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Renate Bergmann

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Beschreibung

»Letzten Sommer sind Gertrud und ich unter die Laubenpieper gegangen. Der Gunter Herbst, Gertruds Lebensgefährte, musste nämlich unters Messer. Und da ihm seine Kohlrabis und Tomaten so sehr am Herzen liegen, haben wir uns derweil um seine Parzelle in der Kolonie 'Abendfrieden' gekümmert. Aber herrje, so ein Garten ist ja niemals fertig! Wenn Se hinten gejätet haben, sprießt vorne schon wieder das Unkraut. Trotzdem haben wir bei der Wahl zum schönsten Garten der Kolonie den zweiten Platz gemacht! Für den ersten Platz hat es nicht gereicht, wissen Se, meine Tochter Kirsten hatte uns eine hübsche Topfpflanze ins Gewächshaus gestellt, und dann hatten wir wegen Hanfanbau das Ordnungsamt da, weil uns der Günter Habicht verpfiffen hat, denken Se sich das nur! Aber ein zweiter Platz ist ja auch schön.« Renate zieht die Gummistiefel an und packt Handy und Rosenschere ein. Freuen Sie sich auf ihre Abenteuer in der Kleingärtnerkolonie!

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Fertig ist die Laube

RENATE BERGMANN, geb. Strelemann, 82, lebt in Berlin-Spandau. Sie war Trümmerfrau, Reichsbahnerin und hat vier Ehemänner überlebt. Renate Bergmann ist Haushalts-Profi und Online-Omi. Ihre riesige Fangemeinde freut sich täglich über ihre Tweets und Lebensweisheiten im »Interweb« – und über jedes neue Buch. TORSTEN ROHDE, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann entwickelte sich zum Internet-Phänomen. Es folgten mehrere Bestseller unter dem Pseudonym Renate Bergmann und viele ausverkaufte Tourneen.

30 Meter im Quadrat, Blumenkohl und Kopfsalat »Letzten Sommer sind Gertrud und ich unter die Laubenpieper gegangen. Der Gunter Herbst, Gertruds Lebensgefährte, musste nämlich unters Messer. Und wir haben uns derweil um seine Parzelle in der Kolonie ›Abendfrieden‹ gekümmert. Aber herrje, so ein Garten ist ja niemals fertig! Wenn Se hinten gejätet haben, sprießt vorne schon wieder das Unkraut.« Renate zieht die Gummistiefel an, packt Handy und Rosenschere ein und zieht in die Schlacht gegen Schnecken, Blattläuse und den pedantischen Gartenfreund Günter Habicht. Freuen Sie sich auf ihre Abenteuer in der Kleingärtnerkolonie!

Renate Bergmann

Fertig ist die Laube

Die Online-Omi gärtnert

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

ISBN 978-3-8437-2507-1 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © Rudi HurzlmeierAutorenfoto: © Hans Scherhaufer E-Book-Konvertierung powered by pepyrus.com

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Guten Tag, hier schreibt Renate Bergmann.

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Cover

Titelseite

Inhalt

Guten Tag, hier schreibt Renate Bergmann.

Guten Tag, hier schreibt Renate Bergmann.

Ach, die Zeit rennt, und sie rennt umso schneller, je älter man wird. Ehe man sichs versieht, blühen schon wieder die Kirschbäume, und es gibt frischen Kohlrabi im Garten.

Letztes Frühjahr sind meine Freundin Gertrud und ich unter die Laubenpieper gegangen. Nicht ganz freiwillig zunächst, aber es wurden dann wunderschöne Wochen. Der Gunter Herbst, was der Lebensgefährte von Gertrud ist, der musste nämlich unters Messer. Sie wissen ja, wie das ist in unserem Alter – wenn man über achtzig ist und die Doktors einen erst mal auf dem Kieker haben, wollen se einem auch ganz schnell Ersatzteile einsetzen. Bei Gunter war es die Bandscheibe, anders als bei mir seinerzeit, wo die Hüfte gemacht werden musste. Er war nicht verunfallt, sondern es knarzte und schrappte so schlimm, dass sich die Amseln schon beim Brüten gestört fühlten, als Gunter seinen Garten umgegraben hat. Er selbst hört das ja nicht, der Mann ist links taub und rechts … na ja. Man muss schon regelrecht brüllen, wenn was Wichtiges ist. Aber die Schmerzen hat er gespürt. Da konnte dann nicht länger gewartet werden, auch wenn die Gartenzeit dran war.

