»Euer Ani, Ini, Arnold Daddi« - Karin Wagner - E-Book

»Euer Ani, Ini, Arnold Daddi« E-Book

Karin Wagner

0,0
24,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Komponist Arnold Schönberg (1874–1951) zählt zu den meistbeschriebenen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Kühl, distanziert, ein ernsthafter Mensch – so ist er bekannt. Doch nun brechen die Erinnerungen seiner Kinder dieses Bild vom »strengen Schönberg« auf und geben erstmalig in dieser Form einen Einblick in das Familienleben. »Euer Ani, Ini, Arnold Daddi« schreibt Schönberg in einem Brief an seine Familie und schickt gleich eine Fülle an Bussis mit. In zahlreichen Gesprächen berichten die drei Geschwister Nuria, Ronald und Lawrence über ihren verspielten, originellen und liebevollen Vater und das Heranwachsen in Los Angeles. Ihre Schilderungen zeugen auch vom Alltagsleben und den außergewöhnlichen Zeitumständen, von Schönbergs Flucht in die USA und dem Leben der Familie im Exil. Die Musikwissenschafterin Karin Wagner gibt den vielfältigen Geschichten mit ausgewählten Essays Hintergrund und Rahmen und bewahrt so die Gedanken seiner Kinder als wertvolle Dokumente für die Zukunft.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 472

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Karin Wagner

»EUER ANI, INI, ARNOLD DADDI«

Arnold Schönberg in Familienerinnerungen und Essays

Karin Wagner

»Euer Ani, Ini, Arnold Daddi«

Arnold Schönberg in Familienerinnerungen und Essays

Czernin Verlag, Wien

Gedruckt mit Unterstützung der Stadt Wien, Kultur,

des Landes Oberösterreich,

des Zukunftsfonds der Republik Österreich und

des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus

Wagner, Karin: »Euer Ani, Ini, Arnold Daddi«. Arnold Schönberg in Familienerinnerungen und Essays / Karin Wagner

Wien: Czernin Verlag 2024

ISBN: 978-3-7076-0834-2

© 2024 Czernin Verlags GmbH, Wien

Lektorat: Hannah Wustinger

Coverfoto: Fotograf: Richard Fish, Arnold Schönberg Center, Wien

(ASCI PH3292)

Autorinnenfoto: Lukas Beck

Umschlaggestaltung und Satz: Mirjam Riepl

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN Print: 978-3-7076-0834-2

ISBN E-Book: 978-3-7076-0835-9

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

Für Nuria, Ronald und Lawrence

Inhalt

Vorwort

Nuria

Ronald

Lawrence

Im Spiegel der Erinnerung

»Daddi«

Biotop 166 North Rockingham

Daily Life

»Einen Wal an der Angel« – Schönberg und die USA

»It’s lonely at the top«

»heimatlos durch die Welt gejagt« – Schönberg im Exil

… in schönster language

»Gott zu finden und religiös zu werden« – Schönbergs Weltanschauungen

Identitäten

»I am an amateur bookbinder« – Schönbergs Wunderkammer

Family Games

Krankheit und Tod

Epilog: »Und dass er recht hatte!«

Anmerkungen

Bibliografie

Bildverzeichnis

Abkürzungen

Index

Vorwort

Mit der Widmung »Dem Bubi Arnold« eignete Arnold Schönberg das Bläserquintett op. 26 seinem ersten Enkelkind zu. 1923 begonnen und 1924 vollendet, umfasst dieses Werk eine Zeitspanne, die zu Schönbergs schwierigster und zugleich beglückendster wurde. Arnold Greissle-Schönberg, der Sohn von Schönbergs Tochter Gertrude und dessen Schüler Felix Greissle, wurde im April 1923 in Mödling geboren, kurz bevor die ersten datierten Skizzen zum Bläserquintett entstanden. Kompositionstechnisch wie biografisch markiert das Quintett einen folgenreichen Punkt in Arnold Schönbergs Leben und teilt dieses in mehrerlei Hinsicht in ein »davor« und »danach«: Als eines der frühesten zwölftönigen Werke repräsentiert das Bläserquintett den jüngst angetretenen Weg in die Tonsprache der Zukunft. Auch Schönbergs Privatleben war nach einer Zeit der Krise und des Trauerns vom Hochgefühl eines Neuanfangs beflügelt: Schönbergs Frau Mathilde, die Schwester von Alexander Zemlinsky, verstarb im Oktober 1923 im Beisein ihres Mannes. Das Quintett vollendete der kurz vor seinem 50. Geburtstag stehende Komponist am 27. August 1924, einen Tag vor seiner zweiten Hochzeit. Mit der damals 25-jährigen Gertrud Kolisch, der Schwester des Schülers und Freundes Rudolf Kolisch, begründete Schönberg 1924 die künftige Lebensphase und seine zweite Familie.

Schönbergs erste Familie mit Mathilde kannte das Leben mit den Kindern »Trudi« und »Görgi« sowohl in Berlin als auch in Wien: 1902 wurde Gertrude in Berlin geboren, 1906 Georg in Wien. Gertrude hatte mit Felix Greissle zwei Kinder, nach »Bubi« Arnold erblickte Hermann 1925 in Mödling das Licht der Welt; in jener Kleinstadt südlich von Wien, in der Schönberg mit Gertrud Kolisch lebte, bevor die beiden 1926 nach Berlin übersiedelten. Im Mai 1938 konnte Arnold Schönberg, der seit 1933 im amerikanischen Exil war und ab 1934 Los Angeles zur Wahlheimat hatte, die Tochter Gertrude, den Schwiegersohn Felix Greissle und die Enkelsöhne Arnold und Hermann in New York willkommen heißen; äußerst glücklich darüber, dass deren Flucht aus Österreich gelungen war.

Das Ehepaar Mathilde und Arnold Schönberg mit den Kindern Georg und Gertrude in Berlin, 1912

In der 1998 erschienenen Publikation Arnold Schönberg und sein Wiener Kreis. Erinnerungen seines Enkels berichtet Arnold Greissle-Schönberg über das eigene Leben, das er unter der Bruchstelle des Exils in ein »erstes« und ein »zweites« teilt, beschreibt Schönbergs Umfeld in Wien und porträtiert die Angehörigen von Schönbergs erster Familie aus nächster Nähe. Viele Erzählungen widmet er seinem Onkel Georg, dem »Lieblingsonkel Görgi«, den man sich im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte dreißig etwa so vorzustellen habe: »krauses, dunkelbraunes dichtes Haar, rundes Gesicht mit dunkler, glänzender Haut und dunkelbraunen Augen, die, so schien es, immer gutmütig lachten«.1 Musikaffin, von der Violine auf das Horn »umgesattelt«,2 als Notenstecher sowie später auch als Komponist tätig und in jungen Jahren »hochgeschätztes Mitglied«3 der Mödlinger Fußballmannschaft – so zeichnet Arnold Greissle-Schönberg den Lieblingsonkel nach. Seine Mutter »Trudi« beschreibt er als »eine kleine, dunkelhaarige Frau, sehr charmant« und »überaus gescheit«.4 Sie war »sehr links eingestellt und verspottete das elitäre Benehmen der sogenannten oberen Schichten. Sie aß gern und tanzte gern, […] las Berge von Büchern […], und ging, sooft sie konnte und Geld dazu vorhanden war, ins Theater, in die Oper oder zu Konzerten«.5 Arnold Schönberg hatte viel darangesetzt, zur Tochter Gertrude auch den Sohn Georg in die Vereinigten Staaten zu holen; Georg jedoch blieb in Österreich, wo er die Kriegsjahre mit seiner Ehefrau Anna Sax und der 1929 geborenen Tochter Gertrude Susanna verbrachte.

Neun Jahre nachdem Arnold Schönberg die Widmung »Dem Bubi Arnold« auf das Papier setzte, wurde sein erstes Kind aus zweiter Ehe geboren; die Tochter Nuria 1932 in Barcelona. 1937 folgte Sohn Ronald in Los Angeles, 1941 ebendort Sohn Lawrence. Arnold Schönberg war nun fünffacher Vater, die Geburten seiner Kinder umspannen die Jahre von 1902 bis 1941. Trudi hatte in den Vereinigten Staaten persönlichen Kontakt zur zweiten Familie ihres Vaters: Sie reiste nach Los Angeles um zu helfen, als die gesamte Familie krank war. Ihr früher Tod im Jahr 1947 traf Schönberg schwer und ließ Nuria, Ronald und Lawrence eine sonst nie gesehene Traurigkeit im Gemüt des Vaters erleben. So wie ihre Mutter erlag Trudi einer Krebserkrankung. Zu Görgi hielt Nuria nach dem Krieg Kontakt, er verstarb 1974 in Mödling.

Das kecke Wortspiel »Euer Ani, Ini, Arnold Daddi« setzte Arnold Schönberg im Jahr 1940 an das Ende eines Briefes an seine Frau Gertrud, an die kleine Nuria und den kleinen Ronald; gerade erst 16 Stunden von zuhause entfernt, unterwegs im Zug von der Westküste an die Ostküste und die Familie unendlich vermissend. Den größer werdenden Abstand zu den Kindern glich er mit »100000000000 Bussis« aus, die er den Zeilen mitschickte; in einem wackeligen Zug, der die Buchstaben durch die »davonrennende« Schreibmaschine nur so durcheinanderpurzeln ließ. »Unterwegs« war auch gerade Lawrence, der das Glück der Familie komplettierte.

