Steif und Kantig ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Cosy-Crime-Reihe - Gisela Garnschröder - E-Book

Steif und Kantig ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Cosy-Crime-Reihe E-Book

Gisela Garnschröder

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Beschreibung

Regionalkrimis aus dem Münsterland – Die ersten drei Bücher der beliebten Reihe zum exklusiven Sonderpreis Band 1: Steif und Kantig Sie sind alt, aber nicht dumm, liebenswert, aber hart im Nehmen. Knapp über sechzig, frisch im Ruhestand und durch nichts zu erschüttern. Die Schwestern Isabella Steif und Charlotte Kantig, ehemalige Lehrerinnen und Fremdenführerinnen in ihrer Stadt, ermitteln in ihrem ersten Fall. Wo zum Donnerwetter ist der Tote geblieben, den Isabella in Charlottes Garten gesehen hat, und weshalb bewegen sich die Maispflanzen, wenn es windstill ist? Wie kommt die Leiche in Bauer Eschters Güllegrube, und warum legt sich ein Landarbeiter im Maisfeld zum Schlafen? Mit viel Energie und einer gewissen Portion Humor stürzen sich Steif und Kantig in die Ermittlungen.  Band 2: Kühe, Konten und Komplotte Bauer Kottenbaak liebt seine Kühe, aber noch mehr liebt er Krankenschwester Hermine. Als sie auf dem Radweg von einem Auto überfahren wird, erleidet er einen Schlaganfall. Kurz darauf stürzt Hermines Sohn Johannes von der Leiter und wird tot aufgefunden. Grund genug für Isabella Steif und Charlotte Kantig, sich ein wenig umzuhören. Die beiden alten Damen sind sich sicher: Hier hat jemand nachgeholfen! Sie ermitteln mit Hochdruck, aber erst, als Charlotte entführt wird, merken die Schwestern, dass sie auf der richtigen Spur sind. Band 3: Landluft und Leichenduft  Rund um Oberherzholz soll ein Windpark entstehen. Ein Projekt, das so manchem Anwohner die Wut zu Kopf steigen lässt. Erst fällt ein Reporter auf mysteriöse Weise von einem Strommast, dann stirbt ein weiterer Mann, der mit dem Projekt Windpark zu tun hatte. Die rüstigen Rentnerinnen Isabella Steif und Charlotte Kantig ahnen, dass da jemand nachhilft. Aber würden die Bauern, um deren Bauland es geht, so weit gehen und die Verantwortlichen ermorden? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Auch dieses Mal stecken die beiden Schwestern ihre Nasen ein bisschen zu tief in vermeintlich fremde Angelegenheiten.

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Steif und Kantig ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Cosy-Crime-Reihe

Gisela Garnschröder ist 1949 in Herzebrock/Ostwestfalen geboren und aufgewachsen auf einem westfälischen Bauernhof. Sie erlangte die Hochschulreife und studierte Betriebswirtschaft. Nach dem Vordiplom entschied sie sich für eine Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt. Immer war das Schreiben ihre Lieblingsbeschäftigung. Die berufliche Tätigkeit in der Justizvollzugsanstalt brachte den Anstoß zum Kriminalroman. Gisela Garnschröder wohnt in Ostwestfalen, ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Sie ist Mitglied bei der Krimivereinigung Mörderische Schwestern, beim Syndikat und bei DeLiA.

Steif und Kantig ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Cosy-Crime-Reihe aus dem Münsterland

Band 1: Steif und Kantig

Sie sind alt, aber nicht dumm, liebenswert, aber hart im Nehmen. Knapp über sechzig, frisch im Ruhestand und durch nichts zu erschüttern. Die Schwestern Isabella Steif und Charlotte Kantig, ehemalige Lehrerinnen und Fremdenführerinnen in ihrer Stadt, ermitteln in ihrem ersten Fall. Wo zum Donnerwetter ist der Tote geblieben, den Isabella in Charlottes Garten gesehen hat, und weshalb bewegen sich die Maispflanzen, wenn es windstill ist? Wie kommt die Leiche in Bauer Eschters Güllegrube, und warum legt sich ein Landarbeiter im Maisfeld zum Schlafen? Mit viel Energie und einer gewissen Portion Humor stürzen sich Steif und Kantig in die Ermittlungen. Band 2: Kühe, Konten und Komplotte

Bauer Kottenbaak liebt seine Kühe, aber noch mehr liebt er Krankenschwester Hermine. Als sie auf dem Radweg von einem Auto überfahren wird, erleidet er einen Schlaganfall. Kurz darauf stürzt Hermines Sohn Johannes von der Leiter und wird tot aufgefunden. Grund genug für Isabella Steif und Charlotte Kantig, sich ein wenig umzuhören. Die beiden alten Damen sind sich sicher: Hier hat jemand nachgeholfen! Sie ermitteln mit Hochdruck, aber erst, als Charlotte entführt wird, merken die Schwestern, dass sie auf der richtigen Spur sind.Band 3: Landluft und Leichenduft 

Rund um Oberherzholz soll ein Windpark entstehen. Ein Projekt, das so manchem Anwohner die Wut zu Kopf steigen lässt. Erst fällt ein Reporter auf mysteriöse Weise von einem Strommast, dann stirbt ein weiterer Mann, der mit dem Projekt Windpark zu tun hatte. Die rüstigen Rentnerinnen Isabella Steif und Charlotte Kantig ahnen, dass da jemand nachhilft. Aber würden die Bauern, um deren Bauland es geht, so weit gehen und die Verantwortlichen ermorden? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Auch dieses Mal stecken die beiden Schwestern ihre Nasen ein bisschen zu tief in vermeintlich fremde Angelegenheiten.

Gisela Garnschröder

Steif und Kantig ermitteln – Die ersten drei Bände der beliebten Cosy-Crime-Reihe

Zwei Schwestern ermitteln munter im Münsterland

Ullstein

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Sonderausgabe im Ullstein E-Book© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorinnenfoto: © Privat E-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-3111-9

Steif und Kantig. Zwei Schwestern ermitteln (Ein-Steif-und-Kantig-Krimi 1)Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Digitalverlagder Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2014© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014Kühe, Konten und Komplotte (Ein-Steif-und-Kantig-Krimi 2)Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Digitalverlagder Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Mai 2015 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Landluft und Leichendurft (Ein-Steif-und-Kantig-Krimi 3)Originalausgabe bei Midnight.Midnight ist ein Digitalverlagder Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin November 2015 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015

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Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

Steif und Kantig

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

Dank

Kühe, Konten und Komplotte

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

Landluft und Leichenduft

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

Anhang

Social Media

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Cover

Titelseite

Inhalt

Steif und Kantig

Steif und Kantig

1. Kapitel

Eine Taube gurrte in der hohen Buche, die über die Gartenhecke ragte. Gähnend stand Isabella Steif auf der kleinen Terrasse ihrer Doppelhaushälfte und machte ihre morgendlichen Gymnastikübungen. Das Gurren brachte sie aus dem Rhythmus. Verärgert klatschte sie kräftig in die Hände, um den Vogel zu vertreiben. Mit aufgeregtem Flügelschlag erhob sich das Tier, flog zur anderen Straßenseite hinüber und begann erneut mit seiner Morgenmusik.

»Blödes Vieh«, murmelte Isabella und schlurfte mit ihren Plüschpantoffeln ins Wohnzimmer zurück. Sie war noch im Schlafanzug und ging ins Bad. Als sie kurz darauf in der Küche stand, hatte sie ihr zerzaustes blondes Haar ordentlich gebürstet und zu einem Dutt hochgesteckt. Der Schlafanzug war Shorts und T-Shirt gewichen. Leise summend setzte Isabella die Kaffeemaschine in Gang. Sie holte ein Tablett aus dem Schrank, bestückte es mit Brot, Butter und einem Gedeck sowie Leberwurst und Käse aus dem Kühlschrank. Als Letztes stellte sie die Kaffeekanne darauf und brachte alles noch immer leise summend auf die Terrasse.

Sie hatte sich gerade ein Brot geschmiert, als sie nebenan auf der Terrasse etwas poltern hörte. »Lotte? Bist du das?«, rief sie, stand auf und ging bis zum Ende der geklinkerten Begrenzungsmauer, um in den Nachbargarten schauen zu können. Auf der angrenzenden Terrasse bot sich ein chaotisches Bild. Ein Stuhl war umgestürzt, und direkt daneben lag ein zerbrochener Blumentopf, dessen Inhalt sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. Die Terrassentür stand weit offen, und mit Kehrschüppe und Handfeger erschien eine etwas zerzauste dunkelhaarige Dame im Schlafanzug. »Lotte, was ist denn bei dir los?«, fragte Isabella und stieg über den niedrigen Zaun, der die Gärten teilte.

»Bella!«, rief die Dame entsetzt. »Musst du mich so erschrecken?«

»Wer erschreckt hier wohl wen?«, plusterte sich Isabella auf. »Du machst einen Lärm am frühen Morgen, dass ich schon dachte, es ist etwas passiert!«

»Das war nicht ich! Das war diese schreckliche Katze, die hier morgens ihr Geschäft in meinen Beeten verrichtet!«

»Und wieso ist dann der Blumenpott umgefallen?«

»Weil ich dieses Biest verscheucht habe!«

»Hast du etwa den Topf nach ihr geworfen?«

»Nein! Ich bin darüber gestolpert«, wurde Lotte nun lauter. »Und jetzt verschwinde. Ich hasse es, wenn schon am frühen Morgen jemand auf meiner Terrasse herumturnt.«

»Blöde Kuh!«, schnappte Isabella beleidigt und wandte sich zum Gehen. »Wenn du demnächst wieder einmal Lust hast, arme kleine Kätzchen zu jagen, dann bitte, wenn ich nicht da bin!« Ohne sich noch einmal umzusehen, stieg sie wieder über den Zaun und ging zu ihrem Frühstückstisch zurück. Nebenan wurde ziemlich laut aufgeräumt. Erst nach einigen Minuten war es wieder still.

