Falling for Dr. Heartless - Cassia Bieber - E-Book

Falling for Dr. Heartless E-Book

Cassia Bieber

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Beschreibung

Um die Zukunft meiner Familie zu retten, schenkte ich Ares Angelis meinen ersten Kuss - und riskierte mein Herz. Ich hätte ihm besser aus dem Weg gehen sollen, denn man nennt ihn nicht umsonst Dr. Heartless.

Für die reiche New Yorker Angelis-Familie war Lexy Garcia immer nur die naive Tochter des Chauffeurs. Jahre später will Lexy sich und dem Familien-Clan beweisen, dass mehr in ihr steckt und nimmt die Stelle als Healthcare-Managerin im Angelis Memorial Hospital an.
Mit ihrer scharfen Zunge weckt sie schnell die Aufmerksamkeit von Ares Angelis - dem arroganten, aber leider auch furchtbar gutaussehenden CEO des Krankenhauses. Womit Lexy nicht gerechnet hat, ist das Kribbeln, das Ares selbst nach so langer Zeit immer noch in ihrem Bauch verursacht ...

Ein fesselnder und sinnlicher Second-Chance-Liebesroman: Der erste Band der Romance-Reihe rund um die heißen Ärzte und Inhaber des New Yorker Angelis Memorial Hospitals.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Kapitel 1 – Lexy

Kapitel 2 – Lexy

Kapitel 3 – Ares

Kapitel 4 – Lexy

Kapitel 5 – Lexy

Kapitel 6 – Ares

Kapitel 7 – Lexy

Kapitel 8 – Ares

Kapitel 9 – Lexy

Kapitel 10 – Ares

Kapitel 11 – Ares

Kapitel 12 – Lexy

Kapitel 13 – Lexy

Kapitel 14 – Ares

Kapitel 15 – Lexy

Kapitel 16 – Ares

Kapitel 17 – Lexy

Kapitel 18 – Lexy

Kapitel 19 – Lexy

Kapitel 20 – Lexy

Kapitel 21 – Ares

Kapitel 22 – Lexy

Kapitel 23 – Lexy

Kapitel 24 – Lexy

Kapitel 25 – Lexy

Kapitel 26 – Ares

Kapitel 27 – Lexy

Kapitel 28 – Ares

Kapitel 29 – Lexy

Kapitel 30 – Lexy

Kapitel 31 – Ares

Kapitel 32 – Lexy

Kapitel 33 – Lexy

Kapitel 34 – Ares

Kapitel 35 – Lexy

Kapitel 36 – Ares

Kapitel 37 – Lexy

Kapitel 38 – Ares

Kapitel 39 – Lexy

Kapitel 40 – Ares

Kapitel 41 – Lexy

Kapitel 42 – Lexy

Kapitel 43 – Ares

Über die Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Für die reiche New Yorker Angelis-Familie war Lexy Garcia immer nur die naive Tochter des Chauffeurs. Jahre später will Lexy sich und dem Familien-Clan beweisen, dass mehr in ihr steckt und nimmt die Stelle als Healthcare-Managerin im Angelis Memorial Hospital an.

Mit ihrer scharfen Zunge weckt sie schnell die Aufmerksamkeit von Ares Angelis – dem arroganten, aber leider auch furchtbar gutaussehenden CEO des Krankenhauses. Womit Lexy nicht gerechnet hat, ist das Kribbeln, das Ares selbst nach so langer Zeit immer noch in ihrem Bauch verursacht ...

Cassia Bieber

Falling for Dr. Heartless

Für Lizzy

Kapitel 1 – Lexy

Zehn Jahre zuvor

Die Bierflasche drehte sich auf dem Boden, und ich ertappte mich dabei, auf eine vorteilhafte Wendung zu hoffen. Aber ich hatte so viel Glück wie Geld. Nämlich gar keins. Menschen wie ich sollten sich auch nicht auf die Güte des Schicksals verlassen. Wir mussten hart arbeiten, bis zur Erschöpfung kämpfen und bekamen nichts vom Leben geschenkt. Aus dem Grund hatte ich monatelang Trinkgeld gespart, um mir eine neue Jeans und das beste Full Cover Make-up zu kaufen. Und trotzdem sah ich damit immer noch nicht aus, als würde ich zu den reichen Sprösslingen gehören, die zu Ikaros’ Party gekommen waren. Ich war nach wie vor die achtzehnjährige Tochter des Chauffeurs der Familie Angelis, doch zumindest starrte mich keiner wegen der weißen Flecken um meine Augen herum an. Vitiligo, eine Pigmentstörung, die ich seit meinem fünften Lebensjahr hatte. Jetzt sah meine Haut ebenmäßig goldbraun aus, meine Lippen waren ruby-woo-rot und meine hüftlangen Haare zu einem seitlichen Zopf geflochten. Zu meiner neuen Jeans hatte ich ein trägerloses Top angezogen, welches Mrs. Angelis mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Das Teil kostete mehr als alle Möbel in unserem Haus zusammen. Ein Haus, das ihr ebenfalls gehörte, denn Dad und ich wohnten seit meiner Geburt auf dem Anwesen der Familie.

»Janine!« Die Blondine, die auf Ikaros’ Schoß hin und her rutschte, deutete auf die Bierflasche, die zu Ende rotiert hatte und auf eine Schwarzhaarige zeigte. »Wahrheit oder Pflicht?«

Ich hatte ein weniger kindisches Spiel für eine Party erwartet, die voller Absolventen der Columbia Medical School war. Aber anscheinend mutierten sogar zukünftige Chirurgen zu unvernünftigen Teenagern, wenn sie zu viel Alkohol intus hatten. Elektronische Beats vibrierten an den Wänden, die Luft roch nach Dope und Bier, und das Poolhaus war ein Schlachtfeld voll mit leeren Chipstüten und Spiritusflaschen.

»Wahrheit!« Janine trank direkt aus einer Tequila-Flasche. Ich befürchtete, sie würde in ein paar Minuten sowieso alles von sich preisgeben, ohne, dass jemand sie überhaupt danach fragte.

Die Blondine kicherte. »Mit wie vielen Professoren hast du geschlafen, um deinen Medical College Admission Test zu bestehen?«

Mir wurde schlecht bei dem Blödsinn, und für eine Sekunde wägte ich ab, aufzustehen und die alberne Party zu verlassen. Ich war noch zu jung, um zu trinken, würde niemals an der Columbia studieren und hatte nichts mit Ikaros’ Freunden gemeinsam. Nur seinetwegen war ich gekommen.

Janine kniff die Augen zusammen und zählte an den Fingern ab. »Vier. O-oder waren es fünf?«

Die Blondine lachte sich kaputt. »Flittchen.«

Seufzend legte ich die Hand flach auf den Boden, um mich abzustützen, als Ikaros mich endlich ansah. Unsere Blicke begegneten sich und ich tauchte in die meergrüne Farbe seiner Augen, blendete das Stimmengewirr um mich herum aus und lauschte nur meinen wilden Herzschlägen. Als sich sein Mundwinkel leicht nach oben bog, war es mir alles wert. Die Überstunden, die ich im Diner gemacht hatte. Sogar die abschätzenden Blicke seiner Freunde und die Klette, die immer noch auf seinem Schoß saß, waren mir egal.

»Hey! Du ...« Die Blondine kniff die Augen zusammen und zeigte auf mich. »Wie heißt du noch mal?«

Ich sah sie an, legte meine ganze Verachtung in meinen Ausdruck. »Jennifer Lopez.«

Ikaros’ Lächeln wurde breiter, erhellte sein ganzes Gesicht, und ich musste meine Lippen aufeinanderpressen, um nicht ebenfalls zu lachen. Warum sollte ich dieser Frau meinen echten Namen verraten, wenn sie sich nicht für mich interessierte, geschweige denn, mich überhaupt hier haben wollte? Seitdem ich angekommen war, hatte sie sich an Ikaros gekettet, als wäre er ein Boot und sie sein Anker. Wahrscheinlich lag es daran, dass jeder wusste, dass wir zusammen aufgewachsen waren und auf demselben Anwesen wohnten.