»Euer Ani, Ini, Arnold Daddi« ist ein persönliches Buch, das die Erinnerungen von Schönbergs Kindern Nuria, Ronald und Lawrence zum Herzstück hat. Die Geschwister berichten über ihren verspielten, originellen und liebevollen Vater und das Heranwachsen in Los Angeles. Ihre Schilderungen zeugen auch vom Alltagsleben und den außergewöhnlichen Zeitumständen, von Schönbergs Flucht in die Vereinigten Staaten und dem Leben der Familie im Exil. Die Erinnerungen sind selbstredend und bleiben unkommentiert. Um diese Berichte mit den Besonderheiten von Schönbergs Biografie, mit den jeweiligen Lebensstationen und mit Schönbergs Gedankenwelt in Bezug zu setzen, sind einigen Kapiteln ausgewählte Essays vorangestellt, die die Erinnerungen kontextualisieren.

Das Buch spielt mit Zeitsprüngen: Schönbergs Vita wird nicht chronologisch durchwandert, vielmehr formt die Organisation über Themen die Struktur. Mehreren Ebenen galt es in der Konzeption gerecht zu werden: den sprechenden Personen, dem Erinnerten der sprechenden Personen und der Darstellung biografischer, werkspezifischer, zeithistorischer und zeitkultureller Aspekte. Die Erzählungen der Kinder werfen einen authentischen und auch ungekannten Blick auf den Familienmenschen Schönberg, die Essays bilden eine eigene Dokumentationslinie. Einleitende Porträts zu Nuria, Ronald und Lawrence setzen deren Kinderleben in die Biografie des Vaters.

Das Buch basiert auf Erinnerungen: Ein knapper Exkurs zu den Phänomenen »Gedächtnis« und »Erinnerung« sowie zu Techniken des »narrativen Interviews« öffnet dem Hauptteil Tür und Tor. Dieser hebt mit Charakterbeschreibungen zu »Daddi« an, holt den besonderen Lebensplatz in Los Angeles in das Zentrum und gibt Einblicke in den Familienalltag. Nuria Schoenberg-Nono, Ronald Schoenberg und Lawrence Schoenberg haben in diesem Buch das erste und das letzte Wort; sie sprechen auch über die Krankheit und den Tod des Vaters.

Der erste Essay bleibt in den Vereinigten Staaten; kein kleiner Fisch, sondern ein »Wal an der Angel« war Schönberg dort, wenngleich nicht immer als solcher erkannt. Lange bevor der Komponist die Neue Welt als Exilheimat in Erwägung zog, pflegte er Kontakte dorthin. Über Österreich sprach er am amerikanischen Familientisch so gut wie nie, allein in der familiären »Wort-Mischkulanz« blitzte der Bezug zur Ursprungsheimat dann und wann hervor. Wie formte sich die Identität der Kinder? Waren für sie die jüdischen Wurzeln der Familie spürbar? Vor allem im Pendeln zwischen der nicht explizit vermittelten jüdischen Herkunft und dem Aufwachsen im katholischen Schulumfeld stellen sich solcherart Fragen nach Zugehörigkeiten. Gewichtig ist das Kapitel »Gott zu finden und religiös zu werden«: Arnold Schönbergs philosophisch-gedankliche Identifikationen, im Zeitsprung aufgerollt von der Jugend bis hin zum Tod. Ein bemerkenswerter Weg, den zu erläutern notwendig ist, um die »Identitäten«-Diskussion der Kinder auf den Vater rückbeziehen zu können.

Konträr dazu ist die Welt des Humors, reizvoll umspielt sie den Nimbus des »ernsten« Schönberg. Schönbergs Kinder liebten die »Family Games«; gespielt und gescherzt wurde viel in diesem Haus, das auch eine »Wunderkammer« an Malereien, Erfindungen und Kuriositäten bereithielt. Ein wiederum eigener Kosmos, der im Zusammenwirken mit dem zuvor Beschriebenen Schönbergs enorme Vielseitigkeit widerspiegelt.

Mein großer Dank gilt Nuria, Ronald und Lawrence: für die intensiven Gespräche, in denen ich so viel erfahren durfte, für die gemeinsam verbrachten Stunden, in denen ich so viel beobachten und miterleben konnte. Ich denke etwa an die erdbeerroten Gummistiefel, die Nuria mir gab, um dem »Acqua alta« in Venedig Paroli zu bieten, und ich denke an einen Ausflug mit Ronald und Familie von Los Angeles nach San Francisco – zu einer miserablen Aufführung, die uns anstelle der Verklärten Nacht eine wiederholt falsch benannte »Verklagte Nacht« brachte. Schmunzelnd denke ich an Lawrence’ Schluss-Statement auf meine Frage hin, ob, nun mit den Gesprächen zu einem Ende gekommen, auch alles gut für ihn verlaufen wäre: »Es gab absolut keine dummen Fragen. Daher kann ich nun lachen und fröhlich sein.« Für die Erlebnisse und das mir entgegengebrachte Vertrauen danke ich den Schönberg-Kindern von ganzem Herzen.

Mein besonderer Dank gilt Eike Fess vom Arnold Schönberg Center in Wien für den exzellenten fachlichen Rat, Benedikt Föger als Verleger des Czernin Verlags für das auch über die Jahre nicht nachlassende Interesse an dem Buch, Eva Steffen, die mich während ihrer Zeit im Czernin Verlag zum Entstehen dieses Buches anhielt und dies auch später immer wieder bekräftigte, und Hannah Wustinger für das ausgezeichnete Lektorat. Danken möchte ich Barbara Zeisl-Schoenberg und Serena Schoenberg-Nono für die Unterstützung und Erwin J. Franz für die Gespräche rund um das Erscheinen des Buches. Dass dieses in das Jahr 2024 fällt und Schönbergs 150. Geburtstag mitfeiert, ist mir eine große Freude.

Karin Wagner

Nuria

Arnold Schönberg setzte am 10. März 1932 in Barcelona seinen Namen auf das Reinschriftparticell der Oper Moses und Aron und beendete damit den zweiten Akt einer Komposition, die in ihrer Multiperspektivität die Musikwelt beschäftigte und weiterhin beschäftigen wird. Zum dritten Akt liegen einzelne rudimentäre Skizzen und der Text zu einer Szene vor. Warum das Werk ein Torso blieb, veranlasst zu Spekulationen: War die musikalische Substanz ausgeschöpft? Fehlten die finanziellen Ressourcen und blieb der Kompositionsabbruch den äußeren Umständen geschuldet? Bis zu seinem Tod hielt Schönberg an dem Gedanken fest, sein um das mosaische Bilderverbot kreisende Epochenwerk zur Religion vollständig in die Sphären der Darstellung zu bringen. Ab 1923 widmete er sich dem Stoff, 1928 finalisierte er den Text als Grundlage für ein Oratorium, ab 1930 arbeitete er an der Oper, 1937 entstanden die wenigen Skizzen zum dritten Akt. Moses und Aron markiert eine Wende in Schönbergs kommunizierter Glaubenspraxis: »Einziger, ewiger, allgegenwärtiger, unsichtbarer und unvorstellbarer Gott« – so Moses zu Beginn der Oper. Schönberg benannte damit die essenziellen Topoi seiner entschiedenen Religiosität.

Für die Zeit um 1932 lässt sich zu Schönbergs Schaffen festhalten: 1929/30 entstanden Sechs Stücke für Männerchor op. 35, zwei davon (Nr. 4: Glück, Nr. 6: Verbundenheit) waren Auftragswerke des Deutschen Arbeiter-Sängerbunds. Schönberg verfasste die Texte, zwölftönige Stücke positionierte er neben tonalen. Mit dem Klavierstück op. 33b schrieb er 1931 in Barcelona innerhalb von zwei Tagen das letzte solistische Werk für Klavier; in Verbindung dazu steht das Klavierstück op. 33a (1929). Beide Opera verzeichnen strenge Zwölftontechnik, sie bilden in ihrer Kürze und Geschlossenheit Bezüge zu Formen des 19. Jahrhunderts sowie zur klassischen Sonatenstruktur.

Die Dodekaphonie ist auch der Bezugsrahmen für die von 1924 bis 1926 komponierte Suite für Kleine Klarinette, Klarinette, Bassklarinette, Geige, Bratsche, Violoncello und Klavier op. 29. Arnold Schönberg schrieb das Stück in privater Hochstimmung: Am 28. August 1924 heiratete er Gertrud Kolisch (1898–1967), die Schwester seines Schülers und Freundes Rudolf Kolisch (1896–1978). Gertrud ist Widmungsträgerin der Suite und allgegenwärtig in der Zwölftonreihe, welche mit den Tönen Es–G beginnt und in Tonbuchstaben die Initialen für »Gertrud Schönberg« führt. Über »sein« Instrument schrieb der Komponist sich ebenso in das Stück ein: Das Violoncello tritt auffallend oft in Szene, gleich zu Beginn des ersten Satzes mit den Tönen Es–B–G (vermutlich »S[chön]b[er]g«) und zu Beginn des zweiten Satzes mit G–D (vermutlich »G[ertru]d«). Die Skizzen zur ursprünglich in sieben Sätzen angelegten Suite verweisen in den programmatischen Überschriften auf Schönbergs Frau und deren Faible für Tanzmusik. So titelt der erste Satz mit »leicht, elegant, flott, Bluff«, um im zweiten Satz in den »Jo-Jo-Foxtrott« zu kippen, der mit Gertruds Pseudonym »Jolly Joker« kokettiert. Unter diesem Namen entwarf die junge Dame Drehbücher für den Film. Die Abkürzung zur »Filmdiva« findet sich in der verschlüsselten Angabe zum sechsten Satz mit »FilmDva«. Der dritte Satz dreht sich im »Fräulein Kolisch Walzer« (original: »Fl.Kschw. Walzer«), im vierten Satz weicht der Mädchenname dem künftigen: Als »Frau Arnold Schönberg Adagio« (original: »FrAS Adagio«) ein langsamer Satz, dem der geplante fünfte Satz mit der in einem Zitat verborgenen Anspielung auf ein »Bürgersmädchen« folgt, als welches Gertrud sich bezeichnete.6 Unter der Widmung »Meiner lieben Frau« blieb der letztgültigen Variante in vier Sätzen der Tanz als zündendes Moment erhalten: I. Ouverture, II. Tanzschritte, III. Thema mit Variationen, IV. Gigue.7

»[U]nd kanns so gar nicht begreifen, daß ich geliebt werde, und über diese unerhörten Kräfte, die du mir offenbarst, […]. Aber ich bin glücklich!«8 Diese Zeilen schrieb Arnold Schönberg seiner künftigen Frau einen Monat vor der Hochzeit. Es war ein rauschender Neubeginn, dem eine Zeit des Trauerns voranging: Schönbergs erste Frau Mathilde Zemlinsky (1877–1923) verstarb am 18. Oktober 1923. 1901 hatten sie geheiratet und vorerst in Berlin gelebt, wo Schönberg an Ernst von Wolzogens (1855–1934) Kabarett »Überbrettl« und am Stern’schen Konservatorium tätig gewesen war.

