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Seniorinnen im Einsatz: Steif & Kantig ermitteln zum 14. Mal Beim Erntedankfest in Oberherzholz bleibt die Idylle nicht lange ungestört: Eine mysteriöse Serie von Todesfällen bringt Unruhe in die Kleinstadt. Während Hauptkommissar Meier und seine neue Kollegin Leonie Leitner versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, stellen die Seniorinnen Steif und Kantig ihre eigenen Nachforschungen an. Bald wird klar, dass hinter den vermeintlichen Unfällen ein skrupelloser Plan steckt – und die Täter sind näher, als alle dachten. Entdecken Sie auch die weiteren Fälle von Steif und Kantig: - Band 1: Steif und Kantig - Band 2: Kühe, Konten und Komplotte - Band 3: Landluft und Leichenduft - Band 4: Hengste, Henker, Herbstlaub - Band 5: Felder, Feuer, Frühlingsluft - Band 6: Schnäpse, Schüsse, Scherereien - Band 7: Mondschein, Morde und Moneten - Band 8: Gärtner, Gauner, Gänseblümchen - Band 9: Dünen, Diebe, Dorfgeplänkel - Band 10: Printen, Plätzchen und Probleme - Band 11: Komplizen, Kappen, Karneval - Band 12: Halunken, Horror, Halloween - Band 13: Blüten, Birken, Bösewichter
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Ernten, Essen, Enkeltrick
Gisela Garnschröder ist 1949 in Herzebrock/Ostwestfalen geboren und aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof. Sie erlangte die Hochschulreife und studierte Betriebswirtschaft. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für eine Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt. Immer war das Schreiben ihre Lieblingsbeschäftigung. Die berufliche Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt brachte den Anstoß zum Kriminalroman. Gisela Garnschröder wohnt in Ostwestfalen, ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Sie ist Mitglied bei der Krimivereinigung Mörderische Schwestern, beim Syndikat und bei DeLiA.
Seniorinnen im Einsatz: Steif & Kantig ermitteln zum 14. Mal
Beim Erntedankfest in Oberherzholz bleibt die Idylle nicht lange ungestört: Eine mysteriöse Serie von Todesfällen bringt Unruhe in die Kleinstadt. Während Hauptkommissar Meier und seine neue Kollegin Leonie Leitner versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen, stellen die Seniorinnen Steif und Kantig ihre eigenen Nachforschungen an. Bald wird klar, dass hinter den vermeintlichen Unfällen ein skrupelloser Plan steckt – und die Täter sind näher, als alle dachten.
Gisela Garnschröder
Ullstein
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Originalausgabe bei Ullstein E-BooksUllstein E-Books ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin© Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin, September 2025Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected]: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic®, München / shutterstock AI und Adobe FireflyAutorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-3223-9
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Das Buch
Titelseite
Impressum
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
Leseprobe: Klettersport und Gipfelmord
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Cover
Titelseite
Inhalt
1. Kapitel
Die kleine Stadt Oberherzholz im Münsterland lag an diesem Septembermorgen friedlich im Sonnenschein. Zwei Frauen gingen schwatzend und lachend im Park spazieren, und eine Gruppe des örtlichen Kindergartens suchte im Gestütswald von Herrn Sandfeld nach den ersten bunten Herbstblättern.
Gegen zehn Uhr an diesem Montag betrat Charlotte Kantig die Bankfiliale an der Hauptstraße. Sie hatte einen Termin bei Felix Bäumer, dem Finanzberater, denn sie wollte ihr erspartes Geld gewinnbringend anlegen und erhoffte sich ein paar gute Tipps. Nach einer Stunde schwirrte ihr der Kopf, und sie verabschiedete sich mit dem Hinweis, sich alles noch einmal gründlich überlegen zu müssen. Natürlich hatte ihr der Banker auch einen Packen Unterlagen mitgegeben, die sie zu Hause in Ruhe durchsehen wollte.
Nach einem kurzen Stopp im Supermarkt fuhr Charlotte nach Hause. Sie wohnte in einer kleinen Siedlung außerhalb der Stadt, in einem Doppelhaus in der Wiesenstraße, das ihr und ihrer Schwester Isabella Steif zu gleichen Teilen gehörte. Sie waren beide verwitwet und in Pension. Früher hatten sie als Lehrerinnen gearbeitet und führten nun ein recht aktives Seniorinnenleben. Charlottes Sohn Thomas wohnte mit seiner Frau Marita und den Zwillingen Annabell und Marvin in Münster. Isabella war kinderlos, wurde aber auf ihren Spaziergängen durch die ländliche Umgebung stets von ihrem Labradorrüden Balu begleitet.
Als Charlotte das Auto in die Garage gefahren hatte und ihre Einkäufe aus dem Kofferraum holte, kam Isabella gerade von einem ihrer Rundgänge zurück. Balu begrüßte Charlotte stürmisch und sprang so begeistert an ihr hoch, dass der Stapel Papiere, den sie unter den Arm geklemmt hatte, zu Boden fiel. »Isabella, halt den Hund fest, ich habe beide Hände voll«, rief Charlotte vorwurfsvoll.
»Warte, ich helfe dir«, erwiderte Isabella, zog den Hund zurück und bückte sich nach den Unterlagen. »Warst du bei der Bank?«, erkundigte sie sich mit einem Blick auf die Papiere.
Charlotte nickte. »Mir brummt immer noch der Kopf von all den Anlagemöglichkeiten. Aber das können wir später gemeinsam besprechen, wenn du Lust hast.«
»Fein«, sagte Isabella. »Dann komme ich heute Nachmittag um zwei zu dir rüber. Ich muss gleich noch mal weg.«
»Zwei Uhr passt gut. Wo willst du denn hin?«
»Ich möchte Anna Aufderheide in ihrer neuen Wohnung besuchen.«
»Dann viel Spaß. Bis nachher.«
Isabella legte die Unterlagen auf eine kleine Bank neben Charlottes Eingangstür und verschwand anschließend in ihrem eigenen Haus. Sie versorgte Balu mit Futter und frischem Wasser, zog sich um und schwang sich schon kurz darauf auf ihr Fahrrad.
