Fallseminar Soziale Arbeit - Bernd Sommer - E-Book

Fallseminar Soziale Arbeit E-Book

Bernd Sommer

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Beschreibung

Fallseminar Soziale Arbeit. Im dualen Bachelor-Studiengang Sozialwirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen im abschließenden sechsten Semester angesiedelt bietet das Fallseminar auf fachlicher und didaktischer Ebene vielfältige Möglichkeiten, Theorie und Praxis sozialpädagogischen Arbeitens miteinander in Verbindung zu bringen. Wer in der Fallarbeit professionell tätig sein möchte, ist auf Orientierungshilfen für sozialpädagogisches Handeln angewiesen. Welche der in der einschlägigen Literatur in schier unüberschaubarer Vielfalt auffindbaren Modelle, Konzepte, Arbeitsformen, Grundsätze und Prinzipien für den oder die einzelne/n Studierende/n tatsächlich als Orientierungshilfe dienlich sein kann, hängt in hohem Maße von subjektiv getroffenen Entscheidungen ab. Im vorliegenden Einführungsband werden ausgewählte Modelle und Grundsätze sozialpädagogischen Handelns vorgestellt und auf ihre mögliche Bedeutung für die Fallarbeit geprüft. Zwei unterschiedliche Adressaten/innen-Gruppen mögen sich angesprochen fühlen: Studierende der Sozialwirtschaft und Sozialen Arbeit auf der einen, Lehrende und Prüfende auf der anderen Seite. Bernd Sommer ist seit dem Jahr 2004 hauptamtlicher Professor für Soziale Arbeit im Studiengang Sozialwirtschaft der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Villingen-Schwenningen.

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Bernd Sommer

Fallseminar Soziale Arbeit

Orientierungshilfen für die Bearbeitung von Fällen aus der Sozialen Arbeit

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2022

Bibliografische Information durch die

Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese

Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über https://dnb.de abrufbar.

Copyright (2022) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelbild © Photographee.eu [Adobe Stock]

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

Gedruckt auf FSC®-zertifiziertem Papier

www.engelsdorfer-verlag.de

Vorwort

Seit mehr als 25 Jahren lehre ich, von 1997-2004 nebenamtlich auf Honorar-Basis, seit dem Jahr 2004 als hauptamtlich tätiger Professor für Soziale Arbeit an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Villingen-Schwenningen in der Fakultät für Sozialwesen in dem Studiengang Sozialwirtschaft.

In Modul 29, Praxisbezogene Fallarbeit und interdisziplinäres Denken, biete ich als eines von dreien das 21-stündige Fallseminar Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft an1.

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Sechstsemester-Studierenden, die wenige Wochen vor dem berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss stehen, nicht Hauptfach-Studierende der Sozialpädagogik sind, sondern in dem drei-säuligen Studiengang Sozialwirtschaft eingeschrieben sind. Diese drei Säulen bestehen neben anderen aus einführenden und vertiefenden Veranstaltungen zu Schwerpunkten der Sozialen Arbeit, der Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre sowie denen der Rechtswissenschaften.

Der Studiengang ist interdisziplinär angelegt, das bedeutet, dass enge Grenzen einer Disziplin überwunden werden sollen zugunsten einer mehrperspektivischen Betrachtung von sozialen und gesellschaftlich relevanten Phänomenen.

Die Konzeption dieser Lehrveranstaltung Fallseminar Soziale Arbeit habe ich in den vergangenen 18 Jahren meiner hauptamtlichen Lehr- und Forschungstätigkeit wiederholt verändert und an die aus meiner Sicht aktuellen Herausforderungen an praktische Fallarbeit angepasst.

Ursprünglich stamme ich von der Basis der Sozialen Arbeit, habe vor meiner hauptamtlichen Lehrtätigkeit mehr als zwölf Jahre in unterschiedlichen Zusammenhängen sozialpädagogisch gearbeitet. Das bedeutet, dass ich zwar einem theoretischen Diskurs in meinen Lehrveranstaltungen stets durchaus aufgeschlossen bin, andererseits aber meinen Auftrag, was diese Lehrveranstaltung angeht, u.a. darin sehe, mit den Studierenden konkrete Orientierungshilfen für die Soziale Arbeit, hier konkret für die Fallarbeit, zu entwerfen.

