Farbensturm - Conan Reed - E-Book

Farbensturm E-Book

Conan Reed

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Beschreibung

In Drachenreif begann alles: Der Schuljunge Alex landete auf Bathan, erhielt seinen Ahkis, erlernte Magie und schloss Freundschaft mit Drachen. Seine Reise führte ihn in Zaubertal tief in die Vergangenheit, wo er zusammen mit seinen Gefährten das Rätsel der Zeittreppe löste und das verborgene Geheimnis des Tals enthüllte. Nun entbrennt der dritte Farbenkrieg, und dunkle Wolken ziehen über Bathan auf. Nur Alex kann als Ataru das Schicksal der Welt wenden. Doch der Junge aus Ohio ist längst zu mehr geworden: ein Magier. Ein General. Ein Drache. Der Autor dazu: „Mit der Ahkis-Trilogie verpflichte ich mich zu ‚Clean Fantasy‘: spannende, gewaltfreie All-Age-Geschichten für alle. Die Herausforderung war groß: Im ersten Band, ‚Drachenreif‘, gab es sechs, im zweiten, ‚Zaubertal‘, neun Auseinandersetzungen – stets nach dem Motto ‚Keep it clean‘: reine, saubere Fantasie. Dieses dritte Buch, in dem der Farbenkrieg tobt, hat mir das meiste Kopfzerbrechen bereitet: Lässt sich ein Feldzug gewaltlos und dennoch spannend erzählen? Urteile selbst. Gerade heute gilt es, Aggression und Krieg zu vermeiden. Nur wenn wir mutig, gerecht und weise handeln, kann der Traum einer schöneren Welt Wirklichkeit werden.“ Erlebe das Finale, das Spannung und Moral auf einzigartige Weise verbindet und die Ahkis-Trilogie zu einem unvergesslichen Abschluss bringt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Conan Reed

Farbensturm

Die Ahkis-Trilogie, Buch 3

Farbensturm – das gewaltige Finale der Ahkis-Trilogie: Alex, inzwischen Drachenmagier und General, muss als Ataru Bathans Schicksal im dritten Farbenkrieg wenden – Clean Fantasy voller zauberhafter Spannung für alle Altersgruppen.

FARBENSTURM

Die Ahkis-Trilogie, Band 2

von Conan Reed, Lord of Glencoe

Dem goldenen Dreieck, weil Robert, Anna und Otto meinen Esstisch zum Portal nach Bathan gemacht haben.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 Umschlag, Illustration: © 2025 Conan Reed, Lord of Glencoe

Lektorat: Juliane Husemann

Verlag: Conan Reed, Lord of Glencoe Talerweg 29 81825 München

[email protected]

www.conanreed.com

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

© 2025 Conan Reed, Lord of Glencoe

Alle Rechte vorbehalten.

Ich werde oft gefragt, wie ich mir alles ausgedacht habe. Wie komme ich denn auf solche Ideen? In vielerlei Hinsicht ist auch dieses dritte Buch ein Traumbuch. In den letzten 16 Jahren bin ich jeden Abend mit Bathan im Kopf ins Bett gegangen und mir dabei die Handlung der Romane ausgedacht. In der Stille der Nacht, wenn sich das strenge logische Denken leise verabschiedet, lasse ich meiner Kreativität freien Lauf. Kennst du den Zustand, in dem sich die Gedanken verflüssigen und in die Traumwelt münden? Ich habe gelernt, diesen Übergang hinauszuzögern, um dem Traumfilm meiner Fantasie schlummernd zu folgen. Meine Bücher erträumen sich praktisch von selbst! Nicht selten fanden auf diese Weise wunderbare Szenen ihren Weg ins Buch. So wie Bathan sie selbst geschrieben hat.

Mit der Ahkis-Trilogie habe ich mich der Clean Fantasy verschrieben: spannende und gewaltfreie Geschichten für jede Altersgruppe. Die Herausforderung war enorm. Im ersten Band, „Drachenreif“, waren es sechs, im zweiten, „Zaubertal“, neun Auseinandersetzungen oder „Kämpfe“, getreu dem Motto: „Keep it clean“; nur saubere, reine Fantasie.

Ich muss gestehen, dass mir gerade dieses dritte Buch, das Ihnen vorliegt und in dem der Farbenkrieg tobt, am meisten Kopfzerbrechen bereitet hat. Kann man einen solchen Feldzug gewaltlos und trotzdem spannend erzählen? Urteilen Sie selbst. Gerade in unserer Zeit gilt es, Ungerechtigkeit, Aggression und Krieg zu vermeiden. Nur wenn wir alle mutig, gerecht und weise handeln, können wir den Traum von einer schöneren Welt Wirklichkeit werden lassen.

Keep it clean & keep on dreaming!

Conan Reed, Lord of Glencoe

www.ConanReed.cominstagram.com/ReedConan [email protected]

Die ersten zwei Bücher der Ahkis- Trilogie:

Inhalt

Kapitel 1. Drachenkampf Kapitel 2. Schauspiel

Kapitel 3. Bildhaft

Kapitel 4. Bruderschaft

Kapitel 5. Brüdergäste

Kapitel 6. Traumhaft

Kapitel 7. Herbstwald

Kapitel 8. Winterwald

Kapitel 9. Feuerwald

Kapitel 10. Drachenkrönung

Kapitel 11. Königsgold

Kapitel 12. Zeitraum

Kapitel 13. Unterfangen

Kapitel 14. Farbensturm

Kapitel 15. Drachenkönig

Kapitel 16. Auszeit Kapitel 17. Ausflug

Das Lied der bunten Königreiche

Einst Primun und Nore als Farben Den Kindern verteilten ihr Land Erst Lila dem Salus sie gaben Dem Pavor sein grünes Gewand Dem Pavor sein grünes Gewand.

Zu früh verließ Loona leider die Welt. In Gelb gab’s Radau Braun färbte sich Gean die Kleider Orss liebt seine Meere so blau Orss liebt seine Meere so blau.

In roter Festung König Arp wacht Orange wollte Arthos sich kleiden Der Semu ist schwarz wie die Nacht Und weiß ist nur Durman der Weiden Und weiß ist nur Durman der Weiden.

Kapitel 1. Drachenkampf

„Du darfst es ihnen nicht erzählen“, bat Lilia mit ernster Stimme. „Nicht bis zum Ende. Dafür sind sie zu klein. Erfinde bitte etwas anderes.

Ihr Vater sah sie liebevoll an und strich ihr sanft eine lange blonde Strähne aus dem Gesicht. „Du warst höchstens so alt wie Maxi, als du die Geschichte zu Ende gehört hast. So, wie sie sich zugetragen hat. Warum sollte ich sie anlügen, liebe Lilia?“ Er seufzte und fügte hinzu: „Sie verdienen es, die Wahrheit zu erfahren.

„Ich verbiete es dir!“ sagte sie trotzig. „Du darfst es nicht, hörst du, Papa? Erzähl ihnen bitte etwas anderes.“

„Lilia“, tadelte der Mann seine Tochter und öffnete einladend seine Arme. Sie zögerte, nahm aber schließlich die Einladung an, umarmte ihn und legte ihr Kinn traurig auf seine linke Schulter. „Sie werden sehr traurig sein, so wie ich es damals war, als du es mir erzählt hast. Dabei waren sie heute so glücklich, als sie die neue junge Eiche im Garten entdeckt haben! Sie sind beide noch genauso zart wie das Pflänzchen. Sie tun mir jetzt schon leid.“

„Bitte unterschätze deine Kinder nicht. Meine Enkel werden verstehen, dass alles so kommen musste. Sie sind Kämpfer, wie ich es war. Deine Mutter wäre so stolz auf sie!“

Mit einem Schwung öffnete sich die Tür zum Kinderzimmer und Darian sprang in seinem Schlafanzug heraus. „Kommst du, Opa? Erzählst du uns heute das Ende des Märchens?“

Opa Alex sah seine Tochter schweigend an. Sie stöhnte ein „na guuut!“ Darian jubelte, lief zum Opa und zog ihn kräftig an der Hand ins Kinderzimmer. „Warte, warte, ich brauche noch meine Lesebrille“, tadelte Opa Alex lachend.

