Fantasy - Alec Cedric Xander - E-Book

Fantasy E-Book

Alec Cedric Xander

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Beschreibung

In diesem Moment leben rund 7.200.000 Milliarden Menschen auf der Erde. Manche haben Angst und laufen weg. Einige kommen nach Hause und andere lügen, um den Tag zu überstehen. Andere wiederum sehen der Wahrheit ins Auge und etliche sind böse, im Krieg mit dem Guten. 7 Milliarden Seelen auf der Welt, und manchmal braucht man nur eine einzige. Lindsey nimmt einen Teilzeitjob in einem Spielwarengeschäft an und versteht sich auf Anhieb mit seinen neuen Arbeitskollegen. Dies passt seiner besten Freundin Diana überhaupt nicht, denn sie will Lindsey für sich ganz allein haben. Lindsey lernt, was Freundschaft wirklich bedeutet und schwärmt nebenbei gleich mal für drei Männer. Doch wer von ihnen ist auch schwul? Der nette Chef mit dem Dauergrinsen im Gesicht? Oder der herrlich duftende Mikel? Vielleicht ist es aber auch der sympathische Daniel, der eventuell Interesse an ihm haben könnte. Lindsey ist hin und her gerissen und weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.

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Copyright © 2014 der deutschen Ausgabe bei X-Scandal Books, 59174 Kamen

Cover ©Men's grooming© CURAphotography - Fotolia.com

Das Model auf dem Coverfoto steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches.

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.

Originalausgabe: Februar 2014

Umschlaggestaltung: Alec Xander

ISBN E-Book: 978-3-944672-25-0

www.alec-cedric-xander.de

www.x-scandalbooks.de

Vorwort

Prolog

Work Bitch!

Early Morning

Drop Dead – Beautiful!

Hate and Love

Friend or Foe

Triumphant

Say Somehting

Tik Tik Boom

For The Last Time

Vorwort

Diese Geschichte widme ich Anna, Björn und dem Rest der ehemaligen Frühschicht.

Vielen Dank für die tolle und verdammt lustige Zeit!

Thanks for the inspiration – againJ

Prolog

Ende Oktober

Es war spät in der Nacht, als ich seelenruhig in meinem Bett schlief. Auf einmal stürmte meine Mutter splitterfasernackt ins Zimmer und brüllte mich an: „Lindsey!“

Ich setzte mich geschockt auf und starrte sie fassungslos an.

„Du wirst morgen früh gefälligst aufstehen und dir einen Job suchen!“, verlangte sie wild gestikulierend. Ihr Gesicht war voller Zorn und mit jeder Bewegung schwangen ihre schlaffen Möpse hin und her.

Ängstlich zog ich mir die Bettdecke bis zur Nase.

„Und wehe, du findest keinen, dann fliegst du raus!“, endete sie und fegte wieder hinaus.

Die Tür knallte zu, und ich erwachte aus dem Albtraum. Verwirrt strich ich durch mein schweißnasses Haar und schwor mir, am nächsten Tag einen Job zu suchen.

Muddern saß am Küchentisch und schlürfte ihren Kaffee, während sie die Zeitung las. Ich blieb am Türrahmen stehen und sah sie perplex an.

Einige Sekunden lang guckte sie wortlos zu mir. „Ist was?“

„Ich werde mir jetzt die Haare färben und danach einen Job suchen!“, klärte ich sie erbost auf. Dauernd hatte ich das Bild im Kopf, wie die Alte nackt vor mir stand, und das war entsetzlich!

Erstaunt schaute sie mich einen Moment an. „Na denn“, meinte sie nur und blickte wieder in die Zeitung.

„Genau das werde ich tun“, brummelte ich, als ich auf dem Weg ins Bad war. „Nie wieder schwarze Haare!“, fluchte ich, während ich die Farbe einmassierte. Es wäre nicht nötig gewesen, wenn mich meine beste Freundin nicht dazu überredet hätte, mir die Mähne dunkel zu färben. Ich sah aus wie ein Grufti, zumal ich ein heller Hauttyp war, und das gefiel mir überhaupt nicht. Mein Haar sollte wieder erblonden, doch nach dem ersten Versuch glich mein Kopf einer Orange.

„Ich fahre jetzt Zur Arbeit“, sagte Muddern.

Rasch öffnete ich die Tür. „Gut, und ich werde mir einen Nebenjob suchen, auch wenn ich abends noch zur Schule muss!“

Mutter schielte auf mein Haar. „Na, mit dieser Farbe wirst du höchstens einen Job als Laterne im Dunklen bekommen“, behauptete sie trocken. Sie kramte in ihrer Handtasche herum, was mir einen schockierenden Blick in ihren Ausschnitt ermöglichte. „Und das mit der Schule ist ja wohl nicht meine Schuld.“ Muddern war verwirrt. „Was ist denn heute nur los mit dir?“

„Nichts“, schwindelte ich.