Frau Aufderheide war eine gute Bekannte von ihr und vor einiger Zeit in ein kleines Apartment im neu gebauten Seniorenzentrum in der Siedlung nahe dem Industriegebiet gezogen. Isabella wollte sich die Räume ansehen und sich bei Anna Aufderheide erkundigen, wie es ihr dort ergangen war. Die Residenz bot alles, was für Senioren wichtig war: ebenerdige Duschen, Aufzüge, behindertengerechte Wege, automatische Türen, und auf Wunsch stand qualifiziertes Pflegepersonal immer bereit.
Mit einem üppigen Blumenstrauß in der Hand betrat Isabella Steif die Anlage und ging zielstrebig zur Tür Nummer drei, die zur Wohnung von Anna Aufderheide gehörte. Anna hatte zur Begrüßung Häppchen gemacht, und wenig später saßen die beiden Frauen gemütlich zusammen und unterhielten sich vergnügt.
»Du hast es ja wunderbar getroffen, Anna«, stellte Isabella fest, die das Appartement ebenfalls gut fand. »So etwas wäre vielleicht auch was für mich, wenn ich mal auf die achtzig zugehe. Irgendwann werde ich sicher auch auf Unterstützung angewiesen sein.«
Anna lachte. »Du bist doch so rege, du scheinst gar nicht mehr älter zu werden«, widersprach sie und fügte hinzu: »Außerdem hast du dein Haus und den Garten. Falls du doch irgendwann Hilfe brauchst, kannst du immer noch einen mobilen Pflegedienst engagieren.«
»Stimmt«, räumte Isabella ein. »Aber du hättest ja auch bei euch auf dem Hof bleiben können. Warum hast du dich hier eingemietet?«
»Eingemietet? Ich habe die Wohnung als Geldanlage gekauft«, protestierte die Bäuerin. »Und da sie mir nun einmal gehört, will ich auch wissen, wie es sich hier wohnt. Ich bin echt begeistert, und den Hof kann ich besuchen, sooft ich will.«
»Das ist auch wieder wahr«, sagte Isabella. »Aber so viel Geld habe ich nicht auf der hohen Kante, dass ich mir neben dem Haus zusätzlich noch eine so komfortable Eigentumswohnung leisten könnte.«
Anna schmunzelte. »Nur kein Neid. Wer hat, der hat.«
Isabella Steif war gerade gegangen, als bei Anna das Telefon klingelte. »Frau Aufderheide?«, raunte eine Frauenstimme verschwörerisch am anderen Ende der Leitung.
Anna erkannte weder die Anruferin noch die Nummer und fragte daher: »Ja, wieso?«
»Sie müssen vorsichtig sein. In Ihrer Anlage treibt eine Diebesbande ihr Unwesen, die es auf die Wertgegenstände der Bewohner abgesehen hat.«
»Wertgegenstände? Wer sind Sie denn?«, erkundigte sich Anna Aufderheide beunruhigt.
»Ich bin von der Münsteraner Polizei. Uns liegen Erkenntnisse vor, dass bei Ihnen eingebrochen werden soll.«
»Aber warum, wieso …«, stotterte Anna, die sofort an ihre Halskette griff, die ihr Mann ihr einst geschenkt hatte.
»Suchen Sie Ihre Sachen zusammen und bringen Sie sie an einen sicheren Ort«, fuhr die ominöse Stimme in eindringlichem Ton fort. »In Ihrer Anlage sind Diebe am Werk.«
Annas Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ihr wurde schlecht und sie ließ den Hörer auf die Gabel fallen. Sofort klingelte es erneut. »Frau Aufderheide, packen Sie Ihre Sachen ein und übergeben Sie sie mir.«
»Aber wann denn, wieso denn?« Anna fühlte Schwindel in sich aufsteigen.
»Am besten sofort«, erwiderte die Stimme. »Beeilen Sie sich. Ich warte im Park auf Sie, bei den Bänken hinter dem Gebüsch. In der Anlage darf mich niemand sehen, meine Uniform würde mich verraten.«
Anna raffte sich auf und stöhnte. »Was soll ich mitbringen?«
»Alles, was Sie an Wertgegenständen besitzen, Bargeld, Schmuck, teure Vasen«, antwortete die Frau und raunte zum Schluss: »Zu keinem ein Wort! Verstanden?«
»Ja«, hauchte Anna geplättet, legte auf und sank völlig erschöpft und verängstigt in ihren Lieblingssessel. Sollte sie wirklich ihr ganzes Geld in den Park bringen? Zum Glück hatte sie fast all ihren Schmuck beim Umzug gar nicht mitgenommen und in ihrem Zimmer auf dem Bauernhof gelassen. Vorsichtig stand sie auf und sah aus dem Fenster.
Da klingelte es schon wieder. Auf dem Display erkannte Anna jetzt allerdings die Hundertzehn der Polizei. Wie in Trance nahm sie den Hörer ab. »Frau Aufderheide, Sie müssen sich beeilen, wir vermuten, dass die Diebe heute Nacht zuschlagen werden und bereits in der Siedlung unterwegs sind.« Die Stimme der Frau war so eindringlich, dass es Anna glatt den Atem verschlug. Schnaufend und wankend legte sie auf. Ihre Hände zitterten, als sie ihr Portemonnaie holte und in die Tasche steckte. Hastig zog sie ihren Mantel an und ging hinaus. Sie verschloss die Wohnung gründlich und sah sich auf dem Flur immer wieder ängstlich um. Niemand zu sehen.
