Falscher Garten - Ute Cohen - E-Book

Falscher Garten E-Book

Ute Cohen

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Beschreibung

Valverde, Ex-Knacki und Serienmörder, versucht sich im Berliner Villenviertel Grunewald eine neue Existenz aufzubauen. Kein einfaches Unterfangen für einen von der Liebe ergriffenen Soziopathen mit einer Passion für Kunst und Gerechtigkeit! Er bemüht sich redlich als Liebhaber der Berliner Journalistin Susa und Schummeldaddy ihrer drei Kids. Seinen Job als Gärtner hat er an den Nagel gehängt, nicht zuletzt, weil er fünf seiner korrupten Auftraggeberinnen ermordet und kunstvoll entsorgt hat. Obwohl ihm die Szene zuwider ist und ein geschundenes Knie ein seriöses Handicap zu werden droht, hält er tapfer durch. Langfristig aber braucht er eine andere Perspektive. Cannabis oder Vanille, das ist hier die Frage! In die Quere kommt ihm sein leicht bizarrer Drang nach Gerechtigkeit. Als die Frau des benachbarten Schokoladenfabrikanten verschwindet, begibt sich Valverde auf ihre Fährte. Luxusescorts, aztektische Götter, Magic Mushrooms und zugedröhnte Kaninchen kreuzen dabei seinen Weg. Obwohl sich Valverde an Recht und Gesetz zu halten versucht, obsiegt sein archaisches Verlangen nach Rache. Allerdings macht er sich dieses Mal nicht selbst die Hände schmutzig.

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Seitenzahl: 239

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Impressum

Autorin und Klappentext

Titelseite

Buchanfang

© 2022, Septime Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Alf Mayer

Cover: Jürgen Schütz

Coverbildbild: © Sonja Shenouda, 2022

EPUB-Konvertierung: Esther Unterhofer

ISBN: 978-3-903061-99-6

Printversion: Hardcover, Schutzumschlag, Lesebändchen

ISBN: 978-3-99120-017-8

www.septime-verlag.at

www.facebook.com/septimeverlag

www.instagram.com/septimeverlag

Ute Cohen

(geb. 1966) studierte Linguistik und Geschichte in Erlangen und Florenz. Berufliche Stationen in amerikanischen Unternehmensberatungen in Düsseldorf und Frankfurt und einer internationalen Organisation in Paris folgten. Freiberuflich konzentrierte sie sich ab 2003 auf Konzeptentwicklung, Kundenkommunikation und Journalismus. Bei Septime erschienen bisher die Romane Satans SpielfeldundPoor Dogs.Ute Cohen lebt heute mit ihrer Familie in Berlin.

Klappentext:

Valverde, Ex-Knacki und Serienmörder, versucht sich im Berliner Villenviertel Grunewald eine neue Existenz aufzubauen. Kein einfaches Unterfangen für einen von der Liebe ergriffenen Soziopathen mit einer Passion für Kunst und Gerechtigkeit! Er bemüht sich redlich als Liebhaber der Berliner Journalistin Susa und Schummeldaddy ihrer drei Kids. Seinen Job als Gärtner hat er an den Nagel ge-hängt, nicht zuletzt, weil er fünf seiner korrupten Auftraggeberinnen ermordet und kunstvoll entsorgt hat. Obwohl ihm die Szene zuwider ist und ein geschundenes Knie ein seriöses Handicap zu werden droht, hält er tapfer durch. Langfristig aber braucht er eine andere Perspektive. Cannabis oder Vanille, das ist hier die Frage!In die Quere kommt ihm sein leicht bizarrer Drang nach Gerechtigkeit. Als die Frau des benachbarten Schokoladenfabrikanten verschwindet, begibt sich Valverde auf ihre Fährte. Luxusescorts, aztektische Götter, Magic Mushrooms und zugedröhnte Kaninchen kreuzen dabei seinen Weg.Obwohl sich Valverde an Recht und Gesetz zu halten versucht, obsiegt sein archaisches Verlangen nach Rache. Allerdings macht er sich dieses Mal nicht selbst die Hände schmutzig.

Ute Cohen

Falscher Garten

Eine schwarze Kapriole | Septime Verlag

Behutsam strich Valverde mit den Fingerkuppen über die Klinge und befühlte die Scharten. Seufzend legte er das Messer beiseite. Erst das Obstmesser hinüber, nun auch noch das Fleischmesser! Er warf eine Kapsel in die Maschine, drückte den silbernen Hebel und wartete bis der Kaffee zischend in den roten Metallbecher floss. Die Kinder waren entzückend, aber wann würden sie endlich begreifen, dass man sorgfältig mit Haushaltsutensilien umzugehen hatte? Sie war einfach zu nachlässig mit den Gören, verzog sie nach Strich und Faden. Wenn er der leibliche Vater wäre, würde er strengere Sitten einführen, einen Tagesablauf, der sich gewaschen hätte! Hier ein Eis von Häagen-Dazs, da ein Törtchen von Monsieur Macron … Blasierte Blagen, andererseits wieder ganz niedlich. Eigentlich könnte er sie den ganzen Tag herzen, wenn sie ihm ihre unsäglichen russischen Poplieder oder japanischen Stampf-Rock vorspielten aus ihren scheppernden Boomboxen. Die Kleine vor allem war entzückend: Immer hilfsbereit, immer ein liebes Lächeln. Ganz die Mutter!

