Evermore - Das dunkle Feuer - Alyson Noël - E-Book

Evermore - Das dunkle Feuer E-Book

Alyson Noel

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Beschreibung

Endlich weiß Ever, was sie tun muss, um mit ihrer großen Liebe Damen zusammen sein zu können: Sie muss die Kontrolle über ihren Erzfeind Roman erlangen. Und ihn dazu bringen, den Fluch, den er über ihre Liebe zu Damen verhangen hat, außer Kraft zu setzen.

Doch für dieses Ritual ist schwarze Magie nötig. Und das bedeutet, dass Ever nicht nur sich selbst, sondern auch Damen in größte Gefahr bringt.

Band 4 der erfolgreichen Evermore-Serie von Alyson Noël.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

AURA-FARBEN

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

EINUNDDREISSIG

ZWEIUNDDREISSIG

DREIUNDDREISSIG

VIERUNDDREISSIG

FÜNFUNDDREISSIG

DANKSAGUNG

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Leseprobe

EINS

ZWEI

Impressum

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Über dieses Buch

Endlich weiß Ever, was sie tun muss, um mit ihrer großen Liebe Damen zusammen sein zu können: Sie muss die Kontrolle über ihren Erzfeind Roman erlangen. Und ihn dazu bringen, den Fluch, den er über ihre Liebe zu Damen verhangen hat, außer Kraft zu setzen.

Doch für dieses Ritual ist schwarze Magie nötig. Und das bedeutet, dass Ever nicht nur sich selbst, sondern auch Damen in größte Gefahr bringt.

Band 4 der erfolgreichen Evermore-Serie von Alyson Noël.

Alyson Noël

Evermore –Das dunkle Feuer

Aus dem Englischen vonMarie-Luise Bezzenberger

FÜR ROSE HILLIARD,

weil es absolut traumhaft ist,

mit ihr zu arbeiten,

und ich es ohne sie

nie geschafft hätte!

I beheld the wretch – the miserable monster whom I had created.

Mary Shelley, Frankenstein

AURA-FARBEN

Rot:

Energie, Kraft, Zorn, Sexualität, Leidenschaft, Furcht, Ego

Orange:

Selbstbeherrschung, Ehrgeiz, Mut, Bedachtsamkeit, Willensschwäche, apathisch

Gelb:

Optimistisch, glücklich, intellektuell, freundlich, unschlüssig, leicht zu beeinflussen

Grün:

Friedlich, heilend, Mitgefühl, hinterlistig, eifersüchtig

Blau:

Spirituell, loyal, kreativ, empfindsam, liebenswürdig, launisch

Violett:

Hochgradig spirituelle Weisheit, Intuition

Indigo:

Wohlwollen, hochgradig intuitiv, auf der Suche

Rosa:

Liebe, Aufrichtigkeit, Freundschaft

Grau:

Depression, Traurigkeit, Erschöpfung, wenig Energie, Skepsis

Braun:

Habgier, selbstbezogen, rechthaberisch

Schwarz:

Mangelnde Energie, Krankheit, unmittelbar bevorstehender Tod

Weiss:

Vollkommenes Gleichgewicht

EINS

Was?«

Haven lässt ihr Törtchen fallen, das mit dem rosa Zuckerguss, den roten Streuseln und der silbernen Papiermanschette. Ihre stark geschminkten Augen forschen in meinen, während ich mich auf dem belebten Platz umsehe und mich innerlich krümme. Sofort bereue ich meinen Entschluss, ausgerechnet hierher zu kommen. Dumm genug von mir zu glauben, ein Ausflug an einem schönen Sommertag zu ihrem Lieblingscafé, dem mit den leckeren Törtchen, wäre die beste Methode, es ihr beizubringen. Als könnte dieses kleine Erdbeertörtchen ihr die Eröffnung irgendwie versüßen. Jetzt jedoch wünsche ich mir nur, wir wären im Auto geblieben.

»Innenlautstärke bitte.« Ich versuche, das ganz locker klingen zu lassen, höre mich aber stattdessen an wie eine missmutige Lehrerin.

Sie beugt sich vor, streicht sich ihren langen, platinblond gesträhnten Pony hinters Ohr und kneift die Augen zusammen.

»Wie bitte? Tickst du noch ganz richtig? Ich meine, du knallst mir hier den totalen Hammer hin, und ich meine wirklich den Megahammer, Marke: Mir klingeln immer noch die Ohren, und mein Kopf dreht sich total –und du musst das irgendwie noch mal wiederholen, nur damit ich sicher bin, dass du wirklich das gesagt hast, was ich glaube. Und das Einzige, weswegen du dir einen Kopf macht, ist, dass ich zu laut rede? Soll das ein Witz sein?«

Ich schüttele den Kopf und schaue mich um, dann schalte ich auf Schadensbegrenzung. »Es ist nur ...«, dränge ich mit gedämpfter Stimme. »Das darf niemand wissen. Es muss unbedingt geheim bleiben. Das ist unumgänglich!« Zu spät wird mir klar, dass ich mit genau dem Menschen rede, der noch nie fähig war, irgendjemandes Geheimnisse zu bewahren, schon gar nicht ihre eigenen.

Sie verdreht die Augen und rutscht auf ihrem Stuhl nach hinten, während sie vor sich hin brummelt. Ich nehme mir einen Moment Zeit, sie genau zu betrachten, und bin entsetzt, als ich sehe, dass die Zeichen bereits sichtbar sind: Ihre blasse Haut leuchtet und ist vollkommen rein und außerdem praktisch porenlos, während ihr braunes Haar mit der blonden Strähne so glänzt und strahlt wie in einer teuren Shampoowerbung. Sogar ihre Zähne sind ebenmäßiger, weißer, und unwillkürlich frage ich mich, wie das so schnell passieren konnte, mit nur ein paar kleinen Schlucken Elixier, da es bei mir doch so viel länger gedauert hat.

Mein Blick wandert weiter über sie, während ich tief Luft hole und mich kopfüber hineinstürze. Mein Versprechen vergesse, nicht die geheimsten Gedanken meiner Freundin zu belauschen, während ich mich bemühe, mehr zu erkennen, einen Blick auf ihre Energie zu werfen, die Worte zu hören, die sie für sich behält ... Ich bin mir sicher, wenn Lauschen jemals gerechtfertigt war, dann jetzt.

Doch anstelle meines üblichen Platzes in der ersten Reihe finde ich eine unüberwindliche Mauer vor, die mir den Zugang verwehrt. Selbst nachdem ich ganz beiläufig die Hand ausstrecke, ihre Fingerspitzen mit meiner antippe und so tue, als interessierte ich mich für den silbernen Totenschädelring, den sie trägt, komme ich nicht weiter.

Ihre Zukunft ist vor mir verborgen.

»Das ist einfach so ...« Sie schluckt heftig und sieht sich um, betrachtet den plätschernden Springbrunnen, die junge Mutter, die einen Kinderwagen schiebt und dabei in ihr Handy brüllt, die Mädchen, die aus einem Geschäft für Badebekleidung kommen, die Arme voller Tüten. Schaut so ziemlich überallhin, nur nicht in mein Gesicht.

»Ich weiß, es ist ganz schön krass, aber trotzdem ...« Ich zucke die Achseln; mir ist klar, dass ich das sehr viel besser rüberbringen muss, aber ich weiß nicht recht, wie.

»Ganz schön krass? So siehst du das also?« Sie trommelt mit den Fingern auf die Armlehne des grünen Metallstuhls, während sie mich fragend ansieht.

Ich seufze und wünsche mir, ich hätte das hier besser hingekriegt, wünsche mir, ich könnte das alles ungeschehen machen, aber dafür ist es zu spät. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich mit diesem Chaos auseinanderzusetzen, das ich angerichtet habe. »Ich habe wohl gehofft, du würdest es so sehen.« Wieder zucke ich die Achseln »Verrückt. Ich weiß.«

Sie atmet tief durch; ihr Gesicht ist so regungslos, so ruhig, dass man unmöglich etwas darin lesen kann. Das Schweigen hängt zwischen uns, so lange, dass ich gerade etwas sagen, gerade anfangen will, um Verzeihung zu bitten, als sie hervorstößt: »Im Ernst? Du hast mich zu einer Unsterblichen gemacht? So ... ganz echt?«

Ich nicke, und mein Magen ist ein einziges Nervenknäuel, als ich mich aufrichte und die Schultern straffe, mich für den Schlag wappne, der ganz sicher gleich kommen wird. Mir ist klar, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als hinzunehmen, was immer sie austeilt, sei es nun verbal oder handgreiflich. Ich habe nichts Geringeres verdient, dafür, dass ich ihr Leben, so wie sie es gekannt hat, in Trümmer gelegt habe.

