vorwiegend pflanzliche Kost, die heutige Ernährungsweise Gift.

Darm und Stoffwechsel – wie die Nährstoffe in die Zellen kommen

Unsere Organe und Zellen können nur existieren, wenn sie regelmäßig mit Sauerstoff und Energie versorgt werden. Darum atmen wir und darum essen wir.

Damit die Nahrung dem Körper zugutekommt, muss sie zunächst in kleinere Bausteine, die Nährstoffe, zerlegt werden. Diesen Prozess der Zerkleinerung und Aufspaltung der Nahrung in Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße bezeichnet man als Verdauung. Die dabei entstehenden verstoffwechselten Nährstoffe werden aus dem Darm ins Blut abgegeben und zu den Zellen transportiert. Mithilfe von Enzymen werden sie in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, chemisch in Energie umgewandelt. Diese steht dem Körper dann für viele Prozesse zur Verfügung.

Es mag vielleicht überraschen, aber die Verdauung beginnt nicht erst im Magen, sondern schon in der Küche. Garen, Braten und Kochen sind erste, outgesourcte Schritte der Verdauung. Wenn wir Kartoffeln, Brokkoli und Möhren klein schneiden und erhitzen, werden dadurch schon deren Zellwände aufgebrochen und Mineralstoffe freigesetzt. Das erleichtert Verdauungsvorgänge im Magen-Darm-Trakt.

Ganz praktisch: Allein durch den Anblick der Nahrung und die wunderbaren Gerüche wird unsere Verdauung angeregt. Uns läuft sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammen, wenn wir die in Olivenöl ausgelassenen Zwiebeln oder den Knoblauch riechen. In dieser »kephalen« Phase (»den Kopf betreffend«) werden durch Gedanken ans Essen oder den Geruch von Speisen im Gehirn entsprechende Signale freigesetzt – die Speichelproduktion setzt ein, Botenstoffe werden an die an der Verdauung beteiligten Organe gesandt.

Im Mund wird die Nahrung nämlich nicht nur zerkleinert, sondern auch angedaut, indem sie mit dem ersten Verdauungsenzym, der Speichel-Amylase, vermischt wird. Kohlenhydrate werden im Mund so schon zu 20 bis 30 Prozent aufgespalten. Je sorgfältiger das geschieht, je weniger Arbeit hat später der Darm. Darum bin ich ein so großer Befürworter für langes und intensives Kauen.

Reise der Nahrung durch den Körper

Ist die Nahrung gut mit Speichel durchmischt, beginnt ihre lange Reise durch den Körper. Von unserem Gehirn wurden längst weitere Signale und Hormone an die tiefer gelegenen Verdauungsorgane gesendet. Der Brei, der geschluckt wird und über die Speiseröhre in den Magen wandert, wird dort schon sehnlichst erwartet.

Durch den sehr sauren pH-Wert der Magensäure – nüchtern zwischen 1,5 und 2 – werden so gut wie alle Krankheitserreger, die mit der Nahrung in den Körper gelangen, eliminiert. Das ist allerdings ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits schützt die Magensäure den Körper vor Bakterien, andererseits ist sie so aggressiv, dass sie außerhalb des Magens leicht Schaden anrichtet. Darum ist der Schließmuskel zwischen Magen und Speiseröhre so wichtig; er verhindert, dass der saure Magenbrei in die Speiseröhre zurückfließt und diese verätzt. Ist der Mechanismus gestört, tritt Sodbrennen auf. Man spricht von Refluxkrankheit, wenn dieser Zustand chronisch wird und außer Sodbrennen, einem Druckgefühl hinter dem Brustbein und einem Aufstoßen noch weitere Schmerzen verursacht. Die Refluxkrankheit ist die häufigste Erkrankung des Verdauungstrakts, hiervon sind zehn Prozent der Bevölkerung bundesweit betroffen.

Magensäure, Enzyme und Magenbewegungen zersetzen sehr wirksam den Großteil der Nahrung. Man spricht jetzt von der gastrischen Verdauungsphase (Gaster ist griechisch und meint »Magen«). Je nach Nahrungsmenge wird die Magenwand mehr oder weniger weit gedehnt, je nach Nahrungszutat – insbesondere durch Eiweiße und Gewürze – in Wallung gebracht. Durch die Magenperistaltik, wellenförmige Muskelkontraktionen, wird die Nahrung mit Säure und Enzymen vermischt.

