Eternal - Band 7 - Perspektive - Tom Schnellhardt - E-Book

Eternal - Band 7 - Perspektive E-Book

Tom Schnellhardt

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Beschreibung

Außerirdische Raumschiffe im Anflug auf die Erde sind keine Seltenheit mehr, sondern mittlerweile eine alltägliche Realität. Die ‚Unbekannten Flugobjekte‘ der Vergangenheit wurden zu Fähren und Shuttles im Liniendienst zwischen den Planeten der UoS. Die Menschen auf der Erde haben sich bereits an den Anblick des Dockrings gewöhnt, wo die Excalibur, der neue Stolz der Whiteguards, vor Anker liegt. Mit Matt Sanders und Shali O’ona Cha’awa als Captains des Flaggschiffs ist sie die Basis für alle weiteren Operationen der Terraguards. Rache wird am besten kalt serviert. Doch Rache ist auch ein schlechter Ratgeber. Das Team um Shali und Matt muss einen Weg finden, wie sie den NeoNeks entgegentreten können, ohne ein zu großes Risiko einzugehen. Die noch junge Koalition mit den Antas, den Nilagi und den Amnekori kann nun beweisen und zeigen, ob sie so konzertiert gegen die feindlichen Androiden vorgehen kann, wie ursprünglich geplant. Mit Hilfe eines neuen Verbündeten gelingt den Terraguards ein schwerer Schlag gegen die feindlichen Androiden, der das Kräfteverhältnis in der Milchstraße ein für alle Mal verändert. Die offenen Rechnungen sind nun beglichen, und man widmet sich den dringenden Problemen, die nicht länger warten können. Zwar wurde das Projekt Issikalla hochoffiziell beendet, aber es gibt noch Fragen, die bisher unbeantwortet blieben. Rescoe, Temara und Jarrod machen sich auf den Weg, um Antworten zu finden. Schließlich steht noch eine große Aufgabe an. Die Nekori auf Seku III müssen sich entscheiden, ob sie ein Teil der galaktischen Gemeinschaft der UoS werden wollen. Diese Wahl hat immense Auswirkungen auf die Zukunft des Planeten und würde viele Veränderungen bringen. Doch auch Matts und Shalis private Zukunft steht vor großen Herausforderungen. Aber sie wären keine Eternals, wenn sie nicht auch diese Mission mit Bravour meistern würden. ‚Eternal VII – Perspektive‘ ist einerseits ein Abschluss der ersten Romanserie, zum anderen aber auch der Beginn einer neuen Phase für die Terraguards um Matt Sanders. Sie haben ihre To-Do-Liste abgearbeitet und können sich fortan neuen Krisen und Notsituationen widmen, die sie bis an den Rand der Galaxie bringen werden und noch darüber hinaus.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Eternal
– Band 7 –
Perspektive
Von
Tom Schnellhardt
Erstausgabe – V 1.0
Juli 2021
© 2021
Vorwort
Tarum, ihr Leser. Lange nichts voneinander gehört. Wie geht es euch? Ich hoffe, ihr seid gesund und lasst euch impfen. Ich wollte deutlich schneller sein mit dem Schreiben, aber in den letzten Monaten ist mir so einiges durch den Kopf gegangen, was meine Vorstellung von unser aller Zukunft durcheinandergewirbelt hat.
Das zweite Kapitel in Band sechs hieß ‚Welt im Wandel‘. Als Science-Fiction-Autor rechnet man nur selten damit, dass sich die eigene erdachte Geschichte auch bewahrheitet. Aber seit der Veröffentlichung meines letzten Buches hat sich unsere Welt dramatisch gewandelt.
Seku III ist nicht mehr wie vorher. Wer hätte gedacht, dass wir so eine Krise noch zu unseren Lebzeiten durchmachen müssen. Unsere Erde kam von einer Sekunde auf die andere zu einem Stillstand. Vieles hat sich geändert. Aber wir sollten diese Krise nicht nur als großes Unglück sehen, sondern auch als Chance. Sicher wäre es schön gewesen, wenn wir alle einen Injektor mit Medimites hätten bekommen können und die Nekori auf den Intensivstationen in den Krankenhäusern der Welt wären einfach aufgestanden und nach Hause gegangen. Aber wie wir jetzt wissen, müssen wir darauf noch mindestens sechs bis sieben Jahre warten.
Den größten Fehler, den wir jetzt begehen könnten, wäre einfach so weiterzumachen wie vor der Pandemie. Nicht nur, dass diese Art zu leben uns mit Sicherheit gleich in die nächste Katastrophe führen würde, sondern wir hätten dann nichts, aber auch wirklich gar nichts daraus gelernt.
Dieser Roman trägt den Titel ‚Perspektive‘. Denn die brauchen wir für unsere Zukunft, eine Perspektive. Einen Ausblick auf die nächsten Jahre, der es uns ermöglicht, die aktuelle Situation überhaupt zu ertragen. Wie selbst die ärmsten Hindus auf den Straßen von Mumbai und Kalkutta an das Nirvana glauben, so glaube ich, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Menschheit ihre größten Probleme hinter sich lassen und mit riesigen Schritten den Weltraum erobern wird. Dieses Buch, und auch natürlich seine sechs ‚Vorgängerbände‘, sind meine Vision von solch einer Zukunft.
Nach meinen Berechnungen müsstet ihr ungefähr sechshundert Seiten Lesestoff vor euch haben.
Also viel Spaß damit!
Euer Tom Schnellhardt
Kapitel 01 – Was bisher geschah …
Matt Sanders, verheiratet, Vater, entwickelt mit seinem Freund Jarrod einen Quantencomputer und die dazu notwendigen Nanoroboter. Doch seine Planung für die Zukunft wird jäh über den Haufen geworfen, als er glaubt, wegen einer Krebserkrankung nur noch wenige Wochen zu leben. Nachdem er für sich bereits mit seinem Leben abgeschlossen hat, muss er beruflich eine letzte Reise antreten. Zusammen mit seinem Sohn Corey stürzt er in einem Privatflugzeug über den peruanischen Anden ab. Da die Suchaktion durch seine Frau und seinen Freund und Geschäftspartner Jarrod Regnier erfolglos bleibt, werden beide Sanders für tot erklärt. Doch alles kommt anders.
Zur gleichen Zeit suchen der Archäologe Reginald Roscoe Lewis und seine neue Freundin Rachel Mullaly in den USA nach einem Dinosaurierskelett. Sie haben zwar Erfolg, doch darüber hinaus finden sie die Überreste einer Katastrophe, die sich vor über sechzig Millionen Jahren ereignet hat. Und in der gleichen geologischen Schicht entdecken sie … menschliche Überreste. Nach und nach zeigt sich, dass die Menschheitsgeschichte vollkommen neu geschrieben werden muss, denn so sehr sich die Wissenschaftler auch gegen die Wahrheit sträuben, müssen sie doch feststellen, dass sich die Menschheit, so wie wir sie kennen, nicht auf der Erde entwickelt hat, sondern auf einem Planeten mit dem Namen Nekora, weit draußen in der Milchstraße.
Infiziert mit Nanorobotern verwandelt sich Rescoe Lewis in einen außerirdischen Cyborg, einen Eternal. Parallel dazu werden Matt und Corey Sanders in den peruanischen Anden von Androiden aus ihrem Flugzeugwrack gerettet und in deren geheime Forschungsstation ‚Rakor‘ gebracht. Durch einen glücklichen oder unglücklichen Zufall wird auch Matt Sanders mit diesen fremden Nanorobotern, Mites genannt, infiziert oder vielmehr geheilt. Sein Sohn hat nicht so viel Glück und behält nach dem Unfall einen irreparablen Schaden an seinem Gedächtnis zurück. Corey Sanders‘ Körper lebt, aber seine Erinnerungen, sein Geist, sind unwiderruflich verloren. Auf eben jener Rakor-Station liegt in einer Stasiskammer deren letzte Kommandantin, Shali O’ona Cha’awa, seit achttausend Jahren in einem Tiefschlaf. Ihre eigenen Ultimites haben, verursacht durch ein kompromittiertes Update, einen Detonationskörper an ihrer Wirbelsäule installiert. Zusammen mit Jarrod gelingt es Matt und Kerato, einem der Androiden, diese Sprengfalle zu entschärfen und Shali aus der Stasis zu befreien.
Immer mehr zeichnet sich ab, was sich in den letzten zehntausend Jahren auf der Erde ereignet hat. Hatten wir Menschen bis dahin geglaubt, die Krone der Schöpfung und die einzige intelligente Zivilisation in der Milchstraße zu sein, wurden wir eines Besseren belehrt. Die Erde, so wie wir sie kennen, war Teil eines gigantischen Projektes, mit dem die Wissenschaftler der UoS, die Summacs, ihre eigene Geschichte erforschen wollten, denn die Position ihres Heimatplaneten Nekora war schon vor Jahrmillionen in Vergessenheit geraten.
Mit dem Projekt ‚Issikalla‘ hatten sie auf der Erde und zwei anderen Planeten versucht, die Entwicklung der Menschen, der Nekori, noch einmal nachzuvollziehen, um daraus wichtige Erkenntnisse zu erlangen. Dazu wurde so gut wie jedes lebende Wesen auf der Erde erfasst und deren DNA-Sequenz archiviert. Von wichtigen und berühmten Erdenbewohnern wurden sogar Kopien erstellt und auf die Oberfläche von Seku III zurückgeschickt, während die Originale in Stasiskammern in der Arca IV auf der Rückseite des Mondes eingelagert wurden.
Es kommt, wie es kommen muss. Matt verliebt sich in Shali und ist gezwungen, sich zwischen seiner Familie und einem neuen Leben mit der Kommandantin der Rakor-Station zu entscheiden. Nach einem Schädel-Hirn-Trauma, all seiner Erinnerungen beraubt, gibt es für Matts Sohn Corey nur eine Alternative, ohne Behinderung weiterzuleben. Der Geist eines toten Außerirdischen, Ja’orikk Ba’alok, wird mit einem ‚Egotransfer‘ in sein Gehirn überführt. Von nun an nennt sich Matts Sohn Corrik und kann erneut am Leben teilnehmen.