Gunter hat eine Parzelle in der Laubenkolonie »Abendfrieden«, schön ruhig gelegen, ein paar Stationen mit dem Bus raus. Und da ihm seine Äpfel und Tomaten so sehr am Herzen liegen, haben Gertrud und ich die Sache übernommen und das Gärtchen gehegt. Wir sind also hin mit Rosenschere und Gummistiefeln. Anfangs dachte ich, wir gehen zwei-, dreimal gießen, aber wissen Se, wenn man sich richtig kümmern und den Garten in Schuss bringen will, ist das ja nebenbei gar nicht zu machen. So ein Garten ist niemals fertig! Wenn Se hinten durch sind mit Hacken, sprießt das Unkraut vorne schon wieder nach. Wenn nichts wächst – der Dreck, der wächst! Und unter uns: Wirklich im Griff hatte Gunter sein Stückchen »Abendfrieden« auch nicht. Es war verwildert, überall lag Schrott rum, und das wenige, was er gepflanzt hatte, war Gemüse. Ich bitte Sie! Ein paar Dahlien, Astern und Gladiolen gehören doch auch in den Garten. Das Auge gießt schließlich mit, und meinen Se, wir hätten mit Gunters Parzelle den zweiten Platz bei der Wahl zum schönsten Garten der Kolonie gemacht, wenn die Wicken nicht so wunderbar geblüht hätten? Ich glaube kaum!

Für den ersten Platz hat es nicht gereicht, wissen Se, die olle Schlehdorn von Parzelle sechs hat uns einen Ärger eingebrockt, der noch lange nachschwang. So hübsch die Topfpflanze auch war, die sie rübergebracht hat, wir hätten sie nie im Leben ins Gewächshaus stellen dürfen. Wegen Hanfanbau hatten wir das Ordnungsamt da, denken Se sich das nur! Da bleibt natürlich was hängen. Aber ein zweiter Platz ist auch schön.

Wir hatten auch viel Hilfe von Ilse und Kurt, die uns mit Rat, Tat und so manchem Setzling zur Seite standen. Gläsers haben ja selber einen großen Bauerngarten hinterm Haus, in dem sie Gemüse, Obst und Blumen ziehen. Die wissen genau Bescheid, auch mit Blattläusen und Brennnesseljauche. Ein herrlicher Sommer war das.

Davon möchte ich Ihnen gern berichten und wünsche eine gute Unterhaltung und viel Freude.

Ihre Renate Bergmann, geb. Strelemann

Gertrud sah ganz bedröppelt aus.

Wissen Se, ich kenne meine Freundin eigentlich nur gut gelaunt. Gertrud ist keine, die zum Trübsinn neigt. Sie ist eine Frohnatur, und wenn sie wirklich mal was bedrückt, löst sie das Problem mit einem Stückchen Kuchen, oder sie macht sich eine Stulle. Selbst als es bei ihr gebrannt hat damals und die Feuerwehrleute sie durch das Treppenhaus runtergetragen haben, hatte sie dabei einen Kuchenteller in der Hand und verteilte Streuselschnecken an die Männer.

