Feral Moon 3: Die brennende Krone - Asuka Lionera - E-Book
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Feral Moon 3: Die brennende Krone E-Book

Asuka Lionera

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Beschreibung

**Wenn du für eine Bestie dein Leben geben würdest** Scarlet hat ihre Wahl getroffen – eine Wahl, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt, sie aber auch untrennbar mit der einen Person verbindet, die sie wahrhaftig liebt. Einem Mann, den sie noch vor Kurzem zu ihren schlimmsten Feinden gezählt hätte. Doch ihre Entscheidung hat Folgen, die weit über ihre neu erwachten Fähigkeiten hinausgehen. Denn die wilden Kreaturen vor den Toren der Burg rotten sich zusammen und werden zu einer Bedrohung, die alles bisher Dagewesene übersteigt.  //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der dramatisch-düsteren Reihe »Feral Moon«: -- Band 1: Feral Moon. Die rote Kriegerin -- Band 2: Feral Moon. Der schwarze Prinz -- Band 3: Feral Moon. Die brennende Krone//

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Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Asuka Lionera

Feral Moon 3: Die brennende Krone

**Wenn du für eine Bestie dein Leben geben würdest** Scarlet hat ihre Wahl getroffen – eine Wahl, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt, sie aber auch untrennbar mit der einen Person verbindet, die sie wahrhaftig liebt. Einem Mann, den sie noch vor Kurzem zu ihren schlimmsten Feinden gezählt hätte. Doch ihre Entscheidung hat Folgen, die weit über ihre neu erwachten Fähigkeiten hinausgehen. Denn die wilden Kreaturen vor den Toren der Burg rotten sich zusammen und werden zu einer Bedrohung, die alles bisher Dagewesene übersteigt.

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Vita

Danksagung

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© rini

Asuka Lionera wurde 1987 in einer thüringischen Kleinstadt geboren und begann als Jugendliche nicht nur Fan-Fiction zu ihren Lieblingsserien zu schreiben, sondern entwickelte auch kleine RPG-Spiele für den PC. Ihre Leidenschaft machte sie nach ein paar Umwegen zu ihrem Beruf und ist heute eine erfolgreiche Autorin, die mit ihrem Mann und ihren vierbeinigen Kindern in einem kleinen Dorf in Hessen wohnt, das mehr Kühe als Einwohner hat.

Ein tiefer Fall führt oft zu hohem Glück.

William Shakespeare(Cymbeline IV, 2 – Lucius)

SCARLET

KAPITEL 1

Es ist zum Verrücktwerden! Nicht nur, dass sich die Klingen, die ich vor zwei Tagen noch als Verlängerung meines Körpers angesehen habe, völlig falsch in den Händen anfühlen. Das Schlimmste ist, dass ich meine Kraft nicht mehr einschätzen kann. Und die Geschwindigkeit ebenso wenig.

Mir ist noch immer schleierhaft, wie sich diese Änderungen innerhalb eines einzigen Tages – oder einer einzigen Nacht – vollziehen konnten. Ash meinte, dass ich nun einen Teil seiner Feral-Kraft in mir trage. Anfangs hielt ich das für einen Scherz, aber mittlerweile spüre ich die unbekannte Kraft, die durch meine Adern pulsiert. Allerdings sehe ich mich außerstande, sie einzuschätzen oder in die richtigen Bahnen zu lenken. Deshalb muss ich trainieren.

Mein Blick huscht zur Absperrung des Übungsrings. Keine Ahnung, wie viele Soldaten ich heute Morgen schon ernsthaft verletzt habe, obwohl ich nur mit Stöcken und nicht mit den Halbmond-Klingen kämpfe. Ich konnte ihre Knochen splittern hören, obwohl ich nur mit halber Kraft ausgeholt habe. Mir auszuweichen hat noch keiner geschafft. Jeder Hieb trifft ins Schwarze. Schneller, durchschlagender. Tödlicher. Ich habe gehofft, dass Ash nur damit übertrieben hat, dass er mich eine Weile nicht aus dem Schloss lassen will, bis ich alles unter Kontrolle habe. Ich dachte wirklich, dass es nur kurz dauern würde, mich an die neue Kraft, die durch mich hindurchrauscht und mich bestärkt, zu gewöhnen. Doch als ich meine Klingen in die Hände nahm und sie sich viel leichter anfühlten, wusste ich, dass etwas nicht stimmte.

Und das ist nicht alles. Ich bin erschrocken darüber, in wie vielen der Soldaten, die hier im Schloss dienen, ein Feral schlummert. Sie reagieren allesamt auf mich, aber erst dann kann ich erkennen, was sie wirklich sind. Es verursacht mir ein mulmiges Gefühl im Magen, wenn sie vor mir zurückweichen. Manche werfen sich sogar auf die Knie, wenn ich nur flüchtig in ihre Richtung schaue.

Hazel fand das anfangs lustig; Payne hat nur die Stirn gerunzelt. Ich bin froh, dass ich die beiden um mich habe. Sie bewahren mich davor, völlig durchzudrehen. Als ich heute Morgen in unser gemeinsames Zimmer kam und die Sachen, die ich nicht brauchte, in der Kommode verstaute, mussten sie nur einen Blick auf mich werfen, um zu erkennen, was ich bin. Sie neigten beide den Kopf und lächelten mich an. Ich habe mich nicht getraut zu fragen, wie viel sie wirklich wissen. Aber wahrscheinlich wussten sie von Anfang an mehr als ich. Ich musste es selbst herausfinden. Auf die harte Tour. Und beinahe wäre ich daran zerbrochen.

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass sich mein Leben so sehr verändern könnte. Als ich vor über fünf Jahren beinahe einer Feral-Attacke zum Opfer fiel und meinen Jugendfreund Tristan für tot hielt, verlor ich jeglichen Lebenswillen. Nur dank Ashs Fürsprache und Jydes gnadenlosem Training kämpfte ich mich zurück auf die Füße und sah mein neues Lebensziel in der Ausrottung der Ferals.

Die Welt um mich herum war damals schwarz und weiß. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass sich das ändern würde. Doch nun bin ich die Gefährtin eines Alphas. Ich kann es selbst kaum glauben!

Die Welt um mich herum fühlt sich klarer, aber auch neu an und ich habe Mühe, mich darin zurechtzufinden.

Hazel sucht einen neuen »Freiwilligen« aus, der gegen mich kämpfen soll. Sie und Payne sind der Meinung, dass ich zuerst lernen muss einzuschätzen, wozu meine neue Kraft in der Lage ist – und das ginge am besten, indem ich mich ein bisschen verausgabe. Aber ich werde nicht müde. Nach mehreren Stunden Training sollten die Arme schwer werden oder mir zumindest ein paar Schweißperlen auf der Stirn stehen. Doch da ist nichts. Mein Atem geht gleichmäßig und der Griff um die Stöcke ist fest.

Der junge Soldat, der auf Hazels Befehl hin in den Ring stolpert, lässt sich sofort vor mir auf die Knie fallen. Frustriert blecke ich die Zähne, was ihn nur veranlasst, noch tiefer in den Staub zu sinken. Dieses Verhalten lässt nur einen Schluss zu: ein weiterer Feral … Offensichtlich! Na toll. Die Nachricht, dass ich Ashs Gefährtin bin, wird sich in rasender Geschwindigkeit in der Burg verbreiten. Wie viele von denen, die hier leben, wissen wohl, was Ash ist? Wissen es nur die, die sich ihren Körper mit einem Feral teilen, oder ist es ein offenes Geheimnis, das nur ich nicht kannte? Ich zwinge mich dazu, ruhig zu bleiben, und bedeute dem jungen Soldaten mit einem Kopfnicken, dass er verschwinden soll. Hastig kommt er der Aufforderung nach und stolpert dabei fast über die eigenen Füße.

»So funktioniert das nicht«, erkläre ich an Payne gewandt, die gegen die Absperrung gelehnt dasteht.

»Sag uns doch vorher, welche von ihnen Ferals sind«, meint sie. »Dann könnten wir sie gleich ausschließen.«

Doch ich schüttele den Kopf. »Ich erkenne sie nicht. Erst, wenn sie auf mich reagieren, weiß ich, was ich vor mir habe. Abgesehen davon sehen sie aus wie normale Menschen. Ich bemerke keinen Unterschied.«

Payne seufzt. »Das bringt uns nicht weiter.«

»Es bringt uns auch nicht weiter, wenn ich die Hälfte unserer Soldaten verletze.«

»Mit den Stöcken sicher nicht«, sagt Payne. »Es sind deine Klingen, an die du dich wieder gewöhnen musst.«

Ich runzele die Stirn. »Wenn ich ihre Knochen schon mit den verdammten Stöcken zersplittern lasse, was glaubst du wohl, was passiert, wenn ich die Klingen nutze?«

Payne nickt. »Du brauchst einen anderen Trainingspartner.«

»Und wen?«, frage ich. »Die Ferals weigern sich gegen mich zu kämpfen – und die anderen sind … unerfahren und mir erst recht nicht gewachsen.«

Ich wünschte, mein Lehrmeister Jyde wäre hier. Er konnte mir zwar nach fünf Jahren harten Trainings nichts mehr beibringen, aber selbst nach meiner Ausbildung hat er immerhin länger als zehn Sekunden gegen mich durchgehalten.

