Familie mit Herz 86 - Sabine Stephan - E-Book

Familie mit Herz 86 E-Book

Sabine Stephan

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Beschreibung

Dass Eltern für ihr Kind immer nur das Beste wollen, ist klar. Doch manchmal bewirkt dies genau das Gegenteil. So ein Fall liegt bei der kleinen Pauline Bernhofer vor. Das Mädchen, geliebt, behütet und verwöhnt, kennt nur noch Tränen. Pauline soll nach dem Wunsch ihrer Mutter überall die Beste sein - auch im Ballettunterricht.
Doch das Mädchen verfügt nicht über das herausragende Talent, das Annette Bernhofer in ihm sehen will. Die Trainingsstunden sind für Pauline eine einzige Qual.
Und dann versagen eines Tages ihre Beine ...


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Inhalt

Cover

Impressum

Im Rollstuhl – na und?

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rawpixel.com / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0549-3

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Im Rollstuhl – na und?

Warum die kleine Pauline nicht mehr laufen kann

Von Sabine Stephan

Dass Eltern für ihr Kind immer nur das Beste wollen, ist klar. Doch manchmal bewirkt dies genau das Gegenteil. So ein Fall liegt bei der kleinen Pauline Bernhofer vor. Das Mädchen, geliebt, behütet und verwöhnt, kennt nur noch Tränen. Pauline soll nach dem Wunsch ihrer Mutter überall die Beste sein – auch im Ballettunterricht.

Doch das Mädchen verfügt nicht über das herausragende Talent, das Annette Bernhofer in ihm sehen will. Die Trainingsstunden sind für Pauline eine einzige Qual.

Und dann versagen eines Tages ihre Beine ...

Das Kind quietschte vor Vergnügen, als es in rasanter Fahrt die Rutsche hinuntersauste. Der dunkelhaarige Mann, der am Ende des Spielgerätes stand, fing es geschickt auf und setzte es wieder auf die Bahn zurück. Die beiden waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie die Frau nicht bemerkten, die sich schnellen Schrittes näherte.

»Achim«, rief Annette Bernhofer besorgt. »Pauline ist doch noch viel zu klein für solche gefährlichen Spiele.«

Für einen kurzen Moment ließ sich der Mann durch den Ruf ablenken und verfehlte so das Kind. Die zweijährige Pauline glitt über das Ende der Rutsche hinaus und fiel unsanft in den Sand. Dabei stieß sie sich schmerzhaft den Kopf und brach in durchdringendes Schreien aus.

Sofort war Annette Bernhofer bei ihrer Tochter und riss sie tröstend in die Arme. Vorwurfsvoll blitzte sie ihren Mann an.

»Ich wusste doch, dass es schiefgeht. Wie konntest du nur so verantwortungslos sein?«

Achim Bernhofer seufzte resigniert. Er strich sich müde durch die dichten, fast schwarzen Haare, die an den Schläfen schon von feinen Silberstreifen durchsetzt waren, und runzelte unwillig die Stirn.

»Du kannst Pauline nicht in Watte packen«, widersprach er. »Es ist nicht gut für ihre Entwicklung, wenn du stets so überbesorgt bist, Annette.«

»Ich bin nicht überbesorgt, ich bin nur vorsichtig«, beharrte Annette trotzig und drückte ihr Töchterchen an sich.

Langsam versiegten Paulines Tränen. Ein fröhliches Lächeln glitt über die geröteten Pausbäckchen, der erlittene Schreck war schon vergessen. Energisch befreite sie sich aus der Umarmung der Mutter und rannte zum Vater.

»Noch mal«, forderte sie bestimmt und zeigte auf das Spielgerät.

Doch Achim schüttelte den Kopf und ging vor der Kleinen in die Knie.

»Nein, für heute ist es genug«, sagte er liebevoll und nahm den kleinen Wildfang hoch. Wieder kullerten Tränen über das niedliche Gesichtchen des Kindes, diesmal jedoch vor Enttäuschung.

»Die Rutsche ist böse, sie tut dir doch nur weh«, versuchte Annette, das weinende Kind zu beschwichtigen. Zärtlich tupfte sie ihm die Wangen trocken. Doch Pauline wich der Berührung der Mutter aus und schmiegte sich eng an ihren Papi.