Auch im nüchternen Zustand ist der Magen aktiv. Nach einer kurzen Ruhephase, wenn der Nahrungsbrei weiter in den Dünndarm gerutscht ist, beginnt er sich wieder zusammenzuziehen. Diese Kontraktionen können den gesamten Verdauungstrakt wie eine Welle durchströmen und sehr ausgeprägt sein. Als Folge der Turbulenzen kann ein Geräusch entstehen, wenn Luft durch den Magenausgang gepresst wird, das Magenknurren. Die Kontraktionen ohne Verdauungsfunktion werden in der Medizin als Putzwellen- oder Housekeeper-Reflex bezeichnet.

Der Magen steuert den gesamten Verdauungsprozess. Wurde die Nahrung im Mund schlecht gekaut oder ist das Essen sehr fettig, wird über die Magennerven der weitere Verdauungsvorgang gebremst. Darm und Verdauungssäfte aus Bauchspeicheldrüse und Galle müssen dann erst einmal warten, weil der Magen entsprechend länger mit seiner Verdauungsarbeit beschäftigt ist. Kohlenhydrate werden in ungefähr zwei Stunden vom Magen vorverarbeitet, Fleisch und Fett brauchen bis zu sechs Stunden.

Darm und Leber – das Zentrum des Stoffwechsels

Wurde der Nahrungsbrei aus dem Magen in den Dünndarm abgegeben, beginnt die intestinale Phase der Verdauung (lat. intestina: die »Eingeweide«). Der Dünndarm ist fünf bis sechs Meter lang und besteht aus drei Abschnitten: dem Zwölffingerdarm (Duodenum), dem Leerdarm (Jejunum) und dem Krummdarm (Ileum). In den Zwölffingerdarm werden die Verdauungssäfte aus Bauchspeicheldrüse und Gallenblase eingeleitet; sie neutralisieren die Säure des Magens und spalten Eiweiße, Zucker und Fett. Die ausreichend zerkleinerten und vom Körper benötigten Nahrungsbestandteile werden über die Dünndarmschleimhaut in das Lymph- und Blutsystem aufgenommen. Durch Fortsätze (Zotten), Einsenkungen (Krypten) und einen Bürstensaum (Mikrovilli) ist die Dünndarmschleimhaut fast 400 Quadratmeter groß und bietet darum eine optimale Resorptionsfläche. Der Dünndarm ist also bestens gerüstet, damit hier die hauptsächliche Verdauung stattfinden kann.

Das mit Nährstoffen aufgetankte Blut fließt direkt zur Leber, dem Hauptumschlagplatz für den Stoffwechsel. Die Leber ist gleichzeitig der Ort, an dem Zucker gespeichert wird; der Speicherzucker wird als Glykogen bezeichnet. Eine gewisse Menge Glykogen bietet für zwölf bis 24 Stunden Reserveenergie. Diese ist für den Fastenstoffwechsel von zentraler Bedeutung, siehe S.37f. Erst wenn das Glykogen in der Leber aufgebraucht ist, sendet sie Signale für den Fettabbau.

Weitere Aufgaben der Leber sind Cholesterin- und Fettsynthese, Proteinproduktion und Blutreinigung. Körpereigene (Hormone, rote Blutkörperchen) und körperfremde Stoffe (Alkohol, Medikamente etc.) werden hier abgebaut und für die Ausscheidung vorbereitet. So gelangt ein von allen Schadstoffen gereinigtes Blut zum Herzen und schließlich zu den Zellen, Muskeln, Organen und zum Bindegewebe.

Während Proteine und Kohlenhydrate in die Dünndarmblutgefäße aufgenommen werden, ist der Fettstoffwechsel ein wenig komplizierter. Nahrungsfette müssen, weil sie nicht wasserlöslich sind, zunächst transportfähig gemacht werden. Das beginnt zum Teil schon im Mund und im Magen. Im Dünndarm spalten spezielle Enzyme (Lipasen) Nahrungsfette in kleinere Bestandteile wie freie Fettsäuren, Glycerin, Mono- und Diglyceride. Diese werden von den Dünndarmzellen aufgenommen. Kurz- und mittelkettige Fettsäuren gelangen über die Pfortader in die Leber, längerkettige Fettsäuren gelangen über die Lymphe in den venösen Blutkreislauf und dann erst zur Leber.

