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Dunkel - ist nicht einfach nur ein Gefühl, ein Aspekt des Seins. Dunkel ist mehr. Begleiten sie zahlreiche Autorinnen und Autoren in dieser Anthologie. Sie finden in dieser Anthologie Kurzgeschichten und Lyrik zu diesem spannenden Thema. Wir freuen uns sehr dieses Buch für sie veröffentlichen zu können. Die Herausgeber Carsten Böhn und Matthias Deigner führen mit dem Baltrum Verlag durch diese Lesereise. Erleben sie Facetten von Dunkel.
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Seitenzahl: 97
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Facetten von Dunkel
Ein Buch des Baltrum Verlags
Herausgeber
Carsten Böhn
und
Matthias Deigner
Impressum
© 2020 Baltrum Verlag GbR
2. Auflage
BV 2031 – Facetten von Dunkel
Umschlaggestaltung: Baltrum Verlag GbR
Illustration: Baltrum Verlag GbR
Lektorat, Korrektorat: Baltrum Verlag GbR
Herausgeber: Baltrum Verlag GbR
Verlag: Baltrum Verlag GbR, Weststraße 5, 67454 Haßloch
Internet: www.baltrum-verlag.de
E-Mail an [email protected]
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Autoren in dieser Anthologie:
Marina Hahne
Peter Heerdmann
Torsten Krippner
Vivien Hagedorn
Carsten Böhn
Martina Raguse
Susanne Mathies
Matthias Deigner
Maximiliane Schaffrath
Anna Hamilton
Christian Heil
Marija Tomic
Silvio Heinschke
Sophia Kielinowski
Gudrun Heller
Susanne Speth
Clara Vogelsang
Inés María Jiménez
Martina Jalloh
Nicole Hahn
Lara-Sophie Pape
Vy van Deen
Luca Rizal Michael Hilbert
Kristel Döring
Nicole Siemer
Susanne Riedel
Mein Weg – zurück
Marina Hahne
(Ein innerer Monolog)
Meinen Schmerz würde ich in rotbrauner Farbe zeichnen. Sie widerspiegelt gefühlvolle Verbundenheit.
Die herbstlichen Töne werden meiner Stimmung gerecht. Ein letztes Aufbegehren des Herzens vor dem Abschied, der kargen Zeit des Alleinseins.
Ich traure um dich, kann und will nicht loslassen. Denn das würde bedeuten, ich akzeptierte das Unaussprechliche, Unfassbare und Unerträgliche. Nein, ich bin nicht in der Lage, den Verlust hinzunehmen. Ich trage schwer an ihm, möchte aber auch jenes Zeitfenster schließen, da mir allmählich die Kräfte schwinden. Mir ist so kalt. Die Einsamkeit lässt mich erschaudern. In mir lebt die Angst, meine Erinnerungen.
Dein Bild in mir könnte verblassen.
Wieder werde ich mich tonlos im Schlafzimmer verkriechen, die Bettdecke über den Kopf ziehen und barfuß über Erinnerungssplitter laufen. Es ist mein Weg, mit dem Verlust umzugehen. Ich aktiviere die Bilder der Vergangenheit. Der Teil von mir, der nicht mit dir begraben liegt, wird dann spürbar. Wie soll ich nur ohne dich weiterleben? Du warst mein Halt, mein Begleiter und Weggefährte. Ich habe das Leben erst durch dich wirklich wahrgenommen. Unsere Liebe wuchs mit dem Grad der Verzweigung unserer Seelen.
Jetzt wo deine Lider geschlossen und meine Augen ihren Glanz verloren haben, fühlt es sich an, als wäre ich zweigeteilt. Ich hänge an unserer Vergangenheit und funktioniere gegenwärtig lediglich. Wie ein Schatten meiner selbst, als Häufchen Elend irre ich völlig orientierungslos durchs Leben. Allein unsere gemeinsame Zukunft war für mich bisher richtungsweisend.
Heute weiß ich nicht, wohin mit mir, empfinde jedoch Dankbarkeit, dass sich unsere Wege kreuzten. Du würdest nicht wollen, dass ich am Leben verzweifle und mich in die Schranken weisen.
Ich werde Zeit brauchen wieder allein gehen zu lernen und ohne dich meinen Weg ins Leben zurückzufinden.
Ein trauriger Tag
Peter Heerdmann
Ein trauriger Tag.
Seine Stimme klang kalt und verloren
Und es legte sich eine Schürze wie Blei
Auf ihre Seele.