Unterwegs tastete sie nach dem Diamantring an ihrer Hand, den ihr Mann ihr zum Hochzeitstag geschenkt hatte. Den wollte sie keinesfalls abgeben. Sie streifte ihn ab und steckte ihn zu der Geldbörse in die Tasche. Unbehelligt erreichte sie den Park. Wie versprochen wartete die Polizistin dort bereits auf sie. Fesch sah sie aus in der Uniform und mit der schicken Polizeimütze, unter der ihr blondes Haar hervorguckte. Glücklich, dass die junge Frau die Wahrheit gesagt hatte, ging Anna auf sie zu. »Haben Sie bei mir angerufen?«, fragte sie leise.
»Schön, dass Sie sich so beeilt haben, Frau Aufderheide«, antwortete die Uniformierte freundlich, holte eine Karte mit Polizeiemblem hervor und murmelte ihren Namen, den Anna in all der Aufregung aber nicht verstand.
»Wer sind denn die Leute, die bei mir einbrechen wollen?«, wollte Anna wissen. »Ich habe niemanden gesehen.«
»Die gehen sehr geschickt vor«, antwortete die Polizistin leise und fragte: »Haben Sie Ihre Sachen dabei?« Anna zog ihr Portemonnaie aus der Tasche und gab es ihr. Sie schaute in die Börse, die 270 Euro enthielt, weil Anna am Tag zuvor noch bei der Bank gewesen war, und fragte: »Haben Sie Ihre Bankkarte auch dabei?«
»Die brauche ich doch«, wehrte Anna ab.
»Keine Sorge, ich überprüfe sie nur schnell und heute Abend bekommen Sie sie zurück. Auch bei den Banken gab es Unregelmäßigkeiten.« Nach kurzem Zögern überreichte Anna ihr schließlich die Karte, dann umarmte die Polizistin sie herzlich, wobei ihre Hände sanft über ihren Mantel glitten. »Sie können jetzt beruhigt heimgehen. Heute Abend treffen wir uns an der Kirche.«
Sie hatte es kaum gesagt, da verschwand sie auch schon eilig durchs Gebüsch und war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Mit einem merkwürdigen Gefühl und klopfendem Herzen ging Anna nach Hause. Immer wieder sah sie sich um. Ob die Diebe trotzdem in ihre Wohnung eindringen würden? Das ungute Gefühl ließ sie bis zum Abend nicht los. Erst als sie später an der Kirche wie versprochen von der Polizistin ihre Bankkarte zurückerhielt, legte sich ihre Unruhe allmählich. Trotzdem war Anna die Freude über ihre neue Wohnung gründlich vergangen.
Es war schon Mittag, als Isabella Steif wieder zu Hause war. Nach den leckeren Häppchen bei Anna hatte sie kaum Hunger, daher machte sie sich nur eine Hühnerbrühe und wollte nach dem Essen gerade ihren Mittagsschlaf machen, als ihre ehemalige Kollegin Irmgard Wiechert anrief. Irmgard war mit einem Hotelier in Bad Rothenfelde verheiratet, und Isabella hatte in dem familiär geführten Hotel schon oft einige Tage verbracht.
»Irmgard, wie schön, dass du anrufst«, begrüßte Isabella sie freundlich. »Was gibt es denn?«
»Ich wollte dich einladen«, erklärte Irmgard. »Wir haben renoviert und wegen einiger Restarbeiten momentan nur wenige Gäste.«
»Oh, wie spannend! Bei uns ist auch so einiges los. Wir stecken gerade mitten in den Vorbereitungen für unseren Erntedankumzug«, erklärte Isabella.
»Ein Umzug zum Erntedankfest? Das habe ich noch nie gesehen. Wie läuft sowas ab?«, wollte Irmgard wissen.
»Wie ein Karnevalsumzug, Blaskapellen, bunt gekleidete Menschen in Fußgruppen und viele Wagen, die alle ein bestimmtes Motto und eine dazu passende Gestaltung haben. Die Figuren aus Styropor oder Holz werden mit Blüten bestückt, vorzugsweise Dahlienblüten oder Sonnenblumen. Manche Wagen werden auch mit Körnern, Obst oder Gemüse gestaltet, eben alles, was mit der Ernte und der Landwirtschaft zu tun hat.«
»Das stelle ich mir wunderschön vor. Und was machst du da?«, fragte Irmgard interessiert.
»Ich bin bei den Landfrauen«, antwortete Isabella. »Wir fertigen einen Wagen mit einem riesigen Marienkäfer aus Dahlienblüten und binden den Erntekranz, der den ersten Wagen schmückt. Zudem bilden wir zusätzlich eine Fußgruppe in nostalgischen Kostümen, die früher zur Ernte angezogen wurden.«
»Dann hast du ja gar keine Zeit. Schade«, bedauerte Irmgard.
»Wann sind eure Zimmer denn fertig?«, fragte Isabella. »Ein paar Tage ausspannen täte mir schon gut.«
»Du könntest unsere neuen Zimmer sofort testen. Ich mache dir einen guten Preis, und du kannst gerne auch deinen Hund mitbringen«, bot Irmgard an.
Isabella lachte. »Bei so einem Angebot sage ich nicht Nein. Kann meine Schwester mitkommen?«
»Gerne. Wie wäre es von morgen Mittag bis Freitag?«
»Morgen schon«, rief Isabella überrascht aus, fügte aber sofort hinzu: »Das geht für mich in Ordnung. Ich frage meine Schwester und rufe dich heute Abend zurück.«
»Wunderbar«, antwortete Irmgard, als Isabella im Hintergrund mehrere Stimmen durcheinanderrufen hören konnte. »Isabella, ich muss Schluss machen, die Handwerker brauchen mich. Bis nachher.«
Isabella freute sich, und der Mittagsschlaf war gestrichen, denn sie sah gleich im Schrank nach, was sie für die Tage in Bad Rothenfelde mitnehmen wollte. Da passte es gut, dass sie sich ohnehin mit Charlotte treffen wollte. So konnte sie ihre Schwester sofort fragen, ob sie mitwollte.
