Eternal Fire - Katrin Gindele - E-Book

Eternal Fire E-Book

Katrin Gindele

5,0

Beschreibung

Logan und Lara sind wieder miteinander vereint und Leo stellt keine Bedrohung mehr für ihr Leben dar. Die Hochzeitsvorbereitungen sind in vollem Gange. Alles ist genauso wie Lara es sich immer erträumt hat. Doch der Gedanke an eine Zukunft mit Logan, lässt Lara nicht mehr los, denn sie möchte ihm nicht nur dieses eine menschliche Leben schenken. Um jeden Preis will sie die Ewigkeit mit ihm verbringen. Doch was geschieht, wenn der Preis, den Lara dafür bezahlen muss, viel zu hoch ist? Während sich all ihre Freunde um die Vorbereitungen für die Hochzeit kümmern, und selbst Jean diesen Tag kaum noch erwarten kann, tritt Lara ihrer Zukunft mit gemischten Gefühlen entgegen. Lara wünscht sich nichts sehnlicher, als für immer bei Logan bleiben zu können, dafür würde sie alles tun. Doch erst als es schon fast zu spät ist, wird ihr schmerzlich bewusst, was sie dafür opfern muss – ihr gesamtes bisheriges Leben . . .

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Das Buch

Leo stellt keine Bedrohung mehr für das Leben von Lara und Logen dar. Die Hochzeitsvorbereitungen der beiden sind in vollem Gange. Alles ist genau so wie Lara es sich immer erträumt hat. Doch der Gedanke wie eine Zukunft mit Logan sein könnte, lässt Lara nicht mehr los. Sie möchte ihm nicht nur dieses eine menschliche Leben schenken. Um jeden Preis will sie die Ewigkeit mit ihm verbringen.

Erst als es schon fast zu spät ist, wird ihr schmerzlich bewusst, was sie dafür opfern muss – ihr gesamtes bisheriges Leben … Altersempfehlung: ab 13 Jahren

Die Autorin

Katrin Gindele wurde in Sachsen-Anhalt geboren und liebte schon als Kind Erzählungen aus anderen Welten. Sie ahnte damals schon, dass sie eines Tages selbst Geschichten schreiben würde. Vor acht Jahren hat sie sich dann ganz auf Fantasy spezialisiert, 2015 erschien ihr erster Roman „Cold Fire“ bei Der Kleine Buch Verlag. Mit dem Reihenauftakt konnte sie bereits Erfolge beim »The Beauty and the Book«-Award feiern, wo sie es mit »Cold Fire« unter die Top 5 der schönsten Buchcover schaffte. Der zweite Teil „Frozen Fire“ erschien 2016 im Lauinger Verlag. Im November 2017 erschien eine Anthologie beim Tagträumer Verlag, mit einer Kurzgeschichte der Autorin. 2018 erscheint „Die Seelenkrieger Chronik“, der Auftakt einer neuen Reihe, im Tagträumer Verlag.

Eternal Fire ist der letzte Teil der beliebten Urban-Fantasy-Trilogie. Mehr Infos über die Cold Fire-Trilogie finden Sie unter: facebook.com/coldfiretrilogie

KATRIN GINDELE

Wächter der Illusion

FANTASYROMAN

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter

www.dnb.de abrufbar.

© 2018 Lauinger Verlag | Der Kleine Buch Verlag, Karlsruhe

Projektmanagement, Umschlaggestaltung, Satz & Layou: Sonia Lauinger

Lektorat & Korrektorat: Franziska Morgenstern, Vanessa Gantner, Julia Horn

Coverdesign: Anna Hein, www.fuchsiasweltenecho.de

Druck: Bookpress, Polen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes (auch Fotokopien, Mikroverfilmung und Übersetzung) ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt auch ausdrücklich für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen jeder Art und von jedem Betreiber.

ISBN: 978-3-7650-9126-1

Dieser Titel erscheint auch als E-Book:

eISBN: 978-3-7650-9127-8

www.lauinger-verlag.de

www.derkleinebuchverlag.de

www.facebook.com/DerKleineBuchVerlag

Entscheide dich,zwischen einem einzigen Leben für die ewige Liebeoder einem ewigen Leben für die einzige Liebe.Wähle mit Bedacht!

FÜR JOANAMöge die Fantasie deine Weltauf ewig beflügeln

INHALT

PROLOG: SCHLECHTE NACHRICHTEN

NUR EIN UNFALL?

MERRY CHRISTMAS

EIN SELTSAMER TRAUM

SCHWERSTARBEIT

STILLE WASSER

GÄSTELISTE

RITUALE UND TRADITIONEN

FÜR IMMER UND EWIG

FLITTERWOCHEN

SPURENSUCHE

ETHAN

TODESURTEIL

HYBRID

FRISCHES BLUT

NEUE ZEITEN

DER LETZTE BEWEIS

NEUE PLÄNE

DIE NACHT DER NÄCHTE

EPILOG

Danksagung

PROLOG

SCHLECHTE NACHRICHTEN

»Wir sind wieder da!«

Erschöpft, aber zufrieden ließ ich meinen Rucksack auf den Boden gleiten und schaute mich in der Eingangshalle um.

»Das wurde auch langsam mal Zeit«, sagte Jean lächelnd, als sie aus dem Wohnzimmer kam. »Das College beginnt in zwei Tagen. Ich dachte schon, du spielst mit dem Gedanken, für immer dort zubleiben.«

Ich erwiderte ihre feste Umarmung. »So schön wie Neuseeland auch ist, zu Hause ist es immer noch am schönsten. Außerdem hat Danny nächste Woche Geburtstag.«

Jean trat einen Schritt zurück und musterte mich aufmerksam. »Der Urlaub hat dir wirklich gutgetan«, meinte sie. »Du siehst erholt aus, Lara.«

»Die Landschaft ist der helle Wahnsinn«, nickte ich. »Noch nie habe ich so viele grüne Hügel gesehen.«

Als ich Jean in die Küche folgte, entdeckte ich auf der Bar zwei Dosen Cola. »Setz dich«, bat Jean. Ihre Stimme war ruhig, aber dennoch hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte.

»Was ist los? Gibt es Probleme?«

Jean spähte an mir vorbei in die Eingangshalle.

»Du sollst sofort in den Buchladen kommen«, sagte sie, als sie Logan dort entdeckte.

»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, gab er grinsend zurück und schlug wie geheißen den Weg zum Buchladen ein.

Ich kannte meine Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie etwas auf dem Herzen hatte.

»Erinnerst du dich an das Gespräch im Buchladen, welches wir belauscht haben?«, begann Jean zögernd.

Ich nickte und mich beschlich ein ungutes Gefühl. Jean erzählte mir von dem Gespräch mit Romy und Anna und von dem Verdacht, den beide gegen Arek hegten. Immer wieder betonte sie, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, denn Romy und Anna würden sich darum kümmern. Na klar, dachte ich. Keine Sorgen machen. Sie musste ja auch nicht blöd herumsitzen und die Arbeit mal wieder jemand anderem überlassen.

»Mache dich nicht verrückt«, sagte Jean und lächelte ein wenig. »Deine Hochzeit ist im März. Bis dahin ist noch reichlich Zeit, um das Problem aus der Welt zu schaffen.«

Mühsam hob ich den Kopf.

»Wird das jemals aufhören, Jean? Wird es irgendwann mal eine Zeit geben, in der mich keiner mehr aus dem Weg räumen will?« Einen Moment lang schauten wir uns schweigend an. »Was ist mit Logan?«, fragte ich schließlich. »Muss er davon erfahren?«

Jean warf einen Blick in die Eingangshalle, um sich zu vergewissern, dass wir allein waren. »Ich konnte Anna nach einer längeren Diskussion vom Gegenteil überzeugen. Sie berichtet ihm vorerst noch nicht von dem Befehl, den Leo bei Arek hinterlassen hat. Sonst hätten wir innerhalb weniger Stunden die gleichen Vorsichtsmaßnahmen am Hals, wie zuvor auch schon bei Leo. Ich finde, so etwas ist im Augenblick noch nicht nötig.«

Wow. Ich musste schmunzeln. »Du bist ja ausnahmsweise mal auf meiner Seite.«

Jean rümpfte die Nase. »Immerhin bin ich dein Secutor und wenn es nur darum ginge, sollte ich zu jeder Zeit auf deiner Seite stehen.«

»Die Hochzeit ist im März«, sagte ich nachdenklich. »Wenn Arek die Hochzeit verhindern will, indem er mir etwas antut, dann bleiben uns bis dahin noch ein paar Monate. Ich konzentriere mich jetzt lieber auf das College und alles andere können wir besprechen, wenn es soweit ist.«

In Wirklichkeit ging es mir gar nicht um das College. Meine Ausrede war nichts weiter als reiner Selbstschutz. Ich konnte und wollte in diesem Moment nicht weiter über Arek nachdenken. Gerade erst hatte ich mich an meine neugewonnene Freiheit und an ein Leben ohne Angst gewöhnt. Und mit einem Schlag, durch eine einzige Unterhaltung, wurde alles wieder zunichtegemacht.

NUR EIN UNFALL?

Ich stand im Buchladen und beobachtete die Menschen auf der gegenüberliegenden Straßenseite durch die Glasscheibe. Einige von ihnen hatten es ziemlich eilig. Voll bepackt mit Tüten und allerlei bunten Päckchen spurteten sie zwischen den parkenden Autos hindurch und rannten in die nächsten Geschäfte. In den letzten Wochen war ich so damit beschäftigt gewesen, mich auf andere Gedanken zu bringen, dass mir die buntgeschmückten Schaufenster beinahe entgangen waren. Leo, der Secutor, der mir eine halbe Ewigkeit lang nachgestellt hatte, war nun tot. Doch sein Vermächtnis war umso lebendiger. Es kam mir so vor, als würde mich Leo in meinen Träumen noch immer verfolgen. Er war ein Gefallener, so hatte Sam ihn genannt, ein Secutor, der nicht mehr das tat, wofür er bestimmt war – dem Menschen beizustehen, für den er ausgesucht wurde. Stattdessen hatte er sich in den Kopf gesetzt, mich zu verfolgen, um sich mit meiner Hilfe an Logan zu rächen.