Im Laufe dieses Seminars sollen die einzelnen Studierenden ein auf ihren individuellen Werten und Stärken aufbauendes, ihren Arbeitsstil und ihre Persönlichkeit berücksichtigendes Modell entwickeln, mit dessen Hilfe sie konkret Fallbearbeitung in der Praxis vornehmen können.

Es gibt meiner Meinung nach in diesem Kontext keine Musterlösungen, keine Rezepte, wie vorgegangen werden soll. Vielmehr steht jede/r Studierende/r vor der Frage, auf welchen Grundlagen sie oder er in der Sozialen Arbeit tätig sein will.

In der Praxis schreibt niemand Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor, wie sie zu arbeiten haben. Es wird stillschweigend davon ausgegangen, dass ausgebildete Sozialwirte/innen in der Lage seien, professionell arbeiten zu können. Die Grundlagen dafür, dies zumindest meine Sicht, müssen sich Studierende im Rahmen des Studiums und ihrer praktischen Ausbildung erarbeiten und auf ihre individuellen Bedürfnisse und Interessen abstimmen.

Fallarbeit, dies ist eine meiner zentralen Erkenntnisse aus den vergangenen 25 Jahren Tätigkeit an der Hochschule, kann nicht gelehrt werden. Die Zugänge zu und die möglichen Herangehensweisen an Fallarbeit müssen von den Studierenden individuell erarbeitet werden.

Wenn von einem Seminar mit 20 Studierenden ausgegangen wird, so werden am Ende dieser Veranstaltung 20 unterschiedliche, individuell ausgerichtete Modelle entstehen, auf deren Grundlage die einzelnen Studierenden Fälle bearbeiten können.

In intensiven Diskussionsrunden werden diese unterschiedlichen Ideen im Seminar ausgetauscht, so dass jede/r Einzelne auch von den Vorstellungen und Ideen ihrer oder seiner Kommilitonen/innen profitieren kann.

Am Ende sollen Modelle entstehen, die in begründeter und damit gedanklich nachvollziehbarer Weise das Herangehen an einen und das Vorgehen in einem Fall aus der Sozialen Arbeit belegen.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes stehen neben den inhaltlichen Aspekten demnach didaktische Überlegungen und Hinweise, wie Orientierungshilfen für das professionelle Vorgehen erarbeitet werden können. Theoretische bzw. Theorie-lastige Abhandlungen, aber auch praktische Fallbeispiele lassen sich in kaum überschaubarer Vielzahl und Vielfalt in der Literatur ausmachen2, während konkrete Hinweise für das Erarbeiten eines individuellen Orientierungsmodells für die Fallarbeit eher selten aufzufinden sind.

Mit dem vorliegenden Band soll versucht werden, einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke zu leisten.

Ein Buch über Orientierungshilfen für die praktische Fallarbeit, soll es nicht ein weiteres in der langen Liste der theoretischen Abhandlungen darstellen, kann nur unter Mitwirken mehrerer Menschen entstehen.

An dieser Stelle sei den Studierenden des 6. Semesters Sozialwirtschaft aus den vergangenen Jahren gedankt, mit denen zumeist ein konstruktives, kreatives und eigenverantwortliches Zusammenarbeiten möglich war. So ist auch das sogenannte Didaktische W-Fragen-Modell, das im Rahmen des vorliegenden Bandes in komprimierter Weise als eine mögliche Orientierungshilfe vorgestellt wird, als Ergebnis intensiver Diskussionen mit Studierenden entwickelt und fortgeschrieben worden.

Mit Studierenden zu diskutieren, ihre Sichtweisen auf Themen kennenzulernen und auszutauschen, völlig andere als die eigenen Aspekte dabei zu berücksichtigen, stellt aus meiner Sicht eine Bereicherung für alle Seminar-Beteiligten, für Studierende und Lehrende, dar.