Wasser wird ebenfalls über die Dünndarmschleimhaut resorbiert, und außerdem wird an der Darmschleimhaut auch aussortiert, welche Stoffe der Körper dringend benötigt oder welche ausgeschieden werden können oder müssen.

Aus dem Dünndarm gelangt das, was jetzt noch übrig bleibt, in den etwa ein bis anderthalb Meter langen Dickdarm (Colon). Anatomisch sieht er aus wie ein Rahmen, der sich um den Dünndarm legt, ohne dass der Rahmen allerdings unten geschlossen ist. Wie schon beim Übergang von der Speiseröhre in den Magen verhindert eine Klappe ein Zurückgleiten der Nahrungsreste vom Dick- in den Dünndarm. Ist diese Bauhin-Klappe durch eine Darmentzündung in Mitleidenschaft gezogen, können Blähungen, Schmerzen und Druckgefühl auftreten.

Im Dickdarm wird der allerletzte Rest verwertet, Mineralien wie Calcium werden hier resorbiert und noch einmal Flüssigkeit herausgefiltert. Bei Durchfall ist der Stuhl darum so flüssig, weil diese Funktion durch die Darmentzündung eingeschränkt ist und kein oder wenig Wasser entzogen werden kann. Unter normalen Umständen aber wird der eingedickte Stuhl mit Schleim überzogen, damit er gleitfähig ist, um zusammen mit abgeschilferten Darmzellen ausgeschieden zu werden. Schleim und Darmzellen sind übrigens der Grund, warum selbst nach mehrtägigem Fasten der Stuhlgang noch regelmäßig sein kann.

Das neu entdeckte Organ – das Mikrobiom

Im Dickdarm ist das Mikrobiom (Mikrobiota, Darmflora) zu Hause. Dieses besteht aus circa 100 Billionen Bakterien und Mikroben und wird mittlerweile wie ein eigenständiges Organ betrachtet. Dieses Bakterienorgan wiegt 1,5 bis 2 Kilogramm.

Lange Zeit konnte man nur einige wenige Keime beziehungsweise Bakterien mittels Stuhlproben im Labor anzüchten und nachweisen. Durch neue Analysemethoden ist es möglich geworden, alle Keime auf der menschlichen Haut und im Körper zu untersuchen. Man bedient sich hierfür genetischer Entschlüsselungsmethoden. Im Jahr 2012 hatte man zum ersten Mal sämtliche menschlichen Keime genetisch entschlüsselt und dabei festgestellt, dass 99 Prozent der 100 Billionen Keime rund 1000 Bakterienarten zugeordnet werden können. Da es sich in der Tat fast ausschließlich um Bakterien handelt, bezeichnet man die Gesamtheit der Gene aller Keime im menschlichen Körper als Mikrobiom (griechisch: »kleine Leben«). Diese tummeln sich fast ausschließlich im Darm, darum benutzt man das Wort »Mikrobiom« heute synonym für die Darmflora.

Weltweit werden aktuell Tausende Studien zum Mikrobiom durchgeführt. Ich übertreibe wirklich nicht: Es ist das heiße Thema in der Forschung, und schon jetzt hat es unser Verständnis von Gesundheit und der Entstehung von Krankheiten revolutioniert.

Es wundert erst einmal nicht, dass Darmerkrankungen mit dem Mikrobiom zusammenhängen, dass aber auch Rheuma, Schlaganfall, Morbus Parkinson oder die Depression vom Mikrobiom beeinflusst werden, kann man kaum glauben. Wir wissen aber inzwischen, dass das Mikrobiom an fast jeder Entstehung und Vermeidung von Krankheit beteiligt zu sein scheint. Es spielt für unser Immunsystem eine entscheidende Rolle und beeinflusst auch unsere Psyche als »Bauchgehirn« in größerem Maße, als wir wahrhaben wollen.