Tagsüber versuchte ich mich abzulenken. Ich verbrachte so viel Zeit wie möglich mit Logan, Jean und meiner Familie, damit ich nicht darüber nachdenken musste, was in der Dunkelheit auf mich lauerte.

Als schließlich die Straßenbeleuchtung eingeschaltet wurde, entdeckte ich den kleinen weißen Flaum, der als dicker Teppich vom Himmel fiel. »Jean, es schneit!«

Meine Freundin kam ans Fenster und lugte durch die Scheibe. »Der erste Schnee ist immer etwas Besonderes«, hauchte sie mit leuchtenden Augen. »Findest du nicht auch?«

»Doch, schon«, pflichtete ich ihr bei. Erst viel später würde mir wieder einfallen, dass ich mit dem weißen Zeug eigentlich auf Kriegsfuß stand. »Meinst du, der bleibt schon liegen?«, fragte ich gedankenverloren.

»Nun ja.« Jean spähte nach draußen. »Möglich wäre es, immerhin haben wir November. In nicht einmal vier Wochen ist Weihnachten.«

»Ich habe noch gar keine Geschenke«, fiel mir ein.

Jean kicherte leise und sagte: »Du hast noch genügend Zeit, um deine Geschenke zu besorgen. Wir könnten nächste Woche ins Einkaufszentrum fahren, wenn du willst.«

In Gedanken zählte ich jede einzelne Flocke, die gegen die Scheibe wehte. »Ja, gut«, sagte ich, mehr zu mir selbst.

Obwohl ich mir geschworen hatte, nicht mehr darüber nachzudenken, blieb die Sache mit Arek stets in meinem Kopf und sorgte dafür, dass ich kaum bei der Sache war. Doch dann wurde mir schlagartig bewusst, dass es mein erstes Weihnachtsfest mit Logan sein wird.

»Wie verbringt ihr eigentlich die Feiertage?«, fragte ich Jean ganz vorsichtig. Wurde überhaupt gefeiert?

Meine Freundin wechselte einen Blick mit Adelheid, dann zuckte sie die Schultern. »Am 24. Dezember gibt es immer irgendwo eine Party. Beinahe jeder Auftrag möchte an diesem Abend den besten Freund oder die beste Freundin dabeihaben. Danach sind wir unter uns. Wir wahren natürlich den Schein und schmücken unsere Fenster und Gärten. Das genügt völlig.«

Ich seufzte leise. »Also wird nicht gefeiert. Ihr tut nur so.«

»Möchtest du denn feiern?«, wollte Jean plötzlich wissen. Ohne meine Antwort abzuwarten wirbelte sie herum und wandte sich an Adelheid. »Was meinst du, Adelheid? Gibt es dieses Jahr bei uns vielleicht auch ein richtiges Weihnachtsfest?«

»So war das nicht gemeint«, warf ich hastig ein. Die Sache war mir höchst unangenehm. »Das war doch nur eine Frage, ich wollte nichts durcheinanderbringen. Außerdem bin ich jedes Jahr bei den Jacksons, unseren Nachbarn. Sie geben eine große Party für Freunde und Bekannte.«

Ich vermied es, Logan anzusehen, der neben Adelheid saß und so tat, als müsse er sich um dringende Angelegenheiten kümmern. Doch ich wusste genau, dass er unser Gespräch aufmerksam verfolgte.

Jean schaute wieder zu mir und sah mich erwartungsvoll an. »Möchtest du in diesem Jahr wieder zu den Jacksons gehen?«

Logan hob den Kopf und schaute in meine Richtung, während ich überlegte.

»Nein. Ich glaube nicht. Aber es wäre schön, wenn ich am Weihnachtsmorgen Mom und Dad besuchen könnte. Danny wäre bestimmt sehr traurig, wenn er die Geschenke ohne mich aufmachen müsste.« Ich liebte es, ihm dabei zuzusehen, wie er sich durch Berge von Geschenkpapier wühlte.

»Mm.« Jean sah dabei sehr nachdenklich aus. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass Jean die ganze Zeit über mit Adelheid kommunizierte. Sie benutzten für ihr ›Gespräch‹ eine Illusion, natürlich konnte ich so nicht zuhören.

»Wir werden Weihnachten feiern!«, entschied Adelheid kurzerhand und strahlte mich an. »Mit einer großen Party und allen Freunden, die in der Nähe wohnen. Was hältst du davon, Lara?« »Ihr müsst euch meinetwegen keine Umstände machen«, wiegelte ich hastig ab. »Ich komme auch ohne Party aus.«

Adelheid schien kurz darüber nachzudenken. Die Begeisterung für ihren Vorschlag blieb jedoch ungebremst. »Auch gut«, sagte sie nach einer Weile. »Dann also keine Party. Wir feiern im kleinen Kreis.«

Irgendwie hatte sie mich wohl falsch verstanden. »Ach, komm schon«, bettelte Jean. »Unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest! Das wird bestimmt lustig.«

»Also gut«, gab ich nach, weil sie mich mit ihren großen Kulleraugen flehend anschaute.

»Aber wirklich nur ein ganz kleines Fest.«

Jean klatschte begeistert in die Hände. »Oh, Lara. Das wird super. Wir alle zusammen. Wie eine richtige Familie.«

Unweigerlich musste ich schmunzeln. Mir gefiel es außerordentlich gut, wenn Jean mich auf diese Weise anstrahlte. Wer konnte da noch nein sagen?

Adelheid sprang von ihrem Platz auf und fuchtelte mit beiden Händen wild in der Luft herum. »Wir brauchen Dekoration für die Wohnzimmer. Und einen Baum. Und natürlich Baumschmuck. Geschenke, wir brauchen Geschenke! Und ich muss mir noch überlegen, was ich zum Essen serviere.«

Nach einem tiefen Atemzug sagte sie: »Hat jemand von euch Megan und Betty gesehen?«

Kurz darauf stürmte Brenda in den Buchladen, als hätte sie der Blitz getroffen. »Was ist denn hier los?«, fragte sie sichtlich verdattert. »Deine Illusion war etwas fahrig, Adelheid. Was soll das bedeuten: Baum, Essen, Feier. Von welcher Feier reden wir überhaupt?«

Jean kicherte verhalten, als Adelheid genervt mit den Augen rollte. Das hatte sie noch nie gemacht.

»Leg endlich dein Strickzeug weg und hilf mir gefälligst«, fauchte sie Brenda an. »Lara will ein Weihnachtsfest und so wahr mir Gott helfe, sie bekommt ihr Weihnachtsfest!«

Brenda klappte die Kinnlade runter. »Soll das heißen, wir werden zusammen Weihnachten feiern? Mit allem, was dazugehört?«

Die gleiche Begeisterung, die ich zuvor auch schon bei Jean und Adelheid entdeckt hatte, schwappte nun ungebremst auf Brenda über.

»Oh, wie schön«, hauchte sie und spurtete um den Tisch herum. »Hast du auch an die Beleuchtung und den Baumschmuck gedacht? Ich schätze, wir brauchen ungefähr…«

Puh. Verlegen senkte ich den Blick und starrte auf meine Schuhe. Da hatte ich ja was losgetreten.

»Ihr könntet Illusionen benutzen«, schlug ich vor. »Mir würde es bestimmt nichts ausmachen. Ich bemerke doch sowieso keinen Unterschied zwischen einem echten und einem ›falschen‹ Weihnachtsbaum.«

Adelheid starrte mich entrüstet an. »Das kommt gar nicht in Frage! Wenn wir schon feiern, dann richtig!«

Ihre Worte ließen keinen Widerspruch zu. Und ihr Blick erst recht nicht. Freundlich, aber definitiv zu allem entschlossen. Ein wenig irritiert von ihrer Hartnäckigkeit schaute ich beschämt zu Boden.

Wenig später verließ Adelheid in Begleitung von Brenda den Buchladen. »Ich denke, sie wird es übertreiben«, sagte ich und seufzte leise.

Jean grinste. »Oh ja. Das wird sie. Aber weißt du was?« Ihre Augen strahlten. »Ich kann es kaum erwarten.«

Am Montag in der Mittagspause fehlte jede Spur von Logan. War er den gesamten Vormittag nicht von meiner Seite gewichen, so schien er seit einigen Minuten wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Während ich lustlos in meinem Essen herumstocherte, starrte ich gebannt auf den Eingang und versuchte mir vorzustellen, was ihn aufgehalten haben könnte.

»Lara?« Widerwillig löste ich meinen Blick von der Tür. »Was ist los?«, wollte Megan wissen, die soeben mit Debra an den Tisch kam.

»Du weißt nicht zufällig, wo Logan ist?«, fragte ich hoffnungsvoll. Es war untypisch für ihn, einfach so zu verschwinden.

Megan zuckte mit den Schultern, während ihr wachsamer Blick durch die Cafeteria schweifte. »Mm. Dean und Kevin fehlen ebenfalls. Das ist in der Tat sehr merkwürdig.«

»Merkwürdig?«, hakte ich skeptisch geworden nach. »Warum findest du das merkwürdig?«

Megan antwortete nicht. Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. Ich schloss meine Augen vor den Gefühlen, die mich erfassten. Ob Logan in Bezug auf Arek etwas ahnte? War er deshalb nicht da? Mühsam ignorierte ich das träge Geplauder um mich herum und konzertierte mich stattdessen lieber auf mein Essen. Wenn es tatsächlich so war und Logan zusammen mit den anderen Jungs unterwegs war, um Antworten zu suchen, dann würde ich noch früh genug davon erfahren.