»Was ist mit Ash?«, wirft Payne ein. »Solange er seinen Nexus getragen hat und wusste, wie dein nächster Schritt aussieht, hat er sich ganz schön lange gegen dich behaupten können.«

Ich schüttele den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er gegen mich kämpfen will. Nicht mal zu Trainingszwecken.«

»Von wollen ist hier auch nicht die Rede«, sagt Hazel, die zu uns geschlendert kommt. »Niemand bei klarem Verstand will gegen eine von uns kämpfen.«

Das überhebliche Grinsen, das sie dabei zur Schau stellt, ist ansteckend. Mir ist nicht entgangen, wie die Männer selbst vor der zierlichen Gestalt mit dem niedlichen Gesicht zurückweichen. Ja, wir drei haben einen gewissen Ruf unter den Wachen. Wer einmal einer von uns gegenüberstand oder bei einem unserer Kämpfe zugesehen hat, überlegt sich, ob er sich mit uns anlegt.

Hazel ist eine Meisterin mit Pfeil und Bogen und trifft selbst aus großen Entfernungen ihr Ziel mit Leichtigkeit. Ich habe noch nie gesehen, dass sie danebengeschossen hätte.

Paynes Kampfkünste stammen aus einem fernen Land. Sie hat sich auf den Nahkampf spezialisiert, kann aber auch einen Gegner mittels eines einzigen Handkantenschlages unschädlich machen.

Ich hingegen kämpfe mit zwei gebogenen Schwertern, die Halbmond-Klingen genannt werden. Seit ich zur Leibwache gestoßen bin, der Hazel und Payne bereits angehörten, sind wir ein Team, gegen das noch niemand bestehen konnte.

Doch bei dem Training, das ich jetzt benötige, können mir weder Hazels Schusskünste noch Paynes Fingertricks etwas nützen.

»Na schön, ich frage ihn«, sage ich und entferne mich ein Stück von den beiden. Dann schaue ich nach oben zu der Brüstung, auf der Ash schon den ganzen Morgen sitzt, und tippe auf meinen Nexus.

»Komm runter, ich brauche dich hier«, denke ich, sobald er die Verbindung angenommen hat. Er versteht mich zwar auch so, wenn ich an etwas denke, da sein Nexus meine Gedanken auf kurze Distanz abhören kann, aber ich ziehe es vor, mich mit ihm unterhalten zu können.

»Ich kämpfe nicht gegen dich, Scar«, antwortet er ohne Umschweife.

»Warum denn nicht? Es ist doch nur Training und es wäre nicht das erste Mal. Du darfst auch deinen Nexus tragen.«

»Die Gefahr, dass ich dich verletzen könnte, wäre viel zu groß.«

Ich verdrehe die Augen. »Stell dich nicht so an! Bisher hast du mich noch nicht verletzt. Und falls doch etwas passieren sollte, hast du ein Mittel, um mich wieder zusammenzuflicken.«

Als Alpha verfügt Ash über die Gabe, Verletzungen bei sich in rasender Geschwindigkeit heilen zu können. Bis zu einem gewissen Grad funktioniert das auch bei mir, deshalb mache ich mir keine Sorgen darüber, verletzt werden zu können.

»Mein ›Feral-Sabber‹, wie du ihn so schmeichelhaft nennst, funktioniert nur bei oberflächlichen Wunden.«

»Dann sollten wir nicht mit stumpfen Waffen kämpfen.«

Er seufzt. »Na schön. Ein Kampf. Ein einziger. Danach habe ich dir einen anderen Trainingspartner organisiert.«

Und damit unterbricht er die Verbindung, bevor ich erfahren kann, was er mit der letzten Bemerkung gemeint hat. Ich drehe mich zu Hazel und Payne um und halte einen Daumen nach oben. Als ich wieder hoch zur Brüstung sehe, ist Ash bereits verschwunden.

Nur wenige Augenblicke später kommt er durch die Gänge hinaus auf den Hof geschlendert. An seiner Seite hängt ein Schwert, ansonsten trägt er dieselben Klamotten, die er bereits heute Morgen anhatte. Keine Rüstung. Nicht einmal ein Lederschutz an Armen oder Brust. Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. So will er gegen mich kämpfen? Ich weiß nicht, ob ich über seine Selbstüberschätzung den Kopf schütteln oder lachen soll. Traut er mir so wenig zu? Schließlich habe ich ihn bereits einmal besiegt, als ich der Königin vorführen musste, wozu ich fähig bin. Ich erinnere mich mit einem Schmunzeln an den Tag zurück, denn nach unserem Kampf und der darauffolgenden verbalen Auseinandersetzung, für die ich ihm am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, hat er mich zum ersten Mal, seit ich im Schloss ankam, geküsst. Und seitdem führte eins zum anderen …

An der gegenüberliegenden Seite des Rings bleibt Ash stehen und verschränkt die Arme. »Wolltest du nicht auf stumpfe Waffen verzichten?«

Mein Blick huscht zu den Halbmond-Klingen, die an der Absperrung lehnen und im Schein der Morgensonne glänzen. Meine Finger kribbeln vor Verlangen, sie endlich wieder zu führen, und noch dazu in einem Kampf, der mich fordern könnte. Nicht nur gegen leblose Attrappen, die meinen Hieben nichts entgegenzusetzen haben. Aber … ich habe Probleme, Kraft und Geschwindigkeit einzuschätzen.

Ash zieht sein Schwert und durchbricht damit meine Gedanken. Ein Schauer rauscht mir durch den Körper, befeuert durch Vorfreude und Aufregung. Ohne weiter zu zögern, eile ich hinüber zu den Klingen und werfe im Laufen die dämlichen Stöcke einem der Zuschauer zu. Wie gewohnt umfasse ich die Griffe der gebogenen Waffen und lasse sie zweimal um mich herumwirbeln. Ihr Gewicht fühlt sich noch immer anders an als sonst … Ich schließe die Augen und atme tief durch. Davon darf ich mich jetzt nicht ablenken lassen! Ash ist kein leichter Gegner, obwohl er sicher Rücksicht auf mich nehmen wird. Und wenn er keine nimmt, wird Tenebrae es tun.

Tenebrae ist Ashs eigentlicher Name, aber ich benutze ihn nur für den Feral, der in ihm wohnt. Ich weiß noch genau, was in mir vorging, als ich seine andere Gestalt das erste Mal sah: Ich war mir sicher, dass ich sterben würde. Riesengroß, mit rabenschwarzem Fell überzogen und gefährlich. Zumindest dachte ich das. Ashs Feral entpuppte sich jedoch schnell als zutraulich und behütend, jedenfalls mir gegenüber. Alle anderen haben in Tenebraes Gegenwart weniger zu lachen. Tristan kann davon ein Lied singen und froh sein, dass er dem schwarzen Alpha in einem Stück entkommen konnte, nachdem er mich dazu zwingen wollte, seine Gefährtin zu werden. Ash – oder vielmehr Tenebrae – hat das weniger gut aufgefasst. Es dauerte eine Weile, bis auch ich so weit war, um über meinen Schatten springen zu können. Schließlich bestand mein Lebenssinn bis zu jenem schicksalhaften Abend darin, die Ferals auszulöschen. Da konnte ich mir auch noch nicht träumen lassen, dass in meinen beiden Prinzen ein ebensolches Monster schlummert!

Als ich mich nun zu Ash umdrehe, drücke ich auf meinen Nexus und starte die Kampfsequenz. Nach nur wenigen Sekunden blinken Zahlen und mögliche Angriffswege meines Gegenübers vor mir auf. Doch irgendwas stimmt nicht … Diese Zahlen können unmöglich richtig sein! Sie sind viel zu hoch! Beim letzten Mal waren sie …

Aus dem Augenwinkel sehe ich Stahl aufblitzen und schaffe es im letzten Moment, die eigenen Waffen zu heben und Ashs Angriff abzublocken. Der Aufprall unserer Schwerter vibriert bis hinauf in meine Schultern und lässt mich fast auf dem Hintern landen. Die Zahlen, die mein Nexus ausspuckt, blinken wild auf und warnen mich vor einer weiteren Attacke. Aber wie kann er so schnell …?

Ich habe kaum Zeit, mich von dem ersten Angriff zu erholen, da springt Ash bereits ein paar Meter zurück und holt wieder aus. Ich ignoriere das Geblinke vor den Augen und die Zahlen, die mir sagen, dass ich verdammt noch mal das Weite suchen sollte, und springe stattdessen ebenfalls nach vorn. Mit einem ohrenbetäubenden Klirren prallen unsere Klingen aufeinander. Staub wirbelt zu unseren Füßen auf. Meine Arme zittern, als ich versuche Ash zurückzudrängen, doch er bewegt sich keinen Zentimeter. Beinahe gelassen schaut er auf mich herab.