»Ich bin einfach ...« Sie holt tief Luft. Ihre Aura ist unsichtbar und gibt keinerlei Hinweis auf ihre Stimmung, jetzt, da sie so ist wie ich. »Also ... ich stehe total unter Schock. Ich meine, ganz im Ernst. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Ich presse die Lippen zusammen, lasse die Hände in den Schoß sinken und fingere an dem kristallbesetzten Armband herum, das ich immer trage. Dann räuspere ich mich und sage: »Haven, hör zu, es tut mir so was von leid. So ... dermaßen ... unheimlich ... leid. Du hast ja keine Ahnung. Ich habe einfach ...«Ich schüttele den Kopf und weiß, dass ich langsam auf den Punkt kommen sollte, aber ich habe das Gefühl, ich muss meine Sicht der Dinge erklären ... die unmögliche Entscheidung, die zu treffen ich gezwungen war ... wie es sich angefühlt hat, sie so hilflos zu sehen, so bleich, an der Schwelle des Todes, jeder flache Atemzug hätte durchaus ihr letzter sein können ...

Doch ehe ich auch nur anfangen kann, beugt sie sich zu mir vor, die weit aufgerissenen Augen fest aufmeine gerichtet. »Spinnst du? Du entschuldigst dich echt, wenn ich hier sitze und mich so dermaßen freue, so was von total von der Rolle bin, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie ich dir jemals dafür danken soll!«

Hä?

»Ich meine, das ist doch so was von voll cool!« Sie grinst und hüpft auf ihrem Stuhl, während ihr Gesicht aufleuchtet wie eine Tausend-Watt-Birne. »Das ist echt das Allerallercoolste, was mir je passiert ist – und das verdanke ich ganz allein dir!«

Ich schlucke, schaue mich wieder nervös um und weiß nicht genau, wie ich reagieren soll. Das ist nicht das, was ich erwartet hatte. Nicht das, worauf ich mich gefasst gemacht hatte. Allerdings ist es so ziemlich genau das, wovor Damen mich gewarnt hat.

Damen ... Mein bester Freund, mein Seelengefährte, meine große Liebe. Mein unglaublich attraktiver, hinreißender, kluger, talentierter, geduldiger und verständnisvoller Freund, der wusste, dass das passieren würde, und mich aus genau diesem Grund gebeten hat, mitkommen zu dürfen. Aber ich war zu stur. Habe darauf bestanden, es allein zu machen. Ich bin diejenige, die sie verwandelt hat – ich bin diejenige, die ihr das Elixier eingeflößt hat –, also bin ich auch diejenige, die es ihr erklären sollte. Nur läuft das Ganze überhaupt nicht so ab, wie ich gedacht habe. Nicht einmal ansatzweise.

»Ich meine, das ist doch so ähnlich, wie ein Vampir zu sein, nicht wahr? Bloß ohne die Blutsaugerei?« Ihre funkelnden Augen suchen eifrig meinen Blick.

Ich stöhne auf und weiß genau, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als diesen Zug wieder auf die Schiene zu setzen, ehe er komplett entgleist.

Gerade will ich zu einer Erwiderung ansetzen, als sie hinzufügt: »Oh, und auch ohne das mit den Särgen und keine Sonne und so!« Ihre Stimme wird vor Begeisterung lauter. »Das ist ja so was von irre – als ob ein Traum wahr wird! Alles, was ich immer gewollt habe, ist endlich passiert! Ich bin ein Vampir! Ein wunderschöner Vampir, aber ohne all die ekligen Nebeneffekte!«

»Du bist kein Vampir«, entgegne ich. Meine Stimme ist dumpf und teilnahmslos, und ich frage mich, wie das Ganze sich so entwickeln konnte. »So was gibt es nicht.«

Nein, keine Vampire, keine Werwölfe, keine Elben, keine Feen – nur Unsterbliche, die sich dank Roman und meiner Wenigkeit zügig vermehren ...

»Kann ich trotzdem Törtchen essen?« Sie zeigt auf das Erdbeerteilchen, das geradezu danach schreit, gegessen zu werden. »Oder gibt’s da irgendwas anderes, was ich ...« Ihre Augen werden riesengroß, und sie lässt mir keine Zeit, zu antworten, ehe sie mit der flachen Hand auf den Tisch haut und kreischt: »O Mann – es ist dieser Saft, nicht wahr? Dieses rote Zeug, das ihr andauernd trinkt, Damen und du! Das ist es, wie? Also, worauf wartest du? Gib das Zeug schon her, machen wir’s amtlich. Ich kann’s gar nicht erwarten loszulegen!«

»Ich habe keins dabei«, wehre ich ab und sehe, wie ihre Miene sich enttäuscht verdüstert, während ich hastig erkläre: »Hör zu, ich weiß, du findest, das hört sich alles echt cool an und so – und einiges daran ist auch cool, da gibt’s gar keine Zweifel. Ich meine, du wirst nie alt, kriegst nie Pickel oder gespaltene Haarspitzen, du wirst nie Sport machen müssen, und vielleicht wirst du sogar noch größer – wer weiß? Aber da gibt’s auch noch was anderes, Sachen, die du wissen musst, damit du ...« Meine Worte geraten bei dem Anblick ins Stocken, wie sie so schnell und so anmutig aus ihrem Stuhl aufspringt wie eine Katze – ein weiterer Nebeneffekt der Unsterblichkeit.

Sie hüpft von einem Fuß auf den anderen. »Bitte, was gibt’s da schon groß zu wissen? Wenn ich höher springen und schneller laufen kann und nie alt werde, was soll ich da noch brauchen? Klingt doch, als wäre bei mir für den Rest der Ewigkeit alles klar!«

Nervös blicke ich mich um, fest entschlossen, ihre Begeisterung zu bremsen, bevor sie etwas völlig Abgedrehtes anstellt – etwas, das die Sorte Aufmerksamkeit erregt, die wir uns nicht erlauben dürfen. »Haven, bitte. Setz dich hin. Das hier ist ernst. Es gibt da noch mehr zu erklären. Eine ganze Menge sogar«, verkünde ich; meine Stimme klingt hart und brutal, doch sie hat keinerlei Wirkung auf sie. Sie steht einfach kopfschüttelnd vor mir und weigert sich nachzugeben. So trunken von ihren neuen unsterblichen Kräften, dass sie die Trotzstufe überspringt und gleich auf Angriffslust schaltet.

»Bei dir ist alles ernst, Ever. Alles, was du tust oder sagst, ist ja so verdammt ernst. Ich meine, ehrlich, du drückst mir die Schlüssel zum Königreich in die Hand, und dann verlangst du, dass ich still dasitze, damit du mich vor der dunklen Seite warnen kannst? Wie bescheuert ist das denn?« Sie verdreht die Augen. »Komm schon, sei mal ein bisschen locker, okay? Lass es mich doch mal ausprobieren, mal ’ne Probefahrt machen, sehen, was ich draufhabe. Ich mach sogar ein Rennen mit dir! Die Erste, die vom Bordstein aus bei der Bibliothek ankommt, hat gewonnen!«

Seufzend schüttele ich den Kopf und wünsche mir, dass das nicht nötig wäre, doch mir ist klar, dass hier ein bisschen Telekinese angesagt ist. Das ist das Einzige, was all dem ein Ende machen und ihr zeigen wird, wer hier wirklich das Sagen hat. Ich kneife die Augen zusammen, während ich mich mit aller Kraft auf ihren Stuhl konzentriere und ihn so schnell über den Boden rutschen lasse, dass er ihre Knie einknicken lässt und sie sich gezwungenermaßen hinsetzt.

»Hey, das hat echt wehgetan.« Sie reibt sich das Bein und schaut mich wütend an.

Doch ich zucke lediglich die Schultern. Sie ist unsterblich, sie kriegt keine blauen Flecken. Außerdem gibt es da noch eine Menge Dinge, die ich ihr sagen muss, und wenn sie so weitermacht, bleibt nicht genug Zeit. Also beuge ich mich vor, vergewissere mich, dass sie mir ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt, und sage: »Glaub mir, du kannst das Spiel nicht spielen, wenn du die Regeln nicht kennst. Und wenn du die Regeln nicht kennst, passiert mit Sicherheit irgendjemandem was.«

ZWEI

Haven schmeißt sich in mein Auto, drückt den Körper fest gegen die Tür und stellt die Füße auf den Sitz. Dabei sieht sie mich finster an und brummelt mit gerunzelter Stirn vor sich hin – eine ganze Litanei an mich gerichteter Beschwerden –, während ich vom Parkplatz auf die Straße fahre.