Isabella konnte endlich in Ruhe ihr Frühstück genießen. Sie war kaum fertig und wollte sich gerade die letzte Tasse Kaffee einschenken, als es an der Haustür klingelte. Seufzend erhob sie sich und überlegte, wer denn zu solch früher Stunde störte.

Als sie die Tür aufriss, stand ihre Schwester davor. Sie wollte die Tür gleich wieder zuschlagen, doch die andere hatte den Fuß dazwischengesetzt.

»Charlotte? Was willst du denn jetzt noch?« Isabella war alles andere als begeistert. Dass sie erst vor Kurzem uneingeladen über den Zaun nach nebenan gestiegen war, ignorierte sie geflissentlich.

»Hast du noch ’nen Kaffee für mich?«, fragte Charlotte.

»Wieso? Bist du pleite?«

»Ich dachte, wo du sowieso schon draußen gedeckt hast, könnten wir zusammen frühstücken.«

»Ach. Und wenn ich allein sein will?«, fragte Isabella anzüglich.

»Stell dich mal nicht so an«, antwortete Charlotte und schob Isabella einfach zur Seite. »Jetzt wo du deinen Herbert erfolgreich unter die Erde gebracht hast, brauchst du unbedingt jemanden, der dir Gesellschaft leistet!«

»Und dazu suche ich mir ausgerechnet meine jüngere Schwester aus«, empörte sich Isabella und lief Charlotte hinterher, die schon durchs Haus nach draußen marschiert war.

»Du hast ja gar keine Brötchen!«, regte sich Charlotte auf, als sie den Frühstückstisch betrachtete.

»Aufgegessen. Ich ahnte, dass du kommst!« Isabella lachte grimmig.

»Egal«, sagte Charlotte und setzte sich. »Dein Vollkornbrot ist auch lecker.«

Ungefragt nahm sie sich Isabellas Tasse, schüttete sich den letzten Kaffee ein und begann ein Brot zu schmieren. Isabella sah ihr missbilligend zu, setzte sich ebenfalls wieder und überlegte, ob sie sich eine Zigarette anstecken sollte, denn das war das beste Mittel, um ihre Schwester erfolgreich zu vertreiben. Sie betrachtete Charlotte und stellte fest, dass der Schlafanzug einem schmuddeligen Shirt mit einer noch schmuddeligeren Hose gewichen war.

»Sag mal, ist deine Waschmaschine kaputt?«

Charlotte biss von ihrem Marmeladenbrot ab und sah ihre Schwester erstaunt an. »Wieso?«

»Guck doch mal, wie du aussiehst!«, empörte sie sich, »als wenn du geradewegs vom Kohlenschippen kämst.«

Charlotte kaute mit vollen Backen und sah an sich herunter. Sie zuckte die Schultern. »Will gleich in den Garten, die Beete machen. Da hab ich schon mein altes Zeug angezogen«, murmelte sie und kaute ungerührt weiter.

»Mit vollem Mund spricht man nicht!«, rügte Isabella. »Es ist schon unverschämt, dass du mit deiner dreckigen Hose auf meinen neuen Sitzbezügen Platz nimmst!«

»Nun stell dich mal nicht so an, das färbt nicht ab«, gab Charlotte zurück und trank seelenruhig ihren Kaffee. Bewundernd sah sie sich in dem kleinen Garten um.

»Wie machst du das nur, dass es bei dir nur so grünt und blüht. Und Unkraut hast du auch nicht in den Beeten. Und die Hecke erst! Geschnitten wie mit dem Lineal!«

Leicht geschmeichelt lächelte Isabella. »Ich bin eben nicht so verwöhnt worden von meinem Mann. Der Garten war immer mein Werk. Jetzt zahlt sich das aus!«

»Das wird schon noch anders«, war sich Charlotte sicher. »Schließlich ist Herbert erst ein halbes Jahr tot.«

»Dein Arnold war noch keine vier Wochen unter der Erde, da sah es bei dir schon aus, als würdest du in der Wildnis leben.«

»Mein Garten ist naturbelassen!«

»Ach. Aber die Kätzchen, die dürfen darin nicht spielen!«

»Du mit deinem Katzentick. Ich bin allergisch gegen Katzenhaare, das weißt du genau!«

»Das bildest du dir doch nur ein! Bei Papa konntest du vielleicht damit durchkommen, aber bei mir nicht!«

»Hack du nur auf mir herum, dabei habe ich eine tolle Idee, wie wir unsere langweiligen Tage ein wenig aufpeppen können.«

»Da bin ich aber gespannt«, frotzelte Isabella. »Bisher hast du dich ja nicht gerade durch Geistesblitze hervorgetan!«

»Was soll denn das nun wieder heißen? Ich habe genauso Lehramt studiert wie du!«

Isabella grinste boshaft. »Du bist über die Grundschullehrerin nie hinausgekommen. Ich habe als Studienrätin die Gymnasiasten unterrichtet!«

»Du sagst es. Die jungen Leute tun mir heute noch leid. Zum Glück bist du ja nun im Ruhestand!«, gab ihre Schwester ungerührt zurück. »Ich war bei den Kindern beliebt.«

»Wer’s glaubt!«

»Du bist doch nur neidisch!« Charlotte wischte sich den letzten Brotkrümel vom Mund, spülte mit Kaffee nach, stand auf und wandte sich zum Gehen.

»Du hattest doch von einer Idee gesprochen. Was meintest du damit?«, erinnerte Isabella sie an ihre vorherigen Worte.

»Ich muss erst meinen Garten auf Vordermann bringen«, erklärte Charlotte kategorisch und ging durchs Haus davon.

»Warte«, rief Isabella ihr nach. Charlotte kam zurück und steckte den Kopf durch die Tür. »Ist noch was?« Ein hintergründiges Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

»Ich helfe dir im Garten, und du erzählst mir von deiner Idee!«

»Na, das ist ein Wort!« Charlotte lachte. »Hol deine Gartenhandschuhe und die Hacke und komm!«

Durch Isabellas Mithilfe war der Garten schnell in Ordnung gebracht, und sie machten es sich zum Abschluss auf Charlottes Terrasse gemütlich.

»Welch geniale Idee hast du dir denn ausgedacht?«, fragte Isabella ungeduldig.

»Wir machen einen Fremdenführerkurs! Ich habe gestern gelesen, dass die Stadt für alle Ortsteile Fremdenführer sucht, die möglichst eine Fremdsprache beherrschen. Es gibt sogar eine Aufwandsentschädigung.«

Isabella sah ihre Schwester erstaunt an. »Das ist die beste Idee, die dir je eingefallen ist! Die nehmen uns bestimmt, wo wir beide perfekt Englisch und Französisch sprechen. Wann findet der Kurs statt?«

»Montagmorgen. Man kann sich bis Freitag kurzfristig anmelden.«

»Wir wären ideal für die Gäste unserer französischen Partnerstadt, die im Sommer zur Einweihung des neuen Feuerwehrhauses anreisen!«

»Fein, dass du mitmachst! Da melde ich uns doch gleich mal an!« Charlotte lief ins Haus, und Isabella stieg über den Zaun und verschwand.

Singend kam Charlotte vom Kurs zur Fremdenführerin zurück. Es war alles noch einfacher gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie und ihre Schwester kannten jeden Winkel in der kleinen Stadt.

Charlotte war drei Jahre jünger als Isabella und ganz das Gegenteil der strengen, ordentlichen und immer auf ihr Aussehen bedachten Schwester. Zwar machte sie sich auch gern schön, wenn sie ausging, konnte aber zu Hause durchaus in uralten Kleidern den Tag verbummeln. Sie war dunkelhaarig, inzwischen allerdings nur noch mittels der geschickten Hände ihrer Friseurin. Charlotte hatte vor einem Jahr mit neunundfünfzig dem Schuldienst den Rücken gekehrt. Nun plante sie, einen Bildband über ihre Stadt herauszubringen. Allerdings hatte sie bisher noch nicht damit angefangen, weil immer andere Dinge im Vordergrund standen. Aber der Job als Fremdenführerin würde ihr sicher viele neue Ideen dafür einbringen.

Ihr einziger Sohn Thomas wohnte in einer Singlewohnung in Tübingen, wo er sich an der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf seine Doktorarbeit in Biologie vorbereitete. Thomas kam nur sporadisch alle paar Wochen nach Hause, und so war Charlotte ebenso allein wie die kinderlose Isabella.

Charlotte hatte sich Notizen gemacht, zum alten Kloster und der wunderbaren Orgel, auch zum Klostergarten und dem Sporthotel, aber eigentlich brauchte sie diese Aufzeichnungen nicht. Da auch Isabella einen Block dabeihatte und sich eifrig Notizen gemacht hatte, hatte sie sich nur Stichpunkte aufgeschrieben. Hier ging es schließlich darum, die Leute zu unterhalten, das Vermitteln von Wissen war eine angenehme Nebenerscheinung. Ihrer Schwester konnte sie solch simple Tatsachen nicht klarmachen. Dafür war Isabella einfach zu penibel.

Charlotte liebte es, sich mit Isabella zu streiten. Die Schwester nahm immer alles so ernst, aber sie war nicht nachtragend, denn sonst würden sie längst nicht mehr in diesem Doppelhaus Tür an Tür wohnen.