Ich fühle mich an unseren ersten Kampf erinnert, kurz nachdem ich hier im Schloss ankam, aber diesmal löst Ashs schiefes Grinsen bei mir keine Wut, sondern ein Kribbeln im Bauch aus. Seine wunderschönen, farblich unterschiedlichen Augen funkeln vor Kampfeslust und Stolz. Keiner von uns muss sich beweisen oder klarstellen, wer von uns der Bessere ist. Wir stehen seit gestern Nacht auf einer Stufe, er und ich. In uns pulsiert die gleiche Macht. Ich genieße es dennoch, mich mit ihm zu messen und endlich wieder meine Klingen führen zu können, ohne fürchten zu müssen, dass ich jemanden ernsthaft verletzen könnte.

»Du hast dich beim letzten Mal zurückgehalten«, murmele ich, während ich noch immer versuche ihn zurückzudrängen.

Er zuckt mit einer Schulter. »Schon möglich.«

Ich lasse die rechte Klinge gegen seine stoßen und verschaffe mir dadurch etwas Freiraum. Dann greife ich nach meinem Nexus, nehme ihn ab und werfe ihn Hazel zu, bevor ich mich wieder Ash zuwende. Er zieht nur eine Augenbraue nach oben. Wir sind einander ganz nah; keiner der Zuschauer kann verstehen, was wir sagen.

»Dann zeig mal, was du kannst, Alpha.«

Sein freches Grinsen wird breiter und wirkt auf einmal verrucht. »Hältst du es für eine gute Idee, mich zu reizen?«

»Tue ich das etwa?«, frage ich so unschuldig wie möglich.

Er beugt sich zu mir herab und flüstert mit rauer Stimme in mein Ohr: »Tenebrae hast du bei eurem Trainingskampf einen Preis versprochen. Bekomme ich auch etwas, wenn ich gewinne?«

Sofort schießt die Hitze des gestrigen Tages und der darauffolgenden Nacht wieder durch meine Adern. Ich beiße mir auf die Unterlippe, als ich scharf die Luft einsauge.

Federleicht fährt Ash mit der Nase an meinem Hals entlang und schnuppert. »Mir gefällt, woran du denkst.«

Ich trage meinen Nexus nicht mehr, aber er kann sie riechen – meine Erregung.

»Und was bekomme ich, wenn ich gewinne?«, frage ich heiser.

Ashs Blick huscht zurück zu meinem. »Was hättest du denn gerne?«

»Ich bin sicher, dass mir etwas einfallen wird«, schnurre ich. »Wir sollten uns also beide anstrengen.«

»Worauf du wetten kannst.«

Ohne eine weitere Vorwarnung lassen wir unsere Waffen aufeinanderprallen. Da ich mich nicht zurückhalten muss, fällt es mir mit jeder Minute leichter, die neue Kraft und die Geschwindigkeit, über die ich nun verfüge, besser einschätzen zu lernen. Es klappt noch nicht perfekt und ich mache Fehler. Bei einigen Angriffen lege ich zu viel Schwung hinein, sodass ich beinahe auf der Nase lande, wenn Ash mir einfach nur ausweicht. Allgemein gibt er mir sehr viel Raum, greift mich nur direkt an, wenn ich ihm keine andere Wahl lasse, und pariert die Attacken lediglich.

Er ist viel schneller und stärker, als ich es mir je hätte vorstellen können. Bei unserem Showkampf hat er mich absichtlich gewinnen lassen, damit ich in jedem Fall in die Leibwache aufgenommen werde, da bin ich mir sicher. Vor ein paar Wochen wäre ich deswegen noch wütend auf ihn gewesen, aber jetzt, wo ich weiß, was er ist, kann ich es nicht. Ich akzeptiere, dass er stärker ist, als ich es damals war. Ich hielt mich für schnell und unbesiegbar, dabei kommen mir meine damaligen Kampfversuche nun stümperhaft vor.

Wieder und wieder klirren unsere Waffen gegeneinander, ohne dass einer von uns die Oberhand gewinnt. Mit jeder Attacke gewinne ich ein Stück meiner alten Leichtigkeit zurück und nach einer gefühlten Ewigkeit scheinen die Halbmond-Klingen wieder ein Teil von mir zu werden.

Ash bemerkt es ebenfalls, denn er nickt mir zu. »Wollen wir dann ernst machen?«, fragt er leise. Verwirrt blinzele ich ihn an. »Ich hätte gerne meine Belohnung.«

Bevor ich reagieren kann, schlägt er mir mit einem gezielten Hieb die rechte Klinge aus der Hand. Ich stolpere einen Meter zurück, verliere durch die Wucht des Aufpralls das Gleichgewicht und lande auf dem Hintern. Ash hält mir die Spitze seines Schwertes an den Hals.

Einen Moment begegne ich seinem Blick, in dem ich jedoch keinen Hochmut oder Geringschätzung erkennen kann. Nur Freude und Stolz blitzen in seinen Augen um die Wette. Ich lasse den Kopf in den Nacken sinken und hebe beide Hände als Zeichen meiner Kapitulation.

Um uns herum ist es still. Mehrere Sekunden vergehen, bis Jubel und Applaus aufbranden. Einige Wachen kommen auf Ash zu und klopfen ihm auf die Schulter. Ich springe auf die Füße, nehme meine Klinge an mich und schlendere hinüber zu Hazel und Payne.

»Keine schlechte Vorstellung«, sagt Payne. »Gegen Ende hin bist du immer besser geworden.«

Ich nicke und setze meinen Nexus, den Hazel mir reicht, wieder auf. Sofort spüre ich ein Klopfen im Kopf, das eine Gedankenverbindung mit Ash ankündigt.

»In mein Zimmer«, kommandiert er knapp. »Ich bin in fünf Minuten da.«

Normalerweise würde ich mich über einen solchen Befehlston ärgern, aber Ashs lässt mich schmunzeln – und ein Kribbeln der Vorfreude rauscht durch meinen Körper. Als ich zu ihm schaue, sehe ich, wie krampfhaft er versucht das Lob der Soldaten entgegenzunehmen, während sein Blick die ganze Zeit über immer wieder zu mir huscht.

»Danke für eure Hilfe«, sage ich zu meinen Mitbewohnerinnen. »Wir treffen uns später.«

»Die Königin will uns heute Nachmittag sehen«, teilt Hazel mit, bevor ich mich umwenden kann.

»Ich werde da sein«, verspreche ich.

Payne zieht eine Augenbraue nach oben und schaut in Ashs Richtung. »Bist du sicher? Oder sollen wir dich lieber zwanzig Minuten vorher abholen kommen?«

Hazel kichert und hält Payne die Hand hin, damit sie einschlagen kann, während ich spüre, dass meine Wangen rot werden. Trotzdem nicke ich und ein Lächeln zupft bereits an meinen Lippen. Dann wirbele ich auf der Hacke herum und versuche mich möglichst unauffällig davonzustehlen.

***

Ich habe es kaum zurück in sein Zimmer geschafft, als sich die Tür hinter mir bereits wieder öffnet. Ash schlüpft in den Raum und tritt die Tür wieder hinter sich zu.

»Du hast irgendwie merkwürdige fünf Minuten«, ziehe ich ihn auf, klinge dabei aber seltsam atemlos.

Durch meine Adern rauscht noch die Anspannung unseres Kampfes, doch es ist mehr als das. Jetzt, da ich weiß, was er mit mir anstellen kann, muss ich Ash nur ansehen, um in mir ein schier unbändiges Verlangen zu schüren. Ihm scheint es ebenso zu ergehen und das lässt mich nur noch mehr brennen.

Wir stehen uns gegenüber, schauen uns an und warten darauf, dass der andere den nächsten Schritt macht. Ich warte nicht, weil ich mich nicht trauen würde, den Anfang zu machen, sondern weil ich die knisternde Spannung zwischen uns genieße, die mit jeder verstreichenden Sekunde stärker zu werden scheint. Allein unsere Blicke genügen, um den jeweils anderen wissen zu lassen, wie es um uns steht.

Schließlich ist es Ash, der den ersten Schritt macht. Er packt meine Hand, zieht mich an sich. Ich pralle gegen seine Brust, spüre seine Hände an meinem Po und werde hochgehoben. Wie von selbst schlingen sich meine Beine um seine Mitte und ich vergrabe die Finger in seinen ohnehin schon zerzausten Haaren. Sein Mund fühlt sich heiß, fast fiebrig, auf meinem an. Ich spüre seine Zähne an meiner Unterlippe. Als er sich knabbernd weiter nach unten vorarbeitet, ziehe ich leicht an seinen Haaren. Er antwortet mit einem gezischten Stöhnen und presst mich mit dem Rücken grob gegen die nächste Wand. Ich keuche auf und er hält sofort inne. Sein Blick huscht zu meinem Gesicht, sucht nach Anzeichen dafür, dass er mir wehgetan hat, doch ich ziehe ihn mit den Beinen näher an mich, um seine Bedenken zu zerstreuen.