»Regel Nummer eins.« Rasch schaue ich zu ihr hinüber, streiche mir das lange blonde Haar aus dem Gesicht und bin fest entschlossen, ihren unverhohlen feindseligen Blick nicht zu beachten. »Du. Darfst. Es. Niemandem. Erzählen.« Ich lege eine Pause ein und lasse diese Worte wirken, ehe ich hinzufüge: »Im Ernst. Deiner Mom nicht, deinem Dad nicht, deinem kleinen Bruder nicht.«

»Also bitte.« Sie rückt auf dem Sitz herum, schlägt die Beine übereinander, löst sie wieder, zerrt an ihren Klamotten und wippt auf so eine nervöse, hibbelige Art und Weise mit dem Fuß, die eindeutig zeigt, dass sie es kaum aushält, hier drin mit mir festzusitzen. »Mit denen rede ich doch sowieso kaum.« Wieder macht sie ein finsteres Gesicht. »Außerdem wiederholst du dich. Das hast du mir bereits laut und deutlich vorgesungen. Also los, weiter, bringen wir’s hinter uns, damit ich hier rauskomme und mein neues Leben anfangen kann.«

Ich schlucke heftig und will mich weder drängen noch mir mein Anliegen ausreden lassen. Als ich an einer Ampel halte, sehe ich sie an, entschlossen, ihr die ganze Tragweite dieser Angelegenheit klarzumachen. »Und das schließt Miles mit ein. Du darfst es ihm unter gar keinen Umständen sagen.«

Sie verdreht die Augen und fummelt an ihrem Ring herum, dreht ihn um den Mittelfinger und ist eindeutig versucht, mir genau diesen Finger zu zeigen. »Schön. Niemandem erzählen. Hab’s kapiert«, grummelt sie. »Weiter.«

»Du kannst weiter ganz normal essen.« Ich fahre über die Kreuzung und werde allmählich schneller. »Aber das wirst du nicht immer wollen, das Elixier macht einen nämlich ziemlich satt und liefert sämtliche Nährstoffe, die man braucht. Aber trotzdem ist es wichtig, den Schein zu wahren, zumindest in der Öffentlichkeit, also musst du wenigstens so tun, als ob du isst.«

»Ach, so wie du etwa?« Mit hochgezogenen Brauen und spöttisch verzogenen Lippen sieht sie mich an. »Du weißt schon, so wie du beim Lunch immer dein Sandwich in Fetzen reißt und deine Kartoffelchips zerbröselst und glaubst, keiner kriegt das mit? War’s das, was du die ganze Zeit gemacht hast? Den Schein wahren? Denn Miles und ich haben gedacht, du hast ’ne Essstörung.«

Ich atme tief durch und konzentriere mich aufs Fahren; ich weigere mich, mich von ihr reizen zu lassen. Wie das Karma, von dem Damen andauernd redet – er behauptet, jede unserer Handlungen löst wiederum eine Reaktion aus –, ist das hier das, was mein Handeln mir eingebracht hat. Und außerdem, selbst wenn ich noch einmal zurückkönnte und es noch mal versuchen dürfte, würde ich nichts anders machen. Ich würde wieder genau dieselbe Entscheidung treffen. Denn ganz egal, wie unangenehm dieser Moment sein mag, es ist trotzdem immer noch besser, als zu ihrer Beerdigung zu gehen.

»O Mann!« Sie schaut mich mit offenem Mund an und reißt die Augen weit auf. Ihre Stimme ist ganz hoch, als sie hervorstößt: »Ich glaube ... Ich glaube, das hab ich gehört!«

Mein Blick begegnet dem ihren, und obwohl das Dach offen ist, obwohl die heiße Sonne Kaliforniens geradewegs auf uns niederbrennt, überzieht augenblicklich ein Frösteln meine Haut.

Das ist nicht gut. Überhaupt nicht gut.

»Deine Gedanken! Du hast was gedacht, von wegen, du bist froh, nicht auf meine Beerdigung gehen zu müssen, stimmt’s? Ich meine, ich habe deine Worte in meinem Kopf richtig gehört. Das ist ja so was von cool.«

Sofort fahre ich meinen Schutzschild hoch, blockiere jeglichen Zugang zu meinen Gedanken, meiner Energie, zu allem und jedem. Es erschreckt mich mächtig, dass sie dazu in der Lage ist, während ich ihre Gedanken nicht lesen kann und noch gar keine Möglichkeit hatte, ihr zu zeigen, wie man sich abschirmt.

»Dann habt ihr also doch nicht bloß rumgeblödelt, oder? Mit dieser ganzen Telepathienummer. Du und Damen, ihr lest wirklich gegenseitig eure Gedanken.«

Langsam und widerstrebend nicke ich, während sie mich mit Augen betrachtet, die heller strahlen als jemals zuvor. Was früher ein ganz gewöhnliches Alltagsbraun war, oft hinter knallfarbigen Kontaktlinsen verborgen, ist jetzt ein leuchtender Wirbel aus Gold, Topaz und Bronze – eine weitere Nebenwirkung der Unsterblichkeit.

»Ich wusste ja, dass ihr beide irgendwie komisch seid, aber das ist ja nun total abgefahren. Und jetzt kann ich das auch! Mann, ich wünschte, Miles wäre hier!«

Kopfschüttelnd schließe ich kurz die Augen, ringe um Geduld und frage mich, wie oft ich es wohl noch wiederholen muss, während ich wegen eines Fußgängers bremse und sage: »Aber du kannst es Miles nicht erzählen, schon vergessen? Das hatten wir doch schon.«

Sie zuckt die Achseln; meine Worte prallen an ihr ab, während sie eine glänzende braune Haarsträhne um den Finger wickelt und lächelt, als ein schwarzer Bentley neben uns hält, mit irgendeinem Typen aus unserer Schule am Steuer.

»Okay. Okay. Im Ernst, ich sag’s ihm nicht. Jetzt reg dich schon ab, ja?« Sie peilt unseren Mitschüler an, lächelt und flirtet und winkt, geht sogar so weit, ein paar Kusshändchen zu werfen, und lacht dann, als er zweimal hinschauen muss. »Das Geheimnis ist bei mir sicher. Ich bin’s einfach nur gewöhnt, es ihm zu erzählen, wenn was Tolles passiert, das ist alles. Reine Gewohnheit. Da komm ich schon drüber weg, ganz bestimmt. Aber trotzdem, du musst zugeben, das ist doch voll cool, nicht wahr? Ich meine, wie hast du denn reagiert, als du’s erfahren hast? Warst du nicht total hin und weg?« Lächelnd schaut sie mich an.

Ich lege die Stirn in Falten und trete fester aufs Gas, als ich eigentlich wollte, sodass der Wagen einen Satz nach vorn macht, während meine Gedanken zu jenem ersten Tag zurückkehren – oder zumindest zu jenem Tag, als Damen zum ersten Mal versucht hat, mir draußen auf dem Schulparkplatz diese Neuigkeit mitzuteilen, die mein ganzes Leben verändert hat. Aber damals war ich nicht bereit, zuzuhören. Und ich war so weit entfernt von hin und weg, wie man nur sein kann. Dann, als er ein zweites Mal darauf bestand, mir unsere lange, verworrene Vergangenheit zu erläutern, war ich mir immer noch nicht sicher. Ich meine, einerseits fand ich es ziemlich cool, dass wir endlich zusammen sein konnten, nachdem wir jahrhundertelang getrennt gewesen waren. Andererseits gab’s da auch vieles, was es erst mal zu begreifen galt. Vieles, was es aufzugeben galt.

Und obwohl wir zuerst dachten, die Entscheidung läge ganz allein bei mir, dass ich weiter das Elixier trinken und meine Unsterblichkeit annehmen oder sie gar nicht beachten, mein Leben zu Ende leben und mich irgendwann in ferner Zukunft dem Tod ergeben könnte – jetzt wissen wir es besser.

Jetzt wissen wir die Wahrheit über das Ende eines Unsterblichen.

Jetzt wissen wir vom Schattenland.

Der unendlichen Leere.

Dem ewigen Abgrund.

Dem Ort, wo die Unsterblichen bleiben, seelenlos, völlig isoliert, und zwar für alle Ewigkeit.

Ein Ort, den wir unbedingt meiden müssen.

»Äh, hal-lo, Erde an Ever.« Haven lacht.

Doch ich zucke lediglich die Achseln. Das ist die einzige Antwort, die ich ihr zu geben beabsichtige.