Natürlich stand sie Punkt zwei Uhr nebenan auf der Matte, um Charlotte über die Neuigkeiten zu informieren. »Drei Übernachtungen? Von Dienstag bis Freitag?«, fasste Charlotte zusammen und nickte. »Das kommt mir richtig gut gelegen. Erholung mit Salinenspaziergängen und Solebad tut immer gut. Dann bin ich richtig fit, wenn ich am Samstag in Münster auf meine Enkelkinder aufpassen muss.«
»Dann wäre das geklärt«, freute sich Isabella und blickte auf die Unterlagen, die Charlotte auf dem Küchentisch ausgebreitet hatte. »Und nun erzähle mir bitte, was du über die Anlagemöglichkeiten herausgefunden hast.«
»Das ist so kompliziert«, stöhnte Charlotte. »Erst muss ich noch all die Papiere durcharbeiten, die mir Herr Bäumer mitgegeben hat.«
Isabella sah ihre Schwester mit großen Augen an. »Herr Bäumer? Ist das der neue Finanzberater?«
»Ganz neu ist er wohl auch nicht mehr«, berichtete Charlotte. »Er hat mir gesagt, dass er schon vor sechs Monaten hier in der Filiale angefangen hat.«
»Wie sieht er denn aus?«
»Schlank, etwas größer als ich«, gab Charlotte an. »Dunkle Haare und eine randlose Brille, sehr sympathisch.« Gerade als Isabella sich dazu äußern wollte, fügte sie hinzu: »Ach ja, und an der linken Hand oberhalb des kleinen Fingers hat er einen Leberfleck, ungefähr so groß wie eine Centmünze. Es ist mir aufgefallen, als er mir die Papiere überreichte.«
»So genau hast du ihn dir angesehen?«
»Ich will doch wissen, mit wem ich es zu tun habe«, antwortete Charlotte.
»An den kann ich mich nicht erinnern«, erklärte Isabella mit einem Schmunzeln angesichts Charlottes detailreicher Beschreibung. »Kein Wunder, denn ich mache alle Überweisungen online und war schon lange nicht mehr in der Bank. Nur hin und wieder hole ich Geld am Automaten.«
»Das geht mir genauso«, antwortete Charlotte. »Herr Bäumer hat mich aber gut informiert, und weil ich so unsicher war, welche Anlage ich wählen sollte, hat er mir die Unterlagen mitgegeben.«
»Dann lass mal sehen, was er dir so vorgeschlagen hat«, sagte Isabella, und nun drehte sich die Unterhaltung um die passende Kapitalanlage und Dinge wie Zinsrendite.
Als sie alles ausgiebig diskutiert hatten, legte Charlotte die Papiere zur Seite und sagte: »Nun will ich endlich erfahren, wie die Wohnung von Anna war? Hat sie dir gefallen?«
»Sehr schick«, erklärte Isabella. »Stell dir vor, Anna hat sie gekauft. Als die Wohnungen im vorigen Jahr angeboten wurden, kostete schon die kleinste mit 50 Quadratmetern 200.000 Euro. Annas Wohnung hat 65.«
»Der Hof Aufderheide war einer der größten im Umkreis«, meinte Charlotte. »Zehn Hektar sind allein für das neue Baugebiet von der Stadt gekauft worden, da hat die Familie sicher einige Millionen gemacht, denn auch die Grundstücke der Gärtnerei sind Teil des Hofes gewesen und wurden von dem Besitzer Herrn Grünwald gekauft.«
Isabella nickte zustimmend. »Genau, da hat Anna sicher ein schönes Polster, das sie ihren Kindern hinterlassen kann.«
»Ich gönn es ihr, sie hat ihr Leben lang hart gearbeitet«, antwortete Charlotte. »Die Grundstücke haben sie erst vor zehn Jahren verkauft, das war für die Familie sicherlich wie ein Lottogewinn. Da war Anna bereits in Rente und hatte mehrere Enkelkinder.«
»Sie ist die schlichte und ehrliche Frau geblieben, die sie schon immer war«, sagte Isabella. »Wir haben uns sehr nett unterhalten. Sie will einen Wagen für das Erntedankfest sponsern. Ihr Sohn Hubert fährt den Traktor. Der Wagen wird auf dem Hof gebaut und mit Tausenden Dahlien geschmückt sein.«
»Die Blumen werden in diesem Jahr auf dem Hof Baumstroh und beim Hofladen Kottenbaak angebaut und auch verkauft«, berichtete Charlotte. »Ehrenamtliche Mitarbeiter aus dem ganzen Ort übernehmen die Pflege.«
»Ich war schon am Feld und habe die Farbenpracht bewundert, die ersten Blüten haben sich schon geöffnet. Ich helfe beim Binden der Erntekrone auf dem Hof Gerstland mit, willst du auch mit anpacken?«
»Ja sicher.« Isabella nickte. »Ich kann die Ährenbüschel für die Laternen am Straßenrand übernehmen.«
»Na wunderbar, dann gehen wir da zusammen hin«, freute sich Charlotte und fragte anschließend: »Gehst du gleich mit Balu raus? Ich würde gern mitkommen.«
»So um vier Uhr«, antwortete Isabella und stand auf. »Vorher muss ich noch in den Hofladen. Mir fehlen die Eier für den Kuchen und auch sonst noch so einiges.«
»Alles klar, dann bis später«, verabschiedete sich Charlotte, gerade als das Telefon schrillte. »Das werden die Zwillinge sein. Sie waren gestern zum ersten Mal mit der Schule für eine Nacht im Heuhotel. Das war Teil einer Projektwoche, um den Kindern die Arbeit auf dem Bauernhof näherzubringen.«
»Schlafen im Heu, das hat den Kindern bestimmt gut gefallen«, meinte Isabella schmunzelnd und machte sich auf zum Hofladen, während Charlotte schon ihre Enkelkinder am Telefon begrüßte.