Keine Angst, Paris-Hilton-Abklatsch.

Wir schlafen nicht miteinander.

Noch nicht, denn das Funkeln in seinen Augen schenkte mir Hoffnung, von ihm meinen ersten Kuss zu bekommen.

»Du bist dran, Jennifer Lopez.« Die lallende Blondine ignorierte meinen Witz und ihr Blick huschte zu der Bierflasche, die jetzt auf mich zeigte. »Wahrheit oder Pflicht?«

Wenn ich Wahrheit wählte, würde sie sicher etwas wissen wollen, was mich vor Ikaros bloßstellte. Kindische Fragen, die mit dem Niveau des Spiels mithalten würden.

Bist du noch Jungfrau?

Willst du mit Ikaros schlafen?

Pflicht dagegen würde mir die Möglichkeit geben, ihm zu zeigen, dass ich mutig war. Eine furchtlose Frau und kein Mädchen, das er vor der Dunkelheit beschützen musste, während mein Vater mit den Angelis’ auf Geschäftsreise war.

Ich holte tief Luft. »Pflicht.«

Ein boshaftes Lächeln tanzte in den Augen der Blondine und sie kletterte von Ikaros’ Schoß hinunter, krabbelte über die Flasche, bis nur noch eine Handbreit unsere Nasenspitzen trennte. Ihr Channel No. 5 strich mir um die Nase. »Ich fordere dich heraus, in Ares’ Zimmer zu gehen und etwas von ihm zu stehlen.«

»Nein!«, schaltete sich Ikaros sofort dazwischen. »Lass meinen Bruder aus dem Spiel.«

Mein Puls hämmerte gegen meine Schläfe und ich schaute zwischen ihm und der Blondine hin und her. Es gab wenig im Leben, wovor ich wirklich Angst hatte. Ich fürchtete mich vor Schlangen, davor, meinen Vater zu verlieren, und vor Ares.

»So funktioniert das Spiel.« Sie schaute kurz schmollend über die Schulter zu Ikaros. »Aber wenn du dich nicht traust, kannst du gern nach Hause gehen.«

Ich sah ihn ebenfalls an, doch er hielt meinem Blick nicht stand. Stattdessen fuhr er sich durch die honigblonden Haare und trank sein Bier aus. Er war wie der Sonnengott. So verdammt sexy, wunderschön und einfach unerreichbar. Und daran würde sich auch nie etwas ändern, wenn ich nichts dagegen unternahm. Also? Was hatte ich zu verlieren? In ein paar Tagen würde ich nach San Francisco ziehen und er sein erstes praktisches Jahr in Chicago anfangen. Wahrscheinlich würden wir uns nie wiedersehen.

Ares ist nur ein Mensch.

Er ist kein wahrgewordener Albtraum.

Mit einem Ruck stand ich auf. »Bin gleich wieder da.«

»Lexy!«, rief Ikaros.

Doch ich achtete nicht auf ihn, lief aus dem Poolhaus und trat in die milde New Yorker Nachtluft. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss. Ikaros’ Stimme vermischte sich mit Ed Sheerans Bad Habits und drang gedämpft zu mir.

Ich nahm einen tiefen Atemzug, eilte mit gesenktem Kopf über den akkurat getrimmten Rasen, bis ich vor der Grausteinfassade des im gregorianischen Stil erbauten Herrenhauses stehenblieb. Die Villa war auf dem ehemaligen Gelände eines italienischen Schlosses aus dem frühen 20. Jahrhundert gebaut worden, verfügte über neun Schlafzimmer, elf Badezimmer und einen formellen Ballsaal. Hinzu kamen noch ein Heimkino, ein Weinkeller sowie ein Indoor-Fitnesskomplex, und draußen befand sich sogar ein Basketballplatz. Das alles in New York City, einer Stadt mit den vierthöchsten Immobilienpreisen der Welt. Es war aber die zweistöckige Bibliothek, die mich bei jeder Reise von Mrs. und Mr. Angelis heimlich ins Herrenhaus lockte.

Mein Vater bekam meine unbefugten Besuche nicht mit, und ich saß stundenlang zwischen Büchern, schaute dabei auf den Hudson River und tat so, als würde ich dort leben. Alles nur wegen Ikaros. Wenn wir beide uns in der Bibliothek trafen, war es so, als würde kein Milliardenerbe uns trennen. Ich fühlte mich nicht klein und unwürdig. Doch meine Hände zitterten, während eine Reihe von Erinnerungen mir durch den Kopf huschte. Eindrücke aus meiner Kindheit, in der Ares keine Möglichkeit ausgelassen hatte, mich zu schikanieren oder mich darauf hinzuweisen, dass ich nicht zur Familie gehörte. Egal wie oft Ikaros mich in Schutz genommen hatte, Ares Worte waren immer tief in mein Inneres gedrungen und hatten sich, bis heute, in meinem Bewusstsein eingenistet.

Abermals atmete ich durch, öffnete die Tür und trat ins Haus. Ein herber Duft stieg mir in die Nase, Mondlicht ergoss sich auf dem dunkelbraunen Edelholzfußboden und ein Zittern durchfuhr meinen Körper. Meine Schritte echoten von den nackten Wänden der Eingangshalle. Auf meine abgetretenen Sneakers starrend stieg ich die weißen Treppenstufen zu Ares’ Zimmer hinauf und hob erst den Blick, als ich vor seiner Tür stehenblieb. Gelbes Licht schlüpfte durch den Türspalt, und meine Faust verharrte Zentimeter vor dem dunklen Holz in der Luft. Ich ließ sie sinken, legte mein Ohr an die Tür und lauschte. Mein Puls schlug so wild, dass mir schwindlig wurde, doch von der anderen Seite hörte ich nichts.

Vielleicht ist er gerade nicht da.

Hoffentlich hat er Bereitschaft und wurde ins Krankenhaus gerufen.

Langsam umfasste ich die Türklinke, legte mir in meinem Kopf eine Ausrede zurecht für den Fall, dass er doch noch drinnen saß, und öffnete die Tür. Erdrückende Stille machte sich in dem Raum breit. Lediglich im Kamin knisterte das lodernde Holz.

Ich war bisher nur einmal hier drin gewesen. An dem Tag hatte ich ein Buch aus Ares’ Zimmer holen müssen, damit mein Vater es ihm in die Schule fahren konnte. Schon damals fand ich den Ort zu hell für den Teufel höchstpersönlich.

Ein flauschiger Teppich in Beige lag am Fuße eines Kingsizebettes mit dem hellbraunen gepolsterten Kopfteil. Die kahlen Wände waren in Weiß gehalten und der Schreibtisch sah wahrscheinlich ordentlicher aus als sein OP-Tisch. Dort lag eine Kette, die mich mit ihrem goldenen Glanz verführte, und ich schlich tiefer in Ares’ Zimmer. Das Schmuckstück hatte ich schon öfter um seinen Hals baumeln sehen, und Ikaros würde bestätigen, dass es seinem Bruder gehörte. Ich umschloss die Kette, drehte mich um und blieb wie angewurzelt stehen.

Ares lehnte im Türrahmen, seine durchtrainierten Arme hatte er vor der Brust verschränkt und seine Miene war wie aus Marmor gemeißelt. Mein Blick glitt jedoch tiefer, über die Sommersprossen auf seinen Oberkörper hinunter, seine ausgeprägten Bauchmuskeln und den Bund seiner Jogginghose, die tief unter seinem sich herrlich abzeichnenden V saß.

»Ares«, krächzte ich und umschloss seine Kette noch fester in meiner Faust. Da er nicht auf meine Finger schaute, hoffte ich, dass er meinen vermeintlichen Diebstahl nicht sofort erkannte.