Er hat mich nicht verletzt, ganz im Gegenteil. Ich liebe es, wenn er mich nicht wie ein rohes Ei behandelt, denn ich gehöre nicht zu den Frauen, die ein Mann nur mit Samthandschuhen anfassen darf. Ich will ihn spüren, auf mir und in mir, nicht nur flüchtig, sondern so, dass das Gefühl auch danach noch bestehen bleibt.

Lächelnd lehnt er die Stirn an meine. »Du bist wirklich mein ganz persönliches Wunder.«

Ehe ich fragen kann, was er meint, fällt mir wieder ein, dass wir beide unseren Nexus tragen und er meine Gedanken hören konnte. Nun kriecht die Hitze, die in meinem Körper wütet, auch die Wangen hinauf.

»Es gibt nichts, was dir peinlich sein müsste«, murmelt er, bevor sein Mund wieder mit meinem verschmilzt.

Ich gebe mir dennoch die größte Mühe, an gar nichts zu denken, während er jetzt sanft und fordernd zugleich an meinem Hals knabbert. Erst als er die Hüften gegen meine gespreizten Beine drückt, herrscht in meinem Kopf wieder Aufregung. Ich stöhne, schlinge die Beine noch enger um ihn und bewege die Hüften im Takt mit ihm.

»Wenn du deine Lederrüstung nicht sofort ausziehst, schneide ich sie dir mit der Klinge vom Leib«, raunt er. Allein der Klang seiner Stimme lässt meine Nerven zusätzlich vibrieren.

»Dazu müsstest du mich runterlassen«, entgegne ich gepresst und atemlos.

Ash knurrt. »Oder ich gebe eine neue Rüstung in Auftrag und reiße diese einfach in Fetzen«, sagt er dann. »Ich kann mir das als Prinz erlauben.«

Ich schmunzele, während ich eine Hand unter sein Kinn lege und seinen Kopf leicht anhebe, damit er mich ansieht. »Das wäre aber sehr verschwenderisch, mein Prinz. Ich hänge an dieser Rüstung, weißt du?«

Seine Augen werden groß, als er mich anstarrt. Ich glaube sogar, dass er die Luft anhält. »Sag das noch mal«, bittet er mit rauer Stimme.

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und kann ein breites Lächeln auf meinen Lippen nicht verhindern. »Dass ich an der Rüstung hänge?«

»Du weißt genau, was ich meine.«

Ja, das weiß ich. Und bis auf ein kleines Missgeschick im Wald und in meinem Zimmer habe ich es noch nie gesagt, wenn er in der Nähe war. Stattdessen habe ich es stets abgestritten, wenn ein anderer die Sprache auf uns brachte.

Ich lehne mich nach vorn, schaue ihm tief in die Augen und wispere die Worte, die er hören und ich aussprechen will. »Mein Prinz.«

Ich spüre, wie sein gesamter Körper an meinem erschauert, und protestiere nicht, als er mit einem Ruck meine Lederrüstung in Fetzen reißt.

KAPITEL 2

Gefühlte Minuten später werden wir durch ein sehr hartnäckiges Klopfen an der Tür geweckt. Grummelnd schmiege ich mich enger an Ash, der mir jedoch nur einen flüchtigen Kuss auf die Stirn haucht und dann aus dem Bett klettert. Aus einem halb geöffneten Auge beobachte ich ihn dabei, wie er auf dem Boden nach der Hose sucht. Nur spärlich dringt Licht durch die zugezogenen Fenster, deshalb habe ich keine Ahnung, wie spät es tatsächlich ist. Aber was kümmert es mich? Wäre dieses nervige Klopfen nicht, könnte ich wohl noch ewig weiterschlafen. Doch wer auch immer da draußen auf dem Flur steht, kennt kein Erbarmen.

Nachdem Ash die Hose gefunden und angezogen hat, öffnet er die Tür einen Spaltbreit. Zischend werfe ich mir die Decke über den Kopf, weil das Licht, das vom Gang ins Zimmer dringt, in den Augen brennt.

»Was gibt es?«, fragt Ash.

»Stören wir?«, trällert Hazel mit viel zu hoher und aufgedrehter Stimme.

»Wir wollen zu Scarlet«, sagt Payne, bevor Hazel zu weiteren Bemerkungen ansetzen kann. »Die Königin will uns in ein paar Minuten sehen.«

Ich werfe die Decke von mir und setze mich auf. »O Mist! Das habe ich völlig vergessen.«

Erst als Hazel mich breit angrinst, Payne seufzend den Kopf schüttelt und Ash ein Schmunzeln hinter der Hand versteckt, merke ich, dass ich splitterfasernackt im Bett sitze. Schnell greife ich wieder nach der Decke und klemme sie unter die Arme. Mein Blick huscht zum Boden, wo unsere Klamotten wild verteilt liegen. Meine Lederrüstung ist zerfetzt. Ich habe gar nichts mehr, was ich anziehen könnte …

»Hier.« Payne wirft mir ein Bündel zu. »Wir haben dir was mitgebracht.«

Als ich sehe, dass es sich dabei um meine andere Rüstung handelt, die ich für die Reise nach Leerth bekommen habe, seufze ich erleichtert.

»Ihr seid meine Rettung«, sage ich und mache mich sofort ans Anziehen.

»Ich richte dir die Haare!«, ruft Hazel und kommt zu mir. Auch Payne stellt sich neben mich und berichtet mir, was ich die letzten Wochen verpasst habe. Mit den Fingern kämmt Hazel meine Haare und beginnt anschließend sie mir zu einem Zopf zu flechten.

»He, das ist immer noch mein Zimmer«, grummelt Ash von der Tür aus, bedenkt uns drei aber mit einem Lächeln. »Fühlt euch eben wie zu Hause …«

Die beiden beachten ihn gar nicht, sondern erzählen abwechselnd davon, wie oft sie Ruby auf dem Rückweg von Leerth beinahe den Hals umgedreht hätten.

»Ruby und die paar Mädchen, die von der Entourage noch übrig waren, sind in vorteilhafte Ehen vermittelt worden. Wusstest du das schon?«, fragt Payne.

Ich schüttele den Kopf, was mir ein Schnauben von Hazel einbringt, die mit dem Flechten meiner Haare noch nicht fertig ist.

»Wer genau der arme Mann ist, der sich nun mit Ruby herumschlagen darf, weiß ich nicht, aber die anderen beiden sind vom Hof verschwunden und wohnen jetzt irgendwo in der Stadt«, berichtet Payne weiter. »Bei ihnen war es ja sowieso absehbar, dass sie nicht infrage kamen – aber dass für Ruby so schnell ein potenzieller Ehemann gefunden wurde …«

»Hauptsache, sie ist weg«, sagt Hazel. »Was kümmert es uns, wer sie nun am Hals hat?«

»Seit wann ist Ruby bereits mit einem anderen verlobt?«, frage ich.

»Neera hat gleich nach unserer Rückkehr nach Daarth veranlasst, dass sie die Burg verlässt«, sagt Payne. »Bereits einen Tag später wurde sie mit Sack und Pack abgeholt. Dabei hat sie geheult wie ein kleines verzogenes Kind.« Sie zuckt mit den Schultern. »Wirklich gut aufgenommen hat sie es nicht. Wahrscheinlich dachte sie immer noch, dass sie Chancen hätte, die nächste Königin zu werden.«

»Die schwanden von dem Zeitpunkt an, als Scarlet einen Fuß in die Burg setzte«, plappert Hazel.

»Selbst davor hatte Ruby keinerlei Chancen«, brummt Ash. »Könnt ihr bitte damit aufhören, über so was zu reden, wenn ich noch anwesend bin?«

Doch keine von uns bemüht sich seine Frage zu beantworten.

Nachdem der Zopf fertig ist und ich angezogen bin, greife ich nach meinen Klingen und befestige sie an den Vorrichtungen am Rücken. Hazel und Payne warten bereits an der Tür auf mich.

Ash nimmt meine Hand, als ich an ihm vorbeilaufe. »Du stehst nicht mehr im Dienst meiner Mutter«, flüstert er. »Du musst ihr nicht mehr gehorchen, wenn sie nach dir schickt.«

Ich schüttele kurz den Kopf, bevor ich mich an ihn schmiege und die freie Hand über seine nackte Brust gleiten lasse. »Ich gehe nicht, weil es meine Pflicht ist, sondern weil ich es will. Für mich ist sie nicht nur die Königin, sondern auch eine Freundin. Es muss einen Grund geben, warum sie uns alle drei sehen möchte.« Ash mustert mich besorgt. »Ich verspreche dir, dass ich das Schloss nicht verlassen werde.«

Er lehnt sich nach vorn und küsst mich. »Mir wäre es lieber, wenn du mein Bett nicht verlassen würdest«, wispert er an meinen Lippen. »Wobei wir das an der Wand auch bei Gelegenheit wiederholen sollten.«

»Aber nur, wenn du nicht wieder meine Klamotten zerfetzt«, entgegne ich.

Er zuckt mit den Schultern. »Ich habe mich vielleicht etwas mitreißen lassen.«

»Vielleicht«, murmele ich. Nach einem letzten Kuss löse ich mich von ihm und wende mich um. »Bis nachher«, sage ich, bevor ich zu Hazel und Payne eile.