„Wofür? Diese Geschichte erzählst du aus deiner Erinnerung, du brauchst uns ja nichts vorzulesen!“

Die Tür schlug hinter ihnen zu. Lilia trat an die Tür und lauschte. Drinnen hörte man fröhliches Kinderlachen, dumpfe Kissenschläge und Trippelschritte. Sie griff nach der Türklinke, atmete tief durch, lächelte, öffnete die Tür und sagte: „Viel Spaß beim Märchen. Seid mutig! Mama liebt euch, gute Nacht!“ Sie schloss die Tür und ging.

Sobald die Tür ins Schloss fiel, sagte Opa Alex mit verschwörerischer Stimme: „Sie ist weg! Rüstet euch für den Kampf!“

Beide Jungs sprangen auf und holten aus einer Truhe Holzschwerter, Spielzeugbögen, ein Pappschild und zwei Papierhelme. Sie bewaffneten sich und Maxi bestand darauf, noch eine Piratenklappe aufzusetzen. Opa Alex beobachtete ihre Aufrüstung zunächst amüsiert, doch seine Heiterkeit verflog allmählich. Sein Blick glitt nachdenklich an den beiden Kindern vorbei, auf der Suche nach etwas, das nur er sehen konnte. Er sprach mit veränderter Stimme zu den Geistern seiner Vergangenheit, als wären sie nicht bloß Gedanken, sondern tatsächlich im Kinderzimmer anwesend.

„Die Zeit ist gekommen. Rüstet euch, meine Ritter, denn Bathans dunkelste Stunde hat geschlagen. Die finsteren Mächte waren niemals gefährlicher als heute. Unser weißer König braucht uns, und alle Farben folgen seinem Drachenruf.

Ich habe diesen Ruf schon oft gehört und kann euch versichern, dass das Brüllen eines Drachen ohne Zweifel das schrecklichste Geräusch ist, das ihr euch vorstellen könnt. Und es kommt selten allein. Es ist in der Tat so, dass Drachen es lieben, lange grollende Laute von sich zu geben. Zum einen, um sich die heiße Kehle zu kühlen, zum anderen, um alle Lebewesen in der Umgebung unmissverständlich zu warnen, dass dies ihr Revier ist.

Genauso tat ich es auch bei meinem ersten Flug als Drache, nachdem ich Albuhn hinter mir gelassen hatte. Die Zauberkrone, die mich in einen Drachen verwandelt hatte, erfüllte ihre Aufgabe nur zu gut. Ich vergaß, wer meine Freunde Dush, Barian und Prinz Patar waren. Ich vergaß, dass ich mit dieser Drachenkrone eigentlich den Drachenfluch brechen wollte, um den weißen König zu befreien. Schlimmer noch, ich vergaß meine Eltern, mein Zuhause … ich vergaß mich selbst. Ich war so sehr zum Drachen geworden, dass alles, was mich ausmachte, verschwunden war.

Was blieb, war nur der Flug durch den kühlen blauen Himmel und mein glorreicher Drachenschrei. Ich war ein König der Lüfte, gefürchtet und unbesiegbar. Ich war ein Drache! Und das war mir mehr als genug. Niemand sollte meine Krone kriegen.

Niemand.

Ich flog unter den wenigen Schönwetterwolken, um den freien Blick auf die sonnigen Bergrücken mit ihren schneebedeckten Gipfeln ungetrübt genießen zu können. Unter mir endete eine massive Gebirgskette in steilen Klippen, an denen die Wellen eines türkisfarbenen Meeres in schäumendem Gischt zerbrachen. Weiter weg ragten vereinzelte Inseln in einer gedachten Linie aus dem Wasser wie eine Fortsetzung der Bergkette. Die größte davon, eine flache, grüne Insel weckte meine Neugier. Mein Ziel lag dort, auf dem golden schimmernden Sandstreifen des Ufers, am Rande des unendlichen Blaus.

Ja, mein Flug durch die Lüfte hatte ein Ziel. Mein Dracheninstinkt führte mich zielstrebig, da die kühle, salzige Luft mehr als nur Möwengeschrei zu mir brachte. Ein feiner, betörender Duft lockte mich unaufhaltsam weiter, wie das Versprechen, dass irgendwo dort draußen großartige Reichtümer auf mich warteten: vor allem Gold, viel glänzendes Gold. Ich schrie, um dem Gold zu versichern, dass sich sein neuer Herr näherte, als mich aus der Ferne, ein unerwartet ähnlicher Schrei überraschte.

Was? Wer wagt es, mich herauszufordern? Mich … wer war ich noch mal? Mich … den König der Lüfte! Ich suchte und konnte zunächst keinen Feind entdecken. Doch dann brach aus dem Bauch einer Wolke ein riesiger schwarzer Drache hervor und nahm Kurs auf das Ufer ebenfalls ins Auge gefasst hatte. Ich flog auf ihn zu, um seine Flugbahn abzuschneiden, und gab einen Warnruf von mir, um ihn auf mich aufmerksam zu machen.

Und wie ich ihn auf mich aufmerksam machte! Der schwarze Drache brüllte zurück und stürzte zum Angriff. Wollte er also kämpfen? Konnte er haben! Bevor ich mir einen Plan ausdenken konnte, traf mich seine Feuersalve mit voller Wucht. Das kannst du mir nicht antun! wollte ich brüllen, aber anstatt etwas zu sagen, kochte die Wut in mir hoch. Der Wunsch nach Rache für diesen unerwarteten Angriff brannte wie ein Feuer in mir hoch. Ein Feuer, zu groß und zu heiß, um es in mir drinnen zu behalten, also schoss ich es zurück in die Richtung zurück, in der ich durch die Feuerschwaden meinen Feind vermutete.

Die Feuerwolke hüllte mich völlig ein. Meine robuste Haut widerstand der Hitze, doch ich konnte meinen Feind durch den Feuerschleier nicht mehr orten. Flammen um mich, Feuer in mir! Ich schoss blind eine Feuerfontäne nach der anderen. Dem anderen Drachen erging es wohl nicht besser, denn er rempelte mich schlagartig von der Seite an. Es fühlte sich nicht wie ein Angriff an, sondern fast wie ein Unfall. Oder wie ein Versuch auf gut Glück. Ich flog höher, um eine bessere Position zu erlangen. Der Gegner tat dasselbe, also flatterten wir hoch und umflogen einander im Kreis. Es war wie ein Tanz über den Wolken, bei dem keiner dem anderen den blauen Himmel überlassen wollte. Mein Gegner sah prächtig aus: gefletschte Zähne, hasserfüllte Schlangenaugen, glühende Nüstern – ein Bilderbuchdrache! Der Neid packte mich. Nur ein einziger Makel, eine weiße Flügelspitze, störte das Gesamtbild seiner pechschwarzen, schuppigen Haut. Irgendwie kam mir das bekannt vor, wo hatte ich das schon mal gesehen?

„Meins!“ grollte er und stürzte sich auf mich. Was war denn seins? Der Schatz? Er täuschte ein Angriffsmanöver vor, umkreiste mich und schon saß er mir im Nacken! Ich versuchte ihm zu entkommen, doch ein durchdringender Schmerz, der vom Ansatz meines linken Flügels ausging, raubte mir beinahe die Sinne. Er hatte sich mit seinen spitzen Zähnen darin festgebissen und ließ nicht mehr los! Ich schrie und versuchte mich loszureißen. Wir taumelten in einem erbitterten Kampf umeinander, stürzten eine halbe Ewigkeit durch die immer wärmer werdende Luft. Verzweifelt versuchte ich, den Sturzflug mit dem heilen Flügel einigermaßen zu kontrollieren, aber die Pranke des Gegners verfehlte meinen Kopf nur um Haaresbreite.