Das Haus hatten ihre Eltern gebaut, und in der Jugend hatte die Familie in dem Teil gewohnt, in dem jetzt Isabella zu Hause war, der andere Teil war vermietet gewesen. Vor zehn Jahren waren die Eltern gestorben, und Isabella hatte die Haushälfte der Eltern komplett erneuert und war mit ihrem Mann dort eingezogen. Charlotte hatte ihre Haushälfte weitervermietet. Vor sechs Jahren starb Charlottes Mann Arnold. Wenige Monate später zog Charlotte mit ihrem Sohn Thomas neben Isabella und Herbert in die andere Haushälfte ein.

Die Nähe zu ihrer Schwester führte anfangs zu heftigem Streit. Zum Glück war damals Thomas noch oft zu Hause. Er was Isabellas erklärter Liebling und glättete so manche Unstimmigkeit. Isabellas Mann Herbert war zudem ein sehr freundlicher, umgänglicher Mensch, der häufig die Streitigkeiten der beiden Schwestern schlichtete. Mittlerweile hatte sich Charlotte eingewöhnt und fand die Streitereien mit ihrer Schwester erheiternd, ja sie führte sie zum Teil absichtlich herbei, um Isabella aus der Reserve zu locken. Denn seit dem Tod ihres Mannes vor einem halben Jahr hatte sich ihre Schwester sehr zurückgezogen.

Charlotte versuchte immer wieder, sie aufzumuntern. Deshalb unternahmen die Schwestern viel miteinander, auch weil sie viele gemeinsame Interessen hatten. Die Fremdenführersache war so gut bei Isabella angekommen, dass sich Charlotte insgeheim wunderte. Isabella hatte Herbert sehr geliebt. Obwohl sie es nie erwähnt hatte, schien sie ihn mehr zu vermissen, als Charlotte geahnt hatte.

Charlotte schlüpfte in ihren Jogginganzug und ging in die Küche, um einen Kuchen zu backen. Thomas hatte sich angemeldet. Sie hatte gerade den Kuchen in den Ofen geschoben, als es an der Tür klingelte.

Isabella war draußen und stürmte an ihr vorbei, als wäre der Teufel hinter ihr her.

»In deinem Garten liegt jemand!«, raunte sie Charlotte zu, als diese die Tür geschlossen hatte.

Charlotte sah ihre Schwester verständnislos an. »In meinem Garten? Wo? Wer?«

»Wer weiß ich nicht! Ganz hinten unter dem Gestrüpp, welches du seit Jahr und Tag wuchern lässt!« Ohne Umschweife zog sie Charlotte mit auf die Terrasse.

»Dort hinten!«, flüsterte sie. »Warum flüsterst du so?«

»Schschscht!«, machte Isabella. »Wenn uns einer hört! Die Nachbarn haben ihre Ohren überall!« Jetzt wurde es Charlotte zu dumm. »Ich geh nachsehen!« Ohne weiter auf Isabella zu achten, lief sie über den Rasen in den hinteren Teil des Gartens. Zur Straße hin wurde der Garten durch einen zwei Meter hohen Holzzaun abgeschlossen. Der Zaun war derart mit Efeuranken überwuchert, dass er von der Straße aus wie eine Hecke wirkte. Vor dem Zaun standen mehrere große Bäume und Büsche, die den Garten im hinteren Teil wie einen Urwald aussehen ließen. Als Thomas noch klein war, hatte er dort ein Baumhaus gehabt. Charlotte liebte das wilde Gebüsch, durch das sie sich nun fluchend einen Weg bahnte.

Kurz darauf stand sie, zerzaust und mit Blättern übersät, auf dem kleinen freien Platz vor dem Baumhaus. Man konnte von hier aus durch eine Lücke im Gebüsch über die niedrige Buchenhecke hinweg in Isabellas Garten sehen. Charlotte sah sich gründlich um und schüttelte den Kopf. Nichts! Verärgert ging sie zurück. Isabella stand mit angstverzerrtem Gesicht am Rand des Rasens. »Hast du ihn gesehen?«

»Wen?«

»Den Toten!«

Charlotte schüttelte unwillig den Kopf. »Was soll dies Theater? Da ist niemand!«

»Ich habe ihn doch gesehen!«

»Ich glaube, wir sollten die Hecke höher wachsen lassen, dann reimst du dir nicht mehr solch einen Blödsinn zusammen!«, sagte Charlotte und ging zum Haus, um nach dem Kuchen zu sehen.

»Aber du kannst doch nicht einfach weglaufen!«, empörte sich Isabella.

Charlotte drehte sich um. »Schau doch selbst nach. Ich hab ’nen Kuchen im Ofen!« Wenige Minuten später kehrte sie zurück. »Du stehst ja noch immer da, wie zur Salzsäule erstarrt!«, fuhr sie ihre Schwester an.

»Ich geh da nicht allein rein!«, flüsterte Isabella.

Charlotte wollte sie zurechtweisen, stellte aber fest, dass Isabella zitterte. »Bella, was ist los? Hast du schlecht geträumt? Da ist wirklich nichts.« Wie ein Kind fasste sie die Widerstrebende an der Hand und zog sie mit ins Gebüsch bis vor das Baumhaus.

»Siehst du, hier ist nichts!« Sie zeigte nach oben und fuhr fort. »Das Baumhaus ist so morsch, da würde selbst ein Kind herunterfallen.«

Isabella schüttelte den Kopf. »Ich versteh das nicht! Da hat jemand gelegen. Mit dem Kopf nach unten. Er trug ein kariertes Hemd und eine blaue Jeans und hatte den Kopf mit einer olivgrünen Kappe verdeckt!«, sagte sie leise. »Er war tot!« »Aber jetzt ist er weg! Das siehst du doch!«

»Vielleicht ist er durch den Vorgarten …«, sinnierte Isabella, wurde aber gleich von Charlotte unterbrochen. »Wenn er tot war, kann er nicht weglaufen!«

»Und wenn ihn jemand weggeschleppt hat?«

»Man sieht doch nichts. Dann müsste es doch Spuren geben. Abgeknickte Äste, Schleifspuren im Sand oder so was«, hielt Charlotte dagegen.

Der Garten machte hinter dem Baumhaus einen leichten Bogen nach rechts und ging dann in einen schmalen Vorgarten über. Der Zaun wurde dort immer niedriger und umschloss den Vorgarten in Meterhöhe bis zu einem kleinen Tor an der rechten Hauswand. Der Garten um Isabellas Doppelhaushälfte war von der linken Seite ähnlich angelegt und hatte dort ebenfalls eine Gartenpforte.

Nun ging Charlotte durch das dichte Gebüsch bis in den Vorgarten, wo ein Staudenbeet mit unterschiedlichen Pflanzen üppig blühte. Isabella folgte ihr auf dem Fuße. »Siehst du«, erklärte Charlotte. »Die Gartenpforte ist zu, und Fußspuren sind auch keine zu sehen.«

»Ich versteh das nicht!«, sagte Isabella. »Ich habe den Mann doch gesehen!«

Charlotte ging vorsichtig durch ihre Blumen zum Rasen zurück. »Komm, wir trinken erst einmal einen Kaffee«, sagte sie und überlegte, was ihre sonst so praktisch denkende Schwester so ängstlich machte, dass sie schon Halluzinationen hatte.

Isabella nahm auf der Terrasse Platz und schaute über den Garten. Direkt neben dem Freisitz hatte Charlotte ein Rosenbeet angelegt, und auch das Staudenbeet war neu. Der Rasen war gemäht. Die Beete waren ordentlich gepflegt worden, und die Hecke, die die Grundstücke voneinander trennte, war frisch geschnitten.

Als Charlotte mit einem Tablett aus dem Haus kam, lobte Isabella: »Du hast ja richtig geackert in den letzten Tagen. Von deiner Wildnis ist kaum etwas übrig, wenn man von dem Gestrüpp dahinten mal absieht.«

Charlotte lachte. »Das Gestrüpp, wie du es nennst, bleibt auch so. Ich liebe diese unberührte Ecke!«

»Du hast sogar schon die Hecke geschnitten, alle Achtung. Aber oben drüber werde ich wohl schneiden müssen, das hast du vergessen.«

»Ich möchte, dass die Zwischenhecke höher wird. Dann brauchst du auch keine Leichen in meinem Garten vermuten. Außerdem mag ich es nicht, wenn du einfach drübersteigst, um in meinen Garten zu kommen.«

»Ich vermute nichts! Ich habe den Mann gesehen!«, beharrte Isabella verärgert. Auf das Übersteigen des Zauns ging sie nicht ein.

Charlotte setzte das Tablett auf den Tisch, goss Kaffee ein und setzte sich ihrer Schwester gegenüber. »Nun lass mal gut sein. Es war doch keiner da, das hast du doch selbst gesehen«, beschwichtigte sie ihre Schwester. »Trink erst mal Kaffee und iss ein Stück Kuchen. Dann sehn wir weiter!«

Nach dem Kaffee verabschiedete sich Isabella, der die ganze Sache wohl etwas peinlich war.

Kaum war sie weg, ging Charlotte noch einmal in den hinteren Teil des Gartens und schaute sich gründlich um. An der Holzwand waren die Efeuranken an einer Stelle etwas heruntergerissen, das war ihr schon zuvor aufgefallen. Sie wollte allerdings nicht, dass sich Isabella deswegen beunruhigte. Sie rüttelte an dem Zaun, und plötzlich schob sich ein Brett zur Seite. Die dicht gewachsene Efeuhecke gab einen Durchblick auf die Straße frei. Schnell schob Charlotte das Brett wieder an Ort und Stelle und ging zurück ins Haus, um Hammer und Nagel zu holen. Drinnen klingelte das Telefon. Anschließend kam Ottokar, der Nachbar von gegenüber, zu einem kurzen Schwatz herein.