An sich ist die Sache mit unseren kleinen Bakterien-Mitbewohnern ziemlich einfach: Sie bekommen von uns Kost und Logis gratis und helfen dafür uns, aus der Nahrung das zu gewinnen, was uns zugutekommt. Die Darmbakterien spalten Zuckermoleküle, produzieren für den Darm gesunde kurzkettige Fettsäuren, sogar einige Vitamine und Aminosäuren, aus denen wiederum wichtige Proteine zusammengesetzt werden. Unsere kleinen Darmhelfer beseitigen aber auch Giftstoffe, wie sie etwa beim Gallensäureabbau entstehen. Darüber hinaus sorgen sie für einen sauren pH-Wert im Darm als Schutz vor Durchfallerregern und weiteren schädichen Keimen. Vor allem aber beeinflussen sie das Immunsystem in entscheidender Weise.

Ein Neugeborenes besitzt übrigens so gut wie kein Mikrobiom, erst mit Durchgang durch den Geburtskanal erhält es einige wenige Keime aus der mütterlichen Scheide. Beim Stillen gelangen weitere Bakterien von der Haut der mütterlichen Brust und mit der Zeit Mikroben aus seiner Umwelt in den Säugling. Mit ungefähr zwei Jahren ähnelt das kindliche Mikrobiom dem eines Erwachsenen. Und selbst dann bleibt unsere Darmflora ein dynamischer Ort, der sich bis ins hohe Alter durch Umwelteinflüsse, Klima, Wohnort, Ernährung und Medikamenteneinnahme immer wieder verändert und anpasst. Man kann heute in etwa klassifizieren, welche Bakterienarten für einen gesunden Stoffwechsel von Vorteil und welche eher unerwünscht sind. Eine gesunde Darmflora wirkt übrigens bildhaft gesprochen wie ein Staubsauger, sie hält die schlechten Keime in Schach oder vernichtet sie, damit diese keinen Schaden anrichten können.

Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist nicht nur im Lauf des Lebens, sondern auch individuell unterschiedlich. So besitzen eineiige Zwillinge, bei denen alle Gene im Körper vollkommen gleich sind, eine unterschiedliche Darmflora. Interessanterweise stimmen aber viele der im Enddarm lebenden Bakterienarten bei den meisten Menschen überein. Das spricht für eine genetisch gemeinsame Herkunft. Bei Ureinwohnern im Amazonasgebiet und anderen indigenen Stämmen enthält das Mikrobiom doppelt so viele »gute« Bakterienarten wie die Darmflora westlich-industrialisiert lebender Menschen. Ob dies genetisch bedingt ist oder, wie ich im Ernährungskapitel auf meiner kleinen Reise zu den Blue Zones (S.44ff.) zeige, durch die traditionelle, darmflorafreundliche Ernährung gefördert wird, muss sich noch erweisen.

Artenvielfalt ist in jedem Fall eine Voraussetzung für ein gesundes Ökosystem. Wenn Tiere, Pflanzen, Insekten und Mikroben zusammenleben, ergänzen sie sich und profitieren sie voneinander. Die einen leben vom Abfall oder den Ausscheidungen der anderen und umgekehrt. Genauso funktioniert auch die Symbiose, das für beide Seiten vorteilhafte Zusammenspiel von Mikrobiom und Mensch. Je artenreicher das Mikrobiom, desto stabiler ist unsere Gesundheit und desto mehr sind wir vor Krankheiten geschützt. Anders formuliert: Je gesünder wir uns ernähren, desto artenreicher ist das Mikrobiom und umso besser arbeitet es in unserem Sinne. Klar ist: Ohne ein ausgewogenes Mikrobiom läuft im Körper nichts. Eine gesunde Ernährung ist auch hier das A und O, denn die Bakterien brauchen das richtige Futter. Sie fördert die Vermehrung der »guten« Bakterien, darum empfehle ich im Ernährungskapitel immer wieder Vollkornprodukte, frisches Gemüse und andere Präbiotika (Bakterienfutter), die sehr ballaststoffreich sind.

Viele Medikamente, darunter Antibiotika, Säureblocker, weiterhin Nahrungszusatzstoffe, Süßstoffe oder auch Alkohol können das Gleichgewicht der Darmflora stören. Andere Medikamente wie das Antidiabetikum Metformin können sich aber auch positiv auswirken. Das beste Darmbakterienfutter ist jedoch kein Medikament: Es sind die Ballaststoffe.

