Fast Vierzehn - Klaudia Jeske - E-Book

Fast Vierzehn E-Book

Klaudia Jeske

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Beschreibung

Das Leben ist nicht einfach, wenn man 13 Jahre alt ist und die Figur eines Sprungkastens besitzt, findet Daria Hohmann. Noch komplizierter wird es allerdings, wenn man in den Freund der großen Schwester verknallt ist und sich mit seiner Mutter, die seit neuestem „Mo“ genannt werden will, nicht versteht. Doch, selbst das sind, wie Daria lernt, die kleineren Probleme im Leben. Was ist, wenn der geliebte Vater seine Familie verlässt? Wie verhält man sich, wenn die beste Freundin in die Alkoholfalle gerät? Und wie lernt man seine eigenen Gefühle zu deuten? Ein chinesischer Glücksspruch und Henry, der Junge, den sie bis vor kurzem für eine absolute Niete gehalten hat, begleiten Daria auf dem Weg zu erstaunlichen Erkenntnissen. Printausgabe: 120 Seiten

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Klaudia Jeske

Fast Vierzehn

Ein Jugendroman

Inhaltsverzeichnis

1 Schreiben

2 Tom

3 La-Le-Lu

4 Freunde

5 Alkohol

6 Let´s have a Party tonight

7 Schlamassel

8 Henry

9 Wahrheiten

10 Olivia

11 Happy Birthday

Impressum

1 Schreiben

Es ist einer dieser voreilig heißen Tage, wie sie sich manchmal im Frühling verirren: Ein sonniges Appetithäppchen als Vorgeschmack auf einen langen, intensiven Sommer.

An solchen Tagen schlüpfen bleichhäutige Menschen in Shorts und T-Shirts und recken glücklich und irgendwie gierig ihre Gesichter und Gliedmaßen der Sonne entgegen. Der unverwechselbare Duft von Holzkohle zieht um die Mittagszeit durch die Gärten. Federballspiele, Bocciakugeln und sonnengebleichte Dartscheiben werden aus dunklen Quartieren hervorgekramt. Geblümte Polster, die beim Überwintern im Gartenhäuschen einen muffigen Geruch angenommen haben, landen auf frisch geschrubbten Gartenstühlen. Und wie in jedem Jahr wird die fehlende Flexibilität der Freibäder beklagt, dem Wetter entsprechend auch schon mal vor dem offiziellen Saisonbeginn die Pforten zu öffnen. Alle sehnen sich danach, bei diesem Prachtwetter die Sonnenstrahlen zu nutzen. Na ja, vielleicht nicht wirklich jeder.

Ich habe das verdammte Kreuz eines Bauarbeiters, den Stiernacken eines Ringkämpfers, auf meinem breiten Hintern kann man Feldhockey spielen und das überhaupt oberpeinlichste sind meine feisten Schenkel, die beim Gehen aneinander reiben. Dabei bin ich gar nicht dick, nur etwas zu mollig vielleicht. Aber, ich schwöre es, eine Diät würde kein bisschen an der Tatsache ändern, dass ich die Figur eines Sprungkastens aus der Turnhalle besitze. Wie mein Vater. Bei ihm sieht es allerdings männlich und stark aus. Ein idealer Typ zum Anlehnen ist der. Männer brauchen eben keine Taille.

*

Während ich mir den Kopf darüber zerbreche, was ich schreiben soll, klopft es an der Zimmertür. Ich drücke auf SPEICHERN. Mein altersschwacher Computer gibt ein kurzes, geschäftiges Geräusch von sich. Schnell schließe ich das Textdokument. Ich sage „ja-ha” und meine Mutter schwebt in rosa glänzenden Boxershorts und eng anliegendem weißen Top in den Raum. Mit zusammengekniffenen Nasenflügeln stürmt sie zum Fenster und reißt es sperrangelweit auf. Dann schreitet sie zu meinem ungemachten Bett und schüttelt kräftig das Kissen und die Bettdecke auf. Bedenkenlos okkupiert sie mein Zimmer.

„Also, Daria, ich verstehe nicht, wie du dich in so einem muffigen Zimmer wohl fühlen kannst. Außerdem sieht´s mal wieder aus, als hätte hier ein Blitz eingeschlagen.”