Hinsichtlich meines didaktischen Ansatzes in Lehrveranstaltungen an der Hochschule bin ich verwurzelt in der Vorstellung, dass die Studierenden für ihren eigenen Lernerfolg selbst verantwortlich sind. Als Lehrender kann ich lediglich Angebote und Einladungen aussprechen, sorgfältig vorbereitete Arbeitspapiere einbringen, diese erläutern, mit Beispielen aus der sozialpädagogischen Praxis anreichern und damit auf eine möglichst konstruktive Bearbeitung im Seminar hinwirken.

In der Regel wird im Rahmen der auf diesen Grundlagen konzipierten Lehrveranstaltungen sehr produktiv gearbeitet. Am Ende entstehen unterschiedliche Schwerpunkte berücksichtige Konzepte, was das mögliche Vorgehen in der sozialpädagogisch geprägten Fallarbeit angeht.

Für kritische Rückfragen und konstruktive Anregungen stehe ich den interessierten Leserinnen und Lesern gern zur Verfügung.

Bernd Sommer

Pellworm, im August/September 2022

1 Die beiden anderen Seminare in Modul 29 thematisieren Fallarbeit Recht und Sozialwirtschaft und Risikomanagement.

2 vgl. u.a. BRAUN/GRASSHOFF/SCHWEPPE 2011, HEINER 2007, MEYER 2001, MÜLLER 20178.

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Einführung

1.2. Problemhintergrund

1.3. Fragestellungen und Zielsetzungen

2. Orientierungshilfen für sozialpädagogische Fallarbeit

2.1. Einführung

2.2. Grundlogik zielorientierten Vorgehens

2.3. Der Methodische Vier-Schritt

2.4. Das Modell der Kooperativen Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit

2.5. Die Zehn Gebote der Sozialarbeit nach LATTKE

2.6. Die Allgemeinen Prinzipien der Sozialen Einzelfallhilfe nach MAAS

2.7. Das Konzept des Pädagogen als Lernhelfer nach GIESECKE

2.8. Grundgedanken einer Didaktik (in) der sozialpädagogischen Arbeit

2.9. Grundeinstellungen und Grundprinzipien in der Fallarbeit

2.10. Grundsätze sozialpädagogischen Handelns

2.11. Orientierungshilfen für Fallarbeit – Zwischenfazit

3. Sozialpädagogisches Handeln in der Fall-Arbeit – Praxisbeispiele im Seminar

3.1. Einführung

3.2. Grundsätzliche Überlegungen zur praktischen Fallarbeit

3.3. Fall 1: Herr K.

3.3.1. Ausgangsbeobachtung

3.3.2. Informationssammlung

3.3.3. Themenfindung und Priorisierung

3.3.4. Phase der Intervention

3.4. Fall 2: Johannes Lehmann

3.4.1. Ausgangssituation

3.4.2. Bericht von Frau Lehmann, Mutter von Johannes

3.4.3. Bericht von Herrn Lehmann, Vater von Johannes

3.4.4. Bericht aus der Beratungsstelle: Frau Hillinger

3.4.5. Bericht aus dem Kindergarten: Frau Ertl

3.4.6. Bericht der Kinderärztin: Frau Dr. Hartmann

3.4.7. Bericht von Frau Jägge, Nachbarin der Familie Lehmann

3.5. Erkenntnisse aus dem Fallseminar

4. Sozialpädagogisches Handeln in der Fallarbeit – eine kritische Bestandsaufnahme

4.1. Zusammenfassung

4.2. Grundsätze sozialpädagogischen Handelns als Grundlage für professionelle Fallarbeit

4.3. Ausblick

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

Angaben zu dem Verfasser

1. Einleitung

1.1. Einführung

Das Seminar Fallarbeit ist im Bachelor-Studiengang der Sozialwirtschaft als eine Lehrveranstaltung im ausgehenden, das Studium abschließenden 6. Theorie-Semester angesiedelt. In Modul 29, Praxisbezogene Fallarbeit und interdisziplinäres Denken, biete ich neben zwei anderen Kollegen, die in Seminaren Fallarbeit Recht und Sozialwirtschaft sowie Risikomanagement thematisieren, das 21-stündige Fallseminar Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft an.