Am Nachmittag wanderten die beiden Schwestern gemütlich den schmalen Weg entlang, der durch Felder und Wiesen direkt zum Gestüt führte. Isabella hatte ihrem Hund die Leine abgenommen, und Balu tobte begeistert auf den abgeernteten Feldern herum.
»Hast du schon gehört, dass die Kornfläche, die Bauer Gerstland extra für unser Erntefest stehen gelassen hat, dem Mähdrescher zum Opfer gefallen ist?«, fragte Isabella ihre Schwester. »Frau Kottenbaak hat mir erzählt, dass der Lohnunternehmer eigentlich einen Streifen Roggen stehen lassen sollte, es aber vergessen hat. Die Landjugend wollte dort wie früher mit dem Selbstbinder das Korn schneiden, um genügend Material für unseren Erntekranz zu bekommen.«
»Aber Frau Gerstland hat mir doch versichert, es sei ausreichend Stroh für den Kranz vorhanden«, wandte Charlotte ein.
»Aber nur, weil Kottenbaaks noch nicht gedroschen hatten und einen Streifen ihres Feldes zur Verfügung gestellt haben«, entgegnete Isabella.
Charlotte lächelte versonnen. »An die Ernte von früher kann ich mich noch gut erinnern«, erzählte sie. »Der Bauer fuhr mit dem Traktor, an dem der Selbstbinder angekoppelt war, Reihe um Reihe über das Feld, und die gebundenen Garben purzelten hinten heraus. Die Frauen und Männer haben sie zu Richten aufgestellt, und erst nach einigen Tagen wurde das Korn eingefahren.«
»Die Frauen trugen Schlapphüte zum Schutz vor der Sonne«, steuerte jetzt Isabella ihre Erfahrungen bei.
Charlotte lachte. »Heute kann man die Dinger fast nur noch im Museum bestaunen.«
»Schade«, antwortete Isabella. »Wahrscheinlich denkt Anna oft an die alten Zeiten, als sie jung war und beim Aufstellen der Garben geholfen hat. Deshalb will sie die Kosten für einen bunt gestalteten Wagen übernehmen. Beim Schmücken wollen alle Bewohner des Seniorenheims tatkräftig mithelfen.«
»Das ist doch wunderbar«, warf Charlotte ein, bevor Isabella ergänzte: »Die meisten Leute dort sind im Grunde noch sehr fit.« Sie pfiff ihren Hund herbei und leinte ihn wieder an. Die beiden Frauen passierten das Gestütsgebäude und nahmen den Wanderweg Richtung Lindenhof, der direkt am Wald vorbei bis zur Münsterlandstraße führte.
Als sie den Radweg an der Straße erreicht hatten, entdeckte Isabella in einiger Entfernung und gut versteckt von Gesträuch einen Streifenwagen. »Unsere Polizei macht Fotos«, sagte sie und zeigte mit der Hand auf die Stelle, wo die Beamten den Blitzer aufgebaut hatten.
»Deshalb fahren die Autos so moderat«, erwiderte Charlotte. »Ich habe mich schon gewundert, weil gerade um diese Zeit alle hier eigentlich immer ordentlich aufs Gas treten.«
»Die Leute kommen von der Arbeit und wollen schnell nach Hause«, entgegnete Isabella.
»Dann müssen sie eben bezahlen«, stellte Charlotte mit einem Grinsen fest. »Aber wie es aussieht, sind die meisten ohnehin vorgewarnt worden.«
Isabella zuckte gleichmütig mit den Schultern, zog Balu von einer weggeworfenen Pappschale weg, in der noch die Reste von einer Currywurst zu sehen waren, und fragte: »Sollen wir einen Abstecher zum Hof Gerstland machen? Ich möchte mir mal ansehen, wo wir den Erntekranz binden.«
»In der Scheune, wo sonst«, entgegnete Charlotte. »Dafür mache ich jetzt keinen Umweg. Wir sind schon zwei Stunden unterwegs, und ich bin heute Abend mit Laura im Fitnessstudio verabredet. Außerdem muss ich noch meine Sachen für unsere Urlaubstage zusammensuchen.«
»Du hast recht, es ist schon gleich achtzehn Uhr. Lass uns heimgehen«, sagte Isabella. »Ich muss auch noch meinen Koffer packen.«
»Ich freu mich schon auf die Tage in Bad Rothenfelde«, sagte Charlotte.
»Und ich finde es super, dass wir Balu mitnehmen können«, warf Isabella glücklich ein.
Kurz vor sieben Uhr fuhr Charlotte mit dem Rad zum Fitnessstudio. Sie nahm die Abkürzung quer durch den Park, an der Kirche vorbei und direkt zur Hauptstraße.
Vor der Kirche sah sie eine junge Frau in Polizeiuniform, die mit einer älteren Dame sprach. Verwundert blickte sie sich noch einmal um. Die ältere Frau hatte ihr den Rücken zugekehrt, aber Charlotte hätte schwören können, dass es sich um Anna Aufderheide handelte. Was hatte Anna mit der Polizei zu tun? Und seit wann gab es hier im Ort eine Polizistin? Im Studio angekommen, sprach sie mit Laura Sundermann über ihre merkwürdige Beobachtung.
»Eine Polizistin? Hier bei uns?« Laura zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war es eine Bekannte oder Verwandte der alten Dame, die in Münster beim Präsidium arbeitet. Oder unser Hauptkommissar hat eine neue Anwärterin.«
»Das kann natürlich auch sein«, pflichtete ihr Charlotte bei, bevor sie sich anderen Themen zuwandten. Es war kurz nach zehn Uhr, als Charlotte und Laura sich schließlich voneinander verabschiedeten.