Als Charlotte endlich mit dem Hammer in der Hand zum Zaun zurückging, war schon über eine Stunde vergangen. Mit einigen festen Hammerschlägen und etlichen Nägeln war das Brett in wenigen Minuten wieder fest. Charlotte überprüfte nun alle anderen Bretter ebenfalls, schlug hier einen Nagel ein und dort und ging erst dann zurück, als sie sicher war, dass der Zaun überall wieder fest und stabil war. Sie war gerade auf der Terrasse angekommen, als sie ein Geräusch im Haus hörte. Erschrocken betrat sie den Wohnraum und sah sich um.

»Hallo?«, rief sie. »Jemand da?« Stille im ganzen Haus. »Thomas?« Nichts.

Charlotte wurde es mulmig zumute. Sollte jemand ihren Aufenthalt im hinteren Teil des Gartens genutzt haben, um durch die Terrassentür ins Haus zu schlüpfen? Sie lauschte eine Zeit lang, dann ging sie entschlossen, aber fast unhörbar in den Flur und schlich die Treppe zum Obergeschoss hinauf. Die Tür zum Bad war nur angelehnt. Charlotte griff sich einen Schirm aus dem Schirmständer neben dem Treppenaufsatz und stieß die Tür auf. Wieder nichts. Im selben Moment schlug unten eine Tür zu. Es hörte sich für Charlotte an, als wäre es die Haustür. Schnell lief sie aus dem Bad ins Schlafzimmer, welches das Fenster zur Straßenseite hatte. Auf der anderen Seite der Straße, wo sich die hohe Hecke des Nachbarhauses entlangzog, ging eine junge Frau. Sie trug eine karierte Bluse und eine blaue Jeans. Unter ihrer olivgrünen Kappe wallte langes blondes Haar hervor. Charlotte konnte das Gesicht der Frau nicht sehen, war aber ziemlich sicher, dass sie ihr völlig fremd war. Langsam ging sie zurück ins Bad und überlegte, warum die Frau genauso angezogen war, wie Isabella ihr den Toten beschrieben hatte.

Gerade als sie sich entschlossen hatte, zu Isabella hinüberzugehen, um sie zu fragen, drehte sich ein Schlüssel im Haustürschloss. Erschrocken ging Charlotte zum Treppenaufsatz und sah hinunter. Die Tür sprang auf, und Thomas stand im Flur, seine Reisetasche in der Hand.

»Mama!«, rief er. Glücklich lief sie nach unten und umarmte ihn stürmisch. »Schön, dass du schon da bist. Ich hab Kuchen gebacken!« Er war groß, über einen Kopf größer als sie, und sein dunkles Haar war wie immer zu lang. Er hob sie hoch und wirbelte sie herum wie ein junges Mädchen.

»He, du bist dünn geworden!«, sagte er und setzte sie wieder ab.

»Etwas schlanker. Ich mache Sport, wie immer.«

»Und wer ist dein Sportlehrer?«

Sie lachte. »Was du immer denkst!«

»Da wird es doch jemanden geben, der meiner hübschen Mutter den Hof macht!«, ließ sich Thomas nicht von seiner Idee abbringen.

»Würde es dich denn stören?«, fragte sie kokett.

»Nicht mehr!«, gestand er.

»Heißt das, dass du …?« Charlotte sah ihren Sohn prüfend an.

»Warum errätst du immer alles sofort?«, sagte er mit einem Glitzern in seinen braunen Augen, die Charlotte so sehr an ihren Mann erinnerten. Arnold hatte mit dreißig ebenso attraktiv und gut ausgesehen wie jetzt sein Sohn. Thomas sah ihm sehr ähnlich. »Sie wartet im Auto«, sagte er jetzt und ging zur Tür.

»Warum hast du sie nicht gleich mitgebracht?«, fragte Charlotte empört. »Was soll sie denn von mir denken?« Thomas grinste. »Ich hol sie«.

Schnell warf Charlotte einen Blick in den Spiegel und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Sekunden später kam Thomas mit einer jungen mittelblonden Frau herein, die Charlotte auf Anhieb sympathisch war.

»Das ist sie!«, sagte er und legte seiner Freundin stolz den Arm um die Schultern. Die junge Frau gab Charlotte etwas steif die Hand und sagte: »Marita Gries. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Thomas hat schon viel von Ihnen erzählt.«

Charlotte lächelte. »Kommen Sie doch herein, ich habe Kuchen gebacken!«

Thomas ließ das Gepäck im Hausflur stehen. Zusammen gingen sie in den Garten, wo Charlotte schon den Tisch gedeckt hatte.

»Wie schön!«, sagte Marita verzückt und lief auf den Rasen.

»Ich hab drüben hinter den Büschen ein Baumhaus gehabt!«, sagte Thomas und zog sie mit sich. Charlotte schaute ihnen einen Moment zu, wie sie wie die Kinder Hand in Hand über den Rasen liefen und dann hinter dem Gebüsch verschwanden. Dann ging sie ins Haus und setzte Kaffee auf. Als sie mit dem Kuchen wieder auf der Terrasse erschien, war von den jungen Leuten nur das heitere Lachen aus dem hinteren Teil des Gartens zu hören. Charlotte trat an den Zaun und rief nach Isabella. Wie vermutet, saß die Schwester auf der Terrasse und las.

»Thomas ist da. Möchtest du rüberkommen? Ich hab Kuchen gebacken!«

Isabella ließ sich nicht zweimal bitten. Als das junge Paar aus dem Gebüsch wieder auftauchte, saß sie bereits am Tisch und probierte den Kuchen.

»Bella, die Schöne!«, begrüßte Thomas sie und umarmte sie herzlich. »Die beste Patentante der ganzen Welt!«, sagte er und zwinkerte seiner Mutter zu. Er zog Marita auf den Stuhl neben Isabella. Er setzte sich neben seine Mutter ihr gegenüber.

»Du alter Charmeur«, sagte Isabella lächelnd. »Stell mir lieber dein hübsches Mädel vor!« Alle lachten, und mit Plaudern und Kuchenessen verging die Zeit wie im Flug.

Plötzlich rief Isabella: »Es ist schon sechs! Ich muss los. Die Bückeburger Landfrauen warten!« Im Nu war sie verschwunden und Charlotte berichtete von ihrer Idee mit der Stadtführung.

»Tolle Idee, Mama«, gab Thomas ihr recht und wandte sich an Marita. »Die beiden kennen sich hier aus wie in ihrer Westentasche. Da gibt es kein Fleckchen in der Stadt, welches Mama und ihre Schwester noch nicht erwandert haben!«

»Und Isabella kann endlich wieder zeigen, was sie so drauf hat als Lehrerin«, warf Charlotte schmunzelnd ein.

»Du etwa nicht, Mama?!«, antwortete Thomas grinsend und wandte sich an seine Freundin: »Mama und Isabella liegen immer im Wettstreit, wer Kindern am besten etwas beibringen kann!«

»Ist Isabella auch Lehrerin?«, erkundigte sich Marita.

»Ja«, antwortete Charlotte. »Die bessere von uns beiden.« Sie zwinkerte Thomas zu, und der erklärte lachend: »Isabella ist Studienrätin am Gymnasium gewesen und Mama nur Lehrerin an der Grundschule.« Das »Nur« zog er extra lang und grinste seine Mutter dabei unverschämt an.

»Lach du nur!«, gab Charlotte zurück. »Isa nimmt diese kleinen Unterschiede sehr ernst.«

»Grundschullehrerinnen müssen sehr viel Einfühlungsvermögen haben«, sagte Marita. »Ich stelle es mir sehr schwer vor, die kleinen Kinder zum Stillsitzen zu bringen.«

»Wenn man Kinder liebt, ist das gar nicht so schwer«, erklärte Charlotte. »Man muss Geduld haben, weil die Kleinen sich erst eingewöhnen müssen. Mir hat es immer Spaß gemacht, zu sehen, wie aus den Erstklässlern richtig gute Schüler wurden.«

»Die Kinder haben dich heiß und innig geliebt!«, sagte Thomas und setzte zu Marita gewandt hinzu: »Meine Freunde waren ganz begeistert von ihr, nur ich musste in eine Parallelklasse, weil Mama das so wollte!«

»Es sollte mir keiner vorwerfen, ich hätte dich im Unterricht bevorzugt«, warf Charlotte ein.

»Eine sehr kluge Entscheidung!«, stimmte Marita zu.

