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Schock im Internat: Mitten in der Nacht bricht vor den Schlafräumen der Jungen ein Feuer aus - alles deutet auf Brandstiftung hin. Der Täter muss ein Schüler sein. Doch wer tut so etwas? Und warum? Claudia Frombach, eine junge, engagierte Lehrerin, ist überzeugt: Hinter dieser Tat steckt keine Bosheit, sondern ein verzweifelter Hilferuf. Ihr Verdacht fällt auf Sebastian - einen stillen Jungen, der seit seiner Ankunft kein einziges Mal gelächelt hat. Je tiefer Claudia hinter sein Schweigen blickt, desto deutlicher wird: Kinder tragen oft ein schweres, unsichtbares Gepäck. Während sie versucht, Sebastian Halt und Vertrauen zu geben, gerät auch ihr eigenes Leben ins Wanken - vor allem ihre Ehe mit Mark. Bald erkennt sie: Sebastians Schicksal berührt nicht nur ihr Herz, sondern ist eng mit ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft ...
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Seitenzahl: 95
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Der Junge mit dem verlorenen Lachen
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Eine Lehrerin macht sich große Sorgen um ihren Schützling
Von Jenny Kayser
Schock im Internat: Mitten in der Nacht bricht vor den Schlafräumen der Jungen ein Feuer aus – alles deutet auf Brandstiftung hin. Der Täter muss ein Schüler sein. Doch wer tut so etwas? Und warum?
Claudia Frombach, eine junge, engagierte Lehrerin, ist überzeugt: Hinter dieser Tat steckt keine Bosheit, sondern ein verzweifelter Hilferuf. Ihr Verdacht fällt auf Sebastian – einen stillen Jungen, der seit seiner Ankunft kein einziges Mal gelächelt hat.
Je tiefer Claudia hinter sein Schweigen blickt, desto deutlicher wird: Kinder tragen oft ein schweres, unsichtbares Gepäck. Während sie versucht, Sebastian Halt und Vertrauen zu geben, gerät auch ihr eigenes Leben ins Wanken – vor allem ihre Ehe mit Mark. Bald erkennt sie, dass Sebastians Schicksal nicht nur ihr Herz berührt, sondern auch eng mit ihren privaten Lebensumständen verknüpft ist ...
Es war bereits nach zehn, als Claudia Frombach an diesem Abend nach Hause kam. Mit etwas schlechtem Gewissen betrat sie die große Fünf-Zimmerwohnung unterm Dach des Mietshauses aus der Gründerzeit.
»Hoffentlich ist Mark mir nicht böse ...« Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und strich sich vor dem Spiegel im Flur flüchtig durch die kurzen, sportlich geschnittenen Haare. Ja, sie sah müde aus, und das war auch kein Wunder nach einem Arbeitstag, der wieder einmal mehr als zwölf Stunden gedauert hatte.
»Mark, wo steckst du denn?«
In allen Räumen der geschmackvoll eingerichteten Wohnung brannte Licht. Doch Mark entdeckte Claudia erst im Esszimmer. Gerührt blieb sie an der Tür stehen: Mark war eingeschlafen, den Kopf auf dem Tisch, den er ansprechend für zwei gedeckt hatte, mit Blumen und Kerzen.
Leise trat Claudia hinter ihn und begann ihm den Nacken zu kraulen. Nicht lange, da wachte Mark auf, rieb sich verwundert die Augen und zog Claudia zärtlich an sich.
»Dann können wir ja endlich essen!« Er unterdrückte ein Gähnen.
»Du darfst mir nicht böse sein«, entschuldigte sie sich. »Es ging einfach nicht früher, weil ...«
»Das erzählst du mir später.« Mark stand auf.
Einmal mehr angenehm überrascht, stellte Claudia fest, dass er ihr das späte Erscheinen nicht verübelte. Welcher andere Mann wäre dazu wohl imstande?