Charlotte radelte langsam die Hauptstraße entlang. Die Straße runter konnte sie die hölzerne Fassade von Ilkas Kiosk erkennen, ansonsten war alles still. Doch plötzlich hörte sie ein Geräusch wie von berstendem Glas und ein lautes Scheppern. Erschrocken hielt sie an, blickte sich um und stieg mit heftig klopfendem Herzen vom Rad. Da war doch etwas passiert, oder? Ein Auto rollte langsam an ihr vorbei. Der Fahrer schien nichts bemerkt zu haben.
Charlotte schaute sich erneut um und überquerte nervös die Straße. Nirgends war etwas Auffälliges zu sehen und alles war wieder ganz still. Trotzdem vergewisserte sie sich genau, ob jemand in der Nähe war. Nichts zu sehen.
Sie musste nach Hause, und zwar schnell. Wie auf der Hinfahrt radelte sie eilig an der Kirche vorbei zum Stadtpark. Hinter ihr jaulte plötzlich ein Motor laut auf, und einen Augenblick später sauste ein Moped so dicht an ihr vorbei, dass es den Lenker ihres Fahrrads streifte. Charlotte wäre fast gestürzt, konnte aber das Rad gerade noch halten, sprang dann verärgert ab und schimpfte: »Idiot!«
Schlagartig war ihre Angst verflogen und hatte sich in Ärger verwandelt. Eilends stieg sie wieder auf den Sattel und setzte ihren Weg fort. Sie hatte sich allerhand Einzelheiten gemerkt, anhand derer sie die Maschine und den Fahrer wiedererkennen konnte. Sollte sie damit zur Polizei?
Nein, auf keinen Fall! Schließlich warteten drei Tage Relaxen und Massage in Bad Rothenfelde auf sie. Also fuhr Charlotte nach Hause und nahm sich vor, das Ganze zu vergessen und auch Isabella vorerst nichts davon zu erzählen.
Am Dienstagmorgen um acht Uhr starteten Isabella und Charlotte mit Balu in ihre kleine Auszeit und machten sich auf den Weg nach Bad Rothenfelde. Dort angekommen, konnten sie zügig ihre Zimmer beziehen, die sehr komfortabel waren, und schon wenig später wanderten sie an den Salinen entlang.
In der Polizeistation von Oberherzholz herrschte an diesem späten Montagnachmittag himmlische Ruhe. Hauptkommissar Burghard Meier sah gähnend aus dem Fenster und sehnte den Feierabend herbei. Sein Kollege Dietmar Frisch las sich derweil im Internet die aktuellen Fahndungsersuchen durch. »Die sind alle weit weg von uns. Hier ist alles friedlich«, verkündete er.
»Gott sei Dank, ich will pünktlich Feierabend machen«, schnaubte Meier.
»Das ist noch eine gute Stunde hin«, bemerkte Frisch. »Sollten wir nicht vorher noch ein bisschen Geld eintreiben? Jetzt kommen die Leute von der Arbeit, da wird auf der Münsterlandstraße ganz schön gerast.«
»Wenn du meinst, schaden kann es nicht«, lenkte Meier ein, und die beiden machten sich auf den Weg. Ungefähr zur gleichen Zeit, als Steif und Kantig ihren Spaziergang machten, bauten sie in der Nähe vom Lindenhof einen Blitzer auf und stellten den Streifenwagen gut versteckt hinter einem Gebüsch am Straßenrand ab. Etliche Fahrzeuge tappten in die Falle und bescherten ihnen eine gute Ausbeute.
»Ich möchte wirklich mal wissen, warum die Leute um diese Zeit immer so rasen müssen«, sagte Meier mit einem Kopfschütteln, als die beiden Polizisten kurz nach sechs ihre Messstation wieder abbauten.
»Es ist Feierabend, da wollen alle Leute schnell heim, und wir sind schon wieder eine halbe Stunde drüber«, antwortete Frisch kurz angebunden. »Ich habe meiner Frau versprochen, heute ganz pünktlich zu Hause zu sein. Jetzt wird wieder nichts draus, verdammt!«
»Nun beruhige dich mal«, fuhr Meier ihn an. »Schließlich war es deine Idee.«
»Stimmt schon, aber als ich vorhin um halb sechs Schluss machen wollte, hattest du was dagegen«, maulte Frisch.
»Heul doch«, brummte Meier. »Ich bin auf jeden Fall mit unserer Ausbeute zufrieden.«
Am Dienstagmorgen war Meier wie immer um Punkt neun Uhr im Büro, aber sein Kollege war zu seinem Ärger noch nicht da. Kaum hatte er seinen PC gestartet, klingelte das Telefon und eine aufgeregte Frauenstimme drang aus dem Hörer.
»Bitte langsam und deutlich«, unterbrach Meier das Geplapper. »Wo sind Sie? Was ist passiert?«
»Der Kiosk an der Hauptstraße. Bei mir wurde eingebrochen«, brachte die Frau gerade so zustande.
»Ich bin schon unterwegs«, sagte Meier und warf den Hörer auf die Gabel.
Auf dem Weg nach draußen kam ihm Kommissar Frisch entgegen. »Wir müssen los, Dietmar, komm«, rief Meier ihm zu, und Sekunden später brauste der Streifenwagen vom Parkplatz.
Beim Kiosk kam ihnen die Inhaberin schon entgegen.
»Sehen Sie sich dieses Chaos an«, schimpfte Ilka Buchenhöfer. »Nicht genug, dass diese Idioten die Scheibe eingeschlagen haben, sie haben auch noch die Tür aufgebrochen und dabei das ganze Holz zersplittert! Wo kriege ich denn auf die Schnelle eine neue Tür her?«
»Nun beruhigen Sie sich erst mal, Frau Buchenhöfer«, beschwichtigte Meier, während Frisch schon eifrig Fotos machte.