Er ließ den Blick über die Anrichte schweifen: Das Müsli war perfekt. Genau die richtige Menge an Reisdrink, Flocken und Apfelstückchen. Drei, vier Himbeeren. Perfetto! Dazu grüner Tee und frisch gepresster Orangensaft. Er stellte Schalen, Gläser und Kanne auf ein Tablett, überlegte, ob er ein Blümchen aus dem Garten holen sollte, als sie barfuß in die Küche tapste und die Arme um seinen Bauch schlang. Sie schmiegte sich an ihn, reckte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm ein »Guten Morgen, Luchsigator!« ins Ohr. Er zog sie zärtlich an sich und strich ihr eine Strähne aus der Stirn. »Zuckerschnute«, hauchte er. Nichts war ihm zu kitschig, seit er Susa kannte. Der ganze Hokuspokus mit roten Rosen, Gedichten und Tralala war das Mindeste, was er ihr bieten konnte. Das hatte sie einfach verdient nach diesen Arschlöchern, die ihr das Leben zur Hölle gemacht hatten. So eine entzückende Person! Für sie würde er sich noch die letzten Barthärchen abrasieren und sogar die Augenbrauen zupfen lassen. Wie ertrugen sie bloß diesen scheiß Schmerz? Schönheit muss leiden, und dann muss man sich wegen ein paar blonder Härchen piesacken lassen!

»Fährst du die Kleine?«, fragte er und schenkte ihr Tee nach. Die Antwort brauchte er gar nicht abzuwarten. Sie war eine Mutter, die ihre Kiddies betüttelte, eine süße, kleine Glucke. Wo hatte er bloß seine Zigaretten hingelegt? Diese muffigen Camel waren zwar abscheulich und kratzten ihm im Hals, als säuberte man ihm mit einem Stahlschwamm den Rachen, brachten ihn aber zumindest pfleglich in den Tag. »Suchst du was?«, fragte sie augenzwinkernd – »Da drüben!« Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Klavier. Sie löffelte ihr Müsli aus, warf einen Blick in die Tageszeitung, kopfschüttelnd, ungläubig. »Ich bin immer noch fassungslos. Wer immer das getan hat, ist ein Monster, eine Bestie!«

Er tat so, als wüsste er nicht, wovon sie redete. Dabei interessierte sie sich seit Wochen für nichts Anderes als diese Sache. »Die haben die Morde immer noch nicht aufgeklärt. Mann, das sind fünf Frauen, die hier gekillt, auf brutalste Weise aus dem Leben gerissen wurden. Gleich bei uns um die Ecke!« Sie stand auf, steckte die Bluse in die Jeans, die Stirn in Falten gelegt. »Vor nicht einmal einem Monat war ich noch auf der Geburtstagsparty eingeladen. Alle waren sie dort. Nermina, Ruth … Und jetzt sind sie alle tot!« Sie warf die Zeitung auf den Tisch, schnappte sich den Autoschlüssel und lief hinaus zur Garage. »Ava, komm, beeil dich«, hörte er sie noch rufen. Dann, ein paar Minuten später, röhrte ihr Mini auf und ab zischte sie in ihrem schwarzen Cabrio, das er liebevoll Battymobil getauft hatte.

Er konnte nicht gerade behaupten, dass er die Zeit allein im Haus nicht genoss. Endlich Stille, Ruhe, kein Gezeter! Schließlich war alles ratzfatz gegangen. Innerhalb weniger Wochen hatte er seine Siebensachen gepackt, die Butze in Neukölln aufgelöst und war in Susas Bungalow in Grunewald eingezogen. Ausgerechnet er, der er immer Lonesome-Wolf-mäßig durch die Welt gezogen war, sah sich plötzlich als Oberhaupt einer fünfköpfigen Familie wieder. Drei Kinder, der Jüngste gerade mal ABC-Schütze. Manchmal schüttelte er selbst den Kopf über seine Weichherzigkeit. Wie oft hatte er sich schon in die Scheiße geritten, bloß weil er seinem Herzen gefolgt war! Drei Kids. Drei! Er stand im Garten, zupfte am herzförmig zugeschnittenen Busch herum – war das Kirschlorbeer oder doch Liguster? Er musste das unbedingt auf Garden Pleasures überprüfen – und zündete sich eine Zigarette an. Versonnen blinzelte er durch das Blattwerk. Die Tür zur Terrasse der Nachbarn war geöffnet. Vor einem Schminktisch saß die auf Mallorca sonnengebräunte Gattin des Edelschokoladen-Produzenten Ballenberg. Die gesträhnten Haare hatte sie mit einem pinkfarbenen Tüllband aus der Aerobic-Ära nach hinten gebunden, die spitzen Neonnägel klackten auf der glänzenden Oberfläche des Tisches. Genussvoll goss sie sich ein Glas Wein ein, nicht ohne zuvor das Etikett zu beäugen, und klappte den Laptop auf. Wein? Valverde warf einen Blick auf seine Armbanduhr und kräuselte süffisant die Lippen. Luxusweiber! Morgens um acht den ersten Chablis und nachmittags schon wieder nüchtern, bis abends die ganze Chose von vorn begann. Er ertappte sich dabei, wie er mit seinen Blicken ihre Beine hinabwanderte. Gar nicht übel. Mitte sechzig und immer noch top in Schuss!

