Fest - Mireille Zindel - E-Book

Fest E-Book

Mireille Zindel

0,0
26,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Während andere Leute einen blauen Himmel wahrnehmen, ist er für Noëlle orange. Der Baum, zu dessen Wurzeln sie kleine Zettel mit dem Namen David darauf vergräbt, ist ultramarin, nicht grün. Noëlle meint mit Tieren reden zu können und die Blumen zu verstehen. Immer wieder sucht sie die Hexe Muira auf und lässt sich von ihr Kerzen, Steine und Amulette aufreden, die David zu ihr bringen sollen. Noëlle befindet sich in einer psychiatrischen Klinik im Kanton Jura, in die ihr Gatte Bertram sie gefahren hat, da sie seit fünf Jahren einem Mann namens David verfallen ist, der sich seit einigen Monaten nicht mehr bei ihr meldet. Noëlle, die nicht weiss, dass sie wahnkrank ist, wähnt sich im Ferienhaus von Bertrams Mutter, wo sie sich von den letzten anstrengenden Jahren erholen will. Zwar erkennt sie, dass sie bei einem Psychiater in Behandlung ist, doch weder sieht sie den Klinikalltag noch die anderen Patienten um sich herum. Als Noëlle die Medikamente absetzt, nehmen ihre Symptome wie innere Unruhe und Stimmenhören zu und sie beginnt zusehends, die Patienten und das Klinikum zu erkennen. Doch sie ist nicht gewillt, den Wahnsinn gänzlich aufzugeben, denn das Spiel um Wirklichkeit und Einbildung hält auch eine persönliche Form von Freiheit für sie bereit. »Fest« handelt von einer schmerzhaften Liebe, die zu emotionaler Abhängigkeit, Realitätsflucht und Identitätsverlust führt. Zindel macht in »Fest« die Erschütterungen in der Psyche einer liebeskranken Frau mit formalen Mitteln, die an einen vielfach geschliffenen Kristall erinnern, eindringlich erfahrbar.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 357

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mireille Zindel

Fest

Verlag und Autorin danken der Stadt Zürich

für die Unterstützung des vorliegenden Buches.

Mireille Zindel

Fest

Roman

lectorbooks GmbH, Zürich

[email protected]

www.lectorbooks.com

Umschlagbild: Fabian Frey

Buchgestaltung: Samara Keller, Christian Knoepfel

Satz: Peter Löffelholz

Lektorat: Patrick Schär

Korrektorat: André Gstettenhofer

Gesamtherstellung: CPI Books GmbH, Leck

1. Auflage 2024

© 2024, lectorbooks GmbH

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-906913-43-8

eISBN 978-3-906913-44-5

Printed in Germany

La vraie vie est absente.

Nous ne sommes pas au monde.

Arthur Rimbaud, Une saison en enfer

Die Dosis macht das Gift.

Paracelsus

Inhalt

Teil I

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Teil II

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Teil III

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Die Autorin

I

Es ist kalt.

Der Wind bläst den Geruch von Jauche über das Feld.

Die Erde ist nass und schwarz.

Der Baum ist eine Tanne, ein Nadelgehölz, die genaue Bezeichnung weiß sie nicht. Mit Bäumen kennt sie sich nicht so aus, mit ihren Wurzeln schon. Dort vergräbt sie kleine Zettel mit dem immer gleichen Namen darauf. Hexe Muira (aus dem Moor) beteuert, das bringe ihn zu ihr. Noëlle achtet darauf, den Baum nicht zu verletzen. Mit einem Löffel gräbt sie ein Loch, Zentimeter um Zentimeter, setzt das Papier ein, schüttet das Erdhäufchen darauf, klopft die Erde an, legt die Hand auf den Baum, hört zu, was er ihr zu sagen hat, kehrt zurück ins Haus.

Es gibt einen Vorhang aus Flieder, eine Küche aus Holz. Ihr tut wieder einmal jeder Knochen weh, weil sie David vermisst. Die Tage lässt sie verstreichen, blickt vom Küchentisch aus auf die lila Blüten, in die blaue Luft, ist mit den Augen auf der Suche nach der Farbe Rosa, findet sie auf Dosenetiketten, in Form von Flecken an der gelben Wand, Fettflecken vermutlich (Mayonnaise?).