»Wen hast du sonst in meinem Zimmer erwartet.« Verachtung lag in jedem einzelnen Buchstaben, und seine beinahe schwarzen Augen taxierten mich, als wäre ich der Kaugummi, der an seiner Schuhsohle klebte. »Der Weihnachtsmann sieht vermutlich anders aus.«

Ich schluckte, reckte mutig das Kinn und trat näher. »Ikaros hat mich darum gebeten, dich zur Party einzuladen, Satan. Ich habe geklopft.«

Keine Regung. Seine Miene blieb unergründlich. Ares sah unfassbar gut aus. Schwarze Haare, an den Seiten kürzer, oben länger und immer stylisch gekämmt. Ausdrucksvolle Augen, hohe Wangenknochen und niedliche Sommersprossen, die nicht zu seinen scharf geschnittenen Gesichtszügen passten. Eine hübsche Hülle voller Zorn und Boshaftigkeit.

»Aber wenn du Besseres zu tun hast ...« Ich deutete zu der Tür, in der er noch immer stand, und wartete darauf, dass er Platz machte, damit ich mich aus dem Zimmer stehlen konnte.

Stattdessen stieß sich Ares vom Türrahmen ab und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Ohne den Blick von mir zu wenden, schlenderte er auf mich zu, blieb erst stehen, als sein Duft nach herbem Duschgel und purer Bosheit mich umgab.

Ich schaute zu ihm hoch, denn er überragte mich mindestens um einen Kopf. Mein Mund war staubtrocken, mein Herz warf sich unkontrolliert gegen meinen Rippenbogen und meine Knie schienen aus Gummibärchen zu bestehen.

»Ich habe Besseres zu tun«, sagte er trocken. Sein Blick folgte jedoch meiner Kinnlinie bis zu meinen Lippen und schien sich dort wohlzufühlen. »Und wenn du wieder unerlaubt in mein Zimmer kommst, lasse ich deinen Vater feuern.«

Wut tobte in meiner Brust, erhitzte meinen Bauch und ich umschloss Ares’ Kette so fest, dass der goldenen Anhänger in mein Fleisch schnitt. Trotzdem biss ich mir auf die Zunge und schlängelte mich an ihm vorbei. Ich schluckte meinen Stolz meinem Vater zuliebe hinunter und um weiterhin ein Teil von Ikaros’ Leben zu bleiben. Doch ich schaffte es nicht bis zur Tür. Ares packte meinen Ellenbogen und wirbelte mich herum.

»Meine Kette lässt du hier.« Seine Stimme war kühl, kontrolliert, gefühllos, wie er seit seinem zehnten Lebensjahr klang.

»Ich weiß nicht ...«

Ares schaute mich eindringlich an, während er seine Fingerspitzen über meinen Unterarm bis zu meiner Faust tanzen ließ. Er verwendete keine Kraft, klopfte einfach auf meine Fingerknöchel, bis ich die Hand öffnete. Alles an mir sträubte sich dagegen, doch ich tat, was er wollte. Er sagte nichts, nahm die Kette aus meiner Handfläche und hängte sie sich um den Hals.

»Was hält mich davon ab, deinen Vater zu feuern?« Er fragte es, als würde er wissen wollen, was ich zum Mittag gehabt hatte.

Ich starrte nur seine Kette an. »Bitte, tu das nicht. Dad arbeitet schon sein ganzes Leben für deine Familie, und ich werde sowieso in ein paar Tagen nach San Francisco ziehen.«

Ares schob seine Hände in die Hosentaschen, sodass seine Schultermuskeln sich spannten. »Du hast aber versucht, mich zu bestehlen.«

Ich hätte sagen können, dass es Ikaros’ Idee war. Doch er sollte mich nicht retten. Nicht schon wieder. »Es war eine blöde Wette auf der Party, und ich war dämlich genug, um mich darauf einzulassen.«

»Ja. Du bist dämlich.« In seiner Stimme schwang kein Mitleid mit.

Widerwillig schaute ich in seine Augen aus bodenloser Dunkelheit. »Bitte. Ich mache alles, was du willst.«

Er antwortete nicht sofort, ließ die Sekunden verstreichen und schien meine Qual zu genießen. »Die Kette bedeutet mir viel. Wenn du nicht willst, dass dein Vater gefeuert wird, musst du mir etwas geben, was dir ebenfalls viel wert ist.«

Meine Knie drohten nachzugeben und abermals schluckte ich schwer. Ich besaß kein Geld, nichts, was Ares haben wollen würde. Bis auf eine Sache. »Einen Kuss?«

Tiefe Falten gruben sich zwischen seine Augenbrauen. »Warum sollte ein Kuss etwas Besonderes sein?«

Schon klar. Ich war ja nur die Tochter eines Angestellten und in seinen Augen noch ein Kind, schließlich war er neun Jahre älter als ich. Ares, unfassbar gut aussehend, reich und verdammt mächtig.

»Meinen ersten Kuss.«

Der Kuss, den ich für deinen Bruder aufgespart habe.

Eine weitere Sekunde verging. Wahrscheinlich fragte er sich, ob er mir glauben sollte. Immerhin war ich achtzehn und, wenn ich meine Vitiligo-Flecken mit Make-up bedeckte, sah ich gut aus.

Ein Glanz stahl sich in seine Augen. »Okay.«

Schmerz durchzog meine Brust, die zerschmetterte Hoffnung, er würde diese Idee bescheuert finden und einfach so den Vorfall vergessen. Aber Menschen wie ich hatten nie Glück. Deshalb schloss ich die Augen und ergab mich. Mit seinen Händen umfasste Ares mein Gesicht, sein heißer Atem rollte über meinen Mund. Die Stellen, die er berührte, brannten lichterloh und sein herber Duft benebelte meinen Verstand. Ich erwartete einen Kuss mit der Wucht seiner so dominanten Präsenz. Stattdessen legte Ares seinen Mund federleicht auf meinen, strich mit seiner Zunge über meine Unterlippe und saugte leicht daran. Er schmeckte nach Lust, Zorn und herbem Tee. Er raubte mir meinen nächsten Atemzug, während ich mich auf die Zehenspitze stellte und meine Finger in seinen Haaren vergrub. Hitze schlängelte sich zwischen meine Beine. Ares drängte seinen Körper gegen meinen, bis sich mein Rücken gegen die Wand presste und ich ihn überall spürte. Er griff fest in meinen Nacken und wartete umsichtig, bis ich den Mund öffnete, um seine Zunge hineingleiten zu lassen. Seine Erektion drückte sich gegen meinen Bauch und mir entwich ein leises Stöhnen. Mein Körper fing Feuer, während die Art, wie seine Zunge mit meiner spielte, meinen Verstand immer weiter trübte. Sein Kuss forderte mich dazu auf, mehr zu geben, mich hinzugeben, und es fühlte sich so verflucht gut an.

Als ich nach Luft ringend die Augen öffnete, pulsierte mein Herzschlag so laut, dass ich Angst bekam, ohnmächtig zu werden.

»Nicht schlecht für den ersten Kuss«, keuchte er noch mit geschlossenen Augen und strich mit seiner Nasenspitze über meine.

In meinem Magen flatterte es so verdammt stark, dass mir übel wurde. Aber es sollte sich nicht so anfühlen. Er war Ares und nicht Ikaros. Ich sollte es hassen und nicht begehren. Ich müsste ihm eine Ohrfeige verpassen und nicht nach mehr betteln.

Ich zog seine Hände von mir herunter und stürmte, ohne mich noch einmal umzublicken, hinaus. Ich eilte nicht zurück auf die Party, sondern zu unserem Haus. Mein Vater war auf der Couch vor dem Fernseher eingeschlafen und merkte nicht, dass ich zurück war. Besser so, denn ich wollte ihm nicht Rede und Antwort stehen müssen, vor allem weil ich selbst nicht wusste, welche Gefühle in meiner Brust gerade tobten. Ich sollte den heutigen Abend vergessen, doch Ares’ Geschmack lag noch immer auf meiner Zunge. Jede Faser meines Körpers vibrierte, und ich war mir sicher, dass der Mann, den ich am meisten hasste, sich wie ein Siegel in mein Gedächtnis eingebrannt hatte.