Ein trauriger Tag,
sprach er.
Es schien, als hätten die Heere
Der Finsternis gesiegt.
Und ein Gruseln kroch
An ihr hoch.
Ein trauriger Tag,
Eine noch viel längere
Düstere Nacht wird
Ihm folgen.
Und eine Träne der Angst
Ergriff ihr Herz.
Ein trauriger Tag.
Am Ende wird nur
Tot, Zerstörung und Hunger sein.
Und sie wusste, wovon er sprach
Und ergriff seine Hand
Und sagte
Die Nacht ist vorbei.
Nur der Stern, den du trägst,
Wird auch am Tage leuchten.
Gedanken zu Hitlers Machtergreifung
Am 30.1.1933
Regenmacher
Torsten Krippner
Sie saßen um ein großes Feuer und wärmten sich. Es war ja schon hoch im Norden Indiens und der Winter stand bevor. Am Tag glühte noch der Hauch den Boden, aber in den Nächten herrschte bereits die Kühle. Peter fand sie ganz zufällig, auf einen Spaziergang außerhalb Amritsar. Um die lodernden Flammen kauerten Männer mit abgerissenen Kleidern: bärtig, ungewaschen, mit struppigen Haaren, und Peter platzte da ganz unvorbereitet rein, ohne zu wissen, worauf er sich da jetzt einlassen würde.
Peter fühlte sich auch jetzt wieder wie ein Blatt im Wind. Schon als Kind ließ er sich treiben. Eltern und Lehrer versuchten seine Sinne mit Zukunftshalluzinationen zu vernebeln und sein Denken mit Zielen und Zwecken zu betäuben. Als Entziehungskur verwandelte er die Maserungen und Risse in seiner Schulbank, den Stühlen und Wänden mit Stiften und Messer in kleine Figuren. Natürlich verwandelten sich auch die hässlichen Zahlen in seinen Zeugnissen in schwebende Gottheiten. Was Richtiges gelernt hatte er folglich nie. Als er die Schule verließ, hatten auch Menschen, die ihn liebten, Sorge um seine psychische Verfassung. Verwirrt und verschüchtert suchte er das Weite. Jahrelang irrte Peter nunmehr schon ziellos als Straßenmaler und Seemann über Länder und Meere, bis ihn schließlich ein Zufall als 23-jährigen nach Indien brachte. Und jetzt hier an den Rand des Dschungels bei Amritsar.
Doch wer waren nun diese Menschen an den Feuern, die wie Bettler gekleidet waren? Peter war das erste Mal außerhalb von Amritsar. Die Männer waren groß und kräftig gebaut - viel größer als er. Sie lächelten ihm mit stillen Gesichtern freundlich zu und forderten ihn auf neben ihnen Platz zu nehmen. Sobald Peter saß, war er auch schon wieder für sie vergessen. Sie sahen schweigend in das Feuer, reichten sich gegenseitig eine Art Pfeife, ein kleines verziertes mit Silber beschlagenes Elfenbeinrohr, aus dem ein dicker, süßlich riechender Ruß quoll. Jetzt war die Pfeife bei seinem unmittelbaren Nachbarn angelangt. Er lächelte Peter zu und zeigte ihm, wie man die Pfeife raucht, ohne sie mit den Lippen zu berühren. Er umspannte die Pfeife mit beiden Händen und saugte den Rauch in die Faust, um ihn erst dann einzuatmen. Dieser warme, süße Qualm versetzte Peter augenblicklich in einen Zustand absoluter Stille. Schweigsam starrte er in das Feuer, stundenlang. Irgendjemand sorgte dafür, dass das Feuer nicht ausging und weiter lichterloh brannte.
Das Feuer verwandelte sich nach und nach in ein Licht, das alles ausfüllte, was Peter selbst noch mit geschlossenen Augen sehen konnte. Es breitete sich immer weiter aus, überstrahlte alle anderen Empfindungen - sogar die Geräusche der Nacht. Die Grillen, das Zirpen alles verschwand in diesem Feuer, in diesem unwirklichen Leuchten. Und dann waren da nicht mal mehr die Empfindungen des Körpers. Peters Bewusstsein hörte auf zu existieren. Stattdessen war da nur noch dieses einheitliche Leuchten des Lichtes, das alles in sich aufnahm und niemand war da, der es betrachtete. Es bestand ganz aus sich heraus. Es gab keinen Unterschied mehr zwischen Innen und Außen. Das einzig Existierende war jetzt nur noch dieses Leuchten. Aufmerksam und mit Hingebung überließ er sich der Führung dieser Energie, die sich langsam im ganzen Körper ausbreitete, mit zunehmender Leuchtkraft, die nur mit geschlossenen Augen sichtbar war. Innerhalb weniger Minuten war sein gesamter Körper von unbeschreiblichem Wohlgefühl erfüllt.