1902 wurde die Tochter Gertrude (1902–1947) geboren, 1906 der Sohn Georg (1906–1974). Seit 1903 lebte die Familie Schönberg wieder in Wien. Unterricht an der Reformschule von Eugenie Schwarzwald (1872–1940), Kontakte zu Kunstintellektuellen, die Bekanntschaft mit Gustav Mahler (1860–1911) sowie Diskussionen mit Anton Webern (1883–1945) und Alban Berg (1885–1935) prägten diese Zeit. Seine Kinder – zwei »schöne, ausgelassene Kinder, ein Junge und ein Mädchen«9 – nannte Schönberg liebevoll »Trudi« und »Görgi«. 1911 übersiedelte die Familie abermals nach Berlin, diesmal rief eine Dozentur an das Stern’sche Konservatorium. 1915 erfolgte die Rückkehr nach Wien. Die mit Alma Mahler (1879–1964) befreundete Kunstmäzenin Henriette Amalie Lieser (Lilly Lieser) (1875–1943) vermittelte den Schönbergs eine Wohnung in der Gloriettegasse 43 in Wien-Hietzing, dem 13. Wiener Gemeindebezirk. Ab dem Frühjahr 1918 war Mödling der neue Wohnort. Dort verstarb Mathilde Schönberg im Oktober 1923. Bis zwei Jahre nach ihrem Tod blieb das Haus in der Bernhardgasse 6, Mödling, Arnold Schönbergs Lebensmittelpunkt.

Arnold Schönberg mit »Trudi« und »Görgi« in Berlin, 1912

1924, kurz nach der Hochzeit mit der damals 25-jährigen Gertrud Kolisch, feierte Arnold Schönberg seinen 50. Geburtstag. Anlässlich dessen lud die Stadt Wien am 13. September 1924 zu einem Fest ein und trat erstmals als ehrende Instanz auf. Begleitend erschien ein Sonderheft der Musikblätter des Anbruch10 mit Texten u. a. von Adolf Loos (1870–1933), Anton Webern, Franz Schreker (1878–1934), Erwin Stein (1885–1958), Karl Horwitz (1884–1925), Rudolf Kolisch, Hanns Eisler (1898–1962), Hermann Scherchen (1891–1966), Paul Amadeus Pisk (1893–1990), David Josef Bach (1874–1947) und Alban Berg. Das Vorwort zur Festschrift verfasste der Jubilar:

Wenn nun meine unverbesserlichen Freunde aus all dem noch nicht die Überzeugung gewonnen haben, von der unfreundlichere von vornherein ausgehen: daß ich meine Grenze erreicht habe; daß ich – ein richtiger Vorläufer – überholt bin; denn alles wird ja überholt, dank der Rüstigkeit der Mit- und Nachläufer; daß ich mit einem Wort dort angelangt bin, wohin mich viele im Interesse der von ihnen geplanten weiteren Entwicklung der Musikgeschichte schon längst gewünscht haben, so kann ich nicht unterlassen, ein deutliches, sich bei mir zeigendes Alterssymptom zu nennen: Ich kann nicht mehr so hassen, wie früher; und was noch ärger ist: ich kann manchmal schon verstehen, ohne zu verachten. Das spricht für sich selbst! Und so muß ich mir wohl Glück wünschen, damit ich davon sagen kann, daß ich nicht zum alten Eisen geworfen werde.11

Ging es um die Verteidigung seiner Kunst, so war Arnold Schönberg unerbittlich: Zynismus fehlte nicht in der Abwehr kritischer Stimmen. Zog Milde ein, so sprach er diese dem Alter zu. Die Anspielung auf »altes Eisen« war gegen jene Personen gerichtet, die den einst Revoltierenden nun in die Ecke des Altmodischen stellten. Über Briefe, Kommentare und veröffentlichte wie unveröffentlichte Texte kennt man Schönbergs kompromisslose und herbe Seite, deren Mäßigung hier selbstironisch anklingt. Anders war der Ton des Familienvaters: bedacht und fürsorglich.

1925 wurde Arnold Schönberg in der Nachfolge Ferruccio Busonis (1866–1924) an die Berliner Akademie der Künste berufen, 1926 resultierte daraus die dritte Übersiedlung nach Berlin, nun mit Gertrud an der Seite. Dort leitete Wilhelm Furtwängler (1886–1954) 1928 die Uraufführung der Variationen für Orchester op. 31 (1926–1928), Schönberg selber dirigierte 1928 in London die monumentalen Gurre-Lieder für Soli, Chor und Orchester (1900–3/11). Mit der »Zeitoper« Von heute auf morgen op. 32 (1928/29) nach dem Libretto von Max Blonda bespielte er ein en-vogue-Genre der Zeit – hinter dem Text-Pseudonym verbarg sich seine Frau. In Kontrast zum bodenständigen Inhalt dieser Blicke in ein Eheleben ist die Musik der Oper zwölftönig gearbeitet, traditionell rhythmische und formbildende Strukturen schaffen Vertrautheit, Parodie schwingt über Walzerklänge, Wagner-Zitate und Jazzelemente mit. Dieses Spiel mit dem Gewöhnlichen im Gepräge komplexer Kompositionsstruktur setzte Schönberg in eine Zeit, in der Berlin dem Börsenkrach in die Fänge tanzte und sich in ein Aufrüsten des Nationalsozialismus manövrierte. Die Kunstsparten liefen parallel, neben der »Hochkultur« boomten die Jazzbühnen, Varietés und Kabaretts. In dieses Gemisch fiel Schönbergs Auseinandersetzung mit dem eingangs erwähnten Werk Moses und Aron.

Von 1930 bis 1932 war der Zentrumspolitiker und Vertreter des politischen Katholizismus Heinrich Brüning (1885–1970) Kanzler der Weimarer Republik, seine durch Paul von Hindenburg (1847–1934) unterstützte Regierung konnte nur über den für den Ausnahmezustand konzipierten Artikel 48 (»Notverordnung«) gegen die Opposition der Linken (KPD) und extremen Rechten (DNVP [»Deutschnationale Volkspartei«] und NSDAP) gebildet werden. Die wachsende Arbeitslosigkeit drohte in einer harten Krise zu enden, Brünings deflationistische Wirtschaftspolitik sollte Abhilfe schaffen. Die Reichstagswahlen 1930 brachten der KPD und NSDAP Stimmengewinne, die Kluft zwischen den politischen Parteien wurde größer, fortschreitende Radikalisierung bestimmte die Innenpolitik. Immer heftiger prallten die Fronten aufeinander, die Gewalttaten der SA stiegen.

1931 reiste das Ehepaar Schönberg nach Barcelona. Man hoffte auf eine Linderung von Schönbergs Asthma und traf die Freunde Pablo Casals (1876–1973) und Roberto Gerhard (1896–1970). Vor allem aber gab es dort Gewichtiges zu annoncieren: »Gertrud und Arnold Schönberg besitzen seit 7. Mai, 9 Uhr 10 eine Tochter namens Dorothea Nuria.«12

Am 7. Mai 1932 wurde Dorothea Nuria Schönberg in der Enfermería Evangélica in Barcelona geboren. Der in Katalonien beliebte Name »Nuria« ist von einem Marienheiligtum im Tal Vall de Núria in der Provinz Girona abgeleitet, sein Ursprung liegt im Hebräischen. Getauft wurde Dorothea Nuria vom spanischen Priester und Musikwissenschafter Higini Anglès (1888–1969). Am 24. Mai 1932 schickte Schönberg die Nachricht von der Geburt seiner Tochter auch an Joseph Asch, dem er ebenso zu Vaterfreuden gratulierte und »Gleiches mit Gleichem« vergalt. Der Brief nach New York übermittelte auch eine Bitte: »Ich habe längere Zeit wegen meiner Gesundheit im Süden gelebt und würde mich aus diesem Grund, aber auch wegen der politischen Verhältnisse nur sehr ungern entschliessen, gerade jetzt nach Deutschland zurückzukehren.«13 Die Devisensperre blockierte Geld aus Deutschland, daher hoffte Schönberg auf finanzielle Unterstützung zur Fertigstellung des dritten Akts von Moses und Aron. Er pochte auf die Solidarität »reicher Juden« ihn »zu versorgen«, um nicht wieder »zu den Hakenkreuzlern und Pogromisten nach Berlin«14 zu müssen. Im Juni 1932 reiste die junge Familie dennoch in den brodelnden Kessel Berlin zurück.

