ESD-Schutz - Hartmut Berndt - E-Book

ESD-Schutz E-Book

Hartmut Berndt

0,0

Beschreibung

Das Buch behandelt die Anforderungen an ein ESD-Control-System zum Schutz elektronischer Bauelemente und Baugruppen vor den Schäden durch elektrostatische Entladungen und Felder. Ausgehend von den Gefährdungsmodellen werden Lösungsvarianten beschrieben. Der Leser wird dazu befähigt, die Einrichtung von ESD-Bereichen vorzubereiten, zu verwirklichen und zu überwachen. Schwerpunkt ist dabei die praktische Umsetzbarkeit des ESD-Control-Systems. Auch die Anforderungen aus den gültigen Normen DIN EN 61340-5-1 und DIN IEC/TR 61340-5-2 sowie ANSI/ESD S20.20-2014 werden behandelt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 367

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hartmut Berndt

ESD-Schutz

Normen, Konzepte und Messtechnik in der Praxis

3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Kontakt & Studium

Band 675

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilfried J. Bartz

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Mesenholl

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2019 · expert verlag GmbHDischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen.

Internet: www.expertverlag.deeMail: [email protected]

Printed in Germany

ISBN 978-3-8169-3235-2 (Print)ISBN 978-3-8169-8235-7 (ePDF)eISBN 978-3-8169-0003-0

Vorwort zur 3. Ausgabe

Das Buch beschreibt die Anforderungen und gibt Hinweise für die Erstellung eines ESD-Control-Systems (ESD-Kontrollprogramm), um elektronische Bauelemente und Baugruppen vor einer Schädigung durch elektrostatische Entladungen und Felder zu schützen.

Ausgehend von den Gefährdungsmodellen (HBM, MM, CDM sowie weiteren Varianten) werden Lösungsvarianten beschrieben. Der Leser wird dazu befähigt, die Einrichtung von ESD-Arbeitsplätzen oder kompletten ESD-Bereichen zu planen, umzusetzen und zu überwachen. Schwerpunkte sind dabei, Hinweise für die praktische Umsetzbarkeit eines ESD-Control-Systems zu geben.

Basis bilden dafür die gültigen Normen DIN EN 61340-5-1 und DIN IEC/TR 61340-5-2 sowie die ANSI/ESD S20.20-2014. Bei der Interpretation der Anforderungen für das ESD-Control-System werden alle Ausgaben der Normen herangezogen (z. B. von 2001, 2008 und 2017). Hintergrund ist die Tatsache, dass dem Leser sinnvolle Hinweise zur Anwendung der Normen gegeben werden sollen. Dabei soll auch auf bewährte Maßnahmen der vorhergehenden Versionen zurückgegriffen werden. Grundsätzlich kann gesagt werden, die elektrostatischen Anforderungen haben sich über die vielen Jahre nicht geändert. Sie wurden nur angepasst.

Damit der Leser umfassend informiert wird, werden die DIN- und ANSI-Normen vergleichend herangezogen. Es kommt bei der täglichen Anwendung immer wieder zu Fragen aus beiden Normenwerken.

Ein sehr schwieriges Thema ist das Verständnis der Messverfahren bzw. der gewonnen Messergebnisse. Anhand von Beispielen werden einige Besonderheiten erklärt.

Inhalt

1. Einleitung

1.1. Entstehung elektrostatischer Ladungen und Wirkungen auf elektronische Bauelemente und Baugruppen

1.2. Klassische Entstehungsmechanismen

1.2.1. Triboelektrizität – Reibungselektrizität

1.2.2. Ladungsentstehung durch Influenz – Einfluss von einem elektrischen Feld

1.2.3. Berechnung der elektrostatischen Aufladung

1.2.4. Mechanismen, die die elektrostatische Aufladung beeinflussen

1.2.4.1. Materialeigenschaften

1.2.4.2. Reibungselektrizität und Kontaktspannung

1.3. Allgemeine Entlademechanismen

1.4. Fehlermodelle

1.4.1. Human Body Model (HBM) – Körperentladungsmodell

1.4.2. Machine Model (MM) – Maschinenmodell

1.4.3. Charged Device Model (CDM) – Modell vom geladenen Objekt

1.4.4. Field Induced Model (FIM) – Feldbezogene Entstehung und Entladung von elektrostatischen Ladungen

1.4.5 Charged Board Model (CBM) und Field Induced Charged Board Model (FICBM)

1.5. Allgemeine Fehlermodelle von elektronischen Bauelementen

1.5.1. Thermischer Durchbruch

1.5.2. Dielektrischer Durchbruch

1.5.3. Aufschmelzen der Metallisierung

1.5.4. Unterschiede bei den verschiedenen Beuelementetechnologien

1.6. Wirkungen von ESD auf MOS-Strukturen

1.6.1. Aufbau und Wirkungsweise eines MOS-Transistors

1.6.2. Entladung an einem MOS-Transistor

1.6.3. Leistungs-MOS-Transistoren

1.6.4. Mehrfache ESD-Fehler – Überlagerung von Fehlern – Latente Fehler und Degradation

1.6.5. Wirkungen von ESD auf bipolare Bauelemente

1.6.5.1. Das Wunsch-Bell-Modell zur Bestimmung von Fehlerpegeln

1.6.5.2. Berechnung der ESD-Spannungsschwelle von pn-Übergängen

2. ESD-Normen – DIN EN 61340-5-1 und DIN IEC/TR 61340-5-2, ANSI ESD S20.20

2.1. Übersicht über die Entwicklung der Normenfamilie IEC 61340-x-x „Electrostatics“

2.2. Grundspezifikation – Allgemeine Anforderungen für den Schutz elektronischer Bauelemente und Baugruppen vor elektrostatischen Entladungen

2.3. Definitionen

2.3.1. Allgemeine Definitionen

2.3.2. Widerstandsdefinitionen

2.3.3. Materialeigenschaften

2.4. Die Normen DIN EN 61340-5-1 und DIN IEC/TR 61340-5-2 (neu ab 04/2019)

2.5. Vergleich DIN EN 61340-5-1 und ANSI/ESD S20.20

2.6. ESD-Norm DIN EN 61340-5-1 (2017)

2.7. Kennzeichnung von ESDS und ESD-Arbeitsplätzen bzw. Bereichen

2.8. Bestandteile einer ESD-Schutzzone (EPA)

3. ESD-Control-Plan

3.1. ESD-Control-Plan – Einführung warum?

3.2 ESD-Kontrollmaßnahmen

3.2.1. Interne Schutzschaltungen des Halbleiterherstellers auf einem Chip

3.2.1.1. Widerstandsnetzwerk

3.2.1.2. Diodenkombination

3.2.1.3. Widerstands-Dioden-Kombination

3.2.1.4. Feldplattenelektrode

3.2.1.5. „Punch through“-Transistor mit dünnem Gateoxid

3.2.1.6. „Punch through”-Transistor mit dickem Gateoxid

3.2.1.7. Praktische Schutzschaltungsanordnungen

3.2.2. Technologische Maßnahmen des Halbleiterherstellers bei der Herstellung

3.3. ESD-Control-Plan – 5-Stufen-Plan

3.3.1. 1.Stufe – Analyse

3.3.2. 2. Stufe – Aufstellung des ESD-Kontrollprogramms (ESD-Control-Plan)