Aus meiner Sicht findet das Fallseminar zum richtigen Zeitpunkt im sechssemestrigen Bachelor-Studiengang Sozialwirtschaft statt. Im Rahmen der ersten drei Semester werden in Einführungs- und Vertiefungsveranstaltungen einzeldisziplinäre Zugänge zu den drei Säulen der Sozialwirtschaft, zu Sozialer Arbeit, zu Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre sowie zu den Rechtswissenschaften, vor allem zu dem (Sozial-)Recht geschaffen.

Ab dem 3., spätestens ab dem 4. Fachsemester wird das Studium eher BWL-lastig, während vor allem im 6. Semester dem Anspruch auf Interdisziplinarität entsprochen werden soll. Am Ende ihres Studiums sollen sich die Studierenden eine Vorstellung erarbeitet haben, wie interdisziplinäre bzw. sozialwirtschaftliche Zugänge zu unterschiedlichen theoretischen und die Praxis betreffenden Themen gestaltet werden können.

In intensiven Diskussionen haben die Lehrenden des Studiengangs Sozialwirtschaft einen eigenen, über Jahre transportierten Denkfehler revidiert, eine Einsicht, die in der Aussage gipfelt: Sozialwirtschaftlich denken und handeln ist nicht als synonym für interdisziplinär denken und handeln anzusehen. Eine interdisziplinäre Betrachtung fußt auf Wissenschaftsdisziplinen, während sich eine sozialwirtschaftliche Betrachtung auf die Orientierungen des Sozialwirtschaftlichen Sechsecks bezieht3.

Absolventinnen und Absolventen der Sozialwirtschaft wollen wie die anderer Studiengänge im Kanon allgemein anerkannter Wissenschaftsdisziplinen wertgeschätzt und anerkannt werden. Wo und wie lernen sie professionelles Denken und Handeln in sozialpädagogischen bzw. sozialwirtschaftlichen Arbeitsbereichen?

In der Regel durchlaufen in der Sozialen Arbeit professionell Tätige unterschiedliche Ausbildungs- und Studiengänge. Dies reicht von der Ausbildung zum/r Erzieher/in, über Heil- und Erziehungspfleger/in, über Jugend- und Heimerzieher/in bis hin zu Sozialpädagogen/innen und Diplom-Pädagogen/innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, neuerdings im Zuge der sogenannten Bologna-Reform auch zu den Abschlüssen Bachelor und Master of Arts in Studiengängen der Sozialen Arbeit und Sozialwirtschaft.

Das Besuchen von Fort- und Weiterbildungen schließt sich in der Regel insbesondere dann an, wenn spezielle Erfordernisse und Kenntnisse in einem spezifischen Arbeitsgebiet als Voraussetzungen für professionell gestaltetes Arbeiten offensichtlich werden.

1.2. Problemhintergrund

Der Studiengang Sozialwirtschaft an der Dualen Hochschulen Baden-Württemberg in Villingen-Schwenningen bildet nicht Sozialpädagogen/innen aus, sondern ermöglicht einen Abschluss als Bachelor of Arts im Studiengang Sozialwirtschaft.

Der Studiengang Sozialwirtschaft fußt auf drei Säulen: auf der Sozialen Arbeit bzw. Sozialpädagogik, auf der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, auf der Rechtswissenschaft sowie auf anderen sogenannten Bezugswissenschaften4. Für Studiengänge aus dem Bereich Sozialwesen/Soziale Arbeit stellen die Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft, die Psychologie, die Soziologie, Geschichts- und Politikwissenschaften, Philosophie und Theologie, Medizin, die Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie die Ethik Bezugswissenschaften dar.