Was sie nur dazu veranlasst, sich zu mir herüberzubeugen und zu sagen: »Entschuldige, aber ich kann dich so was von nicht verstehen. Das hier ist so ziemlich der beste Tag in meinem ganzen Leben, und du willst nur über das Negative reden. Ich meine, hallo? Hellsehen, Superkräfte, alterslose Jugend und Schönheit – bedeutet dir das denn gar nichts?«

»Haven, das Ganze ist nicht nur Spaß und Spiel, da gibt’s auch ...«

»Ja, ja.« Sie verdreht die Augen. »Da gibt’s Regeln, eine Kehrseite der Medaille. Habe ich verstanden.« Sie rafft ihr Haar seitlich zusammen und dreht es zu einem schimmernden braunen Strang zusammen. »Aber, Mann, kriegst du das nie über? Immer so was von belastet zu sein, so schwer an der ganzen Welt zu tragen. Du hast doch das tollste Leben überhaupt. Du bist blond, blauäugig, groß, fit, begabt, ach ja, und obendrein ist noch der heißeste Typ des ganzen Universums rein zufällig wahnsinnig in dich verknallt.« Sie seufzt und fragt sich, wie ich ihrer Wahrheit gegenüber nur so blind sein kann. »Ich meine, seien wir doch mal ehrlich, du hast ein Leben, von dem andere Leute nur träumen können – und trotzdem sieht das alles bei dir aus wie die Straße ins Jammertal. Und ganz ehrlich, tut mir leid, das zu sagen, aber ich finde, das ist total durchgeknallt. Denn die Wahrheit ist, ich fühle mich klasse! Wie elektrisiert! Als würde ein Blitz durch meinen Körper durchfahren, vom Kopf bis zu den Zehen! Und auf gar keinen Fall komme ich mit auf deine Reise ins Tal der Tränen. Auf gar keinen Fall hänge ich in irgendwelchen grottenhässlichen Kapuzenteilen auf dem Schulhof rum, mit ’ner Sonnenbrille und ’nem iPod, der mir praktisch in den Schädel implantiert ist, so wie du früher. Ich meine, jetzt weiß ich wenigstens, warum du das gemacht hast, um all diese Stimmen und Gedanken zu meiden, stimmt’s? Aber trotzdem, den Teufel werde ich tun und so leben. Ich habe vor, mich auf das Ganze einzulassen – und zwar total. Und außerdem habe ich vor, Stacia, Honor und Craig ordentlich in den Hintern zu treten, wenn die mich oder meine Freunde auch nur schief anschauen! Wenn ich an all den Mist denke, mit dem die dir immer gekommen sind, und wie du dir das einfach hast gefallen lassen ...« Sie schürzt die Lippen. »Das kapiere ich einfach nicht.«

Ich sehe sie an und weiß, dass ich einfach meinen Schutzschild herunterfahren und die Antwort denken kann, und sie wird die Worte in meinem Kopf hören. Aber mir ist auch klar, dass diese Antwort sehr viel mehr nachhallen wird, wenn ich sie laut ausspreche. Also sage ich: »Wahrscheinlich, weil das alles so einen hohen Preis hatte ... Den Verlust meiner Familie, niemals die Brücke ...« Jäh halte ich inne und hindere die Worte daran, aus meinem Mund zu entwischen. Ich bin nicht wirklich bereit, ihr das mit dem Sommerland zu erklären, jener wunderschönen mystischen Dimension zwischen den Dimensionen, oder das mit der Brücke, über die alle Sterblichen auf die andere Seite gelangen – jedenfalls jetzt noch nicht. Immer eins nach dem anderen. »Es ist nur, ich werde immer hier sein. Ich werde nie auf die andere Seite kommen und meine Familie wiedersehen. Und für mich fühlt sich das jedenfalls wie ein ganz schöner Nachteil an.«

Sie streckt den Arm nach mir aus, und auf ihrem Gesicht liegt ein mitleidsvoller Ausdruck, ehe sie die Hand rasch zurückzieht. »Uups, ’tschuldigung! Hab ganz vergessen, dass du es ätzend findest, wenn man dich anfasst.«

»Ich finde es nicht ätzend, angefasst zu werden. Es ist nur, manchmal ... Na ja, das kann ziemlich viel aussagen, das ist alles.«

»Wird das für mich jetzt auch so sein?«

Ich sehe sie an und habe keine Ahnung, was für Gaben sie in petto hat. Sie ist mit nur einem Glas Elixier bereits so weit, wer weiß, was mehrere Flaschen auslösen werden?

»Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Einiges von all dem ist passiert, weil ich gestorben war und im ...«

Ihre Augen werden schmal; sie bemüht sich, meine Gedanken zu lesen, kommt aber nicht sehr weit, dank des Schutzschildes, den ich errichtet habe.

»Na, sagen wir einfach, ich hatte ein Nahtoderlebnis. Das ändert meistens so einiges.« Ich biege in ihre Straße ein.

Mit festem Blick sieht sie mich unverwandt an; ihre Finger fummeln an einem kleinen Riss in ihren Leggins herum, während sie feststellt: »Scheint, als wärst du irgendwie ganz schön wählerisch mit dem, was du mich wissen lässt.« Sie zieht die Brauen hoch, fordert mich heraus, es abzustreiten.

Doch das tue ich nicht. Ich tue gar nichts, außer die Augen zu schließen und zu nicken. Ich habe es so satt, die ganze Zeit zu lügen und alles vertuschen zu müssen. Es tut gut, zur Abwechslung mal ein paar Dinge zuzugeben.

»Darf ich fragen, warum?«

Ich ziehe die Schultern hoch und hole tief Luft, dann zwinge ich mich, ihren Blick zu erwidern. »Das ist eine ganze Menge, was man da alles auf einmal verdauen muss. Manche Sachen muss man selbst erleben, um sie zu verstehen. Und andere ... Na ja, vieles davon kann warten. Allerdings gibt’s immer noch ein paar Dinge, die du wissen musst.«

Ich parke in ihrer Auffahrt und hantiere in meiner Tasche herum; dann reiche ich ihr einen kleinen Seidenbeutel, genau wie der, den Damen mir geschenkt hat.

»Was ist das?« Sie zieht die Schnur auf, steckt die Finger hinein und holt eine kleine Traube bunter Steine hervor, die von dünnen Goldfäden zusammengehalten werden und an einer schwarzen Seidenschnur hängen.

»Das ist ein Amulett«, erkläre ich. »Es ... es ist wichtig, dass du es immer trägst. Von jetzt an so ziemlich jeden Tag.«

Sie blinzelt und lässt es pendeln, sieht zu, wie die Steine das Sonnenlicht einfangen und es zurückwerfen.

»Ich habe auch eins.« Ich ziehe mein kleines Bündel Steine unter meinem T-Shirt hervor.

»Wie kommt’s, dass meins anders aussieht?« Ihr Blick wandert zwischen den beiden Amuletten hin und her, unterscheidet, vergleicht, versucht zu entscheiden, welches besser ist.

»Weil niemals zwei genau gleich sind – wir haben alle verschiedene ... Bedürfnisse. Und wenn wir die tragen, sind wir sicher.«

Sie sieht mich an.

»Sie haben schützende Eigenschaften.« Ich zucke die Achseln; mir ist klar, dass ich hier in trüben Gewässern fische. Das ist der Teil, über den Damen und ich uns nicht einig waren.

Haven legt den Kopf schief und zieht eine Grimasse; sie kann meine Gedanken nicht lesen, weiß aber genau, dass ich irgendetwas vor ihr verberge. »Vor was genau sollen die Teile uns denn beschützen? Ich meine, wir sind doch unsterblich, richtig? Was, wenn ich mich nicht irre, mehr oder weniger heißt, dass wir ewig leben, und trotzdem erzählst du mir, dass ich Schutz brauche? Dass ich beschützt werden muss?« Sie schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Ever, aber das ist einfach nicht logisch.Vor wem oder was müsste ich denn beschützt werden?«

Ich hole tief Luft und sage mir, dass ich das Richtige tue, das Einzige, ganz egal was Damen auch denken mag. Und hoffe, dass er mir verzeihen wird, als ich antworte: »Vor Roman.«

Wieder schüttelt sie den Kopf, verschränkt die Arme vor der Brust, weigert sich, mir zu glauben. »Roman? Das ist doch lächerlich. Roman würde mir nie etwas antun.«

Mit offenem Mund starre ich sie an und traue meinen Ohren nicht, erst recht nicht nach allem, was ich ihr gerade erzählt habe.

»Tut mir leid, Ever, aber Roman ist mein Freund. Und nicht dass dich das was angeht, aber wir sind auf dem besten Weg, mehr als Freunde zu werden. Und da es kein Geheimnis ist, dass du ihn vom ersten Tag an nicht ausstehen konntest, ist es wirklich gar nicht so überraschend, das jetzt von dir zu hören. Traurig, aber nicht überraschend.«

»Ich denk mir das nicht aus.« Mit aller Kraft bemühe ich mich um eine Ruhe, die mir versagt bleibt. Ich weiß genau, dass es nichts bringt, bei jemandem, der so stur ist wie sie, laut zu werden oder ihr meine Sicht der Dinge aufzwingen zu wollen. »Und, ja, vielleicht hast du Recht, vielleicht kann ich ihn nicht leiden, aber wenn man bedenkt, dass er versucht hat, dich umzubringen und all so was – also, sag ruhig, dass ich spinne, aber ich denke, das ist Grund genug. Ich habe sogar Zeugen – ich war nicht die Einzige, die dabei war, weißt du?«

Sie kneift die Augen zusammen und klopft mit den Fingernägeln gegen den Türgriff. »Okay, also lass mich das mal klarstellen. Roman hat versucht, mich mit gepantschtem Tee um die Ecke zu bringen ...«

»Mit Belladonna – auch als tödlicher Nachtschatten bekannt.«

»Von mir aus.« Sie wischt den Einwurf mit einer Handbewegung beiseite. »Worauf ich hinauswill, ist, du behauptest, er hat versucht, mich umzubringen, und anstatt den Notarzt zu rufen, kommst du einfach vorbeigeschlendert, um das mit eigenen Augen zu sehen? Ich meine, was soll das denn? Offenbar hast du das Ganze ja nicht besonders ernst genommen, also warum sollte ich es tun?«

»Ich habe ja versucht, den Notarzt zu rufen, aber das war ... kompliziert. Es war eine Entscheidung zwischen ... zwischen etwas, das ich wirklich dringend brauche ... und dir. Und wie du siehst, habe ich mich für dich entschieden.«

Mit großen Augen sieht sie mich an; ihr Verstand arbeitet, kalkuliert, und sie sagt kein Wort.