Diese Ernährung unterstützt Ihr Mikrobiom (Darmflora)

Verwenden Sie möglichst unverarbeitete Lebensmittel, Vollkornprodukte, Vollkornreis, Vollkornpasta

Kaufen Sie Brot aus Roggenvollkornschrot- und -mehl, Weizenvollkornschrot- und -mehl, Dinkel, Grünkern, Hafer

Viele Ballaststoffe sind in diesem Gemüse: Brokkoli, Topinambur, Spinat, Weißkohl, Spargel, Schwarzwurzel, Artischocke, Wirsing, Fenchel, Süßkartoffel, Stockrübe, Rote Bete, Kürbis, Knoblauch u.v.m.

Kartoffeln sind darmgesund, wenn sie gekocht werden, erkalten und dann so oder wiedererwärmt gegessen werden. Es entsteht eine »resistente« Stärke, die gut für das Mikrobiom ist.

Hülsenfrüchte wie Erbsen, Kichererbsen, Bohnen, Sojabohnen, Linsen

Verwenden Sie wenig Salz

Obst wie Beeren (Blaubeeren, Johannisbeeren, Brombeeren), Kirschen, Ananas, Kumquat, Avocado, Zitrusfrüchte

Probiotische, fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, Kimchi, Joghurt, Kefir oder Kombucha, Tempeh, Miso, Tofu

Omega-3-Fettsäuren (pflanzlich, vor allem in Leinöl, grünem Blattgemüse, Walnüssen)

Mandeln, Walnuss, Haselnuss, Pistazien, Sesam

Eine Ernährungsumstellung schlägt sich ziemlich schnell in der Zusammensetzung des Mikrobioms nieder, wie Wissenschaftler der Harvard University zeigen konnten. Stellt man seine Ernährung von fleischreich auf vegetarisch um, kann man nach 24 Stunden eine andere Zusammensetzung des Mikrobioms beobachten. Kurzkettige Fettsäuren produzierende, entzündungshemmende Bakterienarten nehmen dann zu. Und inzwischen zeigen mehr und mehr Studien, dass das Fasten die Bakterienvielfalt des Darms beziehungsweise des Mikrobioms erhöht und damit vermutlich auch ein Teil der positiven Fasteneffekte zustande kommt.

Aufsehenerregende Erkenntnisse der Mikrobiom-Forschung

Es war spektakulär, als in einem Versuch nachgewiesen werden konnte, dass Nachkommen von Mäusen, deren Darmbakterienvielfalt durch ungünstiges Futter reduziert wurde, übergewichtig wurden und gesundheitliche Probleme hatten. Mit einer ungesunden Ernährungsweise schaden wir also nicht nur uns selbst, sondern womöglich auch unseren Kindern!

Die Mikrobiom-Forschung hat auch ein ehernes Gesetz der Ernährungswissenschaft zunichtegemacht. Für die Entstehung von Übergewicht galt einst die simple Formel: Eine Kalorie ist eine Kalorie, und wenn ich mehr Kalorien esse, als ich verbrauche, werde ich dick. Aber jahrelang wurde dabei die Bedeutung des Mikrobioms außer Acht gelassen. Inzwischen weiß man, dass übergewichtige Menschen ein andersartiges Mikrobiom besitzen. Dessen Bakterien verwerten die Nahrung besser, ziehen aus ihr mehr Kalorien als die Bakterien bei schlanken Menschen und lagern diese dann in den Fettspeichern ab. Schwer übergewichtige Patienten mit einer niedrigen Darmbakterienvielfalt sprechen auch deutlich schlechter auf kalorienreduzierte Diäten an.