Als er nun in die Küche ging, hakte Claudia sich bei ihm ein. »Dieser toll gedeckte Tisch ... Feiern wir heute irgendetwas? Habe ich etwa ein wichtiges Datum übersehen?«
»Nein, du hast gar nichts übersehen.« Er lächelte vergnügt. »Ich habe ja selbst schon nicht mehr damit gerechnet. Stell dir vor, ich habe ihn! Den Auftrag für das neue Kulturzentrum!«
»Mark!« Laut jubelnd fiel Claudia ihrem Mann um den Hals.
Sie wusste sehr genau, wie viel er geschuftet hatte, um den Auftrag für dieses Bauwerk zu bekommen – und wie viel davon für Marks erst vor Kurzem gegründetes Architekturbüro abhing.
»Das ist super! Ich freue mich ja so für dich!«
»Freu dich nicht zu früh, denn jetzt ... Na ja, es wird nicht einfach werden. Es ist das erste Mal, dass ich einen öffentlichen Auftrag übernehme. Da hängen jede Menge Behörden dran, wenn ich nur daran denke ...«
»Nichts da!«, fiel Claudia ihm lachend ins Wort. »Ärgern kannst du dich später. Jetzt feiern wir erst einmal.«
»Gut, dass du mich daran erinnerst. Ich habe Austern besorgt und geräucherten Lachs.« Er begann, die appetitlich angerichteten Speisen aus dem Kühlschrank zu holen. »Hier, eine Flasche Chablis. Öffnest du sie schon mal?«
Wenig später saß das Ehepaar Frombach zu einem späten Essen am Tisch. Die bis auf den Fußboden reichenden Fenster boten einen atemberaubenden Blick auf die Großstadt und deren flimmerndes Lichtermeer. Claudia hatte die schon weit heruntergebrannten Kerzen erneuert, Mark für die passende musikalische Untermalung gesorgt. Die Austern schmeckten köstlich, der Lachs desgleichen.
»Wir haben es richtig gut, was?« Mark erhob sein Weinglas und sah Claudia verliebt in die Augen.
»Das kann man wohl sagen.« Ein flüchtiger Schatten huschte über Claudias Gesicht. »Wenn ich nur daran denke, womit andere Menschen so zu schaffen haben ...«
»Erzähl!«, bat Mark.
Genauso wie Claudia an Marks geschäftlichen Ambitionen interessierten Anteil nahm, hatte Mark stets ein offenes Ohr für Claudias berufliche Probleme. Und als engagierte Lehrerin an einem Gymnasium, zu dessen Schülern auch Internatszöglinge gehörten, gab es fast täglich Vorfälle, die Claudias ganzen Einsatz erforderten.
»Ich habe dir sicher schon mal davon erzählt«, begann sie jetzt nachdenklich. »Von Tom, der im Internat lebt, und von Oliver, seinem besten Freund, einem Externen. Aus irgendeinem Grund haben sich Olivers Eltern in den Kopf gesetzt, dass Tom kein geeigneter Freund für ihren Sohn ist. Ich gebe ja zu, er ist manchmal ein bisschen wild, aber mit dreizehn ...«
»Du hast dich also wieder einmal mit den Eltern angelegt«, entfuhr es Mark schmunzelnd. Er kannte Claudia gut genug, um zu wissen, dass ihre Sympathien stets auf Seiten der Kinder lagen, wenn es darauf ankam.