3.3.3. 3. Stufe – Schulung der Mitarbeiter

3.3.4. 4. Stufe – Einführung der ESD-Kontrollmaßnahmen

3.3.5. 5. Stufe – Überprüfung der ESD-Kontrollmaßnahmen und Inbetriebnahme

3.3.6. Zusammenfassung

3.4. Anforderungen an die einzelnen Ausrüstungen und Stufen

3.4.1. Anforderungen an die Person

3.4.2. Anforderungen an den ESD-Arbeitsplatz

3.4.3. Anforderungen an den ESD-Fußboden

3.4.4. Anforderungen an die EPA

3.4.5. Anforderungen an Maschinen und Ausrüstungen

3.4.6. Anforderungen an Verpackungsmaterialien

3.4.7. Testmethoden für die Maßnahmen des ESD-Control-Systems

4. Anforderungen an ESD-Control-Maßnahmen und Ausführungen

4.1. Allgemeine Anforderungen

4.2. Gestaltung der Arbeitsplätze, Arbeitsräume

4.2.1. Grundsätzliche Ausrüstungen

4.2.1.1. ESD-Arbeitsplatzausrüstung

4.2.1.2. ESD-Arbeitsbereich

4.2.2. Anforderungen an die Kennzeichnung

4.2.3. Anforderungen an PCB, Baugruppen

4.2.4. EPA, Einzel-Komplett EPA, Reinraumbereiche, Hochspannungsprüfplätze, Service Arbeitsplätze

4.3. Anforderungen an die ESD-Kontrollmaßnahmen in einer EPA

4.3.1. Arbeitsplatzobfläche, Wagen

4.3.2. Fußboden

4.3.2.1. Ausführungen

4.3.2.2. Ableitfähiger Fußbodenbelag

4.3.2.3. Ableitfähiges Beschichtungssystem aus Epoxidharz (Dickschicht)

4.3.2.4. Ableitfähige Systeme auf der Basis von leitfähigen Epoxidharz- oder PU- Lacken (Dünnschicht)

4.3.2.5. Andere Fußbodensysteme und Versiegelungen von Bodenbelägen und Beschichtungen

4.3.3. Personenausrüstungen

4.3.3.1. Bekleidung, Handschuhe, Arbeitskittel

4.3.3.2. Handgelenkbänder

4.3.4. Tische, Stühle, Möbel, Wände

4.3.5. Erdungsmaßnahmen

4.3.5.1. Erdung der Arbeitsoberfläche

4.3.5.2. Erdungsanschlüsse

4.3.5.3. EPA-Erdungskabel

4.3.5.4. EPA-Erdungsanschlusspunkte (EBP)

4.3.5.5. Personenschutz in einer EPA

4.3.5.6. Ableitwiderstände zur Strombegrenzung, Ableitwiderstände

4.3.6. Nichtstationäre und Service-Arbeitsplätze

4.3.7. Anforderungen an Maschinen und Ausrüstungen, Transporteinrichtungen, Werkzeuge

4.3.7.1. Werkzeuge

4.3.7.2. Maschinen und Ausrüstungen, automatische Transporteinrichtungen

4.3.7.3. Lötkolben, Lötanlagen

4.3.8. Elektrostatische Felder in einer EPA

4.3.9. Umgebungsbedingungen, Luftfeuchtigkeit und Temperatur

4.4. Anforderungen an ESD-Verpackungsmaterialien

4.4.1. Normgerechte Anforderungen

4.4.2. Praktische Ausführungen

4.4.2.1. Leitfähige und (antistatische) Verpackungen

4.4.2.2. Eigenschaften und Anforderungen an Folien

4.4.3. Lagerzeit von Verpackungen

4.4.4. Kennzeichnung von ESD-Verpackungen

4.4.5. Anforderungen an Verpackungen nach der Norm "ANSI/ESD S541“ [102]

4.4.5.1. Anforderungen an Verpackungen nach DIN EN 61340-5-3 [99] und ANSI/ESD S541 [46, 102]

4.4.5.2. Klassifikation von ESD-Verpackungsmaterialeigenschaften nach DIN EN 61340-5-3 und ANSI/ESD S5413

4.5. Verantwortung im ESD-Bereich – Aufgaben eines ESD-Koordinators

4.5.1. Betriebsleitung, Management

4.5.2. Verantwortung der Mitarbeiter

4.5.3. ESD-Koordinator, ESD-Programm Manager

4.6. ESD-Schulungen

4.7. Überprüfung der ESD-Kontrollmaßnahmen

4.8. Ionisation

4.8.1. Induktion

4.8.2. Ionisation durch radioaktives Material

4.8.3. Elektrische Ionisation – Statische Ionisation

4.8.4. Realisierung der Ionisation am ESD-Arbeitsplatz

4.9. Muster für eine ESD-Kontrollprogramm, Prüf- und Kontrollplan

5. Messtechnik, Grundlagen und praktische Erfahrungen

5.1. Beziehungen zwischen elektrostatischer Ladung und elektrostatischem Feld

5.2. Messung elektrostatischer Ladungen

5.3. Messung der elektrischen Feldstärke in einem elektrostatischen Feld

5.4. Messung von Widerständen – Oberflächen- und Ableitwiderständen

5.4.1. Widerstandsdefinitionen

5.4.2. Hinweise für den Einsatz der beschriebenen Messverfahren und Messprinzipien

5.4.3. Messung von Oberflächenwiderständen

5.4.3.1. Oberflächenwiderstand nach DIN EN 61340-4-1

5.4.3.2. Oberflächenwiderstand nach DIN EN 1081

5.4.3.3. Oberflächenwiderstand nach DIN EN 61340-2-3

5.4.3.4. Oberflächenwiderstand nach DIN DIN EN 62631-3-2

5.4.3.5. Oberflächenwiderstand nach ANSI/ESD S7.1

5.4.3.6. Oberflächenwiderstand nach ANSI/ESD STM11.11

5.4.3.7. Oberflächenwiderstand mit der Mikro-Ringelektrode nach ESD STM11.11

5.4.3.8. Oberflächenwiderstand mit der Mikro-Zweipunktelektrode nach ASTM/ESD STM 11.13

5.4.3.9. Zusammenfassung - Messung des Oberflächenwiderstandes RO

5.4.4. Messung von Ableitwiderständen

5.4.4.1. Ableitwiderstand nach DIN EN 61340-4-1

5.4.4.2. Ableitwiderstand nach DIN EN 1081

5.4.4.3. Ableitwiderstand nach DIN EN 61340-2-3

5.4.4.4. Ableitwiderstand nach DIN 62631-3-1

5.4.4.5. Ableitwiderstand nach ANSI/ESD S7.1

5.4.4.6. Zusammenfassung – Messung des Ableitwiderstandes nach RA

5.4.5. Messung von Durchgangs- und Volumenwiderständen

5.4.5.1. Durchgangswiderstand nach DIN EN 61340-4-1

5.4.5.2. Durchgangswiderstanc nach DIN EN 61340-2-3

5.4.5.3. Durchgangswiderstand nach DIN DIN EN 62631-3-1

5.4.5.4. Zusammenfassung – Messung des Durchgangs- oder Volumenwiderstandes

5.4.6. Weitere Widerstandsmessverfahren

5.5. Praktische Messungen und Messvorschriften für Widerstände und weitere Parameter (Entladezeit, Personenaufladung) zur Ermittlung der Wirksamkeit der ESD-Kontrollmaßnahmen

5.5.1. ESD-Arbeitsoberflächen, Regale

5.5.1.1. Ableitwiderstand von ESD-Arbeitsoberflächen

5.5.1.2. Oberflächenwiderstand von ESD-Arbeitsoberflächen und Materialien für ESD-Arbeitsoberflächen

5.5.1.3. Praktische Messergebnisse für Widerstandsmessungen an ESD-Materialien für Arbeitsoberflächen

5.5.1.4. Aufladbarkeit und Entladezeitmessung von ESD-Arbeitsoberflächen

5.5.1.5. Regaloberflächen

5.5.2. ESD-Fußböden

5.5.2.1. Ableitwiderstand von ESD-Fußböden

5.5.2.2. Oberflächen-, Durchgangs- und Volumenwiderstand von verlegten ESD-Fußböden und von Materialien

5.5.2.3. Praktische Messergebnisse für Widerstandsmessungen an Materialien für ESD-Fußböden

5.5.2.4. Systemwiderstand und Personenaufladung

5.5.3. Prüfung von ESD-Transportwagen

5.5.4. Prüfung von ESD-Stühlen

5.5.5. Prüfung von ESD-Bekleidung und ESD-Schuhen

5.5.5.1. ESD-Schuhe

5.5.5.2. ESD-Bekleidung

5.5.5.3. Handschuhe und Fingerlinge

5.5.6. Prüfung von ESD-Werkzeugen

5.5.7. Messverfahren für ESD-Verpackungsmaterialien

5.5.7.1. Oberflächenwiderstand von ESD-Verpackungsmaterialien

5.5.7.2. Volumenwiderstand von ESD-Verpackungsmaterialien

5.5.7.3. Ermittlung des Abschirmverhaltens von ESD-Verpackungsmaterialien

5.5.7.4. Messverfahren für die Ableitzeit oder Static Decay Time

5.5.7.5. Praktische Messungen an ESD-Verpackungsmaterialien

5.6. Überprüfung von Ionisatoren

5.7. Einfluss der Luftfeuchtigkeit und der Temperatur

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

1Einleitung

Elektronische Bauelemente und Baugruppen sind sehr empfindlich gegenüber elektrostatischen Auf- und Entladevorgängen. Dabei gilt dies für alle aktiven elektronischen Bauelemente und Baugruppen mit diesen Bauelementen. Erfahrungen haben gezeigt, dass in diese Kategorie alle SMD-Kondensatoren und SMD-Widerstände zusätzlich einzubeziehen sind. Dünn- und Dickschichtstrukturen werden ebenfalls immer sensibler gegenüber elektrostatischen Entladevorgängen. Von einer Verbesserung oder Reduzierung der Ausfälle auf PCB oder Leiterplatten kann nicht ausgegangen werden. Bei elektronischen Bauelementen gilt grundsätzlich, dass das empfindlichste elektronische Bauelement die Empfindlichkeit der gesamten Baugruppe bestimmt. Hier ist davon auszugehen, dass die Baugruppe umschlossen sein muss und in Betrieb ist. Erst dann besteht keine Gefahr durch elektrostatische Ladungen oder Felder.