Forscher am Weizmann-Institut für Wissenschaften im israelischen Rehovot gelang der Nachweis, dass das Mikrobiom sogar einen eigenen Biorhythmus besitzt. Ihr Tag-Nacht-Rhythmus wird durch den Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme bestimmt. Das bedeutet: Unregelmäßige Essenszeiten, bedingt durch Schichtarbeit oder Jetlag, bringen nicht nur uns, sondern auch unsere kleinen Mitbewohner durcheinander. Das kann sich ungünstig auf das Gewicht auswirken. Hier kommt das Intervallfasten ins Spiel, das Fasten über eine bestimmte Anzahl von Stunden. Ich gehe davon aus, dass dessen positive Wirkungen auf das Gewicht teilweise auf die Stabilisierung der inneren Uhr zurückzuführen sind.

Weiter spielt das Mikrobiom bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten eine Rolle. Ist der Dünndarm nicht in der Lage, Nährstoffe ausreichend zu verdauen, beispielsweise Milchzucker bei Laktoseintoleranz oder Fruchtzucker bei Fruktoseunverträglichkeit, gelangen die nicht vollständig verdauten Zucker bis in den Dickdarm. Dort entstehen durch die bakterielle Zersetzung, durch – ein unschönes Wort – Fäulnisbakterien Bauchkrämpfe, Blähungen und Durchfall. Der gleiche Prozess kann bei Darminfekten zu entsprechenden Symptomen führen.

Schlimmer als unangenehme Darmbeschwerden sind aber die ungünstigen Wirkungen auf das körpereigene Immunsystem, wenn das ökologische Gleichgewicht der Darmbakterien stark gestört ist. Man vermutet heute, dass die rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und andere chronische Krankheiten durch eine aus der Balance geratene Darmflora »getriggert«, das heißt, ausgelöst werden. Es wird noch eine Weile dauern, bis man herausgefunden hat, wie durch gezielte Bakteriengaben Krankheiten nachhaltig behandelt werden können und ihnen auch vorgebeugt werden kann. Zwar gibt es schon eine Reihe lebender Darmbakterienkulturen (Probiotika) in den Apotheken. Sie zeigen bei bestimmten Erkrankungen auch gewisse Effekte, aber meistens sind die Wirkungen schwach und bislang nicht von Dauer. Ähnlich ist es mit den aufsehenerregenden Stuhltransplantationen, dabei wird der Stuhl einer gesunden Person in den Darm einer erkrankten übertragen). Diese werden aber nur bei sehr schweren Fällen von akuten Darminfekten oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen angewandt.

Bis auf Weiteres sollten wir uns darum auf Fasten und Ernährung als beste Unterstützung für ein ausgewogenes, artenreiches Mikrobiom konzentrieren.

Wo unsere Energie herkommt

Der Körper speist seine Energie aus den drei Quellen: Fette, Proteine (Eiweiße) unf Kohlenhydrate. Wir besitzen als Energiereservoir einen Kurzzeit-Akku und einen Vorratsspeicher. Der Speicherzucker Glykogen in der Leber ist die Kurzzeitvariante, das Körperfett der Langzeitvorrat. Protein kann von unserem Körper nicht eingelagert werden. Das ist auch mit der Grund, warum es ungünstig ist, zu viel Protein zu sich zu nehmen. Es wird nicht in einem Speicher für schlechte Zeiten gelagert, sondern löst im Übereifer (ungutes) Wachstum und Entzündungen aus, siehe S.40f.

Der kanadische Nephrologe Jason Fung vergleicht die Speicher in unserem Körper mit den Kühltruhen in unserem Zuhause. Glykogen entspricht dem Kühlschrank in der Küche, die Fettreserven der Tiefkühltruhe im Keller. Auf Glykogen können wir schnell zugreifen, der Kühlschrank steht ja in Reichweite, für die Fettreserven müssen wir allerdings in den Keller gehen. Diese Mühsal nehmen wir für gewöhnlich erst auf uns, wenn wirklich nichts mehr im Kühlschrank vorhanden ist. Führt man sich dieses Prinzip vor Augen, versteht man, warum es so schwer ist, Fett aus den Fettspeichern am Bauch wieder loszuwerden.

Insulin – das Hormon mit dem Schlüssel

Das Hormon Insulin spielt eine wichtige Rolle im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Um Fett abbauen zu können, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: So muss der Großteil des Glykogens in der Leber verbrannt und der Insulinspiegel im Blut ausreichend niedrig sein, um die Fettspeicher freizugeben. Keine dieser Bedingungen ist leicht zu erfüllen. Gehen die Glykogenspeicher in der Leber zur Neige, sendet der Körper nämlich Hungersignale aus. Essen wir dann, wird wieder Zucker als Glykogen in der Leber eingelagert, also erneut kein Fett verbrannt. Im Gegenteil: Zu viele Kohlenhydrate werden bei hohen Insulinspiegeln in Fett umgewandelt und gespeichert.