Die deutsche Präsidentschaftswahl im Frühjahr 1932 brachte Adolf Hitler noch keine Majorität, Hindenburg wurde in seinem Amt bestätigt. Der Radikalisierung der NSDAP folgten Verbote von SA und SS. Im Mai 1932 wurde Brüning gestürzt, das »Kabinett der nationalen Konzentration« als Übergang zu einer reinen Präsidialregierung unter dem ehemaligen Zentrumspolitiker und nun parteilosen Reichskanzler Franz von Papen (1879–1969) folgte. Nach der durch von Papen beantragten Auflösung des Reichstags im Juni 1932 regierte dieser gestützt auf das »Notverordnungsrecht« des Reichspräsidenten. Er hob das Verbot von SA und SS auf, Hitler sicherte ihm die Tolerierung durch die NSDAP zu. Bürgerkriegsähnliche Zustände lieferten den Vorwand für den Staatsstreich gegen Preußen im Juli 1932, die sozialdemokratisch geführte Regierung unter Otto Braun (1872–1955) wurde abgesetzt, von Papen ließ sich zum Reichskommissar für Preußen einsetzen, womit er die Gleichschaltung des größten deutschen Landes einleitete. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 wurde die NSDAP stärkste Partei, Hindenburg lehnte Hitler als Kanzlerkandidaten noch ab. Der November 1932 brachte der NSDAP Verluste bei der Reichstagswahl, der Plan, einen autoritären »Neuen Staat« unter Ausschaltung des Reichstags und gestützt auf die Reichswehr zu schaffen, misslang. Von Papen trat zurück, das Kabinett Kurt von Schleicher (1882–1934) folgte. Der Wahlsieg der NSDAP im Kleinstaat Lippe am 15. Jänner 1933 wurde zum Schlüsselpunkt für die Zukunft; die Regierung Kurt von Schleicher trat zurück. Von Papen führte als Beauftragter Hindenburgs Koalitionsgespräche mit der NSDAP und stimmte der Bildung eines Kabinetts unter Adolf Hitler zu, er wurde Vizekanzler.

Der »Machtergreifung« folgte die »legale Revolution« über den Machtausbau, abermals mithilfe des »Notstandsartikels 48«: Eine Gesetzesflut sicherte und »legitimierte« die Diktatur. Das »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich« (»Ermächtigungsgesetz«) wurde im März 1933 installiert. Auch vollzog sich der Übergang der gesetzgebenden Gewalt auf die Exekutive, die als ausführendes Organ durch das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« gleichgeschaltet wurde. Mit 7. April 1933 führte dieses Gesetz zur Entlassung von politisch missliebigen und gemäß der NS-Rassentheorie verfemten Personen. Es griff auch in den Lehrkörper der Preußischen Akademie der Künste in Berlin ein, dessen Leiter Max von Schillings (1868–1933) Entlassungen bzw. »Beurlaubungen« der jüdischen Kolleginnen und Kollegen verordnete.

An »Herrn Professor Arnold Schönberg Berlin W 50 Nürnberger Platz 3« erging ein durch Max von Schillings unterzeichnetes Einschreiben vom 23. Mai 1933, um Schönberg »als Verwalter einer Meisterschule für musikalische Komposition mit sofortiger Wirkung« von der »dienstlichen Tätigkeit zu beurlauben«.15 Schönberg kam diesem Hinausschmiss zuvor. Am 16. Mai telegrafierte der Schwager Rudolf Kolisch aus Florenz und riet dringend zu »Luftveränderung«16 unter dem Vorwand von Schönbergs Asthma – ein heftiger Appell, Deutschland sofort zu verlassen. Am 17. Mai 1933 reisten Arnold und Gertrud Schönberg mit der einjährigen Nuria von Berlin nach Paris.

Die Sommermonate 1933 verbrachte die Familie am Meer in Arcachon im Südwesten Frankreichs. Nuria bereitete großes Glück und war »entzückend«. »Am 30. Juni ist sie zum erstenmal ganz frei gegangen, also im 14. Monat, nachdem sie schon wenigstens 6–8 Wochen vorher an der Hand gehen konnte«,17 so der Vater im Brief an Anton Webern. »Wir haben sehr viel Freude von ihr und sind ganz aufgeblasen und Stolz [sic!], wenn wir hinter dem Wagen gehen und Leute sagen hören: ›Qu’elle est belle! qu’elle est mignonne‹!« Ein paar »Bilderln von der Nuria«18 wurden dem Freund auch zugesichert. Und »Bilderln« von der Tochter gab es damals erstaunlich viele: Seit ihrem ersten Lebenstag wurden sie gemacht, von Arnold Schönberg in einem Album geordnet, dessen Frontseite die Geburtsanzeige, die Eltern und das Neugeborene mit der Krankenschwester zeigt – so blickt man in den 7. Mai 1932 und in Gertrud Schönbergs Wochenbett. Die nachfolgenden Bilderserien fächern ein Kinderleben auf, sorgfältig sind die Fotografien mit weißer Tinte auf dunklem Grund datiert. Zu den Monaten Mai und Juni 1933 tun sich reizende Szenen um Nuria, Gertrud und Arnold Schönberg im Pariser Jardin de Tuileries auf, im August wird in Arcachon flaniert und im Meer gebadet. Hier blinzelt der Hund »Witz« in das Geschehen hinein. Allein die Anzahl der Bilder von Nuria erzählt eine Geschichte: »Ich war sein Augapfel« – so die Tochter in Erinnerung an ihren Vater. Die Aufnahmen bestätigen dies.

Das Ehepaar Arnold und Gertrud Schönberg mit der Tochter Nuria in Arcachon, zu Arnold Schönbergs Geburtstag am 13. September 1933

Zeitgleich erklärte Arnold Schönberg als letzte Konsequenz eines langwährenden Prozesses, von nun an kompromisslos für das Judentum einzutreten. Eine Parallelwelt:

Nunmehr bin ich vor einer Woche auch officiell wieder in die jüdische Religionsgemeinschaft zurückgekehrt, obwohl mich davon nicht die Religion trennt (wie ja mein Moses und Aron zeigen wird), wohl aber meine Auffassung über die Notwendigkeit der Anpassung der Kirche an die Forderungen der modernen Lebensführung.

Es ist meine Absicht, mich aktiv an solchen Bestrebungen zu beteiligen. Ich halte das für mich für wichtiger, als meine Kunst und ich bin entschlossen – wenn ich für solche Tätigkeit geeignet bin, nichts anderes mehr zu machen, als für die nationale Sache des Judentums zu arbeiten.19

Schönbergs Visionen zur Rettung des Judentums muten utopisch an: 1933 dachte er an eine Einheitsbewegung für das zersplitterte Judentum, wenn nötig militant durchgesetzt und gegen jeden Pazifismus. Eine Propagandatour in den Vereinigten Staaten, die Sammlung von Geldmitteln zur Auswanderung der Jüdinnen und Juden aus Deutschland, Reden und ein eigener Radiosender waren die Vorhaben. Ein gemietetes Flugzeug oder auch ein Wohnwagen sollten dem Anführer der Bewegung Mobilität und Präsenz garantieren.20

Der Aufenthalt in Paris stand ganz unter dem Zeichen dieser Ideale, betont durch die Rekonversion zum jüdischen Glauben am 24. Juli 1933 in der Union Libérale Israélite mit Marc Chagall (1887–1985) und Albert Einsteins (1879–1955) Schwiegersohn Dimitri (David) Marianoff als Zeugen. Die Zeitungen schrieben über die »angeblichen Ceremonien und die Anwesenheit von ›Tout Paris‹ bei meinem sogenannten Rücktritt zur jüdischen Religion«,21 so die Einschätzung Schönbergs zur Berichterstattung. Im Brief an Alban Berg erwähnte er als Anwesende nur den Rabbiner, seine Frau Gertrud und Dimitri Marianoff.22

Moses und Aron und das Sprechdrama Der Biblische Weg (1926/27) unterstrichen den Wiedereintritt in die jüdische Glaubensgemeinschaft; den Prosatext um das Schicksal des jüdischen Volks kündigte der Komponist im Mai 1933 Max Reinhardt (1873–1943) als »zur Eröffnung eines Propagandafeldzuges« geschrieben an: Schönberg wollte Reinhardt dafür gewinnen, mit dem Stück »propagandistisch auf das jüdische Publikum zu wirken«, Reinhardt sollte dafür »Aufführungen in Deutscher, Englischer und Französischer Sprache inscenieren«, denn es müsste »das Judentum der ganzen Erde für diese Bewegung entflammt werden«.23