Die Tabelle 1.1 veranschaulicht die Entwicklung der Bauelementeabmessungen in den nächsten Jahren und zugleich den Anstieg der Empfindlichkeit. Es genügt, wenn elektrostatische Auf- oder Entladevorgänge in der Nähe des Bauelementes erfolgen. Allein das dabei entstehende elektrostatische Feld führt zu Veränderungen auf oder im Bauelement. In der Tabelle 1 wird auch gezeigt, dass mit der Abnahme der Bauelementeabmessungen auch die elektrostatische Feldstärke, die die elektronischen Bauelemente beeinflussen kann, sich um mindestens den Faktor 4 reduzieren wird. D.h., elektronische Bauelemente werden immer empfindlicher gegenüber elektrostatischen Ladungen und Felder, oder die Ladungen und Felder, die die ESDS beeinflussen, werden immer kleiner. Der Trend wird sich massiv in den nächsten Jahren fortsetzen.

Tabelle 1.1Entwicklung der Bauelementeabmessungen bis 2030 [1]

Elektronische Bauelemente unterscheiden sich durch zwei grundlegende Schädigungsmechanismen; erstens Schädigungen durch eine elektrostatische Spannung und zweitens durch die Energie des Entladestroms, der durch die elektrostatische Entladung hervorgerufen wird.

Bild 1.1:Entwicklung der Bauelementeempfindlichkeit gegenüber ESD in den nächsten Jahren

Die nach MOS- und CMOS-Technologien hergestellten integrierten Schaltkreise weisen einen extrem niedrigen Energieverbrauch auf, zeichnen sich durch eine hohe Störsicherheit aus und lassen einen relativ einfachen Schaltungsaufbau zu. Die CMOS-Technik baut auf der schon viele Jahre bekannten MOS-Technik auf. Bedingt durch den prinzipiellen Aufbau des MOS-Transistors ist die kritischste Stelle das Gateoxid. Das Gateoxid ist vergleichbar mit einer sehr dünnen Folie, die elektrostatisch aufgeladen wird und an der es dann zum Durchschlag kommen kann, wenn sich zu viele Ladungen angesammelt haben. Da das Gateoxid sehr dünn ist (< 10 nm), ist auch die Ladungsmenge sehr klein, die diese Schicht zerstören kann. Ein weiterer Nachteil ist, dass dieses Gateoxid eine kleine Kapazität darstellt, die bereits vorher elektrostatische Ladungen gesammelt haben kann, diese speichert und durch eine zusätzliche, sehr kleine Entladung zerstört werden könnte.

Demgegenüber unterscheiden sich bipolare Bauelemente grundsätzlich durch den Schädigungsmechanismus. Das Grundprinzip ist hier die Zerstörung des pn-Überganges durch einen hohen Entladestrom, der durch eine elektrostatische Entladung verursacht wird. Gegenüber den MOS- und CMOS-Bauelementen, bei denen die Schädigung durch die eigentliche elektrostatische Aufladung oder Spannung hervorgerufen wird, liegt hier eine Schädigung durch einen sehr hohen Strom vor. Bei einer elektrostatischen Entladung fließen die Ladungen über das Bauelement ab. Der fließende Strom zerstört die pn-Übergänge. Nicht nur Transistoren, sondern auch Dioden und Leistungsbauelemente werden nachweislich durch elektrostatische Entladevorgänge geschädigt.

Nach den Zerstörungsmechanismen können die Bauelemente in „spannungsempfindliche“ und „energieempfindliche“ Bauelemente eingeordnet werden. Weiterhin führt die Reduzierung der Abmessungen der elektronischen Bauelemente dazu, dass nicht mehr die eigentliche Aufladung oder elektrostatische Spannung betrachtet werden kann. Die Entladeenergie gewinnt eine immer größere Bedeutung. Energiebetrachtungen werden in Zukunft unumgänglich sein, wenn elektrostatische Vorgänge betrachtet werden.

Der erste Teil befasst sich mit den theoretischen Grundlagen und den klassischen Entstehungsmechanismen für elektrostatische Ladungen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Beschreibung des elektrostatischen Feldes und dessen Parametern sowie auf den klassischen Entstehungsmechanismen – Reibung (Triboelektrizität) und Influenz.

Durch die sich immer weiter entwickelnden messtechnischen Möglichkeiten zur Untersuchung elektrostatischer Ladungen ergeben sich ständig neue Erkenntnisse. Daraus werden grundlegende Zusammenhänge besonders hinsichtlich der Entstehung elektrostatischer Ladungen und den Beeinflussungsmöglichkeiten für elektronische Bauelemente abgeleitet. Aus den daraus entwickelten Fehlermodellen werden die Entstehungsmechanismen hergeleitet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung der Effekte bei bipolaren Bauelementen und Feldeffekt-Bauelementen.

1.1Entstehung elektrostatischer Ladungen und Wirkung auf elektronische Bauelemente und Baugruppen

Elektrostatische Ladungen entstehen durch mechanische Vorgänge, wie z. B. Reibung, oder durch elektrostatische Felder, wie z. B. Influenz. Elektrostatische Aufladungen entstehen im täglichen Leben immer und ohne die Beeinflussung durch äußere Umstände. Erst die Entladung kann elektronische Bauelemente und Baugruppen zerstören. Der Verlauf der Entladung elektrostatischer Ladungen hängt von verschiedenen Faktoren ab:

•Umweltparameter (Luftfeuchtigkeit, Temperatur)

•Gestaltung und geometrische Abmessungen der Entladungsgegenstände

•Annäherungsgeschwindigkeit, z. B. der Hand einer geladenen Person an das Bauelement, oder in Maschinen, die Bewegung oder Führung von Bauelementen und Leiterplatten

•Entladung direkt über die Hand (Finger) oder über einen metallischen Gegenstand (z. B. Werkzeuge, Zuführung, Bestückungseinrichtung)

Bild 1.2:Typische Entladekurve für eine menschliche Körperentladung, der erste Impuls ergibt sich bei einer Entladung über einen metallischen Gegenstand (z. B. Pinzette, Schraubendreher aus Metall, Schraubenzieher)

Im Bild 1.2 wird eine annähernd realistische Entladungskurve einer menschlichen Körperentladung dargestellt. Dieser Kurvenverlauf tritt besonders im Spannungsbereich von 0 V bis 3 … 4 kV auf, der für elektronische Bauelemente interessant ist [2]. Der steile Anstieg des Stromes zu Beginn der Entladung war mit der früheren Messtechnik nicht nachweisbar. Die Anstiegszeiten liegen im Bereich von 300 … 350 ps, mit schnelleren Geräten können noch Werte im Bereich von 50 … 100 ps nachgewiesen werden. Dieser steile Anstieg des Entladestromes einer Körperentladung zerstört alle elektronischen Bauelemente. Mit größter Wahrscheinlichkeit und guter Reproduzierbarkeit lässt sich dieser Impulsverlauf bei der Entladung eines Menschen über einen metallischen Gegenstand nachweisen.

Physikalisch ist der Effekt so zu erklären: Beim Entladevorgang kommt es an der Metallspitze zu einer Konzentration des elektrischen Feldes. Grafisch veranschaulicht bedeutet dies, die Abstände der Feldlinien werden immer geringer. Die elektrische Feldstärke wird an der Spitze sehr groß. Die Stromdichte D nimmt sehr stark zu. Somit entstehen bei der Entladung über einen spitzen und elektrisch leitenden Gegenstand sehr hohe Stromstärken. In der Literatur [2, 3, 4] werden Werte von 60 A (Spitzenwerte liegen bei 160 A) eines Entladestromimpulses angegeben. Analog sieht der Entladevorgang einer Person über einen Finger aus, da dieser als elektrisch leitend angesehen werden kann. Diese hohen Stromstärken äußern sich beim Menschen nur durch einen kurzzeitigen Schmerz. Diese Entladeströme müssten durch elektronische Bauelemente abgeführt werden. Dies ist bei den immer kleiner werdenden Abmessungen nicht möglich. Für diese Bauelemente kommt jede Hilfe zu spät. Der zweite Anstieg kann dadurch erklärt werden, dass jeder elektrische Leiter eine Induktivität aufweist. Auch der Finger eines Menschen ist ein Leiter mit einer definierten induktiven Komponente. Die Induktivität speichert Energie, die im Wechsel wieder abgegeben wird. Besonders beim Charged Device Model (CDM) gewinnt die Induktivität an Bedeutung.