Das war der letzte Tropfen; nichts war mir wichtiger, als ihn loszuwerden! Während unseres Sturzflugs nach unten kämpfte ich verzweifelt darum, mich von ihm zu befreien, als er erneut mit seiner mächtigen Pranke ausholte und nach meinem Kopf griff. In einer reflexartigen Bewegung entging ich seinen scharfen Krallen, nicht aber seinem unerbittlichen Biss. Was wollte er, wieso zielte er immer wieder auf meinen Kopf? Das Meerwasser und der nicht mehr ferne Sandstrand wirbelten in einer immer rasanteren Spirale auf mich zu. Mit letzter Kraft und einem gewaltigen Brüllen riss ich mich aus seinem unbarmherzigen Biss. Ich konnte meinen linken Flügel vor Schmerzen kaum noch bewegen! Die Zeit war zu knapp, um in der Luft noch rechtzeitig abzubremsen, also wandte ich mich dem Wasser zu und versuchte, meinen Sturz in einen Gleitflug über dem Meeresspiegel umzuwandeln.

Doch der schwarze Drache griff mich erneut an, als ich am tiefsten Punkt über dem Wasser angekommen war. Seine Pranke schlug mir etwas vom Kopf ab und ließ mich irgendwie unvollkommen zurück. Ich spürte, wie sich mein Körper sofort veränderte und ich nicht mehr fliegen konnte! Wie ein schneller Stein prallte ich auf dem Wasser mehrmals auf und wurde von der harten Wasseroberfläche schmerzhaft abgebremst. Dann schlug ich unsanft gegen eine Welle, die mich sofort mit salziger Gischt in ihre kühle Umarmung aufnahm und mich rücklings unter schäumendes Wasser tauchte. Das eisige Meer umhüllte mich mit seiner willkommenen, blubbernden Dunkelheit. Ich glitt dankbar in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

Kapitel 2. Schauspiel

Als ich aufwachte, sah ich ein rundes Gesicht direkt vor mir. Ein Mann mit kurzen, roten Haaren schaute mich mit großen Augen neugierig an und hielt sein Gesicht direkt vor meins. Ich schätzte ihn auf etwa 40 Jahre. Der Mann zwinkerte mir fröhlich zu und entfernte sich. Als er sich aufrichtete, konnte ich ihn besser sehen. Er trug eine weite braune Hose, zerschlissene Schuhe, ein weites Hemd, das wahrscheinlich mal weiß gewesen war, ziemlich schmutzig und an einem Ärmel etwas zerrissen. In der linken Faust hielt er ein stumpfes Frühstücksmesser. Er sah sich um und lauschte in alle Richtungen, während er mit dem Messer mit abgerundeter Spitze bedrohlich herumfuchtelte. „Hast du das gesehen? Die Drachen sind weg, weil ich sie verscheucht habe. Sie fürchten sich vor mir“, sagte er und half mir auf.

Ich sah mich um. Wir waren am Strand, Schleifspuren führten im nassen Sand vom Ufer bis zu uns. Hatte er mich aus dem Wasser gezogen? Als ich ihn das fragen wollte, brachte ich nur ein Blubbern heraus. Der Mann wartete verständnisvoll, bis ich etwas Salzwasser ausgehustet hatte, dann fragte er:

„Bist du von der Reiseleitung, oder nur ein Schauspieler?“

Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann schloss ich ihn wieder. Von allen möglichen Fragen war diese die verrückteste, die er mir hätte stellen können.

„Was? Nein. Weder noch.“

„Hast du den Kampf der beiden Drachen gesehen? Sag nicht, dass du ihn verpasst hast! Das war sicher der Höhepunkt des heutigen Unterhaltungsprogramms.

Der Drachenkampf. Langsam kam alles zurück. Die Krone! Wo war sie? Sie muss im letzten Moment von meinem Kopf ins Wasser gefallen sein, als Albor mich mit seiner Pranke angegriffen hat. Albor! Verflixt, meine Aufgabe! Ich hätte ihm die Krone aufsetzen sollen! Und dabei wollte er diese für sich haben. Aber die Krone hatte mich so verwirrt, dass ich nicht einmal mehr Albor erkennen konnte. Ich musste sie unbedingt wiederfinden!

„Wer sind sie?“ fragte ich den rothaarigen Mann, der höflich darauf gewartet hatte, dass ich meine Gedanken wieder in Ordnung brachte.

„Ich bin Odran, ein Reisender. ‚Das wird die Reise deines Lebens‘, das hat mir der Händler versprochen. ‚Entspannung und abenteuerliche Unterhaltung‘. Und bisher hat er wirklich nicht zu viel versprochen! Sklavenhändler, Abenteuer mit Piraten, Drachenkämpfe! Ich kann es kaum erwarten, meiner lieben Ohell von dieser wunderbaren Reise zu berichten.“

„Reise? Unterhaltung? Das vorhin war ein echter Kampf, das steht schon mal fest. Ich heiße übrigens Ataru“, sagte ich und wollte aufstehen, aber ein stechender Schmerz in meinem linken Flügel hielt mich davon ab. Mein linker Flügel? Ich warf einen kurzen Blick nach hinten: Dort, wo es höllisch wehtat, neben meiner linken Schulter, war nur Luft zu sehen.

„Und ob das ein Kampf war“, sagte der Mann, der sich als Odran vorgestellt hatte. Er sah aus irgendeinem Grund sehr zufrieden aus. „Ich frage mich, wie die Reiseleitung das nur organisiert hat. Du hast den zweiten Drachen gespielt, Ataru. Das weiß ich, weil ich nur dich in den Wellen finden konnte. Aber wo ist das Drachenkostüm?“

Der Mann schaute mich mit seinen großen, gutgläubigen Augen an. Ich beschloss, mitzuspielen. Wenn er mir half, die Krone zu finden, war es mir recht. „Das suche ich auch. Kannst du mir ungefähr zeigen, wo ich ins Wasser gefallen bin?“

Bevor er antworten konnte, ertönte unweit hinter uns ein mächtiger Drachenschrei. Odran sprang auf, zeigte mit dem Brotzeitmesser auf eine Grünfläche, die jenseits der Dünen zu sehen war, und rief:

„Die Darbietung geht weiter! Komm, sonst verpassen wir noch das Beste!“

„Warte, sag mir erst...“ versuchte ich, aber er war schon weg.

Ich stand auf und folgte ihm, so schnell ich konnte. Obwohl mein „linker Flügel“ bei jedem Schritt höllisch weh tat, versuchte ich den Schmerz zu ignorieren. Durch ein Dickicht langer, trockener Strandgräser gelangten wir auf eine gepflegte Rasenfläche, auf der unzählige offene Schatztruhen aufgereiht waren. Ein gelangweilt aussehender Herr lag auf einem blauen Sofa im Schatten eines halb offenen weißen Zeltes.

Er sah sehr edel aus. Der etwas ältere Mann, nach seiner mit Lapislazuli besetzten Krone zu urteilen wohl ein König, trug prächtige blaue Gewänder, die ihn optisch fast mit dem Sofa verschmelzen ließen. War das der blaue König? Dann hatten mich der Wind und meine Drachengier wohl auf eine der Inseln aus dem Osten Bathans verschlagen. Vor der Nase des Edelmannes hing ein Kristallwindspiel, durch das er ab und zu gelangweilt mit einem Stöckchen fuhr, um den Kristallblättern zauberhafte Töne zu entlocken. Junge Mädchen umschwärmten den König, richteten ihm sorgfältig die Kissen und fütterten ihn mit kleinen roten Beeren. Er nahm ihre Aufmerksamkeit mit gleichgültiger Miene hin, als wäre sie nichts weiter als eine lästige Pflicht, die er zu ertragen hatte.