»War die Tür abgeschlossen?«
»Ja, natürlich«, regte sich die Besitzerin auf. »Hier ist doch kein Selbstbedienungsladen.«
Meier holte tief Luft und setzte seine Befragung fort: »Was ist denn gestohlen worden? Haben Sie schon einen Überblick?«
»Alle Zigarettenstangen sind weg, und die Püllekes.«
»Püllekes?«, hakte Frisch verdutzt nach.
»Diese kleinen Glasfläschchen mit klarem Korn und Feigenschnaps.«
»Und die Kasse?«, wollte Meier wissen.
»Die Kasse war leer«, gab Frau Buchenhöfer an. »Ich bringe den Inhalt abends immer direkt zur Bank, und das Wechselgeld nehme ich mit nach Hause.«
»Dann hält sich der Schaden doch in Grenzen«, murmelte Meier.
»In Grenzen? Wissen Sie eigentlich, was eine Stange Zigaretten kostet?«, protestierte Frau Buchenhöfer. »Und ein kompletter Satz dieser Miniflaschen ist auch nicht billig. Alles weg!«
»Wie hoch schätzen Sie den Verlust?«, erkundigte sich Meier schnell, bevor die Kioskbesitzerin sich noch mehr in Rage reden konnte.
»Zwei- oder dreitausend Euro auf jeden Fall, allein schon wegen der zerstörten Tür. Den genauen Wert muss ich erst noch errechnen«, erklärte die Kauffrau. »Ich hatte für die Herbstwoche und den Erntedankumzug schon alles vorbestellt. Da läuft der Laden immer am besten.«
»So viel ist das doch nun auch wieder nicht«, wandte Meier begütigend ein.
»Nicht viel? Für mich ist das eine ganze Menge. Ich bin auf jeden Cent angewiesen!«, empörte sich Frau Buchenhöfer. »Außerdem kann ich die Ware jetzt nicht mehr verkaufen!«
»Es sind ja noch fast drei Wochen hin zum Erntedankfest, da können Sie doch erneut bestellen«, versuchte Meier, sie zu besänftigen.
»Ach, und wer bezahlt das?«, schnaubte die Geschäftsfrau verärgert.
Während Meier sich mit der wütenden Inhaberin herumschlug, hatte Frisch mit behandschuhten Händen den Kiosk nach Spuren abgesucht, Fotos gemacht und Fingerabdrücke gesichert. Die leeren Flaschenregale und auch die Kiste unter dem Tisch, in der gewöhnlich die Zigaretten aufbewahrt wurden, nahm er besonders genau unter die Lupe. Als er damit fertig war, ging er hinaus und sah sich draußen um.
Ein Pflasterstein lag neben dem Kiosk im Gras. Frisch betrachtete ihn eingehend und war sicher, dass damit die Scheibe eingeschlagen worden war, weil winzige Glassplitter daran hafteten. Vielleicht waren auch noch DNS-Spuren des Täters vorhanden. Er holte eine Plastiktüte aus dem Streifenwagen und packte den Stein ein. In einer Hand den Stein und in der anderen die Kamera, ging er suchend um das kleine Häuschen herum, dann hörte er die aufgeregte Stimme des Hauptkommissars, der nach ihm rief.
Hastig drehte er sich um, blieb dabei jedoch mit dem Fuß an der Bank hängen, die direkt neben ihm stand, verlor den Halt und fiel der Länge nach hin.
»Scheiße«, entschlüpfte es ihm, denn sein rechtes Bein war unsanft auf einem Findling aufgeschlagen, der an einer Ecke des Kiosks lag.
Unbeholfen zog er sich an der Bank hoch. Ein stechender Schmerz durchzuckte sein Bein, und er musste sich erst mal setzen, denn urplötzlich drehte sich alles in seinem Kopf.
Just in diesem Moment kam Hauptkommissar Meier um die Ecke. »Dietmar, was sitzt du da herum, wir müssen weiter«, fuhr er seinen Kollegen verärgert an. »Ich bin sicher, dass es sich bei den Dieben nur um ein paar Jugendliche handelt, die mal ordentlich einen draufmachen wollten. Wir erkundigen uns in den umliegenden Häusern, vielleicht hat jemand in der Nacht etwas beobachtet.« Erst da bemerkte Meier die Kamera auf dem Boden und hob sie auf. »Hast du etwa die Kamera fallen lassen?«, fragte er und blickte seinen Kollegen böse an. »Du bist ja ganz bleich, ist was passiert?«
»Mein Bein, ich glaube, ich habe mir was gebrochen«, stieß Frisch mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Was hast du denn gemacht?«
»Ich bin gestolpert und …« Frisch hielt inne, sog zischend die Luft ein und deutete auf den Stein, den er eingetütet hatte. »Damit wurde die Scheibe eingeschlagen, es sind noch Glassplitter dran.«
Meier hatte gar nicht richtig zugehört und sagte nur: »Das Bein ist doch nicht gebrochen. Lass mal sehen.« Ohne Vorwarnung hob er das Bein seines Kollegen an, und Frisch schrie laut auf. »Lass los, du Idiot. Das tut weh.«
»Stell dich nicht so an«, grunzte Meier. »Du hast dir den Knöchel verstaucht. Da kommt eine elastische Binde drum und gut ist.«
»Hahaha«, presste Frisch mit schmerzverzerrtem Gesicht heraus. »Ruf den Krankenwagen.«
»Blödsinn«, erwiderte Meier und winkte ab. »Ich stütze dich, bringe dich zum Wagen und fahre dich zum Arzt.«
»Na gut«, stieß Frisch ermattet hervor, biss erneut die Zähne zusammen und ließ sich von seinem Kollegen zum Auto schleppen. Meier sammelte noch schnell den Stein und die Kamera ein und brachte Frisch anschließend in die Notaufnahme.