Kapitel 2 – Lexy

Gegenwart

Die Absätze meiner Louboutins klackerten auf dem sterilen Marmorboden, hallten von den weißen Wänden wider, und ich schob meine Sonnenbrille in die Haare. Den penetranten Geruch von Desinfektionsmittel ignorierend und mit meinem selbstsichersten Gesichtsausdruck, ließ ich den Blick über das Foyer des Angelis Memorial Hospitals streifen. Ich fand das Schild, das mich zu meinem Büro führte, und steuerte auf den Aufzug zu. Heute würde nichts schieflaufen. Immerhin hatte ich meine Dress-to-impress-Schuhe angezogen. Außerdem trug ich professionelles Make-up, eine überteuerte Bluse und einen Versace-Bleistiftrock, der so eng an meinen Hüften saß, dass er meine Blutzirkulation erschwerte. Ich sah gut aus. Nein, ich war die Latina-Version von Angelina Jolie in Mr. & Mrs. Smith. Davon abgesehen war mein Einstellungsgespräch vor zwei Wochen so gut gelaufen, dass die Personalabteilung beinahe darum gebettelt hatte, dass ich die Stelle als Healthcare-Managerin annahm.

Ich bin kompetent.

Ich bin unaufhaltsam.

Ich bin ein Porsche ohne Bremsen.

Sias Unstoppable lief in Dauerschleife in meinem Kopf. Das Universum war ein Mal in meinem Leben auf meiner Seite, und auch wenn ich meiner Vergangenheit entgegentreten musste, wäre ich vorbereitet. Ich nahm also einen tiefen Atemzug, trat aus dem Aufzug und rutschte aus. Die Welt wankte unter meinen Füßen. Ein scharfer Schmerz biss mich am Hinterkopf, und meine Aktentasche entglitt meinen Fingern.

»Der Boden ist nass!«

Die letzten Worte, die ich hörte, bevor die Dunkelheit mich verschlang.

***

Ein stetiges Piepen drang an mein Ohr. Es roch nach Blumen, vielleicht Sonnenblumen, und mein Hinterkopf pochte schmerzhaft. Blinzelnd öffnete ich die Augen. Das Krankenhausbett, auf dem ich lag, fühlte sich wie Wackelpudding an. Scham bohrte sich in meine Seele. Heute hatte ich glänzen wollen. Stattdessen musste ich feststellen, dass ein Porsche ohne Bremsen und ein nasser Boden keine gute Kombination waren. Langsam setzte ich mich auf, die Welt wurde kurz unscharf und ich tastete nach dem gigantischen Pflaster zwischen meinen Haaren.

Wurde ich genäht?

Mein Blick huschte zur Handtasche auf dem Beistelltisch. Für eine Millisekunde wägte ich ab, meinen neuen Job zu kündigen und wieder aus der Stadt zu ziehen, als es an der Tür klopfte.

»Herein«, sagte ich mit kratziger Stimme und beugte mich zum Wasserglas neben meinem Bett.

Schritte erklangen im Zimmer, während ich einen Schluck trank.

»Ich schwöre, ich habe eine sehr beeindruckte Entschuldigungsrede auswendig gelernt. Aber Sie sind nicht sofort aufgewacht, und ich musste zwischendurch eine Achtzehnjährige retten, die ein Selfie auf einer Baustelle machen wollte und aus dem dritten Stockwerk gefallen ist.«

Ich verschluckte mich am Wasser, hustete, bis meine Brust wie Lava brannte. Ikaros. Seine Stimme würde ich auch nach einer Ewigkeit wiedererkennen. Doch nicht einmal in meinen kühnsten Albträumen hätte ich mir ausgemalt, dass ich bei unserem Wiedersehen einen dieser Krankenhauskittel tragen würde, bei dem jeder einen ungehinderten Blick auf meinen Allerwertesten erhaschen konnte. Schon gar nicht bei unserem ersten Treffen nach zehn Jahren. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um, und meine Sicht trübte sich erneut. Ich kniff die Augen zusammen und stöhnte.

»Wow, langsam. Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung, und wir mussten die Platzwunde mit zwei Stichen nähen.«

Ikaros’ Duft nach Regen und Bergamotte umgab mich und ich atmete tief durch. Sehnsucht überkam mich, entfachte eine Wärme, die nur er in mir auslösen konnte. Meine Wangen brannten, meine Knie bestanden nur noch aus weicher Butter, und ich war froh, nicht stehen zu müssen.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte er.

Ihnen? Erst jetzt fiel mir auf, wie formell er mit mir redete. Zwar war ich die neue Healthcare-Managerin und wir hatten uns das letzte Mal an meinem achtzehnten Geburtstag gesehen, doch er kannte mich, seit ich Windeln getragen hatte.

»Ich ...« Blinzelnd öffnete ich die Augen und die Luft wich aus meiner Lunge. Ikaros sah noch atemberaubender aus, als ich ihn in Erinnerungen hatte. Er trug dunkelblaue OP-Klamotten, einen weißen Arztkittel darüber, ein Stethoskop hing um seinen Hals und zwischen seinen Fingern drückte er eine schmale Taschenlampe. Ich ließ mich nur eine Sekunde davon ablenken, wie unvergleichbar sexy er in den Arztklamotten aussah, und schaute ihm ins Gesicht. Ikaros sah reifer und ernster aus. Dunkelblonde Bartstoppel zierten seine Wangen, um seine meergrünen Augen herum hatten sich feine Linien gebildet und seine honigblonden Haare waren jetzt pinsellang.

»Sie sehen ein wenig blass aus, Miss ...« Er ging einen breiten Schritt zur Seite, zog ein Klemmbrett aus dem Fach am Fußende des Bettes und warf einen kurzen Blick darauf. Unglaublich, dass in einem Krankenhaus aus einer so renommierten Kette immer noch mit analogen Akten gearbeitet wurde. »Miss Garcia. Wie fühlen Sie sich? Ich habe nur darauf gewartet, dass Sie aufwachen, damit wir zur Sicherheit ein Kopf CT machen können.«

Wieso siezt er mich?

Ich setzte mich aufrechter und verengte die Augen. »Du hast keine Ahnung, wer ich bin, oder?«

Ikaros sah vom Klemmbrett auf und schenkte mir dieses umwerfende Lächeln, mit dem er alles auf der Welt bekam. »Natürlich. Sie sind die neue Healthcare-Managerin, und wenn ich das sagen darf, die Schönste, die ich bisher kennengelernt habe.« Er zwinkerte mir zu.

Sein Kompliment hätte mich rot werden lassen sollen. Jetzt erntete Ikaros nur ein Stirnrunzeln.

»Die Krankenhausanwälte wollen sichergehen, dass Sie uns nicht verklagen werden, weil ein Depp vergessen hat, das Warnschild auf dem nassen Boden aufzustellen«, fuhr er fort.

Natürlich. Geld. Um was sonst würde es bei der Familie Angelis gehen?

Ich ordnete meine Gedanken in meinem schmerzenden Kopf, als eine Frau, nach einem kurzen Klopfen an der Tür, ins Zimmer kam. Sie sah mich nicht an. Stattdessen schenkte sie Ikaros ein anzügliches Lächeln und reichte ihm ein weiteres Klemmbrett. Wortlos nahm er es ihr ab, unterzeichnete und zwinkerte ihr zu, bevor er ihr die Unterlagen zurückgab. Einen Moment lang fragte ich mich, ob die Frau überhaupt wusste, dass sie nicht allein waren, wartete aber, dass sie wieder das Zimmer verließ, um mein Kinn zu recken. »Warum genau sind Sie hier, Dr. Ikaros Angelis?« Ich betonte dabei das Sie extra.

»Sie wissen, wer ich bin?«

Du bist der Vollidiot, den ich mein ganzes Leben lang angehimmelt habe, während du die gesamte Upper East Side gevögelt hast.

»Abgesehen davon, dass Ihr Namen auf ihrem weißen Kittel steht, kenne ich jeden Mitarbeitenden dieses Krankenhauses.«

Er schaute kurz an sich hinab, bevor er mich mit diesem Ich-kann-dich-jederzeit-haben-Blick ansah. »Ich hätte auch nichts anderes von Ihnen erwartet, Miss Garcia.« Ikaros schob das Klemmbrett wieder in das Fach am Fußende des Bettes, knipste die Taschenlampe an und ließ den Lichtstrahl zu mir gleiten. »Oder darf ich Sie Alexandra nennen.«

Alexandra Garcia! Klingelt da nichts bei dir, du Idiot?