»Wenn du das sagst, muss es wohl stimmen«, erklärte Thomas lächelnd und gab Marita einen Kuss. Sie plauderten und lachten, als Marita plötzlich Fotos aus ihrer Handtasche holte. Interessiert betrachtete Charlotte das Foto von Maritas Familie. Sie plauderten und saßen gemütlich zusammen, bis Thomas zum Aufbruch mahnte. »Ich dachte, ihr bleibt das ganze Wochenende«, sagte Charlotte enttäuscht. »Ein andermal, Mama. Wir müssen noch weiter nach Münster. Dort treffen wir uns morgen mit Bekannten. Ich möchte noch vor Mitternacht dort eintreffen.«

»Wir haben das Zimmer reserviert«, ergänzte Marita. »Aber wir wollen nicht zu spät da sein.«

Charlotte hatte gerade alles aufgeräumt, als es erneut klingelte. Ihr Nachbar Ottokar Breit stand davor. »’n Abend Lotte! Ist dein Sohn schon wieder weg?«

Charlotte nickte. »Er hat morgen Termine in Münster.«

»Haste noch Lust auf ’nen Spaziergang?«

Charlotte strahlte. »Gern.«

Kurz darauf machten sie sich auf den Weg. Die kleine Siedlung lag außerhalb der Stadt inmitten von Wiesen und Feldern. Sie überquerten die Straße und bogen in einen Feldweg ein, der an der einen Seite von der Siedlung und an der anderen Seite von einem riesigen Maisfeld begrenzt wurde. Die Maisstauden waren so hoch, dass Charlotte sie nicht überblicken konnte. »Puh«, sagte sie, »wenn ich hier allein langgehen würde, wär mir unheimlich.«

»Wieso?« Ottokar sah sie erstaunt an. »Was ist denn an Mais unheimlich?«

»Die Größe. Ich habe noch nie so große Maispflanzen gesehen. Es kommt mir vor wie ein dichter, undurchdringlicher Urwald.«

Ottokar legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie lachend an sich. »Ick pass schon up die up, min Lüet!« Charlotte lachte. Sie liebte es, wenn Ottokar hin und wieder Plattdeutsch sprach. »Eigentlich bin ich gar nicht ängstlich, aber diese hohen Pflanzen …!« Sie verstummte, warf einen skeptischen Blick auf die Maispflanzen und blickte dann Ottokar zärtlich an. »Gut, dass du da bist!«

Einige Zeit gingen sie in schweigender Eintracht durch den schmalen Weg, der nun, wo die Siedlung zu Ende war, beiderseits von Maisfeldern eingeschlossen wurde. »Wie ein Tunnel«, flüsterte Charlotte. Ottokar stellte sich vor sie, fasste sie sanft unters Kinn und zeigte nach oben. »Und über uns ist der Himmel!« Charlotte schaute hinauf. Sie standen ganz dicht voreinander, und plötzlich trafen sich ihre Lippen. Es war nur ein leichter Kuss, aber in Charlottes Innern bebte es. »Ottokar!«, murmelte sie überrascht. Seine grauen Augen sahen sie an, und Charlotte konnte ihr Gesicht darin sehen. »Wenn Isabella das erfährt, oh Gott!«, hauchte sie. Ottokar lachte, ein fröhliches, dunkles Lachen, genau so, wie es Charlotte liebte. »Wenn das deine ganzen Sorgen sind«, sagte er, »dann wollen wir sie nicht enttäuschen!« Er zog Charlotte erneut an sich und küsste sie so stürmisch, dass Charlotte fast die Luft wegblieb.

»Das können wir echt vertiefen!«, hauchte sie selig.

»Morgen Abend bei mir?«, gab Ottokar zurück.

»Gerne!« Charlottes mulmige Gefühle waren verschwunden. So ein Maisfeld hat auch sein Gutes!

Hand in Hand gingen sie weiter. Das Maisfeld war zu Ende und gab den Blick frei auf ein riesiges Kornfeld. Gleich dahinter war der Bauernhof zu sehen und rechts auf einer kleinen Anhöhe eine Weide, auf der unzählige Kühe friedlich grasten.

Plötzlich fiel Charlotte die junge Frau vom Mittag wieder ein.

»Heute habe ich hier eine blonde junge Frau gesehen, die diesen Weg genommen hat. Sie war mir völlig fremd. Hast du sie auch gesehen?«

»Wann war denn das?«

»Kurz nach Mittag.«

»Da hab ich auf der Terrasse gelegen. Bei dem schönen Wetter schlaf ich regelmäßig auf der Liege ein.« Ottokar grinste. »Eigentlich lass ich mir Schönheiten nicht entgehen.«

»Ich habe sie nur von hinten gesehen. Sie hatte eine schlanke Figur und langes Haar.«

»Dann hab ich richtig was verpasst«, sagte Ottokar schmunzelnd.

Als sie nach einer Stunde zurückkamen, war es schon fast dunkel. Gerade als Charlotte ihre Haustür aufschloss, fuhr Isabellas Kleinwagen nebenan in die Garage. Charlotte ging zu ihr hinüber. »Wie war die Führung?«

Isabella schloss das Garagentor und antwortete: »Toll. Die Landfrauen sind nicht knauserig gewesen. Hab ordentlich Trinkgeld bekommen!«

»Na siehste. Dann war es doch die richtige Entscheidung, dass du das machst«, sagte Charlotte.

»Warst du spazieren?«, fragte Isabella und sah sich suchend um. »Wo sind Thomas und Marita?«

»Abgereist. Sie mussten weiter nach Münster.«

»Und da bist du ganz allein durch die Gegend gelaufen?«

»Isa, ich bin erwachsen. Außerdem hat Ottokar mich begleitet.«

»Ottokar?«

»Ja, warum nicht. Er ist doch ganz nett.«

»Wenn du das sagst«, gab Isabella spitz zurück. »Ich muss jetzt rein. Gute Nacht!«

Isabella schloss das Garagentor und ging zu ihrer Haustür.

»Gute Nacht, Isa«, sagte Charlotte fröhlich, die genau wusste, dass Isabella jegliche Abkürzungen ihres Namens hasste. »Schlaf gut!«

Aber Isabella war schon im Haus verschwunden. Langsam ging auch Charlotte hinein. Nach dem wundervollen Spaziergang schwebte sie wie auf Wolken und kam sich vor wie ein verliebter Teenager. Eigentlich war das Wetter viel zu schade, um schon zu Bett zu gehen. Es war erst elf Uhr am Abend. Kurz entschlossen ging Charlotte an den Kühlschrank, holte die Flasche Sekt heraus, die sie für Thomas und Marita kalt gestellt hatte, und ging zu Ottokar hinüber.

Am anderen Morgen wurde Charlotte durch lang anhaltendes Klingeln geweckt. Verschlafen schaute sie auf die Uhr. Zehn Uhr. Hastig sprang sie aus dem Bett und lief hinunter zur Haustür. Isabella stand draußen.

»Endlich!«, sagte sie, und Charlotte sah ihr die Erleichterung an. »Du musst mich vertreten.«

»Vertreten?« Charlotte sah Isabella irritiert an. Ihre Schwester war blass und machte einen etwas heruntergekommenen Eindruck. Der Schlafanzug hatte Flecken, und ihr Haar war eine einzige Katastrophe.

»Du musst die französische Gruppe herumführen«, erklärte Isabella gepresst, drehte sich urplötzlich um und lief zu ihrer Haustür. Dort blieb sie stehen und erbrach sich heftig. Charlotte war ihr gefolgt. »Um Gottes willen! Isa, du bist ja richtig krank!« Isabella kramte ein Taschentuch aus der Tasche und nickte. »So geht das schon den ganzen Morgen«, hauchte sie und schlüpfte in ihr Haus. Charlotte folgte ihr und fragte: »Wann muss ich da sein?«

»Um elf beginnt die Führung«, sagte Isabella und verschwand in ihrem Bad.

Charlotte ging hinaus, schloss sorgfältig die Haustür hinter sich und lief zu ihrem Eingang hinüber. In der Eile hatte sie keinen Schlüssel mitgenommen. Zum Glück war die Tür noch nicht zugeschnappt. Erleichtert drückte Charlotte sie auf, setzte Kaffee auf und lief anschließend ins Bad. Eine halbe Stunde später war sie startklar.

2. Kapitel

Die französische Gruppe kam aus Colmar im Elsass. Da Charlotte dort schon einige Male Urlaub gemacht hatte, war der Kontakt schnell hergestellt. Sie begann mit der Führung an der St.-Marien-Kirche. Das Gotteshaus hatte einen spitzen, schlanken Turm im gotischen Stil und einen wunderbaren geschnitzten Altar. Angebaut war ein ehemaliges Nonnenkloster, welches mittlerweile als Heimatmuseum diente. Es gab für Fremde einiges zu sehen in Oberherzholz, aber im Vergleich zu Colmar war es doch eher von bescheidener Schönheit. Aber wahrscheinlich hatte die Gruppe nur die Zeit verkürzen wollen, denn nach der Führung stand ein Besuch im nahen Outletcenter an, und anschließend war die Besichtigung des Landesgestütes in Warendorf geplant. Die Gruppe bestand aus zwanzig Personen, fast alles Paare. Trotz der Nähe zur deutschen Grenze sprach kaum jemand von ihnen deutsch, und Charlotte konnte mit ihren guten französischen Sprachkenntnissen glänzen.

Ein Mann in der Gruppe fiel ihr auf. Er war so um die fünfzig Jahre alt, ging nachdenklich auf und ab und notierte sich immer wieder einiges in seinem Notizbuch. Während die Gruppe durch den Rosengarten ging und die verschiedenen Sorten bewunderte, die mit kleinen Schildchen versehen waren, blieb der Mann stehen und zog sein Smartphone aus der Tasche.

Charlotte blieb ebenfalls zurück. Der Mann telefonierte in perfektem Deutsch mit leicht bayrischem Tonfall. Charlotte erhaschte einen Blick auf seinen Block. Die Aufzeichnungen waren ebenfalls in Deutsch. Sie sprach ihn darauf an, und er erklärte, er sei aus München und habe sich der Gruppe hinzugesellt, um ein wenig über Oberherzholz zu erfahren. »Ich komme aus der Landwirtschaft und möchte mich hier ein wenig umsehen!«

»Soll ich Ihnen einen Bauernhof zeigen?«, fragte Charlotte. »Bei mir in der Nähe liegt der Eschterhof, ein Bio-Bauernhof mit Milchviehhaltung und Gemüseanbau. Sie haben dann gleich die Möglichkeit, im hofeigenen Laden einzukaufen.«

»Nein, danke«, antworte der Herr ziemlich abrupt. »Das ist nicht nötig, ich schaue mich selbst um.«

Im selben Moment kam eine Dame aus der Gruppe, um Charlotte zu einer Rosensorte zu befragen. Während der weiteren Besichtigung sonderte sich der Münchner ab, und eine Frau um die vierzig gesellte sich zu ihm.