Matt und seine neu gewonnenen Freunde nutzen die ungeheuren technischen Möglichkeiten der außerirdischen Technologie und beginnen mit einer ganzen Armee von Chisu, modularen Androiden, die in der Vergangenheit begangenen Fehler der Menschen auf der Erde auszumerzen. Unter anderem gelingt es ihnen, Teile eines antiken Raumschiffs zu deaktivieren, das im Bermuda-Dreieck besonders in den letzten einhundert Jahren von Zeit zu Zeit für die seltsamsten Phänomene gesorgt hat.
Auf der Erde erkennen immer mehr Militärs und Politiker, dass ihr eigener Einfluss durch die schiere Existenz der Außerirdischen in Gefahr gerät. Sie setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um diese neue ‚Unbekannte‘ in der Gleichung der Mächte zu eliminieren.
Zusammen mit dem Captain der Arca IV, Utnar Pishtim, beginnen die neu gegründeten ‚Terraguards‘ damit, die alten Strukturen der ‚Union of Stars‘ wieder herzustellen. Zunächst nur innerhalb des Sonnensystems traut sich die bunt zusammengewürfelte Truppe stetig weiter in den Weltraum hinaus.
Ihre erste Reise führt sie zu den Zentren der Macht und der Wissenschaft. In der Archivsphäre IV entdecken sie eine menschliche Zivilisation, die sich in den letzten achttausend Jahren unabhängig von der Erde und ohne die Aufsicht durch die Summacs der UoS entwickelt hat. Eine ungeheure Flotte von Raumschiffen liegt vor Shipyard auf Reede und wartet auf ihre neue Bestimmung.
Eine kleine, ausgesuchte Gruppe von Androiden heißt die Terraguards auf Centron willkommen und hilft ihnen, die Politiker des Circumplenums aus der Stasis zu holen. Projekt Issikalla war und ist ein Kind der Wissenschaftler von Summacan. Hier erwarten sich die Männer und Frauen um Matt Sanders erste Antworten auf ihre brennendsten Fragen, werden aber herb enttäuscht. Denn auch hier herrschte in den letzten achttausend Jahren absoluter Stillstand. Doch in den Archiven des Planeten finden sie erste Hinweise zur Lösung des Problems. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass der heimtückische Angriff auf die UoS einer feindlichen Rasse von Androiden zuzuschreiben ist, den NeoNekori, oder kurz: NeoNeks. Die letzte Station der ersten Reise ist No’osqa, das Hauptquartier der Whiteguards.
Matt und Kerato gelingt es, die Basis für eine Verständigung mit den Antas zu legen. So wie es scheint, basierte die Millionen Jahre alte Feindschaft zwischen den beiden Spezies nur auf kommunikativen Missverständnissen.
Auf Seku III, der Erde, werden die ersten Raumstationen für das System der Wetterkontrolle in Betrieb genommen. Umweltkatastrophen wie Hitzewellen und alle Arten von Stürmen gehören der Vergangenheit an. Beinahe siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Joseph Stalin der Prozess gemacht und endet überraschend ohne eine drakonische Strafe.
Die Terraguards untersuchen den Planeten Fagolus Nekra und finden eine menschliche Kultur, die in einer postnuklearen Welt jeden Tag ums Überleben kämpft. Dort kann der ehemalige Ingenieur Sorgol mit seiner Familie in letzter Sekunde vor dem Angriff mutierter Clanmitglieder gerettet werden. Auf der Erde spitzt sich die politische Lage zu und die Terraguards kommen einer Intrige auf die Spur, die alles bisher Gekannte in den Schatten stellt. Später wird ihnen klar, dass sie im Kampf gegen die NeoNeks Unterstützung von ungewöhnlicher Seite benötigen und beginnen mit der Suche nach Ki’ilan Itas, während Temara und Jarrod auf Storia erfolgreich einen Angriff der NeoNeks abwehren können. Der dort gefangen genommene Superior Kratas wird in den zukünftigen Entwicklungen noch eine zentrale Rolle spielen.
Jarrod riskiert sein Leben bei einem Selbstversuch mit veränderten Mites. Er wird gerettet und profitiert von den neuen, dadurch erlangten Erkenntnissen. Auf der Suche nach dem Grab von Ki’ilan Itas kehren die Terraguards nach Fagolus Nekra zurück. Und entdecken vor Ort in der Schwarzen Zitadelle einen ungeheuren Schatz. Zu guter Letzt tauchen am Rande des Sonnensystems neue Verbündete auf, die die Menschheit im Kampf gegen die NeoNeks tatkräftig unterstützen wollen und eine Delegation von Shipyard übergibt den Terraguards ihre neueste Innovation, die UoSS Paragino.
2030 - Hier beginnt die nun folgende Geschichte.
Kapitel 02 – Ein Schiff, sie zu knechten!
Vor sehr, sehr langer Zeit. An einem Ort, weit, weit entfernt …
Hier, so weit draußen, ganz am Rande des Spiralnebels der Milchstraße, leuchteten die Sterne der Galaxie noch intensiver als an anderen Orten des galaktischen Wirbels. Und da sich das Brento-System etwas oberhalb der Galaxie-Ekliptik befand, konnte man sogar die Scheibenform der Milchstraße im Ansatz erkennen. Weiter draußen, in der Nähe des größten Gasriesens des Systems, lagen, kaum erkennbar, mehrere Schiffe der Whiteguards im dunklen planetaren Schatten mit einem noch besseren Blick auf die Heimatgalaxie der menschlichen Rasse. Auch wenn die folgenden Ereignisse nicht vollkommen dokumentiert oder aufgezeichnet wurden, haben sie sich wahrscheinlich so oder ähnlich zugetragen.
Seit mehreren Monaten dauerte nun schon die militärische Auseinandersetzung zwischen der UoS und der ‚Allianz der freien Welten‘. Die ‚UoSS Paragino‘, das Flaggschiff der Whiteguards, war Teil der vordersten Front der Angriffslinie gegen die Schiffe der Separatisten der AfW. Nach vielen Monaten kleinerer Scharmützel und einigen größeren Schlachten kam es hier und jetzt zum finalen Showdown.
Etvar Na’agas Nugi‘in Prevak saß in der letzten Reihe der stillen Beobachter auf der Brücke und war als ‚Springer‘ eingeteilt, sozusagen als Notreserve, sollte ein Mitglied der gerade aktiven Besatzung ausfallen oder abberufen werden. Dies war zwar nicht sein erster Einsatz dieser Art, doch er war auch noch kein Veteran an Bord. Wenn man das erste Mal hier, im Herzen des Schiffes, seinen Dienst verrichtete, wirkte die riesige Brücke des Flaggschiffs der Whiteguards beeindruckend und einschüchternd zugleich.
Captain Atvar Ro’olkas Pra’ada’ag fuhr sich mit den vorderen Zähnen des Unterkiefers immer wieder über seine Oberlippe. Jemand, der ihn gut kannte, wusste somit, dass er wieder tief in Gedanken war und jede Phase der bevorstehenden Auseinandersetzung im Geiste durchging, soweit das überhaupt möglich war. Er und seine beiden Ersten Offiziere hatten die Hände tief in die Portale neben ihren Kommandosesseln vergraben. Levar Sakan Se’ekara‘am als Angriffskoordinator und Levara Ri’iga Vu’ulnik als Defensivkoordinatorin riefen permanent die Statusmeldungen ihrer jeweiligen Subkommandanten auf, um diese ein weiteres Mal zu überprüfen. „Wie lange noch?“, fragte Pra’ada‘ag noch einmal nach.
„Entspann dich, Rolka. Wir geben dir rechtzeitig Bescheid. Du solltest wissen, dies hier ist nicht unsere erste Schlacht“, beruhigte ihn Sakan.
„Schon gut. Ich war nur kurz in Gedanken. Trotzdem … wie lange noch?“
Riga rief ihren Timer im Egocom ab. „Ungefähr vierzig Minuten, bis das Ultimatum ausläuft.“
„Sehr gut“, kommentierte Rolka zufrieden. „OPS! Sind die Tarnsysteme einsatzbereit?“
„Ich hoffe es. Das ist unsere Feuertaufe.“
Der Captain nickte. Die Tarnsysteme der Whiteguard-Schiffe waren eine brandneue Entwicklung von Summacan und Shipyard. Heute würde sich zeigen, ob sie für einen Einsatz während eines Kampfeinsatzes schon bereit waren. Die Separatisten hatten noch keine Ahnung, was sie bald erwarten würde. Daher freute sich Rolka wie ein Schneekönig, sie endlich ausprobieren zu können. Wären seine Manicons nicht in Portalen fixiert, würde er sich die Hände reiben vor lauter Vorfreude. Dann wurde er wieder aus seinen Gedanken gerissen.
„Captain, Sir, hier ist Levara Ki‘itani. Wir haben in Hangar 21 ein ernstes Problem mit einem der großen Tore. Können Sie jemanden schicken, der das begutachtet und die Koordination der Reparaturteams übernimmt?“
„Verdammt.“ Pra’ada’ag fluchte nicht nur innerlich, denn was er jetzt überhaupt nicht gebrauchen konnte, waren Probleme. „Levar Jugas! Etti, kümmere du dich darum!“
„Aye, Sir.“ Etti verließ seinen Platz und sprintete zur Schleuse der Vakubahnkabine auf der Brücke. Schon in wenigen Minuten würde er das entsprechende Segment des Schiffes erreichen.
„Ki’itani, jemand ist bereits unterwegs zu Ihnen. Berichten Sie weiter über den Fortschritt. Pra’ada’ag, Ende.“
„Etvar Prevak, Naga! … an die NAV-Konsole“, rief Riga und zeigte mit einer angedeuteten Bewegung ihres Kopfes auf ihn. Hätte sie die Hände frei gehabt, hätte man höchstwahrscheinlich ein knallendes Fingerschnippen gehört. Der Angesprochene ließ alles liegen und sprang die wenigen Stufen hinunter an seinen neuen Arbeitsplatz.