***

Wir sind pünktlich im Thronsaal, sodass wir nicht Neeras Zorn auf uns ziehen. Die Königin steht etwas abseits und unterhält sich mit Caleb. Als sie uns sieht, gibt sie Caleb mit einem Wink zu verstehen, dass er gehen kann, und wir drei sinken auf die Knie.

Neera bleibt vor uns stehen und legt mir einen Finger unters Kinn. Als ich zu ihr aufsehe, lässt sie ihn meinen Hals hinuntergleiten und zieht den Kragen meiner Rüstung ein Stück weit auseinander. Ihr Blick fällt auf die Bissmale. Mit jeder verstreichenden Sekunde verkrampfen sich meine Muskeln weiter. Sie meinte zwar, dass sie es gutheißt, aber ich kann nicht einschätzen, ob es nicht doch nur so dahingesagt war. Ob sie es nicht nach langen Jahren der Herrschaft vorziehen würde, keine andere Frau im Rang über sich zu haben.

Erst als Neera mich anlächelt, fällt die Anspannung von mir ab. Sie streicht mir mit der Hand über die Wange, bevor sie uns befiehlt, uns zu erheben.

»Ich habe eine Überraschung für dich, Scarlet«, sagt sie.

Noch bevor ich fragen kann, was sie damit meint, wird die Tür zum Thronsaal geöffnet und plötzlichen stehen meine Großmutter und Jyde vor mir. Ich falle ihr um den Hals. Seit ich so überstürzt aufgebrochen bin, weil Tenebrae mich brauchte, habe ich sie nicht mehr gesehen.

Jyde verharrt etwas abseits, und nachdem ich mich von Großmutter gelöst habe und wieder zurück zu meinen Freundinnen getreten bin, fällt mir auf, dass sein Blick zwischen der Königin und mir hin- und herhuscht. Er macht einen Schritt auf uns zu.

Und verbeugt sich vor mir.

Verwirrt schaue ich mich um, doch Neera steht mehrere Schritte von mir entfernt. Sie kann er nicht meinen. Aber … wie …?

»Jyde«, murmele ich. »Bist du …?«

Es gibt nur eine Erklärung für sein Verhalten. Einzig und allein ein Feral kann wissen, was ich bin und welchen Rang ich innehabe. Die Erkenntnis, dass Jyde demnach einer sein muss, trifft mich wie ein Schlag. Ich wollte nie darüber nachdenken, wie viele der Menschen, die ich kenne, tatsächlich Ferals sind, aber auf Jyde wäre ich nie im Leben gekommen. Gäbe es eine Liste, die ich nach der Wahrscheinlichkeit geordnet hätte, stünde Jyde mit am Ende. Der beste Kämpfer unseres Dorfes ist ein Feral. Er hat andere darin ausgebildet, Ferals zu jagen und zu töten … Ich werde wohl noch eine Zeit lang brauchen, um das wirklich zu verstehen.

Ein Funkeln liegt in Jydes gesundem Auge, als er sich wieder aufrichtet und mich ansieht. »Erwarte aber nicht, dass ich dich anders behandele als zuvor.«

Meine Mundwinkel zucken. »Darauf wäre ich nicht im Traum gekommen.«

Meinte Ash das etwa damit, als er sagte, er würde mir einen anderen Trainingspartner organisieren?

»Ich bin gespannt zu sehen, welche neuen Tricks du jetzt auf Lager hast«, sagt Jyde.

»Das muss noch warten«, unterbricht uns die Königin. Sie legt meiner Großmutter eine Hand auf die Schulter. »Brianna, ich würde mich sehr geehrt fühlen, wenn du unserer Unberührbaren unter die Armen greifen könntest. Ihre Dienste waren in letzter Zeit … weniger hilfreich.« Dann wendet sie sich an Jyde. »Ich bin sicher, dass du sehr viel Freude daran hättest, unsere Rekruten auf Vordermann zu bringen. Außerdem lege ich das Training meiner Leibwächter in deine Hände. Sie sind zwar alle drei sehr gut in Form, aber bestimmt gibt es das ein oder andere, was du ihnen beibringen kannst.« Sie wirft mir einen kühlen Blick zu. »Und wenn es nur dazu dient, dass eine von ihnen nicht meine armen Soldaten grün und blau prügelt, soll es mir auch recht sein.«

Ich ziehe den Kopf zwischen die Schultern und versenke den Blick in den Boden.

Jyde nickt. »Es wird mir eine Ehre sein.«

Caleb, der an der Tür gewartet hat, führt Großmutter und Jyde nach draußen.

»Vielen Dank«, sage ich zu Neera. »Dafür, dass sie hier sein dürfen.«

Doch Neera winkt ab. »Nicht dafür. Ich freue mich, vor allem Brianna hier im Schloss zu wissen. Ihre Heilkünste können wir immer gebrauchen und auch Jyde wird eine Bereicherung für unsere Truppen sein. Schließlich hat er dich trainiert. Nun aber zu dem Grund, warum ich euch gerufen habe.« Nacheinander schaut sie uns an. »Wie ihr wisst, konnte das Treffen in Leerth aufgrund eines Zwischenfalls nicht zu Ende gebracht werden.«

»Was für ein Zwischenfall?«, frage ich.

»Dass du und Ash verschwunden seid und der Verlobte der Prinzessin mit ein paar fiesen Kratzern zurückkam«, wirft Payne in gewohnt trockenem Tonfall ein.

»Oh«, murmele ich. Das habe ich nach allem, was in letzter Zeit meinen Kopf beschäftigt hat, fast wieder verdrängt.

»Hat er dir etwa schon nach zwei Tagen die Gehirnzellen rausgevögelt?«, fragt Hazel.

Neera reibt sich seufzend mit der Hand über die gerunzelte Stirn, während ich die kleine Leibwächterin entgeistert anstarre, unfähig auf ihre Unverfrorenheit etwas zu erwidern. Meine Wangen und Ohren werden heiß und ich weiß nicht mehr, wohin ich noch sehen soll.

»Können wir bitte zum Thema zurückkommen?«, fragt Payne.

»Danke«, sagt Neera und wirft Hazel einen vernichtenden Blick zu, bevor sie fortfährt. »Da wir während des Treffens keine endgültige Entscheidung finden konnten, muss ein neues abgehalten werden. Und diesmal wird es in Daarth stattfinden.«

»Hier?«, wiederholt Hazel ungläubig. »Aber warum nicht wieder in Leerth?«

»Nach besagtem Zwischenfall möchte König Cespar keine fremden Truppen in der Stadt haben. Bisher haben sie den Schuldigen noch nicht gefunden.«

»Ja, wie auch?«, murmelt Payne. »Der läuft ja hier herum. Haltet Ihr das für eine gute Idee, die beiden wieder aufeinandertreffen zu lassen? König Cespar wird seine Tochter und deren Verlobten mit Sicherheit mitbringen.«

»Sie … sind schon hier«, werfe ich ein. Alle Blicke richten sich auf mich. »Luisa und Tristan sind bereits im Dorf der Roten.«

Mir kam es schon die ganze Zeit über seltsam vor, dass sie auf einmal bei uns aufkreuzten. Nur daran, dass Boldur endlich wissen sollte, dass sein Sohn lebt, konnte es nicht gelegen haben. Dafür war bereits zu viel Zeit vergangen. Aber ein erneutes Treffen der Herrscher könnte ein Grund für Tristan sein, um die alte Heimat zu besuchen und seine Prinzessin herumzuzeigen. Und mir auf die Nerven zu gehen.

»Das endet doch wieder in einem Desaster«, sagt Payne mit einem Seufzen.

Doch Hazel klatscht in die Hände. »Diesmal sind wir auf unserem Gebiet. Das heißt, wir dürfen Blondie so richtig fertigmachen, wenn er sich Scarlet gegenüber blöd verhält.«

»Niemand wird hier fertiggemacht«, unterbricht Neera sie. »Das Treffen dient dazu, endlich unsere Kräfte zu vereinen, und nicht, um uns gegenseitig zu zerfleischen. Es ist von größter Wichtigkeit, dass diesmal alles reibungslos verläuft. Wir können keine weitere Verzögerung gebrauchen. Jeden Tag bröckelt unsere Verteidigung. Wir brauchen die Truppen der Gelben und Blauen so schnell wie möglich.«

Hazel und Payne nicken verständnisvoll, sodass ich mich nicht traue zu fragen, was Neera damit meint. Welche Verteidigung? Und warum brauchen wir die Truppen aus den anderen Gebieten? Ich hasse es, wenn ich nur die Hälfte begreife, aber ich will mir auch nicht den nächsten dummen Spruch von Hazel einfangen …

»Das Treffen findet noch diese Woche statt«, fährt Neera fort. »Und für dich, Scarlet, wird es deine erste Bewährungsprobe werden.«

Ich schlucke krampfhaft. »Bewährungsprobe?«

Augenblicklich werden meine Hände eiskalt. Beim letzten Mal war ich nur eine Leibwächterin, doch das reichte schon aus, um beinahe eine Katastrophe auszulösen. Tristan, Ash und mich gleichzeitig in einen Raum zu lassen wird nichts Gutes bringen. Entweder gehen sich die beiden Männer an die Gurgel oder ich drehe Tristan den Hals um, weil er sich wieder wie ein Idiot aufführt. Tristan sollte also so weit abseits von uns gehalten werden wie nur möglich.