„Na denn. Ich lege dir etwas Geld auf den Küchentisch, damit du dieser Katastrophe auf deiner Rübe den Kampf ansagen kannst.“

Ein zögerliches „Danke“ flog mir über die Lippen.

„Ich bin heute Abend zurück.“ Die Alte ging davon, und ich versuchte, nicht mehr an diese Quarktaschen zu denken. „Alles wird gut“, redete ich mir immer wieder ein.

Ich setzte mir eine Wollmütze auf, damit niemand das Desaster auf meinem Kopf sehen konnte. Zum Glück war es draußen kühl und nass. Die Jobsuche konnte also beginnen. Da ich in der Innenstadt wohnte, konnte ich eine Menge Geschäfte nacheinander aufsuchen, ohne weit laufen zu müssen. Einen Laden nach dem anderen klapperte ich ab, doch immer wieder hörte ich die gleichen Sätze: „Tut uns wirklich leid, aber wir suchen keine Aushilfen.“

Alle Geschäfte in der City hatte ich aufgesucht, einen Job hatte ich trotzdem nicht bekommen. Was soll´s, dachte ich mir und lief zu einem der größten Spielzeugläden weit und breit: Fantasy. Das Geschäft befand sich etwas außerhalb der Stadt und es dauerte rund eine halbe Stunde, bis ich es erreichte. Bei Fantasy angekommen, musste ich vor Aufregung erst einmal eine Zigarette rauchen. Zwar rechnete ich mit einer Absage, doch der Versuch macht ja bekanntlich klug. Ich betrat den gigantischen Laden und war erst einmal platt. Nicht, dass ich zuvor nie dort gewesen wäre, aber in diesem Moment kam mir alles irgendwie viel größer vor. Ich überlegte, wen ich fragen könnte, und ging zur Info. Dort lächelte mich auch schon eine Mitarbeiterin freundlich an. Wir unterhielten uns kurz und prompt griff sie zum Hörer, um mit jemandem zu telefonieren. Sie erklärte mir den Weg und zeigte zu einem Eingang, der sich zwischen den Regalen mit den Computerspielen befand. Auf direktem Wege ging ich hindurch und folgte der Anweisung, die sie mir gegeben hatte. Früher hätte ich mir nie vorstellen können, bei Fantasy zu arbeiten, aber ich wollte unbedingt Geld verdienen – vor allem, damit sich solch ein Albtraum wie in der Nacht zuvor nicht noch einmal wiederholte. Ich lief durch einen kalten Gang und blickte zu einer Treppe, die sich auf der rechten Seite befand. Dort musste ich hin. Ich ging die Stufen zur offenstehenden Tür hinauf und klopfte an. Neugierig schielte ich in das Büro, das ziemlich chaotisch aussah. Ein Mann saß mit dem Rücken zu mir und durchforstete seine Papiere, die auf dem Schreibtisch verteilt waren. Erneut klopfte ich an.

„Moment, Moment!“, sagte er etwas unfreundlich und drehte sich kurz darauf zu mir um. „Ja, bitte?!“

„Hallo, mein Name ist Lindsey Selkca und ich sollte zu Ihnen kommen.“

„Wegen des Jobs?“, fragte er derb.

„Ja, wegen …“

„Komm rein und setz dich!“ Erneut schaute er in seine Unterlagen. Anscheinend war er total gestresst. Vielleicht hatte er deswegen so wenige Haare auf dem Kopf?

Ich pflanzte mich ihm gegenüber.

„Ja, wir suchen aktuell noch Aushilfen auf Teilzeit. Morgens von sechs bis zehn Uhr. 6,50 Euro die Stunde“, erklärte er. „Du bist noch Schüler?“

Scheiße, schwitzte ich, was aber auch kein Wunder war, da ich die Mütze nicht abgenommen hatte. Wäre mir einfach zu peinlich gewesen. „Ja, ich gehe auf die Abendschule.“

„Perfekt. Schon mal im Lager gearbeitet?“

„Ja, schon öfter.“

„Wo zum Beispiel?“

„Im Baumarkt, am Kiosk und so.“ Und so bedeutete in diesem Fall: Das war´s dann auch schon.

„Perfekt. Sie können auch Überstunden machen, was aber wohl nicht nötig sein wird.“

„Also jeden Tag vier Stunden?“

„Genau. Wären 26 Euro pro Tag.“

Sofort rechnete ich im Kopf aus, wie viel ich netto besitzen würde. Steuern fielen zum Glück nicht an. Zigaretten, Trinken, Essen … perfekt!