„Aye, Levara … ich übernehme.“ Naga sprang auf, hastete die wenigen Treppenstufen nach unten und setzte sich. Er erlaubte sich einen kurzen Blick über die haptisch realen Anzeigen und Kontrollsysteme, nur um sofort wieder zu den virtuellen Displays in seinem Egocom zu wechseln.
„Captain, hier COM. Wir werden von Brento IV kontaktiert. Es ist noch einmal Lamak Ekton, der Premierminister.“
„Warten Sie einen Moment, Skondo.“ Pra’ada’ag wandte sich an seine beiden Ersten Offiziere. „Eine Idee, was er noch will?“
Riga und Sakan schüttelten beide den Kopf. „Keine Ahnung. Finden wir es heraus“, schlug Sakan vor.
„Gut, auf den zentralen Schirm“, befahl der Captain. Pra’ada’ag sammelte sich kurz. „Herr Premierminister, gibt es noch etwas zu besprechen?“
Der offizielle Vertreter der Separatistenwelten wirkte genauso ausgelaugt und müde wie Pra’ada’ag selbst. Die letzten Wochen der immer heftiger werdenden Auseinandersetzung hatten auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen. „Atvar Pra’ada’ag, ich bitte Sie noch einmal inständig, auf einen Kampf zu verzichten. Wir benötigen die Schiffe, um den Verkehr zwischen unseren Planeten aufrechtzuerhalten. Die Antas sind nach wie vor eine Bedrohung. Ohne die Eskorten der Militärschiffe sind unsere Frachter vollkommen schutzlos. Wenn Sie die Schiffe vernichten, ist weder uns noch Ihnen geholfen.“
„Herr Premierminister, das haben wir doch schon wirklich ausgiebig durchdiskutiert. Die zwanzig Schiffe wurden von Ihnen unrechtmäßig in Besitz genommen. Deswegen sind wir ja überhaupt hier. So eine Aktion können und werden die Whiteguards nicht tolerieren. Alleine schon, um keinen Präzedenzfall zu schaffen.“
„Das ist mir bekannt. Die Besatzungen auf unseren Schiffen haben fast alle Familie. Viele Frauen und Kinder warten auf die Männer in ihrem Zuhause und umgekehrt“, mahnte Ekton.
„Das ist kein Argument. Viele unserer Offiziere haben ebenfalls eine Familie. Das hätten sich Ihre Männer überlegen sollen, bevor sie unsere Schiffe gekapert haben. Doch wenn Ihre Soldaten jetzt noch kapitulieren möchten, könnten wir vielleicht ein Auge zudrücken. Wir bräuchten dann aber jetzt eine entsprechende Erklärung, Premierminister Ekton, in dieser Sekunde.“
Der schüttelte resigniert den Kopf. „Ich denke, das ist unmöglich. Dafür ist es jetzt zu spät. Wir werden kämpfen für unsere Freiheit. Wir müssen kämpfen. Unsere Männer sind sogar bereit, für ihre Sache zu sterben.“
„Wenn das so ist, dann lassen Sie uns keine andere Wahl, als uns unsere Schiffe zurückzuholen oder sie auszuschalten. Auf Wiedersehen, Herr Premierminister. Paragino, Ende.“
„Mist“, fluchte Pra’ada’ag innerlich. „Verdammter Mist!“ Hatte er doch gehofft, die ganze Angelegenheit ohne weiteres Blutvergießen beenden zu können. Das schien jetzt nicht mehr möglich.
„Ich bin immer noch überrascht, dass die Separatisten so einfach unsere Schiffe kapern konnten“, wunderte sich Sakan.
„Es handelt sich um Schiffe des alten Standards, also ohne Portale“, erklärte der Captain.
„Ich verstehe, trotzdem mussten sie dafür unendlich viele Sicherheitsprotokolle umgehen. Sie müssen einen Komplizen bei den Guards gehabt haben.“
„Schon möglich. Es gibt viele Offiziere, die unzufrieden sind und die Separatisten unterstützen.“
„Ich hoffe, wir haben keine an Bord“, unkte Sakan. „Zwanzig Minuten, Captain.“
„An alle Schiffe.“ Pra’ada’ag hatte das flottenweite Interkom aktiviert. „Es geht bald los. Behalten Sie den Timer im Blick. Wir senden gleich noch einmal ein Referenzsignal. Es bleibt wie vereinbart bei der Funkstille und senken Sie Ihre Energiesignatur. Paragino, Ende.“
An Bord des Schiffs der freien Welten, der ‚SFW Kugasha‘ …
Captain Levar Le’ektosad Rahan hatte sich gerade per Videobotschaft von seiner Frau und seinen Kindern verabschiedet, als sein Adjutant Etvar Selim Nu’atak seine Kabine betrat.
„Lekto, es ist so weit. Die Zeit läuft ab“, stellte Selim mit leicht flatternder Stimme fest.
„Gut, ich komme.“ Ein morbides Lächeln huschte über sein Gesicht. „Eine gute Zeit zu sterben, alter Freund.“
Der nickte zurück. „Ja, Zeit zu sterben. Ich hoffe nur, es geht schnell.“
„Haben wir wirklich alles versucht? Gibt es vielleicht doch noch einen Ausweg?“, hinterfragte Lekto.
„Nein, da ist kein Ausweg. Die Signaturen am Rande des Systems deuten auf weitere Schiffe hin, die uns den Weg zu den Sprungkoordinaten abschneiden würden. Und die Feuerkraft der Schiffe vor uns ist der unseren um ein Vielfaches überlegen. Nein, Levar. Es gibt keinen anderen Weg als den Kampf.“ Selim hatte sich für die Analyse ihrer taktischen Situation viel Zeit gelassen. Ihre Situation war fatal. Er atmete tief durch. „Es kommt zum Showdown. Hier und jetzt.“
„Gib mir eine Minute“, bat ihn Lekto. „Ich komme gleich nach.“
„Was …?“ Selim war zwar etwas überrascht, fügte sich aber und verließ die Kabine des kommandierenden Offiziers in Richtung Brücke.
Lekto ging zu seinem Kleiderschrank und öffnete die beiden Türen. Dann nahm er seine Galauniform heraus und die dazugehörigen Stiefel. Er hatte die Uniform erst vor wenigen Wochen erhalten. Ursprünglich war geplant, mit einer großen Veranstaltung die Unabhängigkeit der Randwelten zu feiern. Aber so wie es jetzt aussah, würde daraus nichts werden. Im Prinzip handelte es sich immer noch um eine Uniform der Whiteguards mit den entsprechenden Rangabzeichen. Als er die Uniformjacke über den Rand seines Bettes legte, dachte er an die Zeit an der Akademie, als er mit seinen Freunden sein Offizierspatent erhalten hatte. Er erinnerte sich an sein erstes Kommando und an die eine oder andere Schlacht, die er an Bord diverser Schiffe geschlagen hatte. Er dachte an seine Vergangenheit. Und dann an die Gegenwart, die Schlacht, die ihm nun bevorstand. Und er dachte eine Millisekunde an die Zukunft, eine Zukunft, die es für ihn nicht geben würde. Als er vor dem Spiegel stand und die Knöpfe der Uniform einen nach dem anderen verschloss, wurde ihm bei jedem einzelnen Knopf bewusst, dass er wahrscheinlich nur noch wenige Stunden zu leben hatte, vielleicht auch nur noch Minuten. Wer konnte das schon wissen? Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das heutige Abenteuer überleben würden, war geringer als null. Die Paragino war das Flaggschiff der Whiteguards. Sie war faktisch unbesiegbar. Sie hatte die stärksten Waffen der Flotte, die stärksten Schutzschilde, und trotz ihrer Größe war sie wendiger als so manches deutlich kleinere Schiff. Und genauso unbesiegbar war ihr Kommandant. Atvar Pra’ada’ag galt als Legende unter den Kapitänen. Die Kadetten nannten ihn ‚Rogas No’osqa‘, den Löwen von No’osqa. Er verfügte über mehr Erfahrung und größere taktische Kenntnisse als der Rest der Flottenkommandanten zusammen. Selbst unter den Antas, den Intimfeinden der Nekori, war er berühmt und gefürchtet.
Nein, sie hatten keine Chance, das zu überleben. Und Lekto wusste das, so wie jeder andere Offizier in der Flotte der freien Welten. Als Letztes nahm er das zeremonielle Holster mit der silbernen Laserpistole aus der unteren Schublade im Schrank und legte es an. Dann griff er noch zum viereckigen offiziellen Hut seiner Uniform und setzte ihn auf. Während er sich im Spiegel betrachtete, konnte er sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Er war stolz auf das, was er sah. Die vier Sterne an seinem Revers hatte er über viele Jahre und mit viel Arbeit verdient. „Was für eine Verschwendung“, sprach er leise. Dann schaltete er das Licht aus und schloss die Tür zu seinem Quartier von außen, höchstwahrscheinlich zum letzten Mal. Er war bereit, bereit zu sterben.
Als Selim seinen Freund und Vorgesetzten in der Galauniform erblickte, erschrak er für eine Sekunde, verstand dann aber sofort, was der Captain des Schiffes damit ausdrücken wollte. Seht her, wir gehen unter. Aber wir tun das mit Ehre und Würde. Auch wenn ihr uns unser Leben nehmt, unsere Ehre könnt ihr uns nicht nehmen.
Selim stand sofort auf und salutierte. „Captain auf der Brücke“, rief er, deutlich eine Spur zu laut.
Als die anderen Brückenoffiziere es ihm gleichtun wollten, hielt sie Lekto mit einer Geste mit der kurz erhobenen Hand davon ab. „Bleibt sitzen! Alles gut … oder auch nicht“, dachte er im Stillen für sich.
„Status?“
„Sir, die Schiffe der Whiteguards haben die Schilde hochgefahren und ihre Waffen sind einsatzbereit, genau wie unsere Schiffe.“
„Sind wir kontaktiert worden?“
„Nein, Sir. Es herrscht nach wie vor Funkstille.“
Lekto schritt bewusst langsam zu seinem Kommandosessel und sah den anderen Offizieren auf der Brücke direkt in die Augen. Er lächelte seinen Mitstreitern zu und nickte jedes Mal. Das waren seine Kameraden, seine Freunde. Und sie waren bereit, nun zusammen mit ihm zu sterben.