Jean und ich waren einige Tage später gerade auf dem Weg ins Shoppingcenter. Während der Fahrt unterhielt sie mich mit kleinen Geschichten und erzählte mir etwas über alte Traditionen und darüber, wie die Menschen in anderen Ländern die Feiertage verbrachten.

Um dem Feierabendverkehr aus dem Weg zu gehen, wollte ich diesmal einen anderen Weg nehmen. Mein Jeep hatte einen Allradantrieb und meisterte die kleine leicht vereiste Gebirgsstraße ohne größere Anstrengungen. Als die Straße schmaler und kurviger wurde, nahm ich sicherheitshalber den Fuß vom Gas. Selbst im Sommer durfte ich an dieser Stelle nicht allzu schnell fahren, wenn ich unbeschadet im Tal ankommen wollte. Normalerweise war das auch kein Problem, doch diesmal wurde mein Jeep schneller und nicht langsamer. Ich versuchte es erneut und trat auf die Bremse. Doch nichts passierte.

Jean unterbrach ihren Redeschwall und spähte zu mir hinüber. »Lara? Ich möchte dich wirklich nur ungern kritisieren, aber bei diesem Wetter solltest du vielleicht ein bisschen langsamer fahren.« Meine Finger krampften sich ums Lenkrad. »Was glaubst du, was ich hier die ganze Zeit versuche«, fauchte ich. »Irgendetwas stimmt nicht.«

Für mich wurde es immer schwerer, das Auto in der Spur zu halten. Mit einem Mal blinkten sämtliche Lichter auf dem Armaturenbrett auf.

»Was machen wir jetzt?«, fragte ich, mittlerweile etwas panischer, als die nächste Kurve vor uns auftauchte. Jean starrte wie gebannt durch die Windschutzscheibe. »Ich hole Hilfe«, sagte sie und kniff die Augen zusammen.

Währenddessen umklammerte ich das Lenkrad so fest ich nur konnte. Die Kurve kam rasend schnell auf uns zu, dann drehten die Reifen durch und mein Jeep begann zu schlingern. Der Abstand zu den Leitplanken wurde erschreckend schnell kleiner. »Gott steh uns bei«, kreischte Jean. »Wir müssen hier raus!«

Sie versuchte, meinen Gurt zu lösen, aber er klemmte. Jean gab sich wirklich alle Mühe. Selbst ihre übermenschlichen Kräfte reichten nicht aus. Mein Sicherheitsgurt ließ sich einfach nicht öffnen. Kurzentschlossen beugte sie sich zu mir herüber und griff ins Lenkrad, um den Jeep noch irgendwie in der Spur zu halten. Das konnte nicht verhindern, dass wir dem Abgrund immer näherkamen.

›Das überleben wir nicht!‹, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf. Zu mehr war ich nicht fähig. Kein anderer Gedanke drang in mein Bewusstsein. Es gab keine Bilder, die wie ein Film vor meinem inneren Auge abliefen, als der Jeep durch die erste Absperrung krachte. Da war nichts außer dem Gedanken, dass wir sterben würden.

Jean ließ das Lenkrad los, griff nach meiner Hand und drückte sie fest. »Ich bin bei dir«, flüsterte sie. Der Druck ihrer schmalen Finger wurde stärker. »Hab keine Angst, Lara. Alles wird gut.«

Selbst im Angesicht des Todes verrichtete mein Secutor seine Arbeit. Unerschrocken und furchtlos. Jean hätte sich aus dem Wagen befreien können, sie war stark und schnell. Ohne weiteres hätte sie ihre Kräfte nutzen können, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch anstatt sich selbst zu retten, würde sie mit mir bereitwillig in den Tod gehen.

Wir hatten gerade die letzte Absperrung durchbrochen, als ich im Rückspiegel sah, wie sich ein undeutlicher Schatten an unsere Fersen heftete. Dunkle Raubtieraugen folgten uns.

Dann gab es plötzlich einen gewaltigen Ruck und mein Auto kam mit der Vorderachse über dem Abgrund zum Stehen. Beinahe zeitgleich löste sich mein Sicherheitsgurt und ich wurde nach vorne geschleudert. Unsanft knallte ich mit dem Oberkörper gegen das Lenkrad. Zuerst vernahm ich ein seltsames Knacken, dann tanzten kleine Sterne vor meinen Augen. Etwas Warmes tropfte kurz darauf aus meiner Nase und sammelte sich zwischen meinen Lippen. Ein stechender Schmerz breitete sich rasend schnell in meinem Brustkorb aus und presste mir die Luft aus den Lungen.

»Holt sie raus«, schrie Jean. »Sie ist verletzt!«

Die Fahrertür wurde aufgerissen und das erschrockene Gesicht von Cole drängte sich ins Fahrzeuginnere. Zielstrebig griff er unter meine Beine und zog mich aus dem Auto. Undeutlich nahm ich die Gestalt wahr, die hinter meinem Auto verharrte.

Mit rabenschwarzen Augen und hochkonzentriert hielt Logan den Jeep fest und zog ihn ganz langsam auf die Straße zurück. Kevin öffnete die Motorhaube, während Dean auf dem Boden kauerte und die Karosse mit fachmännischer Miene von unten inspizierte. Cole drückte mich fest an seine Brust.

»Herrgott nochmal!« Jean rannte um das Auto herum und ging auf Logan los. »Was hast du getan?«, brüllte sie ihn an. »Du verdammter Idiot hast ihr die Rippen gebrochen!«

Sie wirbelte zu mir herum, als ich husten musste und lächelte mich aufmunternd an. »Keine Angst, Lara. Das kriegen wir wieder hin.«

Ihre Stimme klang traurig. »Ganz ruhig. Nicht bewegen.«

Meine Augen huschten zu Logan. Mit geballten Fäusten stand er neben meinem Wagen und schaute mich bestürzt an.

»Das ist ganz allein deine Schuld«, zischte Jean und warf ihm einen bitterbösen Blick zu.

»Ich glaube, meine Nase ist gebrochen«, flüsterte ich. Und das Atmen wurde mehr und mehr zur Kraftprobe. Cole setzte mich behutsam auf die Decke, die Jean auf dem Boden ausgebreitet hatte und ehe sie etwas dagegen einwenden konnte, kniete Logan schon neben mir.

Sanft, beinahe ängstlich, legte er seine Finger an mein Gesicht und schloss die Augen. Seine kühlende Illusion strich über meine Haut und stoppte den unablässigen Blutfluss. Ich lächelte dankbar. Sprechen war zu schmerzhaft.

»Es tut mir so leid«, sagte er kaum hörbar und senkte den Blick. Ich griff nach seiner Hand und versuchte zu lächeln.

»Wir sollten sie in ein Krankenhaus bringen«, schlug Cole vor.

Das war mein Stichwort. So gut ich dazu in der Lage war, versuchte ich den Schmerz zu unterdrücken und keuchte: »Kein Krankenhaus!«

Jean wollte protestieren, doch Logan war schneller. »Sie hat gesagt, kein Krankenhaus.« Dabei streckte er die Arme aus und hob mich hoch. »Ich bringe dich nach Hause, mein Engel.«

Seine funkelnden Augen streiften das erboste Gesicht meiner Freundin. »Oder willst du mich daran hindern, Wachhund?«

Jean verschränkte ihre Arme. »Ich weiß genau, was für sie am besten ist und ich sage, sie muss sofort ins Krankenhaus.«

Ich schüttelte fast unmerklich den Kopf, als mich sein Blick erneut streifte. Behutsam legte er die Decke um meine Schultern und wickelte mich darin ein.

Jean beobachtete ihn mit Adleraugen. »Meinetwegen«, sagte sie plötzlich. »Dann bring sie nach Hause. Aber wehe, wenn du nicht vorsichtig bist.«

Logan knurrte etwas Unverständliches, dann drehte er sich um und rannte mit mir auf dem Arm los. Obwohl die Bäume nur so an uns vorbeiflogen, gab er mir das Gefühl, mich in seinen Armen sicher und geborgen zu fühlen.

Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich ins Wohnzimmer gelangt war.

Jean hatte mir die ganze Zeit mit beruhigenden Worten zugeredet, aber ich hatte kaum etwas davon verstanden, weil ich noch gar nicht richtig wach war.

»Lara? Wie geht es dir?«, fragte sie. »Kannst du mir sagen, wie du dich fühlst?«

Das dumpfe Pochen hinter meinen Schläfen ließ merklich nach. »Ganz gut«, seufzte ich und rieb mir die Augen. Instinktiv tastete ich nach meiner gebrochenen Nase, doch ich konnte keinerlei Verletzung spüren.

»Habt ihr mich etwa schon wieder ruhiggestellt?«

Schmerzen hatte ich so gut wie keine mehr, allerdings fühlten sich meine Knochen ungewöhnlich steif an und das wiederum kam mir seltsam bekannt vor.

»Nun ja …« Jean lächelte ein wenig verlegen. »Das ließ sich leider nicht vermeiden. Du weißt sicher noch, wie unangenehm eine Heilung bei vollem Bewusstsein werden kann. Du warst schließlich dabei, als wir Sam behandelt haben.«

Die Erinnerung an sein schmerzverzerrtes Gesicht ließ mich zusammenzucken. »Schon gut. Lassen wir das.« Ich versuchte mich aufzurichten. »Wie lange habe ich geschlafen?«

»Eine ganze Weile«, gestand sie. »Wir mussten sichergehen, dass du wieder ganz hergestellt bist, ehe wir dich aufwachen lassen. Ich hoffe, du bist nicht böse auf mich.«

Mit einiger Anstrengung gelang es mir tatsächlich, mich aufzusetzen. »Sag mir einfach, welcher Tag heute ist«, forderte ich mit Nachdruck.