„Sind das zu wenig Schätze?“ fragte er einen älteren Herrn, der höflich Abstand hielt. „Brauchen wir mehr Gold? Er muss näher heranfliegen. Wie soll ich sonst mein Drachenepos beenden? Du hast mir einen Drachen versprochen, Swun!“

„Gewiss, gewiss, er wird kommen, Eure Majestät. Es wurden bereits zwei fliegende Ungeheuer gesichtet, ein schwarzer und ein goldener Drache.“

Wie auf Kommando hörte man erneut einen Drachenschrei, diesmal etwas näher und deutlicher. Ich sah Albors mächtige Gestalt hoch über unseren Köpfen kreisen.

„Ich fühle mich inspiriert! Wie weit war ich, Swun?“ rief der liegende Mann.

Sofort holte sein Berater eine Papierrolle hervor und las ehrfürchtig vor: „Oh, Monster der Lüfte, du fliegst und du bringst / in Missetaten strauchelnd …“

Der König nagte angestrengt an einer Nuss, spuckte sie aus und rief glorreich „ja, das ist dein Verdienst!“

Der Berater schrieb den Vers gewissenhaft auf, räusperte sich und warf dann vorsichtig ein:

„Das ist in der Tat eine würdige Fortsetzung der Ode, Eure Blaue Majestät. Darf ich sie im mittleren Teil noch zurecht schleifen, bis sie den richtigen Glanz erhält, den ein von Eurer Majestät geschriebenes Kunstwerk verdient?“

Der König fuhr genervt mit dem Stöckchen durch das hoch ragende Windspiel, viel zu schnell, um eine vernünftige Melodie erklingen zu lassen. „Du darfst. Ich bin müde. Genug gedichtet für heute. Du hast mich mit deinem sinnlosen Geplapper erschöpft, Swun.“

„Schön, dass ihr jetzt andere Dinge in Angriff nehmt“, sagte eine männliche Stimme hinter dem Zelt. Ein grauhaariger Mann trat hervor, stützte sich auf einen langen Stab und fügte hinzu: „Weil der Drache gleich angreifen wird.“

Der Neuankömmling strahlte Selbstsicherheit aus; etwas an seiner Haltung erinnerte mich ein wenig an Dush. War dieser Mann etwa ein Tah?

„Das mit dem Drachen ist bestimmt unser Zeichen“, sagte Odran und zerrte mich mit erhobenem Frühstücksmesser zwischen die Goldtruhen. „Wartet, König, dieser Junge und ich werden euch retten!“

„Schon wieder dieser Irre“, sagte der König genervt. Zu Swun sagte er: „Ich hatte dir doch befohlen, ihn zu verjagen.“

„Majestät, wir sind auf einer Insel. Wohin wir ihn auch bringen, irgendwann kommt er wieder zurück ….“

Plötzlich wurde es dunkel um uns herum, als würde ein Gewitter aufziehen. Ich blickte auf und sah die Ursache des kühlen Schattens: Der prächtige schwarze Drache näherte sich!

„Lasst die Schützen ihm ein Ende bereiten“, befahl der König. „Der letzte Angriff des Drachen wird meine Fantasie beflügeln! Vielleicht sollte ich ein Bild davon malen. Merke dir alles, Swun, jedes Detail, damit wir es später in Ruhe malen können.“

„Nein!“ rief ich erschrocken und schnellte vor. „Majestät, Ihr dürft den Drachen nicht erlegen, das ist Euer verzauberter Bruder, der weiße König Durman!“

Der König schien mich erst jetzt wahrzunehmen. „Der Irre hat einen Freund mitgebracht. Vielleicht ist es sein Sohn. Werft beide in den Kerker. Ich werde später über sie richten. „Und kann mir endlich jemand diesen verdammten Drachen vom Himmel schießen!“

Der ältere grauhaarige Mann richtete seinen Stab in einer zeremoniellen Geste direkt auf das Biest. Ich sah den Drachen mit glühendem Maul auf uns zukommen und handelte instinktiv. Ich brüllte ihm in seiner, nein, in unserer Drachensprache eine verzweifelte Warnung zu, so etwas wie: „Gefahr! Fliehe!“

Der Donner meiner Stimme ließ die Büsche erzittern. Dem König fiel eine Beere aus dem Mund; er sah mich entsetzt an. Albor unterbrach überrascht seinen Sturzflug und machte sofort kehrt. Gerade noch rechtzeitig, denn aus dem Gebüsch um uns herum schoss eine Pfeilwolke zischend und surrend durch die Luft und verfehlte den Drachen nur um Haaresbreite. Der grauhaarige Tah warf mir einen wütenden Blick zu und befahl etwas Unverständliches. Mit einem Gefühl tiefer Erleichterung beobachtete ich, wie Albor sich schnell entfernte, als mich blau uniformierte Soldaten packten und meine Hände fesselten. Ich wollte mich der Festnahme widersetzen, doch da kam Odran gut gelaunt auf mich zu, die Hände ebenso fest gefesselt.

„Es passiert wieder! Wie bei dem Sklavenhändler und dann mit den Piraten. Alles nur Theater! Nimm dir die Zeit und genieße unsere Abenteuerreise! Der sogenannte König wird uns besuchen, hast du das gehört? Dann wird sich sicher alles klären und er wird uns befreien und uns einen Auftrag geben. Haha! Ich wette, so geht es weiter. Ein Kerker! All das ist Teil der Reiseunterhaltung, das war bisher immer so. Mach dir keine Sorgen, Ataru! Ich werde dich beschützen, wenn du mir sagst, wie du den Drachenschrei losgelassen hast. Ich muss es meiner lieben Ohell daheim vorführen. Die wird staunen, sag ich dir! Waaa-aaa“

Er versuchte, meinen Drachenschrei nachzuahmen, scheiterte jedoch kläglich dabei. Der Kerl schien ein fröhlicher, gutgläubiger Geselle zu sein, und ich wollte ihm den Spaß an seinem vermeintlichen Abenteuer nicht verderben. Vielleicht war es ein stiller Segen für ihn, dass er die Gefahr nicht erkannte. Ich hoffte, später den richtigen Augenblick zu finden, um mich um ihn zu kümmern und ihm behutsam den Ernst unserer Lage klarzumachen, aber zuerst musste ich die Aufmerksamkeit des Königs gewinnen. Ich beschloss, mich mit Odran in den Kerker bringen zu lassen. Fliehen konnte ich auch später noch.

Immer mehr Soldaten in blauen Uniformen strömten aus dem Gebüsch heraus. Sie packten uns unsanft und trieben uns im Gleichschritt mit ihrer Kolonne. Wir reihten uns ein und liefen eine ganze Weile so weiter. Ich hatte den König und sein Gefolge aus den Augen verloren, doch wenig später näherte sich ein Mann auf einem Pferd und blieb bei mir. Es war der grauhaarige Tah. Sein Zauberstab, seine Kleidung, alles an ihm verriet, dass er ein Zauberer war. Auf dem Zeigefinger seiner linken Hand war eine Schlange tätowiert, wahrscheinlich sein Ahkis. Er sagte eine Weile nichts und ritt einfach neben mir her, ohne mich anzusehen. Ich beneidete ihn. Er hatte es einfach auf seinem trabenden schwarzen Pferd, während ich ganz schön ins Schwitzen kam. Irgendwann sagte er beiläufig, ohne mich anzusehen:

„Du bist im letzten Jahr sehr gewachsen, Rupert. Du wirkst reifer, erfahrener. Ich erkenne dich kaum wieder. Wo ist dein Meister? Wo ist Dush?“

Er kannte mich also, oder besser gesagt, Rupert. Ich wich einer direkten Antwort aus. „Seltsam – der König scheint sich jedoch nicht an mich zu erinnern.“

„Wir haben uns nicht hier getroffen, sondern bei Arp, in der roten Bergfestung Palonar“, sagte er erstaunt. „Hast du das vergessen?“

Der Tah befahl der Truppe anzuhalten. Er stieg vom Pferd und kam näher. Er musterte mein Gesicht und runzelte die Stirn. „Nicht nur dein Meister, auch dein Gedächtnis scheint dich verlassen zu haben. Vor Kurzem sind mir einige interessante Neuigkeiten über dich zu Ohren gekommen …“

Es war klar, ich mochte ihn nicht besonders. Er war aber ein Tah – einer der letzten fünf auf Bathan laut Dush: mein Meister, ich selbst, der Ahkis-Schmied Devisus, die Tah’issin Leka aus dem Land Ruil und Becasifi, der Tah des roten Königs. Nach dem Fall der Festung Palonar suchte er also hier Zuflucht.