Er sprach ihre Namen nicht laut aus, aber für sich, ganz, ganz leise flüsterte er sie. Da war Raik, dessen Vater von einem Antas ermordet wurde, oder Johlga, die ihre Schwester bei einer Havarie vor Reklat VI verlor. Dann noch Rantas Uklon, dessen Bruder ein anderes Schiff kommandierte. Er kannte die Geschichte jedes einzelnen Crewmitglieds auf der Brücke. Als er sich setzte und den Gurt um seine Hüfte anlegte, wurde ihm bewusst, dass er dieses Ritual vielleicht das letzte Mal ausführte. Niemand konnte sagen, was bei einem Gefecht zwischen zwei Raumschiffen geschehen würde. Alles war Zufall, alles war chaotisch. Alles war möglich.
„Alle Mann auf ihre Plätze. Roter Alarm.“ Er blickte auf seinen Chronometer. Die Zeit war abgelaufen … ihre Zeit war abgelaufen.
An Bord der UoSS Paragino …
Auf dem Flaggschiff der Whiteguards zuckte Captain Ro’olkas Pra’ada’ag kurz zusammen, als sein interner Timer den Ablauf des Ultimatums mit einem kurzen Signal ankündigte. Ein Ultimatum, das er persönlich so nie gewollt hatte. Aber es war nötig geworden. In enger Absprache mit Centron hatten die Whiteguards den Separatisten einen Zeitrahmen gesetzt, in welchem sie die gekaperten Schiffe wieder übergeben sollten. Sowohl Pra’ada’ag selbst als auch das Circumplenum auf Centron wussten, dass niemand bereit war, dieses Ultimatum einzuhalten. Niemals, zu keinem Zeitpunkt. Immer wieder wurde dieser Zeitrahmen verlängert und ausgedehnt. Die Separatisten nutzten die Zeit, um Fakten zu schaffen. Es wurden Stützpunkte errichtet und Verteidigungseinrichtungen verstärkt. Doch nun war die Zeit definitiv abgelaufen. Pra‘ada’ag musste ungewollt handeln. Er hasste sinnloses Blutvergießen. Er hasste militärische Gewalt. Und doch war sie nötig. Hier, heute, jetzt. Und er war Soldat, ein Eternal der Whiteguards und jederzeit bereit, die Werte und Gesetze der UoS durchzusetzen.
„Captain, unsere Schiffe befinden sich alle im Zielsektor“, meldete Sakan.
„Gut. Legen wir los.“
„Signal an alle Schiffe. Navigationsmuster Agat. Tarnung aktivieren. Jetzt.“ Wenn er der Situation etwas Positives abgewinnen wollte, dann die Tatsache, dass das sinnlose Abwarten nun ein Ende fand. So oder so, die Auseinandersetzung würde heute enden.
Vor den Augen der Separatisten verschwand ein Schiff nach dem anderen. Es wurde nicht nur unsichtbar, sondern ihr Sensorecho war auch mit den Scannern nicht mehr messbar. Sie waren einfach weg. Pra’ada’ag huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht bei der Vorstellung, was gerade eben im Kopf von Levar Rahan, dem Kommandanten der gegnerischen Flotte, vor sich ging.
„Nehmen wir die neue Position hinter ihren Schiffen ein. Sofort.“
Die Paragino flog einen hohen Bogen, um die Flotte der Separatisten an deren Heck unter Beschuss zu nehmen. „Ziele auffassen und im Visier halten.“
„Aye, Sir.“
„Haben die Separatisten uns erfasst?“
„Ich denke nicht. Es gibt keine Anzeichen, dass ihr Scan erfolgreich war. Alle Schiffe sind auf Position.“
Pra’ada’ag schob die untere über seine obere Lippe. Er zögerte.
„Captain, Sir! Das Angriffssignal. Wir sollten es jetzt senden. Die gegnerischen Schiffe sind in einer optimalen Position.“
Pra’ada’ag kniff die Augen zusammen und atmete tief durch. „Die Tarnung deaktivieren!“, befahl er.
„Sir, ich verstehe nicht!“, fragte Kre’edo nach.
„Tun Sie es. Und zielen Sie zehn Grad oberhalb der Kugasha. Befehl an unsere anderen Schiffe: Zielen Sie erkennbar über die gegnerischen Einheiten.“
„Dann verfehlen wir sie deutlich“, motzte einer der Kapitäne.
„Führen Sie meine Befehle aus. Und achten Sie darauf, dass Sie nicht aus Versehen doch eines der Schiffe treffen.“
„Aye, Sir.“
„Feuer!“
Die Paragino schoss aus allen Rohren und feuerte zahlreiche Torpedos ab. Keines der Geschosse und Torpedos traf auf ein Ziel. Aber genau das war ja auch von Pra’ada’ag so gewollt. Selbst auf der Brücke konnte man ein sanftes Schütteln spüren, als hunderte Flugkörper und Plasmaprojektile in Richtung der Separatisten geschossen wurden. Zur Sicherheit zerstörten sich die Torpedos nach einigen Sekunden selbst, als diese ihr Ziel verfehlten. Die hochsensiblen Wärme- und Energiesensoren waren bereits beim Abschuss deaktiviert worden.
„Und jetzt an alle Schiffe: Tarnung wieder aktivieren. NAV.“ Pra’ada’ag überlegte kurz, ob er den Namen des Operators kannte, musste sich dann aber eingestehen, dass er sich an das Gesicht nicht erinnern konnte. Daher wiederholte er seine Anrede. „NAV. Bringen Sie uns bis auf einen Kilometer an die Kugasha heran.“
„Wird das nicht gefährlich für uns?“, fragte Etvar Prevak nach. „Was ist, wenn sie plötzlich beschleunigen, Sir?“
„Das halten unsere Schutzfelder schon aus. Sie werden ohnehin heftig durchgeschüttelt, wenn wir uns so dicht nähern. Etvar, führen Sie den Befehl aus“, entschied Levara Vu’ulnik.
Nur wenige Sekunden später hatte die Paragino die Position erreicht.
Pra’ada’ag nickte und lächelte vor seinem nächsten Befehl. „Tarnung aus.“
An Bord des Schiffs der freien Welten, der ‚SFW Kugasha‘ …
„Was?” Captain Levar Le’ektosad Rahan sprang aus seinem Sessel auf. „Wo sind sie hin? Was geschieht hier?“ Er blickte ratlos zwischen dem visuellen Display und dem taktischen Screen hin und her, doch nirgendwo gab es einen Hinweis auf die Existenz der Schiffe der Whiteguards.
„Schadensmeldungen an die Brücke“, brüllte er in das Intercom.
„Keine Schäden, Sir. Sie haben uns nicht getroffen, keines unserer Schiffe.“
Lekto musste nachdenken, intensiv darüber nachdenken, was das alles zu bedeuten hatte. Er war bereit gewesen zu sterben. Aber auf so einen Schachzug war er nicht vorbereitet.
„Sir? Ihr Befehl?“, fragte der Mann an der Waffenkonsole.
„Ich …“ Lekto versuchte, den nächsten Schritt zu machen. „Ziele anvisieren.“
„Sir, welche Ziele? Die Scanner erfassen nichts.“
„Wir …“ Weiter kam Lekto nicht, denn das Schiff begann heftig zu schaukeln und sprang hin und her. Die Trägheitsdämpfer waren nicht mehr in der Lage, das kräftige Schlingern zu kompensieren.
„Was …?“ Und dann verschlug es ihm endgültig die Sprache, als die Paragino übergroß vor der Kugasha auftauchte.
An Bord der UoSS Paragino …
Der zentrale Monitor auf der Brücke wechselte vom taktischen Display auf einen Kommunikationskanal und zeigte einen sichtlich schockierten Separatisten-Kommandanten. Captain Rahan brauchte einige Sekunden, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte.
„Atvar Pra’ada’ag, ich habe nicht damit gerechnet, noch einmal mit Ihnen zu sprechen.“
„Das können Sie auch nicht, Rahan. Denn Sie und Ihre gesamte Besatzung sind tot. Ihr Schiff ist zerstört. Alle Ihre Schiffe sind vernichtet, jedes einzelne. Und ich meine nicht beschädigt, sondern in winzige Fragmente zerstört. Die Körper Ihrer Männer sind zerfetzt und deren Überreste schweben bis in alle Ewigkeit tiefgefroren im Weltall.“ Er machte eine kurze Pause. „Haben Sie verstanden, was ich Ihnen sagen will?“
Rahan brauchte noch einmal einige Sekunden, bis er antworten konnte. Dann nickte er, zunächst ohne ein Wort zu sagen.
„Tun Sie sich einen Gefallen. Tun Sie Ihren Familien einen Gefallen und beenden Sie das hier … und zwar jetzt.“
Rolka sprach ruhig und besonnen. Er konnte sich vorstellen, was gerade im Kopf des gegnerischen Kommandanten vorging. Noch vor wenigen Sekunden war dieser bereit gewesen zu sterben. Nun hatten er und seine Männer eine zweite Chance bekommen.
„OPS. Was zeigen die Scanner?“, erkundigte sich Rolka.
„Sir. Die Waffen der Schiffe werden deaktiviert, die Schilde werden heruntergefahren. Sie geben auf. Herzlichen Glückwunsch, Captain. Das war ein gelungener Bluff.“
Atvar Pra’ada’ag schüttelte den Kopf. „Das war kein Bluff. Hätte er nicht reagiert, hätten wir zugeschlagen, unwiderruflich.“
„Ich verstehe. Trotzdem meinen Glückwunsch.“
Rolka nickte, denn er wusste, dass solch ein Ausgang einer Schlacht nicht alltäglich war. Und er war ein wenig stolz auf seinen kleinen Taschenspielertrick. Die gesamte Brückencrew begann zu applaudieren, denn auch wenn die Flotte der Separatisten ihr Gegner war, so waren die Besatzungen doch auch alle Mitglieder der Whiteguards und somit ihre Kameraden. Und niemand schießt gerne auf seine Kameraden.