Es passte gar nicht zu ihr, dass sie so schweigsam und gedankenverloren bei mir am Küchentisch saß. Ich hörte das schon an der Türklingel, dass da was nicht stimmt. Kennen Se das? Wenn man Besuch erwartet, tönt die Türglocke anders, als wenn es überraschend läutet. Auch beim Telefon. Wenn meine Tochter Kirsten anruft, höre ich das sofort. Das liegt aber daran, dass Stefan, was mein Neffe und Computerzeuchs-Experte ist, mir das so eingestellt hat, dass dann immer eine besondere Melodie kommt. Wenn Kirsten anruft, ertönt immer »Ich hab ein KNALL…rotes Gummiboot«. Ein ganz Frecher ist das, der Stefan, hihi!

Nach so vielen Jahrzehnten enger Freundschaft kenne ich Gertrud nun gut genug, sodass ich mir sicher war, nicht lange nachbohren zu müssen. Ich legte ihr nur kurz die Hand auf die Schulter und nickte ihr ermunternd zu, da brach sie schon ihr Schweigen.

»Renate, Gunter geht es nicht gut«, sprach sie mit viel Drama in der Stimme. Gertrud übertreibt gerne, insbesondere, wenn es um Krankheiten geht. Sie feiert seit über zwanzig Jahren schon ihren wahrscheinlich letzten Geburtstag und legt sich bei jedem Schnupfen ins Bett, um zu sterben. Meist springt sie dann alle paar Minuten wieder auf, um ihre »Dinge zu ordnen«, und sucht im Nachthemd – und ohne Strümpfe! – nach dem Testament oder nach den Versicherungsunterlagen. Diesen Kram findet sie dann nicht, aber stattdessen andere Sachen, die seit Langem verschollen schienen. Das Sahnekännchen zum geblümten Service zum Beispiel, das Ostern wie vom Erdboden verschluckt war. Gertrud hat dieses Service von ihrer Oma geerbt und hält es in Ehren, aber das Kännchen war weg. Na, wir haben herzlich gelacht, wissen Se, an Ostern ist schnell ein kleiner Spaß gemacht, wenn es ums Suchen geht. Erst auf der Pirsch nach der Police für die Sterbeversicherung fand Gertrud das Sahnekännchen wieder, und zwar zwischen den Teelichtern hinter dem Besteckkasten. Warum sie da ihre Dokumente suchte, ist mir zwar auch unerklärlich, aber es brachte sie wenigstens vom Leiden ab. Als die Doktorn, die sie auf Hausbesuch bestellt hatte – schließlich war sie ja ein Notfall, mit dem es mutmaßlich zu Ende ging –, bimmelte, machte sie der die Tür mit einer Leberwurststulle in der Hand auf. Das hatten wir schon ein paarmal, da darf man nichts drauf geben. Sie hat eben einfach einen Hang zum Übertreiben.

Je dramatischer Gertrud tut, desto harmloser löst sich das vermeintliche Unglück meist auf. Deshalb machte ich mir keine großen Sorgen. Es geht aber auch nicht, dass man sie nicht ernst nimmt. Sie braucht ein bisschen Bestätigung in ihrer Jammerei. Nach kurzer Zeit merkt sie meist von allein, dass es Quatsch ist.

So war es auch dieses Mal.

Ich legte ihr also bekräftigend die Hand auf die Schulter und nickte ihr zu, und das reichte schon.

»Gunter muss unters Messer! Es ist die Bandscheibe!«, sprudelte es aus ihr heraus.

Gertrud schluchzte noch zwei-, dreimal bühnenreif, und dann schob sie hinterher: »Renate, apropos Messer – hast du eine Stulle da?«

Große Güte, ja! Die Bandscheibe! Wissen Se, Gunter ist vierundachtzig Jahre alt, da muss man von einem Segen sprechen, dass es nichts Schlimmeres ist als das. Das haben doch heute so viele Leute, gerade auch jüngere, und das wird geradezu am Fließband operiert. Da muss man sich nun wirklich keine Sorgen machen. Ich schmierte Gertrud erst mal eine Tröste-Schnitte und überlegte, wie ich ihr wohl die Sorgen nehmen könnte.