„Ich bin kein Tah'rin mehr, Becasifi. Dush bleibt zwar für immer mein Meister, meine Ausbildung ist aber schon vorbei. Ich bin jetzt ein Tah“, sagte ich und bemühte mich, ihm meinen Ahkis zu zeigen, was mir wegen der Fesseln jedoch nicht gut gelang.

„Ich kann dir die Freiheit schenken, wenn du mir von nun an folgst. Verlasse Dush und folge mir, hier, auf Shovui. Die Hauptinsel des blauen Königreichs hat viel zu bieten. Mit meiner Hilfe wirst du hier eines Tages ein richtiger Tah und bekommst deinen eigenen Zauberstab. Und du wirst nie wieder erfundene Ahki auf deine Hand kritzeln. Ab jetzt nennst du mich nur noch ‚Meister‘. Du musst ab sofort ehrlich zu mir sein! Sag mir zuerst, wo du die Krone versteckt hast.“

„Woher …?“ Ich erstarrte. Er konnte nichts von der Krone wissen! Ich war von Semu direkt hierher geflogen, die Nachricht konnte ihn unmöglich so schnell erreicht haben.

„Es waren zwei Drachen in der Luft“, sagte der Tah ungeduldig. „Der eine ist Durman, oder vielmehr der Drache, zu dem Durman geworden ist. Seit der Zeit Dulurs gab es auf Bathan keine Drachen mehr. Der zweite Drache muss also ein Mensch gewesen sein, der die Krone von Dulur trug. Und das bringt uns zu dir, Rupert. Kurz nach dem Drachenkampf bist du aufgetaucht. Du kannst noch wie ein Drache sprechen und hast so den verzauberten Durman gewarnt. Du musst die Krone haben, die Krone Dulurs. Wo ist sie?“

Ich starrte ihn an und meinte: „Du hast dich selbst verraten. Das konntest du nicht wissen.“

„Das hättest du nicht wissen können, mein Meister“, korrigierte mich der Tah bissig. „Was konnte ich nicht wissen?“

„Von der Drachenkrone und ihren Fähigkeiten“, sagte ich. „Niemand wusste bis heute davon. Nicht einmal der Hohe Rat der Tahs kannte das Geheimnis der Krone. Nicht einmal die Massis des Wassers oder des Feuers. Woher hast du dieses Wissen? Von Semu? Wozu brauchst du die Krone?“

Er überlegte einen Augenblick, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er sah finsterer aus und lächelte spöttisch. Aha! Jetzt hab ich dich, du Verräter, dachte ich. Er korrigierte mich argwöhnisch:

„Du meinst: wozu brauchst du die Krone, mein Meister!“

Er begann zu zaubern. Es stand fest: ich mochte ihn überhaupt nicht. Auf sein Zeichen verdunkelte sich die Welt um uns herum. Nur Becasifi und ich standen noch im Sonnenlicht, alle anderen verschwanden in einem dunklen Schleier aus Bedeutungslosigkeit und Stille.

„Sag mir, wo du die Krone versteckt hast!“ befahl der Tah.

Wollte er gerade die Klarsicht gegen mich verwenden? Bevor ich mich auf eine Antwort konzentrieren konnte, sprudelte es aus mir heraus:

„Die Krone ist ins Meer gefallen.“

Nein! Es war keine Klarsicht, wie ich sie kannte; der Zauber war irgendwie verändert. Er zwang mich, die Wahrheit zu sagen. Ich musste dringend etwas tun!

Becasifi lachte böse. „Du wolltest sagen: Die Krone ist ins Meer gefallen, mein Meister. Sag weiter, Drache, wo ist deine Krone?“

Drache? Auf einmal überkam mich die Sehnsucht, leicht und unbeschwert durch die Lüfte zu schweben, fern von allen Sorgen und Zwängen. Ich musste dafür nur die Krone …

„Nein!“ rief Odran neben mir, der unser Gespräch mit angehört hatte. Seine Stimme drang wie aus weiter Ferne zu mir, ganz leise, kaum hörbar. „Du siehst das falsch. Er hat doch gesagt, dass er einen anderen Meister hat; hörst du schlecht? Und auch, dass er ein Tah ist. Kein Drache. Er ist ein Tah. Erinnere dich, Ataru, wer du wirklich bist!“

War ich ein Drache? Obwohl der stechende Schmerz immer noch da war, musste ich Odran recht geben. Es war zu einseitig, mich nur als Mensch oder nur als Drache zu bezeichnen. Ich war ein Tah! Mit dem Feuergeist Dush, dem besten Massi von Bathan, als meinem Meister und den Spiegeldrachen an meiner Seite.

„Sage mir, wo die …“, begann Becasifi, doch ich fiel ihm ins Wort und hörte nicht hin.

„Hier. Bin. Ich. Alex Tah Rupert“, sagte ich, und spürte, wie gut mir diese Bestätigung tat. „Getragen von Wassermassis, beschützt vom heiligen Feuer aus Athor. Tah der Spiegeldrachen!“ rief ich und winkte mir einen imaginären unsichtbaren Spiegel herbei. Ich musste ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen! „Mein Meister war Dush Tah Bashir, Magier des dritten Tahs, des dritten Grades, der dritten Stufe“, fuhr ich fort. „Nicht du. Schau mal, was mir mein wahrer Meister beigebracht hat.“

Der von mir beschworene Zauberspiegel erschien schemenhaft vor mir und begann, Becasifis Zauber zurück zu reflektieren. Die Luft zwischen uns flimmerte, während die Augen des Tahs plötzlich in einem unirdischen Glanz aufleuchteten. Wie gebannt schaute er an mir vorbei – es schien zu funktionieren! „Schau her“, forderte ich ihn auf. „Was siehst du?“

„Nein!“ rief er und versuchte verzweifelt, sich dem Spruch zu entziehen. Er schüttelte den Kopf, konnte jedoch nicht aufhören, das Flimmern anzustarren. „Wie …?“

Ich ließ nicht nach, sondern konzentrierte mich noch mehr und befahl: „Was verheimlichst du mir? Was ist die Wahrheit? Siehst du sie im Spiegel?“

Er nickte langsam und schien sich zu beruhigen.

„Erzähle mir, was du siehst, Becasifi.“

Er fing sofort an zu reden, sein leuchtender Blick in die Ferne gerichtet. „Ich sehe ein Mädchen. Es spielt fröhlich auf einem grünen, sonnigen Hügel – dem Kessilo-Hügel, letzten Sommer. Spiel schön, mein Schatz, Papa ist gleich bei dir.“

„Wer ist sie?“ fragte ich.

„Meine Tochter“, sagte Becasifi und seine Augen wurden feucht. „Sianne, was ist denn los? Hast du dich verletzt? Zeig mal, wo es weh tut.“

Es wirkte! Sein eigener Zauber entlockte ihm unaufhaltsam die Wahrheit und ließ weder Lügen noch Täuschung zu. Er schien ein Ereignis aus seiner Vergangenheit wieder zu erleben, etwas von großer Bedeutung, über das er vielleicht nicht ehrlich gewesen war oder das er bisher verschwiegen hatte. Die Erinnerung schien ihn schwer zu belasten.

„Sianne, komm zu Papa. Du benimmst dich merkwürdig. Wieso bist du so zornig?“

„Was ist an ihr anders?“ fragte ich ihn.