»Unsinn, ich habe nur versucht, ihr Verständnis zu wecken.«
»Und wofür?«
»Nun ja, es war natürlich idiotisch von Oliver. Er hat sich letzte Nacht im Internat eingeschmuggelt, um nach einem Streit mit seiner Mutter dort zu übernachten.«
»Und das ist keinem im Internat aufgefallen?«
Claudia schüttelte belustigt den Kopf. »Natürlich nicht, wenn das zwei clevere Detektive wie Oliver und Tom vorbereiten ... Es gab einen Riesenwirbel. Olivers Eltern haben die Polizei benachrichtigt und ...«
»Na ja, eine verständliche Reaktion, wenn der dreizehnjährige Filius abends nicht nach Hause kommt, findest du nicht?«
»Ja, selbstverständlich. Oliver hat inzwischen ja auch eingesehen, dass sein heimliches Verschwinden nicht gerade klug war. Trotzdem, ich verstehe die Eltern nicht. In so einem Fall ist es doch nicht mit Vorwürfen und Strafen getan. Wenn sie ihrem Sohn verbieten, Tom zu sehen – sie zwingen ihn doch geradezu zu solchen Heimlichkeiten.«
»Ich bin sicher«, Mark griff nach Claudias Hand, »du hast wie immer dein Bestes getan, um den Eltern die Augen zu öffnen.«
»Hoffen wir es.« Claudia seufzte. »Trotzdem, Eltern sind seltsame Menschen.«
♥♥♥
Gleich am nächsten Morgen sprach Claudia mit den beiden Missetätern. Als Klassenlehrerin war es ihre Aufgabe, die beiden von der über sie verhängten Strafe zu informieren. Denn selbstverständlich sahen es die strengen Internatsregeln nicht vor, dass sich externe Schüler des Gymnasiums dort so ohne Weiteres einquartierten.
»Das war ein ausgesprochen dummer Einfall«, begann Claudia ernsthaft. »Aber so viel habt ihr ja gestern schon begriffen. Wenn ihr euch treffen wollt, so ist das eine Sache – eine andere ist, wie ihr es anstellt. Wenn ihr damit andere in Angst und Schrecken versetzt ...« Angesichts der betretenen Mienen der beiden beschloss Claudia, sich kurzzufassen. »Oliver, du hast gestern Abend deinen Eltern versprochen, dass du nie wieder heimlich weglaufen wirst von zu Hause. Und von dir Tom, erwarte ich, dass du Oliver nicht wieder auf so dumme Gedanken bringst ...«
»Aber es war doch gar nicht Tom«, unterbrach nun Oliver. Er war fast einen Kopf kleiner als sein Freund, und er reagierte stets empfindlich, wenn unterstellt wurde, er sei von Tom zu irgendetwas angestiftet worden.
»Lassen wir das.« Claudia räusperte sich. »Ihr beiden wisst schließlich am besten, wer sich da was ausgedacht hat. Jedenfalls dürfte euch klar sein, dass die Geschichte Konsequenzen hat.« Die beiden Jungen richteten nun ängstliche Blicke auf ihre Lehrerin.
»Die Wände im Aufenthaltsraum«, fuhr Claudia fort, »sehen seit Langem ziemlich scheußlich aus. Deshalb dachten wir ... ihr beiden macht das. Ihr streicht die Wände neu.«
»Zusammen?«, fragten Tom und Oliver im Chor, aus ihren Blicken sprach neue Hoffnung.
»Zusammen.« Nur mit Mühe verkniff Claudia sich ein Schmunzeln – ganz offensichtlich betrachteten die beiden nichts als Strafe, wenn sie es nur gemeinsam tun konnten. »Einer allein würde das ja gar nicht schaffen.«
»Das ist toll!«, platzte Tom heraus.
»Ich hab' auch schon eine prima Idee, wie ...«
»Schon gut, das werdet ihr mit dem Hausmeister besprechen. Ihr seid also damit einverstanden?«
Die beiden nickten, übers ganze Gesicht strahlend.
»Na, dann verschwindet endlich.«
Lächelnd blickte Claudia den beiden nach, wie sie nun das Lehrerzimmer verließen, eifrig miteinander tuschelnd. »Bin gespannt, was ihnen als nächstes einfällt«, sagte sie zu sich selbst. »Wer weiß, was sie aus den weißen Wänden unseres Aufenthaltsraums machen werden. Den alten Kramer kriegen sie sicher leicht auf ihre Seite.«
Sie kicherte leise. Der Hausmeister Kramer war etwas schrullig und manchmal sogar absonderlich, dennoch hielt Claudia mehr von ihm als von manchen ihrer Kollegen. Er hatte wenigstens noch nicht vergessen, dass er selbst auch einmal ein Kind war.