Mutter, oder besser gesagt Mo, wie sie von uns Töchtern neuerdings genannt werden will (diese Abkürzung ihres Vornamens Monika findet sie total schick), lässt sich kopfschüttelnd auf der Bettkante nieder.

Ich verdrehe die Augen. „Was willst du hier, wenn es dir bei mir nicht gefällt?”

Mo streckt ihre meterlangen Beine von sich und kneift sich gedankenversunken in den linken Oberschenkel. Einen Moment lang sehen wir beide einige Millimeter Orangenhaut zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger aufblitzen. Seufzend lässt Mo los und die Haut glättet sich zaghaft wieder.

Beiläufig sagt Mo: „Patrizia lässt fragen, ob du heute Abend auf Marlon aufpassen kannst. Sie ist zu einer Vernissage eingeladen.”

„Ach, und das ist ihr erst heute beim Frühstück eingefallen. Oder was?”

Ich bin genervt. Patrizia ist eine von Mos Freundinnen, und Marlon ist Patrizias fünfjähriger hyperaktiver Sprössling. Seit seiner Geburt werde ich regelmäßig als Babysitterin gebucht. Leider habe ich mit dem Job angefangen, als ich mich noch über zwei Euro Verdienst pro Stunde freute. Irgendwann kam ich dahinter, dass man mich miserabel entlohnte. Doch als ich dieses Problem einmal meiner Mutter gegenüber zur Sprache brachte, erzählte sie mir etwas von Freundschaftsdienst und Spaß an der Sache. Marlon wäre schließlich so etwas wie ein kleiner Bruder für mich. Außerdem sollte ich nicht so geldgierig sein.

Neben dem dumpfen Gefühl, finanziell ausgebeutet zu werden, versetzt mich die Art, wie Patrizia Winterfeld über meine Zeit verfügt, in Wut.

„Wie kommt ihr alle eigentlich auf die schwachsinnige Idee, dass ich jederzeit abrufbereit bin? Bin ich so eine Art Notfalldienst, oder was?” verlange ich zu erfahren.

Meine Mutter seufzt wieder. Sie hat es außerordentlich schwer. „Patrizia will doch nur wissen, ob du heute Abend Zeit hast zum Babysitten oder nicht.”

„Wieso kann sie nicht rechtzeitig fragen?”

„Eine spontane Einladung. So etwas kommt vor. Was ist nun? Willst du dir ein paar Euro verdienen oder nicht?”

„Keine Zeit!” fauche ich.

„Ach?”

„Sonst noch was?”

Mo wechselt das Thema. „Olivia hat gemailt, dass sie ihre Führerscheinprüfung bestanden hat. Jetzt darf sie den Zweitwagen der Tylers benutzen. Ist doch total großzügig oder?”

„Super”, sage ich mit herablassendem Tonfall.

Meine Schwester ist seit acht Monaten als Austauschschülerin in Florida. Sie genießt ihr Leben im sonnigen Süden, das entnehmen wir jeder ihrer Emails. Manchmal vermisse ich sie sehr. Mehr als mir lieb ist, wenn ich ehrlich bin. In den letzten drei Jahren haben wir uns nicht mehr so gut wie früher verstanden. Sie behandelt mich wie ein Baby, obwohl aus mir langsam doch auch ein Teenager geworden ist. Und ich bin oft eifersüchtig auf ihren Erfolg bei den Jungs, auf ihr unerschütterliches Selbstbewusstsein und vor allen Dingen auf ihr gutes Aussehen. Ungerechterweise hat sie die Model-Figur unserer Mutter geerbt. Beide haben schlanke Beine, die ihnen fast bis zum Schwanenhals reichen und Popos, die so klein und niedlich sind, dass man sie immerzu streicheln will. Jedenfalls tätscheln Olivias häufig wechselnde Freunde ständig ihren knackigen Hintern und auch mein Vater pflegt des Öfteren verstohlen über das Hinterteil meiner Mutter zu streichen. Es wird wohl niemanden verwundern, wenn ich zugebe, dass sich die Aufmerksamkeitsbekundungen für meinen dicken A… auf Häme und Spott von pubertierenden, pickeligen Jungs beschränken. Es ist diskriminierend!

„Du könntest dich ruhig mal für deine Schwester freuen”, sagt Mo vorwurfsvoll.