Bild 1.3:Vergleich der Entladekurven für elektrostatische Entladungen

Ein Problem bei der Untersuchung von ESD-Ereignissen und der Anwendung von ESD-Simulationsverfahren ist die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse. Beim Entladevorgang selbst kann ein Funken entstehen und Korona Entladung auftreten. Der Funke ist ein Phänomen mit komplexem Charakter, der von den Umweltbedingungen sowie von den durch Korona-Effekte hervorgerufenen Rückentladungen beeinflusst wird. daneben durch eine ungleichmäßige Annäherungsgeschwindigkeit des Stimulators und verschiedene andere Effekte [2].

Zwei Beeinflussungsmechanismen werden an den folgenden Bildern dargestellt. Zum einen, eine Person nähert sich direkt einem elektronischen Bauelementen. Die Person ist elektrostatisch aufgeladen. Das von der Person hervorgerufene elektrostatische Feld kann vor der eigentlichen Berührung bereits das elektronische Bauelement beeinflussen. Das elektrische Feld kann eine Ladungsverschiebung und damit eine elektrostatische Aufladung auf dem Bauelement provozieren. Ein direkter Kontakt mit dem Bauelement oder der Baugruppe ist nicht notwendig. Ein elektrostatisches Potential ist vorhanden.

Bild 1.4:Beeinflussung eines elektronischen Bauelements durch das elektrostatische Feld eines Fingers und die folgende Entladung über das Bauelement [7]

Ähnlich sieht der Sachverhalt aus, wenn die Person elektrostatisch aufgeladen ist und sich einem PCB nähert. Über verschiedene Leitungen und Leiterbahnen können elektrostatische Felder eingekoppelt werden. Auch hier bewirken die elektrischen Felder Ladungsverschiebungen, die wiederum eine elektrostatische Spannung erzeugen. Die elektrostatischen Aufladungen werden auf der Leiterplatte (PCB) von den verschiedenen Bauelementen und Strukturen gespeichert. Bei einem Kontakt mit einem geerdeten Teil fließen die elektrostatischen Ladungen von diesen und der Leiterplatte ab und verursachen Schäden. Gerade bei elektronischen Baugruppen in Gehäusen mit Anschlüssen nach außen ist dieser Vorgang nachvollziehbar.

Bild 1.5:Einkopplung eines elektrostatischen Feldes in eine Leiterplatte (PCB) [7]

1.2Klassische Entstehungsmechanismen

Es werden zwei grundlegende Entstehungsmechanismen unterschieden: Reibung oder Triboelektrizität und Influenz oder elektrische Felder. Ausgehend von der Definition

„Elektrostatische Aufladungen sind Ansammlungen von positiven und negativen Ladungsträgern auf Leitern und Nichtleitern, die durch Reibung oder Influenz entstehen.“

werden die grundlegenden Entstehungsmechanismen vorgestellt. Dabei werden grundlegende Zusammenhänge erklärt. In der Erklärung wird nicht darauf eingegangen, ob die elektrostatischen Aufladungen positiv oder negativ sind. Grundsätzlich sind alle elektrostatischen Aufladungen für elektronische Bauelemente und Baugruppen gefährlich. Sicher gibt es Unterschiede, aber die werden erst in der nächsten Zeit untersucht. Weiterhin laden sich leitfähige Materialien, genauso wie nicht leitfähige Materialien, elektrostatisch auf. Da aber die Beweglichkeit der Elektronen in einem Leiter sehr hoch ist, wird keine Aufladung zurückbleiben, wenn die Quelle für elektrostatische Aufladungen „abgestellt“ wurde. Die Elektronen neigen zu einem sofortigen Ladungsausgleich oder Abbau der Potentialdifferenz. Nur auf isolierenden Materialien bleiben die Aufladungen erhalten, weil hier die Beweglichkeit der Elektronen sehr gering oder überhaupt nicht vorhanden ist.

1.2.1Triboelektrizität – Reibungselektrizität

Die häufigste Art der Entstehung elektrostatischer Ladungen ist die Reibung. Unter Reibung versteht man das Gleiten und Berühren zweier zuerst neutraler Körper aus denselben oder unterschiedlichen Materialien. Der mechanische Vorgang bewirkt eine Veränderung der Ladungskonzentration an der Oberfläche beider Körper. Einige Körper können elektrische Ladungen aufnehmen andere abgeben (vgl. Bild 1.6). Für die Entstehung von unterschiedlichen Ansammlungen von elektrostatischen Ladungen genügt kurzzeitiges Berühren. Eine Ursache für das Wandern der Elektronen von einem zum anderen Körper ist die Elektronenaustrittsarbeit der beteiligten Körper. Je nach Höhe der Elektronenaustrittsarbeit werden von einem zum anderen Körper oder Gegenstand Elektronen transportiert. Messbar sind die unterschiedlichen Ladungsträgeransammlungen erst nach der Trennung, der an dem Vorgang beteiligten Körper. Die Polarität und die Höhe der elektrostatischen Ladungen hängen von den spezifischen Materialeigenschaften der beteiligten Körper ab. Wichtige Parameter sind dabei Oberflächenrauhigkeit, Oberflächenstruktur, Dielektrizitätskonstante, elektrische Volumen- und Oberflächenleitfähigkeit sowie äußere Umgebungsbedingungen. Das Bild 1.6 zeigt einen einfachen Vorgang zur Ladungsentstehung. Zwei Körper berühren sich und werden danach wieder getrennt.

1Zwei Substanzen A, B befinden sich in neutralem Zustand

2Berührungs- und ReibungsphaseA lädt sich positiv aufB lädt sich negativ auf

3.A ist positiv, B ist negativ aufgeladen

Bild 1.6:Prinzip der Aufladung durch Berührung, Kontakt oder Reibung [8]

In der Berührungsphase werden Ladungen ausgetauscht. Nach dem Trennen der Körper bleiben verschiedene Ladungsverteilungen zurück. Es besteht eine Potentialdifferenz.

Viele Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, dass kurzzeitiges Berühren zweier Körper ausreicht, um elektrostatische Ladungen zu erzeugen. Sind an dem mechanischen Vorgang gut elektrisch leitfähige Stoffe beteiligt, kommt es nach der Trennung zum sofortigen Ladungsausgleich, hervorgerufen durch die hohe Beweglichkeit der Ladungsträger im Material. Die messbare Kontaktspannung, d.h. die elektrostatische Aufladung, ist dabei sehr gering bzw. Null. Besteht ein Körper aus einem elektrisch schlecht leitenden Material oder einem Isolierstoff, kann die Ladung nicht ausgeglichen werden bzw. abfließen. In dem Material selbst besteht keine Beweglichkeit der Ladungsträger. Führt man diese Ladung vom Reib- oder Kontaktpartner weg, und kommt es zu keinem Ladungsausgleich im oder auf dem Material bleiben die Ladungen bestehen. Die Kontaktspannung steigt mit zunehmendem Abstand. Sie ist abhängig von der eigentlichen Ladungsmenge und der Kapazität des Körpers, auf dem sie sich befindet.

