Erzähl dich neu! - Werner Siefer - E-Book

Erzähl dich neu! E-Book

Werner Siefer

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Beschreibung

Jeder Mensch hat nicht nur ein Leben, sondern auch eine Geschichte davon. Die Geschichte von sich selbst ist nicht irgendeine, sie ist die wichtigste. Die Geschichte, also die Autobiografie, liefert Antworten auf die zentralen Fragen, die einen Menschen betreffen können. Es sind Fragen nach seiner Existenz, nach seiner Identität, nach seiner Vergangenheit und seiner Zukunft. Werner Siefer zeigt, wie wir uns täglich unser Leben neu erzählen – und welch große Effekte kleine narrative Kniffe haben können.

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Seitenzahl: 41

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Werner Siefer

Erzähl dich neu!

Wie Worte das Ich stärken

Einleitung

Jeder Mensch hat nicht nur ein Leben, sondern auch eine Geschichte davon. Die Geschichte von sich selbst ist nicht irgendeine, sie ist die wichtigste. Die Geschichte, also die Autobiografie, liefert Antworten auf die zentralen Fragen, die einen Menschen betreffen können. Es sind Fragen nach seiner Existenz, nach seiner Identität, nach seiner Vergangenheit und seiner Zukunft.

Wer bin ich überhaupt?

Wie wurde ich zu dem, der ich bin?

Solche Dinge stehen in der Autobiografie geschrieben. Was nicht heißen soll, dass sie immer schriftlich verfasst wird, auch wenn der Drang dazu, vor allem im höheren Alter, bei vielen Menschen größer wird. Meist handelt es sich um eine Geschichte, die einfach nur mündlich geäußert wird. Manchmal taucht sie in Selbstgesprächen auf, und oft wird sie einfach nur im Stillen gedacht. Die autobiografische Feder schwingt immer, wenn auch nicht unbedingt am großen Stück. Meist sind es Fragmente, die umherfliegen. Am Esstisch, bei Familienfesten, unter Freunden auf der Party, an der Bushaltestelle, im Bett, auf Fotografien, im Telefon oder im in Karton gebundenen Album, am Kühlschrank oder in Kurznachrichten getippt. Einzelne Episoden, manchmal belanglos erscheinende Geschehnisse, verknüpft der Ich-Erzähler zu einem sinnvollen Ganzen. Er spannt den Bogen, der irgendwann in der Vergangenheit, bei der eigenen Geburt und sogar bei den Eltern oder den Großeltern beginnt, von deren Leben und Eigenschaften berichtet, und der bei einem Enkel endet, der so an Großmama erinnert. Ohne diese Autobiografie zu sein, ist keinem Menschen möglich.

Doch wie kommt der Mensch eigentlich zu seiner Geschichte? Wie lernen Kinder und Heranwachsende, worin eine Autobiografie bestehen sollte? Und ist das überhaupt wahr, was wir uns da so erzählen? Oder könnten wir nicht alles ganz anders erzählen?

Die Leuchttürme des Lebens

So individuell und absolut einmalig ein Leben auch sein mag,es folgt doch einer gewissen Regelmäßigkeit. Jeder kann eine »traurigste« oder eine »glücklichste« Episode erzählen. Und jeder geht zur Schule und gewinnt im Klassenzimmer Freunde. Er oder sie studiert, erlernt einen Beruf, heiratet und hat vermutlich selbst Kinder. Die Geschehnisse eines »normalen« Lebens passieren sowohl in einem gewissen Alter als auch in einer zu erwartenden Reihenfolge. Dies macht den Kanon der Biografie aus, das Erwartbare. Die damit verknüpften Geschichten sind gleichzeitig so relevant, dass sie sozusagen die Leuchttürme des Lebens bilden:

Ein erster Ausflug mit Mama und Papa, zum ersten Mal alleine Fahrrad fahren (und dabei schnurstracks in den Bach stürzen, wie ich), der erste Schultag, zum ersten Mal verliebt sein oder der erste Kuss. Und später der Schul- und Universitätsabschluss, die eigene Wohnung, die rauschende Hochzeit und das erste Kind.

Lebenslaufforscher nennen diese Leuchttürme »Life Scripts«. Und Menschen haben normalerweise eine sehr klare Vorstellung davon, worin diese Lebensskripte zu bestehen haben, wie sich in einer Studie mit 1485 dänischen Probanden herausstellte. Auf die Frage, was die zehn wichtigsten Ereignisse zwischen Geburt und Tod seien und in welchem Alter sie geschätzt auftreten, gaben die Teilnehmer sehr einheitliche Antworten, was sich in der statistischen Berechnung durch geringe Abweichungen vom Mittelwert äußerte.

Die wichtigsten Ereignisse der Dänen – und vermutlich sehr vergleichbar der Mitteleuropäer insgesamt – sind demnach: 1. Sprechen lernen (mit 2,2 Jahren), 2. der Tod des Partners (mit 75 Jahren), 3. der erste Kontakt mit Mitmenschen (1 Jahr), 4. der »richtige« Job (30 Jahre), 5. Kinder bekommen (28,08 Jahre), 6. anfangen zu laufen (1,33 Jahre), 7. eine ernsthafte Erkrankung (50,63 Jahre), 8. erwachsen sein (19,4 Jahre), 9. eine erste Freundschaft (4,78 Jahre), 10. einen Freundeskreis oder eine Clique haben (14,2 Jahre). Am Ende der 35 Ereignisse umfassenden Liste der Lebensprioritäten fanden sich übrigens die Konfirmation (13,67 Jahre), die Taufe (0 Jahre), Eintritt in den Kindergarten (2,82 Jahre) sowie eine erste lange Auslandsreise (21,33 Jahre).

Wer sich die Liste noch einmal genauer anschaut, wird feststellen, dass die wichtigsten Lebensskripte einen positiven Inhalt haben. Daneben zeigte sich, dass die Altersangaben der positiven Skripte – mit anderen Worten die Erwartungen – alle recht einheitlich waren (dies ist nicht aus der Liste ersichtlich, aber aus den Daten der Forscher). Für negative Skripte gingen die Altersangaben dagegen deutlich weiter auseinander. Das liegt daran, dass Menschen offenbar eine Art Idealvorstellung von einem Leben haben, ob das nun das eigene oder ein anderes ist; Erfahrungen von Leid sind dabei sehr wohl vorgesehen, alles andere wäre unrealistisch. Sie bleiben aber zeitlich völlig im Ungefähren.