Verflixte Camel! Er hustete, rieb sich die Brust, versuchte sich abzulenken von dem Kratzen im Halse. Jetzt hatte sie ihn auch noch gesehen. Er zog zwei Zweige vor dem Gesicht zusammen und bückte sich unwillkürlich. Es war ihm peinlich, dass er plötzlich als Spanner dastand – oder sich zumindest so fühlte. Er drehte sich um und setzte sich auf den Rand des verrotteten Trampolins, dem schon die Hälfte der Sprungfedern fehlten. Mit einem Bindfaden hatten sie versucht, das Ding zu flicken! Es rührte ihn, mit welchen Mitteln Susa versuchte, das Haus in Schuss zu halten – weitgehend erfolglos allerdings. Die Kaninchen hatten die bizarren gotischen Verstrebungen des wackeligen Stalles angeknabbert, der Fuchs brauchte sich gegebenenfalls nicht einmal die geringste Mühe zu machen: Die Bretter brächen durch, das Fressen fiele ihm direkt ins Maul. Valverde überlegte, ob er einen Hammer holen und die Behausung zumindest notdürftig zusammenzimmern sollte, als ihn ein kokettes, fast kindliches Lachen von seinem Vorhaben abhielt. Frau Ballenberg hatte die Tür wieder geöffnet. Eine Männerstimme, schmeichelnd und rau, drang zu Valverde herüber. Abgehackt. Schlechte Verbindung. Wahrscheinlich skypte sie. Was redete sie da? Corazon? Mi amor? Er kratzte sich hinterm Ohr, war abgelenkt von Gedanken an die letzte Nacht, als Susa wieder einmal seine aerodynamisch anliegenden Ohren bewundert hatte. Corazon? War das eine neue Schokoladensorte? Die Namen wurden ja immer absurder: Hello, Antidote … Auf so eine Idee musste man erst einmal kommen: Gegengift! Wer geht denn freiwillig solch ein Risiko ein? Waren das noch Zeiten, als es Milka und Ritter Sport gab. Beide scheußlich, aber immerhin überschaubar. Was soll’s, er war ohnehin nicht der Typ für dieses süße Zeug. Ein Krabbenbrötchen und ein Astra, das war eine ehrliche Sache!

Aber was heißt schon ehrlich? Sein Blick schweifte hinüber zum Gehsteig, den Ruths Witwer pfeifend entlangspazierte. Wahrscheinlich pisste sein Köter wieder an die Mauer oder versaute den Eingang mit einem Kothaufen, während Herrchen mit seiner Geliebten telefonierte. Kaum war die Gattin unter der Erde, tauchte schon die Nächste auf. Erst gestern hatte Valverde ihn mit seinem AMG die Straße entlangdüsen sehen, eine dieser aufgetunten falschen Blondinen auf dem Beifahrersitz. Regelrecht erleichtert hatte er ausgesehen.