»Wir werden das Treffen nutzen, um eure Verlobung bekannt zu geben«, sagt Neera.

Ich ziehe scharf die Luft ein und mache einen Schritt zurück. Obwohl ich mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehe, scheint die Welt um mich herum zu wanken. Verlobung? Nein, das … geht mir zu schnell. Ich habe mich gerade mal an den Gedanken gewöhnt, dass Ash ein Feral und Alpha ist. Ich kann nicht … Wir können doch unmöglich … Wenn es nach mir ginge, würden wir ewig so weitermachen wie bisher. Aber es offiziell machen? Nach so kurzer Zeit?

Neeras Augen verengen sich zu Schlitzen. »Die Ferals hier im Schloss wissen es bereits«, sagt sie kühl. »Es wird sich nicht auf Dauer geheim halten lassen, dass mein Sohn dich auserwählt hat. Und je eher wir dich den anderen Herrschern vorstellen, desto besser.«

»A…aber ich dachte …«

Ich dachte, es würde ausreichen, wie es bis jetzt ist. Wir gehören zusammen, daran habe ich keinen Zweifel. Aber ich habe auf mehr Zeit gehofft, um mich auf alles einstellen zu können. Ich habe ja noch nicht einmal mehr die Kontrolle über die eigene Kraft, verdammt noch mal! Mir ist klar, dass ich viel zu lernen habe, wenn ich an Ashs Seite stehen will, aber das kann ich unmöglich innerhalb weniger Tage schaffen.

Ich werde versagen. Ich werde alle bloßstellen, sie enttäuschen. Vor allem Ash.

»Ich kann das nicht«, würge ich hervor, bevor ich an den Worten ersticken werde.

Neera legt den Kopf schräg. »Ich erwarte nicht von dir, dass du vor allen eine Rede hältst oder sie von unserem Vorhaben überzeugst. Wenn es dir damit besser geht, stelle dir einfach vor, dass wir dich in ein schickes Kleid stecken und dir eine Krone aufsetzen, während du nett lächelnd einen Abend über da oben sitzt.« Sie deutet mit einem Nicken auf das Podest, auf dem zwei Throne stehen.

Meine Handflächen sind schweißnass. Ist das ihr Ernst? Selbst das ist schon zu viel für mich. Ich kann nicht stundenlang irgendwo ruhig sitzen und lächeln. Ich kann nicht so tun, als würde ich das Getuschel nicht hören, das garantiert aufkommen wird, wenn sie mich sehen. Wenn sie hören, dass ich nichts weiter als ein Waldmädchen bin …

Als ich einen Schritt nach hinten machen will, packt mich Payne am Arm und Hazel stellt sich vor mich. Letztere stemmt die Arme in die Hüften und funkelt mich wütend an.

»Hör endlich auf in Panik zu geraten!«, grummelt sie. »Wir sind die ganze Zeit über bei dir und werden jeden, der dir irgendwie blöd kommt, einen Kopf kürzer machen. Wer sich mit dir oder Ash anlegt, legt sich auch mit uns an. Caleb wird das genauso sehen. Mit uns dreien hinter euch, gibt es nichts, wovor du Angst haben müsstest.«

»Es …« Ich versuche vergeblich, gegen den Kloß im Hals anzuschlucken, doch er will einfach nicht verschwinden. Deshalb gleicht meine Stimme nun einem Krächzen. »Es geht nicht darum, dass ich vor jemandem Angst habe. Es ist ihre Geringschätzung, die ich fürchte. Und ich fürchte mich davor, euren Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Denn ich …« Ich zucke hilflos mit den Schultern. »… bin einfach nur ich. Ich stamme nicht aus einem alten Adelsgeschlecht oder wurde mein Leben lang auf einen Aufenthalt bei Hofe vorbereitet.«

Hazel fasst sich an die Stirn und seufzt. »Den Blödsinn hast du doch bestimmt auch schon zu Ash gesagt, oder?«

Ich nicke.

»Und was hat er darauf erwidert?«, will sie wissen.

Unser Gespräch in meinem Zimmer ist mir noch gut im Gedächtnis und ein warmes Gefühl breitet sich bei der Erinnerung daran in der Brust aus. »Dass … ich mir keine Sorgen machen muss.«

Natürlich hat er noch viel mehr gesagt. Dass er eine Frau braucht und kein Mädchen. Dass er nie von mir verlangen würde, dass ich mich ändere. Ich weiß, jedes Wort von ihm ist die Wahrheit. Dennoch fällt es mir schwer, diese Ängste einfach abzustreifen, denn nach all den Jahren sind sie tief in mir verankert. Ich habe noch nie irgendwo dazugehört, hatte nie Menschen hinter mir, die bedingungslos an mich geglaubt und mich in dem unterstützt haben, was ich machen will. Ich lebte am Rand unserer Gesellschaft, durfte nicht auffallen, denn ich war anders. Schon immer. Ich wuchs unter Männern auf und übernahm mit der Zeit auch ihre Verhaltensweisen. Ich redete und kleidete mich wie sie. Ich durfte sogar hin und wieder am Training teilnehmen, doch es gab genügend Bewohner im Dorf, denen meine Lebensweise – sogar meine bloße Existenz – regelrecht ein Dorn im Auge war. Im Mittelpunkt zu stehen ist mir fremd, und allein die Vorstellung versetzt mich in Panik. Wenn mich jemand angeschaut hat, anstatt durch mich hindurchzusehen, dann hieß es, dass ich aufgefallen bin. Dass ich nicht vorsichtig genug war. Und dies wiederum bedeutete, dass ich jederzeit in die Stadt geschafft werden konnte.

Auch nachdem mein Training mit Jyde begann, hielt ich mich im Hintergrund, demonstrierte mein Können nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, und versuchte meinen Standpunkt gleich beim ersten Mal klarzumachen, damit ich anschließend meine Ruhe hatte.

Ich zweifele weder an Ashs Worten noch an dem Vertrauen, das Neera, Payne und Hazel in mich setzen. Ich zweifele an mir selbst. Und ich weiß nicht, wie ich das ändern kann. Denn ich musste nie jemand anderes sein als das Mädchen aus dem Wald. Niemand stellte Ansprüche an mich, denen ich genügen musste. Jydes Training war hart, aber meine Ansprüche an den eigenen Fortschritt und mich selbst waren sehr viel höher als die meines Lehrmeisters.

Neera schiebt Hazel zur Seite und umfasst mein Kinn mit einer Hand. »Wir werden trainieren«, sagt sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. »Jeden einzelnen Tag, bis die Herrscher eintreffen. Du wirst zu einer Königin werden, auf die wir stolz sein können. Ich werde dir deine Zweifel schon noch austreiben.«

»Aber mein Posten in der Leibwache …«, werfe ich ein, doch Neera unterbricht mich mit einem Zungenschnalzen.

»Hast du es noch nicht verstanden?«, fragt sie. »Ich bin nicht mehr die Königin und brauche weder deinen noch Hazels oder Paynes Schutz. Du bist die Königin. Das weiß jeder Feral, der dich ansieht. Nur die Menschen müssen es noch erfahren und sie erwarten eine entsprechende Zeremonie. Ich weiß, dass du Angst davor hast, aber wir müssen das durchziehen, bevor sich Gerüchte verbreiten. Wir müssen dich präsentieren – und sei es nur für einen einzigen Abend. Was du danach machen willst, kannst du gemeinsam mit Ash besprechen. Niemand erwartet von dir, dass du eine herrschende Königin wirst wie ich.«

Ich atme tief ein und aus. Ein Abend. Das ist alles, was ich schaffen muss. Alles, was danach kommt, entscheide ich, wenn es so weit ist.