»Eine mit Leberwurst und eine mit Käse, ja, Renate?«, rief sie mir bereits wieder Regieanweisungen zu. Leberwurst kaufe ich nicht, deshalb legte ich ihr Kochschinken auf die Stulle. Sie kennen bestimmt den Spruch »Im Lotto und in der Leberwurst ist alles drin«, oder? Leberwurst kommt mir nicht ins Haus, es sei denn, hausgeschlachtete von Leuten, die ich kenne. Gertruds Stimme klang schon kräftiger, und nach dem stärkenden Bütterken, das ich nur mit dünn Margarine bestrich (Gertrud muss wirklich ein bisschen auf die Schollera-Werte achten!), besprachen wir die Lage in aller Ruhe.

Ich muss wohl erst noch zwei Worte zu Gunter Herbst sagen, damit Se verstehen, wer das ist und warum Gertrud sich so aufopfernd sorgt und kümmert. Also, passen Se auf:

Gunter ist nicht der Mann von Gertrud. Gertrud ist verwitwet, ihr Gustav ist vor gut zehn Jahren entschlafen. Eine Kostverächterin in Sachen Männer war Gertrud nie, und sie hat auch nicht gewartet, bis die mit der Emanzipation so weit durch waren, dass Frauen nicht nur geheiratet wurden, sondern sich selbst nahmen, was und wen sie wollten. Gertrud hat das schon immer gemacht, bis heute ins – ach Gott, jetzt, wo wir zweiundachtzig sind, muss ich wohl »hohe« Alter sagen! Sie war nie ein Spring­ins­bett, also kein loses Weibsbild. Da dürfen Se mich nicht falsch verstehen. Aber ein bisschen rumpoussieren mit Männern, sich auf Kaffee und Torte einladen lassen und einen Spaziergang machen – für so was war sie schon immer zu haben. Gertrud hat nie gewartet, dass der Maître de Plaisir »Damenwahl« rief. Sie hat einfach den zum Tanzen aufgefordert, der ihr gefiel, und das macht sie bis heute so. Während Wilma Kuckert beim Seniorentanz immer noch schüchtern in der Ecke sitzt und darauf wartet, dass sie nun offiziell den Oskar Tanne auffordern darf, hat Gertrud schon längst ihre zweite Runde mit dem geschwoft. Einmal war der gute Oskar danach ganz durch den Wind, weil Gertrud nicht nur geführt, sondern seine Hand an ihr Mieder gedrückt hatte. Oskar brauchte einen Schnaps und gab Wilma einen Korb, weil das für diesen Nachmittag genug Weiblichkeit für ihn gewesen war.

Gertrud lässt sich ständig zum Kaffee einladen und bezahlt nie selbst. Die scharwenzelt mit ihrem Hund durch Spandau, und wenn sie einen älteren Herrn erspäht, der nach Geld aussieht, markiert sie einen Wadenkrampf und lässt sich auf offener Straße von dem Galan massieren. Wenn sie den Herrn erst mal am Fuß hat, ist es ihr ein Leichtes, ihn zum Kaffee in die Bäckerei zu überreden. Sie gibt dann die Dame von Welt und bestellt Schwarzwälder Kirsch mit Likör dazu und gleich ein ganzes Kännchen Kaffee – obwohl drinnen auch Tassen ausgeschenkt werden! –, und wenn es ans Bezahlen geht, wühlt sie zum Schein in ihrer Tasche nach dem Portjuchhe, bis der Herr dann aus Anstand murmelt: »Aber bitte, Frau Potter, lassen Sie mich das doch übernehmen!« Das macht die zwei-, dreimal die Woche. Gertrud amüsiert sich gern und genießt die Gesellschaft von Männern, aber ihr Herz gehört dem Gunter.