Im Herbst 1933 zeichnete sich eine Strategie für Arnold Schönbergs eigene Zukunft ab: »dass ich nach Amerika gehe, ist erst am 1. Oktober so fix gewesen, dass ich selbst es glauben konnte.«24 Am 25. Oktober verließ er mit seiner Familie Frankreich. »Arrived New York Oktober 31, 1933«,25 so titelt eine Seite des Fotoalbums für Nuria. Sie zeigt nur ein Bild: Gertrud Schönberg in Mantel und Hut, Arnold Schönberg im dunklen Anzug mit weißem Stecktuch, in der Mitte die kleine Nuria, im weißen Mantel, mit weißem Hut und weißen Schuhen. Aufgenommen auf der »Île de France« – das offizielle »Ankunftsbild« der Familie Schönberg in den Vereinigten Staaten. Es kündigte die europäische Komponisteninstanz an, deren österreichische Wurzeln der US-amerikanischen Berichterstattung offenbar nicht bekannt waren. Die Headline der New York Evening Post von 1. November 1933 lautete: »›Lion‹ Schoenberg – A Lamb at Home. Noted German Composer, Who Likes Hisses, Quietly Resumes Career Here.«26 Das New York Evening Journal wusste am selben Tag zu schreiben: »Mr. and Mrs. Arnold Schoenberg and their daughter, Nuria, are shown as they arrived aboard the S. S. Ile de France. Schoenberg, the famous German composer, plans to live in America and to teach music in New York and Boston.«27 Am 6. November 1933 sprach der Boston Traveler von »Exiled Composer Here Calls Modern Jazz Passe«,28Musical America schrieb am 10. November 1933 unter »The Enigma of Modern Music Arrives«,29 ein anderes Blatt titelte mit »Germany Loses, America Gains« und führte aus: »Exiled by cruelty and antisemitic antics of Hitlerite Germany, Arnold Schoenberg, noted German composer, has come to the U. S., where he plans to establish his residence and teach music. He’s shown aboard the Ile de France, with his wife and daughter.«30

Schönberg unterrichtete am Malkin Conservatory in Boston, wo die Familie lebte, und in New York, 1934 hielt er auch Vorträge an der University of Chicago. Ein Bericht an Anton Webern vom 12. April 1934 gibt Einsicht in die durch die Ortswechsel Boston – New York verursachten Strapazen. Schönberg war durch die ständigen Reisen »ununterbrochen krank und es wurde immer ärger«.31 Schließlich zog die Familie nach New York. Auch im neuen Wohnort warteten Unterricht, Besuche und Besprechungen, doch das war »alles nichts gegen die Arbeit der letzten 5 Monate«.32 »Das alles hat mich so heruntergebracht. Jetzt gehts mir viel besser, aber noch nicht gut«,33 so das Resümee.

Nuria in Chautauqua (NY), September 1934

Eine deutliche Verbesserung brachte die Übersiedlung an die Westküste: »Wenn Du eine Ahnung hättest, wie schön es hier ist!«,34 so der Bericht an Webern im November 1934. »Das ist die Schweiz, die Riviera, der Wienerwald, die Wüste, das Salzkammergut, Spanien, Italien – alles ist hier auf einem Platz zusammen. Dabei kaum ein Tag – angeblich auch im Winter – ohne Sonne.«35 Die erste Zeit in Los Angeles unterrichtete Schönberg privat, 1935 und 1936 hatte er an der privaten University of Southern California (USC) eine Gastdozentur für Komposition inne, von 1936 bis 1944 war er Professor an der staatlichen University of California, Los Angeles (UCLA).

In Schönbergs viel zitierter Rede Ins Paradies vertrieben (1934) prallten die ehemalige und die aktuelle Lebenswelt aufeinander. Schönberg war ein Flüchtender vor dem Naziterror, vertrieben dorthin, wo man »aufrecht gehen darf und das Haupt erhoben tragen kann; wo Freundlichkeit und Fröhlichkeit herrschen, wo es eine Freude ist zu leben und eine Gnade Gottes, ein Verbannter aus einem anderen Land zu sein«.36 Aus diesen Worten spricht große Dankbarkeit. Die Sorge, nicht in den Vereinigten Staaten bleiben zu können, erschwerte dennoch den Alltag und der Existenzaufbau kostete Kraft.

Im Jänner 1936 berichtete Schönberg von ununterbrochener Übermüdung; enorm war die Arbeit, die er geleistet hatte. Er hielt sechs wöchentliche Sommerkurse an der Universität mit 60 Schülern, wo er »in 60 Stunden ausschüttete, was« er »nur geben konnte; dann arbeitete« er »an einem Violin-Konzert […]; dazu 3 Radio-Vorträge, englisch (immer sehr aufregend); und die Qual, ein Thema für 15 Minuten zu finden, sich auf die zu beschränken und sie doch auszufüllen; Was nicht leicht ist, da man wie zu Kindern sprechen muss«.37 Dazu kam die Aufregung um den nur begrenzt genehmigten Aufenthalt, ein weiterer Verbleib in den Vereinigten Staaten schien unwahrscheinlich. »In letzter Minute fand ich Hilfe, dank deren ich am 13. November (nachdem mein Visum schon am 31. Oktober abgelaufen war) eine permanente Aufenthaltsbewilligung erlangte.«38 Den »Brotneid« empfand Schönberg »hier heftiger als in Europa und jeder kleinste Harmonielehrer«39 sah in ihm »einen Konkurrenten«, und das »hinauf bis in die ›höchsten‹ Kreise, über deren Niveau« man sich »sehr wundern« würde. Im Brief an Webern wollte er kein »Raunzer« sein, doch der Tonfall blieb gedämpft und als einzig erfüllend nach den ernüchternden Ereignissen und der ermüdenden Arbeit erachtete Schönberg, Selbstporträts zu zeichnen, »um die Zeit totzuschlagen«.40

Das »daily life« indes nahm neue Formen an: 1936 übersiedelte die Familie von der ersten Adresse in Hollywood (5860 Canyon Cove) in ein Haus in Brentwood Park, 116 North Rockingham Avenue, Los Angeles. Dort schlängelt sich der Sunset Boulevard von Hollywood über Beverly Hills und Bel Air kommend die blumigen Hügel Richtung Pazifik hinunter. In einer der Kurven, nahe Pacific Palisades und gemessen an der Größe der Stadt in Reichweite der Küste, läuft rechts die schmale Straße North Rockingham weg. Bis zur Geburt ihres Bruders Ronald im Jahr 1937 blieb Nuria das einzige Kind des Paares, im Vergleich zu ihren Brüdern erlebte sie ihren Vater auch im intellektuellen Austausch. Das gemeinsame Hören und das Lesen von Musik zählen zu ihren schönsten Erinnerungen.

An ihren »dear sweet good dad« richtete die Tochter im Alter von etwa acht Jahren einen Geburtstagsgruß, den ein von Kinderhand gezeichneter Kuchen mit brennenden Kerzen obendrauf ziert: »Good Wishes / dear dad nobody / shall be mad. / I will not be bad / oh no! my dear / sweet good dad!«41

Jahre später, zu Arnold Schönbergs 75. Geburtstag am 13. September 1949, verfasste die nun 17-Jährige abermals ein Gedicht:

DEAR DADDY:

Today the world looks up to you,

And many bow their heads in awe;

Catholic, Protestant, and Jew,

Doctors of Medicine, Music, and Law,

ALL MEN KNOW YOUR WORTH.

Thinkers and philosophers,

Newsmen and the Gossipers,

Jailbirds and Songbirds,

And users of long words,

THEY KNOW THE DATE OF YOUR BIRTH.

So everyone joins today,

Each one in his way,

Verbally, written, or sung,

Every musicians tongue

Now cries out: HAPPY BIRTHDAY!

Therefore, I, of course, do add,

Yes, best wishes to my dad!

*

Fifty years plus twenty-five,

Is the time you’ve been alive,

Verily, it must be true,

Everyone does honor you!

P. S. What would happen if you wrote music as I write poetry? I fear I have not long to live. N. S. Love and Kisses on this, your 75th Birthday, from a terrible poet, but loving daughter, Nuria42

Der 75. Geburtstag brachte Schönberg nicht nur die charmante Poesie seiner Tochter, sondern auch den Ehrentitel »Bürger der Stadt Wien«. Die unter Bürgermeister Theodor Körner (1873–1957) aus Wien versandte Urkunde empfing Schönberg mit »Stolz und Freude«,43 am 5. Oktober 1949 entgegnete er: In den letzten Jahren seines Lebens schien er mit Wien versöhnt zu sein über ein »erneutes Band«, das ihn »dem Platz, der Natur, dem Wesen wieder« annäherte, »wo die Musik geschaffen wurde«, die er »immer so geliebt«44 hat. Los Angeles würdigte Arnold Schönberg am 13. September 1949 über die »International Society of Contemporary Music« (»Internationale Gesellschaft für Neue Musik«, IGNM) mit einem Konzertabend, bei dem die Phantasy for Violin with Piano Accompaniment op. 47 mit Adolph Koldofsky (1905–1951) und Leonard Stein (1916–2004) uraufgeführt wurde.

Zwischen Nurias Glückwunschkarten lagen für Arnold Schönberg Jahre von Zuversicht und Enttäuschung. Lebens- und Kraftzentrum war ihm die Familie. Am 13. Juli 1951 verstarb er in seinem Haus in Brentwood Park, Nuria war neunzehn Jahre alt. Kurz davor, am 2. Juli 1951, wurde im Rahmen der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik der Tanz um das Goldene Kalb aus Moses und Aron unter Hermann Scherchen erstaufgeführt. Die konzertante Uraufführung der gesamten Oper fand am 12. März 1954 unter Hans Rosbaud (1895–1962) in Hamburg statt. In diesem Jahr trat Nuria ihre erste Reise nach Europa an – eine Fügung: Im Rahmen der Moses-und-Aron-Uraufführung lernte sie Luigi Nono (1924–1990) kennen. 1955 heirateten die beiden und zogen nach Venedig, die Töchter Silvia (*1959) und Serena Bastiana (*1964) wurden geboren. Nach Luigi Nonos Tod im Jahr 1990 gründete seine Frau das Luigi Nono Archiv, 2006 erfolgte dessen Verlegung in das ehemalige Kloster Santi Cosma e Damiano auf der südlich der Altstadt von Venedig gelegenen Insel Giudecca.