Eine böse Vorahnung überkam mich, als ich ihren reuevollen Gesichtsausdruck bemerkte. Jean setzte sich zu mir aufs Sofa und betrachtete mein Gesicht mir offenkundiger Sorge. »Aber werd’ nicht sauer, o.k.? In fünf Tagen beginnen die Weihnachtsferien.«

Ich riss den Kopf hoch. »Was?!«

»Keine Sorge, ich habe mich um alles gekümmert. Du bist im College entschuldigt. Es ist alles in Ordnung, du musst dich nicht aufregen. Das ist nicht gut für dich.«

Wütend wehrte ich ihre Hand ab und sprang auf.

»Drei Wochen, Jean! Drei Wochen? Wie geht denn sowas? Habt ihr mich etwa an irgendwelche Maschinen angeschlossen, oder was habt ihr …« Mir wurde schwindlig.

»Ganz ruhig, Lara.« Jean griff mir unter die Arme. »Dein Körper muss sich erst wieder an die aufrechte Haltung gewöhnen.«

Sie beäugte mich skeptisch, als ich ihre Bemerkung mit einem Kopfschütteln wegwischte.

»Ihr könnt mich doch nicht einfach so drei Wochen lang außer Gefecht setzen. Das ist wirklich langsam nicht mehr witzig!«

Jeans Gesicht verdüsterte sich immer mehr. »Wir haben uns nach dir gerichtet, falls du das schon vergessen hast. Du hast gesagt, kein Krankenhaus, und obwohl ich damit nicht einverstanden war, habe ich deinen Wunsch respektiert.«

Sie erwiderte meinen düsteren Blick mit unnachgiebiger Härte. »Die Zeit deiner Genesung mag dir lang erscheinen, aber was glaubst du wohl, wie lange du mit diesen Verletzungen im Krankenhaus zugebracht hättest? Du kannst wirklich froh sein… «

Jean unterbrach ihren Redeschwall und drehte den Kopf ruckartig zur Hintertür.

Zögernd folgte ich ihrem Blick und fragte: »Wer ist da?«

Frustriert stöhnte sie auf. »Da ist niemand, Lara. Du sollst in die Garage kommen. Logan will dich sprechen. Ich habe ihm zwar mitgeteilt, dass du dafür noch zu schwach bist, aber er meinte, dass du das selbst entscheiden kannst.«

Irgendjemand stand draußen im Flur, da war ich mir sicher, und wartete darauf, dass ich den Raum verließ. Obgleich ich zu gerne gewusst hätte, was Jean vor mir zu verbergen versuchte, trottete ich in die Eingangshalle und machte mich von dort aus auf den Weg in die unterirdische Garage.

Logan kniete inmitten von herumliegenden Autoteilen auf dem Boden und warf ein Werkzeug nach dem anderen gegen die Wand.

»Was machst du da?«, fragte ich, als er sich langsam zu mir umdrehte. War das etwa der Motor? Konzentriert kniff ich die Augen zusammen, dann durchzuckte mich die Erleuchtung wie ein Blitz. »Ist das etwa mein Auto? Was!? Du hast meinen Jeep total auseinandergenommen?«

»Der Unfall ging nicht mit rechten Dingen zu«, sagte er versonnen. »Aber ich kann beim besten Willen keinen Hinweis darauf finden, warum deine Bremsen versagt haben und wieso der Airbag nicht funktioniert hat.«

Er beugte sich vor und griff nach einem Tuch, um sich die Hände abzuwischen. »Doch eins ist sicher. Das war kein Zufall.«

Ich überlegte, ob Arek mit der Sache etwas zu tun haben könnte. Ich verdrängte meine Gedanken an Arek und fragte: »Ähm. Hast du überhaupt schon einmal ein Auto auseinandergenommen und dann wieder zusammengesetzt?«

Die Frage war durchaus berechtigt, wie ich fand. Logan richtete sich auf. »Nun … nein. Aber bekanntlich gibt es für alles ein erstes Mal, nicht wahr?«

»Aber du hast dir hoffentlich gemerkt, wo welches Teil hingehört?«

Logan warf mir einen belustigten Blick zu. »Sei unbesorgt, Lara. Ich mache das schon.«.

»Vergiss bloß keine Teile«, mahnte ich vorsorglich. »Das könnte ziemlich unangenehm werden.«

Logan nickte grinsend und machte sich sogleich an die Arbeit. Direkt vor meinen Augen setzte er meinen Jeep in einer unglaublichen Geschwindigkeit zusammen. Das Ganze dauerte kaum mehr als eine halbe Stunde.

»Fertig.«

Er setzte sich hinters Lenkrad und startete den Wagen. »Traust du mir denn gar nichts zu, mein skeptischer Engel?«

Der Jeep schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen. Uff. Mit akribischer Sorgfalt inspizierte ich den Jeep. Letztendlich musste ich mich geschlagen geben.

»Dann steht unserem Einkaufsbummel ja nichts mehr im Weg. Durch den Unfall habe ich leider immer noch keine Geschenke, wie du weißt, und langsam wird die Zeit knapp.«

Drei Wochen. Einfach ausgelöscht. Ich würde alle Mühe haben, die verlorene Zeit aufzuholen.

»Kommt nicht infrage!«

Logan stieg aus dem Jeep und baute sich vor mir auf.

»Und warum nicht?«, fragte ich. »Du hast doch eben noch gesagt, dass mein Jeep fertig ist.«

Missmutig knabberte ich an meiner Unterlippe, um meine herbe Enttäuschung zu verbergen.

»Deinem Jeep fehlt nichts«, lenkte Logan ein, als er meinen zerknirschten Gesichtsausdruck bemerkte. »Aber in deinem Zustand wirst du auf keinen Fall zum Einkaufen fahren.«

»In welchem Zustand denn?« Nun verstand ich gar nichts mehr. »Ich denke, ich bin vollständig genesen? Bin ich nun gesund oder nicht?«

»Du brauchst noch ein wenig Ruhe«, brauste Logan unerwartet auf.

Ich funkelte ihn böse an, denn ich kannte seinen unverhofften Stimmungswechsel nur allzu gut. »Brauche ich nicht. Ich fühle mich sehr gut.«

Logan knirschte mit den Zähnen.

»Wir bleiben auch nicht lange«, versuchte ich ihn umzustimmen. »Und ich verspreche dir, ganz vorsichtig zu fahren.«

Seine Augen wurden schmal. »Lieber nicht«, sagte er mit dieser seltsamen bedrohlichen Samtstimme. »Mir wäre wohler zumute, wenn du nicht gehst.«

Ich überlegte, ob ich betteln sollte, aber ich wusste, das würde nichts bringen. Also musste eine Alternative her. »Ich könnte ja Romy und Anna fragen, ob sie mich begleiten wollen. Notfalls können sie mich zum Auto tragen, falls ich unterwegs tatsächlich zusammenbreche. Was hältst du davon?«

»Nicht viel.« Er schüttelte den Kopf und ich seufzte.

»Warum nicht?«, quengelte ich.

»Kein bestimmter Grund«, sagte er und wandte den Blick ab.

»Fein.« Resigniert gab ich auf. »Dann schenke ich meiner Familie dieses Jahr eben nichts zu Weihnachten. Auch gut.«

Logan zog grübelnd die Augenbrauen zusammen. »Ist es denn so wichtig für dich?«

»Also, das ist folgendermaßen …«

Ich versuchte so viel Überzeugungskraft wie nur möglich aufzubringen. »An Weihnachten trifft sich die ganze Familie. Es wird gegessen, man singt Weihnachtslieder und es werden Geschenke verteilt. Jeder überlegt sich eine Kleinigkeit, womit man dem anderen eine Freude machen kann. Das ist aufregend und sehr schön und es gehört zu Weihnachten einfach dazu.«

Logan lächelte mich an, als würde er jetzt erst kapieren, warum mir die Sache so wichtig war. Trotzdem schüttelte er kurz darauf wieder den Kopf. Noch weiter mit ihm zu diskutieren machte scheinbar keinen Sinn mehr.

»Wenn du nichts dagegen hast, dann gehe ich jetzt nach oben und frage Jean, ob sie für mich in die Stadt fährt. Irgendwer muss ja schließlich die Geschenke für meine Familie besorgen, wenn es mir verboten wurde.«

Sein Gesicht verhärtete sich und seine Augen wurden schmal. »Du willst Jean darum bitten? Warum?«

»Wen soll ich denn sonst fragen?«, beschwerte ich mich. »Jean ist meine beste Freundin und abgesehen davon, dass sie auch mein Secutor ist, glaube ich nicht, dass sie etwas dagegen hätte.«

Ich wusste, dass meine Argumentation einer seltsamen Logik folgte. Aber was Besseres fiel mir leider nicht ein. »Wenn du mir verbietest, in die Stadt zu fahren, bin ich nun einmal auf fremde Hilfe angewiesen«, fügte ich mürrisch hinzu.

Wir tauschten einen flüchtigen Blick, dann zuckte er mit den Schultern. »Meinetwegen, dann geh. Du lässt ja doch nicht locker.«

Jetzt verstand ich gar nichts mehr. »Ich darf gehen? Einfach so?« »Du willst deinen Secutor losschicken, weil ich dir den Ausflug untersagt habe.«

Logan sog scharf die Luft ein. »Dein Wachhund wird mich in der Luft zerreißen, wenn sie davon erfährt.«

Sollte ich vielleicht erwähnen, dass Jean eigentlich derselben Meinung war wie er? Lieber nicht.