Lange Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her, jeder in seine Gedanken vertieft. Der laue Spätsommertag hatte sie zu einem Spaziergang verführt. Sie hatten die Fahrt zu den Großeltern unterbrochen und eine kurze Rast eingelegt. Außerdem wollte Annette ihre Tochter keiner mehrstündigen, anstrengenden Autoreise aussetzen. Aber jetzt bereute sie fast, in der Nähe des Spielplatzes angehalten zu haben. Ihrer Meinung nach waren die Spielgeräte für Pauline noch nicht geeignet.

»Du musst doch zugeben, dass Pauline für solche Spiele noch viel zu klein ist«, wandte sie sich endlich zaghaft an ihren Mann. »Nicht auszudenken, was alles passieren könnte! Sie könnte sich die Fingerchen einklemmen oder sich mit der Kleidung in der Rutsche verfangen.«

»Sie könnte aus dem Bettchen fallen, sie könnte sich an einem Bonbon verschlucken ...« Achim blieb stehen. »Annette, sieh endlich den Tatsachen ins Auge. Du kannst Pauline nicht rund um die Uhr behüten, alle Gefahren von ihr fernhalten. Das Kind muss lernen, sich mit den Risiken des täglichen Lebens auseinanderzusetzen. Wie soll es sich zu einem eigenständigen Menschen entwickeln, wenn du ihm jeglichen Freiraum nimmst? Pauline kann ja kaum noch einen Atemzug machen, ohne dass du nicht mit Argusaugen über sie wachst.«

»Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr etwas passiert«, erwiderte Annette leise. »Sie ist alles, was wir haben; weitere Kinder können wir nicht bekommen.« Nervös strich sie eine Locke ihres tizianroten Haares aus der Stirn. »Du musst doch verstehen, dass ich eine überängstliche Mutter bin. Viel zu lange haben wir schließlich auf unseren Sonnenschein warten müssen.«

Achim lächelte seiner Frau liebevoll zu. Er verstand nur zu gut, was sie mit ihren Worten ausdrücken wollte. Annette hatte sich immer sehnsüchtig Kinder gewünscht, doch lange auf die Erfüllung dieses Wunsches warten müssen. Erst mit fünfunddreißig war sie endlich schwanger geworden.

Ja, Achim begriff, dass seine Frau in ständiger Furcht lebte, das Kind wieder zu verlieren, zumal sie laut Aussage des Arztes auf weiteren Kindersegen nicht hoffen durfte. Trotzdem musste Achim verhindern, dass sie Pauline mit ihrer Liebe erdrückte.

»Ich begreife deine Angst ja, Liebes«, erwiderte er sanft und legte den Arm um ihre schmalen Schultern. »Auch mir ist der Gedanke unerträglich, Pauline könnte etwas geschehen. Aber wir dürfen das Kind nicht zu sehr gängeln. Damit tun wir ihm keinen Gefallen. Wenn wir ihm verwehren, seine, wenn auch oft schmerzhaften Erfahrungen mit dem Leben zu machen, wird es bald ängstlich und lebensuntüchtig sein.«

»Ich sage mir das ja alles selbst. Es ist nur so ungeheuer schwer, gegen meine Furcht anzukommen«, erwiderte Annette betroffen. »Pauline ist für mich etwas Besonderes«, flüsterte sie andächtig und betrachtete glücklich ihr Kind. Die Kleine war wirklich allerliebst. Das zarte Gesichtchen wurde von seidigen blonden Haaren umrahmt, und die kornblumenblauen Augen blitzten lebhaft und wissbegierig.

Die Sonne schien zwischen den dichten Blättern der Bäume hindurch und zauberte kleine Lichtblitze auf den schattigen Pfad. Ein Eichhörnchen huschte über den Weg und erweckte Paulines Interesse.

»Da, da,« rief sie freudestrahlend und zappelte ungeduldig in den Armen ihres Vaters. Behutsam stellte Achim seine Tochter auf die Füße. So schnell sie die Beinchen tragen konnte, hetzte Pauline dem kleinen Tier nach. Dabei verhedderte sie sich jedoch in dem Wurzelgeflecht eines Baumes und fiel hin. Laut weinend blieb sie liegen.