Charlotte tat es mit einem Schulterzucken ab. Gegen Mittag war die Führung beendet, und die Gruppe fuhr zum Einkaufsbummel in das nahe gelegene Outletcenter. Da dort ein Restaurant angegliedert war, sollte dort auch das Mittagessen eingenommen werden. Charlotte war gerade in ihren Wagen gestiegen, als sie sah, dass der Münchner und seine Begleitung in einem Taxi davonfuhren.

Zu Hause wurde Charlotte von Ottokar empfangen, der schon einige Zeit auf sie gewartet hatte. »Wo warst du den ganzen Morgen? Wir wollten doch heute gemeinsam kochen«, fragte er mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.

»Oje, das hab ich ganz vergessen«, gestand Charlotte errötend und erklärte ihm, dass sie für Isabella eingesprungen war. »Diesmal habe ich das Trinkgeld gekriegt! Wir könnten davon essen gehen«, bot sie an.

Ottokar lachte. »Ich hab schon gekocht. Komm, wir essen zusammen. Nach der harten Arbeit hast du Ruhe verdient.« Charlotte huschte ins Haus, um sich etwas frisch zu machen, während Ottokar auf sie wartete. Als sie zurückkam und mit Ottokar hinübergehen wollte, erschien Isabella bei ihr an der Tür.

»Und wie war es?«, fragte sie, noch immer leichenblass.

»Isabella, du siehst richtig krank aus! Leg dich wieder hin!«, kommandierte Charlotte. »Es hat alles super geklappt!«

Isabella holte tief Luft. »Dann ist es ja gut. Wenn du nachher einkaufen fährst, könntest du mir Kamillentee mitbringen? Meiner ist alle.«

»Ich hab noch welchen da. Ich hol ihn.« Charlotte lief noch mal hinein und kam mit dem Tee zurück. Isabella nahm den Tee, warf Ottokar, der wortlos dagestanden hatte, einen verächtlichen Blick zu und verschwand in ihrem Haus.

»Sie sieht wirklich schlecht aus. Was hat sie denn?«, erkundigte sich Ottokar bei Charlotte. »Magen verdorben.« Charlotte lächelte. »Morgen ist sie wieder fit. Lass uns gehen, ich hab Hunger.«

Ottokar hatte den Tisch liebevoll gedeckt. Charlotte war ganz entzückt. »Oh, so lass ich mir das gefallen!«, lobte sie.

Ottokar schob sie auf einen Stuhl und sagte: »Setz dich. Ich habe das Essen im Backofen warm gestellt.« Er verschwand in der Küche und kam kurz darauf mit einem gefüllten Tablett zurück.

»Geschnetzeltes mit Nudeln und ein gemischter Salat!«, erklärte er, als er das Tablett auf dem Tisch absetzte.

»Lecker sieht das aus!«, bemerkte Charlotte lächelnd. Ottokar schenkte dazu einen leichten Weißwein ein und ließ sich Charlotte gegenüber nieder.

Es schmeckte hervorragend, und erst jetzt merkte Charlotte, dass sie halb verhungert war, denn in der Eile am Morgen hatte sie kaum gefrühstückt.

Sie genoss das Essen und die lockere Unterhaltung mit Ottokar.

Nach dem Essen ging Charlotte nach Hause, weil sie noch einen Termin in der Stadt hatte. Sie hatte gerade das Auto aus der Garage gefahren, als bei Isabella die Haustür aufging und sie winkend auf Charlotte zulief.

Verärgert stoppte Charlotte den Wagen, kurbelte die Scheibe herunter und fragte: »Was gibt’s denn nun schon wieder?«

»Warst du die ganze Zeit bei Ottokar?«, erkundigte sich Isabella.

»Ja. Wieso?«

»Also, ich finde es ziemlich albern, dass du mit diesem Handwerker anbandelst.«

»Und ich finde, dass dich das gar nichts angeht!« Charlotte ließ die Scheibe ihres Wagens hochgleiten und gab Gas. Im Rückspiegel sah sie das entgeisterte Gesicht ihrer Schwester und musste urplötzlich grinsen.

»Ihr Zustand scheint sich mächtig gebessert zu haben«, sprach sie laut aus, was sie dachte. »Wenn sie sich schon Sorgen um mich macht«.

Kurz darauf fuhr Charlotte auf den Parkplatz beim Supermarkt der Stadt. Sie holte sich einen Einkaufswagen und schob ihn durch die Eingangstür, die sich automatisch vor ihr öffnete. Noch im Eingang sah Charlotte ein Paar an der anderen Seite des Supermarktes durch den Ausgang hinausfahren. Es war das Paar aus München. Während Charlotte den Einkaufswagen langsam weiterschob, warf sie einen Blick durch die großen Scheiben zum Parkplatz hinüber und registrierte, dass das Paar nun an einem hellblauen Mercedes stand und den Einkauf in den Kofferraum packte.

Eine junge Frau kam an Charlottes Wagen vorbei und grüßte freundlich. Es war eine ehemalige Schülerin von ihr, die nun selbst schon ein Kleinkind dabeihatte. Durch die junge Frau abgelenkt, vergaß Charlotte die Fremden und widmete sich ganz ihrem Einkauf.

Isabellas Magen hatte sich etwas beruhigt, und nach zwei Krankheitstagen fiel ihr förmlich die Decke auf den Kopf. Sie musste unbedingt an die frische Luft. Es war acht Uhr abends, und die Tageshitze hatte sich etwas abgekühlt. Isabella entschloss sich, mit dem Auto hinauszufahren und am Ortsrand ein wenig spazieren zu gehen. Außerhalb der Stadt, kaum zwei Kilometer von ihrem Haus entfernt, parkte sie den Wagen in einem Feldweg. Sie folgte dem Weg durch die Felder und bog ganz in der Nähe eines Bauernhofes ab. Hier führte der Weg an einem Maisfeld entlang. Plötzlich hörte Isabella ein Geräusch. Irritiert blieb sie stehen. »Hallo!«, rief sie und sah sich suchend um. »Ist da jemand?« Keine Antwort. Aber etwas weiter im Maisfeld bewegten sich die Halme, obwohl es absolut windstill war.

Isabella schrak zusammen und fasste nach ihrem Handy. Noch einmal rief sie, aber alles blieb still. Ob sie die Polizei rufen sollte? Da! Wieder bewegten sich die Maisstauden! Diesmal weiter hinten. Isabellas Herz klopfte ängstlich, und der Mann in Charlottes Garten fiel ihr wieder ein. War sie einfach zu nervös, oder befand sich dort wirklich jemand? Wenn doch Charlotte bei ihr wäre! Aber wahrscheinlich würde die sie nur wieder auslachen.

Isabella nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging ein Stück ins Maisfeld hinein. Es dämmerte schon, und zwischen den hohen Stauden war es fast ganz dunkel. Tritte oder Spuren von Personen waren nicht mehr auszumachen. Isabella schalt sich eine Närrin, im Halbdunkel in einem Maisfeld herumzustöbern, und lief zurück. Sie sah den Weg schon vor sich und bog die letzten Pflanzen zur Seite, als sie erstarrt stehen blieb. Direkt vor ihren Füßen lag etwas unter einer dunklen Plastikplane, wie sie von den Bauern zum Abdecken von Silos benutzt wird. Es sah aus wie eine Gestalt.

Isabella geriet vollends in Panik und stürmte Hals über Kopf davon. Erst als sie an ihrem Wagen war, holte sie tief atmend das Handy aus ihrer Tasche und rief die Polizei. Sie beschrieb, wo sie ihre Entdeckung gemacht hatte, und setzte sich in ihren Wagen. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis endlich ein Streifenwagen hinter ihrem Auto hielt. Sie beschrieb den Beamten den Fundort.

»War es denn ein Mensch?«, fragte Polizeikommissar Meier, den Isabella von der örtlichen Polizeistation kannte.

»Ich weiß es nicht. Ich war so erschrocken, dass ich davongelaufen bin«, gestand Isabella. Meiers Kollege Frisch saß noch im Wagen am Steuer und hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt, um dem Gespräch zu folgen. Nun bedankte er sich und sagte zu seinem Kollegen: »Dann wollen wir mal sehen!«

Isabella wartete im Auto. Von dort konnte sie erkennen, wie die Scheinwerfer des Polizeiautos sich langsam den Feldweg entlangtasteten.

Schon nach einer kurzen Zeit kamen die Beamten zurück. »Da war nichts. Weder eine Plastikplane noch ein Gegenstand und schon gar kein Mensch!«, erklärte Herr Meier leicht verärgert. »Wir haben den ganzen Feldrand abgesucht. Schauen Sie beim nächsten Mal doch bitte genau hin, Frau Steif, bevor Sie uns informieren!« Isabella gab keine Antwort und fuhr langsam nach Hause.

Sie war sicher, dass sie sich nicht geirrt hatte. Die Beamten hatten einfach nicht richtig nachgesehen.

Charlotte und Ottokar trafen sich mittlerweile regelmäßig abends zu einem Spaziergang rund um den Ort. Die Siedlung lag etwas abseits von der Stadt, und zu allen Seiten führten Feldwege durch die Ländereien der umliegenden Bauernhöfe. An einem Abend, es war schon fast neun Uhr, kamen sie an Eschterhof vorbei und sahen einen hellblauen Mercedes vom Hof kommen. »Komisch«, sagte Charlotte. »Solch eine Farbe hatte der Mercedes des Paares aus München.«

»Aus München?«, wunderte sich Ottokar. Charlotte berichtete von ihren Beobachtungen. »Vielleicht haben sie sich den Wagen geliehen, um länger hierzubleiben«, vermutete Ottokar.