Zu verdenken war es ihm nicht. Wahrscheinlich hatte ihn Ruth ebenso gequält wie den Labradoodle, dem sie den gespitzten Stock in den Arsch gerammt hatte. Nicht eine Sekunde bedauerte Valverde, dass sie ein mindestens genauso unsägliches Ende gefunden hatte. Er blickte versonnen in den Himmel. Schneeweiße Puschelwölkchen galoppierten über ihn hinweg. Nicht im Traum hätte er noch vor gar nicht langer Zeit daran gedacht, dass er sich an diesem Naturbrimborium einmal derart ergötzen würde. Mit dreißig hätte er nicht einmal einen Löwenzahn von einem Gänseblümchen unterscheiden können. Barfly hatten ihn die Mädels genannt, obwohl das ein ziemlich unpassender Name gewesen war. So locker saß ihm die Kohle nie, als dass er sich die Nächte mit Gin Tonic und Wodka Sour um die Ohren schlagen hätte können. Meistens war er ohnehin auf der Piste gewesen, um Geschäfte abzuwickeln. Dass er dabei mit der einen oder anderen Bordsteinschwalbe von St. Georg ab und zu einen zwitscherte kam natürlich vor. Die besten Tipps gaben ihm ohnehin die Mädels, vor allem Lizzy. Lizzy … Wenn er an sie dachte, wurde ihm ganz weh ums Herz. Sie hatte den prächtigsten Arsch und eine Stimme, die klang, als hätte sie Zigarren zum Frühstück gefuttert und mit Whiskey gegurgelt, und dann war sie plötzlich tot. Ein Geschäftsmann aus Berlin, in Hamburg auf Vögeltour, hatte sie abgemurkst. Das wussten alle, davongekommen war er dennoch. Die besseren Ausreden, die besseren Anwälte! Wie hatte der alte de Sade doch so treffend gesagt: »Sei verbrecherisch in der Tugend und tugendhaft im Verbrechen.« Das hätte er, Valverde, schon damals wissen und beherzigen sollen, dann hätte er nicht hitzköpfig dem Berliner die Fresse poliert. Zusammen mit dem Speed und der Anklage wegen Körperverletzung (Scheiß Türken! Wenn die nicht das Business übernommen und ihn rausgekickt hätten, wäre das alles nicht passiert!) hatte ihm das acht Jahre eingebracht. Aber wenigstens war er nicht mehr in Bayern! Allein der Gedanke an seinen ersten Knastaufenthalt in Straubing ließ es ihm eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Den Moment, als der Bulle ihm die Knarre zwischen die Augen gehalten hatte, würde er sein Lebtag nicht vergessen.

Hinter den Büschen auf dem Nachbargrundstück immer noch Getuschel und Geschäker. Genervt rutschte er vom Trampolin, warf die Kippe beiseite und ging ins Wohnzimmer.

Auf dem Esszimmertisch lag Susas Lesebrille neben einem aufgeschlagenen Kunstbuch über Barockskulpturen. Wie zerstreut sie doch war, immer vergaß sie irgendetwas! Ihre Brille, den Schlüssel … Mit einem gelben Post-it hatte sie eine Stelle markiert: Nach 1720 ersetzte man zunehmend asiatische Motive und monochromes Blau durch europäische Motive in polychromen Scharffeuerfarben. Scharffeuerfarben! Er wusste schon, warum er sich für das barocke Motiv entschieden hatte. Viel Ahnung hatte er zwar nicht gehabt, als er sich die goldene Pyramide ausdachte, sonst hätte er die Farbgebung anders gestaltet. »Subtil ist das nicht gerade«, hatte sie gesagt, als sie den Artikel in diesem schmierigen Berliner Boulevard-Blatt entdeckt hatte, und war zugleich über sich selbst erschrocken, dass sie die mörderische Skulptur vorwiegend aus kunstgeschichtlichem Blickwinkel betrachtete. Valverde hatte sich geschmeichelt gefühlt. Zumindest hatte sie ihm Sachverstand und ein wenig kunsthistorisches Verständnis zuerkannt. Nicht ihm natürlich, sondern dem Täter, den sie sogar ein wenig bewunderte, weil er nicht nur seiner strengen Moral gefolgt war, sondern auch einer ziemlich ungewöhnlichen Ästhetik. Crazy Su nannte er sie manchmal. Sie war einfach fasziniert vom Bösen, ganz wider Willen.

Er klappte das Buch zusammen, stellte es ins Regal und ging in die Küche. Einen Espresso noch. Ein bisschen Koffein und der Tag sähe ganz anders aus. Allein, die Kapsel-Maschine klemmte wieder. Er rüttelte am Hebel, leerte den Behälter, fluchte ein paarmal über die verflixte Technik und entschied sich dann doch für die Alu-Macchinetta, die Susa aus ihrer Studentenzeit in Florenz herübergerettet hatte. Mein Gott, was sie nicht alles aufbewahrte! Postkarten aus Museen, teils vergilbt und mit Eselsohren, Kinderzähne, Kinderhaarbüschel; Geschirr, zusammengeklaut in Hotels aus aller Herren Länder … Kein Teil passte zum anderen. Er klappte den Deckel des Espresso-Kännchens auf und beobachtete genussvoll, wie der Kaffee blubbernd nach oben stieg. Wo hat sie bloß die Kekse hingelegt, dachte er bei sich und wühlte in der Küchenschublade. Kerzenstummel und Rezeptkarten lagen zwischen Zetteln, auf denen sie vor Jahren Arzttermine für sich und die Kinder notiert hatte. Akademiker! Da reden sie immer von Systemen, Kategorien, Analysen und sind dabei nicht einmal in der Lage, den Haushalt halbwegs in Ordnung zu halten.

