Familie mit Herz 161 - Charlotte Vary - E-Book

Familie mit Herz 161 E-Book

Charlotte Vary

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Leben der sechsjährigen Sari von Waldersbach-Odenheim ist nicht gerade das, wovon ein kleines Mädchen träumt. Die Mutter ist gestorben, der Vater lässt sich kaum noch blicken, sondern vergräbt sich in seiner Arbeit. So ist Sari der verknöcherten Tante Thekla ausgeliefert, die immer penibel auf die Wahrung der Etikette achtet. Alles, was einen Funken Freude in dem Kinderherz entzünden kann, lehnt sie ab. Und jetzt hat sie auch noch eine "passende" neue Erzieherin für Sari ausgewählt.
Christine Blank zittert indes ihrer neuen Stelle auf Schloss Weyern entgegen. Sie kennt das traurige Schicksal des Kindes, will ihm helfen und ihm endlich sein Lachen zurückschenken. Doch dazu muss sie den Menschen im Schloss etwas vorspielen und ein wichtiges Detail aus ihrem Leben verschweigen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 104

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Wenn alle anderen glücklich sind ...

Vorschau

Impressum

Wenn alle anderen glücklich sind ...

Ihr Zuhause ist ein goldener Käfig

Von Charlotte Vary

Das Leben der sechsjährigen Sari von Waldersbach-Odenheim ist nicht gerade das, wovon ein kleines Mädchen träumt. Die Mutter ist gestorben, der Vater lässt sich kaum noch blicken, sondern vergräbt sich in seiner Arbeit. So ist Sari der verknöcherten Tante Thekla ausgeliefert, die immer penibel auf die Wahrung der Etikette achtet. Alles, was einen Funken Freude in dem Kinderherz entzünden kann, lehnt sie ab. Und jetzt hat sie auch noch eine »passende« neue Erzieherin für Sari ausgewählt.

Christine Blank zittert indes ihrer neuen Stelle auf Schloss Weyern entgegen. Sie kennt das traurige Schicksal des Kindes, will ihm helfen und ihm endlich sein Lachen zurückschenken. Doch dazu muss sie den Menschen im Schloss etwas vorspielen und ein wichtiges Detail aus ihrem Leben verschweigen ...

Auf Schloss Weyern saß man beim Frühstück, und der Tisch vor der offenen Terrassentür war nur für zwei Personen gedeckt. Theodor Fürst von Waldersbach-Odenheim war in Reitkleidung, denn er hatte bereits die Arbeiten auf den Feldern inspiziert, wo die Getreideernte im Gange war. Der Fürst war ein hochgewachsener, kräftiger Mann Anfang fünfzig, dem die gesunde rotbraune Hautfarbe gut zu dem vollen silbergrau durchwirkten Haar stand.

Ihm gegenüber saß – oder besser gesagt thronte – hoch aufgerichtet seine Schwägerin, Thekla Gräfin von Harburg. Sie war eine schlanke, fast hagere Endvierzigerin mit edlen, aber strengen Zügen und einem gelblichen Teint, zu dem der starke Mahagoniton ihrer gefärbten Haarpracht recht künstlich wirkte.

»Wo ist Sari?«, fragte der Fürst. »Wieso frühstückt sie nicht mit uns?«

Die Gräfin faltete penibel ihre Serviette zusammen und antwortete abweisend:

»Sarolta hat unruhig geschlafen und fühlt sich nicht ganz wohl. Ich habe ihr gesagt, sie soll im Bett bleiben. Sie wird später mit dem Kindermädchen essen. Was schreibt übrigens Leopold? Ich sah einen Brief von ihm bei den Postsachen liegen.«

»Neugierig, liebe Thekla?« Der Fürst schmunzelte und riss das Kuvert auf, das noch auf einem silbernen Tablett lag. Er las eine Weile schweigend und machte dann: »Hm – hm.«

»Nun, was ist?«, drängte die Gräfin. »Darf ich es endlich wissen?«

Der Fürst zögerte. »Mein Sohn berichtet mir von einer jungen Dame, die er bei den Zaberns kennengelernt hat«, rückte er schließlich mit der Sprache heraus. »Sie scheint ihm sehr am Herzen zu liegen. Aber das ist bei Poldi nichts Außergewöhnliches. Dabei wäre es wirklich zu begrüßen, könnte er sich wieder zu einer Heirat entschließen. Sari braucht eine Mutter, und Poldi täte die feste, geschickte Hand einer Ehefrau gut. Dieses Junggesellenleben in München verdirbt ihn.«

Gräfin Thekla verzog die schmalen, purpurn geschminkten Lippen.