»Dann fahren wir am besten gleich los«, lenkte ich freundlich ein. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, dass Logan seine Meinung noch einmal überdachte.

»Nur unter einer Bedingung, Lara.«

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. »Und die wäre?« Er straffte die Schultern. »Du benutzt deine Kreditkarte für die Einkäufe. Entweder so oder gar nicht.«

Empört öffnete ich den Mund, um zu protestieren, denn ich hatte mir geschworen, die Kreditkarte, die mir vollen Zugriff auf sein Vermögen erlaubte, niemals zu benutzen.

Logan schmunzelte amüsiert. »Überlege es dir gut, mein Engel. Du hast die Wahl.«

Ich war überzeugt davon, dass er sich nicht umstimmen lassen würde. »Na gut«, antwortete ich zögernd.

Logan nickte zufrieden.

So ein Schuft!

MERRY CHRISTMAS

Wie zu erwarten waren die Geschäfte hoffnungslos überfüllt. Ich verharrte noch ein paar Minuten am Eingang, bis ich mir sicher war, dass mich niemand zerquetschen würde. Dann atmete ich tief durch und stürzte mich in das Getümmel.

»Sieh mal.« Jean hielt eine Packung mit roten Kugeln hoch. »Sind die nicht allerliebst? Und was hältst du von diesen goldenen Zapfen? Die würden ganz wunderbar mit den Kugeln harmonieren.«

Ich erkannte meine Freundin kaum wieder.

»Seit wann stehst du denn auf solchen Schnickschnack?«, fragte ich spöttisch.

Ihre Augen glänzten mit dem Baumschmuck regelrecht um die Wette. Sie stellte den Karton ab und zwinkerte mir zu.

»Seit Weihnachten vor der Tür steht«, kommentierte sie gelassen, aber mit einer gewissen Ernsthaftigkeit in der Stimme.

»Vielleicht haben wir dafür später noch Zeit«, sagte ich achselzuckend und schob sie vorwärts. »In erster Linie brauche ich Geschenke und keine Weihnachtskugeln.«

Volle drei Stunden später war ich mit meinen Kräften am Ende. Der anfängliche Eifer, der mich unaufhaltsam vorwärtsgetrieben hatte, war längst verflogen. Dessen ungeachtet konnte sich meine Ausbeute durchaus sehenlassen, wie ich fand. Für Mom und Dad hatte ich eine Wochenendreise in die Berge ergattert. Super Sonderangebot. Danny würde das Wochenende bei mir und Logan verbringen. Das hieß, falls er bei dem Haufen Spielzeug, das sich gerade auf meinem Arm türmte, das Haus überhaupt noch verlassen wollte. Als Jean damit beschäftigt gewesen war, eine Kleinigkeit für Adelheid und Brenda auszusuchen, nutzte ich ihre kurze Unaufmerksamkeit und kaufte schnell den hübschen blauen Pulli, den wir vorhin im Schaufenster bewundert hatten. Auch für den Rest meiner neuen Familie hatte ich ein paar Geschenke gefunden. Ob ich damit richtig lag, würde sich bald zeigen. Jetzt fehlte nur noch das Geschenk für Logan. Doch mir wollte einfach nichts einfallen. Was sollte man jemandem schenken, der eigentlich schon alles besaß?

Als ein Tisch im Diner an der Promenade frei wurde, ließ ich mich erschöpft auf den Stuhl fallen und bestellte bei der genervten Kellnerin zwei Cola.

»Das ist die reinste Folter«, stöhnte ich, während ich eine Weile die vorbeieilenden Menschenmassen beobachtete. Wer wollte sich freiwillig so etwas antun?

Jean nippte an ihrer Cola, ehe sie den Blick auf mein Gesicht lenkte. »Jetzt hast du es ja überstanden«, meinte sie lächelnd. »Und du hast deine Karte benutzt. Das wird Logan gefallen.«

»Einerseits wird mir ganz schlecht, wenn ich an das viele Geld denke, das ich gerade ausgegeben habe«, murmelte ich.

»Und andererseits?«, hakte Jean interessiert nach.

»Andererseits muss ich immerzu daran denken, wie er mich angesehen hat, als ich ihm damals gesagt habe, dass ich die Kreditkarte niemals benutzen werde. Er war so traurig deswegen.«

»Geld spielt für ihn keine Rolle, Lara. Er will, dass du glücklich bist.«

»Ich bin auch ohne Geld glücklich«, konterte ich geschickt.

Jean lächelte zustimmend. »Mach ihm doch die kleine Freude. Was ist denn so schlimm daran?«

Normalerweise hätte ich weitere Einwände erhoben, aber ich wollte die Situation nicht unnötig verkomplizieren. »Ist ja gut, ich hab’s ja kapiert«, grinste ich.

»Du hast ihn damit sehr glücklich gemacht, also musst du auch kein schlechtes Gewissen haben. Wenn ich du wäre, würde ich mich schon einmal an den Gedanken gewöhnen. In nicht allzu ferner Zukunft wirst du Mrs. Logan Ford sein und zu deinem neuen Leben gehört so etwas nun einmal dazu.«

Ich schaute sie an, erkannte den unbändigen Stolz in ihren Augen und verzog das Gesicht. »Was ist los mit dir? Seit wann gefällt es dir, dass ich Logan heiraten will?«

Jean lächelte, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es ein bisschen gezwungen wirkte. »Wir machen einfach das Beste aus der Situation. Nicht wahr? Du heiratest ihn sowieso, ob es mir nun gefällt oder nicht.«

»Braver Secutor«, neckte ich sie und Jean verdrehte die Augen.

Als wir beim Auto ankamen, warf ich die Taschen in den Kofferraum und rutschte auf den Beifahrersitz.

»Geschafft. Noch eine Minute länger und ich wäre auf der Stelle tot umgefallen.«

Dann legte ich den Kopf in den Nacken, starrte in den trüben Himmel und seufzte leise. »Wenn ich nur wüsste, was ich Logan schenken soll. Das ist so furchtbar schwer. Hast du vielleicht einen kleinen Tipp für mich?«

Jean startete den Wagen und reihte sich in die Karawane ein, die im Schritttempo vom Parkplatz fuhr. »Am besten du wickelst dich in glänzendes Geschenkpapier und ich stecke dir zusätzlich noch eine dicke rote Schleife in die Haare. Damit bekommt er genau das, was er will.«

»Sehr witzig, Jean.«

»Das war kein Witz«, brachte sie die Sache auf den Punkt. »Wenn du ihm wirklich eine Freude machen willst, dann schenke ihm etwas, das mit dir zu tun hat. Alles andere wäre ohnehin nur reine Geldverschwendung.«

»Und was könnte das sein?«, fragte ich, gegen meinen Willen neugierig geworden.

Jean starrte einen Moment lang ins Leere. »Mm. Wie wäre es mit einem Bild von dir«, schlug sie vor. »Dann hat er etwas, was ihn an dich erinnert. Ich meine für später, wenn du nicht mehr …«

Sie kam ins Stocken und schaute mich verlegen an. Doch momentan hatte ich ganz andere Sachen im Kopf, als mir über mein Ableben Sorgen zu machen.

»Logan hat aber schon ein Foto von mir«, gab ich zu Bedenken. »Was soll das bringen, ihm noch eins zu schenken?«

»Kein Foto, Lara. Ich meinte ein Gemälde.«

Die Idee war gar nicht mal so übel.

»Du kennst nicht rein zufällig jemanden, der gut malen kann?«, fragte ich voller Begeisterung.

»Doch. Ich kenne rein zufällig jemanden«, lächelte Jean. »Besser gesagt, ich kenne sogar zwei – Romy und Anna. Romy hat sich auf Landschaften spezialisiert, Anna malt am liebsten Personen und Stillleben. Meistens arbeiten sie gemeinsam an ihren Bildern. Auf den ersten Blick erkennt man keinerlei Unterschiede, erst bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass nicht einer, sondern zwei Künstler das Werk vollendet haben.«

Wow. Ich war ehrlich beeindruckt. »Meinst du, sie würden vielleicht ein Bild von mir malen?«

Jean wischte meine Zweifel mit einer abfälligen Handbewegung zur Seite. »Natürlich, Lara. Was für eine Frage. Dieser Auftrag wäre eine große Ehre für Romy und Anna. Was glaubst du, wer die Gemälde im Flur gemalt hat? Und das Bild in Logans Büro? Die stammen allesamt von den beiden.«

Darüber musste ich kurz nachdenken.

»O.k. Dann werde ich sie bei Gelegenheit danach fragen. Allerdings ist nächste Woche schon Weihnachten. Meinst du nicht, die Zeit wird ein bisschen knapp, um jetzt noch ein Gemälde anzufertigen?«

Jean stoppte den Wagen an der Ampel und schaute mich ungläubig an. »Die Zeit spielt hierbei keine Rolle, Lara. Sie werden das Bild rechtzeitig fertig haben. Mach dir darüber keinen Kopf. Wenn du möchtest, kann ich mit Anna Kontakt aufnehmen und ihr eine Illusion aus meiner Erinnerung schicken, welche als Vorlage dienen könnte. Welche Pose würde dir denn gefallen?«

Pose? Ich schluckte.

»Ähm. Weiß nicht. Am besten gefalle ich mir in dem roten Kleid. Vielleicht ein Bild, wie ich gerade die Treppe herunterschreite?«

Jean nickte beeindruckt. »Wirklich eine sehr gute Wahl. Ich kümmere mich gleich darum.«

Noch während sie das Auto über die Kreuzung lenkte, schloss sie die Augen. »Pass auf den Verkehr auf«, warnte ich. »Wir haben den letzten Unfall gerade erst hinter uns.«

Ihr Gesicht erstarrte. »Tut mir leid. Ich wusste nicht, wie empfindlich du reagierst. Kommt nicht wieder vor.«

»Ich bin nicht empfindlich«, wiegelte ich ab. »Allerdings würde ich gerne weitere Unfälle vermeiden.«

»Was hat Anna gesagt?«, versuchte ich sie auf andere Gedanken zu bringen.