»Aber wieso besuchen sie um diese Zeit den Bauern Eschter, wenn sie sich gar nicht auskennen?«

»So spät am Abend ist es echt ungewöhnlich. Aber wir konnten doch den Wagen auf die Entfernung gar nicht richtig sehen. Vielleicht waren es Bekannte der Bauersleute.«

»Möglich. Trotzdem, dieses helle Blau des Wagens ist schon selten hier in der Gegend.«

Sie waren schon fast zu Hause, als Ottokar fragte: »Wie geht es eigentlich Isabella? Ich habe sie seit Tagen nicht gesehen.«

»Sie ist wieder topfit. Es war wirklich nur eine Magenverstimmung«.

»Na, dann ist ja alles okay!«

Sie standen auf der Straße vor Charlottes Haustür. Im selben Moment sah Charlotte, wie sich am Küchenfenster bei Isabella die Gardine leicht bewegte.

Sie faste nach Ottokars Hand und flüsterte: »Isabella lugt durchs Küchenfenster, wir sollten sie nicht enttäuschen.«

Ottokar lächelte. »Ich hätte dir auch ohne diesen Hinweis einen Gutenachtkuss gegeben«, flüsterte er in ihr ins Ohr und zog sie an sich. Als sich ihre Lippen trafen, fuhr ein angenehmes Kribbeln durch Charlottes Körper. Sanft löste sie sich von ihm und hauchte: »Schlaf gut, mein Lieber!«

Mit einem zärtlichen Blick entschwand sie im Haus und sah durch das kleine Fenster in der Tür, wie er mit festen Schritten zu seinem Grundstück hinüberging.

Am nächsten Morgen hatte Charlotte es sich gerade auf der Terrasse gemütlich gemacht, als plötzlich Isabella vor ihr stand.

»Wo kommst du denn her?«, fuhr sie erschreckt auf und schimpfte: »Hatte ich nicht gesagt, dass ich es nicht mag, wenn du über die Hecke steigst?«

Isabella setzte sich unaufgefordert ihrer Schwester gegenüber und grinste. »Ich dachte, du freust dich, wenn ich dir beim Frühstück Gesellschaft leiste!«, erklärte sie spöttisch.

»Wenn du schon mal da bist …«, grummelte Charlotte, stand auf, um ein weiteres Gedeck zu holen. »Kannst du Kaffee vertragen? Oder bist du immer noch unpässlich?«, erkundigte sie sich, als sie zurückkam.

»Es geht schon wieder, ich nehm Kaffee.« Isabella nahm sich von den frischen Brötchen und schmierte mit Hingabe Butter und dick Marmelade drauf.

»Auf den Kaffee musst du noch warten«, erklärte Charlotte, »hab noch neuen aufgesetzt.« Isabella biss herzhaft in ihr Brötchen und nickte anerkennend.

»Hast du sie vom Bäcker Burghard?«

»Ja«, erklärte Charlotte, »Ottokar hat sie heute Morgen für mich mitgebracht.«

Isabella starrte sie an. »Er bringt dir Brötchen mit?« Sie hüstelte. »Er passt doch gar nicht zu dir!«

»Das tut den Brötchen aber keinen Abbruch, die schmecken trotzdem!«, erklärte Charlotte lakonisch.

»Lotte!«, beschwor Isabella sie eindringlich. »Er ist nichts für dich! Er hat nicht einmal studiert!«

Charlotte lachte. »Na und! Er ist Tischlermeister und hat in einem Großbetrieb die Lehrlinge ausgebildet. Das ist doch nicht negativ!«

»Erst bringt er dir Brötchen, und ruck, zuck hast du ihn im Hause, und er will dich kommandieren!«, prophezeite Isabella.

»Isabella, er hat ein Haus, das größer ist als meins. Warum sollte er da bei mir einziehen?«

»Tu, was du nicht lassen kannst«, unkte Isabella. »Aber komm mir nicht mit Klagen!«

Charlotte schüttelte den Kopf, stand wortlos auf und ging ins Haus. Als sie zurückkam, hatte sie den frisch aufgebrühten Kaffee in einer Thermoskanne dabei sowie ein Fotoalbum.

Sie goss für Isabella und sich Kaffee ein und gab Isabella das Album.

»Mit Thomas und Marita habe ich letzte Woche Fotos angesehen. Marita hatte welche von ihrer Familie dabei. Da war eine Freundin von ihr abgebildet. Die sah Vivian total ähnlich. Ich hab es ganz vorn ins Album gelegt.«

»Vivian?« Isabella sah Charlotte mit großen Augen an.

»Ja, Vivian Kern! Oder kennst du noch eine andere Vivian? Die junge Frau hat sogar einen Leberfleck unter ihrem linken Auge, genau wie sie!«, antwortete Charlotte.

Isabella nahm einen Schluck Kaffee und schlug das Album auf. Eingehend betrachtete sie das Bild von Marita und ihrer Freundin Annelore.

»Also, außer dem Leberfleck sehe ich da keine Ähnlichkeit mit Vivian!«, sagte Isabella leicht verärgert.

»Dann guck mal richtig hin!«, entgegnete Charlotte bestimmt. Sie blätterte im Album und legte das Bild neben ein anderes, auf dem Vivian mit Isabella abgebildet war. »Wenn man die alten Bilder betrachtet, ist die Ähnlichkeit noch besser zu erkennen.«

»Nur die blonden Haare. Ansonsten finde ich die Ähnlichkeit nicht sonderlich groß.« Isabella betrachtete die Fotos eingehend.

»Ich finde die Ähnlichkeit frappierend!«, erklärte Charlotte. »Du solltest dir vielleicht eine neue Brille anschaffen!«

»Du bist unmöglich, Charlotte!« Isabella legte das Bild zur Seite und nahm einen Schluck Kaffee.

»Nun reg dich doch nicht so auf«, sagte Charlotte versöhnlich. »Ich habe doch nur gedacht, du könntest Vivian fragen, ob sie mit der jungen Frau verwandt ist!«

»Dieses Mädchen wohnt in München, hast du doch gesagt. Vivian hat keine Verwandte in München!«, erklärte Isabella kategorisch.

»Wenn du das sagst«, Charlotte nahm das Foto und legte es wieder in das Album. »Aber deshalb brauchst du dich doch nicht so aufzuregen!«

Isabella nickte. »Schon gut. Ich bin wohl doch noch nicht ganz fit, dass ich mich schon über solche Kleinigkeiten aufrege!«

Charlotte wollte das Album weglegen, doch Isabella sagte: »Kann ich das Foto haben?«

»Warum?«

»Wegen Marita. Sie ist schließlich die Freundin meines Patenkindes.«

»Aber das Bild von Marita und Annelore brauch ich doch selbst!«, protestierte Charlotte. Dann überlegte sie eine Sekunde und sagte: »Ich kopier’s dir.« Sie schnappte sich das Foto und verschwand im Haus. Sie hatte sich erst vor wenigen Tagen einen neuen Farbkopierer angeschafft, den konnte sie jetzt gleich an dem Foto ausprobieren. Als sie zurückkam, hatte Isabella schon den Tisch aufgeräumt und alles auf dem Tablett gestapelt.

»So gute Fotos macht dein neuer Kopierer?« Erstaunt betrachtete sie die Kopie, die dem Original in nichts nachstand. »Den werde ich mir auch zulegen. Meiner macht immer Streifen.«

»Die Farben sind etwas teuer, und man muss spezielles Fotopapier nehmen, aber dann ist das Ergebnis echt gut!«, freute sich Charlotte. Isabella verließ die Terrasse und ging eilig auf die Hecke zu.

»Halt!«, kommandierte Charlotte so laut, dass sie erschrocken stehen blieb. »Nicht wieder über die Hecke! Geh gefälligst durchs Haus zurück, wie jeder anständige Mensch!«

»Du stellst dich an!«, knurrte Isabella, ging aber dann doch durchs Haus davon. Charlotte sah ihr grinsend nach.

Es war kurz nach Mittag am darauffolgenden Samstag. Isabella war wieder richtig fit und wollte endlich ihre alte Freundin Vivian Kern besuchen. Das Bild mit der jungen Frau, die Vivian so ähnlich sah, ließ ihr keine Ruhe. Obwohl sie bei Charlotte so getan hatte, als wäre die Ähnlichkeit nur minimal, war sie äußerst verwundert gewesen. Sie musste unbedingt mit Vivian sprechen.

Zweimal hatte sie schon bei ihr angerufen, doch die Freundin hatte sich nicht gemeldet. Also fuhr Isabella mit ihrem Wagen in die Stadt und parkte auf dem Parkdeck unterhalb der Marienkirche. Vivian wohnte schräg gegenüber der Kirche in einer dreistöckigen komfortablen Wohnanlage. Die Anlage verfügte in den Untergeschossen über kleine Gärten und in den Obergeschossen über geräumige, mit viel Grün bepflanzte Balkone. Vivians Wohnung lag im dritten Stock. Die Geranien am Balkongeländer blühten üppig, und auch die Trauerbirke, die in der Ecke des Balkons stand, machte von unten einen guten Eindruck. Also war Vivian zu Hause. Doch als Isabella wenige Minuten später klingelte, verhallte der Ton ohne Reaktion in der Wohnung.

Auf dem Rückweg zu ihrem Auto traf Isabella die Bewohnerin der Nachbarwohnung und erkundigte sich nach Vivian. »Ich habe sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Sie ist sicher in Urlaub gefahren!«

»Das wird es sein«, gab Isabella zurück. Sie wunderte sich, denn Vivian hatte ihr vor einigen Wochen erzählt, dass sie für September drei Wochen auf Ibiza gebucht hatte. Da Vivian immer sehr korrekt war, ging Isabella davon aus, dass ihre Freundin beruflich unterwegs war. Vivian war an der Universität im Fachbereich Biologie tätig und musste häufig zu Fachkongressen.