Valverde nahm einen Plastik-Klappstuhl vom Wandhaken und setzte sich vor den Küchenschrank. Sorgfältig sortierte er die Notizen und schob sie in eine Plastikhülle, als ihm ein Zeitungsausschnitt auffiel, der mit einem giftgrünen Textmarker umrandet war. Die Uckermark-Bestie stand in fetten schwarzen Lettern über dem Bild eines kubischen Hauses. Den Namen der Villa, der in eine polierte Messingplakette graviert war, hatten sie unkenntlich gemacht. Valverde besah sich das Layout von Näherem. Hätten sie nicht wenigstens eine kleine Anspielung auf sein Kunstwerk machen können? Wenigstens hätte sich ein Zeichner die Mühe machen können die Szenerie nachzuskizzieren! Stattdessen bloß dieser Designer-Kubus in dieser öden Landschaft, in dem noch öderen Park mit den Buchsbaum-Kugeln, den japanischen Luxusgewächsen und dem neuesten Bentley in Augenkrebsblau. Immerhin gab es noch Schwarzweiß-Zeitungen! Wenigstens verschonten sie einen vor den Geschmackskatastrophen dieser Rich-and-Famous-Arschlöcher. Missmutig überflog er den Text: Als die Haushälterin am Sonntag, den 20. März, die Tür zu der Uckermarker Prominentenvilla aufschloss, traute sie ihren Augen nicht. Der Schrei, der ihrem Mund entwich, musste selbst die Lychener aus den Federn gescheucht haben, zu schrecklich war der Anblick, der sich ihnen bot. Vor der edlen Anrichte aus Mahagoni türmten sich fünf Körper. Die Leiber waren bizarr angeordnet, sorgfältig mit Goldfarbe bepinselt und mit goldenem Washi-Band verschnürt. Geknebelt, aufgespießt auf widerlichste Art und Weise waren die Leichen aneinandergefesselt. Es war das Werk eines kranken Gehirns, eines perversen Sadisten mit einer Vorliebe für Edelmetall.

Was für ein grottenschlechter Text, dachte Valverde, wer schreibt denn so einen Bullshit? Widerlich, krank, blabla … Sahen sie denn nicht, dass er die Fleischskulptur penibel arrangiert hatte, dass das Ganze einem Plan folgte und einen Sinn besaß? Andererseits: Wie hätten sie auch wissen sollen, dass er diese grausamen Weiber gerecht bestrafte für ihre Taten? Für diese schlichten Journalistengemüter war das wieder nur die Ausgeburt eines Perverslings mit Lust am Töten. Ganz von der Hand weisen konnte er die Idee allerdings nicht: Der Moment, in dem er White Russian den High Heel ins Auge gebohrt hatte, war ein Hochgenuss gewesen. Diese Schlampe hatte es verdient! Beim Gedanken an die aufgespießte Ruth kroch ihm aber doch eine leise Übelkeit die Speiseröhre hoch. Ganz clean war die Sache eben doch nicht abgegangen. Es hatte ihn viel zu viel Zeit gekostet, das Chaos zu beseitigen, bevor er das künstlerische Finish vornehmen konnte. Außerdem saß ihm der Gestank der verbrannten Kopfhaut von Madame immer noch in den Nasenhöhlen. So richtig geschaffen war er eben doch nicht für diese Mordgeschichten. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn er die Angelegenheit einem Spezi aus Knastzeiten anvertrauen hätte können, aber trau, schau, wem? Alles musste man selbst in die Hand nehmen! ›Nachdem sie sich im Badezimmer übergeben hatte, rief die Haushälterin sofort die Polizei an‹, dieser Provinzjournalist entblödete sich nicht, eine Lappalie an die andere zu reihen, ›Mein Gott, ich wusste zuerst gar nicht, welche Nummer ich wählen sollte. Ich war so aufgeregt. So ein Schock!‹ Valverde seufzte gelangweilt. War das alles, was sie angesichts seines Meisterwerks verspürte? Ein Schock. Keinen Sinn für Schönheit, diese Banausen! Ein kurzer Blick auf den Schluss des Artikels – Uckermark-Bestie, Goldfinger – genügte ihm. Kriminalistische Amateure, dachte er, von Barockkunst nicht die geringste Ahnung! Er schob den Zeitungsartikel zwischen die Postkarten und schloss die Schublade. Memento mori, mit dem Tod sollte man besser auf gutem Fuße stehen, sinnierte er. Manchmal wurmte es ihn, dass diese Schreiberlinge nicht die geringste Neigung verspürten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie machten ihren Job, zogen vom Leder, lästerten über die Konkurrenz und Basta! Am besten ginge er in den Garten und kümmerte sich um die Rhododendren. Wenn Susa nach Hause käme, würde er ihr ein Krabben-Omelett zubereiten und sie ins Bett ziehen, solange die Kinder noch in der Schule waren. In der Zwischenzeit würde er die Pflanzen düngen und vielleicht sogar den verrotteten Käfig lackieren. Den Giebel in Orange? Das war Susas Farbe. Warum auch immer assoziierte sie Orange, sobald die Farbe irgendwo aufleuchtete, mit dieser dämlichen Postpunk-Band Orange Juice. L.O.V.E. Wenn er an das Lied nur dachte, bekam er schon die Krätze. Musikalisch würden sie nie auf einen Nenner kommen …