Natürlich war mein Name nichts Besonderes. Sicherlich hatte er einen so gewöhnlichen Nachnamen wie diesen bereits unzählige Male auf den Akten gelesen. Ich war in dem Anwesen seiner Eltern aufgewachsen, verdammt noch mal! Meine glatten Haare reichten mir zwar nicht mehr bis zu den Hüften, sondern waren eher schulterlang. Meine Brüste waren endlich gewachsen und meinen Augenbrauen sahen nicht mehr katastrophal aus, seit ich sie in Form zupfte. Doch selbst wenn ich während meiner Zeit in San Francisco die ein oder andere Schönheitsoperation gemacht hätte, müsste er mich doch wiedererkennen. Hatte Ikaros die Stunden vergessen, die wir am Pool gesessen und über die Zukunft geredet hatten? Natürlich hatte er das! Zehn Jahre waren vergangen, und ich benahm mich immer noch wie ein verliebtes Groupie. »Sie dürfen mich Miss Garcia nennen, Dr. Angelis.« Übelkeit stieg in mir hoch, doch ich straffte die Schultern. »Und ich würde gern wissen, warum der beste Unfallchirurg des Krankenhauses sich noch im Erholungszimmer einer Patientin aufhält, die Sie eindeutig nicht braucht. Das nennt man Ausbluten von Ressourcen.«

Er befeuchtete seine Lippen, wobei sich zwei Grübchen in seinen Wangen vertieften. »Ich wollte fragen, ob Sie heute Abend mit mir in die Bar Masa gehen wollen.«

Das konnte nicht sein Ernst sein. »Wie bitte?«

»Ehmmm ... Wenn ich ehrlich sein darf, wurde ich hierhergeschickt, um Sie bei Laune zu halten. Aber ich habe eher mit einer älteren Healthcare-Managerin gerechnet. Umso glücklicher war ich, als ich Sie gesehen habe.«

Wut pulsierte heiß in meinen Adern. »Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Dr. Angelis. Aber ich bin weder käuflich noch habe ich Interesse, mit Ihnen auszugehen. Ich bin hier, um einen Job zu machen, für den ich teuer bezahlt werde. Meinen Eltern gehören nämlich keine Krankenhäuser.«

»Autsch.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, doch seine meergrünen Augen funkelten amüsiert. »Wenn Sie mich oder zumindest meinen Werdegang kennen, wissen Sie auch, dass ich vorher nur in medizinischen Einrichtungen gearbeitet habe, die nicht meinen Eltern gehörten. Mir war es immer wichtig, für meine Arbeit und nicht für das Geld meiner Eltern Lob zu verdienen.«

Ich rechnete ihm hoch an, dass er sich entschieden hatte, seine praktischen Jahre und die Facharztausbildung in Massachusetts zu absolvieren. Einer der wenigen Bundesstaaten, in denen die Angelis’ kein Krankenhaus besaßen. Doch die harte Arbeit schenkte ihm eine gehörige Portion Arroganz, anstatt ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Er war gut. Unfassbar gut. Doch ich war kein Stück Frischfleisch, das er bei Laune halten musste.

»Wenn Sie so weitermachen, verdienen Sie nur eine Anzeige wegen Belästigung.«

Abwehrend hob er die Hände empor. »Okay. Ich habe verstanden.«

»Haben Sie?«, fragte ich ungehalten.

»Sie sind nicht interessiert?«

»Ich bin nicht nur nicht interessiert, Dr. Angelis, sondern Ihre Anmerkungen über das Aussehen einer Patientin oder einer Mitarbeiterin des Krankenhauses sind unpassend, wenn nicht sogar sexistisch.«

»Sexistisch?« Er hob die Augenbrauen.

»Wäre ich ein Mann gewesen, hätten Sie mich dann auch zu einem Abendessen in die teuerste Sushibar New Yorks eingeladen?«

»Ich ...«

»Weder mein Alter, mein Aussehen, mein Geschlecht noch meine sexuelle Orientierung sollten eine Rolle spielen. Nicht als Mensch, nicht als Healthcare-Managerin und schon gar nicht als Patientin.«

Ikaros rieb sich den Hinterkopf, befeuchtete erneut die Lippen, bevor er mir wieder in die Augen sah. »Sie haben recht.«

Na, Gott sei Dank! Ich hatte schon angefangen, an meiner Menschenkenntnis zu zweifeln. Es konnte nicht sein, dass ich mein ganzes Leben lang in einen kompletten Idioten verliebt gewesen war.

»Es tut mir leid, Miss Garcia«, fügte er hinzu. »Ich wollte nicht respektlos sein und werde darauf achten, dass so was nicht erneut passiert.«

Ein Teil von mir wollte auf Moral pfeifen und die Einladung annehmen. Ich wollte mit ihm ausgehen, eine heiße Nacht mit ihm verbringen und ihn um den Verstand bringen. Endlich hätte ich nach so langer Zeit die Möglichkeit, das zu bekommen. Er nahm mich wahr. Nicht das Mädchen, das er aufwachsen gesehen hatte, sondern eine Frau, die er attraktiv fand. Aber wenn ich das täte, würde ich alles verlieren, wofür ich gekämpft hatte. Ich war nicht zurückgekommen, um noch eine weitere Bettgeschichte für Ikaros zu werden, sondern um respektiert zu werden. Die Menschen behandelten mich nun mal so, wie ich mich selbst behandelte. Ich würde mich nicht unter Wert verkaufen.

»Ich wäre dann für das Kopf CT bereit«, sagte ich.

Ikaros nickte. »Ich gebe die Information weiter und Sie werden gleich abgeholt.«

Ohne ihn ein weiteres Mal anzusehen, zog ich meine Handtasche auf den Schoß und rief die Krankenhausverwaltung an. Wahrscheinlich hatten sie bereits mitbekommen, was mir passiert war, doch sie sollten wissen, dass ich morgen mit oder ohne Beule an meinem Schreibtisch sitzen würde. Ikaros war Nebensache. Das Angelis Memorial Hospital würde das erste Krankenhaus aus der Angelis Healthcare Inc. sein, das ich auf den höchsten Digitalisierungsstand bringen würde. Während das Rufsignal an meinem Ohr ertönte, schaute ich zur Zimmertür, vor der Ikaros stehengeblieben war.

»Es tut mir wirklich leid«, sagte er mit diesem Dackelblick, der mir immer ein heißes Kribbeln in Bauch verursacht hatte. »Und willkommen an Bord.«

Ich presste meine Lippen aufeinander. Vielleicht war es besser so, dass er mich nicht wiedererkannte. Heute startete ich ein neues Kapitel in meinem Leben. Alles andere sollte hinter mir bleiben. Ikaros zu begegnen war die erste Feuerprobe, die ich überstehen musste, und ich war mir sicher, dass ich mich noch verbrennen würde. »Danke.«

Kapitel 3 – Ares

Mit dem Daumen strich ich über meine Unterlippe, und die andere Hand schob ich in die Hosentasche. Mein Blick glitt nach draußen zu den Ärzten, die vor meinem Büro von A nach B rasten. Bereits an meinem ersten Tag als CEO der Angelis Healthcare Inc. hatte ich darauf bestanden, in jedem Krankenhaus der Klinikgruppe meiner Familie einen Arbeitsplatz mit Wänden aus Glas zu haben. Nicht deswegen, weil ich offen dafür war, Besuche meiner Angestellten zu bekommen, denn diese waren bei mir so willkommen wie eine Herzrhythmusstörung. Sondern weil alle Mitarbeiter wissen sollten, wer hier das Sagen hatte. Nämlich ich.

»Chef«, sagte Amanda und streckte den Kopf durch die offene Tür.