Claudia allerdings musste sich jetzt daran erinnern, was von ihr als Lehrerin erwartet wurde. Fast schon drohend lag der Stapel vor ihr – Deutschaufsätze, die sie dringend korrigieren musste.
♥♥♥
Wie immer genoss Claudia den freien Nachmittag. Sie erledigte allerlei Einkäufe, stöberte in ihrer Lieblingsbuchhandlung unter den Neuerscheinungen und suchte zum Abschluss ihres Stadtbummels ein Café auf. Auch wenn andere Menschen das keineswegs so sahen – für einen derart vertrödelten Nachmittag hatte Claudia wie die meisten Lehrer höchst selten Zeit, und Claudia womöglich noch seltener als andere.
Für sie endete der Arbeitstag fast nie mit dem Läuten der Schulglocke. Und auch, wenn sie den Unterricht für den nächsten Tag vorbereitet und die Klassenarbeiten durchgesehen hatte, war noch längst nicht alles erledigt.
Denn fast immer gab es Schüler oder Schülerinnen, die Probleme hatten, und für Claudia war es selbstverständlich, dass sie als Lehrerin ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite stand. Natürlich sah dieses Engagement kein Lehrplan vor, aber Claudia konnte einfach nicht anders.
Schließlich war sie nicht Lehrerin geworden, um irgendwelche abstrakten Lehrpläne zu erfüllen, sondern einzig und allein der Kinder wegen. Die Hoffnungen und Probleme der Kinder, sie an den richtigen Stellen zu unterstützen, nach Kräften zu fordern, das war nach Claudias Ansicht die Aufgabe einer Lehrerin.
Und damit bin ich auch voll und ganz zufrieden, dachte sie lächelnd.
Am Nebentisch hatte eine junge Frau mit zwei Kindern Platz genommen, und vielleicht wurden Claudias Überlegungen dadurch etwas beeinflusst.
Wenn ich eigene Kinder hätte ... Ich könnte mich längst nicht so für all die anderen Kinder einsetzen.
Der etwa siebenjährige Junge am Nachbartisch erzählte seiner Mutter gerade eine wohl reichlich verwickelte Geschichte, wobei er immer wieder von seinem deutlich jüngeren Schwesterchen unterbrochen wurde. Doch der Mutter der beiden gelang es mit großer Gelassenheit, jeden Streit zwischen den beiden zu verhindern.
Schön wäre es ja, setzte Claudia ihre Träumerei fort. Und zu alt wäre ich auch noch nicht, um selbst Mutter zu werden.
Seit einigen Monaten war Claudia zweiunddreißig, und nun gestand sie sich ein, dass sie in letzter Zeit häufiger als sonst mit dem Gedanken an ein eigenes Kind spielte.
Aber das ist völlig überflüssig, sagte sie sich nun. Wozu brauchte sie eigene Kinder, wenn in der Schule so viele waren, die sie brauchten?
Dann dachte sie an Mark, der jetzt Mitte Dreißig war und bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich hatte. Er sprach nicht gern darüber, aber natürlich wusste Claudia, dass er einen Sohn hatte. Florian lebte bei seiner Mutter, und Mark sah ihn höchstens einmal im Jahr. Da er sich mit seiner ehemaligen Frau nach wie vor nicht gut verstand, fand er es besser, den Jungen in Ruhe zu lassen.
»Er kann schließlich nichts dafür und soll nicht darunter leiden«, hatte Mark ihre seine Zurückhaltung erklärt.
Florian müsste jetzt ... Claudia rechnete nach. Zwölf müsste er wohl sein. Ob es ihr gelingen würde, den Kontakt zu ihrem Kind fast völlig abreißen zu lassen?