„Dann benötige ich einmal Ihren Ausweis.“

„Sehr gern.“ Ich überreichte ihm meinen Ausweis. Es ging alles voll easy und total schnell. Zügig war auch der Vertrag unterschrieben. Es war mein erster Arbeitsvertrag. Zwar befristet, aber es war besser als gar nichts. Glücklich verabschiedete ich mich und ging hocherfreut nach Hause. Meine Alte wird doof aus der Wäsche gucken, freute ich mich im Geiste, doch das tat sie nicht, als ich ihr den Vertrag unter die Nase hielt.

„Das finde ich echt toll“, sagte sie sonnig. „Wirklich. Endlich scheinst du mal etwas aus deinem Leben zu machen.“ Warum war Mutter seit der Trennung von ihrem Mann nur so nett? Früher war sie anders gewesen. Damals hatte sie der Frau geähnelt, die mir im Traum einen Schrecken eingejagt hatte. So viel Freundlichkeit war mir völlig fremd.

Später traf ich mich mit meiner besten Freundin, der Diana.Diana war etwas fülliger, hatte lange, braune Haare, die sie oft hell zu färben versuchte, was aber nie so klappte, wie sie es sich vorgestellt hatte. Sie ging wie ich auf eine Abendschule – nur nicht auf dieselbe. Diana wohnte nicht in derselben Stadt, hatte es aber nie weit bis zu mir. Sie war die Einzige, die wusste, dass ich schwul war. Schon immer hatte sie an meiner angeblichen Heterosexualität gezweifelt.Erst im Sommer hatte sie mir gebeichtet, selbst bisexuell zu sein. Was für ein Schock das doch gewesen war! Ernsthaft: Das hatte ich auch schon vorher gewusst. Ich meine, so, wie Diana von Britney Spears geschwärmt hatte, war das eigentlich kein bisschen überraschend.

Kurz darauf gestand ich ihr dann, homosexuell zu sein. Sie schmunzelte und sagte: „Ich habe es die ganze Zeit über gewusst!“ Sie war freundlich und nicht beleidigend, ließ sich darauf nur einige Tage nicht blicken. Wieso? In einem Brief schrieb sie mir, dass sie sich ein wenig in mich verguckt hätte und das erst einmal verarbeiten müsste. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sie wieder angedackelt kam. Besten Freunden kann man eben nie wirklich böse sein. Es sei denn, man hat echt Scheiße gebaut oder so. Wie auch immer. Diana versprach mir, mit niemandem über mein Geheimnis zu reden. Ihr vertraute ich blind.

Diana saß auf der Treppe einer Kirche. Oft gammelten wir dort herum und klagten über unser Leben. Manchmal lästerten wir auch. Okay, zugegeben: Wir taten es oft – sehr oft. Doch beleidigten wir keine Menschen. Sich im Leisen über manche Personen lustig machen – ja, aber niemals laut. Wenn jemand behauptet, er tue es nicht, lügt er. 

„Hey!“, rief ich.

„Lindsey!“, freute sie sich und zog an ihrer selbst gedrehten Zigarette. Da ich sie ununterbrochen angrinste, fragte sie rasch: „Wieso guckst du mich so dämonisch an?!“

„Ich“, verkündete ich mit Spannung in der Stimme und hockte mich neben sie, „habe einen Job!“

„Laber!“, staunte sie. „Ich auch!“ 

„Ohne Scheiß?!“

„Voll ohne Scheiß!“

„Geil, und wo?“

„Fantasy.“

Für einen Moment war ich sprachlos. So wirklich wollte und konnte ich das nicht wahrhaben. „Jetzt ehrlich?“

„Ja, wieso? Wo hast du denn einen gefunden?“

„Fantasy“, antwortete ich.

Mit großen Augen gaffte sie mich an. Ihr Mund öffnete sich immer weiter. „Du verarschst mich?!“

„Nein“, widersprach ich und kramte nach dem Vertrag, den ich gefaltet in meiner Jeanstasche aufbewahrte. „Hier.“ Ich zeigte ihr meinen, und sie durchwühlte schnell ihre Umhängetasche, um mir ihren zu zeigen.

„Abgefahren!“, sagte ich, als ich den Vertrag durchlas. Wir sahen einander an und hüpften dann euphorisch auf und ab.

„Sag mal“, überlegte Diana und starrte mir auf die Wange. „Hast du versucht, dir die Haare zu färben?“

Ich zögerte, doch plötzlich riss Diana mir die Mütze ab. Laut gackerte sie drauflos. „Lach nicht!“, maulte ich. „Ist doch nur deine Schuld.“

„Das sieht so scheiße aus!“

„Weiß ich selbst“, murrte ich und nahm die Mütze wieder an mich, um sie zügig aufzusetzen.