»Was mache ich an den anderen Tagen?«, frage ich. »Die Herrscher werden nicht nur für einen Abend anreisen.«

Neera zuckt mit den Schultern. »Ich gehe mal davon aus, dass du nicht aktiv an den Verhandlungsgesprächen teilnehmen willst. Aber Ash wird es bestimmt viel bedeuten, wenn du wenigstens anwesend wärst. Wie du dich dabei gibst, bleibt dir überlassen.«

Payne lässt meinen Arm los und ergreift das Wort. »Ich denke, wir sind uns alle einig, dass Scarlet kein Püppchen ist, das nett ausstaffiert auf seinem Platz sitzen wird. Vielleicht können wir das für uns nutzen.«

Neeras Blick huscht zu Payne. »Was schwebt dir vor?«

Ich schaue ebenfalls zu ihr. Ein triumphierendes Lächeln umspielt ihre Lippen, als sie sagt: »Scarlet soll sich nach der Verlobungsverkündung so zeigen, wie sie normalerweise auftritt. Als Kämpferin. Ein Königreich, das von zwei starken Herrschern geführt wird, die sich mehr um Sicherheit als um ihren eigenen Wohlstand kümmern, macht nach außen hin einen anderen Eindruck als beispielsweise Leerth. Verglichen mit Prinzessin Luisa und ihrem Verlobten stechen Ash und Scarlet heraus. Gut möglich, dass diese Tatsache ausschlaggebend dafür sein könnte, König Cespar und die Minister aus Moorth zu überzeugen.«

Neera zögert, nickt dann aber. »Cespar ist ein alter Mann und vernarrt in seine Tochter. Er könnte blind sein für die Stärke, die wir bieten. Aber Migorn, der König der Wasserstadt Moorth, würde sich davon beeindrucken lassen. Er ist nur ein paar Jahre älter als Ash. Ich hoffe, dass sich seine Minister, die er als Vertretung schickt, auch so leicht blenden lassen.« Sie wendet sich mir zu. »Verhalte dich die restlichen Tage über wie immer. Trainiere draußen auf dem Platz, aber lass etwas Vorsicht walten. Ich kann nicht einschätzen, wie die anderen Herrscher auf einen Feral auf dem Thron reagieren. Obwohl ich bei Migorn sicher bin, dass er etwas ahnt … Sie wissen, dass sich viele Ferals völlig unauffällig unter ihr Volk gemischt haben, aber ein herrschender Feral ist noch mal eine andere Sache. Zeige ihnen also nicht deine ganze Stärke und unternimm auch keine Dummheiten, sodass Ash eingreifen müsste.«

»Da wird König Cespar bald sein blaues Wunder erleben«, murmelt Hazel. »Wenn er erfährt, dass sein zukünftiger Schwiegersohn auch ein Feral ist.«

»Das soll unsere Sorge nicht sein«, sagt Payne. »Wobei ich weiterhin darauf wette, dass Blondie einen erneuten Zusammenprall mit Ash nicht überleben wird. Diesmal wird er ihn nicht davonkommen lassen, wenn er sich Scarlet wieder nähern sollte.«

»Blondie wird auch auf Scarlet reagieren, oder?«, fragt Hazel.

»Das wird sich nicht vermeiden lassen«, antwortet Neera. »Aber ich bezweifele, dass die Lage so eskalieren wird wie in Leerth. Scarlet ist jetzt Ashs Gefährtin. Nur wenn Tristan erneut versuchen sollte, Scarlet gegen ihren Willen zu etwas zu zwingen, wird Ash eingreifen. Alles andere kann sie allein klären.« Sie lächelt mich an. »Und das wird sie auch, daran habe ich keine Zweifel.«

Ich würde mich freuen, wenn ich auch so viel Vertrauen in mich selbst hätte wie die anderen … Mit Tristan und Ash im selben Raum hat noch nie etwas geklappt, wie ich es mir erhofft hatte. Das wird auch beim kommenden Zusammentreffen nicht der Fall sein. Doch diesmal habe ich noch ganz andere Sorgen als meinen Freund aus Kindheitstagen.

»Ich muss mich also den Menschen als Ashs Verlobte präsentieren, die anwesenden Ferals möglichst unauffällig unter Kontrolle halten und Tristan am besten aus dem Weg gehen«, fasse ich zusammen. »Und das alles so, dass ich die Anwesenden überzeuge, uns zu unterstützen. Habe ich irgendwas vergessen?«

»Nein, das trifft den Kern in etwa«, sagt Neera und verschränkt die Arme. »Ab Morgen beginnt dein Training bei mir. Wir haben vier Tage, um dich auf das Wichtigste vorzubereiten.«

»Na toll«, murmele ich, bevor ich gemeinsam mit Hazel und Payne den Thronsaal verlasse.

KAPITEL 3

Zurück in Ashs Zimmer, suche ich meinen Nexus, der unter einem Haufen Klamotten begraben liegt.

Payne lehnt mit verschränkten Armen am Türrahmen und beobachtet mich. »Hinterlasst ihr das Zimmer immer so, nachdem ihr …?«

Ich verdrehe die Augen, beschließe aber, lieber nicht auf ihre Frage zu antworten. Hazel hat sich bereits am Thronsaal von uns verabschiedet, um der Baracke einen Besuch abzustatten. Warum Payne noch hier ist, weiß ich nicht.

»Meine Großmutter müsste bei der Unberührbaren sein«, sage ich. »Kannst du mich dorthin bringen?«

Payne nickt und ich folge ihr nach draußen.

***

Auf dem Weg zu meiner Großmutter stelle ich eine Gedankenverbindung zu Ash her. Er antwortet fast sofort.

»Was wollte meine Mutter von dir?«, fragt er.

Ich zeige ihm meine Erinnerungen an das Gespräch im Thronsaal, doch es gelingt mir nicht, meine Bedenken und Zweifel vollends vor ihm zu verbergen. »Wusstest du … von der Verlobungsverkündung?«

»Mir war klar, dass meine Mutter nicht lange damit warten würde«, sagt Ash. »Ich brauchte es nicht – und so, wie ich dich einschätze, legst du ebenfalls keinen sonderlichen Wert auf solche öffentlichen Zeremonielle. Aber meiner Mutter ist es wichtig. Und den Menschen unseres Volkes auch. Sie möchten dich sehen und kennenlernen.«

Ich seufze und fange mir dadurch einen fragenden Blick von Payne ein, die an meiner Seite läuft.

»Es ist nur ein Abend«, sagt Ash. »Danach kannst du als die auftreten, die du bist.«

»Ich weiß«, murmele ich. »Trotzdem wäre es mir lieber, wenn wir es noch ein wenig aufschieben könnten. Es gibt so viel, was ich noch lernen muss. Neera hat mir sehr strengen Unterricht angedroht, von morgens bis abends. Dabei … würde ich meine Zeit viel lieber mit dir verbringen.«

»Mir geht es genauso. Ich habe noch viele Vorbereitungen zu erledigen. Jetzt im Moment bin ich mit Caleb in der Stadt, um etwas in Auftrag zu geben, was ich dringend für den Empfang brauche. Dann muss ich mich darum kümmern, dass gewisse Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Ich werde die nächsten Tage ebenso beschäftigt sein wie du. Aber wenn das Treffen überstanden und meine Mutter zufrieden mit der Ankündigung ist, werden wir wieder Zeit füreinander haben.«

»Worum geht es bei diesem Treffen überhaupt?«, frage ich. »Neera meinte, dass wir die anderen Herrscher von etwas überzeugen müssten.«

»Wir brauchen Hilfe, um die streunenden Ferals von unseren Siedlungen und Daarth fernzuhalten«, sagt Ash. »Kays Truppen halten sie zwar noch in Schach, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis die Front anfängt zu bröckeln. Leerth und Moorth haben keine solchen Probleme, denn in ihren Gebieten leben weit weniger Ferals als bei uns. Sie fühlen sich in den dichten Wäldern heimischer als in den Gebirgen von Leerth oder den Sümpfen von Moorth.«

»Ich wusste nicht, dass die Ferals ein solches Problem darstellen«, murmele ich.

»Wir haben eine sehr hohe Feral-Population in Daarth und den umliegenden Gebieten«, erklärt Ash, »aber die meisten von ihnen sind völlig harmlos. Sie leben angepasst unter uns und nur wenige wissen überhaupt etwas von ihnen. Doch es gibt auch andere Ferals … Sie sind unfähig, ihre andere Seite zu kontrollieren, und sie verbreiten Angst und Schrecken unter der Bevölkerung. Wir nennen sie Ausgestoßene oder Streuner. Das sind die Ferals, vor denen dich deine Großmutter immer gewarnt hat.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich auch vor riesigen schwarzen Ferals gewarnt hat, die mich in den Hals beißen und ständig ansabbern.«

Ich höre sein Lachen in meinem Kopf. »Jedenfalls sind es diese streunenden Ferals, die eine Bedrohung darstellen. Sie werden nur noch durch ihre Instinkte geleitet und haben keinerlei Sinn mehr für das, was einen Menschen ausmacht. Nach und nach drängen sie unsere Verteidigung zurück.«

»Aber warum tun sie das?«, frage ich. »Wenn sie da draußen so viel besser nach ihren Instinkten leben können, warum bleiben sie nicht einfach dort?«

»Caleb hat es dir schon erzählt. Sie brauchen die Menschenfrauen, um sich fortpflanzen zu können. Und sie wollen all jene Ferals töten, die nicht so sind wie sie. Die Menschenmänner stehen ihnen sowieso nur im Weg; die wären nichts weiter als Kollateralschäden.«

»Leerth und Moorth können uns helfen, das zu verhindern?«

»Wir hoffen es. Unsere Truppen allein sind auf Dauer nicht stark genug. Aber zuerst müssen wir die beiden Herrscher von unserem Vorhaben überzeugen. Sie werden uns ihre Soldaten nicht einfach so überlassen. Das erste Treffen in Leerth diente auch schon dazu, mit ihnen zu verhandeln, doch … Na ja, wie es ausgegangen ist, weißt du ja.«

»Alles nur meinetwegen«, murmele ich. »Wäre ich nicht dabei gewesen, wäre das zwischen dir und Tristan nicht geschehen und die Verhandlungen hätten damals schon zum Abschluss gebracht werden können.«

»Noch ist nichts verloren«, sagt Ash. »Diesmal haben wir die Chance, es besser zu machen.«

Aber Tristan wird auch wieder da sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er und Ash in einem Raum sein können, ohne sich gegenseitig umbringen zu wollen.