Warum, versteht kein Mensch, denn Gunter ist nun alles andere als das, was man eine gute Partie nennen würde. Er hört so schwer, dass man ihn schon fast taub nennen muss. Da er selber nichts versteht, sieht er auch gar nicht ein, dass er was sagen sollte, und stößt meist nur kurze, dahingehustete Worte aus. Gunter ist kräftig gebaut und sowohl vom Gemüt als auch von der Figur her sehr robust. Das ist das Einzige, was er mit Gertrud gemein hat. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, was sie für einen Narren an ihm gefressen hat. Anfangs dachte ich, der Mann hätte Geld. Das würde Gertruds Interesse an ihm irgendwie erklären. Aber glauben Se mir, Gunter ist arm wie eine Kirchenmaus. Wir haben sein kleines Häuschen Stube für Stube durchsucht – also, sauber gemacht, genau genommen. Dabei hat man ja Gelegenheit, auch mal nach Geldverstecken zu gucken. Nichts! Sogar in der Räucherkammer bin ich gewesen und habe mit dem Spinnwebenbesen nach oben hin die Esse durchgestochert, es gab weit und breit kein Geheimversteck und keine Geldkassette. Dabei müsste er was haben, wissen Se, er war und ist bis heute Landwirt. Er hatte bis vor wenigen Jahren, als die Rentenkasse nicht mehr mitmachte und sich weigerte, weiterhin in bar auszuzahlen, nicht mal ein Konto. Gunter hat zeit seines Lebens in bar gewirtschaftet. So was wie ein Finanzamt ist ihm nicht bekannt, und da die ihm auch nicht schreiben, kann man davon ausgehen, dass die ihn auch nicht kennen und noch nie einen Pfennig Steuern von ihm bekommen haben. Da müsste also im Grunde was sein. Ich habe mir aber selbst ein Bild gemacht, indem ich mit Gertrud wie gesagt Stube für Stube durchsucht habe. Wo eine Renate Bergmann nichts findet, da ist auch nichts, glauben Se mir. Aus den Ritzen seiner ollen Couch haben wir Münzen in vier verschiedenen Währungen gekratzt, bis zurück zu Reichspfennigen, aber das war alles nicht der Rede wert. Das waren nur aus den Hosentaschen gerutschte Groschen, kein zur Seite gebrachtes Vermögen.

Na, richtiges Vermögen wird er auch nicht haben, also jedenfalls nicht solche Summen wie die Großkopferten oder gar Fußballtrainer. Aber trotzdem! Wenn man ohne Finanzamt wirtschaftet? Da muss doch was übrig bleiben! Mir lässt das bis heute keine Ruhe, aber gut.

»Hast du kein Schmalz?«, fragte Gertrud. Ich guckte nur streng über die Brille, so wie Frau Doktor Bürgel mich immer anguckt, wenn wir über die Zuckerwerte sprechen. Mein Blick verfehlte seine Wirkung nicht. Gertrud schob den Teller mit meinen Stullen unauffällig von sich weg. Sodann begann sie, ausführlicher über Gunters Wehwehchen zu berichten.

»Er ist einfach fertig auf den Knochen, Renate, ich sehe das ja schon seit Jahren kommen. Was meinst du, was der sich an Pferdebalsam auf Rücken und Beine schmieren muss, bis der überhaupt in die Gänge kommt? Aber zum Doktor wollte er ja nicht. Er schwört auf Brennnesselumschlag zur besseren Durchblutung und hält Ärzte allesamt für Quacksalber. Jetzt hat er sich ›verhoben‹, wie er sagt. Im Garten hat er gebuddelt und sich so das Kreuz wehgetan, dass nichts mehr ging. Die Parzellennachbarin hat mich angerufen, weil er unterm Apfelbaum kauerte und nicht mal mehr aufstehen konnte. Gott sei Dank hatte ich der meine Nummer dagelassen, die wollte mich anrufen, wenn die Quitten reif sind.«

Gertrud machte einen tiefen Seufzatmer und berichtete weiter.