Er brachte den Zeigefinger verschwörerisch zum Mund, in einer stillen Geste, als würde er mich bitten, ein Geheimnis für mich zu behalten. „Sie wirft zwei Schatten, die ungewöhnlich weit voneinander entfernt liegen. Doch warum? Woran hast du dich verletzt? Was hat dich gebissen, Sianne? Deine Stimme klingt anders. Ich mache mir Sorgen um dich. Was würde deine Mutter jetzt bloß tun, wenn sie noch bei uns wäre?“

Das Mädchen mit dem doppelten Schatten war seine Tochter? Sianne musste irgendetwas am Kessilo-Hügel gefunden haben, dort, wo der letzte Farbenkrieg durch Dulurs Fall besiegelt worden war. Etwas, was sie zum Mädchen mit dem doppelten Schatten gemacht hatte.

„Ja, ich verstehe, mächtiger Dulur“, sagte der Tah traurig. „Ich werde dir helfen, deine Drachenkrone zu finden. Ich kann dich einem mächtigen König vorstellen, der dir bei deiner Suche helfen kann. Versprichst du mir, dass dein Geist dann Sianne verlässt? Ich will nur meine liebe Tochter wieder zurück.“ Eine Träne formte sich in seinem Augenwinkel und gleitete still über seine Wange.

„Ist das der Grund, warum dein Mädchen jetzt zwei Schatten wirft?“ fragte ich ihn, erschüttert von dem, was ich erfahren hatte.

Er seufzte. „Der eine Schatten ist der Schatten meiner Tochter.“

„Und der zweite Schatten?“

Becasifi drehte sich unvermittelt um und verneigte sich vor einer Erinnerung. „Mächtiger Semu, wo das Wissen der Tahs seine Grenzen erreicht, beginnt die Weisheit eures Buches. Ich habe vergeblich versucht, meine Tochter Sianne von Dulurs Schatten zu trennen. Er ist zu mächtig für mich! Könnt Ihr Dulur überreden, meine Tochter freizulassen? Sein ruheloser Geist scheint besessen von dem Wunsch, die Krone zu finden. Wenn wir nur diese Drachenkrone finden könnten.“ Der Tah schwieg, als wartete er auf eine Antwort. Er verneigte sich erneut. „Wie Ihr wünscht, mächtiger Semu. Ich öffne Euch den geheimen Eingang zur Roten Burg. Aber bitte rettet meine liebe Tochter.“

„Ich habe genug gehört. Fesselt ihn!“ erklang eine Stimme aus der Ferne, die meinen Zauber unterbrach. Mit einem Mal löste sich der Spiegel auf, und die Umgebung erschien uns sofort wieder wie gewohnt. Der plötzliche Wechsel ins grelle Sonnenlicht war so störend, dass die blauen Soldaten genug Zeit hatten, Becasifi den Zauberstab zu entreißen und seine Hände zu fesseln. Neben uns stand der zornige König Orss in seiner ganzen blauen Pracht. Er wetterte gegen Becasifi:

„Du Schlange hast erst meinen Bruder Arp verraten, und jetzt willst du diesem undankbaren, nimmersatten Semu auch noch mein Königreich auf dem Tablett servieren!“

„Mein König, nur wegen meiner Tochter…“, begann Becasifi reumütig, aber Orss war bereits zu aufgebracht.

„Bringt die drei in den Kerker. Ich werde sie später verhören. Los, los, ihr Faulenzer! Und bringt mir endlich eine Traube, mein Gaumen ist trocken.“

Dem Himmel sei Dank, ich hatte endlich herausgefunden, wer das Mädchen mit dem doppelten Schatten wirklich war! Ich konnte es kaum erwarten, es meinen Freunden zu erzählen. Um dies zu erreichen, musste ich zunächst König Orss von der Aufrichtigkeit meiner Absichten überzeugen, damit er mich freilässt. Ich bedankte mich noch bei Odran für seine Aufmunterung, die mich zum richtigen Zeitpunkt erreicht hatte.

„Ich bitte dich, war doch selbstverständlich. Ich habe ein Gespür dafür entwickelt, wann es notwendig ist, ins Unterhaltungsprogramm einzugreifen. Erst warst du ein Drache, jetzt ein Zauberer … fein! Und Verrat! Der Herr hat hervorragend gespielt! Ich bin gespannt, welche Rolle du als Nächstes verkörpern wirst. Und die Kostüme des Königs und des Beraters erst, traumhaft! Sie waren überaus aufwendig gestaltet und mit außergewöhnlicher Liebe zum Detail ausgewählt. Und so viele Komparsen! Das war bestimmt exorbitant teuer. Für einen Moment war ich überzeugt, dass es echt ist! Zusätzliche Feuer- und Glitzereffekte könnten die nächste Zaubervorstellung spektakulärer machen. Vielleicht auch ein gezielter Knall? Das erhöht die Spannung und lässt die Illusion realistischer wirken.“

Was sollte ich dazu noch sagen? Gut, dass seine Welt noch in Ordnung war. Ich hingegen stand unter dem starken Eindruck der frisch gewonnenen Erkenntnisse. Es war dringend nötig, meine Freunde zu informieren – aber wie? Und die Krone! Ich musste unbedingt die Drachenkrone finden!

Wir setzten unseren Marsch fort und erreichten am frühen Nachmittag ein Ufer mit felsigen Klippen. Ein massiver Felsblock ragte aus der steilen Felswand. Eine prächtige Burg war direkt darin errichtet worden, doch sie schien unvollendet. Es sah aus, als hätte der Erbauer das Schloss nur teilweise aus dem Stein gehauen und seine Arbeit vorzeitig abbrechen müssen. Erhabene Türme mit filigranen Ornamenten ragten empor, der graue Stein war von mehreren Reihen fensterartiger Öffnungen durchbrochen. Die warme Brise kringelte blaue, samtige Banner gemächlich um die aschgrauen Turmspitzen.

„Befehl des Königs: Nehmt den drei Gefangenen sofort alles ab, was sie bei sich tragen!“, sagte Swun, derjenige, der König Orss beim Dichten geholfen hatte.

Der einzige wertvolle Besitz, den ich bei mir hatte, war einer der drei Ringe aus der Königsschmiede. Ich legte ihn an und hoffte inständig, dass man ihn mir so nicht wegnehmen würde. Er schien mir zu groß, passte sich aber plötzlich meinem Finger an, wie ich es von den Ahkis kannte. Die Sonne machte einen Sprung über den Himmel und ich stand plötzlich woanders. Ich war mitten in einem Kampf!

Mit erhobenem Schwert bereitete ich mich darauf vor, auf eine riesige Tonstatue einzuschlagen. Meine Sicht war verschwommen, doch ich erkannte ihre Größe – sie überragte einen Menschen um das Doppelte und sah aus wie ein Soldat aus Lehm mit finsteren, grob geformten Gesichtszügen. Der überraschende Körpertausch riss mich aus dem Gleichgewicht; mein Schwung verpuffte in der Luft, und ich kämpfte verzweifelt darum, wieder festen Halt zu finden. Es war nicht mein Körper, sondern der eines Erwachsenen! Die Tonfigur drehte den Kopf zu mir, presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und fixierte mich mit einem durchdringenden Blick. Unglaublich – die Statue konnte sich bewegen! Die Gesichtszüge des Tonsoldaten veränderten sich; seine Augen leuchteten auf einmal rot auf. Er hob seine Faust, doch ich sprang zur Seite und holte erneut zum Schlag aus. Aus den Augenwinkeln sah ich noch verschwommen, dass sich etwas weiter entfernt ein weiterer Tonsoldat bewegte, aber ich konzentrierte mich voll auf „meinen.“ Plötzlich ertönte eine allzu bekannte Stimme:

„Zerschmettere die Statue, Barian! Das ist der einzige Weg, ihren Zauber zu brechen!“

Es war Dush! Er nannte mich Barian – ich hatte also mit dem Ritter die Körper getauscht? Im Schwung sah ich meine Hände: groß und behaart; das waren in der Tat Barians Hände. So wirkten also die Ahkis-Ringe, wenn sie von zwei Menschen gleichzeitig getragen wurden! Ich hatte Barian und Patar je einen Ring gegeben und den letzten für mich behalten. Und nun hatten Barian und ich durch die Macht der Ringe die Körper getauscht!