Rolka aktivierte erneut das COM-System. „Captain Rahan, ziehen Sie Ihre Flotte ab, kehren Sie in den Orbit von Arkudia zurück und warten Sie dort auf neue Anweisungen. Habe ich Ihr Wort?“
Nun hatte sich Rahan wieder gefangen und konnte sprechen. „Aye, Sir. Wir haben Ihre Nachricht verstanden. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Wir bereiten die Räumung der Schiffe vor.“
„Ich sagte, warten Sie auf neue Anweisungen. Ich sagte nichts von ‚Räumen‘ der Schiffe. Führen Sie den Befehl aus.“
„Aye, Sir. Wir ziehen uns zurück. Rahan, Ende.“
„Na also“, murmelte Rolka mehr zu sich selbst. „Warum denn nicht gleich.“
Etvar Na’agas Nugi‘in Prevak hatte während des ganzen Einsatzes nur schweigend an seiner NAV-Konsole gesessen und die Befehle der Kommandanten ausgeführt. Er war sichtlich beeindruckt vom taktischen und strategischen Vorgehen des Captains. Er würde noch lange daran denken.
Erdorbit, An Bord der ‚UoSS Excalibur‘ …
12. Januar 2030, 12:30 Uhr
Matt riss die Augen auf und schreckte hoch. Er brauchte einige Minuten, bis er sich des ‚Hier und Jetzt‘ wieder bewusst wurde. Zu real war die Simulation, die er gerade eben durchlebt hatte.
„Du siehst gestresst aus, Mensch.“ Kualpos-Pi nahm die leichte Haube mit den Headcons entgegen, die Matt ihm reichte. Der rieb sich mit den Handballen über seine brennenden Augen. Obwohl sie ironischerweise während der Lektionen auf der Tutorliege ausnahmslos geschlossen waren, hatte man auf den Liegen das Gefühl, das Erlebte auch tatsächlich gesehen zu haben. Vielleicht brannten sie aus diesem Grund.
„Bin ich auch. Die Sitzung war wirklich anstrengend.“ Jetzt massierte er sich die Manicons in seinen Fingerspitzen, die in den Portalen der Liege über zwei Stunden den notwendigen Kontakt zu seinem Egocom hergestellt hatten.
„Ich habe dich vorher gewarnt. Diese Art von ‚Simlogs‘ sind heute verboten und es gibt sie nicht mehr. Sie sind zu real. Viele Nekori auf den Tutorliegen waren häufig derart traumatisiert, dass sich der Lerneffekt eher ins Negative gekehrt hat. Woher stammen die Daten eigentlich? Die Würfel sehen recht neu aus.“
„Das sind Kopien der Original-Kuben aus Ki‘ilan Itas‘ Archiv, das wir auf Fagolus Nekra entdeckt haben. Es gibt noch tausende von Datenwürfeln mit diesen Simlogs. Wir werden noch eine ganze Weile brauchen, sie alle zu katalogisieren.“
„Ihr solltet sie mit einem großen Warnvermerk versehen.“
„Das ist vielleicht eine gute Idee. Die Erfahrung ist wirklich speziell“, bestätigte Matt. „Man vergisst total, dass es nur eine Aufzeichnung ist. Ich kann jetzt noch einige der Bilder auf meiner Netzhaut sehen, die ich nur auf der Liege erlebt habe.“
„Und, hast du denn auch etwas wirklich Neues gelernt?“
„Ich denke schon. Pra’ada’ag war wirklich ein charismatischer Kommandant.“
„Was hast du heute gelernt?“, fragte der Chisu neugierig, denn er selbst hatte keine genaue Vorstellung, was in der jeweiligen Sitzung vermittelt wurde.
Matt musste eine Sekunde nachdenken. „Gelernt habe ich, dass es unter Umständen doch sinnvoller ist, noch einmal zu verhandeln und miteinander zu reden, selbst wenn man dem Gegner militärisch weit überlegen ist.“
„Eine wertvolle Lektion, die viel Leid und noch mehr Ressourcen ersparen kann“, meinte Kualpos.
„Wohl wahr.“
„Und wer warst du?“
Matt versuchte sich an den kompletten Namen zu erinnern, dessen Rolle er übernommen hatte. „Ich war … Etvar Na’agas Nugi‘in Prevak oder so. Ich war Springer auf der Brücke und habe die Navigationskonsole bedient.“
„Gab es eine große Schlacht, in der du gekämpft hast?“
„Kennst du denn den Inhalt der Simlogs nicht?“, fragte Matt den Androiden.
„Atvar, ich bin der Operator, nicht der Tutor. Du weißt, die Aufgaben kommen sonst direkt von No’osqa. Und ich bezweifle, dass die Ausbilder dort selbst die Simlogs erlebt haben.“
„Vermutlich hast du recht, Kualpos. Wir haben uns bereit gemacht für eine Schlacht.“ Matt bildete sich ein, sogar noch das Adrenalin in seinen Adern zu spüren, das jeder Soldat vor so einer gewaltigen Auseinandersetzung ausschüttet. „Aber dann kam es doch ganz anders. Es gab keine Toten, keine Verletzten, nur Gewinner.“
„Das scheint eine wertvolle Lektion gewesen zu sein.“ Kualpos reinigte die Tutorliege mit einem Desinfektionsspray.
Matt rieb sich die Nasenwurzel. „Für heute reicht es mir“, beschloss er. „Wir sehen uns morgen wieder, Kualpos.“
„Aye, Sir. Ruhen Sie sich aus, Sir.“ Auch wenn er den ranghohen Whiteguard duzen durfte, hatte er doch einen großen Respekt vor dem Captain der Excalibur.
„Keine Chance. Ich bin immer noch einer der Kommandanten dieses Schiffes. Da wartet heute noch viel Arbeit auf mich.“ Matt verließ den Schulungsraum, schloss kurz die Augen und atmete durch. Diese Tutorsitzungen waren immer anstrengend, körperlich und mental. Zum einen, weil man sich niemals darauf vorbereiten konnte, welche Sinneseindrücke auf einen einprasseln würden, und zum anderen, weil man häufig auch in traumatisierende Situationen geriet, die ebenfalls heftige Reaktionen im Körper auslösten. Matt war immer froh, wenn die einzelnen Sitzungen vorbei waren. Doch er war auch dankbar, was er alles in den Sitzungen lernte. Denn er lernte fürs Leben und die gewaltige Aufgabe, die ihn als Ko-Kommandanten des Flaggschiffs erwartete.
Daher war er noch tief in Gedanken, als er sich zu Fuß auf den langen Weg zurück zu seinem Quartier machte. Vielleicht war er an einem Gang in die falsche Richtung abgebogen oder hatte an einem Aufzug das falsche Level angewählt. Wie auch immer, Matt musste sich eingestehen, dass er sich trotz aller Navigationshilfen in seinem Egocom und trotz aller Karten und Hinweisschilder an Bord der Excalibur verlaufen hatte. Und so stand er jetzt vor einem der Hyperlifte, der alle Ebenen des riesigen Schiffes miteinander verband. Ein Techniker war gerade dabei, letzte Einstellungen an einem der Notschaltpulte vorzunehmen.
„Eine Sekunde, er steht sofort für Sie bereit, Sir.“ Der Mann trug eine Uniform, war aber nicht Mitglied der kämpfenden Whiteguards, sondern gehörte zum Ingenieurscorps des neuen Dockrings rund um die Erde. Nun, es war noch kein kompletter Ring, aber in ein paar Jahren würde es eine genauso beeindruckende Anlage sein wie die, die jetzt schon auf Shipyard installiert war.
Da Matt im Moment nur ein T-Shirt und Jeans trug, war er für Außenstehende nicht zwangsläufig als Mitglied der Schiffscrew zu erkennen und schon gar nicht als Atvar der Whiteguards.
„Haben Sie es eilig, Mister?“, fragte der Mann, ohne groß aufzublicken.
Matt lächelte, denn obwohl er heute wieder einen engen Zeitplan hatte, wollte er den Techniker nicht hetzen. „Nein, ist schon okay. Lassen Sie sich Zeit.“
„Danke. Diese Technologie ist vollkommen neu für mich, Mister … “ Er warf einen schnellen Blick aus dem Augenwinkel auf den für ihn fremden Mann, in der Hoffnung, eines der üblichen Namensschilder zu entdecken. Er wurde aber enttäuscht, da Matt heute bewusst darauf verzichtet hatte.
„Matt, ich bin Matt“, half der ihm weiter.
„Was für ein Zufall. Ich heiße auch Matt, Matt Frobischer. Ich war Techniker bei Boeing bis zum ‚Max-Desaster‘. Wusstest du, dass der Captain dieses Schiffes auch Matt heißt? Matt Sanders, habe ich mir sagen lassen.“ Frobischer las ein paar Werte auf seinem Oszilloskop ab und justierte dann etwas mit seinem Schraubenzieher im Schaltpult der Liftkabine. „Als ich meinen neuen Job angetreten habe, war die Geschichte von diesem Sanders Teil der Einführungsschulung. Matt Sanders und seine Frau, Proatvara Cha’awa, glaube ich, haben die Erde in die UoS und ein neues Zeitalter geführt. Ohne sie hätte ich diesen Job nicht. Eine tolle Geschichte.“
Matt versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sich doch ein wenig geschmeichelt fühlte. „Ach was. Da übertreibst du ein wenig. Dieser Sanders hat nur Glück gehabt.“
„Glück? Das sehe ich anders. Er hat es geschafft, als erster Mensch Kontakt zu diesen Antas aufzunehmen und dann diese Sache mit Ki‘ilan Itas. Wie lange hatte man da schon nach ihm gesucht? Millionen von Jahren? Und er hat ihn gefunden.“ Frobischer verschloss den Schaltkasten und packte sein Werkzeug ein. Als Letztes schob er den kleinen Phasenprüfer in die Brusttasche seines grünen Overalls. „Ein toller Mann, dieser Sanders. Du solltest mal über ihn lesen.“
„Das werde ich. Kann ich den Lift jetzt benutzen?“, fragte Matt höflich.