»Ich habe nicht lange gefackelt und bin mit dem Taxi hin. Weißte, Renate, ich hätte den doch gar nicht hochgekriegt, geschweige denn nach Hause! Das kann auch keiner von mir verlangen. Obwohl es ihm gegen den Strich ging und er gebockt hat wie ein Stier, der zum Schlachter soll, habe ich ihn zum Doktor fahren lassen. Wir mussten eine Decke auf den Rücksitz legen, überleg dir das mal. Gunter sah aus wie aus dem Teich gezogen, klatschnass geschwitzt war er und dreckig! Du machst dir kein Bild. Ich hätte mich geschämt, wenn ich als seine Ehefrau da … aber so konnte ich sagen, ich bin nur eine Bekannte, die ihn gefunden hat.«

Das konnte ich mir lebhaft vorstellen. Wissen Se, wenn man im Garten wühlt, hat man nicht die feinsten Sachen an, das ist ganz klar. Aber Gunter trägt selbst am Sonntag Manchesterhosen von seinem Vater und nur an besonderen Feiertagen auch mal eine weinrote Jockinghose. Die ist erst zweimal gestopft und deshalb in seiner Welt »wie neu«. Ich traute mich auch nicht, Gertrud zu fragen, ob der olle Sturkopp wohl wenigstens saubere Unterhosen anhatte. Ich ahnte die Antwort und wollte sie lieber nicht hören.

Kurzum, ich will Ihnen das alles ersparen, was Gertrud haarklein erzählt hat über die Schippkarte, die erst nicht auffindbar und dann seit 1998 abgelaufen war, dass sie dem Gunter gedroht haben, ihn festzubinden, wenn er nicht endlich für die Untersuchung stillhält, und auch, dass sie ihn aus der Hose rausgeschnitten haben und all solche Sachen.

Gunter wurde zum Röntchen geschickt, und es kam raus, dass da im Rücken alles verschoben, abgenutzt und rausgesprungen war, was es an Knochen und Gelenken gibt. Doktor Knackthaler hat ihn sofort weitergeschickt ins Krankenhaus, er sagte, er kennt solche Fälle wie Gunter noch aus Erzählungen von seinem Vorgänger. Wenn man Gunter erst mal nach Hause gelassen hätte, wäre der nie mehr wiedergekommen, sagt er, und Gertrud nickte beipflichtend, als sie es mir erzählte. Jedenfalls lag Gunter nun auf der chirurgischen Station im Ilsenkrankenhaus und musste unters Messer. Zwei Bandscheiben wollten sie generalerneuern, Gunter wurde noch ein bisschen untersucht, ob sein Kreislauf das wohl mitmacht, ob er geimpft ist und ob er Würmer hat und solche Geschichten, aber das Urteil stand fest.

Wissen Se, die müssen da ja erst mal gucken, wen sie so vor sich auf dem Tisch liegen haben, bevor sie anfangen können zu schnippeln. Am Ende ist es ein Trinker, oder der hat sonst was für Blutdruckwerte. Da hat ja keiner Freude, wenn es zu Komplikationen kommt. Erst recht im Fall von Gunter, der seit seiner Musterung zum Militär keinem Arzt mehr näher als auf zwanzig Meter gekommen ist. Die »checkten« den so richtig durch, wie man so schön sagt. Die Oh-Pe an sich ist für die ja reine Routine. »Minimal-inversibel« heißt das Wort, ich habe es mir extra aufgeschrieben. Die schnippeln nicht groß, sondern piksen nur mit einer Kanüle in den Rücken und fummeln dann ein bisschen rum. Das blutet nicht mal mehr richtig, ist aber trotzdem für den Kreislauf eine große Belastung. Deshalb prüfen die im Vorfeld alles genau. Erstens, weil sie damit viel Geld verdienen, und zweitens, weil sie die Leute da wie in Massenabfertigung in den Oh-Pe-Saal rein- und wieder rausschieben. Wenn einer auf dem Tisch schlappmacht, kommt der ganze Ablauf zum Stocken, und sie müssen viele andere Eingriffe verschieben. Ach, dann muss die Sekretärin aus der Verwaltung wieder stundenlang telefonieren und Termine umplanen, das macht nur Ärger! Da hängt ja so viel dran, auch die Reha-Kur hinterher … Ich weiß Bescheid, ich hatte vor geraumer Zeit ja auch mal einen Eingriff an der Hüfte.