»Oh, mein armer Liebling«, rief Annette bestürzt und eilte ihrer Tochter zu Hilfe. »Hat dir der böse Baum wehgetan«, flüsterte sie mitfühlend und wiegte das Kind tröstend. Dabei untersuchte sie die schmutzigen Knie der Kleinen, aber außer einer kleinen Schramme war nichts zu sehen.

»Die böse Rutsche, der böse Baum ...« Achim schüttelte wütend den Kopf. »Mein Gott, Annette, wach endlich auf! Die ganze Welt ist böse, wenn du so weitermachst. Wenn sich Pauline durch meine Schuld mal verletzt, bin ich wohl auch noch der böse Papi.«

»Jetzt übertreibst du, Achim«, entgegnete Annette ruhig. Sie bettete das Köpfchen des noch immer schluchzenden Kindes an ihrer Schulter und deutete zum Himmel, wo plötzlich dunkle Wolken aufzogen. »Wir sollten uns beeilen, es sieht nach einem Unwetter aus. Ich möchte nicht, dass Pauline nass wird und sich womöglich noch einen Schnupfen holt.«

Eiligen Schrittes liefen sie zum Parkplatz, wo sie den Wagen abgestellt hatten. Achim schaute missmutig drein. Seiner Ansicht nach hätten sie den Spaziergang ruhig noch fortsetzen können, doch Annette war in ihrer Sorge um Pauline einfach nicht zu bremsen.

»Ein harmloser Schnupfen wird unserem Liebling auch nicht gleich schaden«, brummte er unwillig.

Kaum hatten sie die Autotüren hinter sich geschlossen, als ein Wolkenbruch gewaltig niederprasselte.

»Siehst du«, triumphierte Annette. »Ich hatte recht. Jetzt wären wir bis auf die Haut durchnässt worden.« Zufrieden lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und betrachtete das Mädchen, das in seinem Sitz angeschnallt war und schläfrig gähnte.

Achim nickte schuldbewusst. Als der strömende Regen nachließ und nur noch vereinzelt Tropfen fielen, startete er den Wagen und fuhr langsam weiter.

♥♥♥

Pauline wurde immer niedlicher. Voller Stolz beobachtete Annette die Entwicklung ihrer Tochter. Aus dem pummeligen Kleinkind wurde bald ein graziles Mädchen. Nur die unbeholfene Art der Kleinen stand im krassen Gegensatz zu ihrer anmutigen Erscheinung.

Pauline tat nichts ohne ihre Mutter. Sie war trotz ihrer drei Jahre noch immer nicht in der Lage, sich allein anzukleiden oder sich intensiv mit einem Spiel zu beschäftigen. Auf Schritt und Tritt hing sie an Annettes Rockzipfel und fremdelte vor jedem Menschen, der ihr nicht vertraut war.

Die junge Frau genoss die Anhänglichkeit ihrer Tochter sichtlich und schirmte sie mit allen Mitteln gegen Einflüsse von außen ab. Nichts durfte ihre enge Mutter-Kind-Beziehung stören. Selbst das Spiel mit anderen Kindern empfand Annette als überflüssig. Sie widmete Pauline schließlich jede freie Minute, der Kleinen würde es an nichts fehlen.

Achim hatte sich anfangs noch bemüht, auf die Kleine einzuwirken und sie zu mehr Eigenverantwortung heranzuziehen. Doch sie reagierte auf seine Versuche, sie aus ihrem Glashaus herauszuholen, stets verschreckt und weinerlich. Außerdem machte Annette ihm erbitterte Vorwürfe, er würde das Kind überfordern. Seine Vorhaltungen, sie würde gravierende Erziehungsfehler begehen, wenn sie weiterhin dem Mädchen alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumte und es von gleichaltrigen Spielkameraden fernhielt, prallten an Annette ab.

Achim gab es bald auf, sich gegen seine Frau durchsetzen zu wollen. Seine Arbeit als selbstständiger Schreinermeister mit eigener Werkstatt nahm ihn auch zu sehr in Anspruch, um sich noch auf nervtötende Auseinandersetzungen mit Annette einzulassen. Das Geschäft ging in letzter Zeit nicht besonders gut. Er musste seine ganze Kraft dafür einsetzen, den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern.

Annette nahm die Sorgen ihres Mannes nicht zur Kenntnis. Sie widmete sich nach wie vor ausschließlich der Erziehung ihrer Tochter. Um die Besonderheit der Kleinen herauszustellen, war ihr nichts zu teuer. Sie kleidete Pauline nur in exklusiven Kinderboutiquen ein und erfüllte ihr jeden erdenklichen Wunsch.