»Mach dir um ihn keine Sorgen. Diesmal ist die Ausgangssituation anders.«

Payne und ich erreichen das Zimmer der Unberührbaren, das direkt vom Burghof zugänglich ist, und ich verabschiede mich in Gedanken von Ash, der noch eine Weile mit Caleb in der Stadt bleiben muss. Schon eine Sekunde später vermisse ich seine Stimme im Kopf. Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen, allen sagen, dass sie sich allein um ihren Mist kümmern sollen, und hinaus in die Stadt rennen, um Ash zu suchen. Es zerreißt mich innerlich, dass er nicht hier ist. Jeder Augenblick ohne seine Nähe fühlt sich wie ein halbes Leben an. Ich bekomme eine ungefähre Vorstellung davon, was Neera damit meinte, ich würde jetzt keine drei Tage mehr ohne ihn aushalten. Selbst die paar Stunden kratzen schon an den Nerven und machen mich dünnhäutig.

***

Das Zimmer der Unberührbaren ist klein und unordentlich. Selbst auf dem Boden liegen leere Tiegel oder zerbrochene Fläschchen. Ein bestialischer Gestank beißt mir in der Nase, sobald ich einen Fuß hineingesetzt habe. Ich muss mich dazu zwingen, nicht sofort auf der Stelle wieder umzudrehen, nachdem ich es betreten habe. Großmutter steht mit in die Hüften gestemmten Händen vor einem Regal und schüttelt unentwegt den Kopf. Erst als Payne die Tür hinter uns schließt, wendet sie sich zu uns um. Ihre Brauen sind zusammengezogen und ein verkniffener Ausdruck liegt um ihre Mundwinkel.

»Ich kenne die Unberührbare des Schlosses nicht«, grummelt sie, »aber anhand der Beschriftung ihrer Krüge und der Aufzeichnungen in den Büchern kann ich sagen, dass sie eine Pfuscherin ist. Kaum etwas von dem, was sie hier hat, ist wirklich nützlich. Und das, was nützlich ist, wurde so schlecht gelagert, dass ich es am liebsten sofort wegwerfen würde. Daher kommt auch der widerliche Gestank.«

Ich gehe an ihr vorbei und werfe einen kurzen Blick in eines der Bücher. »Das wüsste selbst ich besser«, murmele ich, als ich direkt auf der aufgeschlagenen Seite eine völlig falsche Behandlungsmethode für Fieber erkenne.

»Das will ich auch hoffen«, brummt Großmutter. »Wie lange ist die jetzige Unberührbare schon hier im Dienst?«

Payne zuckt mit den Schultern. »So oft haben wir mit ihr nicht zu tun. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, je ihre Dienste in Anspruch genommen zu haben. Kleinere Verletzungen behandeln Hazel und ich selbst. Ich weiß nur, dass Kyla, die Unberührbare, auch noch andere Arbeiten verrichtet.«

Kyla. Den Namen habe ich schon mal gehört. Wo war das nur?

»Ich kann in diesem Saustall unmöglich arbeiten«, sagt Großmutter und schüttelt den Kopf. »Ich bleibe gerne hier am Schloss, aber ich werde weder in diesem Zimmer noch mit einer Pfuscherin arbeiten können.«

»Ich kläre mit Neera, ob du ein anderes Quartier beziehen kannst«, biete ich an. »Dort könntest du auch deine eigenen Utensilien unterbringen. Ich bin sicher, dass sich schnell herumsprechen wird, wer die Bessere von euch beiden ist.«

Nach kurzem Zögern nickt Großmutter und folgt uns hinaus. Ich werfe noch einen Blick in das Zimmer, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich etwas übersehe. Neera als ehemalige Unberührbare würde doch nie eine Unberührbare beschäftigen, die so nachlässig mit ihren Tränken und Tinkturen umgeht – oder die offenbar keinen blassen Schimmer davon hat, was sie überhaupt macht …

***

Während Payne meine Großmutter herumführt, kontaktiere ich Neera über den Nexus. Sie sichert sofort zu, dass Großmutter ein anderes Quartier bekommt, in dem sie nach ihrem Gutdünken schalten und walten kann. Außerdem verspricht Neera, sich selbst von den Missständen zu überzeugen und Kyla zur Rede zu stellen. Ich bedanke mich und lasse Großmutter von Payne zu ihrem neuen Zimmer bringen.

Anschließend mache ich mich auf die Suche nach Jyde. Er wurde bereits von Caleb den Soldaten vorgestellt und hat wie selbstverständlich die Rolle des Ausbilders übernommen. Ich bleibe eine Weile am Rand des Trainingsareals stehen und beobachte ihn und seine neuen Schützlinge. Er hat sich nicht verändert. Jyde war schon immer ein sehr strenger und genauer Lehrer, aber er war stets fair und wusste, wie weit er seine Schüler treiben konnte. Nicht bis zur völligen Erschöpfung – es sei denn, sie fordern es, so wie ich es oft getan habe, wenn die Erinnerungen mich zu übermannen drohten. Ich freue mich schon darauf, wieder mit ihm trainieren zu können, und bin gespannt, ob er wirklich gegen mich antreten wird. Die anderen Ferals haben sich allesamt geweigert, aber bei Jyde habe ich das Gefühl, dass er sich nicht so verhalten wird.

***

Nachdem ich mich davon überzeugen konnte, dass Großmutter und Jyde in guten Händen waren, machte ich mich auf den Rückweg zu Neera. Mittlerweile ist es Abend geworden und ich hätte nichts dagegen, mich hinzulegen. An Schlaf war die letzten Tage nicht zu denken. Nicht dass ich mich beschweren will! Aber so langsam fordert auch mein Körper trotz seiner neuen Kraft ein wenig Erholung.

Neera erwartet mich vor ihren Gemächern und bittet mich hinein. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals hier gewesen zu sein. Ihre Räumlichkeiten sind einfach und kommen ohne viel Prunk aus. Keine goldenen Verzierungen, keine aufwendigen Wandvertäfelungen oder kostbaren Teppiche. Ähnlich wie bei Ash. Bis auf sein verschwenderisch großes Bett und seine unzählbaren Bücher gibt es nicht viel von Wert.

»Setz dich.«

Neera weist mit einer Handbewegung auf eine kleine Sitzgruppe. Ich zögere zunächst, dann lasse ich mich auf das Sofa nieder, während Neera auf einem Sessel Platz nimmt. Vor mir steht eine dampfende Tasse Tee. Erst jetzt bemerke ich, wie ausgetrocknet sich mein Mund anfühlt. Ich starre die Tasse mit der bräunlichen Flüssigkeit an, wage aber nicht, danach zu greifen. Ich spüre Neeras Blick auf mir und mir wird klar, dass das hier ein Test ist. Irgendwas will sie wissen. Aber was? Meine Haltung, während ich die Tasse zum Mund führe? Ob ich schlürfe? Ob ich abwarten kann, bis sie mir erlaubt zu trinken? Oder …?

Ich lehne mich ein Stück nach vorn und schnuppere an dem aufsteigenden Dampf. Der Geruch des Tees ist merkwürdig. Vielleicht ist es nur eine Sorte, die ich nicht kenne, aber … etwas stimmt mit dem Getränk nicht. Ich lehne mich wieder zurück und schaue stirnrunzelnd zu Neera.

Sie nickt mit einem zufriedenen Lächeln und sagt: »Gut gemacht. In den Tee habe ich ein leichtes Schlafmittel gemischt. Nichts Gefährliches, aber ich bin dennoch beeindruckt, dass du es herausriechen konntest.«

»Aber warum?«

Sie legt den Kopf schief. »Es ist deine erste Lektion. Vertraue niemandem hier im Schloss. Du sollst natürlich deine Vertrauten, deinen inneren Kreis, haben. Dazu zählen sicherlich Hazel, Payne, Caleb, jetzt auch Brianna und Jyde – und selbstverständlich Ash und ich. Doch auch wenn einer von ihnen dir etwas zu essen oder zu trinken bringt, vertraue ihnen niemals blind! Jedes Getränk, jeder Happen Essen ist hier im Schloss durch so viele Hände gegangen, dass kaum noch nachzuvollziehen ist, wer es letztendlich zubereitet hat. Das bedeutet, dass du niemals deine scharfen Sinne ausschalten darfst – auch nicht, wenn es Ash ist, der dir etwas zu trinken reicht.« Der erbarmungslose Blick aus ihren blauen Augen hält meinen gefangen. »Dank dieser Vorsichtsmaßnahme habe ich so lange überlebt. Ich kann keine Gifte am Geruch erkennen so wie du, aber ich habe andere Wege gefunden, um mich vor solchen Anschlägen zu schützen.«

Ich warte darauf, dass sie weiterspricht, aber sie tut es nicht.