Das Fenster lässt sich nur kippen, wegen des neuen Sicherheitssystems. Es gibt eine Alarmanlage am Haus, eine rote Signalleuchte ist genau über dem Fenster angebracht. Wenn sie im Dunkeln in der Küche sitzt, fällt ein roter Lichtkegel auf den Boden, wie ein moderner Morgenstern, der den Weg ins Innere weist.

Sie packt einen Stapel Notizhefte aus, schwarze Hefte mit weißem Papier. Den obersten Einband beschreibt sie mit Land. Der Tisch wackelt. Das zweite Heft schiebt sie unter das zu kurze Bein. Ihr ist noch nicht ganz klar, was sie in diese Bücher schreiben wird: Eindrücke, Stimmungen, Gesehenes, Gehörtes … Der Verlag hat sich gemeldet. 100 Seiten!, hat sie gelogen. Das wird ein kleiner Wettlauf gegen die Zeit.

Das Haus steht außerhalb des Dorfes, auf abgelegenen Weiden, weiß und lang gezogen. Es gehört Bertrams Mutter, und Noëlle hegt eine tiefe Abneigung dagegen, wie gegen alles, das aus seiner Verwandtschaft kommt. Schon früh hat sie aufgehört, Bertram hierher auf Familienfeiern zu begleiten, doch als er vorgeschlagen hat, sie in den Jura zu fahren, hat sie nicht gezögert. Er hat sie chauffiert, als hätte es kein Ende zwischen ihnen gegeben.

Ein Schotterweg führt von der Hauptstraße hinauf. Das Haus hat zwei Stockwerke und zwanzig Zimmer, mächtig tritt es aus der Landschaft heraus. Auf der Vorderseite ein schmaler Streifen Garten, ein Zaun und ein verdorrter Baum, in den ein Blitz eingeschlagen hat. Hinten eine grau betonierte Veranda, die in ein Feld übergeht, auf dem in einem Gehege aus Stacheldraht ein Esel steht. Das Feld hebt auf der linken Seite an, wird zu einem baumlosen Hügel, bis es an ein Waldstück stößt, zu einer Welle großer und kleiner Tannen, zu denen es zu Fuß zwanzig Minuten braucht.

Kein anderes Haus in Sicht.

Wem der Esel gehört, weiß Noëlle nicht, sie hat keine Erinnerung an ihn. Es gibt eine Badewanne, die immer voll Wasser ist, selbst wenn es mehrere Tage hintereinander nicht geregnet hat. Sie hat nie gesehen, wer sie füllt. Das Tier ist alt und bewegt sich kaum. Stundenlang steht es da wie ein Baum. Manchmal hebt es ein Bein an, dann das andere.

»Sagst du immer die Wahrheit?«

Wenn es ganz schlimm ist, geht sie zu Muira. Sie ist stets schwarz gekleidet, wie Hexen das sind.

»Natürlich nicht, die Leute würden nie wiederkommen oder sofort davonlaufen. Die Wahrheit ist oft unangenehm, die Leute wollen sie nicht hören.«

»Schön, lüg mich an. Werde ich mit ihm zusammen sein?«

»Ihr seid schon zusammen! Und ich lüge nie, ich sage nur nicht alles.«

Einen Moment lang schauen sie sich schweigend an.

»Was soll ich tun?«

»Was willst du?«, fragt Muira in strengem Ton.

»Er soll zu mir kommen.«

»Dann nimmst du die.«

Sie geht die drei Stufen zur unteren Verkaufsebene hinunter, einem dunklen Raum mit Oberlichtern, und bleibt vor einem Regal voller Glaskerzen stehen. Eine Fixed Candle für jedes menschliche Bedürfnis: Domination, Transformation, Crown of Success, Pay me, Cometo Me, Attraction … Pure Soul liest Noëlle auf dem Glas in Muiras Hand und zieht die Augenbrauen hoch, skeptisch, ob das passt.

»Das funktioniert! Er hat viel zu tun, der meldet sich schon wieder, der will dich! Du bist auch nicht immer nur nett … Du schreibst deinen Wunsch auf einen Zettel und klebst ihn unten an das Glas. Aber positiv formulieren! Danke, liebes Universum, lieber Gott oder was auch immer, dass ich den richtigen Mann für mich habe. So, als wäre es bereits Realität. Am nächsten Neumond, diesen Samstag um dreiundzwanzig nach elf, zündest du sie an. Nie löschen! Wenn du das Haus verlässt, stellst du sie in die Dusche. Sobald die Kerze runtergebrannt ist, gräbst du den Zettel am Fuß eines Baumes ein und vergisst deinen Wunsch, lässt ihn los, damit er umso besser zu dir zurückkehren kann.«

»Ich habe gerade einen Zettel vergraben.«

»Dann mach es noch mal.«

Der Zettel war übersät mit dem Namen David.