„Sieh bloß zu, dass das bis zum ersten Arbeitstag wieder normal aussieht. Man muss sich ja sonst deinetwegen schämen.“

Fick dich doch, du Fotze,dachte ich nur noch. Diana war meine beste Freundin – ja, aber manchmal hätte ich sie erschlagen können. Oft tat sie so, als ob sie etwas Besonderes wäre. War sie aber nicht! Ihre Fingernägel waren bis zum Gehtnichtmehr abgeknabbert, aus dem Mund roch sie oft nach Kuhmist, einer ihrer Frontzähne war schwarz verfärbt, die Nase erinnerte an die einer Hexe und ihr Hintern war so breit, dass es mich wunderte, wie ein zweiter Passagier im Bus neben ihr Platz nehmen konnte. Aber so etwas sagt man dem besten Freund ja nicht – oder doch? Scheiß drauf! Wie oft hatte Diana sich über mein Aussehen lustig gemacht. Entweder waren es Scherze über mein leichtes Untergewicht, über meine Ohren, die etwas abstanden, oder über meine Haut, auf der sich hin und wieder die Pickel zum Urlaub trafen.

Diana stand auf und lief vor mir her.

Ich konnte nicht anders: „Hey, Diana!“

Gespannt drehte sie sich zu mir um. „Ja?“

„Ich sehe deine Oberschenkel nicht mehr – dein Arsch ist so breit.“

Wütend stampfte sie davon, während ich mir einen ablachte.

Als meine Alte erfuhr, dass Diana die gleiche Arbeitsstelle hatte, war sie alles andere als begeistert, denn sie konnte sie nicht ausstehen. Muddern hatte immer gedacht, dass ich mit Diana intim werden würde. Scheiße, Mann! Diana war eine Frau und dazu auch nicht wirklich attraktiv. Selbst wenn sie ein Mann gewesen wäre, hätte sie – beziehungsweise er – mich nicht gereizt. Whatever. Nun musste ich nur noch meine Haare in Ordnung bringen. Ich ging extra zum Friseurbedarf, um mir das stärkste Bleichmittel zu kaufen, das es gab. Als ich es auftrug, brannte mir der Schädel wie Feuer! Aber es war effektiv: Blonder hätte ich nicht werden können.

Einen Tag vor Beginn der Arbeit war ich so aufgeregt, dass ich ständig irgendwo vor lief oder etwas fallen ließ. Ganz aus dem Häuschen war ich, auch wenn mir das frühe Aufstehen schon vorher gegen den Strich ging.

Work Bitch!

Mein Handy vibrierte und ein leiser, angenehmer Sound holte mich aus dem Land der Träume. Beautiful von Christina Aguilera – schöner hätte man echt nicht geweckt werden können. Der Klingelton eignete sich aber auch perfekt dazu, um wieder einzuschlafen. Noch während das Lied spielte, drehte ich mich wieder auf die Seite. Nur wenige Sekunden später erklang ein grässlicher Sound. Horrormäßig wurde ich von einem anderen Wecker aufgerüttelt. „Halt´s Maul!“, meckerte ich und setzte mich ruckartig auf, um das Werkzeug des Teufels auszuschalten. Ich blickte auf die Uhrzeit: 04:06 Uhr in der Früh! Das war eigentlich meine Zeit, um schlafen zu gehen, und nicht, um aufzustehen. Tief atmete ich durch und riss dann die Bettdecke zur Seite. Hätte ich es nicht getan, dann wäre ich noch liegen geblieben und mit Sicherheit wieder eingeschlafen. Mein Bus kam zwar erst um 05:30 Uhr und bis zur Haltestelle brauchte ich auch nur drei Minuten, aber ich hasste die Hektik. Bis ich mich angezogen und mir die Haare gestylt hatte, dauerte es sowieso noch. Gut gelaunt ging ich zum Lichtschalter, ließ mein Zimmer hell werden und grinste ununterbrochen vor mich hin. Da meine Alte noch schlief, musste ich leise sein. Dennoch brauchte ich Musik, um wach zu werden. Ich legte Britneys letzte CD Britney ein und zog mich langsam an. Wie sehr ich mich doch auf das neue Album der Spears freute, doch da musste ich noch zwei Wochen warten. Das Video zur ersten Single Me Against The Music war auf jeden Fall der Hammer!