Der Reibung analoge Vorgänge sind Zerreißen, Deformieren, Verspritzen, Versprühen, Vermischen, Verdampfen, Kristallisieren usw. Allgemein kann man sagen, dass bei der Relativbewegung zweier im Kontakt befindlicher Stoffe aus denselben oder unterschiedlichen Materialien immer elektrostatische Aufladungen entstehen. Ein typischer oder auch klassischer Aufladevorgang ist das Laufen einer Person über einen Fußboden. Bei jedem Schritt kommt es zur Ladungstrennung, der so genannten Reibungsaufladung an der Schuhsohle. Die elektrostatische Aufladung, d.h., die elektrostatische Ladung wird auf der Person, die eine elektrische Kapazität darstellt, gespeichert. Bei jedem Schritt werden neue Ladungsträger akkumuliert. Theoretisch kann ein Teil der Ladungen von der Person zurück auf den Fußboden fließen, aber nur theoretisch. Denn alle beteiligten Materialien, außer der Person, sind Nichtleiter und damit können keine Ladungsträger abfließen. Die elektrostatischen Ladungen bleiben auf der Person. Die Person speichert diese Ladungen. Bild 1.7 a) zeigt den Aufladevorgang einer Person beim Gehen. Das Diagramm in Bild 1.7 b) lässt die hohen Aufladungen erkennen. Die maximale Aufladung der Person ist begrenzt. Sie endet bei ca. 35 kV.

a)Prinzip der Aufladung

b)Verlauf der elektrostatischen Spannung auf der Person

Bild 1.7:Die Aufladung einer Person beim Gehen über einen Fußboden (z. B. synthetischer Teppich)

1.2.2Ladungsentstehung durch Influenz – Einfluss von einem elektrischen Feld

Das zweite Grundprinzip zur Bildung elektrostatischer Aufladungen ist die Influenz. Elektrostatische Aufladungen entstehen, wenn z. B. ein gut isolierter, neutraler Körper in ein elektrisches Feld gebracht wird. Die Ladungen auf diesem Körper sind zuerst ausgeglichen, wenn das Feld noch nicht anliegt. Ist die elektrische Feldstärke genügend groß, so kommt es zur Ladungsverschiebung auf dem vorher neutralen Körper. Wird dieser nun kurzzeitig auf einer Seite geerdet, so können die dort befindlichen positiven Ladungen zum Erdpotential abfließen. Nimmt man nunmehr den Körper aus dem elektrischen Feld bzw. schaltet das Feld ab, so ist dieser immer noch elektrostatisch aufgeladen.

1. Ladungstrennung auf einem Körper durch Einwirkung eines elektrischen Feldes

2. Abfluss der positiven Ladungen durch kurzzeitiges Berühren mit dem Erdpotential

Bild 1.8:Aufladevorgang durch Influenz

Genauso wie bei der triboelektrischen Aufladung gilt auch hier: Grundsätzlich laden sich alle Körper und Materialien elektrostatisch auf. Bei elektrisch gut leitenden Materialien kommt es sofort nach Abschaltung des elektrischen Feldes zum Ladungsausgleich. Nur bei elektrisch schlecht leitenden Materialien, also Isoliermaterialien, bleiben die elektrischen Ladungen in so genannten „Ladungsinseln“ bestehen. Bisher wurde dieser Aufladevorgang wenig berücksichtigt, weil alle mechanischen Vorgänge zur Entstehung überwogen. Inzwischen können viele mechanische Vorgänge so gestaltet werden, dass elektrostatische Aufladungen minimiert werden. Jetzt gewinnen immer mehr die Auflademechanismen durch elektrische Felder an Bedeutung. Sicher gab es diese auch schon vorher, nur dominierten bisher andere Mechanismen. Besonders in Maschinen, Anlagen, Transporteinrichtungen usw. gibt es sehr viele Quellen, die elektrische Felder erzeugen. Aktuelle Bedeutung hat die Gestaltung der elektronischen Baugruppen für Fahrzeuge. Die elektronischen Baugruppen sind geschlossen, aber viele Anschlüsse führen nach außen und sind zum Teil ungeschützt. Über diese Anschlüsse können nun elektrische Felder eingekoppelt werden, die dann Ladungsverschiebungen in den Baugruppen hervorrufen und damit elektrostatische Aufladungen produzieren. Es ist kein direkter Kontakt notwendig, es genügt, wenn das elektrische Feld die Kontakte erreicht.

1.2.3Berechnung der elektrostatischen Aufladung

Für die weiteren Analysen der elektrostatischen Aufladungen werden die Polarität und die Quantität untersucht. Die Polarität der auftretenden Spannung bzw. Ladung lässt sich schwer voraussagen. Aus der Literatur sind viele Methoden bekannt, die alle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Eine weit verbreitete Methode ist die nach COEHN.

Alfred Coehn hat im 19. Jahrhundert für Isolatoren allgemein definiert:

Bei Berührung lädt sich der Stoff mit der größeren Dielektrizitätskonstante positiv auf.

Wobei die Reihe inzwischen mit neuen Materialien ergänzt wurde. Inzwischen ist bekannt, dass die Dielektrizitätszahl frequenzabhängig ist. Außerdem besagen neue Erkenntnisse, dass auch gleiche Materialien, die in Kontakt miteinander kommen, sich elektrostatisch aufladen. Somit ist die Definition von Coehn nicht mehr allgemein gültig.

Weiterhin spielt bei der Betrachtung der Gefahren, die durch elektrostatische Aufladungen entstehen und bei der Möglichkeit, diese abzuleiten oder zu vermeiden, die Polarität nicht unbedingt die entscheidende Rolle. Bisherige Untersuchungen zeigen unterschiedliche Ergebnisse bei der Betrachtung einer positiven bzw. negativen elektrostatischen Aufladung. Nähere Analysen wurden bisher nur sporadisch realisiert. Eine qualitative Analyse wurde nicht durchgeführt.

Die quantitative Ermittlung der elektrostatischen Aufladungen hängt von den Eigenschaften des Gegenstandes, d.h. dessen Dielektrizitätskonstante, dessen Oberflächeneigenschaften und der Kontaktspannung ab.

Tabelle 1.2Triboelektrische Reihe mit Angaben zu Dielektrizitätskonstanten

 

Material

Dielektrizitätszahlεr

 

+

Luft

1,00055

 

 

Menschliche Hände

 

 

 

Asbest

 

 

 

Katzenfell

 

 

 

Glas

2 … 12

 

 

Glimmer

4 … 8

 

 

Menschenhaar

 

 

 

Nylon

 

 

 

Wolle

 

 

 

Pelz

 

 

 

Blei

 

 

 

Seide

 

 

 

Aluminium

 

 

 

Papier

2 … 2.5

 

 

Baumwolle

 

 

 

Stahl

 

 

 

Holz

 

 

 

Bernstein

 

 

 

Siegellack

 

 

 

Hartgummi

3 … 4

 

 

Nickel, Kupfer

 

 

 

Silber, Messing

 

 

 

Gold, Platin

 

 

 

Schwefel

 

 

 

Acetat (Essigsäureverbindung), Kunstseide

 

 

 

Polyäthylen (PE)

 

 

 

Polypropylen (PP)

 

 

 

Polyvinylchlorid (PVC)

 

 

 

Silizium

 

 

-

Teflon

 

 

Einen wesentlichen Einfluss auf die Messergebnisse haben zusätzlich die Umweltparameter: Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Das Bild 1.9 zeigt die Abhängigkeit der elektrostatischen Aufladung von der Luftfeuchtigkeit. Bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit ist die elektrostatische Aufladung relativ gering, aber immer noch zu hoch für elektronische Bauelemente und Baugruppen.

Bild 1.9:Abhängigkeit der elektrostatischen Aufladung von der Luftfeuchtigkeit

Es wird davon ausgegangen, dass es sich um lineare und statische Vorgänge handelt. Somit können die gespeicherten Ladungen unter folgenden Voraussetzungen ermittelt werden:

Zwei Körper besitzen einen definierten Abstand d zueinander. Nimmt man an, dass die sich berührenden Flächen A wie zwei Kondensatorplatten parallel zueinander stehen gilt folgende Beziehung:

Die Ladung errechnet sich nach

Mit Gleichung (1.1) errechnet sich nach Gleichung (1.2) die Ladungsmenge Q zu

Bild 1.10:Typische Kondensatoranordnung (Plattenkondensator)

Zur Erklärung der Abhängigkeit von U und d wird die Gleichung (1.4) nach U umgestellt, es ergibt sich die Kontaktspannung UK

Aus Gleichung (1.5) ist zu ersehen, dass mit steigendem Abstand d der Flächen auch die Kontakt-Spannung UK ansteigt.

Elektrostatische Ladungen können nur auf schlecht leitenden bzw. isolierenden Stoffen längere Zeit bestehen. Bei ihnen und bei Isolatoren werden die Oberflächenleitfähigkeit und damit die Lebensdauer nur von der Umgebung, also von der Luftfeuchtigkeit und der Umgebungstemperatur bestimmt. Auf leitenden Materialien ist die Lebensdauer der elektrostatischen Ladungen infolge der großen elektrischen Leitfähigkeit gering. Isolatoren besitzen eine schlechte bzw. keine elektrische Leitfähigkeit und sind demzufolge sehr gute Generatoren für elektrostatische Ladungen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass elektrostatische Ladungen durch die Relativbewegung zweier Körper oder Gegenstände, die sich in Kontakt miteinander befinden, entstehen können. Für das Entstehen elektrostatischer Ladungen ist mechanische Arbeit notwendig. Unter Kontakt zweier Körper versteht man den molekularen Abstand beider Oberflächen. Ein Körper kann an den anderen Körper Elektronen abgeben bzw. von diesem aufnehmen. Wird vergleichsweise das Entstehen elektrostatischer Ladungen durch Influenz betrachtet, ist elektrische Arbeit der Grund für die Ladungsansammlungen. Das Entstehen von Ladungen wird beeinflusst durch die Umgebungsbedingungen (Luftfeuchtigkeit und Temperatur). Je niedriger die relative Luftfeuchtigkeit, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass gefährliche elektrostatische Aufladungen entstehen. D.h., Ladungsverschiebungen bleiben bestehen und bilden Potentialdifferenzen.