„Mein Gott, sie ist die Prinzessin und lebt zurzeit bei den reichen Tylers wie im Paradies. Olivia kommt ganz gut ohne meine Begeisterung aus.”

Endlich erhebt sich Mo von meinem Bett. Glücklicherweise scheint sie das leidige Thema nicht vertiefen zu wollen. Ich weiß, sie hat vor einiger Zeit beschlossen, unsere schwesterlichen Eifersüchteleien als altersgerechtes Herumzicken abzutun. Mo hat den Türknauf bereits in der Hand als sie sich noch einmal zu mir umdreht. „Tom kommt heute Nachmittag vorbei. Kümmerst du dich ein bisschen um ihn? Ich bin zum Schwimmen verabredet.”

*

Typisch! Man kann ihr gerade etwas erklärt haben, und sie behält es nicht für fünf Minuten im Kopf. Ich habe keine Zeit für irgendwelche Fremdaufträge! Wann kapiert meine Mutter das endlich? Verärgert gehe ich ins Badezimmer. Während ich pinkele, denke ich an Tom Fetgenheuer, den Freund meiner Schwester. Der Arme leidet ziemlich unter Olivias Abwesenheit und er wird außerdem von heftigen Eifersuchtsattacken geplagt. Nachdem er Olivia im Januar in Florida bei den Tylers besucht und dabei festgestellt hat, dass mindestens drei der vier Tyler-Söhne im Teenageralter ein Auge auf Olivia geworfen haben, taucht Tom regelmäßig bei uns unter dem Vorwand auf, nur ein bisschen in Olivias Zimmer sitzen zu wollen, um sich ihr dadurch näher zu fühlen. In Wirklichkeit versucht er uns so viel wie möglich über Olivias Leben in Florida aus der Nase zu ziehen. Er traut ihr nicht mehr.

Was findet dieser gut aussehende Typ nur an Miss Zicke of the World? Tom könnte an jedem Finger eine tolle Frau haben, wenn er wollte. Er ist so ein großer, breitschultriger Surfertyp mit mittellangen blonden Haaren und einem Blick aus ultramarinblauen Augen zum darin Versinken. Letztes Jahr hat er das Gymnasium nach der 10. Klasse verlassen, um eine Tischlerlehre zu beginnen. In seiner Freizeit ist er Bandleader der Gruppe Jump. Das Saxophon spielt er zum dahin schmelzen.

Meistens bin ich dankbar und glücklich darüber, von dem tollen Tom Fetgenheuer als eine Art Unterwesen, nämlich als die Schwester von Prinzessin Olivia, wahrgenommen zu werden. Da ich ziemlich in ihn verknallt bin, gebe ich mich gerne mit dieser Rolle zufrieden. Was bleibt mir anderes übrig?

Nachdenklich drücke ich die Klospülung und gehe zum Waschbecken, um mir die Hände zu waschen. Prüfend schaue ich in den Spiegel. Ich mag meine gerade, kleine Nase und die wachen schilfgrünen Augen. Aber meine Lippen finde ich viel zu schmal. Trotzdem, wäre nicht der schwere Körper, könnte ich ganz zufrieden mit meinem Äußeren sein. Während ich mein langes, honigfarbenes Haar kopfüber zu bürsten beginne, höre ich meine Mutter von unten meinen Namen rufen.

„Daria! Telefon!”

Mäßig gespannt trabe ich die Treppe hinunter und nehme in der Küche das Handy von Mo entgegen. Am anderen Ende der Leitung ist meine beste Freundin Nina Rosen. Während sie mir von dem Treffen mit ihrem neuen Freund Niklas, ein Junge, der im Februar neu in unsere Klasse gekommen ist, vorschwärmt, angele ich mir die Cornflakestüte von der Anrichte. Aus dem Kühlschrank hole ich kalte Milch. Teller und Löffel stehen noch vom Frühstück meiner Eltern auf dem Tisch. Wenn Nina erst einmal zu reden beginnt, kann man getrost davon ausgehen, die nächsten zehn Minuten keine Antwort geben zu müssen. So war es schon immer mit uns beiden. Seit unseren Kindergartentagen sind wir befreundet. Nina übernahm von Anfang an den quirligen Part, während ich der ruhende Pol in unserer Freundschaft bin, so jedenfalls sieht es Mo. Auf Nina kann ich mich hundertprozentig verlassen. Sie ist von einer manchmal schon beinahe beleidigenden Aufrichtigkeit, ist mutig in Worten und Taten und reißt mich mit. Ohne sie wäre ich eine verdammte Einzelgängerin. Das Handy zwischen Kopf und Schulter geklemmt, den Teller voll Cornflakes mit Milch balancierend, gehe ich hinaus auf die Terrasse. Das Sonnenlicht blendet. Am Tisch unter dem großen Marktschirm aus weißem Leinen lasse ich mich nieder.