Ich schlich in die Küche, um mir ein Brot zum Frühstück und zwei für die Arbeit zu machen. Danach kniete ich dann vor meine Heizung. Wieso? Nicht zum Beten – so viel steht fest. Nein, weil auf der Fensterbank ein kleiner Spiegel stand, und irgendwo musste ich ja reinschauen, wenn ich meine Haare machen wollte. Ein wenig Make-up, um meine Pickel abzudecken (auch wenn es weniger männlich wirkte), und eine Stunde später war ich fertig. Ja, für meine Haare hatte ich immer schon Ewigkeiten gebraucht. Scheiß Locken eben. Menschen, die welche haben wollen, bekommen keine, und diejenigen, die keine haben möchten, haben sie. Ich hatte welche und wollte absolut keine. Also hieß es alle paar Tage Haare glatt ziehen. Ich verstaute mein Essen in meinem schicken, dunklen Rucksack, machte die Mucke aus und schlich dann aus der Wohnung. Es war gar nicht so leicht, die Tür leise zu schließen, denn ich wohnte in einem Altbau und alles schien irgendwie immer zu quietschen. Gemütlich ging ich die vielen Stufen hinunter und öffnete die Haustür. Sofort kam mir kalte Luft entgegen. War aber auch kein Wunder, denn es war Anfang November und verfickt früh. Ich zündete mir eine Zigarette an und lief durch die Innenstadt hindurch zum Markt, wo sich die Bushaltestellen befanden. Viele Menschen schienen noch nicht auf den Beinen zu sein, zumindest nicht dort. Ich setzte mich unter das schützende Dach, um nicht all zu viel von dem kalten Wind abzubekommen, und wartete auf den Bus, den auch Diana nehmen wollte. Als er kam, stieg ich ein, bezahlte und schaute mich nach Diana um.

„Lindsey!“, hörte ich Diana nach mir rufen. 

„Höh?“, stutzte ich. Wo war sie? Ich brauchte einen Moment, bis ich sie unter all den gaffenden Gesichtern ausfindig gemacht hatte. Schnell hockte ich mich neben sie. „Moin!“

„Hätte ja nicht gedacht, dass du wirklich so früh aus den Federn kommst.“

„Ja, muss, ne?“, grinste ich. „Und, aufgeregt?“, fragte ich sie.

„Total!“, gestand sie mit einer leicht geisteskranken Miene.

„Ich freu mich total.“

„Bin ja schon auf die anderen gespannt.“

„Hoffentlich keine homophoben Arschlöcher.“

„Du wirst ja wohl nicht vorhaben, dich zu outen, oder?“

„Wo denkst du hin?“, fragte ich. „Aber du kennst ja die Leute.“

„Wem sagst du das? Mir graut es auch davor.“ Sie versank kurz in ihren Gedanken. „Schau mal, die Dicke da!“, äffte sie diejenigen nach, die sie ständig auf dem Kieker hatten. Ja, Diana hatte Komplexe wegen ihres Gewichts, dabei aß sie nie wirklich viel – zumindest nicht in meiner Gegenwart. Was sie tat, sobald sie allein war, wusste ich nicht, aber es konnte nicht viel gewesen sein, denn meistens hockten wir von morgens bis abends aufeinander.

Vier Haltestellen später erhoben wir uns. Klingt wenig, war in diesem Fall aber viel, da wir noch über eine lange Schnellstraße gefahren waren. Kaum ausgestiegen, zündeten wir uns vor Aufregung eine Fluppe an.

Ich blickte nach links zur Brücke. „Da rüber?“

Diana schaute nach rechts, dann nach links. „Die Straßen sind frei.“

„Okay“, sagte ich und überquerte mit ihr die eigentlich immer sehr lebhafte Fahrbahn. Wir liefen an einem großen Supermarkt vorbei. Nur noch eine weitere Kreuzung trennte uns von unserem ersten gemeinsamen Arbeitsplatz.

„Ich bin echt total neugierig.“ Sie wurde immer hibbeliger. „Ich will es jetzt wissen.“ Gegenüber dem Geschäft befand sich in direkter Nähe eine Autobahn. Das Geräusch der Autos ließ ein seltsames Gefühl in mir aufkommen. Jedoch konnte ich diese Empfindungen keineswegs deuten. Was bedeuteten sie?

Wir erreichten den Eingang und standen erst einmal vor verschlossener Tür. Zwei Männer standen in unmittelbarer Nähe und schienen nicht viel älter als wir zu sein. Nur zur Info: Ich war 18 und Diana 19.

Ein Auto kam auf den Parkplatz gefahren. Zwei Frauen mittleren Alters stiegen aus und liefen direkt auf uns zu.