Berechnung der Aufladung eines MenschenGrundvoraussetzung ist die Tatsache, dass der Mensch gegenüber dem Erdpotential einen Kondensator mit einer definierten Kapazität bildet. Empirisch wurden Kapazitätswerte zwischen 100 und 300 pF für einen menschlichen Körper ermittelt. Geht eine Person z. B. über einen synthetischen Fußbodenbelag kann sich diese Person auf Werte bis 15000 V, theoretisch maximal 35000 V, aufladen. Die Person speichert dabei eine Energie von

Einige Einflussfaktoren sind:

•Höhe der eigentlichen elektrostatischen Spannung und der damit verbundene Zusammenhang zur Koronaentladung

•Annäherungsgeschwindigkeit des geladenen Objektes an das leitfähige oder geerdete Gerät

•Anwesenheit metallischer Gegenstände

•Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit der Objekte zwischen denen die Entladung stattfindet.

•Umgebungsbedingungen: Temperatur, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Staubpartikel

•Impedanzverhältnisse im Entladestromkreis

Als kritische Beispiele werden immer Computerräume oder Computerarbeitsplätze angeführt, weil hier die elektrostatische Aufladung und die folgenden Entladungen sehr gut zu beobachten sind. Oft werden dort besonders „lärmdämmende“ Materialien eingesetzt, die sich besonders hoch elektrostatisch aufladen. Die Personen registrieren hier auch sehr stark die Entladungen gegenüber sehr gut leitenden Einrichtungen. Oft werden aber die Auswirkungen auf die Computertechnik nicht berücksichtigt. Computer werden neu gestartet und funktionieren meistens wieder. Elektronische Bauelemente können nicht neu gestartet werden, sondern hier gibt es dauerhafte Veränderungen in der Struktur im Inneren des Bauelementes.

1.2.4Mechanismen, die die elektrostatische Aufladung beeinflussen

Elektrostatische Aufladevorgänge hängen von vielen Faktoren ab. Neben den eigentlichen Umweltbedingungen spielen natürlich auch Materialeigenschaften wie Oberflächenrauigkeit, Oberflächenwiderstand, Verschmutzungen, Trenngeschwindigkeit usw. eine Rolle, aber auch die elektrischen Verhältnisse wie Reibungselektrizität und Kontaktspannung sind komplex zu betrachten.

1.2.4.1. Materialeigenschaften

Oberflächenrauigkeit, OberflächenbeschaffenheitEinen begrenzten Einfluss auf die Höhe der elektrostatischen Aufladung hat die mechanische Oberflächenbeschaffenheit. Besonders die Oberflächenrauigkeit, d.h. die Anzahl der Berührungspunkte, bestimmt die Aufladungsspannung mit. Eine raue Oberfläche hat wenige Kontaktpunkte, es können nur wenige Atome am Ladungsverschiebungsvorgang teilnehmen, folglich ist die elektrostatische Aufladung geringer. Sehr glatte und ebene Oberflächen haben wesentlich mehr Kontaktmöglichkeiten und neigen daher zu höherer elektrostatischer Aufladung. Ein weiteres Kriterium ist die Oberflächenverschmutzung. Je nach Art des Stoffs, der die Oberfläche bedeckt, kann es zu höheren und niedrigeren Aufladungen kommen.

Oberflächenwiderstand und Entstehen von LadungenDie elektrische Leitfähigkeit auf der Oberfläche eines Materials hat ebenfalls Einfluss auf das Entstehen elektrostatischer Ladungsansammlungen. Ist die Oberflächenleitfähigkeit sehr gering, d.h., ist der Oberflächenwiderstand sehr hoch, können erstens elektrostatische Ladungen entstehen, aber sie können zweitens nicht schnell genug wieder abfließen. Ist der Oberflächenwiderstand ausreichend gering, können weniger Ladungen entstehen bzw. die Ladungen, die durch Reibung oder Kontakt auftreten, fließen ausreichend schnell wieder ab. Der Oberflächenwiderstand wird auch durch die Oberflächenbeschaffenheit und die Oberflächenverunreinigung bestimmt. Sind die Verunreinigungen z. B. sehr gut leitfähig, dann ist der Oberflächenwiderstand niedrig, handelt es sich aber um ein sehr gut isolierendes Material, ist die Leitfähigkeit sehr gering und der Widerstand sehr hoch. Bei Fußböden werden oft Wachse eingesetzt. Diese Materialien sind in der Regel Isolatoren, und damit erhöhen sie den Oberflächenwiderstand. Das Material neigt zu höheren elektrostatischen Aufladungen. Der Oberflächenwiderstand hängt also nicht nur von den eigentlichen Materialeigenschaften des Körpers ab, sondern auch von den Umgebungsbedingungen, also von relativer Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Steigt die relative Luftfeuchtigkeit an, sinkt der Oberflächenwiderstand, und die elektrostatischen Ladungen fließen ebenfalls ab.

TrenngeschwindigkeitDie Trenngeschwindigkeit bestimmt gleichfalls die Höhe der elektrostatischen Aufladung. Bei einem sehr schnellen Trennvorgang kann kein oder nur ein sehr kleiner „Rückstrom“ der Elektronen fließen. Bei sehr langsamer Trennung können bei einer sehr guten Oberflächenleitfähigkeit die Ladungen zurückfließen und sich noch ausgleichen. Bei einer sehr schnellen Trennbewegung neigen Materialien mit einem relativ geringen Oberflächenwiderstand zu sehr hohen Aufladungen. Dagegen kann es bei einer sehr langsamen Trennbewegung bei sehr hochohmigem Material doch noch zum Ladungsausgleich kommen. Bei der Betrachtung der heute sehr kritischen Vorgänge, z. B. in automatischen Bestückungsvorrichtungen, spielt die Trenngeschwindigkeit eine bedeutende Rolle. Von Rückentladungen oder Rückströmen kann dann nicht mehr gesprochen werden. Die elektrostatischen Ladungen sammeln sich z. B. auf den elektronischen Bauelementen an, genauer gesagt auf den Gehäusen derselben. Die Gehäuse sind immer aus nichtleitfähigen Materialien.

1.2.4.2. Reibungselektrizität und Kontaktspannung

Reibungselektrizität und Kontaktspannung sind Definitionen, die zur Erklärung der elektrostatischen Auf- und Entladevorgänge verwendet werden. Elektrostatische Aufladungen kommen nicht allein durch Reibung zustande, sondern erst durch die folgende Trennung der Gegenstände bzw. Reibpartner. Die hohen elektrostatischen Spannungen entstehen durch Vergrößern des Abstands zwischen den Körpern. Dabei nimmt die elektrostatische Aufladung mit dem Abstand proportional zu. Die Kontaktspannung ist die eigentliche Erklärung für die hohen elektrostatischen Spannungen im kV-Bereich.

ReibungselektrizitätDer klassische Vorgang des Reibens einer Siegellackstange oder eines Hartgummistabs mit einem Stück Fell oder einem seidenen Lappen ist hinreichend bekannt. Entfernt man das Reibmittel, zieht die Stange leichte Teilchen oder Papierschnipsel an. Gleiches Verhalten zeigen Bernstein mit Wolle oder Glas mit Wolle oder Leder. Diese Art der Ladungserzeugung ist die älteste bekannte Möglichkeit zur Erzeugung elektrostatischer Ladungen.

Dazu einige geschichtliche Etappen: Bereits um 600 v.C. erkannte Thales von Milet die Eigenschaft des Bernsteins, leichte Teilchen anzuziehen. Erst 2000 Jahre später wies der Leibarzt der Königin Elizabeth von England Gilbert (1540 – 1603) nach, dass viele andere Materialien ein ähnliches Verhalten aufweisen. Er führte die Bezeichnung „elektrisch“ ein. W. Charleton verwendete als erster die Bezeichnung „Elektrizität“ (um 1650). Zum Nachweis der Ladungen dienten Elektroskope und Elektrometer (vgl. Kapitel 5, Messverfahren). Am bekanntesten ist dabei das Blättchenelektroskop. Für quantitative Messungen wurde das Braun’sche Elektrometer genutzt. Etwa 100 Jahre später erkannte Alfred Coehn (1863 – 1938), dass die Reibung beider Körper aneinander nicht unbedingt erforderlich ist. Er wies nach, dass die Berührung und nachfolgende Trennung zweier stofflich unterschiedlicher Körper ausreicht, um sie elektrostatisch aufzuladen. Als Versuchsobjekt diente Coehn eine Paraffinkugel. Taucht man sie in Wasser und nimmt sie wieder heraus, ist die Kugel negativ und das Wasser positiv geladen.