„Dush, ich bin’s!“ rief ich und wich dem Faustschlag der Tonstatue aus. Diese war sehr flink, zu schnell für meinen Geschmack. Der Schlag traf mich fast, aber ich hatte damit gerechnet. Ich fühlte mich stärker, aber etwas schwerfälliger als sonst. Kein Wunder bei der schweren Rüstung, die meine Bewegungen einschränkte. Bei meinem Ausweichmanöver hätte ich Patar fast über den Haufen gerannt. Wie durch einen trüben Schleier sah ich Dush und Pavor, die gerade mit anderen Tonstatuen kämpften, und erkannte dabei auch den Ort, an dem wir uns befanden: Das war doch der Hauptplatz von Omero! Ein paar Schaulustige hatten sich versammelt und jubelten mir zu.

„Ja, du bist es, Barian“, sagte Dush. Er richtete seinen Zauberstab auf die Statue vor ihm und rief: „Donner!“ Eine Schallwelle schoss aus der Spitze des Stabes, riss den Tonsoldaten von den Füßen und warf ihn zu Boden. Der grüne König Pavor erschien in meinem Blickfeld. Er wirkte erholter als bei seiner Befreiung aus Albuhn. Mit einem angestrengten Ächzen kreiste er sein Schwert über den Kopf und ließ es kraftvoll auf die am Boden liegende Statue niederfahren. Die Statue zerbrach in unzählige Tonscherben und enthüllte einen verblüfft dreinblickenden Soldaten in schwarzer Kleidung, der darin gefangen gewesen war. Dush reichte ihm die Hand, um ihm hochzuhelfen. Diese Statuen waren also bemannt! Mein Tonkrieger zeigte noch keine Anzeichen von Müdigkeit. Patar wehrte einen Faustschlag der riesigen Statue mit seinem Schwert ab und hielt die tönerne Faust mit großer Kraftanstrengung hoch über seinem Kopf. Er rief mir mit letzter Kraft zu:

„Wann immer du willst, Barian!“

Ich wuchtete mein Schwert hoch und rief „Ich bin Ataru, nicht ….“

Die Welt um mich herum veränderte sich und meine Hände waren wieder gefesselt! Vor mir stand ein alter Soldat, der meinen Ring prüfend in der Hand hielt.

„… Barian“, sagte ich.

„Von Omero, ja, ja, hast du gesagt. Von dir habe ich noch nie gehört. Schöner Ring, den nehme ich“, sagte er und steckte den Ring in seine Tasche.

„Das ist mein Ring, ich brauche ihn. Lass ihn mir!“ rief ich, aber der Soldat entfernte sich wortlos.

Odran kam zu mir und versuchte, mich zu trösten. „Du hast ihn ziemlich durcheinander gebracht, als du dich als jemand anderes ausgegeben hast. Keine Sorge, er wird deinen Ring nicht verlieren. Du bekommst ihn sicher nach der Aufführung zurück.“

Wie gern wäre ich genauso hoffnungsvoll gewesen! Doch es fiel mir schwer zu glauben, dass wir so einfach aus dem Gefängnis fliehen könnten. Und der Ring! Den musste ich unbedingt wiederhaben!

Kapitel 3. Bildhaft

Wir standen in einem halbdunklen Gang vor einer Reihe vergitterter Türen. Odran und ich wurden ohne viele Worte in eine der Zellen gepfercht, in der bereits zwei andere Insassen weilten. Becasifi wurde in eine Einzelzelle gegenüber eingesperrt. Ich war verzweifelt. Die Lage war äußerst ernst! Meine Freunde wurden von diesen verzauberten Tonstatuen angegriffen und ich war in einer Zelle gefangen, ohne die Möglichkeit, ihnen helfen zu können. Die Drachenkrone und der Ring waren verloren! Ich musste hier dringend raus, also drehte ich mich um und erfasste meine Zelle.

Wir waren zu viert: die beiden älteren Herren, Odran und ich. ‚Zelle‘ war eigentlich nicht das richtige Wort. Der fensterlose Raum entpuppte sich als überraschend luxuriöser Raum. An den Seiten standen vier einladende Betten und zwei elegante Schränke, während in der Mitte ein runder, meisterhaft gearbeiteter Tisch aus edlem, dunklem Holz dominierte. Um ihn herum standen geschmackvolle Stühle mit hohen, kunstvoll geschnitzten Rückenlehnen, die dem Raum eine vornehme Atmosphäre verliehen. Ein Kronleuchter spendete mit seinen Kerzen genügend Licht, um die in regelmäßigen Abständen aufgehängten Bilder an den Wänden zu beleuchten. Die Bilder schienen naiv hingekritzelte Kinderkunst darzustellen. Nur die eiserne Gittertür des Raumes erinnerte an ein Gefängnis. Die beiden alten Männer saßen am voll gedeckten Tisch und beobachteten uns interessiert. Offenbar hatten wir sie beim Essen unterbrochen, was sie jedoch nicht sonderlich zu stören schien.

„Meine Güte, wir haben Besuch!“ rief mit deutlicher Überraschung der Mann aus, der an der linken Seite des hölzernen Tisches saß. „Wer seid ihr und was wollt ihr hier?“

„Sei nicht so unfreundlich! Wo bleiben deine Manieren?“, schimpfte der Mann von rechts. Er rief nach der Wache, die sich widerwillig der Gittertür näherte. „Unsere Freunde hier haben bestimmt Hunger. Sei so gut und organisiere etwas. Und sag dem Koch, dass wir von nun an zu viert sind. Wir müssen die Menüs, ihre Reihenfolge und ihren Inhalt neu abstimmen. Etwas Musik würde auch die Verdauung anregen, wir bewegen uns zu wenig.“ Der Wachmann brummte eine unverständliche Antwort und entfernte sich mürrisch.

„Nehmt doch Platz. Wir waren gerade beim Nachtisch“, lud uns der Mann ein.

Was war das denn für ein Kerker? Auf dem tiefblauen, samtigen Tischtuch präsentierten sich mehrere Servierteller mit verführerisch bunten Köstlichkeiten. Luftiger Kuchen, cremige Mousse, frisches Obst und feine Törtchen versprachen einen Genuss für alle Sinne. Wir stellten uns rasch vor, dann griffen wir beherzt zu. Unsere beiden Zellengenossen Kloik und Moik erzählten uns bei einer Tasse Körla-Tee, dass sie wegen Diebstahls bestraft worden seien. In den Kerkerzellen hatte König Orss – ein Freund der Künste – missratene und ungelungene Kunstexponate aus- beziehungsweise abgestellt. Unser Raum war mit Kindergemälden geschmückt, die der feine König Orss als künstlerischen Gräuel empfand und zur Bestrafung der Gefangenen zurückgelassen hatte.

Plötzlich hörten wir aufgeregte Stimmen von draußen. Die Gittertür schwang quietschend auf, und König Orss betrat in Begleitung von drei Soldaten den Raum. Einer von ihnen war der, der mir den Ring abgenommen hatte. Er war so dreist, dass er jetzt sogar meinen Ahkis-Ring offen an seiner rechten Hand trug!

„Macht es uns nach“, flüsterte mir Kloik leise zu und begann laut zu klagen. „Abscheuliche Bilder! Mein König, habt Erbarmen mit uns! Ich kann diese grotesken Bilder nicht mehr sehen! Es ist, als würden sie zu mir sprechen!“

Sein Kamerad Moik spielte sofort mit. „Diese verwirrenden Formen, diese schreckliche Farbwahl! Und gestern war der Braten kalt, werden wir jetzt obendrein noch ausgehungert?“

Orss hielt sich die Augen mit seinen kleinen runden Händen zu. „Ich kann sie auch nicht ansehen. Diese Bilder sind in der Tat das Schlimmste, was ich je gesehen habe! Das habt ihr davon, ihr Diebe, das ist eine gerechte Strafe für eure Schandtaten!“ Er hielt inne, wandte sich an eine Wache und befahl: „Sag dem Koch, er soll sich besser um unsere Insassen kümmern. Das Essen gehört heiß serviert. Eine Folter ist genug, wir sind ja keine Unmenschen.“

Der Ringdieb stand jetzt neben mir. Ich musste mich beim König über ihn beschweren! Der Soldat blickte beiläufig in meine Richtung und zwinkerte mir zu. Machte er sich über mich lustig? Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich dem König von seiner Missetat berichten würde und versuchte nun, einen auf nett zu machen. Na warte, du Schurke, dachte ich, aber dann zwinkerte er mir wieder zu. Sein Lächeln hatte etwas Vertrautes.