»Wie zu erwarten, sind sie natürlich ganz begeistert von deiner Idee. Wenn du damit einverstanden bist, dann bringen sie das fertige Gemälde am 24. Dezember vorbei, früher geht es leider nicht.«

Meine Idee?

»Der Vorschlag kam von dir«, erinnerte ich Jean vorsorglich. »Aber sag ihnen trotzdem vielen Dank für ihre Mühe.«

»Schon geschehen, Lara.« Sie lächelte mir zu.

»Cool«, sagte ich heiter. »Dann habe ich endlich alle Geschenke beisammen.«

Weihnachten konnte kommen.

Ein paar Tage später, Logan war gerade in seinem Büro und sortierte die Unterlagen, die er aus Neuseeland mitgebracht hatte, klopfte es an der Hintertür.

»Lara? Hier ist Molly. Dürfen wir reinkommen?«

Dankbar für ein bisschen Abwechslung schob ich mein Mathebuch auf den Tisch und öffnete die Tür.

»Hey«, begrüßte ich Lilly und Helena. »Hallo Molly. Schön, euch zu sehen. Wart ihr zufällig in der Gegend oder seid ihr aus einem bestimmten Grund hier?«

Molly lächelte mich vielsagend an, während sie den Kopf schüttelte. »Sag jetzt nicht, du hast es vergessen«, wunderte sich Lilly. Achselzuckend fragte ich. »Was vergessen?«

Helena gluckste vergnügt. »Oh ja. Sie hat es definitiv vergessen.« Stirnrunzelnd überlegte ich, was Helena meinte. Doch Molly kam mir zuvor. »Die erste Anprobe, Lara. Dein Hochzeitskleid?« Ich machte ein bestürztes Gesicht. »Oh Mist. Daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht. Das muss mir wohl irgendwie entfallen sein.«

Molly zog daraufhin die Nase kraus. »Wie kann man denn sein eigenes Brautkleid vergessen? Na du bist mir ja Eine.«

Sie betrachtete mich mit Wohlwollen und mit offenkundiger Erheiterung, als ich verlegen grinste. »Ich habe dir extra gesagt, dass wir kurz vor Weihnachten noch einmal vorbeikommen werden. Heute ist der 23. Dezember.«

Dann klatschte sie in die Hände. »Also los, meine Damen, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!« Und mit einem amüsierten Blick in meine Richtung fügte sie hinzu: »Raus aus den Klamotten, junge Dame.«

Folgsam zog ich meinen Pulli über den Kopf. »Logan ist aber zu Hause«, bemerkte ich nebenbei. »Oben im Büro.«

Ich wusste natürlich nicht, ob Molly unsere Traditionen kannte, von wegen, der Bräutigam darf die Braut in ihrem Kleid nicht vor der Hochzeit sehen und so weiter. Deshalb hielt ich es für angebracht, sie kurz darauf hinzuweisen.

»Das macht nichts«, wiegelte Molly ab. »Ich habe ihm schon gesagt, dass er es nicht wagen soll, herunterzukommen. Es bringt Unglück, wenn er das Kleid vor der Trauung sieht.«

Beschämt senkte ich den Blick, als ich in Unterwäsche dastand. Doch weder Molly, noch Helena oder Lilly schienen sich daran zu stören. Geschäftig hantierten sie mit Stecknadeln und Maßband, während ich voller Überraschung das Kleid anstarrte.

»Gefällt es dir?« Molly strich den hauchzarten Stoff glatt, dann reichte sie es mir. Lilly und Helena halfen mir beim Anziehen.

»Dreh dich mal«, forderte Molly und trat einen Schritt zurück. Ich nickte gehorsam und vollführte eine Pirouette.

»Wow.« Voller Ehrfurcht schaute ich an mir hinunter. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, murmelte ich überwältigt.

Molly hatte wirklich ganze Arbeit geleistet, das Kleid passte wie angegossen. Und es war noch tausendmal schöner als auf dem Foto.

»Ganz bezaubernd, Lara.« Molly nickte zufrieden. »Hier und da noch eine kleine Naht ausbessern. Mehr muss wirklich nicht gemacht werden.«

Es fiel mir unendlich schwer, meine Begeisterung in Worte zu fassen. »Vielen Dank«, hauchte ich mit Tränen in den Augen. Ich konnte kaum glauben, dass ich wirklich und wahrhaftig in einem Brautkleid im Wohnzimmer stand. Und was noch viel erstaunlicher war, es gefiel mir sogar außerordentlich gut.

»Du kannst dich wieder umziehen«, riss Helena mich kurz darauf aus meinem Tagtraum.

Mit gekonnten Handgriffen half sie mir aus dem Kleid und verstaute es in der mitgebrachten Schachtel. Nachdem ich mich angezogen hatte, plauderten wir noch eine Weile über die bevorstehenden Feiertage und vereinbarten für das nächste Frühjahr einen letzten Termin zur Anprobe.

Kaum war ich wieder alleine, flog in der Eingangshalle die Haustür auf. Der Lärm ließ mich erschrocken zusammenzucken.

»Hey Alter«, dröhnte Kevins aufgebrachte Stimme bis zu mir ins Wohnzimmer. »Kannst du vielleicht mal mit anpacken oder ist sich die oberste Priorität zu fein für diese Arbeit?«

Ein paar schlurfende Geräusche waren zu hören, gefolgt von einem dumpfen Aufschlag und einem Schmerzenslaut. Was immer dort in der Eingangshalle vor sich ging, es brachte Dean dazu, hemmungslos zu fluchen.

»Ah, Mann! Du Volltrottel, pass doch auf, das war mein Finger! Was bist du nur für ein inkompetenter Secutor. Hochheben, habe ich gesagt, was ist denn so schwer daran. Bist du taub?!«

»Jetzt stell dich nicht so an«, konterte Kevin gelassen. »Bist du neuerdings aus Zucker, oder was?«

»Aber, aber, meine Herren.« Logan kam im gleichen Moment die Treppe herunter, als ich die Eingangshalle betrat. »Mehr Manieren, wenn ich bitten darf.«

Mit einem warnenden Blick deutete Logan in meine Richtung. »Es sind Damen zugegen.« Damen? Ich drehte mich um und entdeckte Jean, die zusammen mit Megan angerannt kam.

»Was soll das werden?«, fragte Jean empört, nachdem sie das grüne Ungetüm in der Eingangshalle entdeckt hatte.

Dean wirbelte herum und schaute sie mit bitterbösem Blick an. »Wonach sieht’s denn aus?«, schnaubte er. »Das ist ein Weihnachtsbaum, hast du Tomaten auf den Augen?«

Jean schnitt eine Grimasse und verschränkte die Arme. Schweigend sahen wir zu, wie Logan den massigen Stamm mit einer Hand packte und den Baum gemeinsam mit Kevin und Deananschließend ins Wohnzimmer beförderte. Dort angekommen, wurde der Baum aufgerichtet, was sich jedoch als äußert schwierig herausstellte, denn die kräftige Spitze streifte die Decke und drohte abzubrechen.

»Du meine Güte«, flüsterte Megan mir zu. »Ich fürchte, der Baumschmuck, den Adelheid und Brenda besorgt haben, wird dafür nicht einmal annähernd reichen.«

Fast die Hälfte unseres Wohnzimmers verschwand hinter grünen Tannenwedeln, einige Äste streiften sogar den Kamin.

»Und? Was sagst du?« Logan schaute mich erwartungsvoll an. Nur mit Mühe konnte ich ein Lachen unterdrücken.

»Ähm. Ein bisschen groß, oder?«

»Findest du?«

Er betrachtete den Baum mit einem prüfenden Blick. »Nun ja. Ein bisschen vielleicht«, gab er kurz darauf zu. »Ich kümmere mich gleich darum.«

Er hob den rechten Arm und ließ seine Hand durch die Luft sausen. Augenblicklich erfüllte ein Rauschen das Wohnzimmer und als es verebbte, wirkte der Baum plötzlich sehr viel kleiner. »Das ist ja mal was Neues«, stellte ich schmunzelnd fest. »Wenn unser Weihnachtsbaum nicht ins Wohnzimmer passt, holt Dad die Säge aus dem Keller. Du vergrößerst stattdessen lieber das Wohnzimmer?«

Er lächelte mein Lieblingslächeln, als ich ungläubig den Kopf schüttelte.

»Seht ihr?« Kevin legte zufrieden seinen Arm um Jean. »Für alles gibt es eine Lösung.«

Nach dieser Aufregung musste Kevin erst einmal in allen Einzelheiten erzählen, unter welcher Mühe er den Baum schlussendlich zu Fall gebracht hatte. Dean ergänzte immer dann etwas, wenn ihm die Argumentation von Kevin nicht ausreichend erschien. Letzten Endes saßen wir allesamt auf dem Sofa und hielten uns vor Lachen den Bauch. Logan hatte darauf bestanden, den Baum ganz ohne übermenschliche Hilfe aus dem Wald zu holen und aus diesem Grund gab es wohl leider auch ein paar sehr menschliche Zwischenfälle. Weder Kevin noch Dean waren davon verschont geblieben, denn beide listeten lang und breit die unzähligen Blessuren auf, die sie durch Logans Schuld davongetragen hatten.