Als Pauline, kaum vier Jahre alt, eifrig auf dem Klavier herumklimperte und ein halbwegs melodisches Lied zu hören war, war Annette von der außergewöhnlichen musischen Begabung des Kindes überzeugt.

»Wir müssen für Pauline einen Musiklehrer engagieren, der ihr Talent entsprechend fördert«, sagte sie am Abend begeistert zu ihrem Mann.

Achim, von einem langen Arbeitstag erschöpft, hörte nicht richtig zu. Er ging, ohne seiner Frau eine Antwort zu geben, in die Dusche. Noch während er sich den Holzstaub vom Körper wusch, kam Annette ins Badezimmer und funkelte ihn wütend an.

»Dich interessiert unser Kind wohl überhaupt nicht mehr«, beschwerte sie sich. »Nicht nur, dass du kaum noch Zeit für Pauline hast, du hörst mir einfach nicht zu, wenn ich mit dir über das Mädchen reden will. Du lässt mich stehen und gehst wortlos ins Bad.«

»Annette, ich bin müde und schmutzig«, erwiderte Achim. »Du überfällst mich bereits an der Haustür mit irgendwelchen fantastischen Ideen, deren Sinn ich im Augenblick nicht begreifen kann. Lass mich doch erst einmal zu mir kommen, dann reden wir.« Er angelte nach einem Handtuch und schlug es sich um den Körper. Dann stieg er aus der Dusche.

»Na gut«, lenkte Annette ein. »Ich war wohl zu ungestüm. Aber als ich Pauline heute Nachmittag spielen hörte, war ich so begeistert, dass ich es kaum abwarten konnte, dass du endlich nach Hause kommst. Ich sage dir, wir müssen das Talent unseres Kindes unbedingt fördern. Aus dem Mädchen wird eines Tages noch etwas ganz Großes.« Ein verträumter Ausdruck trat in ihre Augen.

»Bleib auf dem Teppich, Annette«, brummte Achim unwirsch. »Der Umstand, dass Pauline ein paar halbwegs wohlklingende Töne aus dem Klavier hervorgebracht hat, bedeutet doch noch lange nicht, dass in ihr ein kleiner Mozart schlummert. Du überschätzt das Kind!«

»Das tue ich nicht«, wehrte Annette beleidigt ab. »Ich nehme mir nur die Zeit, mein Kind genau zu beobachten und seine Fähigkeiten richtig zu beurteilen. Du hast Pauline ja noch nicht einmal spielen gehört und maßt dir schon ein Urteil an.«

»Ich habe schon oft zugehört, wenn Pauline auf dem Klavier geklimpert hat«, widersprach Achim heftig. »Aber ich kann nun mal nichts Außergewöhnliches daran finden, wenn eine Vierjährige gerade die Tonleiter beherrscht. Pauline spielt nicht besser und nicht schlechter als andere Kinder in ihrem Alter auch.«

Annette holte empört Luft. Zornig stemmte sie die Hände in die Hüften und schaute Achim herausfordernd an.

»Du willst nur nicht wahrhaben, dass deine Tochter ein besonderes Kind ist. Du hast Angst vor den Kosten, die eine eventuelle Förderung ihrer Talente mit sich bringt. Deshalb verschließt du deine Augen vor den Tatsachen, dass Pauline anderen Kindern in ihrem Alter weit überlegen ist. Sie ...«

»Sie ist noch nicht einmal in der Lage, sich ohne deine Hilfe anzuziehen«, fuhr Achim wütend auf. »Das nennst du besonders? Mein Gott, Annette, du erziehst das Kind zu einem völlig unselbstständigen Menschen, machst es abhängig von deiner Person. Pauline ist nur noch auf dich fixiert. Sie geht keinen Schritt aus dem Haus, ohne dass du in ihrer Nähe bist. Wenn andere Kinder mit ihr spielen wollen, bricht sie in Tränen aus und versteckt sich hinter dir. Alles, was du sagst oder tust, wird von ihr widerspruchslos akzeptiert. Und nun verrennst du dich auch noch in die Idee, sie wäre ein Wunderkind. Hat dir das Fiasko mit den Werbeaufnahmen noch nicht gereicht?«