Isabella stieg wieder in ihr Auto und fuhr zum Einkaufen. Während sie die Waren in ihren Einkaufswagen packte, fiel ihr eine junge Frau auf, die sich gerade vor dem Stand mit den billigen Sonnenbrillen befand und eine Brille nach der anderen aufprobierte. Sie kam Isabella irgendwie bekannt vor, sie konnte sich aber nicht erinnern, wo sie die junge Frau schon gesehen hatte. Die Unbekannte war mittelgroß und hatte langes dunkelblondes Haar. Sie trug ein grünes T-Shirt und dazu eine enge Jeans, was ihre schlanke Figur vorteilhaft unterstrich.

Isabella war dabei, ihre Einkäufe in den Kofferraum umzupacken, als ihr einfiel, wo sie die unbekannte junge Frau schon gesehen hatte. Auf dem Foto, welches ihr Charlotte kopiert hatte!

Aufgeregt starrte sie zu dem Laden hinüber. Sie schloss ihren Kofferraum und schob eilig den Einkaufswagen zurück. Dann sah sie, wie die junge Frau den Laden verließ und mit einigen Kleinigkeiten in der Hand zu einem roten Sportwagen ging. Isabella beobachtete sie genau. Erst als der rote Sportflitzer davonschoss, ging sie langsam zu ihrem Wagen zurück. Als sie drinnen das Foto aus ihrer Handtasche holte, kam ihr die Ähnlichkeit gar nicht mehr so gravierend vor. Bestimmt hatte sie sich geirrt. Sie atmete tief durch und ließ ihr Auto langsam vom Parkplatz rollen.

Als sie nach Hause kam und vor ihre Garage fuhr, sah sie, wie Ottokar Breit in Charlottes Haustür verschwand. Kopfschüttelnd ging sie zum Kofferraum und transportierte ihre Einkäufe ins Haus. Sie ließ sich Zeit dabei, schließlich wollte sie wissen, wie lange Ottokar bei Charlotte verweilte. Allerdings kamen weder Charlotte noch Ottokar aus dem Haus. Eine Viertelstunde trödelte Isabella vor dem geöffneten Kofferraum herum, dann ging sie endgültig hinein. Sie konnte nicht verstehen, dass ihre Schwester sich mit einem Mann einließ, der kein Akademiker war. Aber Charlotte hatte sich schon immer über Konventionen hinweggesetzt. Womöglich hatten die beiden gar Sex miteinander! Isabella war schockiert, als sie daran dachte. Sie ging in den Garten und lugte über die Hecke. Charlottes Terrasse war verwaist.

Isabella seufzte, ging wieder hinein und versuchte noch einmal Vivian telefonisch zu kontaktieren. Weder über den Festnetzanschluss noch über die Handynummer war Vivian zu erreichen. Isabella hatte auch die Telefonnummer von Vivians Büro in der Uni und versuchte es nun dort. Nach einiger Zeit meldete sich eine Telefonistin. »Frau Kern ist zurzeit nicht im Hause«, teilte sie ihr mit. »Hat Frau Kern Urlaub?«, wollte Isabella wissen. »Dazu kann ich Ihnen keine Angaben machen!« Verärgert warf Isabella das Telefon auf den Sessel. Wo zum Donnerwetter steckte Vivian?

Wegen ihrer Nachforschungen hatte sie ihre Schwester völlig vergessen. Ob Ottokar noch immer bei ihr war? Eilig ging Isabella zur Haustür und lugte durch das Fenster. Die Straße war leer. Da fiel Isabella ein, dass Samstag war und sie ja mit ihren ehemaligen Kolleginnen samstags immer ihre Walking-Runde drehte. Schnell schlüpfte sie in ihre Sportkleidung und fuhr zum vereinbarten Treffpunkt an der Kirche. Als sie dort ankam, war allerdings von ihren Mitstreiterinnen nichts zu sehen.

Verärgert machte sich Isabella allein auf den Weg. Der letzte Spaziergang war ihr noch in schlechter Erinnerung. Am meisten geärgert hatte sie sich über die Polizisten, die so taten, als wäre nichts gewesen. Bei Charlotte hatte sie ihr Erlebnis mit keinem Wort erwähnt. Aber jetzt war es heller Tag, und da dürfte es wohl keine dunklen Überraschungen geben.

Sie schritt zügig an der Kirche vorbei und nahm den Fußweg am Friedhof entlang. Hinter dem Friedhofsparkplatz ging sie an einem Gebüsch vorbei zu dem schmalen Wanderweg, der in einem Rund von etwa zehn Kilometern durch Feld und Wald um die kleine Stadt führte.

Isabella war gerade so richtig im Trott, als sie auf der nahe gelegenen Straße einen roten Sportflitzer sah. Er sah genauso aus wie der Wagen, den die junge Frau vom Einkaufszentrum gefahren hatte. Das Auto parkte an einem Feldweg, und von der Besitzerin war weit und breit nichts zu sehen.

Isabella ging zügig weiter, in Gedanken war sie bei der jungen Frau. Was sie hier wohl machte, so inmitten der Felder? An der nächsten Wegbiegung schlängelte sich der Weg zwischen einem Maisfeld links und einem Kartoffelfeld rechts hindurch. Weit hinten sah Isabella die Dächer eines Bauernhofes liegen, und irgendwo tuckerte ein Traktor.

Plötzlich schrak Isabella zusammen und stoppte. Direkt vor ihr kam ein Mann aus dem Maisfeld. Er hatte ihr halb den Rücken zugedreht und war sehr schlank. Er war nicht viel größer als sie selbst und verschwand hastig wieder zwischen den großen Pflanzen, als er ihrer ansichtig wurde.

Isabella trat der Schweiß auf die Stirn. Ihre Hände zitterten. Es war nicht die Tatsache, dass ein Mann aus dem Maisfeld kam, die sie aus der Fassung brachte. Es war die Kleidung! Genau so hatte der Tote in Charlottes Garten ausgesehen! Eine ziemlich ausgebeulte Jeans und ein kariertes Hemd, dazu hatte der Unbekannte eine olivgrüne Kappe getragen, die sein Gesicht nicht erkennen ließ. Nachdem Isabella sich von ihrem Schock erholt hatte, drehte sie um, nahm die Stöcke in die Hand und rannte den Weg zurück, den sie gekommen war. Tief atmend und völlig durchgeschwitzt kam sie bei ihrem Auto an. Also war der Mann damals nicht tot gewesen! Aber was machte er dort im Maisfeld? Dann fiel ihr das rote Auto ein. Wenn er nun der jungen Frau etwas angetan hatte? Warum sonst war er ins Maisfeld zurückgewichen?

Isabella war so durcheinander, dass sie sich zwingen musste, vernünftig zu denken. Sollte sie die Polizei rufen? Noch einmal so eine Schlappe wie vor Kurzem wollte sie nicht erleben! Erst einmal musste sie sich vergewissern.

Sie startete langsam ihren Wagen, lenkte ihn vom Parkplatz und fuhr nach rechts auf die Landstraße zu der Stelle, an der sie das rote Auto gesehen hatte. Gerade als sie ankam, fuhr der Wagen davon. Da es ein Cabrio war, sah sie noch, wie das Haar der jungen Frau im Wind wehte. Dann war das Auto verschwunden.

Isabella wartete, bis ihr Herzschlag sich beruhigt hatte, und fuhr nach Hause.

Ob sie Charlotte davon erzählen sollte? Isabella schüttelte den Kopf ob ihrer plötzlichen Unsicherheit. Sie stellte den Wagen in der Garage ab, schloss das Tor und ging ins Haus. Sie brauchte zuallererst eine Dusche.

Zwei Stunden später saß Isabella bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse. Sie hatte noch mehrfach bei Vivian angerufen, allerdings immer vergeblich. Nebenan bei ihrer Schwester war es auffallend ruhig. Charlotte schien nicht da zu sein.

Ein Martinshorn unterbrach die nachmittägliche Stille. Der Klang kam näher. Verwundert verließ Isabella die Terrasse und ging zur Gartenpforte. Ein Krankenwagen und ein Notarztwagen schossen mit hoher Geschwindigkeit durch die kleine Straße. Ein hochgewachsener Mann kam die Straße herauf und blieb bei Isabella stehen. Es war einer der Anwohner, der mehrere Häuser entfernt am Anfang der Siedlung wohnte. Isabella kannte ihn nur vom Sehen, da sie Kontakt zu den Anwohnern möglichst vermied.

»Haben Sie das gesehen?«, ereiferte sich der Mann. »So eine Unverschämtheit, hier mit so hoher Geschwindigkeit durchzurasen!«

»Wenn es aber doch ein Notfall ist«, wandte Isabella ein.

»Die sind hier nur durchgefahren, da hätten sie gleich die Hauptstraße nehmen können!« Der Mann war um die sechzig und ziemlich aufgebracht. »Stellen Sie sich einmal vor, wenn Kinder hier spielen würden. Wozu steht das Tempo-30-Schild denn hier?!«

»Wenn Sie es so sehen«, gab Isabella zu und fuhr fort: »Wissen Sie, wohin der Notarzt gefahren ist?«

»Hier hat er jedenfalls nicht angehalten!«, sagte der Mann und ging davon.

Isabella ging langsam ums Haus herum zurück auf ihre Terrasse.

»Da bist du!«, erklang Charlottes Stimme über die Hecke. »Warum machst du nicht auf? Ich hab Sturm geklingelt!«