„Guten Morgen“, wünschte uns eine der Damen, die offensichtlich polnischer Abstammung und einen ganzen Kopf kleiner war als ich. Dabei war ich mit meinen 170 Zentimetern schon recht winzig. „Seid ihr beiden auch neu hier?“, erkundigte sie sich und strich sich die Strähnen aus dem Gesicht. Ihr Haar war leicht gelockt und schulterlang – es gefiel mir.

„Ja“, antwortete Diana. „Ich bin die Diana.“

„Hallo, ich bin die Hanna“, grüßte sie und reichte ihr die Hand. Nun sah sie mich an. „Hanna.“

„Lindsey.“

„Was?“, fragte sie verblüfft.

„Lindsey“, wiederholte ich freundlich.

Ratlos schaute Hanna zu ihrer Freundin, die lange, schwarze Haare hatte und selbst mich mit ihrer Körpergröße überragte. „Ich habe es immer noch nicht verstanden.“

„Lindsey“, wiederholte Diana.

Verwirrt schielte Hanna zu ihr. „Wie?“

„Lindsey“, sagte Diana etwas lauter. „Lind-sey!“

„Linsen?“, rätselte Hanna.

Ihre Freundin rollte die Augen. „Lindsey, Mensch!“ Nun blickte sie mich an und hob freundlich die Mundwinkel an. „Ich bin die Karuna.“

„Hey“, lächelte ich. „Lindsey.“

„Mittlerweile weiß ich es“, sagte sie und zwinkerte mir zu.

„Ach“, kam es von Hanna. „Lindsey! Jetzt habe ich es auch verstanden.“

Nun mussten wir alle – bis auf Hanna – unwillkürlich lachen.

„Ja, ich höre bei dem Wind nicht so gut“, behauptete Hanna verlegen.

„Wann lassen die uns denn rein?“, erkundigte Karuna sich.

Ahnungslos hob ich die Schultern. „Ich habe keinen Plan.“

„Um kurz vor sechs“, warf eine männliche Stimme in das Gespräch ein. Wir sahen zu ihm. Ein junger, schlanker Mann von geschätzten Anfang 20 gesellte sich zu uns. Viele Narben schmückten sein Gesicht, und seine Haltung sowie seine Stimme verrieten mir, dass er zur Schulzeiten stets der lockere Typ gewesen war. Er wirkte auf mich wie jemand, der jeden Kack mitmachte und sich auch gern mal einen Joint reinzog. Ein chilliger Kerl eben. Nicht gerade die perfekte Wahl als Partner, aber bestimmt ein guter Freund, auf den man sich verlassen konnte – sofern er nichts gegen Schwule hatte.

„Sagt er zumindest“, behauptete er und schaute über die Schulter.

Ein weiterer Kerl, der etwas kräftiger gebaut war und kurzes, blondiertes Haar hatte, lief auf uns zu. Mein Instinkt sagte mir, dass ich mich mit dem lieber nicht anlegen sollte. Zwar war der Bursche nicht viel größer als ich, doch hatte er eine bedrohliche Art an sich. „Ja, die machen erst kurz vor sechs die Pforten auf, um uns hineinzulassen.“

Ich registrierte, dass Diana den Typ interessant fand. Meinem Geschmack entsprach er auf jeden Fall nicht. Neben solch einem Gesicht wollte ich zu Lebzeiten nicht aufwachen.

„Bin übrigens der Charles“, stellte sich uns der Typ mit den Narben im Gesicht vor und reichte jedem von uns die Hand.

„Sven“, grüßte nun auch der Bursche, der Dianas Augen zum Funkeln brachte.

„Diana“, entgegnete sie und reichte Sven die Hand.

Ein kleiner, roter Wagen kam angesaust. Am Steuer eine junge Frau und als Beifahrer ein junger Mann. Sie stiegen aus, und sie lachte unüberhörbar. Grinsend kam sie auf uns zu. „Einen wunderschönen guten Morgen!“ Sie reichte jedem von uns die Hand und sagte x-fach ihren Namen: „Cordelia.“ Sie schaute über die Schulter. „Und das ist Daniel“, meinte sie mit dem Blick auf den Typ, der mindestens zwei Köpfe größer war als ich. Er hatte dunkles Haar, breite Lippen und eine charmante Stimme.

„Moin“, lächelte er in die Runde. „Bin der Daniel.“ Schamhaft hob er die Hand.

Cordelia fasste sich an ihren kurzen Zopf und plapperte einfach drauf los. Offensichtlich war sie eine Frohnatur. Sie verstand sich auf Anhieb mit jedem und hatte stets einen freundlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Wenn sie lachte, dann konnte man ihr bis auf das Zäpfchen gucken. „Und wer bist du?“, fragte sie mich.

„Lindsey“, entgegnete ich.