»Gertrud, der Gunter ist ein Kerl wie eine sturmgestählte Eiche. Der übersteht das, und sollste mal sehen, wie der wieder flitzt, wenn sie den danach mit Turnen und Schlammpackungen aufgepäppelt haben«, versuchte ich, mein Trudchen ein bisschen aufzubauen. Ich nahm ihre verschmähten Stullen und schmierte ihr zusätzlich vom Gänseschmalz drauf, das ich noch im Kühlschrank hatte. In solchen Situationen braucht die Seele Nahrung, Fettwerte hin oder her.

»Renate … ich muss dir was sagen«, druckste Gertrud.

Ich spitzte die Ohren.

»Ich habe Gunter was versprochen.« Sie guckte mich mit festem Blick an, und ich ahnte schon, dass es ernst wird. Der olle Rochen würde ihr doch wohl nicht die Ehe angetragen haben? Wissen Se, ich wäre grundsätzlich schon sehr dafür, die Verhältnisse in geordnete Bahnen zu bringen, und würde es gutheißen, ließen sie sich wenigstens standesamtlich zusammenschreiben. Aber Gertrud hat von ihrem Gustav eine so gute Witwenrente! Das müsste man alles wohl überlegen und sich vernünftig durchrechnen, Moral hin und Gerede der Leute her. Am Ende muss man doch gucken, dass man nicht draufzahlt und wie man zurechtkommt!

Aber das war es gar nicht.

»Gunter hat doch seinen Garten, an dem er so hängt«, fuhr Gertrud fort.

Genau genommen hat Gunter nicht nur einen Garten. Er hat ein Stück Land hinterm Haus, auf dem er Kartoffeln, Rüben und andere Sachen zum Verfüttern ans Vieh anbaut, und er hat zwei Parzellen in der Kleingartenanlage. Dort gießt und erntet er Obst und Gemüse. Das ist sein Ein und Alles.

»Ich habe ihm versprochen«, fuhr mein Trudchen drucksend fort, »dass ich … also, dass wir … komm, Renate, das bisschen Gießen! Du hilfst mir doch?«

Ach du liebe Güte!

Wissen Se, ich habe die vier Gräber meiner Männer zu versorgen, die in ganz Berlin verteilt ruhen, ich habe in der Ferienzeit Gießfreundschaften mit den Nachbarsgrabwitwen, und auch die Pflanzen von Stefan und Ariane wollen gepflegt werden, wenn die im Urlaub sind.

Habe ich eigentlich schon gesagt, wer Stefan und Ariane sind? Nee, mich dünkt, das habe ich noch gar nicht richtig erwähnt. Der Stefan, das ist ein Neffe meines lange verstorbenen ersten Gatten Otto. Also keine direkte Verwandtschaft, sondern übrig geblieben, nachdem der Otto begraben wurde. Wenn man einen Mann zu Grabe trägt, trennt sich die verschwägerte Spreu vom verwandten Weizen. Viele sehen Se auf der Beerdigung das letzte Mal, aber der Stefan, der ist ein Guter. Der ist immer für Tante Renate da gewesen und ist es bis heute. Wenn es um Zeug mit Strom und Technik geht und mit Computer – auf Stefan ist Verlass. Der kümmert sich, dass mein Händi stets Strom hat, und stellt mir auch den Fernseher so ein, dass auf ZWEI das Zweite ist und keine Barbusigen, die betteln, dass man sie anruft. Und die Ariane, das ist seine Frau. Ein sehr patentes Mädel, ein bisschen schroff und mit Schwächen auf dem hausfraulichen Gebiet, aber man muss das Ganze sehen, und als Mutter und berufstätige Ehefrau meistert sie das alles prima. Sie haben zwei zauberhafte kleine Mädchen, die Lisbeth und die … na, sag schon … das Mäuschen. Ich sage immer »Mäuschen«, wenn mir auf die Schnelle der Name … Agneta! Agneta heißt sie, Gott, ja, zwei zauberhafte Engelchen. Die Winklers wohnen gar nicht weit von mir, vor den Toren Spandaus, in einem kleinen Häuschen, was sie unter Zuschuss von Tante Renates Erspartem gebaut haben. Da habe ich auch eine kleine Einliegerwohnung, in die ich, wenn es hier in der Stadt alleine dereinst nicht mehr gehen sollte, umsiedeln kann. Aber noch ist das nicht auf dem Tapet, noch komme ich gut alleine zurecht. Das jedoch nur am Rande, damit Se wissen, wer Stefan und Ariane sind.