Am Ende ihres Studiums sollen die Studierenden in der Lage sein, die engen Grenzen einer einzeldisziplinär ausgerichteten Betrachtung zugunsten einer zumindest in Ansätzen deutlich werdenden interdisziplinären bzw. sozialwirtschaftlichen Perspektive überwinden zu können und zu einem neuen, nicht über Einzeldisziplinen bzw. einzelne Orientierungen des Sozialwirtschaftlichen Sechsecks abzudeckenden Blickwinkel auf einen Menschen, eine Situation, eine Notlage zu gelangen.

Dazu ist es notwendig, nicht nur fachlich-inhaltliche Aspekte der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin zu kennen, sondern auch die jeweilige Vorgehens- und Herangehensweisen, die sich z.T. von denen anderer unterscheiden, die z.T. jedoch auch mit anderen Disziplinen Gemeinsamkeiten aufweisen.

In Erstsemester-Einführungsveranstaltungen wird im Rahmen von Modul 1 das sozialpädagogische Denken und Handeln thematisiert5. Während der explizit formulierte Auftrag an diese grundlegende Lehrveranstaltung im 1. Semester darin besteht, mögliche Orientierungshilfen zur Bearbeitung der zentralen Fragestellung zu entwickeln, wie ein/e Sozialpädagoge/in denkt und handelt, soll Studierenden im 6. Semester über die Fallseminare ein praktischer Zugang zu dem Thema Fallarbeit ermöglicht werden.

Die Angebote für Möglichkeiten der Orientierung aus der einschlägigen Literatur hinsichtlich professionellsozialpädagogischen Vorgehens sind vielfältig und in ihrer Zahl kaum mehr überschaubar.

Im Rahmen des vorliegenden Bandes wird von der Vorstellung eines pädagogischen Verständnisses von Sozialer Arbeit ausgegangen. Viele Tätigkeiten in diesem Bereich, zumindest diejenigen, die im unmittelbaren Kontakt mit Klienten/innen stattfinden, stellen die eines Lernhelfers6 dar, eines professionell Tätigen, der Lernmöglichkeiten für Menschen schafft, also pädagogisch tätig wird.

Im Folgenden werden Überlegungen angestellt, mit denen es möglich wird, einen sozialpädagogischen und in dessen Folge auch einen zumindest ansatzweise sozialwirtschaftlichen Blick auf einen Menschen, auf ein Thema oder ein Problem zu werfen.

Mit den Handlungsformen von Helfen, Beraten und Fürandere-Dasein werden die beruflichen Tätigkeiten sozialpädagogischer Mitarbeiter/innen beschrieben, wobei jedoch, so die kritische Anmerkung von LENZEN in diesem Zusammenhang, die Aufgabenfelder von professionell in der Sozialen Arbeit Tätigen so vielfältig seien wie die Probleme, Nöte und Anliegen ihrer Klienten/innen7.

So falle es den in der Sozialen Arbeit professionell Tätigen oftmals schwer, „Außenstehenden und anderen Berufen ihre speziellen Stärken und Kompetenzen zu erläutern. Sie können anderen kaum erklären, was sie eigentlich tun und warum man für die Ausübung dieser Tätigkeit ein akademisches Hochschulstudium“8 benötige

In der einschlägigen Literatur lassen sich einige ernstzunehmende Modelle ausmachen, nach denen die Vielfalt und Vielschichtigkeit anstehender Aufgaben in der Sozialen Arbeit das Erwerben und Ausprägen von Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich mache. Dabei seien pädagogische Kompetenzen im engeren Sinne ebenso gefragt wie politische, juristische, administrative, medizinische und ökonomische Kompetenzen9. MAUS, NODES und RÖH nennen in diesem Zusammenhang folgende Schlüsselkompetenzen: strategische Kompetenz, Methodenkompetenz, sozialpädagogische Kompetenz, sozialrechtliche Kompetenz, sozialadministrative Kompetenz, personale und kommunikative Kompetenz sowie berufsethische Kompetenz10.

Von SPIEGEL wie auch WELLHÖFER prägen unabhängig voneinander den Fachterminus der vier Dimensionen von Kompetenz-Profilen der Sozialen Arbeit, unter die sie vor allem persönliche Grundvoraussetzungen, instrumentelle Kompetenzen, (selbst-)reflexive Kompetenzen sowie soziale Kompetenzen fassen11.