In den Vereinigten Staaten hatte Nuria an der UCLA Biologie studiert, ihre wirkliche Leidenschaft aber galt dem Archivwesen. Sie machte dieses Fach zum Beruf und widmet nun seit vielen Jahren Können, Ideenreichtum und Umsicht den Werken Arnold Schönbergs und Luigi Nonos. Auf die Frage, ob sie dadurch nicht das »eigene« Leben verliere und es nicht eine Last sei, die Lebensbeschäftigung in der Wahrung der Lebensgeschichten anderer zu finden, antwortet sie mit energisch blickenden Augen: »Nein, das ist keine Bürde und ich mache das auch nicht nur aus Liebe. Ich habe mich intensiv mit dem Archivwesen auseinandergesetzt, es ist mir wichtig, dementsprechend zu arbeiten. Das genau ist mein Leben. Alle anderen Annahmen empfinde ich als Beleidigung. Und es ist ein Glück, einen so fantasievollen und liebenswürdigen Vater zu haben.«

Mit Wissen, Klugheit und Empathie hält Nuria Schoenberg-Nono das Erbe Arnold Schönbergs und Luigi Nonos lebendig, sie ist um publikumsnahe Strategien der Werkvermittlung bemüht, die immer am Kern des Bedeutsamen bleiben. Wie sie selber sagt, geht ihr diese Tätigkeit leicht von der Hand. 1967, nach dem Tod ihrer Mutter Gertrud Schönberg, fuhr Nuria, die Manuskripte ihres Vaters in der Tasche, in Begleitung ihres Mannes von Brentwood Park zu einem weit entfernt gelegenen Copyshop – das Material musste vervielfältigt werden. Ein kurioses Bild: Die Handschriften eines Komponisten, der als bahnbrechende Größe das Jahrhundert revolutionierte, ungesichert in einem Auto quer durch Los Angeles, das Material »eskortiert« von der Tochter und deren Ehemann, einer anderen Größe dieser Zeit.

Ein besonderes Dokument der Verbindung von Nuria Schoenberg-Nono zu Leben und Werk des Vaters ist die Zusammenschau Arnold Schönberg 1874–1951. Lebensgeschichte in Begegnungen45 – ein Gang durch die Zeiten über Fotografien, Dokumente, Briefe und Erinnerungsstücke. Die Tochter kennt die Archivalien des Vaters präzise, ihre »Lieblingsobjekte« sind Adressbücher, die über Namen und Begegnungsorte vom Leben Arnold Schönbergs erzählen. Nuria Schoenberg-Nonos Konsequenz in der Dokumentation der Geschichte ihres Vaters ist bemerkenswert; nie soll »Zensur« oder ein Ausklammern von Fakten hier auch nur die Spur eines Schattens werfen, um Unangenehmes zu verdecken: »Ich will kein Monument aus einem Menschen machen«, so ihre Herangehensweise.

Ronald

Mit der Machtergreifung Hitlers in Deutschland erfolgte 1933 die erste durch den Nationalsozialismus ausgelöste Fluchtbewegung von Europa in die Vereinigten Staaten, die sich in der seit 1929 noch nicht abgeklungenen Weltwirtschaftskrise befanden, welche erst sukzessive durch Franklin D. Roosevelts (1882–1945) Politik des »New Deal« zurückgedrängt werden konnte. Dieser Umbruch in der amerikanischen Wirtschafts-, Sozial- und Politikgeschichte linderte in der ersten Phase der Krise die unmittelbarste Not. 1935 startete die zweite Phase mit gezielten Reformen in Richtung Arbeiterschaft. Als größte Bundesbehörde der Vereinigten Staaten wirkte die »Works Progress Administration« (WPA) dem Arbeitslosenproblem entgegen, eine allgemeine Verbesserung der Beziehungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite (»National Labor Relations Act«) sowie die Einrichtung einer Arbeitslosen-, Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung (»Social Security Act«) etablierten neue Standards. Weitere Gesetze förderten den Wohnbau und ließen auf faire Arbeitsbedingungen hoffen.

Die wirtschaftliche Lage beschränkte die Arbeitsmöglichkeiten amerikanischer wie exilierter Musikschaffender und Musikausübender, die Bedingungen für die Immigrantinnen und Immigranten waren zu Beginn der 1930er-Jahre noch dementsprechend ungünstig. Ihnen kam unter den staatlich gesetzten kulturpolitischen Maßnahmen das 1935 formierte »Federal Music Project« (FMP) zugute,46 welches einerseits Musikerinnen und Musiker unterstützte, andererseits Personen jeden Alters und aller Klassen Zugang zur Musik verschaffte. Das »Federal Music Project« war eines von fünf Programmen des als Teil der »Work Progress Administration« eingerichteten »Federal Project Number One«.47 Der Ausbau des Musikunterrichts an Schulen, Radioprogramme und die Einrichtung von Musikbibliotheken waren ebenso Strategien wie die Zusammenstellung von Orchestern und Ensembles oder das Abhalten von Musikfestivals.

Auch an Arnold Schönberg trat die Organisation des »Federal Music Project« heran. Am 10. Oktober 1936 entgegnete der Komponist der United States Works Progress Administration: »I had and have still to work so much that I do not find the time to write letters and I use the occasion of a cancelled tennis apointment [sic!] (my only recreation) to answer you. I would like to come as often as posible [sic!] to these interesting concerts which I consider a very good work for the development of music in California.«48 Im Falle eines Dirigats bat Schönberg um genügend Probenzeit und sprach von ein oder zwei eigenen Werken, der restliche Teil des Programms könnte einem anderen Dirigenten überlassen werden.49 Am 17. Februar 1937 dirigierte er tatsächlich im Trinity Auditorium in Los Angeles das »Federal Music Project«-Orchestra zu Pelleas und Melisande op. 5 (1903), Alois Reiser (1887–1977) übernahm Nikolai Rimski-Korsakows (1844–1908) Scheherazade op. 35 und Carl Maria von Webers (1890–1953) Ouvertüre zu Oberon. Am 14. April 1937 wurde Pelleas und Melisande im Rahmen des »Los Angeles Federal Music Project Symphony Concert« im Trinity Auditorium wiederholt, im ersten Teil dieses Abends dirigierte Gerald Strang (1908–1983) das »Scherzo Jazzoso« American Life von Adolph Weiss (1891–1971), Oscar Levants (1906–1972) Nocturne, den zweiten Satz einer eigenen Suite for Chamber Orchestra und Anton Weberns Passacaglia op. 1.50

Nicht nur mit den Errungenschaften der Politik Roosevelts kam Schönberg im Los Angeles der 1930er-Jahre in Berührung, auch die Gegenwelt Hollywood rückte in sein Gesichtsfeld und mit ihr Schauspielerinnen und Schauspieler, Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren sowie Menschen, die für den Film komponierten oder die Filmmusik interpretierten.

Über Schönbergs Stelldichein mit dem »movie business« wusste die Schauspielerin und Drehbuchautorin Salka Viertel (1889–1978) zu berichten: In ihrem Haus in der Marbery Road in Santa Monica holte die Schwester des Schönberg-Pianisten Eduard Steuermann (1892–1964) die Stars von Hollywood und Größen in Musik, Literatur und Kunst an einen Tisch. Die Tarzan-Legende Johnny Weissmüller (1904–1984), das Pianisten-»Enfant terrible« Oscar Levant, die US-amerikanische Schauspielerin Miriam Hopkins (1902–1972) oder die MGM-Komponisten Dimitri Tiomkin (1894–1979) und Bronislaw Kaper (1902–1983) waren dort oft zu Gast, auch Arnold und Gertrud Schönberg und Otto Klemperer (1885–1973) kamen hinzu.51 In Schönbergs Hollywood-Episode war Salka Viertel selbst involviert: Irving Thalberg (1899–1936), Produzent und »Boy Wonder« im Filmbusiness, fand Verklärte Nacht »entzückend« und wollte den Komponisten als Musiklieferanten für den Film The Good Earth gewinnen.52 »Ich wusste, dass Schönberg Geld brauchte – er gab Unterricht, was ihn von der schöpferischen Arbeit fernhielt«,53 so Salka Viertel. Sie vermittelte zwischen Schönberg und den Filmleuten, denen die »Untermalungs-Musik« 25.000 Dollar wert war.54 Gertrud Schönberg gab die letzte Forderung ihres Mannes telefonisch durch, nämlich dass »der Preis für die Prostitution« sich auf 50.000 Dollar »verdoppelt« hätte.55 Das war das Ende der Verhandlungen.