„Wir treffen uns um drei auf dem Marktplatz beim Eiskaffee. Kommst du auch?” fragt Nina.

„Ich weiß noch nicht …”, nuschele ich mit vollem Mund in den Hörer. Ich denke an Tom, der ja heute Nachmittag vorbeikommen will und den ich zwar einerseits nicht verpassen will, weil ich nichts lieber wünsche, als in seiner Nähe zu sein, jedoch andererseits es für klüger halte, ihm aus dem Weg zu gehen. Wenn ich Tom begegne, besteht immer ein hohes Risiko, mich zum Volltrottel zu machen. Außerdem hat bisher jedes Treffen mit Tom einen bitteren Nachgeschmack bei mir hinterlassen.

„Ach, komm schon, Daria. Vesteck´ dich nicht immer. Niklas bringt einen Freund mit. Und Henry kommt auch. Die Luft ist weich und flirrend. Es ist Frühling und Zeit sich zu verlieben.”

Ich schlucke die Cornflakespampe in meinem Mund hinunter. „Verliebt bin ich doch schon lange. Es ist ein definitiv wetterunabhängiges Gefühl …”

Natürlich ist Nina im Bilde.

„Schlag ihn dir aus dem Kopf, Süße. Das kannst du nicht bringen, mit dem Freund deiner Schwester …“ Wie immer versucht sie mir Tom Fetgenheuer auszureden. Stattdessen beginnt sie, ihren Bruder Henry anzupreisen. Das wird langsam zu einer Marotte von ihr. Ich kenne Henry Rosen bereits eben so lange wie Nina, was bedeutet, dass ich mich noch an ihn als einen zahnlückigen Milchbubi erinnern kann. Bereits als Erstklässlerin hatte ich keinen Respekt vor ihm, denn obwohl er schon in der dritten Klasse war, wurde er oft verhauen und stand dann plärrend auf dem Schulhof. Irgendwann kam er auf ein Internat. Mir war das egal. Trotz meiner Schüchternheit würde ich mich niemals unterbuttern lassen. In den ersten Schuljahren war ich meistens diejenige, die freche Buben verprügelte. Dabei nutzte ich den einzigen Vorteil meines bereits damals soliden Körperbaus: ich wirkte stark und Furcht einflößend.

Ich winke meinem Vater zu, der gerade den Rasenmäher aus der Garage schleift. Gleich wird er den Elektromotor anschmeißen. Bevor Paps auf die Idee verfällt, mich für die Pflege unseres lang gestreckten, verwunschenen Gartens anzuheuern, verziehe ich mich lieber auf mein Zimmer. Das Handy zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt, verlasse ich die Küche.

„Also gut, Nina”, lenke ich ein. „Ich komme so gegen vier Uhr zum Eiskaffee, okay?”

Auf diese Weise werde ich Tom zwar kurz sehen, habe aber gleichzeitig eine gute Ausrede dafür, mich schnell zu verdrücken. Mit Glück werde ich mich heute nicht zum Affen zu machen. Jedenfalls ist Nina mit meinem Vorschlag einverstanden, und wir beenden das Gespräch.

Jetzt stellt sich das Problem, was ich nachher anziehen soll. Etwa drei Stunden stehen mir für die Beantwortung der Kleiderfrage zur Verfügung.

Das ist knapp.

2 Tom

Seit einiger Zeit ist mein Leben so furchtbar kompliziert geworden.

Früher habe ich mich zwar auch manchmal über andere Leute geärgert, aber der Groll ging schnell vorüber und das Leben war bald wieder schön. Als Kind durchschaut man die Hintergründe eben nicht, man merkt nicht, dass einem oft eine verlogene Fassade vorgespiegelt wird. Meine Familie war immer ein Ort der Geborgenheit für mich, doch mittlerweile erkenne ich, wie viel schöner Schein dabei ist.