„Ja, klar. Mit etwas Glück bleibst du nicht stecken.“
„Mit etwas Glück?“
„Wie ich schon gesagt habe. Diese Technik ist vollkommen neu für uns alle. Ich lerne jeden Tag dazu. Wenn es Probleme gibt, hier ist meine Karte.“ Frobischer reichte Matt eine kleine Visitenkarte mit einer Kommunikatornummer auf der Rückseite. „Ansonsten bin ich in der Wartungszentrale. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.“
„Danke, dir auch.“ Matt hatte seinen Finger schon auf dem Sensor für die dreiundzwanzigste Ebene, als ein junger Mann noch durch die sich bereits schließende Tür des Turbolifts schlüpfte.
„Kann ich noch mit, Sir?“
„Sie sind doch quasi schon drin, junger Mann. Das war dann wohl eher eine rhetorische Frage, oder?“
„Was? Ja, sorry.“ Ehe Matt etwas entgegnen konnte, hatte sich der Kadett in sein Handy vertieft und tippte heftig mit seinen beiden Daumen eine Nachricht in sein Smartphone.
„Wohin?“, fragte Matt freundlich.
„Bitte was?“
„Welche Ebene? Wo wollen Sie hin, Kadett?“
„Oh ja, natürlich. Ebene achtundsechzig. Ganz nach unten, bitte.“ Der Kadett blickte nur kurz auf.
„Dann müssen Sie einen Moment warten, junger Mann. Zunächst geht es nach oben“, erklärte Matt.
„Was? Sicher, schon gut. Ich habe Zeit. Meine Schicht beginnt erst in einer Stunde.“
Matt hatte für den Kadetten die Ebene angewählt. Der Turbolift setzte sich in Bewegung und fuhr nach oben.
„Dringende Nachrichten?“, fragte er den jungen Mann.
„Ach, nur meine Mutter. Sie macht sich Sorgen, wie es mir geht. Wenn ich nicht sofort antworte, ufert das aus. Letztes Mal musste sie unbedingt meinen Vorgesetzten angerufen. Das hat mich zehn Runden auf dem Trainingsplatz gekostet“, antwortete der Kadett. „Die will ich nicht noch mal laufen müssen.“
„Mütter machen sich immer Sorgen.“
„Das stimmt.“ Der Kadett hatte anscheinend seine Nachricht beendet und erfolgreich abgeschickt. „Bei uns ist das aber etwas Besonderes. Wir sind beide nur knapp mit dem Leben davongekommen, Mister. Wenn die Whiteguards uns nicht gerettet hätten, wären wir alle an der Strahlenkrankheit gestorben.“
Matt wagte einen Schuss ins Blaue. „Du kommst von Fagolus Nekra?“
Der Kadett drehte sich in seine Richtung. „Ja. Woher wissen Sie das, Mister?“
„Ein guter Freund von mir hat die Mission dort geleitet.“
„Rescoe? Atvar Rescoe Lewis? Sie kennen ihn?” Der Kadett riss die Augenbrauen nach oben. „Wäre er nicht gewesen, hätte ich das nicht überlebt. Die Mites hatten alle Mühe, meinen Kehlkopf zu retten. Vom Rest meines Körpers ganz zu schweigen. Das war die sprichwörtliche Rettung in letzter Minute. Bei meiner Mutter und meiner Schwester war es ebenso. Ich bin Privar Brenn. Privar Mylo Brenn.“
Matt musste kurz grinsen. „Und du bist nicht auf der dunklen Seite der Macht?“
„Auf der was? Ich verstehe nicht“, musste Mylo eingestehen.
„Ach. Es gab einen Sith-Lord, der ähnlich hieß“, erklärte Matt. „Sein Großvater war Darth Vader.“
„Was? Wer? Auf Seku III?“
„Nein. Vor langer Zeit … in einer weit entfernten Galaxie.“
„Hmm. Noch nie davon gehört.“
Matt wollte gerade eine Erklärung dazu abgeben, als der Aufzug mit einem wilden Satz zum Stehen kam.
„Oh, oh! Verdammt!“ Matt drückte ungeduldig noch einmal auf den Sensor für die dreiundzwanzigste Ebene, erzeugte aber außer einem leisen ‚Tuuut, Tuuut, Tuuut‘ keine Wirkung. „So viel zu Ihrer guten Arbeit, Matt Frobischer.“
Matt angelte die Visitenkarte aus seiner Hosentasche, die er erst vor wenigen Augenblicken bekommen hatte und versuchte, den Kommunikator von Frobischer anzuwählen. Doch er ahnte schon im Vorhinein, dass er damit kein Glück haben würde. „War klar.“ Dann versuchte er etwas anderes über sein Egocom. „Tanris? Wo bist du im Moment?“
„Hallo, Matt. Wir fahren gerade einen neuen Belastungstest der Reaktoren. Ich bin auf dem Energiedeck. Gibt es Probleme?“
„Ich stecke in einem Aufzug fest.“ Er suchte nach der ID-Nummer des Turbolifts. „Zwei-Strich-Sieben-XZB.“
„In Ordnung, ich kümmere mich sofort darum. Geht es dir sonst gut?“
„Ja, alles okay. Ich stecke mit einem jungen Kadetten fest. Uns ist nichts geschehen. Ich habe nur noch einige Termine heute. Beeilt euch bitte.“
„Aye, Captain. Es kommt sofort jemand. Tanris, Ende.“
Matt setzte sich auf den Boden, wo sich Mylo schon niedergelassen hatte. „Alles gut bei dir?“
„Ja, alles in Ordnung, Mister ...“
„Ich bin Matt. Freut mich, dich kennenzulernen, Mylo.“ Er reichte dem jungen Mann die Hand. „Deine Mites, wie weit bist du?“
„Mein Egocom ist schon fertig, ich kann nur noch nicht darauf zugreifen.“
Matt überprüfte das sofort und konnte tatsächlich schon die ID des Kadetten erkennen. „Stimmt. Es hat sich bereits im System angemeldet. Du bist also schon ganz offiziell ein Mitglied der Whiteguards.“
„Hmmm. Vielen Dank. Sind Sie auch ein Gardist, Matt?“
„Ja, das bin ich. Aber noch nicht so lange, wie du denkst.“
„Haben Sie auch die Prüfung zum Eternal machen müssen, Sir?“ Mylo wechselte sofort in die beim Militär übliche Anrede.
„Bei mir lief das etwas anders, aber letztendlich habe ich den Wesenstest auch machen müssen.“
„Und, haben Sie bestanden, Sir?“, wollte Mylo wissen.
„Ja, klar. Und sogar mit einem besonders guten Ergebnis, hat man mir gesagt.“
„Dann sind Sie also ein Eternal, ein Unsterblicher.“
Matt lächelte. „Korrekt.“
„Warum tragen Sie keine Uniform, wenn Sie ein Gardist sind? Und welchen Rang haben Sie, Sir?“
„Ich bin auf der Erde aufgewachsen. Und in meiner Freizeit trage ich die Kleidung wie früher. Um deine letzte Frage zu beantworten, ich bin Atvar, ein Admiral oder General der Whiteguards.“
Mylo sprang sofort auf und salutierte, wie er es gelernt hatte. „Verzeihen Sie, Atvar, Sir. Aber ich konnte Sie nicht als ranghohen Offizier identifizieren. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie respektlos geduzt habe.“
„Entspann dich, Mylo. Solange ich die Uniform nicht trage, bin ich Matt. Und du kannst mich ruhig weiter duzen.“
„Vielen Dank, Sir … ich meine, Matt. Ich dachte, ein Eternal hat keine Freizeit. Er ist immer im Dienst. Im Einsatz für die gerechte Sache.“
Matt musste schmunzeln. „Da ist was Wahres dran. Und glaube mir, so viel Freizeit habe ich auch nicht. Aber als Gardist hat man trotzdem auch ein Privatleben. Sobald deine Ausbildung beendet ist, wird es etwas weniger stressig.“
„Dann bin ich ja beruhigt. Denn im Moment ist es ganz schön anstrengend.“
„Was möchtest du werden als Gardist? Hast du dir schon eine Waffengattung ausgesucht?“
Jetzt nickte Mylo. „Ich will unbedingt auf ein Raumschiff wie dieses und zu anderen Planeten reisen. Und dann irgendwann will ich Offizier werden und ebenfalls ein Eternal.“
„Das ist doch ein Plan.“ Matt schloss kurz die Augen und entspannte sich. „Erzähle mir von Fagolus Nekra. Ich war noch nicht da.“
„Von Fago? Ach, da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Fagolus Nekra war einmal ein schöner Planet mit vielen grünen Wäldern und weiten blauen Ozeanen, fast wie hier auf der Erde. Es gab eine Menge große Städte mit hohen Gebäuden, die dicht bis an die Wolken reichten. Unsere Tierwelt war unglaublich reichhaltig und es gab nur wenige Lebewesen, die uns Nekori gefährlich werden konnten. Man könnte sagen, es war eigentlich ein Paradies. Ich war gerade mit der Schule fertig, als der Krieg begann. Mein Vater ist gleich am ersten Tag gefallen. Danach haben meine Mutter, meine Schwester und ich nur noch gekämpft, um am Leben zu bleiben. Das war nicht einfach. Wir haben versucht, uns von den größeren Siedlungen fernzuhalten. Dort gab es nur Mord und Totschlag. Aber wir haben überlebt, wenn auch nur knapp. Wären Rescoe und sein Team nicht gekommen, wäre ich jetzt nicht hier. Wenn du ihn siehst, Matt, richte ihm noch einmal unseren Dank aus.“
„Das werde ich. Er ist …“ Matt wollte noch ein wenig von ihrer Freundschaft berichten, als sich plötzlich jemand über den Lautsprecher in der Kabine meldete.
„Achtung. Haltet euch bereit, es geht los.“
Mylo versuchte sich aufzurichten, wurde aber heftig zu Boden gedrückt, denn der Speedlift setzte sich mit einem wilden Ruck wieder in Bewegung nach oben. Nur zehn Sekunden später erreichte Matt seine gewünschte Ebene. Als die Türe aufging, drehte er sich noch einmal kurz um. „Schön, dich kennengelernt zu haben, Mylo. Vielleicht sehen wir uns bald wieder.“
„Sir, das ist wirklich ein sehr großes Schiff. Ich halte das für relativ unwahrscheinlich. Trotzdem, bis bald.“ Zur Sicherheit salutierte er noch einmal wie aus dem Lehrbuch. Man konnte ja nie wissen, ob sein Gegenüber nicht doch ein ranghoher Offizier war, der ein direkter Vorgesetzter werden könnte.