Ich biss die Zähne fest aufeinander und atmete tief durch, um sie nicht auf der Stelle zu feuern. Egal wie oft ich die schrumpelige Hexe davor warnte, mich so zu nennen, sie hörte nicht damit auf. Wahrscheinlich bereitete es ihr Spaß zu wissen, dass ich nichts gegen ihr Verhalten unternehmen konnte. Meine Assistentin war nicht nur die älteste Angestellte des Unternehmens, sondern auch eine gute Freundin meiner Eltern, was ihr den Status ›denkmalgeschützt‹ einbrachte. Sie an meiner Seite zu haben, war ebenfalls einer der Voraussetzungen meiner kontrollbesessenen Mutter, um mir den Posten des CEOs zu geben. Somit hatte sie eine Spionin, die jeden meiner Schritte verfolgte und ihr Bericht erstattete. Vermutlich sogar darüber, mit wem ich vögelte. Sie verließ sich nicht allein auf meine Kompetenzen und die Verbesserungen, die ich in die Zahlen gebracht hatte. Ich war nun mal nicht leicht zu biegen, auch nicht ewig dankbar dafür, dass sie mich aus der Gosse gerettet hatten. Warum sollte ich? Mrs. Angelis war keine gute Person und eine liebevolle Mutter schon gar nicht. Trotzdem dachten die meisten, sie sei eine Art Heilige, weil sie den achtjährigen Sohn drogensüchtiger Eltern adoptiert hatte. Bullshit! Ihre Handlungen waren alle berechnend. Mein Vater war der einzige Grund, warum ich bei dieser versifften Familie geblieben war, denn er glaubte an mich. David Angelis allein hatte mir die Chance gegeben zu zeigen, was ich konnte, und genau das würde ich tun. »Was wollen Sie von mir?«

Ich musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass Amanda die Augen verdrehte. Von mir aus konnte sie einen Herzinfarkt erleiden, und ich würde plötzlich den hippokratischen Eid vergessen, den ich am Ende meines Medizinstudiums geleistet hatte. Damals hätte ich besser schwören sollen, dass ich nur das Leben von Menschen retten würde, denen ich nicht selbst den Tod wünschte.

»Sie haben gesagt, ich sollte Ihnen Bescheid geben, wenn –«

»Wenn ich da bin.«

Eine andere Stimme erklang im Raum. Weiblicher, weicher und einfach unvergesslich. Meine Züge entspannten sich, und als ich hinsah ... Fuck! Jetzt war ich kurz davor, derjenige zu sein, dem das Herz stehen blieb.

»Mrs. Woods hat gesagt, dass Sie mich sprechen wollen, Dr. Angelis.« Lexy ging an Amanda vorbei, kam auf mich zu wie eine Raubkatze und blieb vor meinem Schreibtisch stehen. »Ich wusste gar nicht, dass Sie überhaupt hier im Krankenhaus ein Büro haben. Vom CEO der Klinikgruppe der Familie Angelis hätte ich erwartet, dass er eher vom Hauptsitz aus arbeitet.«

Mein Blick glitt über ihre wohlgeformten Beine, die in einem engen Rock steckten, über ihre schmale Taille, ihre Brüste bis zu ihrem Gesicht. Sie sah erwachsener, sinnlicher und so selbstbewusst aus, dass mein Blick wie chirurgischer Kleber auf ihren Kurven haftete. Für eine Sekunde fragte ich mich, warum sie ihre Pigmentstörungen mit Make-up bedeckte. Ihre Haut war so weich, so rein. Anderseits war dieses Wissen wie ein Geheimnis, von dem ich und kaum noch jemand anderes wusste. Der Gedanke gefiel mir, genau wie das, was ich gerade sah. Die Jahre hatten ihr gutgetan. Viel zu gut. Jedoch sollte mich mehr beschäftigen, ob sie zu einem Problem für mich werden würde oder nicht.

»Sie können gehen, Amanda.«

Die Nervensäge warf mir einen missbilligenden Blick über ihre Hornbrille zu, bevor sie endlich aus meinem Sichtfeld verschwand. Von mir aus konnte sie sich wie eine beschissene Fünfjährige verhalten, meine Mutter anrufen und petzen, dass ich mit der neuen Healthcare-Managerin allein sprechen wollte. Die einzige Frau, über die meine Eltern ausdrücklich gesagt hatten, ich solle die Finger von ihr lassen. Darum ging es hier nicht. Ich vögelte nicht alles, was zwei Beine hatte. Obwohl ich, mit Blick auf Lexy, die Idee gar nicht so schlecht fand.

»Der beißt nicht.« Ich deutete zum Stuhl, neben dem sie stehengeblieben war.

»Ich weiß nicht, wie wichtig das Thema ist, welches Sie sofort mit mir besprechen müssen, Dr. Angelis. Aber beim nächsten Mal wäre es sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie Ihre Assistentin mit mir einen Termin vereinbaren ließen.« In ihrer Stimme lag kein Anzeichen von Furcht, während sie sich setzte und ihre Beine übereinanderschlug. Ihre braunen Augen musterten mich stechend.

Meine Mundwinkel bogen sich nach oben. Lexy war nie zahm gewesen. Im Gegenteil. Im Umgang mit mir schienen alle auf rohen Eiern zu laufen, nur sie hatte keine Angst gehabt, mir die Leviten zu lesen. Ob sie wohl noch an ihren ersten Kuss dachte?

»Dr. Angelis?« Ich war dankbar für den Tisch, der zwischen uns stand und mir die Sicht auf ihre Beine versperrte, denn so konnte ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Vielleicht war doch noch ein wenig vom inkonsequenten Teenager in mir. »Du hast mich immer Ares genannt. Manchmal auch Satan.«

Sie hob ihre Augenbrauen, und ihre vollen Lippen trennten sich Sekunden lang, ohne dass sie ein einziges Wort sagte. »Du erinnerst dich also noch an mich.«

»Soll das ein Witz sein?« Ich öffnete mein Jackett, legte meinen Fuß auf das gegenüberliegende Knie und studierte ihre Züge.

Lexy wandte ihren feurigen Blick von mir ab, strich mit den Fingernägeln über die Sitzlehne und fuhr sich über den Unterarm. »Genau das habe ich gedacht, als ich Ikaros begegnet bin und er mich nicht wiedererkannt hat.«

Sie kratzte sich über den Arm. Das machte sie immer, wenn sie nervös war. Mit ihren Augen, ihrer Miene wollte sie mir zeigen, dass sie selbstsicher war. Aber ich kannte die Wahrheit dahinter. Dieses Spiel spielte ich selbst schon viel zu lange. Mein Blick glitt zu ihren feuchten Lippen und die Hitze, die in meinen Adern pochte, führte mich zu besseren Erinnerungen. Ich wollte nicht daran denken, wie sie damals ihre Finger in meine Haare gekrallt und ihren Körper gegen meinen gepresst hatte. Ich wollte mich jetzt nicht fragen, ob sie mich noch so ausgehungert küssen und sich so weich anfühlen würde. Es war nur ein Kuss, verdammt noch mal! Ein bedeutungsloser Kuss, den sie mir vor zehn Jahren gegeben hatte. Sie hatte es nicht einmal richtig gewollt. Aber vielleicht war genau das das Problem. Sie hatte mich schon immer gehasst, doch dann geküsst, als hätte sie es sich die ganze Zeit gewünscht. Lexy war jedoch in Ikaros verliebt gewesen, und er hatte nicht genug Hirnzellen besessen, um das zu merken. »Mein Bruder ist ein Idiot, der nur durch ein Wunder Arzt geworden ist. Oder eher durch das Geld unserer Eltern.«

Schlagartig sah sie mich wieder an, und in ihren braunen Augen loderte Zorn. »Rede nicht so über ihn! Vielleicht war er schon zu viele Stunden auf den Beinen und –«

»Du stehst also immer noch auf ihn.« Ich legte meine Fingerspitzen an meine Schläfe und setzte eine gelangweilte Miene auf. Es sollte mich nicht stören, dass sie noch für Ikaros schwärmte. Warum brannte es dennoch in meinem Bauch, wenn sie ihre Gefühle für ihn zeigte? »Ich ... Das ist ...«

»Sehr sogar«, fügte ich monoton hinzu. Lexy richtetet sich in ihrem Stuhl auf, straffte die Schultern und schien fünf Zentimeter gewachsen zu sein. »Warum hast du mich hierher gerufen, Ares?«

Mein Name verätzte ihre Zunge.