„Und nun zu dir“, sagte König Orss und kam auf mich zu. Stirnrunzelnd sah er mich an. „Wer bist du und was willst du von uns? Du redest wie ein Drache und zauberst wie ein Tah. Du bist mir ein Rätsel.“

„Ich bin Alex Tah Rupert, Gesandter der Drachen. Mein Meister ist der berühmte Dush Tah Bashir. Wir dienen dem weißen König Durman und seiner Familie.“

Während ich mit dem König sprach, ließ ich den Soldaten nicht aus den Augen, der in seiner Gier den Ahkisring angelegt hatte. Wenn einer meiner Freunde seinen Ring trug, so war er jetzt bei uns! Und so verschmitzt, wie mich der Soldat anlächelte, konnte es nur Patar sein. Er erwiderte meinen fragenden Blick und nickte. Er sah aus wie ein Soldat, aber er bewegte sich wie ein Prinz. Das war Patar, jede Wette!

„Der weiße König und seine Familie sind nicht mehr“, antwortete König Orss in herzzerreißendem Ton. „Mein Bruder Durman ist genau am Tag der Sonnenbrücke vor fast genau zehn Jahren, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn gefallen. An dem verfluchten Tag, an dem der nimmersatte Semu die Hauptstadt Albuhn eroberte.“

Tag der Sonnenbrücke? Was das für ein Tag wohl war? Ich beschloss, dies später herauszufinden, da der beringte Soldat auf einmal sehr traurig dastand. Seine Augen wurden feucht, als würde er gegen Tränen ankämpfen. Das war er in der Tat mein Freund, der Prinz. Ein Geistesblitz durchfuhr mich und ich wusste, wie ich die verzwickte Lage zu meinen Gunsten wenden könnte.

„Das ist nicht wahr, Majestät“, sagte ich entschlossen. „Sein Sohn Patar hat mich mit einem Plan zu Euch geschickt, wie wir Semu besiegen können“, fügte ich hinzu und betete im Stillen, dass mein Plan aufgehen würde. Der Soldat wurde hellhörig und fixierte mich mit seinem Blick.

„Und das soll ich dir einfach so glauben? Beweise es, oder ich lasse dich in den Raum mit den unfertigen Skulpturen bringen“, drohte mir der König. Der Gedanke machte ihm sichtlich zu schaffen, er kämpfte gegen einen Anfall von Übelkeit an. Jetzt oder nie! Ich sah den Soldaten, in dem ich Patar vermutete, mit flehendem Blick an. Er nickte langsam, aufmerksam.

„Ich werde Eurer Majestät etwas ins Ohr flüstern, was nur Euch und Patar bekannt ist. Daran werdet Ihr erkennen, dass mich Patar und kein anderer zu Euch schickt.“

„Einverstanden“ antwortete der König und trat näher. Der Soldat stand regungslos da, ohne meinen Plan zu verstehen.

„Das heißt, nur wenn Eure Wache es erlaubt“, warf ich verzweifelt ein. „Wenn es für Eure Majestät nicht zu gefährlich ist.“

„Das kann ich nicht zulassen!“ rief der Soldat mit glücklicher Stimme auf. Er hatte meine Absicht erkannt! „Zu gefährlich für Eure Majestät! Was, wenn der Junge Euch angreift, oder Euch ins Ohr beißt?“

Der König hielt inne. „Ach so, hmm“, sagte er enttäuscht.

„Aber er kann es mir zuflüstern, und ich werde es Eurer Majestät ausrichten!“ schlug der Soldat vor. Sehr gut, Patar, dachte ich. Genau das war mein Plan.

Der König nickte. „Einverstanden. Und wehe, du verschwendest meine Zeit, Junge. Ich bin heute sehr inspiriert und möchte noch eine Sonate über Shovuis Beerentrauben komponieren.“

Der Soldat näherte sich und ich konnte ihm Folgendes hastig ins Ohr flüstern: „Becasifi ist der Vater des Mädchens mit dem doppelten Schatten. Der Geist Dulurs hat das Mädchen am Kessilo-Hügel befallen und beherrscht sie seither. In seiner tiefen Verzweiflung verriet Becasifi den geheimen Eingang zur Roten Festung, um sich Semus Unterstützung zu erkaufen. Jetzt sitzt der Tah hier, gefangen mit mir. Wie du bereits weißt, setzte ich die Krone auf, um eure Flucht zu ermöglichen. Leider will man sie, wenn man sie erstmal trägt, nicht mehr hergeben! Bei einem Kampf gegen Albor ist sie mir jedoch ins Meer gefallen. Ich muss sie finden und komme dann zu euch nach Omero. Bitte wartet dort auf mich.“

Eine Menge neuer Informationen, aber der Soldat nickte, als hätte er alles verstanden. „Und jetzt erzähle bitte Orss etwas, was nur ihr beide wisst, damit er mir glaubt, dass ich dein Bote bin“, fügte ich ebenso leise hinzu.

„Was sagt er, was murmelt er denn so lange?“ wollte der neugierige König wissen.

Der Soldat ging auf Orss zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ich betete, dass in dem Soldaten wirklich Patar steckte! Der blaue König starrte mich streng an und kam dann auf mich zu. Er packte mich mit beiden Händen an den Schultern und hielt mich fest! Dann gab er mir zwei Küsse links und rechts auf die Wangen, umarmte mich und sagte: „Patar lebt! Komm! Erzähl mir euren Plan! Befreit meinen jungen Freund Ataru aus dieser grausamen Folterzelle!“

Alle Insassen jubelten! Mir fiel ein Stein vom Herzen. Der Soldat reichte mir die Hand, als wolle er mir gratulieren. Ich schüttelte sie, ohne nachzudenken. Als er seine Hand zurückzog, blieb der Ring auf meiner Handfläche liegen. Ich versteckte ihn schnell, als der König mich gut gelaunt aus der Zelle begleitete.

„Dieser gehört zu mir“, sagte ich und deutete auf den breit grinsenden Odran. Was auch immer passieren mochte, der arme Reisende hatte hier nichts verloren.

„Lasst ihn ebenfalls frei!“ befahl Orss.

„Mein König!“ rief der Soldat, der den Ring zuvor getragen hatte. „Der Junge ist ein Verräter!“ Orss drehte sich um und befahl ihm zu schweigen. Doch der Soldat fuhr wütend fort: „Dieser Knilch ist mit einem bösen Zauberer verbündet. Sie haben meinen Verstand verwirrt, mich in einem fremden Leib gefangen gehalten und versucht, mich mit sinnlosen Geschichten über vergangene Schlachten aus einer Stadt namens Omero zu zermürben!“

„Du hast die ganze Zeit den Raum nicht verlassen! Schweig, oder ich lasse dich einsperren!“

„Er ist zu gefährlich für Euch, Eure Majestät! Ein Feind!“ rief der Soldat ungeachtet der Drohung.

„Sperrt diesen unverschämten Soldaten weg, bis er Manieren lernt!“ befahl König Orss. „Fünf Stunden, bei den unfertigen Skulpturen!“ Allein bei dieser Vorstellung wurde ihm wieder sichtlich schlecht. Er fuhr fort: „Serviert ihm aber Abendessen.“

„Und Nachtisch“, schlug Moik vor.

Der König war empört. „Vorspeise und Dessert gehören selbstverständlich mit dazu! Wir sind ja keine Barbaren.“

---ENDE DER LESEPROBE---