Nachdem Matt den Aufzug verlassen hatte, wurde ihm sofort wieder bewusst, dass er nicht so wirklich eine Ahnung hatte, wo er sich nun auf dem Schiff befand. Die Ebene war richtig, aber als er durch eine bestimmte Tür treten wollte, stand er vor einer massiven Wand aus Stahl. Hier ging es nicht weiter. Doch das kannte er auch aus etlichen durchspielten Nächten in Ultima Underworld oder zahlreichen Verliesen auf Tamriel. Also glich er noch einmal seine Position mit dem Ebenen-Plan der Excalibur ab. Schnell hatte er seinen Fehler gefunden. Er befand sich schlicht und einfach im falschen Sektor. Durch die modulare Bauweise sahen viele Bereiche im Schiff identisch aus und unterschieden sich nur minimal. Er orientierte sich einfach in Richtung der großen Hauptbrücke, denn ganz in der Nähe befand sich sein neues Zuhause. Zwei Fahrten mit einer Vakubahn und einem kurzen Trip auf den Hoverpads später erreichte er endlich die Tür zu seinem und Shalis Quartier.
In der Nacht zuvor hatte er schlecht geschlafen und war direkt aus dem Bett in Richtung Tutorbereich gejoggt, um richtig wach zu werden. Kualpos wirkte meist ein wenig verärgert, wenn Matt zu spät kam. Die Tutorsitzungen im Schulungsbereich waren stets eng getaktet, denn im Moment gab es unzählige Besatzungsmitglieder, die neue Fähigkeiten erlernen mussten oder taktische Schulungen bekamen. Da machte der Captain des Schiffes keine Ausnahme. Ungeduscht und ohne Frühstück hatte Matt die heutige Lektion daher als noch anstrengender empfunden als sonst.
Er beschloss, sich erst einmal unter die Dusche zu stellen, denn was die Mites nach wie vor nicht beheben konnten, war intensiver Körpergeruch. Er atmete tief durch. Die Strahlen des heißen Wassers massierten seine verspannten Muskeln. Matt hatte festgestellt, dass er unter der Dusche nicht nur entspannen konnte, sondern ihm dort auch seine besten Ideen kamen. Ideen hatte er gerade zwar keine, aber wenigstens auch keine dunklen Gedanken. Er schloss die Augen und ließ das Wasser über sein Gesicht laufen. Es gab Momente, da war eine heiße Dusche besser als … na ja, besser als die schönste Nebensache der Welt.
Als er abgetrocknet die Nasszelle verließ, musste er zunächst einmal den Kleiderschrank suchen, denn die Umgebung war immer noch neu für ihn. Matt und Shali hatten ihr Quartier erst vor wenigen Tagen bezogen. Wobei Quartier eigentlich nicht die richtige Bezeichnung war. Es war eher vergleichbar mit einer Luxus-Excelsior-Suite in einem 7-Sterne-Hotel. Der riesige Wohnbereich des Kapitäns erstreckte sich über vier Stockwerke mit Arbeits-, Schlaf-, Wohnzimmer und einem eigenen Aufzug. Sogar ein kleines Arboretum zur Entspannung in den wenigen privaten Stunden war vorhanden. Außerdem sorgten zahlreiche Chisu dafür, dass es den Bewohnern der Suite an nichts fehlte. Zum Arbeitsbereich gehörte ein kleiner Situationroom inklusive Holoprojektionssystem, wo der engste Führungskreis über die anstehenden Missionen gebrieft werden konnte. Ein Fitnessraum sowie ein eigener Pool rundeten die Ausstattung ab.
Hinzu kam, dass einer der Eingänge zur Suite auf der gleichen Ebene wie die zentrale Brücke des Schiffes lag, sodass der Captain des Schiffes mit wenigen Schritten zwischen Quartier und Brücke hin und her wechseln konnte. Im Ernstfall ein ungemein wichtiger taktischer Vorteil. Auch Shali fühlte sich in ihrem neuen Wohnbereich wohl und hatte ihren Plan, ein Haus auf der Erde zu kaufen, erst einmal auf Eis gelegt. Die Chisu um Rodomo-Pi hatten sich intensiv von ihr briefen lassen, welches Mobiliar sie sich auf der Excalibur wünschte. Daher war die Suite nun genau nach Shalis Vorgaben eingerichtet worden, inklusive einer vollausgestatteten professionellen Küche, die keine Wünsche beim Kochen offenließ. Es gab sogar eine große Eismaschine, das hatte Utnar Pishtim eingefädelt, obwohl er gar nicht an Bord war. Matt freute sich schon, zusammen mit seiner Partnerin auf der Excalibur die gigantische Galaxis zu erkunden und so viele bewohnte Planeten wie möglich zu besuchen. Allerdings hatte er auch einen großen Respekt vor der Aufgabe, die auf ihn wartete. Die Sitzungen auf den Tutorliegen waren nur ein Teil des rasanten Ausbildungsprogramms, das er und Shali nun durchlaufen mussten. Temara und Jarrod, als designierte Kommandanten der Camelot, des Schwesterschiffs der Excalibur, erwartete eine ähnliche Tortur. Trotzdem hatte er sich immer wieder die Frage gestellt, warum die Wahl der Kommandanten so schnell auf ihn und Shali gefallen war.
Matt erinnerte sich an das Gespräch, das er vor wenigen Tagen mit Jat-Atvar Jelam geführt hatte.
„Warum wir?“, fragte Matt.
„Weil ihr es könnt“, hatte Jelino genauso kurz geantwortet, wie Matt seine Frage gestellt hatte. „Und ihr macht den Job ganz ausgezeichnet.“
„Du weichst meiner Frage aus. Warum übergebt ihr das Kommando des Flaggschiffs der Whiteguards an zwei so Greenhorns wie uns beide? Ich bin eigentlich Programmierer und kein Soldat. Shali ist auch eher Wissenschaftlerin als die Kommandantin eines Schlachtschiffs. Gibt es denn keine anderen qualifizierten Offiziere und Kapitäne bei den Whiteguards?“
„Diese Information darf diesen Raum nicht verlassen.“ Jelino wurde plötzlich sehr ernst und sprach beinahe im Flüsterton, so als hätte er Angst, dass jemand mithören könnte. „Matt, wenn du wüsstest, wie wenige hochrangige Offiziere den Angriff durch die Spinalminen überlebt haben, wärst du schockiert. Sollte eine Zivilisation außerhalb der UoS davon erfahren, sind wir geliefert. Die Flotte der Whiteguards funktioniert im Moment nur durch den Einsatz von Technikoris Pi-Chisu. Ohne die wären wir sowieso schon lange geliefert. Das darf wirklich niemand erfahren. Wir müssen die Lücken in unseren Reihen so schnell wie möglich mit Menschen von der Erde und von Storia auffüllen. Wobei ich noch nicht abschätzen kann, ob die Storianer dazu bereit wären. Sagen wir mal so, es gibt viele positive Signale vom dortigen Zentralkommando. Die wenigen lebenden und kompetenten älteren Offiziere der Whiteguards, die uns geblieben sind, brauchen wir als Ausbilder. Wir können nicht riskieren, sie dort draußen in einem Einsatz auch noch zu verlieren.“
„Ich verstehe. Shali und ich sind also entbehrlich“, grinste Matt ein wenig enttäuscht.
„Ich bitte dich, Matt. Ihr seid auf der neuen Roparagino oder Excalibur, wie ihr sie jetzt nennen wollt, ziemlich gut geschützt. Das Schiff ist so gut wie unbesiegbar. Mir kommt kein anderes Schiff in dieser Galaxis in den Sinn, das ihm ebenbürtig ist. Ihr seid dort absolut sicher. Außerdem hat sich euer Team als sehr kompetent erwiesen. Die Aktionen auf Storia haben nicht nur bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Auch Projarnat Etnoch hält große Stücke auf euch beide. Das ist schon ein ganz schöner Vertrauensvorsprung. Deswegen zählen sowohl Centron als auch No’osqa auf euch. Reicht dir das als Erklärung, warum ihr die erste Wahl seid? Und noch eins: Im Moment ist kein Privar, kein Levar und kein Atvar entbehrlich. Die Zeiten sind vorbei.“
„Danke, Jelino, für dein Vertrauen. Ja, diese Erklärung reicht mir. Zu wissen, dass wir euren Segen haben, macht es um einiges leichter.“
Matt war stolz, dass er das Vertrauen des Oberkommandos besaß. Aber das alleine reichte ihm nicht. Er hatte bisher noch nie einen so großen Stab von Mitarbeitern geführt. Wenn er genau darüber nachdachte, hatte er noch nie Mitarbeiter gehabt. Santec war ein ‚Zwei-Mann-Unternehmen‘ gewesen. Er und Jarrod, und natürlich noch Jenny im Sekretariat. Es fehlte ihm an Erfahrung in der Führung eines so großen Teams. Aber die brauchte er, wenn er die über fünfzigtausend Menschen und Androiden an Bord nicht in Gefahr bringen wollte. Denn die nun anstehenden Aufgaben waren groß, sehr groß. Es galt, die immer noch wachsende Bedrohung durch die NeoNeks in der Milchstraße zu eliminieren. Nie zuvor hatten die Whiteguards einem mächtigeren und gefährlicheren Feind als den künstlichen Lebensformen aus der Ursa-Minor-Galaxie gegenübergestanden, die es auf die ergiebigen Ressourcen der Milchstraße abgesehen hatten. Bevor dieser Feind nicht zurückgedrängt war, konnte es die UoS nicht riskieren, die noch menschenleeren Planeten wieder neu zu besiedeln. Dieses Risiko durfte und wollte niemand eingehen und Matt schon gar nicht. Im Moment musste man davon ausgehen, dass dieser Krieg blutig und verlustreich ausgehen würde. Und er würde lange dauern, denn zu tief hatten sich die NeoNeks bereits in die Milchstraße vorgearbeitet. Doch wenn alles nach Plan lief, wäre es damit bald vorbei. Schon in wenigen Wochen sollte die ‚Mission Malstrom‘ beginnen. Die Flotte der Androiden und der Antas lag nach wie vor kampfbereit am Rande des Sonnensystems. Beinahe wöchentlich fanden Flottenmanöver statt, um die unterschiedlichen Schiffstypen und Taktiken aufeinander abzustimmen. Das Oberkommando auf No’osqa musste aufpassen, dass auf keiner Seite vor der finalen Schlacht eine Kampfmüdigkeit aufkam. Die nächsten Wochen konnten unter Umständen sehr heikel werden, denn einige der Kapitäne wurden bereits unruhig. Gerade die heißspornigen Antas der Kriegerkaste begannen bereits zu murren, denn Geduld wurde nicht gerade großgeschrieben bei den Insektoiden. Sie brauchten einen Plan, einen guten Plan. Einen, der kein zu großes Risiko barg und so unnötig viele Leben kosten konnte.