Ich war Säure für sie.

»Bereust du noch, mich und nicht ihn als Erstes geküsst zu haben?«

Vielleicht wollte ich sie provozieren. Wahrscheinlich wollte ich es wirklich wissen.

Ihre Miene blieb ruhig, doch ihre Brust hob und senkte sich schneller. »Ich habe nicht den Job angenommen, um mich an kindische Ereignisse der Vergangenheit zu erinnern. Wenn du mir nichts Wichtiges zu sagen hast, gehe ich jetzt.«

Da sind deine scharfen Krallen wieder, wildes Kätzchen. »Ich bin dein Boss, Lexy.« Mein Blick glitt über die Knöpfe ihrer moosgrünen Bluse, kehrte zurück zu ihren vor Wut glühenden Augen. »Vielleicht habe ich dich nicht direkt eingestellt, aber du hast den Job nur bekommen, weil ich dem zugestimmt habe.«

»Und warum hast du zugestimmt?«

Eine sehr gute Frage. Unter den Bewerbern hatte es niemand Besseren gegeben. Lexy hatte zwar nicht an einer Elite-Uni studiert, doch im Laufe der Jahre waren mir zu viele Harvard-Absolventen untergekommen, die Mist gebaut hatten. Der Grund allerdings, warum ich sie hier haben wollte, war, dass ein vergessener Teil von mir erwacht war, als ich ihre Bewerbung gesehen hatte. Vielleicht handelte es sich um einen trotzigen Teil, weil meine Mutter gegen ihre Einstellung war. Wahrscheinlich wollte ich nur wissen, ob Lexy mich noch verabscheute. »Weil ich von deiner Arbeit beeindruckt bin.« Ich legte mein Bein wieder ab, beugte mich leicht zu ihr nach vorn. »Ich habe gesehen, dass du das St. James Memorial Hospital auf den neusten technologischen Stand gebracht hast. Sie arbeiten effizienter, sparen Zeit, und das zeigt sich in den Zahlen.«

»Gut. Dann muss ich keine Angst um meinen Job haben.«

Ich war also nicht der Einzige, der trotzig sein konnte.

»Ich habe dich in mein Büro gerufen, weil du nicht denken sollst, dass ich dich nur wegen deines Vaters eingestellt habe.« Ich hielt ihrem Blick stand. »Du magst Miguels Tochter sein, aber für mich bist du hier nur eine Mitarbeiterin.«

»Ich würde niemals eine gute Tat von dir erwarten, Ares.« Sie schlug ihre Beine erneut übereinander. »Außerdem bin ich sehr wohl in der Lage, Berufliches und Privates zu trennen. Wie sieht es bei dir aus?«

Ungewollt schmunzelte ich und mein Blut erwärmte sich. Sie gefiel mir. Zweifellos. Die Frage war, ob sie dasselbe mit Ikaros anstellte und somit ein Problem für mich werden würde. Lexy war kein verliebtes Mädchen mehr. Sie war eine Frau. Eine attraktive Frau mit unglaublich viel Potenzial. So wie ich meinen gehirnamputierten Bruder kannte, würde er nicht darüber nachdenken, was es für ihn und meine Karriere bedeutete, mit ihr etwas anzufangen. »Dann kann ich mich ja darauf verlassen, dass du nicht mit Ikaros ins Bett steigst.«

Irritiert blinzelte sie. »Wie bitte?«

»Ich habe gehört, dass er dich zum Essen eingeladen hat.« Amanda war doch ab und zu nützlich. Wenn ich Informationen über jemanden brauchte, schien sie sogar Gedanken lesen zu können. Nur war sie nicht in der Lage gewesen, meiner Mutter ihre blöde Idee auszureden, Ikaros gestern zu Lexy zu schicken. Sie hatte gedacht, er würde sie mit seiner charmanten Art von einer möglichen Klage abhalten. Wie immer sah sie nur seine Stärken und vergaß, wie schnell er die Fusion des Unternehmens in den Sand setzen konnte.

»Na, dann hast du auch bestimmt gehört, dass ich die Einladung abgelehnt habe.« Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her.

»Ikaros ist hartnäckig, wenn er etwas will.« Ich holte tief Luft und lehnte mich zurück. »Er ist ein verwöhntes Kind, das ich leider nicht feuern darf. Dich dagegen –«

»Ich werde dir keinen Grund liefern, mich zu feuern«, fiel sie mir ins Wort. »Du kannst von mir zügiges und effizientes Arbeiten erwarten. Ich habe kein Problem mit Überstunden, kenne das Krankenhausleben sehr gut und bin rund um die Uhr erreichbar. Auch an den Wochenenden. Nicht alle Mitarbeiter werden mit meinen Methoden glücklich sein. Aber sie werden schon früher oder später erkennen, dass das Krankenhaus dadurch nur besser funktioniert. Was mich angeht wirst du nicht bereuen, mich eingestellt zu haben, Dr. Ares Angelis.«

Dr. Angelis.

War das ihre Art, mich Arschloch zu nennen? Ich verhielt mich auch wie eins. Lexy sollte mich noch mehr hassen. So hatte ich einen weiteren Grund, mich von ihr fernzuhalten.

»Okay.«

Sie stand auf, reckte das Kinn und kreuzte die Arme vor der Brust. »Wär das dann alles?«

»Ich weiß, dass du mich verabscheust, Lexy. Aber mir ist es schlichtweg egal«, sagte ich mit fester Stimme. »Du musst mich nicht mögen, um deine Arbeit richtig zu machen und dich von Schwierigkeiten fernzuhalten.«

Sie nickte und ich sah förmlich in ihrer Miene, wie heftig sie mich in ihrem Kopf beschimpfte. »Keine Sorge. Ich habe auch nicht vor, dich zu mögen.«

Als ich dann zur Tür deutete, drehte sie sich um und ging. Ich ließ meinen Daumen über meine Unterlippe gleiten und schaute noch einige Sekunden in die Richtung, in der sie verschwunden war. Es war nur ein Kuss gewesen. Ein verfluchter Kuss vor zehn Jahren. Vielleicht hätte ich nie wieder daran gedacht, wäre ich ihr nicht erneut begegnet. Jetzt fragte ich mich, ob wirklich nur Ikaros meine Karriere zerstören konnte. Ich musste auf der Stelle aufhören, an Lexy zu denken, und das fiel mir jetzt schon schwerer, als es sollte.

Kapitel 4 – Lexy

Die Absätze meiner High Heels gruben sich in den weichen Rasen und ich bereute es auf der Stelle, meine guten Schuhe für diesen Besuch ausgesucht zu haben. Würde mein Vater irgendwo anders auf der Welt wohnen, wäre ich in Jeans und Sneakers gekommen. Aber er lebte noch immer bei den Angelis’ und würde die hochnäsige Familie chauffieren, bis er nicht mehr fahren konnte. Nicht, weil er den Job wirklich brauchte, sondern, weil er ihn liebte.

Ich seufzte, verlagerte mein ganzes Gewicht auf die Fußballen und tapste über die Wiese bis zum Nebengebäude. Als endlich die blau-weiße Fassade zum Vorschein kam, schnürte sich meine Kehle zu. Das Gebäude im gregorianischen Stil passte perfekt zu dem Hauptgebäude und war eigentlich gebaut worden, um Gäste zu empfangen. Eine lächerliche Überlegung, wenn man die Unmenge an Gästezimmern bedachte, die das Herrenhaus besaß. Ich stieg entschlossen die Verandastufen hinauf und blieb vor der Haustür stehen. Seit ich ausgezogen war, hatte ich diesen Ort nicht mehr als mein Zuhause bezeichnet, und wollte es nie wieder tun. Doch gegen all meine Bemühung nistete sich eine sanfte Wärme in meiner Brust ein, die nichts mit der prallen Sonne zu tun hatte. Ich atmete tief durch, hob die Hand und klopfte. Ein Rascheln erklang von der anderen Seite, Schritte knarrten über den Holzboden, und als sich die Tür öffnete, blieb mein Herz für eine Sekunde stehen. Die Zeit kannte kein Erbarmen, erinnerte mich bei jedem Treffen mit meinem Vater daran, dass sie nicht stehenblieb. Nur ein Jahr war vergangen seit dem letzten Mal, dass mein Vater mich in San Francisco besucht hatte. Doch die Falten um seine braunen Augen herum hatten sich vertieft und sein welliges Haar war vollständig ergraut.