„Ach, Lindsay Lohan haben wir also auch hier“, neckte sie mich umbarmherzig und kicherte drauflos. „Nur Spaß“, meinte sie kurz darauf.

Schmunzelnd schaute ich zu Diana, die ganz nah bei Sven stand. Kurz darauf hörte ich ein weiteres Auto ansausen.

„Da kommen sie!“, stieß Cordelia erfreut aus. „Die Chefs!“

Wir sahen alle gleichzeitig zu den beiden Männern, die schwatzend ausstiegen und auf uns zuliefen. Der eine war mir bekannt und hörte auf den Namen Herbert. Obwohl er mir die Stelle gegeben hatte, war er mir nicht sehr sympathisch. Die Blicke des anderen Typs, der riesig war, tanzten von einem zum nächsten. Mich guckte er seltsamerweise etwas länger an. Sofort dachte ich, dass der Typ schwul sein musste! Die Hände in die Hüften gestemmt, eine nasale Stimme, und abgesehen davon sah er mich dauernd mit diesem ausgeglichenen Grinsen im Gesicht an. Seine Zähne wollte er anscheinend jedem zeigen – ganz nach dem Motto: Schaut mal, was für schöne Zähne ich habe. So schön gerade und weiß. Er stellte sich mit dem Namen Martin vor, und als ich seine Hand berührte, hatte ich das Gefühl, als würde ich die Zunge eines Hundes anfassen. Jedenfalls fühlte es sich so an, wenn ein Hund meine Hand leckte. So total weich halt.

Herbert zückte einen fetten Schlüsselbund und stolzierte regelrecht zum Eingang. Er steckte den Schlüssel in diesen Sicherheitsautomaten und kurz darauf öffnete sich die automatische Schiebetür. „Kommt rein!“, befahl er regelrecht und ging voran.

Diana grinste mich an und musste natürlich vor mir her laufen. Mich wunderte es ja, dass sie so schnell Anschluss zu Sven gefunden hatte. Dass sie sein Typ war, bezweifelte ich jedoch. Ich betrat das Geschäft und war baff. Die großen Lichter waren noch aus und alles schien noch größer und mysteriöser als vorher. Wir liefen an den Kassen vorbei, gingen durch eine kleine Schwingtür, die mir gerade mal bis zum Bauchnabel reichte, und dann links an der Ausgabe entlang. Ich folgte den anderen durch den kühlen Gang, in dem überall Kisten und Kartons standen. Vorbei an der Treppe, die hinauf zum Chefbüro führte, und an den Toiletten, die sich ebenfalls auf der rechten Seite befanden. Einige Schritte weiter folgte dann der Pausenraum, neben dem ein Stempelgerät hing. Wir betraten ihn und nahmen alle an einem großen Tisch Platz. Ich musste mir natürlich den ersten Stuhl aussuchen – direkt hinter dem Eingang. Rechts waren Fenster, links an der Wand hing eine große Tafel und hinter mir befand sich noch ein kleiner Raum, der für die Angestellten war.

Die beiden Chefs stellten sich aufrecht vor die Tafel und sahen uns abwechselnd an. „Da wären wir also“, lächelte Herbert in die Runde. „Martin?“ Er blickte zu seinem Kollegen.

„Dann wollen wir euch mal mit allem bekannt machen.“

Gespannt hörten wir ihnen zu.

„Als Erstes“, sagte Martin zu uns, „werden wir jetzt an jeden eine Karte mit seinem Namen verteilen. Diese Karte benutzt ihr für die Stempeluhr, die sich vor dem Pausenraum befindet. Zu Beginn eurer Arbeit haltet ihr die Karte unter den Scanner, und zwar so lange, bis es piept. Vor jeder Pause haltet ihr ebenfalls die Karte darunter, und wenn die Pause vorbei ist, erneut, damit eure Arbeitszeit auch auf die Minute genau ausgerechnet werden kann. Nach der Arbeit bitte auch abstempeln, sonst können wir den Lohn nicht korrekt auszahlen.“

Herbert verteilte die Karten. Sie waren klein und passten in jede Hosentasche. Nachdem jeder seine Karte hatte, fuhr Martin fort: „Und gleich geht es ins Lager. Der LKW wartet schon darauf, entleert zu werden.“

„Aber jetzt teilen wir euch erst einmal auf.“ Herbert guckte zu Karuna und Hanna. „Wollt ihr beiden zu den Barbies?“, fragte er sie allerliebst.

„Barbies sind toll“, kam es von Hanna. „Meine Tochter hat auch ganz viele davon.“

„Von mir aus“, murmelte Karuna. Begeisterung sah definitiv anders aus.

„Ich gehe wie immer zu den Fahrrädern und den Computerspielen“, sagte Sven.