»Wenn es um Sarolta geht, die ist bei mir in den besten Händen«, versetzte sie gekränkt. »Ihr fehlt nichts. Aber dass sich Leopold seit Aurelias Tod mehr und mehr zum Womanizer entwickelt hat, das kann niemand leugnen.«

Nun war es Fürst Theodor, der ein mokantes Lächeln nicht unterdrücken konnte. War es nicht gerade Aurelia gewesen, die seinen Sohn in einen Strudel hemmungslosen Vergnügens hineingezogen hatte? Aber daran wollte er jetzt nicht mehr denken. Zu lange hatte die traurige Geschichte wie eine schwarze Wolke über Schloss Weyern gehangen.

»Wie heißt denn Leopolds Angebetete?«, wollte Gräfin Thekla wissen.

»Er schreibt von einer Christine.«

»Und wie weiter?«

»Keine Ahnung, aber sie wird wohl aus bester Familie sein, wenn er sie bei den Zaberns kennengelernt hat. Die laden doch nicht Krethi und Plethi in ihr Haus.«

Gräfin Thekla wiegte den Kopf. »Da wäre ich nicht so sicher, lieber Theo«, meinte sie misstrauisch. »Denk nur an all die Geschöpfe, die Poldis Begleiterinnen während der letzten Jahre waren: Stewardessen, Schauspielerinnen, eine war, glaube ich, sogar so eine Art Ausziehkünstlerin.«

»Stripteasetänzerin nennt man das«, berichtigte der Fürst. »Aber vergiss nicht, Thekla, diese Mädchen hat Poldi uns nie offiziell vorgestellt. Auch hat er nicht eine davon als seine zukünftige Frau bezeichnet. Doch diesmal schreibt er von Verlobung, und dass er sie uns bald vorstellen wird.«

»Was? Und das, ohne Familiennamen und Titel der Betreffenden zu erwähnen?«, empörte sich Thekla. »Mein Gott, was werden wir mit Leopold noch alles erleben! Marcel würde sich viel besser zu deinem Nachfolger eignen, wenn du einmal nicht mehr bist.«

Fürst Theodor zuckte die Schultern. »Marcel ist nun einmal der zweitgeborene Sohn«, erwiderte er. »Und Poldi ist nicht schlecht. Ein wenig leichtsinnig und vertrauensselig vielleicht. Er bräuchte nur die richtige Ehefrau, die ...«

Er hielt inne, denn die Tür des Speisezimmers hatte sich geöffnet. Ein reizendes sechsjähriges Mädchen kam hereingerannt und warf sich stürmisch in die Arme des Großvaters: Prinzessin Sarolta, die Tochter des jungen Prinzen Leopold und seiner verstorbenen Frau Aurelia.

Sarolta war ein anmutiges Geschöpf mit einer Fülle wilder schwarzer Locken und großen veilchenblauen Augen in ihrem herzförmigen Gesichtchen. Zärtlich schmiegte sie sich an den Fürsten und kletterte auf seinen Schoß, während sie einen Finger in den Marmeladentopf steckte und genüsslich von dem süßen Inhalt naschte.

»Sarolta, du benimmst dich unmöglich!«, tadelte Gräfin Thekla scharf. »Wo ist das Kindermädchen?«

»In der Küche!«, antwortete die kleine Prinzessin wie aus der Pistole geschossen. »Sie tratscht mit der Köchin.«

Gräfin Thekla schüttelte entrüstet den Kopf.

»Marsch in dein Zimmer, Sarolta!«, befahl sie energisch. Und als das Kind widerstrebend und schmollend gegangen war, rief sie ärgerlich aus: »Dieses Kindermädchen ist eine total unfähige Person! Um alles muss ich mich kümmern, sonst verwildert das Kind! Wir brauchen eine wirklich geschulte Erzieherin! Findest du nicht auch?«

Der Fürst nickte zerstreut. »Meinetwegen, engagiere eine! Alles, was das Hauspersonal betrifft, fällt ja in dein Ressort, liebe Thekla!«

Die Gräfin nickte. Ja, seit ihre Schwester, die Gattin des Fürsten, gestorben war, führte sie ihm den Haushalt und hatte alle Vollmachten. Sie würde sich um eine Erzieherin für Sarolta kümmern.