Mo kreist seit langem wie die Sonne um sich selbst. Mein Vater, dieser solide Mensch, dreht sich nur um meine Mutter, und ich habe bisher versucht, immer in Reichweite meines Vaters zu bleiben wie der Mond, der die Erde umrundet. Olivia ist schon immer ihr eigener Fixstern gewesen. Trotzdem kommt im Grunde genommen keiner ohne den anderen aus.

In der Schule ist es ähnlich. Jeder braucht sein Publikum. Wir messen uns aneinander, spiegeln uns in den Reaktionen unseres Gegenübers. In der Grundschulzeit glaubte ich, die Lehrer lebten nur für uns Schulkinder, später erkannte ich, dass sie vollauf damit beschäftigt waren, mit ihren eigenen Problemen und Unzulänglichkeiten zu kämpfen, um den Alltag einigermaßen zu bewältigen.

Und die Freunde? In schlechten Momenten beschleicht mich das Gefühl nur deshalb Ninas beste Freundin zu sein, weil sie mich als ihr beständiges, treues Publikum ausgewählt hat. Jemand, in dem sie sich reflektieren kann. Aber letztlich heißt das alles ja nur, dass die Menschen einander brauchen. Und was ist daran eigentlich so schlimm?

Heute habe ich mich nach etwa einstündigem Hin- und Her vor dem Kleiderschrank für ein dunkelblaues ärmelloses Kleid, dessen dünne Träger im Nacken zusammengeknotet werden, entschieden. Da ich recht kräftige Schultern und Oberarme besitze, beschließe ich, später eine leichte kurzärmelige rotweiß gestreifte Bluse darüber ziehen. Als ich gerade vor dem Spiegel die Träger zusammenbinde, klopft es kurz an meiner Zimmertür und Tom Fetgenheuer tritt breit grinsend ein.

Er fragt, ob er mir behilflich sein kann und deutet mit dem Kopf auf mein Kleid. Sein Blick bleibt an meinen Brüsten hängen. Ich werde knallrot. Mein Herz beginnt wie wild zu pochen und meine Knie werden weich. Tatsächlich fängt er mit seinen warmen, etwas schwitzigen Händen an, an meinem Nacken herumzunesteln. Trotz der Hitze jagen mir ungefähr zweihundert Gänseschauer über den Rücken. Zum Glück scheint Tom die Veränderung meiner Haut nicht zu bemerken. Seine Aufmerksamkeit richtet sich bereits auf den PC, über dessen Bildschirm gerade immer wieder die Buchstaben P I N K in eben dieser Farbe flimmern. Pink ist momentan meine Lieblingssängerin. Tom lässt sich auf dem Schreibtischstuhl nieder und fragt, ob neue Post von Olivia gekommen sei.

Vor Monaten habe ich den Fehler begangen, Tom die E-Mails von Olivia an mich lesen zu lassen. Ich bin in seine Falle getappt, weil ich mich geschmeichelt fühlte, dass er glaubt, Olivia verriete mir mehr über ihr Leben in Florida als ihm. Außerdem bin ich mittlerweile süchtig nach seiner wöchentlichen Stippvisite bei uns. Ich befürchte, er wird nicht mehr bei mir auftauchen, wenn ich ihm die gewünschten Informationen verwehre. Wie genieße ich es doch, Knie an Knie neben ihm am Computer zu sitzen, seinen Duft – ich glaube er benutzt Tommy Hilfiger – einzuatmen und die Wärme seiner samtigen Haut zu ahnen. Oft berühren sich unsere Finger, wenn wir aus Versehen gleichzeitig nach der Computer-Maus greifen.

Dieses Mal stelle ich mich hinter Tom und beuge mich dicht an ihm vorbei zur Maus.

„Mann, strahlst du eine Wärme aus”, sagt Tom und lüftet dabei sein weißes T-Shirt, das ihm am Körper klebt. Im Gegensatz zu mir, die auf ewig so dicht neben ihm stehen bleiben könnte, ist Tom meine Nähe offensichtlich unangenehm.

---ENDE DER LESEPROBE---