Während Dean mir gerade den Holzsplitter zeigte, der noch immer tief in seinem Daumen steckte, bemerkte ich, dass Logan mich aus den Augenwinkeln musterte. Er wirkte glücklich, beinahe stolz. Und über alle Maßen zufrieden.

Erst als Megan und Jean aufstanden und zielstrebig die Hintertür ansteuerten, riss ich meinen Blick von ihm los. »Wir sehen uns morgen«, sagte Jean auf eine Art, die sehr geheimnisvoll wirkte. »Nicht vergessen, Lara. Morgen ist Weihnachten.«

»Schon klar«, gab ich zurück und winkte zum Abschied. Als würde ich so was je vergessen!

Es hatte sich gut angefühlt, neben Logan einzuschlafen. Sein warmer Körper sorgte dafür, dass ich mich rundherum geborgen fühlte, auch wenn er meine Albträume leider nicht auf Dauer verscheuchen konnte.

Als mich ein ungewohnt scharfer Geruch erreichte, streckte ich mich und stöhnte leise auf. »Was stinkt denn hier so bestialisch?« Logan sprang aus dem Bett. Er duckte sich, sofort zum Angriff bereit, falls es denn einen geben sollte. Mit angespannter Miene atmete er ein paar Mal tief ein und schnaubte kurz darauf entnervt. »Verdammt nochmal. Jean!«

Im Vorbeigehen griff er nach seinem T-Shirt, dann stürmte er aus dem Zimmer. Benommen starrte ich hinterher und mein erster Gedanke war: Brennt es etwa?

Dicke Rauchschwaden kamen mir schon auf der Treppe entgegen. Richtung Küche wurde der beißende Geruch noch schlimmer. Ich konnte Logan hören, scheinbar außer sich vor Wut und Jean, die sich kleinlaut zu verteidigen versuchte.

Eine Hand vor dem Mund gepresst, ging ich in die Küche. Das Bild, das sich mir bot, war erschreckend und dennoch belustigend, wie ich zugeben musste. Jean hielt eine Zeitung in der Hand und wedelte damit den Qualm durch das offene Fenster. Sie hatte sich von Kopf bis Fuß mit Teig bekleckert, das Zeug klebte sogar in ihren Haaren. Logan riss den Backofen auf, balancierte zwei heiße Bleche auf seinen Händen und warf sie achtlos in die Spüle.

»Ich wollte Plätzchen backen«, murrte Jean schuldbewusst.

»Das sehe ich«, knurrte Logan und kreuzte die Arme vor der Brust. »Kannst du das gefälligst in deiner eigenen Küche machen?«

»Aber ich wollte Lara damit überraschen«, sagte sie kleinlaut und hielt ihm ein Buch unter die Nase. »Hier steht: die Plätzchen auf mittlerer Schiene für zehn Minuten bei 180 Grad backen.«

Dann knallte sie das Buch auf die Bar. »Da steht aber nicht, wie es dann weitergeht. Warum steht da nicht: Machen sie anschließend den Backofen aus und holen sie die Plätzchen heraus!«

Jean schnaubte aufgebracht. »Herrgott nochmal, ich mache so etwas zum ersten Mal, woher soll ich denn wissen, was ich als nächstes tun muss, wenn darüber rein gar nichts in diesem verflixten Buch steht?«

Logan verdrehte die Augen. »Das nennt man logisches Denken, Wachhund. Theorie und Praxis sind zwei Paar Schuhe.«

Arme Jean. Sie tat mir furchtbar leid, auch wenn die Gesamtsituation wirklich sehr lustig war.

»Halb so wild«, winkte ich ab und begann damit, die Schüsseln wegzuräumen, die sie in der ganzen Küche verteilt hatte. Logan presste die Lippen zusammen, als Jean mir zur Hand ging. Er war immer noch stinksauer auf meinen Secutor.

»Lara, es tut mir so leid.« Jean senkte den Blick. »Sieh nur, was ich angerichtet habe. Dabei sollte es doch eine Überraschung werden.«

Ich schenkte ihr ein Lächeln, als Zeichen, dass ich nicht sauer auf sie war. »Wenn du das nächste Mal backen willst, sag einfach vorher Bescheid. Dann verwüsten wir die Küche gemeinsam.«

Sie lächelte gequält. »Eure Rezepte sind wirklich merkwürdig. Die sind unvollständig und fehlerhaft.«

»Die sind nicht fehlerhaft«, entgegnete ich schmunzelnd. »Genauso werden Backbücher nun einmal geschrieben.«

Ich ließ Wasser in die Spüle und begann damit, die Schüsseln vom Teig zu befreien. »Wie oft hast du denn bis jetzt schon gebacken?«

Ihre dunklen Augen sahen mich irritiert an. »Erster Versuch«, murmelte sie kaum hörbar. »Aber ich schwöre dir, sowas passiert mir nie wieder.«

Der letzte Satz klang ein bisschen verbittert, deshalb fragte ich: »Warum hast du Brenda oder Adelheid nicht um Hilfe gebeten?«

Adelheid war eine begnadete Köchin, das wusste ich aus eigener Erfahrung, und backen konnte sie auch. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie einen Kuchen für mich gebacken, als Mom und Dad zu Besuch kamen. Und der war richtig lecker gewesen.

Jean hob trotzig die Schultern. »Ich wollte das alleine machen«, sagte sie. »Woher sollte ich denn wissen, wie schwer sowas ist? Bei Adelheid sieht immer alles ganz einfach aus, als hätte sie niemals etwas anderes gemacht.« Dabei seufzte sie schwermütig. »Ich glaube, ich geh jetzt lieber. Wir sehen uns heute Abend.«

Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf trottete Jean durch die Eingangshalle. Ich hatte Mitleid mit ihr, sie tat mir unendlich leid, doch ich wusste nicht, wie ich ihr helfen sollte.

»Mach dir keine Sorgen, mein Engel. Sie wird es schon verkraften.« Logans funkelnde Augen verrieten mir, dass er wieder gute Laune hatte. Wenigstens einer von uns.

»Was möchtest du zum Frühstück haben?«

Missmutig sagte ich: »Ganz egal was. Irgendwas.«

Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster und fragte mich, ob Jean ihren Ärger über die misslungenen Plätzchen jemals vergessen würde. Hoffentlich.

Der Tag verging wie im Flug. Während Logan in Begleitung von Cole und Richard die unterirdische Garage aufsuchte, packte ich die restlichen Geschenke ein. Was es dort unten Wichtiges zu erledigen gab, wollte Logan mir nicht sagen. Nur soviel: Es hatte mit Weihnachten zu tun.

Am frühen Nachmittag kamen Romy und Anna wie versprochen mit dem Gemälde vorbei und brachten es gleich nach oben ins Büro. Ich war ziemlich gut getroffen, fand ich, obwohl ich mich nicht einmal daran erinnern konnte, gelächelt zu haben, dafür war ich damals viel zu nervös gewesen. Dennoch zeigte ich auf dem Bild mein allerschönstes Lächeln. Was Anna und Romy anhand einer einzigen Erinnerung zustande gebracht hatten, war einfach unglaublich. Als würde das Bild jeden Augenblick lebendig werden. Mit einer festen Umarmung, die sie freundschaftlich erwiderten, bedankte ich mich bei beiden Defensoren und lud sie kurzentschlossen zu unserem Weihnachtsfest ein.

»Das ist nicht nötig«, versicherte Romy. »Aber danke für die Einladung.«

»Aber wie soll ich mich dann bei euch für das tolle Bild bedanken? Ihr wollt kein Geld annehmen und bleiben wollt ihr auch nicht,« sagte ich Zähneknirschend.

Anna und Romy antworteten mir nicht, sie lächelten nur. Das war sehr frustrierend.

Nachdem sie gegangen waren, verbrachte ich eine halbe Stunde am Telefon, um bei Mom unseren Besuch anzukündigen. Sie freute sich natürlich riesig darüber, allerdings währte ihre Freude nur kurz, denn wenig später begann sie damit, mich schon wieder mit Fragen über die Hochzeit zu löchern. Unter dem Vorwand, ich müsse noch dies und jenes erledigen, beendete ich das Gespräch. Adelheid wollte keine Hilfe von mir, was die Vorbereitungen für unser Weihnachtsfest betraf, mehrmals hatte sie mich schon aus der Küche gescheucht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich irgendwie alleine zu beschäftigen.

Die meiste Zeit verbrachte ich im Schlafzimmer, auf der Suche nach passenden Klamotten für den heutigen Abend. Erst als es allmählich dunkel wurde, hatte ich meine Entscheidung getroffen. Ein langer schwarzer Rock und die hübsche Bluse mit den Perlmutt-Knöpfen. Jean hatte mir die Sachen vor einer Ewigkeit ausgeliehen und noch nicht wieder zurückverlangt. Womöglich mit dem Hintergedanken: ›Damit du für alle Fälle etwas Vernünftiges im Schrank hast.‹

Meine Augen wanderten zum Bett und blieben an der Bluse hängen, die sorgfältig ausgebreitet neben dem Rock lag. Mein Secutor würde vor Stolz platzen, sobald sie mich in dieser Garderobe sah. Nach dem Missgeschick von heute Morgen tat ich ihr den Gefallen nur allzu gerne, denn sie konnte eine kleine Aufmunterung sehr gut gebrauchen. Du musst noch duschen, ermahnte ich mich kurz darauf, schnappte mir meine Unterwäsche und schlug den Weg zum Badezimmer ein.

Mit einem großen Handtuch fest um meine nassen Haare gewickelt kam ich zwanzig Minuten später aus dem Badezimmer. Zögernd blieb ich stehen, als ich die geschmückte Girlande bemerkte, die sich plötzlich um das Treppengeländer schlängelte.