♥♥♥

In dem wunderschön gelegenen, geräumigen Landhaus der Familie von Zabern an einer der malerischsten Uferpartien des Ammersees fand wieder einmal eine Party statt. Die Zaberns hatten zwei erwachsene Söhne und zwei bildhübsche junge Töchter, und sie waren eine gesellige Familie.

Man musste nicht adelig oder der Münchner High Society zugehörig sein, um von den Zabern'schen Kindern eingeladen zu werden. Es war immer sehr lustig auf den Partys der Familie.

Auch Christine Blank war dort oft vertreten, obwohl sie nur eine schlichte Dorfschullehrerin war.

Christine wäre jedoch überall aufgefallen, denn sie hatte das gewisse Etwas. Sie war groß, gertenschlank und glich mit ihrem langen dunklen Haar und den schwarzbraunen feurigen Augen einer Südländerin. Im einfachsten Kleid wirkte sie temperamentvoll und edel, und sie verstand es, witzig zu plaudern und sich jeder Situation anzupassen. Deshalb fehlte es ihr nie an Einladungen.

Auf einer dieser Partys hatte sie Leopold Prinz von Waldersbach-Odenheim kennengelernt, den alle leger nur Poldi nannten. Christine hatte seinen vollen Namen und Titel erst erfahren, als sie bereits rettungslos in den fröhlichen rotblonden Hünen mit den meerblauen Augen verliebt war. Da war sie mächtig erschrocken.

Was sollte sie, die bürgerliche Christine Blank, mit einem Prinzen, dem Spross eines alten Fürstengeschlechts? Noch dazu mit einem, dessen spektakulärer Lebenslauf durch alle Illustrierten ging? Partyprinz, Gesellschaftslöwe, Ladykiller, das waren die Schmeichelnamen, die man Prinz Leopold verpasst hatte.

Christine fand, dass Poldi sich in ihrer Gesellschaft ganz anders gab. Da war er nachdenklich, warmherzig, voll inniger Zärtlichkeit. Auch heute hatten sie sich wieder auf dem Zabern'schen Gartenfest getroffen.

»Komm, wir gehen zum See hinunter!«, sagte Poldi und schob Christine seinen Arm unter. »Ich muss allein mit dir reden! Hier sind zu viele Menschen.«

Es war eine laue, zauberhafte Sommernacht. Ein dunkelblauer, sternenüberzogener Himmel wölbte sich über dem ruhigen schwarzen See. Am Ufer war ein Kahn festgemacht. Leopold hob Christine hinein und hüllte ihre bloßen Schultern in sein weißes Dinnerjackett.

»Frierst du, Liebling?«

Christine schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn du bei mir bist!«

Sie küssten sich leidenschaftlich. Eine leichte Betäubung überfiel Christine wie ein Rausch. Sie hatte doch kaum etwas getrunken. Also musste es die Liebe sein. Ihr Kopf lag an Poldis Schulter. Immer so liegen!, dachte sie. Immer so geborgen sein!

Aber es war ja nur eine Illusion. Trotzdem war es wunderbar, ein Traum, und sie konnte sich nicht dagegen wehren.

»Christine, ich habe meinem Vater geschrieben, dass ich mich wieder verheiraten will«, sprach Leopold leise. »Ich mag nicht länger ohne dich leben. Was sagst du dazu?«

Christine hielt den Atem an. »Weiß dein Vater, wer und was ich bin?«, wisperte sie. »Hast du es erwähnt? Eine Frau ohne Adel und ohne Geld?«

Poldi zögerte. »Noch nicht.«

Christine seufzte. »Er wird es nie erlauben«, versetzte sie tonlos.

»Aber er muss!«, widersprach Poldi heftig. »Und er wird! Christine, hab doch keine Angst! Papa ist nicht unvernünftig und altmodisch. Er ist froh, wenn Sarolta wieder eine Mutter bekommt! Und ich eine Frau! Ich hab das unstete Leben so satt! Ich liebe dich wie keine vor dir! Ich weiß jetzt, dass ich eigentlich nie eine geliebt habe vor dir, nicht seit Aurelias Tod! Nur dich will ich, dich!« Er küsste sie stürmisch.