Alma Mahler gegenüber meinte Arnold Schönberg am 23. Jänner 1936, er hätte beinahe eingewilligt, »eine Musik zu einem Film zu schreiben« und »glücklicherweise $ 50.000 verlangt, was, ebenfalls glücklicherweise, zu viel war«, denn er »wäre darüber zugrunde gegangen«.56 Nur, »wenn ich es doch überlebt hätte«,57 so Schönberg weiter, »würden wir – bescheiden allerdings – immerhin eine Reihe von Jahren davon haben leben können, was bedeutet haben würde, dass ich endlich wenigstens meine angefangenen kompositorischen und theoretischen Werke hätte bei Lebzeiten vollenden können, wenn auch, nichts Neues mehr anfangen«.58 Der Hollywood-Kelch ist an Schönberg vorübergegangen, die Skizzen einer Begleitmusik zu The Good Earth blieben ein Relikt. 1937 kam der Film auf den Markt, Herbert Stothart (1885–1949) und Edward Ward (1900–1971) schrieben die Musik. So liefen die Geschicke an einem Ort, der »fortwährend goldene Berge« versprach, »die sich schliesslich als saure Trauben« erwiesen.59

Die Hollywood Studios führten 1935 auch zu einem persönlichen Treffen mit Charlie Chaplin (1889–1977), der einen »offenen und wortkargen kleinen Mann« wahrnahm, dessen Musik er »sehr bewunderte« und den er »regelmäßig bei Tennisturnieren in Los Angeles getroffen hatte, alleine auf der Tribüne sitzend, bekleidet mit T-Shirt und weißer Mütze«.60 Tennis war Schönbergs Leidenschaft und »Rekreation«, ob selber spielend oder nur beobachtend. Und es war das Tennisspiel, das Schönbergs Sohn Ronald ganz besonders mit seinem Vater verband – vielleicht als Wink des Schicksals bereits vom ersten Lebenstag an: Arnold Schönberg war gerade mit George Gershwin (1898–1937) auf dem Tennisplatz, als Rudolf Ronald am 26. Mai 1937 in Santa Monica geboren wurde. Oscar Levant initiierte die persönliche Bekanntschaft zwischen Schönberg und Gershwin, daraus erwuchs eine tiefe Freundschaft. George Gershwin, dessen Bruder Ira (1896–1983) und die Schwägerin Leonore (Lee) Gershwin (1900–1991) bezogen im August 1936 ein nobles Anwesen in Beverly Hills. Häufig war Schönberg dort zu Gast, der Tennisplatz spielte eine wichtige Rolle.

Schönbergs Sohn Ronald zeigte am Tennisplatz großes Talent, das er in jungen Jahren an den Wänden des Familienhauses in Brentwood ausspielte. In der Jugend verfolgte Ronald eine professionelle Tenniskarriere: Mit fünfzehn Jahren wurde er für das nationale Juniorenturnier der Vereinigten Staaten als Erster aufgestellt, er verlor jedoch im Halbfinale und im Finale des Doppels. Die meisten großen Turniere in Südkalifornien aber gewann Ronald. Später brachte ihm sein Können ein Tennisstipendium der Notre Dame University. Seinen Vater, der gerne im La Cienega Tennis Center war, hatte er nie in Tennisaktion gesehen; als Ronald seine Turnierkarriere startete, konnte Arnold Schönberg diesem Sport nicht mehr nachgehen. Umso intensiver verfolgte er die Partien seines Sohnes: Schönberg entwickelte ein Aufzeichnungssystem und hielt die Turnierverläufe fest. So wurde ein Match »archiviert« und war technisch, strategisch und spielpsychologisch analysierbar. Dass Ronald um 1951 als junger Meister seine Pokale auf dem Ibach-Flügel seines Vaters präsentierte und dabei gewinnend in die Kamera lächelte, gibt ein bezauberndes Bild für die Verbindung zwischen Vater und Sohn wieder. Die Liebe zu diesem Sport war ein kräftiges Band zwischen Vater und Sohn, an den am 13. September 1937 eine Nachricht ging (»Father’s Message to Child«):

Am 26. Mai 2000 wirst du so alt sein, wie ich heute bin, genau 63 Jahre. Das ist ein gutes Zeichen für einen der an Zahlen glaubt. Vielleicht wird man zu dieser Zeit vieles von dem wissen, was wir heute »bloß« glauben. Vielleicht wird man es als Aberglauben bezeichnen. Jedenfalls wäre es interessant zu wissen, wie alles dann sein wird. Und das wäre ein Grund, warum ich gerne 126 Jahre (1+2+6=9=6+3) werden [will]. Aber vor Allem um zu wissen was aus dir und der süssen Nuria worden ist.61

Fotografien von Ronald existieren ab Mai 1937, sie zeigen in kleinen Serien das neugeborene Baby, später den heranwachsenden Knaben. Oft sind Haus und Garten die Umgebung, dann und wann ist der Bernhardiner »Snowy« oder auch der dunklere Hund »Roddie« mit von der Partie. Kommt Arnold Schönberg in das Bild, so ist sein Blick liebevoll. Die Freude über die Kinder steht ihm groß in das Gesicht geschrieben, die Szenen sind entspannt und offen. Zum besten Ort für die Familie hatte sich Brentwood gemacht: »Wir haben ein wunderschönes Haus mit einem Garten gefunden, das relativ sehr billig ist, das wir aber nur für ein Jahr haben können, weil es verkauft werden soll. Das ist allerdings ein Haken«,62 schrieb Schönberg 1936 an seine Tochter Gertrude. Mit der Übersiedlung dorthin konnten endlich auch die Möbel zugestellt werden, die für ungefähr 1.200 Dollar über zwei Jahre gelagert waren.63 Aufzubringen war diese Summe einzig »durch einen Schüler«, der »das Honorar für ein ganzes Jahr zu diesem Zweck aus eigenem Antrieb« vorauszahlte, sodass Schönberg »ihn dafür nur zu unterrichten«64 hatte. Im Frühjahr 1937 konnte Arnold Schönberg das Haus in Brentwood zu günstigem Preis und in gestaffelten Rückzahlungen kaufen.

Im weitgefassten Zeitraum um Ronalds Geburt war Schönbergs Schaffen von den ersten großen Instrumentalwerken in den Vereinigten Staaten bestimmt. Der Kompositionsbeginn zum Concerto for Violin and Orchestra op. 36 führt vermutlich in das Jahr 1934, im September 1936 beendete Schönberg das dem »lieben Freund und Kampfgenossen Dr. Anton von Webern« gewidmete und von Louis Krasner (1903–1995) unter Leopold Stokowski (1882–1977) 1940 aus der Taufe gehobene Stück. Ein zwölftöniges ausladendes Konzert, thematisch dicht und klanglich rau. Noch in die Arbeit zum Violinkonzert fügte sich die von 27. April bis 26. Juni 1936 rasant laufende Fertigstellung des Fourth String Quartet op. 37.

In Österreich spitzte sich inzwischen die Lage für die jüdische Bevölkerung zu und nahm mit dem »Anschluss« im März 1938 katastrophale Ausmaße an. Der Weg in die Nazi-Diktatur ging über das 1933 unter Engelbert Dollfuß (1892–1934) errichtete autoritäre Regime: Im Februar 1934 schraubte sich der politische Gegensatz zwischen Regierung und Sozialdemokratie in den Bürgerkrieg, am 1. Mai 1934 erließ Dollfuß die ständische Verfassung, wonach das Parlament durch Vertreter aller Berufsgruppen, der Stände, ersetzt wurde. Nach Dollfuß’ Ermordung durch die Nationalsozialisten im Juli 1934 führte Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (1897–1977) die faschistoide Diktatur, ab 1936 nannte er sich »Bundeskanzler und Frontführer«. Mit dem Abkommen vom 11. Juli 1936 zwischen Österreich und dem »Deutschen Reich« wurde die Selbstständigkeit Österreichs zwar formell anerkannt, gleichzeitig wurden österreichische Nationalsozialisten amnestiert. Dies markiert den Beginn des »deutschen Wegs«, in welchem Österreich einer deutschfreundlichen Außenpolitik zustimmte und nationalsozialistisch wie völkisch orientierte Kräfte der österreichischen Politik Richtung geben konnten (»Anschluss von innen«). Schnell entschied sich das Kräftemessen: Die am 9. März 1938 von Schuschnigg für den 13. März anberaumte Volksbefragung zum weiteren Fortgang Österreichs scheiterte am Ultimatum des »Deutschen Reichs« (11. März 1938). Schuschnigg trat zurück, die nationalsozialistische Regierung Arthur Seyß-Inquarts (1892–1946) wurde gebildet. Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen ohne Widerstand in Österreich ein, am 15. März 1938 verkündete Hitler am Wiener Heldenplatz seine umjubelte »Vollzugsmeldung«.

Arnold Schönberg »Daddi« mit Nuria und Ronald im Garten in Brentwood, ca. 1941

Von 1. August bis 22. September 1938 arbeitete Arnold Schönberg in Los Angeles an seinem Kol Nidre op. 39. Der Kol-Nidre-Gottesdienst führt in das Versöhnungsfest Jom Kippur und bereitet den höchsten jüdischen Feiertag vor. Am 4. Oktober 1938, dem Vorabend zu Jom Kippur, leitete Schönberg in der Synagoge des Auftraggebers Jacob Sonderling (1878–1964) die Uraufführung des Stücks. Noch im selben Monat entwarf er über den Essay A Four Point Program for Jewry eine Notstrategie zur Rettung der Jüdinnen und Juden in Europa. Kurz darauf, in der Nacht von 9. auf 10. November 1938, standen auf Anordnung von Propagandaminister Joseph Goebbels (1897–1945) die Synagogen im nunmehrigen »Großdeutschen Reich« in Brand.

Schönbergs Alltag war vom akademischen Leben erfüllt, auch nahm er 1939 die Arbeit an der kurz nach Beendigung der Kammersymphonie op. 9 im Jahr 1906 begonnenen Zweiten Kammersymphonie op. 38 wieder auf. Der Anstoß zu ihrer Vollendung kam von Fritz Stiedry (1883–1968), der am 15. Dezember 1940 in der New Yorker Carnegie Hall mit dem Orchestra of the New Friends of Music die Erstaufführung leitete. Schönberg befand sich in einer Phase, in der er verstärkt wieder tonal komponierte, an Kol Nidre op. 39 (1938), der Zweiten Kammersymphonie op. 38 (1939) und den Orgelvariationen op. 40 (1941) ist dies zu hören.