KontaktspannungBereits bei der Erklärung der Reibungselektrizität wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur die Reibung entscheidend ist für die elektrostatische Aufladung und die damit verbundene Spannung, sondern der Abstand, d.h. die folgende Trennung der an der Reibung beteiligten Gegenstände. Zwei feste Gegenstände berühren sich, d.h., sie nähern sich bis auf den molekularen Abstand (etwa 10–9 m bis 10–10 m). Dabei kommt es zur Wechselwirkung der Atome an den Grenzschichten, d.h., die Atome des einen Körpers können auf die Elektronen des anderen einwirken. Entsprechend der Größe des Energieinhalts (Elektronenaffinität/Elektronenaustrittsarbeit) kann es vorkommen, dass der eine Gegenstand Elektronen abgibt und der andere diese in seine Oberfläche aufnimmt. Es bildet sich eine so genannte elektrische Doppelschicht. Zwischen beiden Schichten besteht aufgrund der Elektronenverteilung eine Kontaktspannung. Werden nun die beiden Körper getrennt, vergrößert sich der Abstand der geladenen Flächen zueinander. Man kann diese Flächen wie einen Plattenkondensator betrachten, d.h., bei der Vergrößerung des Abstands der Flächen des Kondensators sinkt die Kapazität, die Spannung steigt jedoch an, da die Ladung des gesamten Systems konstant bleibt. Dieser Vorgang führt zu den typisch hohen Spannungen, wie sie für elektrostatische Aufladungen charakteristisch sind. Die daran beteiligten Körper können aus denselben oder unterschiedlichen Materialien bestehen. Typische Doppelschichten sollen näher betrachtet werden.

Doppelschicht an IsolatorenVom Aufbau der Atome eines Körpers hängt es ab, ob ein Körper Elektronen aufnimmt oder abgibt. Prinzipiell geben Isolatoren nur sehr schwer Elektronen ab, da sie fast keine freien Elektronen haben und da die Bindung zwischen Elektron und Atomkern sehr fest und stabil ist. Im Gegensatz dazu wurde nachgewiesen, dass es praktisch keinen Nichtleiter gibt. Auch Isolatoren weisen eine elektrische Leitfähigkeit auf. Im Vergleich zu den Metallen ist sie jedoch viel kleiner. Die wenigen freien Ladungsträger von Isolatoren können Ladungen aufnehmen bzw. abgeben. Infolge ihrer geringen Oberflächenleitfähigkeit bleiben die Ladungen sehr lange erhalten und können mit dem Körper sehr weit transportiert werden. Nur entsprechende äußere Umstände führen zum Entladen. Zur Bestimmung der Polarität der Aufladungen an Isolatoren gibt es zwei klassische Untersuchungsmöglichkeiten:

1.Ein Hartgummistab wird mit einem Seidenlappen gerieben.

2.Ein Glasstab wird mit einem Seidenlappen gerieben.

Die nachfolgende Untersuchung des Glas- und des Hartgummistabs ergab, dass der Hartgummistab positiv und der Glasstab negativ geladen war. Im Ergebnis solcher Untersuchungen wurden verschiedene Spannungsreihen aufgestellt (Tabelle 1.3). Jeder Körper der Reihe lädt sich im Kontakt mit einem nachfolgenden positiv auf, bei Berührung mit einem vorangehenden negativ. Alfred Coehn hat für Isolatoren allgemein definiert:

Bei Berührung lädt sich der Stoff mit der größeren Dielektrizitätskonstante positiv auf.

Tabelle 1.3Spannungsreihe für Isolatoren

+

Haare (Katzenfell, Fuchsschwanz)

 

 

Glas

 

 

Wolle

 

 

Papier

 

 

Seide

 

 

Kautschuk

 

 

Harze (Siegellack, Hartgummi)

 

 

Bernstein

 

-

Schwefel

 

Doppelschicht Metall-IsolatorBeim Kontakt eines metallischen Gegenstandes mit einem Isolator sind die Verhältnisse nach der Trennung leicht zu erklären. Da die Metalle ständig über freie Elektronen an der Oberfläche verfügen, die sie leicht abgeben können, sind die Isolatoren negativ und die Metalle stets positiv geladen. Ein klassisches Experiment zum Nachweis ist das Eintauchen einer Schwefelkugel in flüssiges Quecksilber. Das Quecksilber gibt Ladungen ab und ist positiv geladen, die Schwefelkugel negativ.

Doppelschicht an MetallenIm Jahr 1794 entdeckte Volta, dass zwei verschiedene Metalle ungleich elektrisch geladen sind, wenn sie nach der Berührung wieder voneinander getrennt werden. Die Potentialdifferenz zwischen zwei Metallen, auch Volta’sche Kontaktspannung genannt, ist unabhängig vom absoluten Wert des Potentials, von der Ladung sowie von Größe und Form der Berührungsfläche. Die Kontaktspannung ist bedingt abhängig vom ungeladenen Isolator Luft, der die Gegenstände umgibt, sowie der Oberflächenbeschaffenheit und der chemischen Zusammensetzung beider Metalle.

Volta stellte eine Spannungsreihe für metallische Leiter auf (Tabelle 1.4). Die nach der Trennung zweier Metalle bzw. Metallplatten vorhandene Spannung liegt weit unter den Spannungen, die bei Isolatoren auftreten. Zwei Gründe erklären diese niedrige Spannung: Erstens ist die Oberfläche uneben, so dass sich der molekulare Kontakt auf wenige Stellen beschränkt, und zweitens werden die Platten nicht an allen Stellen gleichzeitig getrennt. Durch die Leitfähigkeit des Metalls selbst fließen die Ladungen bereits über die letzten vorhandenen Kontaktstellen wieder ab, d.h., nach der Trennung ist nicht mehr die vollständige Ladung vorhanden. Die äußere Kontaktspannung, auch Volta’sche Spannung genannt, ist gleich der Differenz der Austrittsarbeit beider Metalle.

Tabelle 1.4Spannungsreihe für metallische Leiter

+

Zink

 

Blei

 

Zinn

 

Messing

 

Eisen

 

Kupfer

 

Gold

 

Silber

 

Platin

 

Kohle

 

Graphit

-

Bernstein

1.3Allgemeine Entlademechanismen

Das Entstehen elektrostatischer Aufladungen ist im ersten Schritt für elektronische Bauelemente und Baugruppen ungefährlich. Erst die Entladung führt zur Beeinflussung und Zerstörung elektronischer Bauelemente und Baugruppen.

Ausfallanalysen an elektronischen Bauelementen haben gezeigt, dass nicht nur MOS- und CMOS-Bauelemente, sondern gleichfalls auch alle bipolare Bauelemente gefährdet sind. Besonders betroffen sind dabei solche Schaltkreise, die Eingangsschaltungen mit SFET zur Erhöhung der Eingangsimpedanz und Steigerung der Eingangsempfindlichkeit aufweisen. Das betrifft im Einzelnen die gesamten BiFET-Operationsverstärker und Analog-Digital-Wandler. Die dünnen Gateoxidschichten bei MOS-Bauelementen und die schmalen pn-Übergänge der bipolaren Bauelemente schlagen schon bei sehr niedrigen elektrostatischen Spannungen durch. Das Gateoxid ist z. B. ein hochaufladbarer Isolator mit begrenzter Kapazität. Bei den verwendeten Gateoxiddicken von weniger als 10 nm bis 180 nm beträgt die Kapazität nur etwa 1 pF bis 5 pF. Die pn-Übergänge der bipolaren Anordnungen werden durch zu hohe Ströme, die beim Abfluss der elektrostatischen Ladungen zu niedrigeren Potentialgebieten hin auftreten, zerstört. Unterschieden wird dabei zwischen spannungs- und energieempfindlichen Bauelementen. Unbedingt zu beachten sind, wie zu Beginn erwähnt, die Entladeströme über SMD-Widerstände und die Auflademechanismen von SMD-Kondensatoren. Es gibt immer mehr „elektrostatische Vorgänge“ bei diesen Bauelementetypen, die zu Schäden führen.

Bei der Untersuchung der Wirkung elektrostatischer Ladungen auf elektronische Bauelemente, Baugruppen und Geräte kann von drei prinzipiellen Ladungsquellen ausgegangen werden:

•Eine Person berührt ein Bauelement und gibt die gespeicherten Ladungen an dieses ab. Die Ladungen fließen über das Bauelement zum Erdpotential ab.