»Erzähle mir von Sarolta und Aurelia!«, forderte Christine ihn auf, als sie wieder zu Atem kam. »Ich möchte sie mir wenigstens vorstellen können.«

Leopold lächelte weich. »Sarolta ist das süßeste kleine Mädchen, das du dir denken kannst!«, berichtete er mit der Verliebtheit eines Vaters in seine kleine Tochter. »Aber sie ist ein Wildfang wie ich. Sie braucht viel Liebe und Geduld. Sie wird, sie muss dir gefallen! Und Aurelia – sie war meine erste Liebe. Wir kannten uns schon als Kinder. Unsere kurze Ehe war ein Rausch, ein endloses Fest. Aurelia war nicht geboren für den grauen Alltag. Sie schwebte immer auf den höchsten Gipfeln des Daseins, bis dann ...«

Er hielt inne und wandte sein Gesicht ab. »Sie hat immer behauptet, sie werde einmal jung sterben.«

»Wie ist sie ... zu Tode gekommen?«, flüsterte Christine vorsichtig. »Sie war doch erst vierundzwanzig.«

Leopold machte eine heftige Bewegung, sodass der Kahn schwankte und Christine sich festhalten musste.

»Sie starb an einem Herzinfarkt.«

An einem Herzinfarkt? Eine vierundzwanzigjährige gesunde Frau? Christine wagte nicht, noch weitere Fragen zu stellen. Sie sah ja, wie sehr die Erinnerung Poldi aufwühlte.

Er hob sie hoch und trug sie ans Ufer.

»Gehen wir wieder hinauf?«, fragte er. »Die Party scheint dem Ende zuzugehen. Ich bringe dich heim!«

Wenig später hielt sein schwarzer Lamborghini vor dem Bauernhaus, in dem Christine mit einer Freundin das Obergeschoss bewohnte.

»Darf ich noch mit hinaufkommen?«, fragte Leopold.

»Heute lieber nicht«, antwortete Christine. »Es ist sehr spät. Bis morgen, mein Liebster!«

Der Prinz lachte. »Lange wirst du mich nicht mehr so wegschicken! In spätestens drei Monaten heiraten wir!«

Sie blickte ihm verwirrt nach, als er den Motor startete. Heiraten, einen Prinzen? Sie konnte es nicht recht fassen.

♥♥♥

Cornelia von Egge, Christines Freundin und Mitbewohnerin, hatte ebenfalls ihre erste Lehramtsprüfung abgelegt, aber im Gegensatz zu Christine noch keine Stelle erhalten. Sie stand auf der Warteliste und hoffte, eines Tages doch an einer Schule angestellt zu werden. Inzwischen jobbte sie fleißig und ging den verschiedensten Tätigkeiten nach. Sie zahlte einen geringeren Anteil an der Miete und nahm Christine dafür den größten Teil der Hausarbeit ab. Momentan verdiente sie sich als Aushilfe in einer Buchhandlung ein paar Euro.

Als Christine ihr von dem Ereignis des gestrigen Abends berichtete, riss sie die Augen weit auf und rief: »Was, ihr heiratet? Dann wirst du ja eine Prinzessin oder Fürstin! Wow!«

»Na wenn schon!«, konterte Christine trocken. »Ich nähme Poldi auch, wenn er ein Handwerker wäre. Aber ich kann's noch nicht so richtig glauben. Die Erlaubnis seines Vaters steht außerdem noch aus.«

»Braucht er die denn? Er ist doch längst volljährig«, sinnierte Conny.

Christine zuckte die Schultern.

»Weiß ich, wie es bei Fürstens zugeht? Vielleicht verbietet ein altes Familiengesetz, dass er eine Bürgerliche heiratet. Ach Conny, wenn ich doch wenigstens ein kleines ›von‹ vor dem Namen hätte wie du!«

»Pah, das ist nur schlichter Beamtenadel«, widersprach Conny. »Für einen Prinzen aus fürstlichem Haus wäre auch ich nicht standesgemäß.«

»Aber doch besser als nichts«, vermutete Christine. »Conny, könnte er denn nicht ein einfacher Herr Waldersbach sein? Aber ein Prinz und bald ein Fürst! Das kann nicht gut gehen!«

»Sag das nicht, Christine!«, tröstete Conny und zählte einige Fälle auf, wo Hochadelige bürgerliche Frauen geheiratet hatten. »Die Zeit, wo der Adel noch großartige Privilegien hatte, ist doch vorbei.«

»Behauptet man«, erwiderte Christine. »In der Praxis ist das nicht so. Freilich, wenn ich Vermögen hätte!«

»Geld haben die Waldersbach-Odenheim selber wie Heu«, versetzte Conny.

»Ja, auch das noch«, stimmte Christine zu. »Menschenskind, wenn ich den Poldi nicht so wahnsinnig lieb hätte! Aber vornehm und zurückhaltend auf ihn verzichten, freiwillig, das kann ich nicht!«