»Roman hat mir versprochen, er gibt mir, was ich brauche, wenn ich dich einfach sterben lasse. Aber das konnte ich nicht ... Und deshalb ...«, mit einer vagen Geste deute ich auf sie, » bist du jetzt unsterblich.«

Abwehrend schüttelt sie den Kopf und schaut sich um, heftet den Blick auf eine Gruppe Jugendlicher, die mit einem aufgemotzten Golfwagen die Straße rauf- und runterfahren. Sie schweigt so lange, dass ich schon weiterreden

will, als sie sagt: »Tut mir leid, dass du nicht gekriegt hast, was du wolltest, Ever, wirklich. Aber in Sachen Roman liegst du falsch. Er hätte mich auf gar keinen Fall sterben lassen. Nach dem, was du gesagt hast, hat er das Elixier doch schon bereitgehalten für den Fall, dass du dich anders entscheidest. Außerdem glaube ich, ich kenne Roman ein bisschen besser als du, und Tatsache ist, er weiß, wie unglücklich ich war wegen dem, was bei uns zuhause abgeht.« Sie zuckt die Schultern. »Wahrscheinlich wollte er mich einfach unsterblich machen, um mir das zu ersparen, aber er wollte nicht mein Erzeuger sein, wegen der Verantwortung, die damit einhergeht. Ich habe überhaupt keine Zweifel, dass er eingesprungen wäre, wenn du mir nicht von dem Zeug zu trinken gegeben hättest. Finde dich damit ab, Ever, du hast die falsche Entscheidung getroffen. Du hättest seinen Bluff auffliegen lassen sollen.«

»Es gibt keine Erzeuger«, brummele ich und verdrehe innerlich die Augen über mich selbst. Diese ganze Litanei, und ich hänge mich ausgerechnet daran auf? Kopfschüttelnd setze ich noch einmal an. »So ist es nicht, überhaupt nicht, es ist ...« Meine Stimme erstirbt, als sie wegschaut, sich in einem absolut sicher ist: Sie hat Recht, und ich habe Unrecht. Und da ich versucht habe, sie vor all den Gefahren zu warnen – vor ihm zu warnen –, kann Damen mir ja wohl wegen dem, was ich als Nächstes sage, keinen Vorwurf machen.

»Schön, glaub, was du willst, aber tu mir einen Gefallen. Wenn du darauf bestehst, dich mit Roman abzugeben, dann bitte ich dich nur darum, dass du immer dein Amulett trägst. Im Ernst, nimm es niemals ab, unter keinen Umständen, und ...«

Mit hochgezogenen Brauen sieht sie mich an. Sie hat die Tür halb geöffnet und ist ganz wild darauf, aus diesem Auto rauszukommen, weg von mir.

»Und wenn du das ernst meinst, dass du es mir vergelten willst, dass ich dich unsterblich gemacht habe ...«

Unsere Blicke begegnen sich.

»Dann, also, Roman hat etwas, was du mir unbedingt besorgen musst.«

DREI

Wie ist es gelaufen?«

Damen öffnet die Tür, noch bevor ich anklopfen kann. Sein Blick ist eindringlich und forschend, als er mir ins Wohnzimmer folgt, wo ich mich auf das plüschige Samtsofa fallen lasse und meine Flipflops abstreife. Sorgfältig meide ich seinen Blick, als er neben mir in den Polstern landet, dabei bin ich normalerweise nur allzu gern bereit, ihn den Rest der Ewigkeit lang einfach nur anzustarren – seine hohen, fein gemeißelten Wangenknochen, die einladend vollen Lippen, die Neigung seiner Stirn, sein dunkles, welliges Haar und die dichten Wimpern. Aber heute nicht.

Heute ziehe ich es vor, überall hinzuschauen, nur nicht in sein Gesicht.

»Also, hast du es ihr gesagt?« Seine Finger ziehen die Kontur meiner Wange nach, den Bogen meines Ohres, und seine Berührung erfüllt mich mit Kribbeln und Hitze, trotz des stets gegenwärtigen Energieschleiers, der zwischen uns schwebt. »Hat das Törtchen als Ablenkung funktioniert, so, wie du gehofft hast?« Seine Lippen knabbern an meinem Ohrläppchen, bevor sie an meinem Hals abwärtswandern.

Ich lehne mich zurück und schließe in einem vorgetäuschten Erschöpfungsanfall die Augen. Doch die Wahrheit ist, ich will nicht, dass er mich sieht, dass er mich zu genau betrachtet. Will nicht, dass er meine Gedanken erspürt, meine Essenz, meine Energie – diesen seltsamen, fremdartigen Puls, der sich seit ein paar Tagen in mir regt.

»Von wegen.« Ich seufze. »Sie hat es kaum beachtet. Sie ist jetzt wohl wie wir – in mehr als einer Hinsicht.« Ich fühle die Last seines Blickes, als er mich eingehend mustert.

»Geht es ein bisschen ausführlicher?«

Ich lasse mich noch tiefer ins Sofa rutschen und hake ein Bein über seine; mein Atem wird allmählich langsamer, während ich in der Wärme seiner Energie zur Ruhe komme. »Sie ist einfach schon so weit. Ich meine, sie sieht schon total so aus. So gruselig makellos und unsterblich. Sie hat sogar meine Gedanken gehört, bis ich sie abgeblockt habe.« Mit gefurchter Stirn schüttele ich den Kopf.

»Gruselig? Siehst du das so, siehst du uns so?« Meine Worte gehen ihm eindeutig nahe.

»Na ja, nicht wirklich ... gruselig.« Ich stocke und frage mich, warum ich es so ausgedrückt habe. »Mehr ... nicht normal. Ich meine, ich bezweifle, dass selbst Supermodels die ganze Zeit dermaßen perfekt aussehen. Gar nicht zu reden davon, was wir machen, wenn sie praktisch über Nacht zehn Zentimeter wächst, so wie ich? Wie sollen wir das erklären?«

»Genau wie bei dir«, erwidert er mit schmalen Augen. Er ist wachsam, interessiert sich mehr für die Worte, die ich nicht laut ausspreche, als für die, die ich äußere. »Wir sagen, es ist ein Wachstumsschub. So was ist unter Sterblichen gar nicht so selten, weißt du?« Seine Stimme hebt sich in einem schwachen Versuch, locker zu klingen, der aber nicht recht klappt.

Ich wende den Blick ab und betrachte die Bücherregale voller in Leder gebundener Erstausgaben, die abstrakten Ölgemälde, die meisten davon unbezahlbare Originale. Mir ist klar, dass er mich durchschaut, aber ich hoffe, er merkt nicht, wie weit das Ganze geht.

»Und, ist sie dir böse, so wie du befürchtet hast?«, erkundigt er sich. Seine Stimme ist tief und fest und bohrt ein ganz kleines bisschen.

Ich sehe ihn an, dieses wunderbare, wunderschöne Geschöpf, das mich die letzten vierhundert Jahre lang geliebt hat und mich weiter liebt, ganz egal, wie viele Patzer ich mache oder wie viele Leben ich durcheinanderbringe. Dann schließe ich mit einem Seufzer die Augen und manifestiere eine rote Tulpe, die ich ihm prompt in die Hand drücke. Nicht nur als das Symbol für unsere niemals endende Liebe, sondern auch als Einsatz bei der Wette, die wir abgeschlossen haben.

»Du hattest Recht. Du hast gewonnen.« Ich schüttele den Kopf und denke daran, dass sie genau so reagiert hat, wie er es vorhergesagt hat. »Sie ist total hin und weg. Kann mir gar nicht genug danken. Kommt sich vor wie ein Rockstar. Nein, korrigiere – besser als ein Rockstar. Sie kommt sich vor wie ein Vampir-Rockstar. Aber, du weißt schon, einer von der ganz neuen, verbesserten Sorte – ohne das ganze eklige Bluttrinken und das Schlafen im Sarg.« Unwillkürlich muss ich lächeln.