•Ein elektronisches Bauelement oder Gerät wirkt selbst als Kondensatorplatte und speichert Ladungen. Beim Kontakt mit Erdpotential wird durch den Entladungsimpuls eine Schädigung hervorgerufen.

•Ein geladenes Objekt befindet sich in einem elektrischen Feld. Über dem Gateoxid bzw. dem pn-Übergang eines Bauelementes wird ein Potential erzeugt, es kommt zur Entstehung elektrostatischer Aufladungen. Bei der Entladung kommt es zum Durchbruch.

Aus diesen drei Ladungsquellen leiten sich die drei bzw. vier grundsätzlichen Modelle für die Entstehung elektrostatischer Ladungen ab:

•HUMAN BODY MODEL

Modell unter Einbeziehung des menschlichen Körpers – Körperentladung

•CHARGED DEVICE MODEL

Modell vom geladenen Objekt – Geräteentladungsmodell

•MACHINE MODEL

Maschinenmodell

•FIELD INDUCED MODEL

Modell, bei dem die Ladung durch ein elektrisches Feld hervorgerufen wird.

Bisher bekannt und ausreichend beschrieben wurden die Körperentladung und deren Einfluss auf elektronische Bauelemente. In der letzten Zeit haben sich jedoch für die Betrachtung der Fehlermechanismen auch die anderen Fehlermodelle besonders bei elektronischen Bauelementen und Baugruppen durchgesetzt. Das „Machine Model“ ist eine Verschärfung des HBM und wird sehr oft angewandt, weil das CDM und das FIM noch nicht umfassend bzw. noch nicht erklärt sind. Die Beschreibung und die Definition des CDM sind sehr schwierig, weil es viele Möglichkeiten für die Entladung eines ESDS geben kann. Allein aus der Tabelle 1.5 ergeben sich 3 Varianten. Bisher werden zwei davon weiter beschrieben, das „socketed“ und das „non socketed“ Modell. Bei dem einen Modell steckt das ESDS in einer Fassung beim zweiten liegt es z. B. auf einem Arbeitsplatz mit den Anschlüssen (pins) in der Luft.

Tabelle 1.5Alle Modelle und die derzeit gültigen Normen und Vorschriften

1.4Fehlermodelle

Der folgende Abschnitt beschreibt die wichtigsten derzeit verfügbaren Fehlermodelle und die Mechanismen, die angewandt werden, um elektronische Bauelemente und Baugruppen zu prüfen. Ausgehend von den Quellen für elektrostatische Aufladungen werden die einzelnen Entlademodelle beschrieben.

1.4.1Human Body Model (HBM) – Körperentladungsmodell

Zum Vergleich mit den Entstehungsmechanismen wird zuerst das Human Body Model betrachtet werden. Die Person ist die größte und gefährlichste Quelle für elektrostatische Aufladungen. Eine Person kann durch eine einfache Bewegung eine bedeutende Ladungsmenge erzeugen. Allein durch das Laufen auf einem synthetischen Teppich werden Spannungen von mindestens 5 kV erzeugt [8]. Berührt eine geladene Person ein elektronisches Bauelement oder ein elektronisches Gerät, so überträgt sie einen großen Teil der Ladungen, die sie gespeichert hatte, auf das Bauelement. Das Bauelement speichert die Ladungen oder führt sie direkt zum Erdpotential ab. Der Entladeimpuls enthält genügend Energie, um Veränderungen der Bauelementeparameter hervorzurufen. Im Bild 1.11a ist eine Person dargestellt, die elektrostatisch aufgeladen ist und sich gerade an einer Maschine entlädt. Zu berücksichtigen sind dabei die Widerstände zwischen Person und Fußboden, Person und Entladepfad (Erdung der Maschine), die Kapazität der Person gegenüber dem Fußboden (Körperkapazität) und der eigentliche Entladestrom. Das Bild 1.11b zeigt das Schaltungsbild für die Personenentladung und das HBM.

Ri =RK Körperwiderstand der Person

R  =RC Widerstand im Entladestromkreis

i   =Entladestrom

CK=Körperkapazität

u  =elektrostatische Aufladung

Bild 1.11:Entladung einer elektrostatisch aufgeladenen Person, z. B. an einer geerdeten Maschine

Für die Berechnung der elektrostatischen Aufladung der Person und dem Entladestrom werden zusätzlich der Geräte- der Maschinenwiderstand und ein parasitärer pn-Übergang einbezogen, der später erklärt wird.

RK=Körperwiderstand

RC=Kontaktwiderstand zur Erde

CK=Körperkapazität

RG=Gerätewiderstand

VD=parasitärer pn-Übergang

Bild 1.12:Ersatzschaltung für eine Körperentladung

Bei einem Gerätewiderstand RG von 10 Ω ergeben sich bei einer Impulsdauer von einigen 1/10 μs Leistungen von mehreren kW. Solche extrem kurze Entladungszeiten und die damit verbundenen hohen Leistungen führen zum Aufschmelzen der Siliziumgebiete. Es finden förmlich Explosionen an der Siliziumoberfläche statt, die man anhand von Kraterbildungen gut im Elektronenmikroskop sehen kann, Bild 1.13. Der Kraterdurchmesser beträgt dabei 6 … 8 μm. Zum Vergleich erfordert ein Aufschmelzen von Silizium (Krater in der Größenordnung von 1μm) eine Mindestenergie von etwa 1μJ.

Bild 1.13:Krater in einer Siliziumschicht hervorgerufen durch eine elektrostatische Entladung

Die im Bild 1.12 gezeigte Schaltung wird in abgewandelter Form zur Bestimmung der Schädigungsschwelle elektronischer Bauelemente, in Form des so genannten Kondensatortests, verwendet.

Bild 1.14:Ersatzschaltung für das HBM [13]

1HBM-ESD-Impulsgenerator

2Anschlussklemme A

3Schalter

4Anschlussklemme B

5Zu prüfendes Bauelement (DUT)

6Lastwiderstand

7Kurzschlussbrücke

9Strommesswandler

Das Bild 1.14 zeigt die aktuell verwendete Ersatzschaltung für das HBM, der so genannte HBM-ESD-Generator. Diese Ersatzschaltung muss die Verhältnisse bei der Entladung eines Menschen widerspiegeln. Zwei Grenzfälle werden simuliert, einmal durch einen Widerstand (8) und zum anderen der Kurzschlussfall (7). Dabei werden die Anforderungen an die Stromkurven für verschiedene Spannungen überprüft. Die Bilder 1.15 und 1.16 zeigen die geforderten Stromkurven bei verschiedenen Anstiegs- bzw. Abfallzeiten des Entladeimpulses.

Die Generatorschaltung ist nach langen Untersuchungen festgelegt wurden. Die Entladevorrichtung enthält ein Impulserfassungssystem, einen Hochspannungswiderstand und einen Stromwandler zur Messwerterfassung. Die Grenzfrequenz beträgt 350 MHz, die Prüfung erfolgt als Einzelimpulsmessung. Grundsätzlich ist die Prüfung für die elektronischen Bauelemente zerstörend. Es werden festgelegte Stichprobenprüfungen durchgeführt. Nach der Prüfung werden die Bauelemente nach ESD-Spannungsfestigkeitsbereiche eingeordnet. Die Prüfparameter können der gültigen Norm entnommen werden.

Bild 1.15:Entladekurve für eine genormte Personenentladung mit Abschlusswiderstand (6)

Bild 1.16:Entladekurve für eine genormte Personenentladung im Kurzschlussfall (7)

Die elektronischen Bauelemente werden nach diesem Test in verschiedene Kategorien eingeteilt. Diese Kategorien werden oft verwendet, um die Anforderungen an ESD-Arbeitsplätze zu unterscheiden. Von vielen Anwendern werden diese Klassen immer mehr verwendet. Grundsätzlich muss aber gelten, dass alle ESD-Arbeitsplätze gleich gut ausgerüstet sind.

Tabelle 1.6HBM – ESD-Empfindlichkeitsklassen [14]

Klasse

Spannungsbereich V

0Z

0 bis < 50

0A

50 bis < 125

0B

125 bis < 250

1A

250 bis < 500

1B

500 bis < 1000

1C

1000 bis < 2000

2

2000 bis < 4000

3A1

4000 bis < 8000

3B1

> 8000

Anmerkung:1Die weitere Unterscheidung in Klasse 3A und 3B wird in dem Standard ANSI/ESDA/JEDEC JS-001-2017 [103] beschrieben.