Und nicht nur das. Die gesamte Eingangshalle erstrahlte mittlerweile in festlichem Glanz. Üppige rote Blumenarrangements verdeckten die Pfeiler neben der Haustür, die Fenster quollen über vor Kerzen und funkelnden Kugeln, selbst die Wände hatten einen leichten goldenen Schimmer abbekommen.

Mein Blick huschte nach oben zum Kronleuchter, doch er war verschwunden. Stattdessen hing ein riesiger Kranz mit echten Kerzen an seinem Platz. Die Eingangshalle wirkte durch das mäßige Licht irgendwie geheimnisvoll und sehr feierlich. Jedes Kaufhaus, daran gab es in diesem Augenblick nicht den kleinsten Zweifel, wäre bei dieser Weihnachtsdekoration vor Neid erblasst. Der Anblick verschlug mir schlichtweg die Sprache.

Langsam ging ich die Treppe hinunter und schaute mir dabei alles ganz genau an. Als ich das Wohnzimmer erblickte, blieb ich mit offenem Mund stehen. Anders als beim letzten Mal, als wir Jeans ›Geburtstag‹ gefeiert hatten, war das Wohnzimmer dieses Mal nicht durch Illusionen, sondern in liebevoller Kleinarbeit dekortiert worden, wenn auch in einer Geschwindigkeit, die ganz und gar nicht menschlich war.

Am Kamin hingen frische Tannenzweige und überall brannten Kerzen. Der riesige Baum, der jetzt gar nicht mehr so riesig wirkte, war über und über mit roten Kugeln behängt. Dazwischen funkelten unmöglich viele Lichter und kleine Zuckerstangen. Auf der Spitze prangte eine opulente rote Schleife. Wow, flüsterte ich schwer beeindruckt. Adelheid hatte tatsächlich übertrieben, genau so, wie ich vorausgesagt hatte. Doch das Wohnzimmer war mit so viel Liebe und Hingabe geschmückt worden, wer könnte es jetzt noch fertigbringen, sich deswegen zu ärgern? Adelheid machte ein sehr ernstes Gesicht, als ich fertig angezogen schließlich das Esszimmer betrat. Sie trug ein goldenes Kleid mit dunkelroten Applikationen, was ihre schmale Figur wunderbar zur Geltung brachte. Zwischen ihren hochgesteckten Haaren leuchtete ein kleiner Mistelzweig.

»Gefällt es dir?«, fragte sie vorsichtig. Ihre Miene bekam schon verzweifelte Züge, als ich nicht gleich antwortete.

»Es ist toll, aber …« Ich seufzte leise. »Du hättest dir nicht so viel Mühe machen müssen. Ich wäre schon mit einem kleinen Baum zufrieden gewesen.«

Als sie mich unverständlich anblickte, sagte ich schnell: »Es sieht alles unglaublich hübsch aus, Adelheid. Wirklich. Aber du hattest meinetwegen so viel extra Arbeit. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«

Ich hoffte inständig, dass Adelheid mich nicht falsch verstehen würde. Das Haus war wunderschön und traf genau meinen Geschmack. Und dennoch war es mir ein einfach unangenehm, vor allem, weil ich nun wusste, dass sie Weihnachten normalerweise überhaupt nicht feierten.

»Papperlapapp«, winkte Adelheid ab und lächelte versöhnt. »Brenda und ich, wir hatten eine Menge Spaß dabei. Allein das war die Mühe schon wert.«

Mit einem Kopfnicken deutete sie auf den reichlich dekorierten Tisch. »Setz dich bitte. Das Essen ist fast fertig.«

Wie auf Kommando füllte sich das Esszimmer, von allen Seiten strömten die anderen herein und gesellten sich zu uns. Logan setzte sich rechts neben mich, Jean hockte bereits an meiner linken Seite. Richard und Brenda servierten zusammen mit Adelheid das Essen, von dem ich überzeugt war, es müsste Stunden gedauert haben, um das alles zuzubereiten. Und allem Anschein nach wurden sämtliche Traditionen auf den Tisch gebracht, die Adelheid in ihren Büchern hatte finden können. Einige Speisen waren mir vertraut, andere wiederum kannte ich weder vom Namen, noch vom Aussehen. Zu meiner Verwunderung gab es sogar Burger und Cola.

»Logan hat darauf bestanden«, antwortete Adelheid auf meinen fragenden Blick. Allerdings wirkte sie nicht gerade sehr glücklich über diese Tatsache. Ich kicherte leise, als sie, mit einem Blick zu Logan, das Gesicht verzog. Doch Adelheid war nicht sauer auf ihn. Die festliche Stimmung hielt sie immer noch in ihrem Bann gefangen und darüber war ich sehr froh.

Richard lobte das Essen in höchsten Tönen und Kevin schmatzte genüsslich. Dean erzählte etwas über die neuesten Automodelle, die im Frühjahr auf den Markt kommen würden, während Megan und Betty sich über die aktuelle Frühjahrsmode unterhielten. Alle waren guter Dinge und hatten sichtlich Spaß an diesem Essen. Nur Jean blieb verhältnismäßig ruhig.

Natürlich lächelte sie mich an, sobald sich unsere Blicke trafen, etwas anderes hatte ich von meinem vorbildlichen Secutor auch gar nicht erwartet. Dennoch war ihre Verstimmung für mich offensichtlich. Ich schob ihre Zurückhaltung auf das kleine Malheur von heute Morgen. Womöglich hatte sie es doch noch nicht ganz überwunden. Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie ihr Geschenk aufmachte.

Zum wiederholten Male ertappte ich mich bei dem Gedanken, was Logan wohl zu dem Gemälde sagen würde. Wenn das Essen doch nur schon vorbei wäre. Dutzende Geschenke lagen unter dem Baum, hübsch verpackt und sorgsam aufgereiht lockten sie mit ihren glänzenden Schleifen. Meine Vorfreude steigerte sich ins Unermessliche. Nichts war schöner, als anderen beim Auspacken zuzusehen.

Nervös spielte ich unter dem Tisch mit meinem Ring und schaute erwartungsvoll in die Runde.

»Wenn wir nicht so bald wie möglich ins Wohnzimmer gehen, wird Lara noch vor Aufregung platzen.« Megan grinste schelmisch, als ich ihr einen bösen Blick zuwarf.

»Stimmt doch gar nicht.« Ich rutschte auf meinem Stuhl herum. »Das hat noch Zeit. Ich kann warten.«

Es wunderte mich ein bisschen, dass Megan noch vor Jean darauf gekommen war. Als mein Secutor hätte Jean doch meine Aufregung vor allen anderen spüren müssen. Stattdessen saß sie stumm an meiner Seite und lächelte nur. Seltsam.

Adelheid ließ ihren Blick über die Anwesenden wandern, nickte verständnisvoll und sagte dann: »Wir können den Tisch später abräumen. Ich glaube, jetzt wird es Zeit für die Geschenke.«

Kevin und Dean stürmten aus dem Esszimmer, kaum dass Adelheid zu Ende gesprochen hatte. Ich folgte in einem gemächlicheren Tempo und sehr darum bemüht, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Ich wollte unbedingt den Schein wahren, denn schließlich war ich erwachsen und konnte ebenso gut auch als letzte Person das Wohnzimmer betreten. Die Geschenke würden dann immer noch da sein.

Logan umfasste meine Hand, während wir durch den Flur gingen. »Bist du aufgeregt, mein Engel?«

Ich zögerte kurz. »Vielleicht ein bisschen«, sagte ich, vermied es aber, ihn dabei anzusehen. Er lachte leise, öffnete die Tür und führte mich ins Wohnzimmer.

»Nun mach schon auf«, drängelte Jean, kaum dass sie mir ihr Geschenk in die Hand gedrückt hatte. Mit gespanntem Blick fixierte sie das Päckchen auf meinem Schoß. »Ich hoffe, es gefällt dir. Wenn nicht, kannst du es wieder umtauschen. Ich habe extra den Kassenzettel aufgehoben.«

Meine Finger zerrten ungeduldig an der Verpackung und als ich mein Geschenk dann endlich in den Händen hielt, musste ich herzhaft lachen.

Jean beäugte mich misstrauisch. »Was ist denn so lustig?«

Ohne zu antworten drückte ich Jean das Päckchen in die Hand, das ich für sie besorgt hatte. »Und jetzt du. Mach auf.«

Sie blinzelte. »Aber du hast mir noch gar nicht gesagt, ob es dir gefällt.«

Nur mit größter Mühe gelang es mir, einen weiteren Lachanfall zu unterdrücken. »Mach auf, dann wirst du schon verstehen.«

Jean nickte und wickelte schweigend ihr Geschenk aus. Als sie den blauen Pulli entdeckte, wurden ihre Augen riesengroß. »Das glaube ich jetzt nicht!«

»Gefällt er dir?«, fragte ich lachend.

Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Wir haben das gleiche Geschenk besorgt? Das ist ja wirklich …«

Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Wir werden uns immer ähnlicher«, warf ich augenzwinkernd ein. »Und falls du den Pulli nicht behalten willst, kannst du ihn selbstverständlich zurückbringen. Ich habe den Kassenzettel nämlich ebenfalls aufgehoben.«

Kevin und Cole brachen in schallendes Gelächter aus und Dean klopfte sich vor Vergnügen auf die Schenkel.

»Ihr zwei seid echt ein komisches Gespann«, gluckste Kevin, während er seinen Arm um Jean legte.

»Das ist von Dean und mir«, sagte Megan, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten. Mit gespannter Miene reichte sie mir ein Päckchen. Ich setzte zum Widerspruch an, doch sie wiegelte ab. »Nimm schon, Lara. Ich weiß, dass du für uns auch etwas besorgt hast, also keine Widerrede.«

Ein wenig verlegen griff ich nach dem Päckchen.