»Eine der mythischen Untoten?« Damen windet sich; diese Analogie behagt ihm ganz und gar nicht. »Ich weiß nicht recht, wie ich das finde.«

»Ach, das ist bestimmt nur eine Nebenwirkung dieser Gothicphase, die sie gerade hinter sich hat. Irgendwann wird der Freudentaumel schon nachlassen. Du weißt schon, wenn man es richtig kapiert.«

»Ist das für dich auch so?«, will er wissen und legt mir den Finger unters Kinn, sodass ich ihn wieder ansehen muss. »Lässt der Freudentaumel nach? Oder ist er vielleicht ... weg?« Sein Blick ist eindringlich. »Fällt es dir deswegen jetzt so schwer, mich anzusehen?«

»Nein!« Heftig schüttele ich den Kopf; mir ist völlig klar, dass er mich erwischt hat, und ich bin verzweifelt bemüht, es abzustreiten. »Ich bin nur ... müde. In letzter Zeit war ich irgendwie ein bisschen nervös, das ist alles.« Damit kuschele ich mich enger an ihn und wühle das Gesicht in seine Halsgrube, dicht neben der Schnur seines Amuletts. Dieses nervöse, gereizte Gefühl, das ich seit Tagen mit mir herumschleppe, lässt nach und schmilzt dahin, während ich wieder und wieder seinen warmen Geruch einatme. »Warum kann nicht jeder Moment so sein?«, murmele ich und weiß genau, dass ich eigentlich meine: Warum kann ich nicht immer so sein, mich immer so fühlen?

Warum verändert sich alles?

»Das geht doch.« Damen zuckt die Achseln. »Es gibt keinen Grund, wieso nicht jeder Moment so sein kann.«

Ich löse mich von ihm und fange seinen Blick ein. »Oh, da fallen mir mindestens zwei sehr gute Gründe ein.«

Mit einem Kopfnicken deute ich auf Romy und Rayne, die Schreckenszwillinge, für die wir jetzt die Verantwortung haben und die gerade die Treppe heruntergetobt kommen. Das glatte dunkle Haar mit dem strengen Pony ist bei beiden völlig identisch, ebenso die helle Haut und die großen dunklen Augen. Angezogen jedoch sind sie völlig unterschiedlich. Romy trägt ein rosa Frotteekleid mit passenden Flipflops, während Rayne barfuß und von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet ist und Luna, das schwarze Kätzchen der beiden, auf ihrer Schulter hockt. Sie bedenken Damen mit einem fröhlichen, warmherzigen Lächeln und mich mit einem finsteren Blick – wie immer, und das ist so ziemlich das Einzige, was sich hier nicht verändert hat.

»Sie werden ihre Meinung schon noch ändern«, meint er. Er möchte das unbedingt glauben und will, dass ich es auch glaube.

»Nein, werden sie nicht.« Seufzend angele ich nach meinen Flipflops. »Aber es ist ja auch nicht so, als hätten sie keinen Grund.« Ich schlüpfe in die Schuhe und sehe ihn an.

»Gehst du schon?«

Ich nicke und weiche seinem Blick aus. »Sabine kocht Abendessen. Mr. Muñoz kommt auch – so eine vertrauensbildende Nummer. Sie will, dass wir uns besser kennen lernen. Du weißt schon, weniger Lehrer-Schüler-Verhältnis und mehr künftige nichtblutsverwandte Familienangehörige.« Ich zucke die Achseln, und sobald die Worte heraus sind, wird mir klar, dass ich ihn hätte einladen müssen. Es ist unglaublich unhöflich, ihn nicht miteinzubeziehen. Aber Damens Gegenwart wird bloß meine anderen Pläne für diesen Abend stören. Die, die er vielleicht ahnt, bei denen er aber auf gar keinen Fall zugegen sein darf. Besonders nachdem er seine Meinung zu meinen Ausflügen ins Reich der Magie so eindeutig klargemacht hat. Also füge ich ein unbeholfenes »Also, du weißt schon ...« an den Satz an und lasse es dort zwischen uns hängen. Ich habe nämlich keine Ahnung, wie ich weitermachen soll.

»Und Roman?«

Ich hole tief Luft, als sich unsere Blicke begegnen. Der Augenblick, vor dem ich mich gedrückt habe, ist gekommen.

»Hast du Haven gewarnt? Ihr erzählt, was er getan hat?«

Ich nicke. Und rufe mir die Rede ins Gedächtnis, die ich auf der Herfahrt im Auto eingeübt habe, von wegen Haven könnte unsere beste Chance sein, das, was wir brauchen, von Roman zu bekommen. Hoffentlich klingt das für ihn besser, als es sich für mich angehört hat.

»Und?«

Ich gestatte mir ein Räuspern, nicht mehr.

Er wartet darauf, dass ich fortfahre, und auf seinem Gesicht ist die Geduld von sechshundert Jahren zu lesen, als ich den Mund aufmache, um meine Rede zu halten, doch ich kann es nicht. Er kennt mich zu gut. Also hebe ich stattdessen nur die Schultern und seufze. Ich weiß, dass Worte überflüssig sind, die Antwort ist in meinem Blick zu lesen.

»Ich verstehe.« Er nickt, und sein Tonfall ist ganz ruhig und gelassen, ohne eine Spur von Tadel, was mich irgendwie enttäuscht. Ich meine, ich gehe hier ziemlich hart mit mir ins Gericht, also warum tut er es nicht?

»Aber ... aber es ist wirklich nicht so, wie du denkst«, beteuere ich. »Es ist nicht so, als hätte ich nicht versucht, sie zu warnen, aber sie wollte nicht auf mich hören. Also habe ich mir gedacht, was soll’s? Wenn sie drauf besteht, sich mit Roman abzugeben, was macht es da schon, wenn sie versucht, sich das Gegengift zu schnappen? Und ich weiß, du findest das falsch, glaub mir, das hatten wir alles, aber ich denke immer noch, dass das doch gar nicht so eine Riesensache ist.«

Er sieht mich an, und sein Gesicht ist ganz ruhig, es verrät nichts.

»Außerdem haben wir doch gar keinen richtigen Beweis dafür, dass er sie wirklich hätte sterben lassen. Ich meine, er hatte die ganze Zeit das Gegenmittel, er hat doch gewusst, wofür ich mich entscheiden würde. Aber selbst wenn ich ihm das Gegenteil bewiesen hätte, woher wissen wir denn, dass er ihr das Elixier nicht selbst eingeflößt hätte?« Ich atme tief durch und kann es kaum fassen, dass ich mir Havens Standpunkt zu eigen mache, genau den, vor dem ich vorhin noch zurückgescheut habe. »Und dann, vielleicht hätte er sogar versucht, das Ganze umzukehren! Du weißt schon, ihr zu erzählen, wir wären bereit gewesen, sie sterben zu lassen, damit sie sich schließlich gegen uns stellt! Hast du schon mal daran gedacht?«

»Nein, habe ich wohl nicht«, antwortet er. Seine Augen sind schmal, Besorgnis verdüstert seine Züge.

»Und es ist ja auch nicht so, als würde ich das Ganze nicht beobachten. Ich sorge schon dafür, dass ihr nichts passiert. Aber sie hat nun mal einen freien Willen, weißt du, wir können ihr nicht ihre Freunde aussuchen.«

»Und was ist mit den romantischen Gefühlen, die Haven für Roman hegt? Hast du das in Betracht gezogen?«

Ich zucke die Achseln, und in meinen Worten liegt eine Überzeugung, die ich eigentlich gar nicht empfinde, als ich erwidere: »Für dich hatte sie auch mal Gefühle, wie du dich vielleicht erinnerst. Anscheinend war sie ziemlich schnell darüber weg. Und vergiss Josh nicht, den Typen, von dem sie sicher war, dass er ihr Seelengefährte ist, und den sie wegen eines Kätzchens abgeschossen hat. Und jetzt, da sie so ziemlich alles und jeden kriegen kann, den sie will ...« Ich halte inne, allerdings nur einen Augenblick lang, nicht lange genug, dass er mir ins Wort fallen könnte. »Bestimmt verliert Roman bald seinen Reiz und rutscht auf ihrer Liste nach unten. Ich meine, ich weiß, sie kann irgendwie zerbrechlich wirken, aber in Wirklichkeit hält sie viel mehr aus, als du glaubst.«

Ich stehe auf und signalisiere damit das Ende dieser Unterhaltung. Was geschehen ist, ist geschehen, und ich will nicht, dass er mich dazu bringt, noch mehr an meinem Standpunkt in Sachen Havens und Romans Beziehung zu zweifeln, als ich es ohnehin schon tue.

Er zögert, und sein Blick wandert über mich, dann erhebt er sich mit einer schnellen, geschmeidigen Bewegung, nimmt meine Hand und geht mit mir zur Tür, wo er seine Lippen auf meine drückt. So verweilen wir, verschmelzen, drücken uns aneinander und dehnen beide den Kuss so lange aus, wie wir können; keiner will sich vom anderen lösen.