Als Peter wieder zu sich kam, muss es lange nach Mitternacht gewesen sein. Sein Nachbar stieß ihn sanft an. Er wies mit einer Geste darauf hin, dass die Asche von seiner Pfeife gleich ins Feuer fallen würde und Peter aufpassen sollte. Es war wichtig, dass keine Asche, keine Verunreinigung in dieses Feuer fiel. Das Feuer war heilig. Zwar war Peter jetzt wieder bei vollem Bewusstsein, aber irgendetwas an seiner Wahrnehmung hatte sich verändert. Er fühlte sich absolut glückstrahlend und befreit. Auch seine Magenkrämpfe, die ihn seit langem auf seiner Reise quälten, gönnten ihm wenigstens in dieser Nacht eine kurze Ruhepause. Sein Körper befand sich in einem absoluten Ruhezustand. Seine Sinne waren wach und die Gedanken klar wie Kristalle. Er sah sich um und erkannte alles wie in einem Brennglas. Er war nicht nur Betrachter, sondern selbst Bestandteil einer Wahrnehmung, die sich vereinheitlicht hatte. Das Feuer brannte noch immer lichterloh, und er saß auf diesem angewärmten Boden. Nein. Falsch. Nicht er. Es war nur sein Körper. Oder nur sein Schatten? Darüber breitete sich dieser sternenklare Nachthimmel. Aber da saßen noch die anderen - schweigsam in sich gekehrte bärtige Gestalten. Manche hatten sich schon schlafen gelegt, genau an der Stelle, wo sie vorher gesessen hatten. Nun müde geworden, legte er sich einfach zur Seite. Irgendjemand breitete eine Wolldecke über ihn aus, während er einschlief.
In der Nacht hatte es sich bewölkt, und als Peter aufwachte, hingen schwere Wolken tief am Himmel, so tief, dass es ihm vorkam, als ob er sie berühren könnte. Einige der bärtigen Gestalten saßen schon aufrecht, andere lagen noch, aber alle waren sie wach. Der Himmel wurde immer schwärzer, jeden Moment konnte ein Unwetter hereinbrechen. Und doch brachte sich niemand in Sicherheit. Die Männer saßen nur da und Peter schien es, dass sie warteten.
Am Horizont fing es an zu donnern. Ein tiefes Grollen, das langsam näherkam. Das dumpfe Grollen steigerte sich nun in gewaltiges Donnern. Die schwarze Wand aus Regenwolken kam näher. Er konnte noch erkennen, dass alle um ihn herum in die gleiche Richtung stierten. Es hatte den Anschein, als ob sie angespannt lauschten. Jetzt saßen sie da, als warteten sie auf das Ergebnis ihrer Meditation. Es fing langsam an zu regnen, aber der Regen wurde immer stärker und dann schüttete es vom Himmel, so wie es nur in Indien passieren kann. Als der Regen auf diese braune - über Monate erhitzte - Erde herabprasselte, ergab sich nach und nach ein dicker Nebel, der verbunden mit dem Duft der unzähligen Dschungelblumen an Weihrauch erinnerte. Noch verhüllte der Nebel ihre Form. Die gespenstische Helligkeit des Wetterleuchtens zitterte im Nebel, ließ die Nebelschwaden tanzen wie ein Spuk über das nun erlöschende Feuer und wurden so dicht, dass sich das Licht in eine milchige Flüssigkeit verwandelte. Und plötzlich war der Dschungel wiedererwacht. Diese durch Lianen und Schlingpflanzen undurchdringlich gewordene Natur mit ihren Palmen, Bananenbäumen, Lotusblüten und Orchideen erstrahlte wieder in ihren eigentümlichen Farben, nachdem der Regen sie befreit hat vom Staub der Trockenheit. Es regnete wohl eine halbe Stunde. Niemand dachte daran, sich vor dem Regen zu schützen. Die Männer lächelten zufrieden vor sich hin, strichen gelegentlich das Wasser aus ihren Bärten. Der Regen war warm und tat Peter gut. Er erinnerte ihn daran, dass er einen Körper hatte.