»Mein Mädchen!« Dads Lächeln wurde breiter und er zog mich in eine stürmische Umarmung.

Ich schlang meine Arme um ihn, atmete seinen vertrauten Kaffeeduft ein und ließ all die erdrückenden Gefühle aus meiner Seele verbannen. »Ich habe dich so vermisst«, brachte ich heraus, bevor sich Tränen in meinen Augen sammelten und meine Stimme versagte.

»Oh, nein, nein«, besänftigte er mich, strich mir kurz über den Rücken und ließ mich los. »Bitte nicht traurig sein. Ich habe mein Mädchen viel zu lange nicht gesehen. Jetzt möchte ich nicht, dass du meinetwegen weinst.«

Normalerweise war ich nicht nah am Wasser gebaut, außerdem hatte mich das Leben gelehrt, dass meine Gefühle offen zu zeigen nur seelische Verletzungen mit sich brachte. Aber bei Dad konnte ich einfach ich selbst sein, und darauf würde ich nie verzichten. »Ich bin nur glücklich.«

Er verengte die Augen, als würde er mir nicht glauben, strich jedoch behutsam über meine Wange und zog mich an der Hand in das Haus hinein. »Dann essen wir einen Kuchen, um diesen erfreulichen Moment zu feiern.«

Sobald ich den Fußboden des Wohnzimmers betrat und die Tür hinter uns ins Schloss fiel, traf mich mit voller Wucht eine Welle von Erinnerungen. Doch es waren nicht diejenige, die ich zehn Jahre lang gefürchtet hatte, sondern welche, die mir ein Lächeln auf die Lippen zauberten. Ich sah mich auf dem Boden sitzend, wie Dad geduldig all die Gespräche führte, die ich hätte mit Mom führen sollen. Ich sah die Röte auf meinen Wangen, während er mir erklärte, was die Periode war, und spürte auch das Vertrauen, welches ab diesem Tag nur gewachsen war. Mit meinem Vater hatte ich schon über alle wichtigen Momente meines Lebens geredet. Nur nicht über meinen ersten Kuss. Den Abend wollte ich bloß vergessen.

Ich schüttelte den Kopf, atmete tief die Luft nach Leder und Papier ein. Die Sonne warf schmale Strahlen auf den persischen Teppich, und der Gesang der Vögel drang aus dem hinteren Teil des Hauses zu uns. Mein Blick streifte über die dunkelblauen Bücherregale, die vollbeladen die Wände des Wohnzimmers zierten, über die schwarze Ledercouch, die älter war als ich, und über die geblümte Teetasse auf dem Couchtisch. Sie hatte Mom gehört und Dad würde seinen Mittagstee niemals aus einer anderen Tasse trinken.

»Hier hat sich nichts verändert«, stellte ich mit Erstaunen in der Stimme fest. Die Massivholzmöbel sahen nach zehn Jahren kein bisschen abgenutzt aus, der Akazienboden glänzte poliert, und die weißen Fenster waren so ordentlich geputzt, dass es aussah, als hätten sie keine Scheiben.

Dad kam aus der angrenzenden Wohnküche. In den Händen trug er ein Tablett, dessen grüne Farbe dieselbe war, wie die seines karierten Pullunders, und stellte es auf dem Couchtisch ab. »Wieso sollte ich hier etwas ändern?«

Ich setzte mich auf das Sofa und legte meine Handtasche neben mich. »Du könntest dir modernere Möbel anschaffen oder vielleicht ein eigenes Haus.«

Er hielt in der Bewegung inne, schaute mich kurz über den Rand seiner Halbmondbrille an, bevor er sich der Kanne widmete und dampfenden Kaffee in meine Tasse goss. »Willst du noch einmal versuchen, mich zu überreden, auszuziehen und meinen Job zu kündigen?«

Auf das Thema waren wir immer wieder gekommen, jedes Mal, wenn Dad mich in San Francisco besuchte. Ich behauptete, dass ich ihn besucht hätte, wenn er hier nicht wohnen würde, und er erwiderte, dass es ihn nicht störte, einmal pro Jahr Kalifornien zu sehen. Ihm gefiel die Leichtigkeit der Menschen dort, was eine erfrischende Abwechslung zu dem Gemüt der New Yorker Society war. Seine Worte. Ich dagegen fand immer San Francisco viel zu schrill und wartete nur auf eine Möglichkeit zurückzukommen. Eine Möglichkeit, die sich erst vor ein paar Monaten ergeben hatte.

»Du brauchst den Job nun mal nicht. Außerdem musst du etwas mit dem Geld machen, das du die ganzen Jahre gespart hast.«

Dad nahm in seinem Ohrensessel Platz, hob die Tasse an die Lippen und versuchte, durch Pusten sein heißes Getränk zu kühlen. »Muss ich das, ja?«

»Na ja ... Du musst nur das tun, was du willst.«

Er lächelte. »Das mache ich schon.«

»Du willst also dein Geld auf der Bank lassen, der Familie Angelis für immer dienen und hier leben.« Es klang fast so, als würde ich ihn dafür verurteilen. Vielleicht tat ich es. Ein bisschen. Aber ich wollte nur, dass mein Vater glücklich war, und konnte mir nicht vorstellen, dass Glück etwas mit dieser Familie zu tun haben konnte.

»Wenn ich etwas Neues möchte, kaufe ich mir Bücher.« Er lehnte sich zurück, trank einen Schluck seines Kaffees.

Ich lächelte. »Ich denke, du brauchst eher mehr Regale.«

Dad schaute mich auf diese sanfte Weise an, die mich dazu aufforderte, all meine Gedanken preiszugeben, sagte jedoch nichts.

»Frag schon.« Ich setzte die Kaffeetasse auf dem Tisch ab.

»Wie war dein erster Arbeitstag?« Seine Stimme klang beiläufig, als würde er nicht wissen, wie wichtig mir meine Rückkehr war. Aber er wusste es. Als Teenager hatte mein Vater mich nicht nur einmal dabei erwischt, wie ich Ikaros aus der Ferne angeschmachtet hatte.

Ich zuckte mit den Schultern. »Noch weiß ich nur, dass es eine Menge zu tun gibt. Ich bereite eine Präsentation für nächste Woche vor, weil ich den Vorstand davon werde überzeugen müssen , dass sie ihr Geld jahrelang in die falsche Richtung haben fließen lassen.«

»Ich rede nicht über deinen Job, Lexy.« Mit hochgezogenen Augenbrauen trank er einen weiteren Schluck Kaffee. »Wie war es, die Jungs wiederzusehen?«

Die Jungs. Ikaros war 35 und Satan 37 Jahre alt. Mein Vater war wahrscheinlich der einzige Mensch auf dem Planeten, der die Beiden so nannte. Ein Teil von mir fragte sich, wie sehr sich Ares darüber ärgern würde, wenn er wüsste, wie Dad sie nannte.

»Ikaros hat mich nicht wiedererkannt.« Ich sprach so, als hätte es mir nicht wehgetan, dass dieser Idiot sich nicht an mich erinnerte, und verschwieg, dass ich mich noch immer zu ihm hingezogen fühlte. »Ares hat sich wie das arrogante Arschloch verhalten, das er immer schon war.«

Dad blinzelte. Wahrscheinlich wegen des Schimpfwortes, das ich so gut wie nie in seiner Gegenwart benutzte. Doch sein überraschter Ausdruck verwandelte sich schnell und gab dem Mitleid Platz. »Das tut mir leid.«

»Keine große Sache. Ich komme mit Ares schon klar.«

»Ich meine, es tut mir leid, dass Ikaros dich nicht wiedererkannt hat.«

Durch seine Worte klaffte das Loch in meiner Brust nur noch tiefer. »Auch keine große Sache. Wir waren nie beste Freunde oder so. Ich war nur die Tochter seines Angestellten.«