Ich presse mich fest an ihn; die Konturen seines Körpers werden von dem Energieschleier kaum abgemildert, der ständig zwischen uns schwebt. Die breite Fläche seiner Brust, das Tal seines Rumpfes – jeder Zoll seines Körpers schmiegt sich so eng an meinen, dass es fast unmöglich ist, zu sagen, wo er aufhört und wo ich anfange. Ich wünsche mir, dass dieser Kuss das Unmögliche zu Wege bringen könnte ... meine Fehler verbannen könnte ..., dieses seltsame Gefühl vertreiben könnte, das ich habe die zornige Wolke verscheuchen, die mir dieser Tage überallhin folgt.

»Ich muss gehen«, flüstere ich, breche als Erste den Bann und bin mir der Hitze bewusst, die zwischen uns aufsteigt, dieser entflammten Anziehungskraft, eine schmerzliche Erinnerung daran, dass es bis auf Weiteres nur bis hierher geht und nicht weiter.

Und gerade als ich in meinen Wagen gestiegen bin und Damen wieder hineingegangen ist, erscheint Rayne, noch immer mit Luna auf der Schulter und ihrer Zwillingsschwester Romy an der Seite.

»Heute Abend ist es so weit. Der Mond tritt in eine neue Phase ein«, verkündet sie mit zusammengekniffenen Augen und grimmig verzogenem Mund. Es sind keine weiteren Worte notwendig, wir wissen alle, was sie meint.

Ich nicke und lege den Rückwärtsgang ein, als sie hinzufügt: »Du weißt doch, was du tun musst, oder? Du erinnerst dich an unseren Plan?«

Wieder nicke ich, und es ärgert mich, dass ich in dieser Position bin. Soweit es die beiden angeht, wird mir das ewig nachhängen, das ist mir klar.

Während ich aus der Einfahrt auf die Straße fahre, folgen mir ihre Gedanken, wühlen sich in mein Gehirn: Es ist falsch, Magie aus eigennützigen, schändlichen Gründen anzuwenden. Das Karma muss beglichen werden, und es kommt dreifach zurück.

VIER

Das Erste, was ich sehe, als ich in die Einfahrt einbiege, ist der silberne Prius von Mr. Muñoz. Woraufhin ich am liebsten umdrehen würde, um woandershin zu fahren, irgendwohin. Doch ich tue es nicht. Ich seufze nur und lasse den Wagen in die Garage rollen. Mir ist klar, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als mich damit abzufinden.

Mit der Tatsache, dass meine Tante – und mein gesetzlicher Vormund – sich gerade bis über beide Ohren in meinen Geschichtslehrer verknallt.

Mit der Tatsache, dass es sehr viel besser ist, gemeinsam am Abendbrottisch zu sitzen als am Frühstückstisch, und wenn das in demselben Tempo so weitergeht wie jetzt, dann ist es lediglich eine Frage der Zeit, bevor es heißt: Wiedersehen, Mr. Muñoz, Hallo, Onkel Paul! Ich habe es gesehen. Es ist so gut wie abgemacht. Jetzt warte ich bloß noch darauf, dass sie das auch kapieren.

Auf Zehenspitzen schlüpfe ich leise durch die Seitentür und hoffe, es ungesehen bis in mein Zimmer zu schaffen, um ein bisschen Zeit für mich zu haben – Zeit, die ich unbedingt brauche, um ein paar Sachen auf die Reihe zu kriegen.

Gerade will ich die Treppe hinaufsausen, als Sabine um die Ecke schaut und sagt: »Oh, schön, ich dachte mir doch, dass ich deinen Wagen in der Garage gehört habe. Wir essen ungefähr in einer halben Stunde, aber warum kommst du vorher nicht noch ein bisschen zu uns rein?«

Ich spähe über ihre Schulter und halte Ausschau nach Mr. Muñoz, doch dank der Wand, die uns vom Wohnzimmer trennt, kann ich nur ein paar lederne Männersandalen auf dem Polsterhocker sehen, die so entspannt und locker aussehen, als gehörten sie nirgendwo anders hin. Dann schaue ich sie an, den Fall ihres schulterlangen blonden Haares, die geröteten Wangen, ihre funkelnd blauen Augen, und erneuere meinen Schwur, mich zu freuen, dass sie glücklich ist – auch wenn mich der Grund dafür nicht gerade begeistert.

»Ich ... ich komme gleich runter«, versichere ich ihr und ringe mir ein Lächeln ab. »Wollte mich nur schnell waschen und so.« Wieder wandert mein Blick zu Mr. Muñoz, ich kann mich nicht losreißen, ganz gleich, wie ätzend der Anblick ist. Ich meine, jetzt mal im Ernst, bloß weil Ferien sind, heißt das doch nicht, dass ich mir in meinem eigenen Zuhause irgendwelche Lehrerfüße anschauen muss.

»Okay, schön, mach nicht zu lange.« Sie will sich gerade abwenden; das Haar schwingt über ihre Schulter, als sie noch hinzufügt: »Oh, fast hab ich’s vergessen, das hier ist für dich gekommen.«

Sie schnappt sich einen cremefarbenen Briefumschlag vom Dielentisch und hält ihn mir hin. Die Worte Mystics & Moonbeams sind in Violett in der linken oberen Ecke gedruckt; mein Name und meine Adresse stehen in Judes eckiger Krakelschrift vorne darauf.

Ich stehe einfach nur da und weiß, dass ich danach greifen, meine Hand darauflegen und den Inhalt intuitiv kennen könnte, ohne ihn öffnen zu müssen. Doch die Sache ist die, ich will den Umschlag nicht anfassen, will nichts damit zu tun haben, mit dem Job, den ich mal hatte, oder mit Jude, dem Boss, der, wie es sich eben so ergibt, in so ziemlich all meinen Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. Der wieder und wieder aufgetaucht ist und es immer geschafft hat, meine Zuneigung zu gewinnen, bis Damen auf der Bildfläche erschien und mich völlig für sich eingenommen hat. Eine jahrhundertealte Dreiecksgeschichte, die in der Sekunde geendet hat, als ich letzten Donnerstagabend sein Ouroboros-Tattoo gesehen habe.

Und obwohl Damen behauptet, dass viele Leute so ein Tattoo haben – dass die Bedeutung dieses Symbols ursprünglich gar nicht böse war und dass nur Roman und Drina es zu etwas Bösem gemacht haben –, ich kann das Risiko nicht eingehen, dass er sich irrt.

Kann es nicht darauf ankommen lassen, dass Jude nicht einer von denen ist, wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass es so ist.

»Ever?« Sabine legt den Kopf schief und wirft mir diesen typischen Blick zu, Marke: Ganz egal, wie viele Bücher ich zu diesem Thema lese, Teenager könnten genauso gut Aliens sein. Ein Blick, den ich nur allzu gut kenne.

Ein Blick, der mich veranlasst, ihr den Umschlag aus der Hand zu reißen und dabei darauf zu achten, ihn nur an den Kanten anzufassen, während ich schwach lächele und dann die Treppe hinaufstürme. Meine Hände zittern, mein Körper vibriert, als sich der Inhalt als Gehaltsscheck erweist, den ich definitiv verdient habe, aber ganz sicher nicht einlösen werde. Und außerdem noch eine kurze Nachricht, dass ich es ihn doch bitte wissen lassen soll, wenn ich nicht vorhabe zurückzukommen, damit er eine andere Hellseherin an meiner statt anstellen kann.

Das ist alles.

Kein: Was zum Teufel ist passiert?

Oder: Wieso hast du mich erst fast geküsst und mich dann quer durch deinen Garten in die Terrassenmöbel geworfen?

Aber das liegt daran, dass er es bereits weiß. Er hat es die ganze Zeit gewusst. Und auch wenn ich vielleicht nicht weiß, was genau er im Schilde führt, irgendetwas hat er ganz eindeutig vor. Vielleicht ist er mir ja im Augenblick einen Schritt voraus, aber er hat keine Ahnung, dass ich im Begriff bin aufzuholen.

Ich schmeiße den Umschlag in Richtung Papierkorb und denke mir, dass keine Antwort meinerseits Antwort genug sein sollte. Lasse den Brief in einer komplizierten Choreografie aus Schleifen und Kreisen durch die Luft segeln und eine absolut perfekte Achterfigur beschreiben, ehe ich ihn mit einem leisen, kaum hörbaren Plumps landen lasse und in meinen begehbaren Kleiderschrank trete, wo ich einen Kasten vom obersten Regalbrett hole. Den Kasten, der meine Ausrüstung enthält – alles, was ich brauche, um ungeschehen zu machen, was ich getan habe.

Es ist genau der richtige Zeitpunkt für einen Neuanfang, die perfekte Gelegenheit – laut Romy und Rayne die einzige Gelegenheit –, den Bann zu brechen, den ich unabsichtlich gewirkt habe, als ich versehentlich die dunklen Mächte beschworen habe, mir beizustehen. Der Mond nimmt jetzt zu, das bedeutet, dass die Göttin emporsteigt, sich erhebt, während Hekate, die ich, ohne es zu wissen, angerufen habe, in die Unterwelt hinabstürzt, wo sie ihre Zeit verbringen wird, bis sich in einem Monat der Kreis wieder schließt.