„Gut.“ Herbert äugte zu Diana. „Dann gehst du zu den Playmobilsachen.“

„Ja, cool“, freute Diana sich.

Martin musterte mich von oben bis unten. „Dann gehst du mit Cordelia und Daniel zu den Brettspielen und den Figuren.“

Kurz schielte ich zu Cordelia, die mich gemeingefährlich angrinste. Mann, Cordelia hatte aber auch große Zähne!

„Und du“, sagte Martin zu Charles, „gehst mit Sven zu den Rädern und dem Babyzeugs.“

„Dann bin ich ganz allein?“, fragte Diana schmollend.

„Nein“, widersprach Herbert. „Du bekommst später noch Verstärkung von Tim. Aber der kommt heute erst um neun.“

„Kein Thema.“ An Dianas Gesichtsausdruck erkannte ich, dass sie sich auf die Männerbekanntschaft sehr freute.

„Cordelia und Sven sind schon seit langer Zeit immer wieder bei uns und werden euch bei Fragen sicherlich zur Seite stehen“, sagte Herbert. Er guckte zu seinem Kollegen oder zu seinem Lover. So ganz genau wusste ich es nicht, aber es ging mich auch nichts an.

„Dann mal auf!“ Martin ging voran. Wir folgten den beiden Männern ins Lager, das nur wenige Meter vom Pausenraum entfernt war. Scheiße, war das kalt!

„Ganz schön kühl hier.“ Hanna bibberte und rubbelte sich über die Arme.

„Dir wird gleich schon warm werden“, versicherte Herbert mit frechem Blick.

Zuerst schaute ich auf das große, silberne Tor, vor dem eine ausziehbare Rollbahn stand, dann nach links. Es war gigantisch und die Ware stapelte sich meterweise.

„Also“, erklärte Martin, während er die Rollbahn auseinanderzog und diese immer länger und länger wurde. „Wenn das Tor hochgeht, werdet ihr einen voll gepackten Lastwagen sehen. Dieser muss innerhalb von einer Stunde leer geräumt werden.“

„In einer Stunde?!“, kam es geschockt von Diana. „Wahnsinn!“

„Tja, man wird bei uns nicht für die Faulheit bezahlt“, erwiderte Herbert.

„Das ist mir schon klar“, gab Diana mit trügerischerer Freundlichkeit zurück. An ihrer Mimik erkannte ich jedoch, dass sie ihm am liebsten eine dumme Antwort vor den Kopf geknallt hätte. Ich kannte Diana ja und wusste, wie sie tickte.

„Auf den Kartons stehen immer Zahlen. Die Zahl 3 bedeutet, dass er zu den Barbies gehört.“ Martin zeigte über Hanna hinweg auf das Gerüst, an dem ein Zettel befestigt war. Dort stand eine Zahl, die man einfach nicht übersehen konnte. „Dann stellt ihr den Karton bitte auf die Paletten, zu denen die Ware gehört, und das am besten so, dass möglichst viel Ware auf eine Palette passt. Nummer 1 gehört zu den Spielen, Nummer 4 zu den Fahrrädern …“ Während Martin redete, sah ich mich die ganze Zeit begeistert um. Es war zwar kalt, doch total spannend.

„Nachdem der Lastwagen entleert wurde“, fügte Herbert hinzu, „werdet ihr die Ware mit dem Hubwagen zu eurem jeweiligen Bereich transportieren. Die Hubwagen sind leicht zu bedienen. Nachdem ihr das getan habt, werdet ihr die Paletten abstellen, die Kartons hinunter tragen und die Paletten zurück ins Lager fahren. Danach öffnet ihr die Kartons mit einem Cutter, den wir gleich noch austeilen werden, und dann verstaut ihr die Ware in den Regalen. Und das bitte alles flott. Die Kartons faltet ihr zusammen und bringt diese hinterher zum Container, der am anderem Ende des Lagers steht.“

„Cordelia wird euch nachher zeigen, wo sich der Container befindet“, meinte Martin.

„Ach, werde ich das?“, fragte Cordelia verwundert.

„Aber natürlich“, sagte Martin auffordernd. „Du bist von nun an für alle der Ansprechpartner.“

„Ach, und ihr zieht euch zurück und relaxed, ja?“

Zuerst dachte ich, dass er sie jetzt würgen würde, doch dem war nicht so. Stattdessen warfen sie sich verführerische Blicke zu. Anscheinend waren sie sehr vertraut miteinander.

„Alles so weit verstanden?“, wollte Herbert von uns wissen.

„Ja, Sir!“ Charles war ganz aus dem Häuschen und schien sich sehr auf die Arbeit zu freuen.