Denn Insulin wird in den Bauchspeicheldrüsenzellen produziert und mit der Mahlzeit ins Blut abgegeben. Der aus der Nahrung verstoffwechselte Zucker muss aber irgendwie in die Zelle gelangen. Das ist nun der große Moment von Insulin: Es schließt die Zelle sozusagen auf; ohne diesen »Schlüssel«, der ins Schloss passt, schafft der Zucker es nicht in die Zelle.

Essen wir dauerhaft zu viel, zu süß und zu viel tierisches Protein, schüttet die Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin aus, um die Zellen aufzuschließen. Die Zellen sind aber schon längst satt. Was nun? Weil sie nicht noch mehr Zucker und Energie brauchen, ergreifen sie eine Schutzmaßnahme. Sie blockieren die Rezeptoren an ihrer Zellwand für den Schlüssel Insulin – man spricht in dem Fall von Insulinresistenz.

In der Folge steigt der Blutzuckerspiegel, denn das Insulin kann ja nichts machen und aus diesem Grund auch den Zucker nicht wegräumen. Die Bauchspeicheldrüse verkennt die Situation, läuft auf Hochtouren und schüttet noch mehr von dem Hormon aus; die Krankheit Diabetes beginnt, der Insulinspiegel steigt und steigt. Irgendwann kapituliert auch die Bauchspeicheldrüse und ist erschöpft – von diesem Moment an ist ein Diabetes nur noch sehr schwer heilbar.

Übergewicht und Diabetes gehen Hand in Hand. Ein hoher Insulinspiegel verhindert den Fettabbau. Die Zellen glauben nämlich, dass genug Zucker, also Energie, im Umlauf ist. Erinnern Sie sich an das Bild von Kühlschrank und Tiefkühltruhe: Der Kühlschrank ist ja voll, darum müssen die Fettreserven nicht angegangen werden. Deshalb wird es bei einem fortgeschrittenen Diabetes äußerst schwer, durch eine Diät dauerhaft Gewicht zu verlieren. Übergewicht, ein hoher Insulinspiegel und Diabetes sind ein Teufelskreis.

Hinzu kommt, dass jede übliche Diät die Situation noch verschlimmert. Im Rahmen einer solchen werden die Glykogenspeicher als Erstes geleert, der Körper baut aber aufgrund des chronisch hohen Insulinspiegels kein oder nur schwer Fett ab. Nun macht der Körper, was er immer macht, wenn er denkt, dass die Energie knapp wird: Er verlangsamt den Grundumsatz, damit er weniger Energie verbrennt. Und et voilà: Es kommt zur weiteren Gewichtszunahme, zum Jo-Jo-Effekt. Genau darum bin ich ein entschiedener Gegner herkömmlicher Diäten.

Bei Diabetes Typ 1 ist es übrigens genau umgekehrt. Die meist jungen Patienten sind oft untergewichtig. Ihre Bauchspeicheldrüse kann kein Insulin produzieren, ohne Insulin können sich keine Fettpolster bilden.

Fasten kann die »Abnehmbremse« Insulin ersetzen herunterregeln

Insulin signalisiert den Fettzellen, fest verschlossen zu bleiben, da genügend schnell verfügbare Energie durch den Zucker vorhanden ist. Ein Fettabbau ist somit für den Körper nicht wirklich erreichbar. Nach diesem Kenntnisstand ist Fasten die beste und idealste Methode, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Es ist also keinesfalls notwendig, bei der Diagnose Diabetes sofort auf eine medikamentöse Therapie zu zielen oder früh mit Insulin zu behandeln. Der Düsseldorfer Diabetologe Stephan Martin spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem »Insulingeschäft«. Da die Therapie mit Insulin für Ärzte und Krankenkassen finanzielle Vorteile hat, besteht wenig Interesse, alle Möglichkeiten der Ernährung und des Fastens auszuschöpfen. Insulin wird nämlich außerhalb des ärztlichen Budgets abgerechnet, die Krankenkassen erhalten für jeden mit Insulin behandelten Patienten eine extra Vergütung von bis zu 2000 Euro.