Aber selbst den schlechten Musikgeschmack sah er ihr nach. Sie war einfach zu süß, wenn sie mit wirrem Haar und geröteten Wangen ihre neuesten Texte vorlas. Meist vermochte er sich gar nicht auf den Inhalt konzentrieren. Er ließ einfach die Worte an sich vorbeirauschen, genoss deren Klang und erfreute sich an Susas Begeisterung. Es fühlte sich an wie ein Trip, wie damals, als er zum ersten Mal Iggy Pops Soldier-Album hörte. Top 10 forever! Gleich nach Robert Fripp und Roxy Musics For Your Pleasure. Das würde sie wahrscheinlich als Beleidigung empfinden, die Süße.

Er schlenderte zum Geräteschuppen, zog Harke und Rechen aus der Halterung und lehnte sie an die Mauer. Dann begann er das Laub zusammenzufegen und den Giersch mit der Harke aus der Hecke zu ziehen. Kurz schoss ihm der Gedanke an Estebans Kinder durch den Kopf, die nun endlich verschont würden vor der mütterlichen Folter. Einmal fluchen, und schon hatte sie ihnen den Mund mit Seife ausgewaschen oder sie glatt vor die Mülltonne gesetzt, geknebelt mit Klopapier. Nein, sollte ihn auch nur ein einziges Mal ein schlechtes Gewissen packen, bräuchte er sich bloß das Bild dieser armen Gören in Erinnerung zu rufen. Man musste die Dinge langfristig betrachten. Wie hätte es Madame – Gott hab sie selig! – ausgedrückt? Short-term, Mid-term, Long-term. Ganz ohne eigenes Zutun hatte sie ihr Ziel wohl erreicht. Länger Währendes als diesen Long-term gab es garantiert nicht. Selbst schuld. Hätte sie nicht so einen miesen Charakter gehabt, wäre sie noch am Leben, ihr Grab hatte sie sich selbst geschaufelt. Zu hoffen blieb freilich, dass der Gatte irgendwo in Dubai strandete oder auf seiner blank polierten Riva den lieben langen Tag den Comer See entlangschipperte. Wenn er nun allerdings selbst anstelle der verstorbenen Gattin die Strippen zöge und diese Schrottimmobilien-Geschichte mitsamt der Drückerkolonne weiter pushte, dann müsste Valverde die Sache doch noch einmal aufrollen, beziehungsweise Monsieur einen Genickschuss verpassen, damit er gleich zu Madame ins Grab wandern möge.

Sollte er den Rasenmäher anschmeißen und den Rindenmulch häckseln? Dann könnte er sich das Unkrautjäten sparen. Er ging in die Garage, zog einen neuen Bowdenzug auf, kontrollierte die Zündkerzen und füllte Benzin nach. Nein, morgen. Erst würde er die Natursteinfliesen entmoosen.

Gegen Mittag hatte er den Großteil der Arbeit erledigt. Er ging in die Küche und wollte gerade die Eier mit Kräutern und Nordseekrabben verquirlen, als das Telefon klingelte. »Luchsigator, mein süßer Luchsigator«, wisperte sie in den Hörer, »es tut mir so leid, aber leider kann ich heut Mittag nicht kommen, ich muss unbedingt noch den Textchef treffen. Mir ist gerade eingefallen, dass ich ihm vorschlagen könnte, dass …« Und schon sprudelte sie los, und er driftete wieder in diesen seltsamen Trance-Zustand, den ihre Worte auslösten.

»Valverde, krieg ich noch ein Ei und ein paar Nordseekrabben«, quietschte die Kleine. Der Große hatte bereits eine doppelte Portion verdrückt, und selbst der Kleinste pulte sich genüsslich Krabbenfleisch aus der Zahnlücke. Wenn sie so weitermachten, würden sie sich alle noch in richtige kleine Nordlichter verwandeln. »Und jetzt noch eine Geschichte«, krähte der Kleine, »die vom tapferen Krabbenkönig, der alle fiesen Fischer im Schlammloch versenkte!« »Das war doch gar kein Schlammloch«, widersprach das Mädchen, »es war ein Piranha-Teich! Das haben die auch verdient, schließlich haben sie den armen Leuten die ganzen Fische weggeangelt.« »Ich fand am besten, dass der Krabbenkönig den Fischern zuerst die Gurgel aufschlitzte und dann noch Salz hineingestreut hat«, tönte der Große und räkelte sich auf dem Sofa.