In unterschiedlichen Beiträgen habe ich darauf hingewiesen, dass der Lernhelfer12, also derjenige, der geplante, angeleitete, zielgerichtete Lern- und Hilfeprozesse initiiert, durchführt und auswertet, Kompetenzen in folgenden Bereichen benötige, um anstehende Aufgaben „aktiv, verantwortungsvoll und in professioneller Weise“13 angehen zu können: personale, fachlich-inhaltliche, didaktische und methodische, soziale und kommunikative Kompetenzen, die Fähigkeit zur (selbst-)kritischen Reflexion sowie wissenschaftliche Kompetenzen14.

Während der Begriff Didaktisches Denken in der sozialpädagogischen Grundlagen-Literatur eher eine untergeordnete Bedeutung einnimmt, ist der des Methodischen Handelns in unterschiedlichen Zusammenhängen Sozialer Arbeit zu finden, in denen systematisches, schrittweise erfolgendes, aufeinander aufbauendes, planmäßiges, also professionelles Vorgehen zur Erreichung eines Zieles vorausgesetzt wird.

Trotz der Vielfalt von kontrovers diskutierten Begriffsdefinitionen kann von der Grunderkenntnis ausgegangen werden, dass Methodischem Handeln in der Sozialen Arbeit im genannten Sinne in der Regel unterschiedliche Phasen bzw. Denk- und Arbeitsschritte zugeordnet werden können.

Dies reicht von der Problem- bzw. Situationsanalyse, über das Entwickeln und Formulieren von Zielen, das Feststellen und Analysieren von vorhandenen Ressourcen, das begründete Auswählen von Methoden, Arbeitsformen, Arbeitstechniken und -verfahren, von dem Planen und Durchführen sozialpädagogischer Interventionen und Angebote bis hin zu der Phase des Aus- und Bewertens, fachterminologisch ausgedrückt des Evaluierens.

Während Methodik demnach als Wissenschaft vom zielgerichteten Handeln bezeichnet werden kann, stellt Didaktik den Teilbereich von Pädagogik dar, der sich mit dem Planen, Durchführen und Auswerten von angeleiteten, zielgerichteten Lern-, Hilfe- und Entwicklungsprozessen beschäftigt15.

In Anlehnung an WINTELER könne unter Lernen Folgendes verstanden werden: Wissen vermehren, Auswendiglernen und Reproduzieren, Anwenden, Verstehen, etwas auf eine andere Weise sehen, sich als Person verändern.

Während die ersten drei Lern-Konzeptionen vor allem als etwas verstanden werden könnten, was außerhalb der Person als gegeben gesehen, das von den Menschen aufgenommen, abgelegt und später reproduziert werden könne, komme in den letzten drei Konzeptionen „Sinn und Bedeutung des Wissens eine zentrale Rolle“16 zu.

In dem vorliegenden Band wird von einem ausgesprochen pädagogischen Verständnis von Sozialer Arbeit ausgegangen. Lernen stellt in diesem Denkzusammenhang das übergeordnete Ziel sozialpädagogischen Handelns im Unterschied zu anderen Formen sozialen Handelns dar. Folgerichtig kann die oder der professionell sozialpädagogisch bzw. sozialwirtschaftlich Tätige, die oder der Lernen ermöglicht, als Lernhelfer/in bezeichnet werden.

Das Anregen bzw. Befähigen, Eigenkräfte der Hilfesuchenden zu entwickeln und konstruktiv einzusetzen, Menschen zu befähigen, für sich und ihre Mitmenschen verantwortlich zu handeln, Menschen während bestimmter Phasen ihres Leben professionell zu begleiten und zu betreuen, Menschen für die Hilfe für Mitmenschen zu sensibilisieren17, auf einen Nenner gebracht, Menschen in individuellen Lern- und Hilfeprozessen zu betreuen und zu begleiten, also als Lernhelfer/in zu fungieren, stellen klassisch sozialpädagogische Handlungsformen dar.

1.3. Fragestellungen und Zielsetzungen