Bleibt man im Jahr 1940, so tut sich während Schönbergs Reisetätigkeit für ein Konzertdirigat und einen Vortrag in New York über das Schreiben von Briefen ein Blick in das Familiengefüge auf. Die ersten Zeilen gingen kurz nach der Abfahrt am 13. November 1940 um 12 Uhr mittags aus dem Zug an die »Liebste Trude«, die »Liebste Nuria« und den »Liebste[n] Rundi«, wie er den kleinen Ronald liebevoll nannte:

Jetzt bin ich schon 16 Stunden von euch fort und das ist nur ein kleiner Teil der Zeit die ich abwesend sein werde. Das ist sehr unangenehm. Aber noch unangrnrhmrt [sic!] – fast, ist es in disem [sic!] wackligen Zug zu schreiben. Das ist nur ein Spass, aber es ist wirklich schwer – ich weiss nie welchen Buchstaben ich schreiben werde, weil mir die Maschine immer während des Schreibens davon rennt. Aber es ist ddoch [sic!] nicht so unangenehm, wie das [sic!] ich euch alle so lange nicht sehen werde.

Ich habe heute Nacht nicht viel geschlafen und bin darum ziemlich müde. Ich war alle Augenblicke wach, weil der Zug wackelt, als ob ein Erdbeben wäre.

Ich mache deswegen auch jetzt Schluss. Mir geht es gut und ich vermisse eure Busis [sic!]. Ihr müsst mir viele schicken.

Ich sende euch 100000000000 Bussis, Euer

Ani, Ini, Arnold Daddi65

Von unterwegs »en route nach New York« folgte am 14. November 1940 um 8 Uhr abends Weiteres an die »Liebste Trude«, die »Liebste Nuria« und den »Liebste[n] Rundi«:

ich schreibe heute abend, denn wer weiß, wann ich morgen dazu kommen werde. Den Brief gebe ich erst nach meiner Ankunft auf und telegraphiere bis ich meine Adresse weiss.

Neues ist nichts.

Bloß Altes: dass ich sehr bedaure euch nicht mitzuhaben.

Tausend Bussi

Ini-Ani-Arnold66

Und am 18. November, diesmal in geänderter Reihenfolge an den »Liebste[n] Rundi«, die »Liebste Nuria« und die »Liebste Trude«:

einmal muss jetzt jeder als erstes angeredet werden. Diesmal ist es Rundi, weil er bis jetzt immer der letzte war. Nächstens kommt dann einmal wieder die Nuria, die ja bis jetzt zweite war. Was werde ich aber tun, wenn wir vier sein werden – da werde ich lieber gar nicht von euch fortgehn oder euch alle mitnehmen. […]

Viele viele tausend Bussi jedem von euch. Euer Ani-Ini-Arnold67

In diesen Briefen wurde viel gescherzt und die Busserln flogen nur so hin und her. Kosenamen waren beliebt: Ronny wurde zum süßen »Rundi«, Nuria zur herzigen »Nullele Pullele«. Und so wie Nuria schrieb auch der kleine Ronny zu einem Geburtstag seines Vaters ein paar Zeilen »to Mr. Arnold Schoenberg from Rony«: Seinem »happy Birthday« stellte er als Zeichnung eine leuchtend gelbe Geburtstagstorte auf orangefärbigem Tablett mit rot flackernden Kerzen bei, dazu die lukullischen Verse: »ice cream is good cake is too, but best of all: I like you!«68

Heute führt Ronald Schoenberg durch das Haus, in dem sein Vater lebte und starb. Für die Besucherinnen und Besucher ist dieser Ort ein Museum, für Ronald Schoenberg und seine eigene Familie der Lebensort. Ronald erzählt Geschichten zu den im ehemaligen Arbeitszimmer des Vaters verbliebenen Fotografien und erläutert die Legenden der in Symbolen dargestellten Tennispartien. Die kleine Tour durch das Haus endet immer im Wohnzimmer, wo Arnold Schönberg Privatunterricht erteilte. Eines der wenigen im Haus verbliebenen Originale ist der Ohrensessel, in dem Schönberg während des Unterrichts saß.

In vielen Momenten seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, erzählt Ronald von der Verbindung zu zwei Freunden der Familie: Auf Arnold Schönbergs Wunsch wurde Ernst Krenek (1900–1991) Ronalds Firmpate. Krenek wusste beim ersten Kennenlernen von Baby »Rundi« noch nicht von der späteren Patenschaft; am 9. Jänner 1938 hielt er in seinem Tagebuch fest: »Nachm. bei Schönberg, etwas ungeordnete, zigeunerhafte Gesellschaft. Bis zu Tränen gerührt, als Schönberg seinen kleinen Jungen zu beruhigen suchte, als er weinte und schrie. Unvergeßlicher Eindruck.«69

Ronald und der Bernhardiner »Snowy« im Garten in Brentwood, 1940

Ein paar Jahre später erwies sich Hanns Eisler als Helfer in der Not: Im Mai 1942 erkrankte der knapp fünfjährige Ronny an Masern und Windpocken, hinzu kam eine akute Blinddarmentzündung. Ronny wurde umgehend in das Queen of Angels Hospital eingewiesen, wo man aufgrund der ansteckenden Krankheiten eine Operation verweigerte und ihn mit den besorgten Eltern in das General Hospital überstellte. Dort war es allerhöchste Zeit, das schmerzgeplagte Kind zu operieren. Durch die Rückzahlungen zum Haus und aufgrund nicht ausbezahlter Verlagshonorare war Schönbergs finanzielle Situation denkbar schlecht. Das Geld für die Operation fehlte.70 Hanns Eisler half und übernahm die Kosten.

Auf die Frage, ob es ein unangenehmes Pflichtgefühl wäre, immer noch im Haus in Brentwood zu leben und für die Vergangenheit des Vaters Präsenz und Verantwortung zeigen zu müssen, antwortet Ronald akkurat: »Nein, auf keinen Fall! Ich sage viel eher, es ist eine innere Freude! Ich liebe dieses Haus; so wie dies auch meine Geschwister tun.« Ob die physische Ähnlichkeit zu seinem Vater oft für Irritation sorge? »Nein, in den Vereinigten Staaten ganz und gar nicht. Im Vergleich zu Europa bedeutet Schönberg hier nicht sehr viel.«

Ronald Schoenberg ist am treffendsten über seine Unmittelbarkeit, Klarheit, Ruhe und Aufrichtigkeit beschrieben. Ein scharfsinniger Geist, der in wenigen Worten pointiert zu sagen weiß, was ihm wichtig erscheint, und der auf diese wenigen Worte auch gerne verzichtet. Humor und Understatement fehlen dabei nicht. Sinn für Gerechtigkeit und Empathie für die Mitmenschen zeichnen diesen Mann aus, der als Doktor der Rechtswissenschaften selbstständiger Rechtsanwalt und stellvertretender Staatsanwalt war, bis er als letzte berufliche Station unter höchstem Ansehen das Richteramt ausübte. »Ich kann über mich selber nicht urteilen«, so die Antwort auf Fragen seine Identität betreffend, »ich versuchte nie, irgendeine Identität hier zu kreieren oder solch einer zu entfliehen. Ich bin Schönbergs Sohn, das ist auch schon alles. Und ich bin kein Komponist – daher soll man mir dahingehend keine Fragen stellen, die ich nicht beantworten kann.«

1965 heiratete Ronald Schoenberg Barbara Zeisl (*1940), die in New York geborene Tochter des aus Wien über Paris nach Los Angeles geflüchteten österreichischen Komponisten Erich Zeisl (1905–1959). Die vier Kinder Eric Randol (*1966), Marlena Lorand (*1968), Frederic Roland (*1971) und Melanie Raldon (*1977) tragen als zweiten Vornamen jeweils ein Anagramm ihres Großvaters Arnold Schönberg. Die Kinder der Familie Zeisl-Schoenberg sind im Haus von Arnold und Gertrud Schönberg in Brentwood aufgewachsen. Die Eltern Barbara und Ronald leben noch heute dort.

Arnold und Gertrud Schönberg beobachten ihren Sohn Ronald beim Tennisturnier

Lawrence

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Franklin D. Roosevelt besiegte bei der Wahl im Jahr 1932 den republikanischen Amtsinhaber Herbert Hoover (1874–1964). 1936, 1940 und 1944 wurde Roosevelt wiedergewählt, bis dato ist er der einzige Präsident der Vereinigten Staaten, der mehr als zwei Wahlperioden amtierte. Außenpolitisch reagierte Roosevelt auf Hitlers expansive Machtpolitik: Nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 durch die deutsche Wehrmacht intensivierte Roosevelt seine Beziehungen zur britischen Regierung, er baute die Neutralitätsgesetzgebung ab und stockte die Hilfe für Großbritannien auf. 1940 bildete er den nationalen Verteidigungsrat, in seiner berühmten »Rede zur Lage der Nation« formulierte er im Januar 1941 die »Vier Freiheiten« (»Four Freedoms«): die Freiheit der Rede und Meinung, die Freiheit des Glaubens, die Freiheit von Not und die Freiheit von Furcht. Das »Leih- und Pachtgesetz« (»Land Lease Act«) von März 1941 ermächtigte den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu Kriegslieferungen an die Alliierten auch ohne Bezahlung. Nach dem Überfall auf Pearl Harbour am 7. Dezember 1941 reagierte Roosevelt mit der Kriegserklärung an Japan, die Kriegserklärungen Deutschlands und Italiens folgten.

Im November 1940 reiste Arnold Schönberg von Los Angeles nach New York, Columbia Records produzierte die erste Einspielung von Pierrot lunaire