Susa schnappte gerade noch den letzten Satz auf, als sie aus der Küche zurückkam. »Was redet ihr da? Was sind das für brutale Geschichten?« Valverde legte schnell den Zeigefinger auf seinen Mund und bedeutete den Kindern, zu schweigen. Susa würde sich bloß wieder aufregen und ihm eine Litanei über Kindererziehung zum Dessert servieren. Unglaublich naiv war sie in gewisser Hinsicht, entzückend und zum Verzweifeln naiv, glaubte sie doch, die Welt mit Schreiben verbessern zu können. Die armen Kiddies! Irgendjemand musste sie doch mit der brutalen, harten Wirklichkeit vertraut machen. Wenn sich schon der wirkliche Daddy kaum jemals blicken ließ, musste eben Valverde als Schummeldaddy den Job übernehmen. Seine kleine Krabbenfamilie mit der Krevetten-Queen an der Spitze! Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Schulter. »Das war doch nur …«, begann er. »Ein Märchen von Hauff«, sagte der Große, die Augen weit aufgerissen, bemüht, nicht einmal zu zwinkern. »Hauff?«, Susa entwand sich Valverdes Umarmung, »Die kenn ich gar nicht, die Geschichte.« Sie ging in Gedanken sämtliche Märchen durch, die sie jemals gelesen hatte. »Obwohl, wenn ich an das Kalte Herz denke, kann ich mir schon vorstellen, dass es da ein paar ziemlich gemeine Stellen gibt.« »Ach, ich fand Das Wirtshaus im Spessart klasse«, warf Valverde ein, in der Hoffnung, Susa von den Gutenachtgeschichten abzulenken. »Der Typ verkauft sein Herz für Geld und merkt dann erst, dass Liebe eben doch wichtiger ist. Und ein Happy End gibt’s auch, das ist doch das Wichtigste. So, und jetzt ab ins Bett Kinder! Ich erzähl euch gleich noch eine Geschichte.« Susa hob schon an zum Widerspruch. »Eine ganz harmlose zum Einschlafen«, fügte er eilig hinzu und trieb die Kinder mit einem Händeklatschen wie eine kleine Gänseschar ins Bett. »Zähneputzen nicht vergessen«, rief er hinterher, selbst erstaunt über seine mustergültige Ersatzpapi-Rolle.

Eine Stunde später schlummerten die Kids. Valverde setzte sich neben Susa aufs Sofa und massierte ihr die Füße, so wie sie es liebte. Ihm schien es, als würde sie tagtäglich jünger werden, als fiele endlich eine Last von ihr ab, die sie seit Ewigkeiten bedrückte.

Mit geschlossenen Augen, die Arme hinterm Kopf verschränkt, genoss sie den Druck seiner Finger. »Sag mal«, sie schreckte, einer plötzlichen Eingebung folgend, hoch, »findest du es nicht auch merkwürdig, dass dieser Uckermark-Killer die Frauen alle vergoldete und mit den Körpern diese merkwürdige Barockskulptur formte?« Valverde wollte sie weiter massieren, doch sie zog die Beine an den Körper und kniff die Augen zusammen. Volle Konzentration! Jetzt aber! Valverde nahm einen Schluck Rotwein und blickte sie an. Was käme jetzt? Wenn sie erst einmal auf diesem True-Detective-Trip war, konnte man sie unmöglich davon abhalten, den Dingen auf den Grund zu gehen, geradezu verbissen spürte sie jedem Detail nach. »Meines Erachtens«, begann sie, »meines Erachtens«, sie genoss diese Spannungspausen, »kannte er die Opfer. Das sieht doch alles nach Bestrafung aus. Der Typ hat Geld auf dem Schädel unserer Nachbarin verbrannt und Ruth gepfählt. Esteban hat er, bevor er sie goldfarben tünchte, mit Klopapier den Mund gestopft. Das hat mir einer in der Redaktion erzählt. Die haben da einen guten Draht zum zuständigen Hauptkommissar, naja, zu einer Sekretärin, die wohl irgendwas mitgehört hat. Wenn das stimmt, dann hatte der es nicht auf die Kohle abgesehen. Der schickt uns eine Botschaft.« Er hätte sie küssen können für ihren Scharfsinn! »Naja«, fuhr sie fort, ermuntert von seiner Aufmerksamkeit, »der Typ hatte wahrscheinlich was gegen reiche Frauen. Ich glaube, der ist eine ganz merkwürdige Mischung aus Moralist und Brutalo, von Kultur hat er ganz offenbar auch Ahnung.« Sie nippte an Valverdes Rotwein. »Der Killer …«, hub sie an. Jetzt bitte nicht der Ami-Slang, dachte Valverde. Bei Mord- und Totschlag verfiel sie automatisch in dieses fürchterliche Denglish. Offenbar bemerkte sie seinen missbilligenden Blick, verwandelte den Killer in einen Täter. »Ich bin sicher, der Täter kennt … Was meinst du?« Valverde zuckte mit den Schultern. »Der Typ weiß nicht nur über Kunstgeschichte Bescheid, sondern kennt sich auch mit de Sade aus. Ich könnte mir sogar denken, dass er ein De-Sade-Freak ist. Was nämlich die meisten vergessen, ist, dass de Sade nicht nur ein Faible für grausam Tötungsarten hatte, sondern eben auch ein scharfer Gesellschaftskritiker war.« Sie sprang auf in Richtung Bücherregal und ging mit dem Zeigefinger die Buchreihen durch. Sie fasste sich an den Kopf. »Das gibt es doch nicht, wo ist denn meine de Sade-Ausgabe?« Sie griff hinter die erste Buchreihe. Wann würde sie endlich mal all diese Wälzer sortieren, dachte Valverde. »Ah«, erleichtert atmete sie auf. Juliette hab ich schon mal. Während sie mit der Suche beschäftigt war, schlich sich Valverde aus dem Zimmer, öffnete den Karton, den er ganz hinten im Kleiderschrank verstaute, zog zwei Bücher heraus und schob sie zwischen einen neben Susas Bettseite liegenden Stapel.