Ich schleppe wirklich schon genug Kannen, ich muss nicht noch Gunters Kohlplantagen wässern! Also, ehrlich gesagt war mir das nicht recht. Es wird mir langsam alles ein bisschen viel. Wenn man über achtzig ist, liegt das Alter oft wie eine Last auf einem. Noch dazu behandeln einen die Leute ja auch, als wäre man schon ein bisschen »angestorben«. Wenn sie mir früher in der Apotheke ein Pröbchen in die Tüte gelegt haben, war es meist eine Pflegecreme für die reife Haut. Das fand ich schon nicht sehr charmant, aber aus heutiger Sicht … ich hätte lieber wieder eine Creme für die reife Haut als Tee zur Blasenstärkung! Das ist doch wirklich entwürdigend.

Ich sage ganz offen: Die Doktorn rät seit Jahren, ich soll mittags eine halbe Stunde die Füße hochlegen und ruhen. Das mache ich nicht jeden Tag, aber in der letzten Zeit doch immer mal wieder. Gerade wenn das Wetter umschlägt oder ich viel unterwegs war, strengt mich das an, und ich mache gern eine kleine Mittagspause und »horche am Kissen«, wie Ariane, das freche Ding, immer sagt. Ich trete ein bisschen ruhiger. Soll ich mir da einen Garten aufhalsen? Eine Renate Bergmann ist schließlich auch keine, die eine Sache nur halb oder oberflächlich erledigt. Man muss sich doch klarmachen, dass an so einer Aufgabe auch viel mehr dranhängt als nur ein bisschen Gießen. Es muss gegraben, gehackt und geerntet werden, Unkraut gejätet, der Kompost umgesetzt, vieles, was anstrengt und auf den Rücken geht. Ich mochte gar nicht dran denken!

Wissen Se, ich kenne mich ein bisschen aus mit dem Gärtnern, ich hatte zeitlebens damit zu tun, Obst und Gemüse zu pflanzen und zu ernten.

Ich wurde nämlich vor der Mauer geboren.

Nee, das kann man so nicht sagen.

Mutter hat mich zu Hause im Bett entbunden, mithilfe von Agathe, der Rotkreuzschwester im Dorf, und nicht vor der Mauer.

Aber noch lange Jahre, bevor die Berliner Mauer gebaut wurde, das wollte ich damit ausdrücken. Ich habe dann gesehen, wie sie erbaut wurde, habe mit ihr gelebt und war natürlich dabei, als das Trumm wieder abgerissen wurde. Jetzt ist sie schon wieder länger weg, als sie jemals stand, und da bin ich sehr froh drüber. Was ich damit sagen will, ist, dass ich viel mitgemacht habe im Leben. Gleich nach dem Krieg hatten wir ja nichts. Na, ich will ehrlich sein, wir auf dem Land haben keinen Hunger leiden müssen.

Aber manchmal gab es keinen Nachtisch!