Ich greife in den Kasten und hole die Kerzen, die Kristalle, Kräuter, den Weihrauch und die Öle hervor, die ich brauche. Dann nehme ich mir einen Augenblick Zeit, sie in der Reihenfolge anzuordnen, in der sie angewandt werden. Schließlich streife ich meine Kleider ab und lasse mich für mein rituelles Bad in die Wanne sinken. Dabei tue ich ein Beutelchen mit Engelwurz ins Bad, zum Schutz und um böse Zauber loszuwerden, Wachholder, um negative Entitäten zu verbannen, und Raute, um das Heilen, die mentalen Kräfte und das Brechen von Flüchen zu unterstützen. Und außerdem noch ein paar Tropfen Petitgrainöl, das verspricht, das Böse zu bannen und alle Negativität zu beseitigen. Ich lasse mich so tief ins Wasser sinken, dass meine Füße am anderen Ende der Wanne ankommen und das Wasser um mich herum emporsteigt. Dann schnappe ich mir ein paar durchsichtige Quarzkristalle vom Wannenrand und lasse sie ebenfalls hineinplumpsen, während ich einen Sprechgesang anstimme:

Ich reinige und stärke meinen Leib

Dass meine Magie rechte Blüte treibt

Mein Geist neu geboren, zum Flug aufgerafft

Gibt heute Nacht meinem Zauber Kraft

Anders als beim letzten Mal, als ich mich in der Wanne geaalt habe, beschwöre ich dieses Mal nicht Romans Bild vor mir herauf. Ich will ihn nicht sehen, bis ich bereit bin, bis es unbedingt notwendig ist. Bis es wahrhaftig an der Zeit ist, ungeschehen zu machen, was ich angerichtet habe.

Früher wäre das ein Risiko, das ich nicht eingehen darf.

Seit das mit den Träumen angefangen hat, kann ich mir selbst nicht trauen.

Als ich das erste Mal aus dem Schlaf schweißgebadet aufschreckte und Bilder von Roman noch immer in meinem Kopf tanzten, da war ich sicher, dass das nur an der schrecklichen Nacht lag, die ich hinter mir hatte – die Nacht, in der ich die Wahrheit über Jude herausgefunden und Haven unsterblich gemacht hatte, indem ich ihr den Saft einflößte. Doch die Tatsache, dass sie seitdem jede Nacht wiedergekommen sind, die Tatsache, dass er nicht nur in meine nächtlichen Träume einbricht, sondern auch in meine Tagträume, dass diese Träume von jenem sonderbaren, fremdartigen Pulsieren begleitet sind, das ständig in mir vibriert – nun ja, das hat mich davon überzeugt, dass Romy und Rayne Recht haben.

Obwohl es mir, nachdem der Zauber vollendet war, absolut gut ging, wurde es später, als alles aus den Fugen zu geraten begann, doch ziemlich deutlich, dass der Schaden, den ich angerichtet hatte, sehr groß war.

Anstatt Roman an mich zu binden, habe ich mich an ihn gefesselt.

Statt dass er zu mir kommt, um zu tun, was ich wünsche, suche ich schamlos und hoffnungslos seine Gegenwart.

Und das ist etwas, was Damen niemals wissen darf. Niemand darf es wissen. Es ist nicht nur der Beweis für seine frühere Warnung hinsichtlich der Kehrseite der Magie, als er darauf beharrt hat, dass Zauberei etwas ist, womit man nicht spielt, und dass Amateure, die zu schnell zu tief in diese Materie vordringen, sich oft gewaltig übernehmen – das könnte auch das Ende seiner Geduld mit mir bedeuten.

Es könnte der Tropfen sein, der das Fass endgültig zum Überlaufen bringt.

Entschlossen atme ich tief durch, sinke noch tiefer in die Wanne und genieße es, wie das Wasser um mein Kinn plätschert, während ich all die heilenden Energien in mich aufnehme, die die Steine und Kräuter erzeugen sollen. Ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich mich von dieser heillosen Obsession befreie und alles in die rechte Bahn lenke. Und als das Wasser allmählich abkühlt, schrubbe ich jeden Quadratzentimeter Haut und hoffe, diese neue, besudelte Version von mir abzuwaschen, um die alte wiederherzustellen. Dann steige ich aus der Wanne direkt in meinen weißen Seidenmorgenmantel mit der Kapuze. Ziehe den Gürtel fest, während ich wieder in den Schrank gehe und nach meinem Athame greife. Nach dem, an dem Romy und Rayne herumkritisiert haben. Es sei zu scharf, haben sie gesagt, seine Bestimmung sei es, Energie zu zerschneiden und nicht Materie, und dass ich es ganz falsch manifestiert hätte. Sie haben mich gedrängt, es zu verbrennen, es zu einem Metallstummel zu schmelzen und den dann ihnen auszuhändigen, damit sie das Verbannungsritual vollenden könnten. So ein komplexes Unterfangen haben sie einer fehlgeleiteten Novizin wie mir nicht zugetraut.

Und obwohl ich zugestimmt habe, ihn vor ihren Augen zu verbrennen, die Klinge wieder und wieder in einer Art magischer Weihe durch die Flamme geführt habe, habe ich den Rest ihres Plans mit einem Achselzucken abgetan. Ich war überzeugt, dass sie nur die Chance nutzen wollten, mich als noch größeren Trottel hinzustellen. Ich meine, wenn das eigentliche Problem darin bestand, dass ich einen Zauber am Abend des Dunkelmondes gewirkt habe, wie sie behaupten, was könnte da ein simples Messer schon für einen Unterschied machen?

Aber diesmal mache ich noch ein paar zusätzliche Steine an den Griff, nur um sicherzugehen. Ich verziere ihn mit einer Apatschenträne als Schutzstein und Glücksbringer – nach Meinung der Zwillinge brauche ich beides in rauen Mengen –, einem Blutstein für Mut, Kraft und Sieg – immer eine gute Kombination – und einem Türkis für das Heilen und Stärken der Chakren. Denn anscheinend war mein Kehlchakra, das Zentrum des Urteilsvermögens, schon immer ein Problem für mich. Dann streue ich eine Hand voll Salz auf die Klinge, ehe ich sie durch die Flammen von drei weißen Kerzen führe. Dabei beschwöre ich die Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde, alles Dunkel zu verwerfen und nur Licht zuzulassen, alles Böse hinauszudrängen und das Gute herbeizurufen. Dreimal wiederhole ich den Sprechgesang, bevor ich die höchste aller magischen Mächte anrufe, dafür zu sorgen, dass es geschieht. Diesmal bin ich sicher, dass ich die richtigen magischen Mächte anrufe – dass ich die Göttin heraufbeschwöre anstatt Hekate, die dreiköpfige Königin der Unterwelt.

Ich reinige den Raum, indem ich ihn dreimal umschreite und dabei den Weihrauch mit der einen und den Athame mit der anderen Hand hochhalte. Dann ziehe ich den magischen Kreis, während ich mir ein weißes Licht vor Augen rufe, das durch mich hindurchströmt, das am Kopf anfängt und sich durch meinen Körper arbeitet, meinen Arm hinunter, durch das Athame hinaus und in den Fußboden. Das Licht wirbelt und biegt und kreist, lässt dünne Fäden gleißenden weißen Lichts sich miteinander verschlingen und immer höher wachsen, bis sie sich ganz und gar vereinen. Bis ich in einen silbrigen Kokon gehüllt bin, ein komplexes Geflecht aus dem allerhellsten, strahlendsten Licht, der mich ganz und gar umschließt.

Ich knie mich in meiner sauberen, geweihten Sphäre auf den Boden und strecke die linke Hand vor mir aus, während ich mit dem Messer die Lebenslinie hinabfahre. Dann ziehe ich scharf die Luft ein, als ich die Spitze tief in mein Fleisch stoße und Blut hervorquillt. Ich schließe die Augen und manifestiere rasch Roman, der im Schneidersitz vor mir sitzt und mich mit dem unwiderstehlichen, tiefgründigen Blick seiner blauen Augen und seinem breiten, einladenden Lächeln in Versuchung führt. Gebe mir alle Mühe, an seiner hypnotisierenden Schönheit, an seinem unbestreitbaren Reiz vorbei zu der blutgetränkten Schnur vorzudringen, die eng um seinen Hals gebunden ist.

Eine Schnur, die mit meinem Blut vollgesogen ist.

Dieselbe Schnur, die ich letzten Donnerstag dort befestigt habe, als ich ein ähnliches Ritual durchgeführt habe. Diesmal jedoch ist alles anders. Meine Absicht ist eine andere. Ich will mein Blut wiederhaben. Ich habe vor, mich zu lösen.

Hastig sage ich den Sprechgesang auf, ehe er verblassen kann:

Mit diesem Knoten, den da löst meine Hand