Als er zurückkam ins Wohnzimmer, fluchte sie vor sich hin. »Mist, ausgerechnet Aline et Valcour fehlt.« Sie drehte sich um und fragte ihn: »Kennst du das Buch?« Ohne seine Antwort abzuwarten fuhr sie fort: »De Sade beschreibt da einen Südsee-Staat, in dem ein Maximum an Toleranz praktiziert wird. Abweichendes Verhalten und unterschiedliche Meinungen muss man da aushalten können. Das war visionär!« Sie setzte sich wieder zu ihm aufs Sofa. »Ich finde, davon könnten wir Heutigen uns eine Scheibe abschneiden! Wenn ich mir anschaue, wie verspießert die meisten Leute wieder sind! Jeder will sich nur in seiner Meinung bestätigt wissen. Die wenigstens trauen sich doch noch, frei Schnauze zu reden.« Das gefiel ihm an ihr: Irgendwo in ihr steckte eben immer noch ein kleiner Punk! Wie sonst ließ es sich erklären, dass sie all den Idioten und Ausbeutern immer noch den Stinkefinger zeigte? »Schau doch mal im Schlafzimmer nach«, warf er ein, »könnte doch bei deinen Lieblingsbüchern liegen.« Sie drängte sich an ihm vorbei, doch er erhaschte ihren Rockzipfel. »Vielleicht aber doch lieber nachher«, sagte er, zog sie zu sich auf das Sofa, wuschelte ihr durchs Struwwelhaar und küsste sie.

Stunden später lagen sie nebeneinander im Bett. Susa strich über den Buchrücken von Aline et Valcour, blickte versonnen an die Decke und fragte: »Sag mal ehrlich, kommt dir das nicht komisch vor? Der Typ wirkt für mich wie ein Rächer der Enterbten.« Sie blickte ihm in die luchsgrünen Augen und löschte das Licht.

Rhododendren in bombigem Pink, Azaleen in schreiendem Violett, White-Wedding-Weiß. Nee, das dann doch nicht. Mit diesem Hochzeitskitsch hatten sie beide abgeschlossen. Valverde warf die filterlose Lucky Strike ins Gebüsch und dachte wehmütig an Zeiten, als es noch die Finas gab. Ägyptische Zigaretten in strahlend gelbgoldener Verpackung. Ein Versprechen, ein eingelöstes Versprechen! Das war wahre Rauchkultur! Er setzte sich auf den Klappstuhl, den er aus Tante Ernas Nachlass gerettet hatte. Das Holz hatte er eigenhändig aufpoliert und liebevoll geölt. Auf Ernas Dachboden hatte er sogar noch Bleimennige gefunden, unübertrefflich. Tausendmal besser als alles, was man auf dem Markt an leinölhaltigem Zeugs kriegen konnte. Wegen gesundheitsgefährdender Inhaltsstoffe aus dem Verkehr gezogen, lächerlich! Bestimmt hatten sich das wieder irgendwelche Sesselfurzer im Verbraucherministerium oder gelangweilte EU-Bürokraten ausgedacht. Aus dieser Verbieteritis machten sie ein ziemlich profitables Geschäft. Immerhin rechtfertigten sie ihre ganze armselige Existenz mit immer neuen Vorschriften und Regelungen. Reflexhaft griff er zur Zigarettenschachtel, überlegte es sich jedoch anders. Versprechen ließ er sich ungerne abnehmen, das wusste Susa. Klug wie sie war, machte sie ihn glauben, dass er freiwillig seinen Konsum reduzierte. Es war nicht so, dass er das nicht durchschaut hätte, das Spiel spielte er jedoch mit. Aus Respekt und aus Vergnügen, und auch, weil es eben keine Finas mehr gab.