Danach fuhr er zurück zur Wache. Kaum eine halbe Stunde später erreichte ihn die Neuigkeit, dass bei Dietmar Frisch ein Wadenbeinbruch festgestellt worden war und der Kollege vorerst im Krankenhaus bleiben musste.
»Verdammt«, fluchte Meier leise vor sich hin, rief beim Polizeirat an und bat um Unterstützung, da Frisch sicher für längere Zeit ausfallen würde. Der Polizeirat war nur wenig begeistert und stöhnte: »Wissen Sie eigentlich, wie knapp wir momentan besetzt sind? Ich kann mir die Leute nicht aus den Rippen schneiden. Ein paar Tage müssen Sie schon allein zurechtkommen.«
»Das geht nicht, Herr Polizeirat. Gerade erst wurde beim Kiosk eingebrochen, und allein kann ich die Täter nicht fassen«, protestierte Meier, doch der Polizeirat vertröstete ihn.
»So gut, wie Sie bisher immer alle Fälle gelöst haben, werden Sie doch sicher mit einem Kioskdieb fertig«, sagte er. »Und ich sehe einmal nach, wo ich in den nächsten Tagen eine Unterstützung für Sie abziehen kann.«
Frustriert legte Meier auf und schrieb den Bericht über den Einbruch fertig. Dann stellte er erfreut fest, dass die Kamera den Sturz unbeschadet überstanden hatte, und sah sich in Ruhe die Fotos an.
Kurz vor Feierabend fuhr Meier mit dem Streifenwagen zum Krankenhaus und ließ sich an der Information die Zimmernummer von Dietmar Frisch geben. Der Kollege saß im Bett, den eingegipsten Fuß hochgelegt, und sah sich gerade die Achtzehn-Uhr-Nachrichten an.
»Burghard! Schön, dass du kommst«, freute sich Frisch, schaltete den Fernseher aus und fuhr fort: »Mann, ist das langweilig hier! Sobald ich wieder etwas besser laufen kann, komme ich zu dir auf die Wache.« Er deutete auf die beiden Gehhilfen neben seinem Bett. »Ist ein glatter Bruch, der heilt schnell, hat der Arzt gemeint. Aufstehen kann ich jetzt schon.«
»Das wäre wirklich gut«, antwortete Meier. »Du könntest das Telefon überwachen, und ich mache Außendienst.«
»Wunderbar«, entgegnete Frisch. »Hat der Polizeirat schon gesagt, wann du Ersatz bekommst?«
»Er hat behauptet, dass er keine Leute hat«, erwiderte Meier, der seinen Kollegen nachdenklich anblickte und dann fragte: »Jetzt mal was anderes. Gab es heute beim Kiosk noch etwas Ungewöhnliches, was mir entgangen ist?«
»Nicht, dass ich wüsste«, gab Frisch an. »Hast du dir die Fotos angesehen und die Fingerabdrücke überprüft? Der Stein muss auch ins Labor.«
»Den Stein muss ich noch wegbringen, aber die Fotos habe ich schon alle durchgecheckt«, erklärte Meier. »Die Fingerabdrücke sind alle von der Kioskbesitzerin.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Vera Frisch trat ein. »Ach, du hast schon Besuch«, begrüßte sie ihren Mann.
»Ich wollte gerade gehen«, sagte Meier und wandte sich noch einmal an seinen Kollegen: »Bis dann, Dietmar. Ich verlasse mich auf dich.«
Am Mittwochmorgen brachte Meier den gefundenen Gegenstand ins Labor, um ihn kriminaltechnisch untersuchen zu lassen. Gegen Mittag besuchte er erneut seinen Kollegen im Krankenhaus, dem es gar nicht mehr so gut ging wie am Tag zuvor, sodass die Unterstützung beim Telefondienst vorerst wohl gestrichen war.
Meier musste die nächsten Tage allein auf der Wache die Stellung halten. Er befragte die Anwohner in der unmittelbaren Umgebung des Kiosks und ärgerte sich maßlos, dass er in der Sache nicht weiterkam, denn niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Da nutzte es ihm auch nichts, dass inzwischen der Bericht der KTU vorlag. Mittwochabend und Donnerstagmorgen kamen noch zwei Autounfälle mit Blechschaden hinzu, und so steckte Meier den Rest der Woche bis über beide Ohren in Arbeit.
Am Donnerstagabend wanderten die Schwestern Steif und Kantig noch einmal gemütlich mit Balu an den Salinen entlang.
»Himmel, war das schön«, schwärmte Charlotte verzückt. »Das Hotel ist ja so hervorragend renoviert worden, ich kann gar nicht verstehen, wieso es so günstig war.«
»Den Spottpreis haben wir nur bekommen, weil wir die Zimmer testen sollten. Die Duschen, WLAN und überhaupt das ganze Drumherum, einschließlich der Verpflegung«, klärte Isabella sie auf. »Irmgard möchte, dass wir unabhängig voneinander eine gute Bewertung auf Tripadvisor oder bei Google abgeben.«
Charlotte lachte. »Davon hast du gar nichts gesagt, aber das Hotel hat ohnehin fünf Sterne verdient, auch ohne diesen günstigen Preis.«
»Dann ist doch alles in Ordnung«, sagte Isabella. Etwas unterhalb des höher gelegenen Fußwegs saß eine junge blonde Frau auf einer Bank und sprach in ihr Handy. Ihre Stimme konnte man oben noch gut hören. »Hört sich an, als hätte sie Streit mit jemandem«, vermutete Isabella. Charlotte sah jetzt auch zu der Frau hin, die so sehr mit ihrem Telefonat beschäftigt war, dass sie ihre Umgebung gar nicht mehr wahrzunehmen schien. »Ist das nicht Frau Engelsbach?«, fragte sie erstaunt.