Unser Stoffwechsel wird außer von Insulin noch von vielen weiteren Steuermolekülen und Regelkreisläufen gelenkt. Im Kapitel Ernährung wird öfter von IGF-1 und mTOR die Rede sein. Das Protein mTOR und das Peptidhormon IGF-1 spielen als Wachstumsfaktoren beim Zellwachstum eine entscheidende Rolle und agieren ungut, wenn wir zu viel Süßes und zu viel Eiweiß essen. Andere Moleküle wie die AMP-aktivierte Proteinkinase (AMPK) sind in der Zelle Energiesensoren, quasi die Tankanzeige im Auto. Sie steuern Stoffwechselprozesse, etwa die Cholesterinproduktion.

Das Grundprinzip all dieser Steuerungen und Regelkreise ist faszinierend einfach. Essen wir zu viel Süßes und tierisches Eiweiß, heißt es im Körper: »Achtung, Überfluss wegräumen!« Das geschieht durch Fettanbau, Entzündung und (Zell-)Wachstum. Zu viel Wachstum bedeutet letztlich ein erhöhtes Krebsrisiko, denn das ist das Wesen der Krebszelle: Sie wächst ungehemmt. Auch darum plädiere ich immer wieder für Heil- und Intervallfasten!

Besser essen, gesünder leben Neues Bewusstsein für die Ernährung

Die gesündesten Orte der Welt

Die großen Nährstoffgruppen und ihre Lebensmittel

Welche Fette gesund sind

Wie viele Proteine gesund sind

Die guten und schlechten Kohlenhydrate

Essen als Heilmittel und meine Superfoods

Besser essen, einfach fasten, länger leben

Die gesündesten Orte der Welt

Die wissenschaftlichen Ernährungsempfehlungen der letzten Jahre wie auch die »Trends«, was als gesunde Ernährung gilt, sind allesamt gescheitert. Keine dieser Empfehlungen hat zu wesentlichen Verbesserungen der Gesundheit oder Veränderungen im Essverhalten und des Lebensstils geführt. Im Gegenteil, die 2018 veröffentlichte »Global Burden of Disease«-Studie, die die Gesundheit und Sterberate von 195 Ländern weltweit der Jahre 1950 bis 2017 ausgewertet hat, macht deutlich, wie dramatische die Lage ist: Die Deutschen bilden das Schlusslicht Westeuropas, haben die geringste Lebenswartung, was auf steigendes Übergewicht, die Zunahme chronischer Erkrankungen, schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Tabak- und Alkoholkonsum zurückzuführen ist.

Zugegeben: Beschäftigt man sich mit den Ernährungstrends der letzten zehn Jahre, kann das schon für ziemliche Verwirrung sorgen: Da ist dann von Low-Carb und Atkins (Reduzierung der Kohlenhydrate) die Rede, von Low-Fat (wenig Fett), dann wird die »Steinzeiternährung« Paleo (viel Fleisch, keine Milchprodukte, kein Getreide oder Brot, kein Zucker, kein Alkohol) propagiert oder es wird über Fruchtzucker statt Zucker hin und her diskutiert. Hinzu kommen noch Zeitgeistmoden wie »Coffee to go« und das überall verfügbare Fast Food, die Einfluss auf unsere Ernährungsgewohnheiten nehmen und jeden Ratschlag obsolet zu machen scheinen.

Um Ihr Bewusstsein für eine kluge und gesunde Ernährung zu schärfen, mit der sich zahlreiche Krankheiten behandeln lassen, möchte ich Ihnen im Folgenden einige zentrale Studien aus der aktuellen Forschung sowie die gesündesten Ernährungsformen vorstellen und in Beziehung setzen mit den Erkenntnissen aus meiner jahrzehntelangen klinischen Erfahrung. Entscheidend ist dabei, was Ernährung für unsere Gesundheit leisten kann! Um das zu zeigen, möchte ich Sie mitnehmen auf eine kleine Weltreise zu den Orten gesunder Ernährung.