Matt wollte sich nur kurz ausruhen, um über einen entsprechenden Angriffsplan nachzudenken. Nicht dass es nicht schon genügend Ansätze gab. Beinahe jeder im Team der Terraguards hatte schon eine geniale Idee vorgebracht, die dann meist von den anderen mit einem kurzen kleinen Einwand abgelehnt wurde. Eine richtig gute Idee war bisher noch nicht dabei. Das musste sich dringend ändern.
Matt lag bei leicht gedimmtem Licht in Unterhosen auf seinem weichen Bett. Keine gute Idee, denn nur wenige Augenblicke später war er eingedöst. Ihm waren die Augen gerade erst zugefallen, als das Licht für eine Sekunde wieder eingeschaltet wurde und Shali den Schlafbereich betrat. Ihr flüchtiger Kuss auf seine Stirn machte ihn auch nicht gerade munterer. Im Halbschlaf spürte er, wie sie sich von hinten an ihn kuschelte und umarmte. In den letzten Wochen hatten beide nur selten Zeit füreinander gehabt. Ihr Dienstplan war zum Teil so versetzt, dass es Tage gab, an denen sie sich überhaupt nicht sahen. Kurze Nachrichten über das Egocom waren dann die einzig mögliche Kommunikation. Sowohl Shali als auch Matt selbst waren mit der Situation mehr als unzufrieden.
Der Alarm auf Matts Wristplay schreckte beide hoch. Sie hatten kaum mehr als zehn Minuten Ruhe gehabt.
„Und?“, fragte sie, „wie war die Sitzung heute? Wieder anstrengend?“
„Heute keine Kampftaktik, sondern es ging eher um Verhandlungsgeschick. Na ja, und auch ein klein wenig um Taktik. Das hatte aber eher mit Pokern zu tun als mit Kriegsführung. Er war schon ein weiser Mann, dieser Pra’ada’ag. Ich hoffe, mir passen eines Tages seine Schuhe.“ Er rieb sich die Augen. „Und bei dir? Wo warst du?“
„Ich war im Medizintrakt und habe mich untersuchen lassen.“
„Geht es dir nicht gut?“ Matt sah seine Freundin nicht an, sondern hatte die Augen wieder geschlossen. „Du bist doch gesund, oder?“
„Mein Zyklus ist verspätet.“
„Hmmm. Hast du schon mit Kerato gesprochen? Vielleicht werden die Updates im Moment nur etwas verzögert installiert?“
„Was? Was meinst du? Hast du nicht verstanden? Ich spreche vom Zyklus. Dem Zyklus einer Frau, nicht vom Updatezyklus meiner Software.“
Matt riss die Augen auf, war innerhalb einer Millisekunde hochkonzentriert und richtete sich auf. „Du meinst, du bist …“
„… schwanger!“, vollendete sie seinen Satz. „Korrekt. Ich erwarte ein Baby. Ich meine, wir erwarten ein Baby.“
Eine Bildfolge raste mit Schallgeschwindigkeit durch Matts Verstand. Es waren Bilder von einem Kreissaal, Windeln, durchwachten Nächten, Unmengen von Spielzeug, aber auch Erinnerungen an einen lachenden Corey, liebevolle Großeltern, und vor allem einem Gefühl von Zufriedenheit und … Glück. „Echt? Ich werde noch einmal Vater?“
„Wenn alles gut geht, ja.“
„Und wie weit bist du, Schatz?“
„Erst ganz am Anfang. Ich habe schon mit Rachel gesprochen. Sie meinte, ich bin erst richtig schwanger, wenn mir jeden Morgen übel ist. Also, wie gesagt, noch ganz am Anfang der Schwangerschaft. Vielleicht in der fünften oder sechsten Woche.“
„Helfen denn die Mites nicht auch gegen diese Übelkeit?“
„Die Mites können mir dabei nur bedingt helfen. Es gibt einen speziellen Modus für weibliche Eternals. Dabei muss verhindert werden, dass Mites in den Fötus gelangen und dort beginnen, Module zu errichten. Daher falle ich die nächsten neun Monate mehr oder weniger aus. Schon bald müssen die Mites reguliert werden, vielleicht in zehn Tagen.“
„Schade. Das lässt sich dann wohl nicht vermeiden.“
„Und daher kann ich nicht Kommandantin dieses Schiffes werden. Das wird jetzt deine Aufgabe sein. Ich habe No‘osqa bereits kontaktiert. Sie schicken einen Ersatz für mich.“
Von einer Sekunde zur anderen spürte Matt, wie die Last auf seinen Schultern buchstäblich noch größer wurde. Bisher war er immer davon ausgegangen, dass Shali die eigentliche Kommandantin des Schiffes werden und er in der zweiten Reihe hinter ihr agieren würde. Doch jetzt stand er plötzlich im Mittelpunkt. Er würde auf dem zentralen Sessel Platz nehmen. Das veränderte einiges, das veränderte alles. „Oooohhh“, war alles, was ihm in der Sekunde einfiel.
„Hast du ein Problem damit, Mann von der Erde?“, fragte sie zum einen etwas vorwurfsvoll, zum anderen aber auch in einem ironischen Ton, sodass Matt sofort wusste, wie sie es gemeint hatte.
„Nein, alles gut, Mama.“ Dann beugte er sich zu ihr hinunter und nahm sie fest in den Arm. „Ich freue mich für uns, für dich. Du wirst bestimmt eine fantastische Mutter.“
„In meinen Stasisträumen bin ich etliche Male Mutter geworden und gewesen. Doch die Realität sieht anders aus. Ich habe auch ein wenig Angst.“
„Ich glaube, die hat jede Frau. Dana ging es auch so. Aber alles in allem war auch sie eine fantastische Mutter, genauso, wie du eine sein wirst.“ Er schloss kurz die Augen, da sich innerhalb der letzten fünf Minuten seine nächsten Ziele und Prämissen total verschoben hatten. Dann fiel ihm etwas siedend heiß ein. „Oh, ich hab da noch was.“ Er ging zu einem der Systembehälter mit seinen privaten Besitztümern. Er steckte seinen Oberkörper fast bis zum Bauchnabel in die riesige Kiste, bis er mit einem: „Ah, da ist es ja“ wieder auftauchte. Er hielt einen kleinen Behälter hinter seinem Rücken verborgen.
„Was? Erdling, was heckst du wieder aus?“, lächelte sie.
„Ich weiß, dass es im Rest der Galaxie anders läuft als bei uns auf der Erde. Aber hier auf unserem blauen Planeten gibt es ein paar Gepflogenheiten, die jede Frau, aber vor allem jeder Mann respektiert.“
Wäre Shali eine ganz normale Gardistin der Whiteguards, hätte sie nicht gewusst, was Matt jetzt eigentlich vorhatte. Aber da sie zahlreiche Schicksale während ihrer Zeit in der Stasiskammer durchlebt hatte, wusste sie sofort, was los war, als ihr Freund vor ihr auf den Boden niederkniete.
„Ich habe schon lange auf eine passende Gelegenheit gewartet. Ich denke, eine bessere ergibt sich nicht mehr.“ Er holte das kleine Kästchen hinter seinem Rücken hervor und öffnete es vor ihren Augen. „Proatvara Shali Oona Cha’awa, willst du meine Frau werden?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er den Ring und steckte ihn an ihren linken Ringfinger. Dann stand er auf und gab ihr einen langen Kuss.
„Da hab ich wohl keine Wahl, oder?“, lachte sie gerührt. „Natürlich werde ich deine Frau.“
„Es hätte ja auch sein können, dass du es gar nicht für nötig hältst.“
„Doch, das ist mir sogar sehr wichtig. Was meinst du, wie oft ich in meinen Träumen schon geheiratet habe? Und jetzt geschieht es wirklich. Ich freue mich riesig.“ Leidenschaftlich erwiderte sie seinen Kuss. Dann betrachtete sie ausführlich sein Geschenk. „Wow. Das ist ja mal ein Steinchen. Er ist rosa und riesig.“
Matt wollte etwas prahlen. „Das sind beinahe zehn Karat. Kerato hat den Stein für mich ausgesucht. Er ist aus Lasetus Sammlung. Er erklärte mir, dass der Stein über dreitausend Jahre alt sei und einst der Königin von Saba gehörte. Wir haben ihn extra noch mal schleifen und den Ring daraus anfertigen lassen.“
„Er sieht fantastisch aus.“
„Genauso wie du. Es freut mich, dass er dir gefällt. War die linke Hand richtig?“
Sie nickte. „Hast du gewusst, dass die Ägypter und Griechen schon der Überzeugung waren, dass von der linken Hand eine Ader direkt zum Herzen führt?“
„Ich nehme mal an, das weißt du aus eigener Erfahrung?“
„Meinen ersten Heiratsantrag habe ich dort bekommen. Ich war eine Musikerin und Tänzerin im Tempel. Er hieß Etan-pen-efer.“
Matt lachte. „Ich denke, ich muss nicht eifersüchtig werden, oder?“