Ob es in jeder Ortschaft eine Hexe gibt?

Im Gebüsch sitzt eine Amsel.

Noëlle bleibt stehen.

»Guten Morgen.«

Sie bleibt noch länger stehen in Erwartung einer Antwort. Auch Vögel können sich ausdrücken. Auf ihre Art. Aber die Amsel nimmt keine Kenntnis von ihr. Sie hüpft nur von Ast zu Ast.

Eine Kreiselskulptur in Form eines fliehenden Pferdes.

In der Region soll es viele Pferde geben. Bis auf dieses metallene ist ihr noch keines begegnet.

Sie kommt an Bauernhöfen vorbei, alle mit identischen Sträuchern.

Auf dem Weg hierher gab es Wälder, die an ihr vorbeigezogen sind. Sie saß auf dem Beifahrersitz von Bertrams Wagen. Es regnete während der ganzen Fahrt. Leise sagte sie die Namen der Tiere auf, die im Wald leben. »Luchs, Eule, Hase, Käfer, Schmetterling, Hase.«

Autonummern wurden kleiner, Straßenschilder tauchten auf. Niemand würde sie dort, wo sie hinging, jemals finden. Bertram würde sie besuchen kommen, egal was sie ihm angetan hatte.

Es gab Hügel. Die Stimmung wurde immer dunkler. Sie hatte Lust zu pfeifen, doch es schien ihr unangebracht. Pfeifen wie eine Verrückte, wie eine Verrückte würdest du klingen, Noëlle, tu es nicht, ermahnte sie sich, schweig, schweig wie Bertram, der in zweieinhalb Stunden Fahrt noch kein Wort gesagt hat, schweig wie David, der bestimmt wieder zu beschäftigt ist, um den Himmel zu betrachten, zu beschäftigt, um mit dir Schluss zu machen, und so hoffst du weiterhin, Minute für Minute, Sekunde für Sekunde, seit fünf Jahren machst du nichts anderes, als auf David zu warten, und wenn du im Haus im Jura angekommen sein wirst, wirst du weiter auf ihn warten, immer drängender, immer verzweifelter, weil allein, ohne Ablenkung, im tiefsten Nichts gelandet, wie soll da die Zeit vergehen?

Der Plan ist, so lange hier zu bleiben, bis das Buch fertig ist.

Schreiben könne heilsam sein, hat Sacha gesagt.

Sacha ist ihr Psychiater. Dreimal die Woche Gesprächstherapie. Die Sitzungen finden in der Küche statt. Bertram hat es so organisiert.

Was machst du gerade? Wie geht es dir?

Keine Antwort von David.

Penelope schickt ihr ein Text-Meme, auf dem steht:

STOP BEING SO FORGIVING. PEOPLE KNOW EXACTLY WHAT THE FUCK THEY ARE DOING.

Noëlle sieht, wie Penelope sie in der Stadt mit dem Fahrrad besuchen kommt.

Ein Jahr, zwölf Monate, vier Jahreszeiten, seit David das letzte Mal bei ihr war. Eine Umrundung der »infernalischen, alles versengenden Sonne.« Die Worte hört sie aus Harrys Mund. Harry scheint über ein Wissen zu verfügen, das sich nicht mehr vermitteln lässt, außer in ganz einfachen Bildern. Er ist Physikprofessor und wohnt im Dorf. Sie ist ihm auf ihrem Spaziergang begegnet. Er hat sie zu sich eingeladen, und sie ist ihm gefolgt. In seinem Wohnzimmer trinken sie ein Glas Wasser.

»In zweitausend Jahren ist alles wieder Wald und Meer, am Ende verglüht unser Planet.«

Harry hat Atlasse herumliegen, Kugeln herumstehen. Vor Noëlle auf dem Salontisch befinden sich rätselhafte Tüftelspiele.

»Die sind für meine Studenten. Im Grunde löse ich nur Probleme, ich bin gut im Problemlösen, das ist meine Leidenschaft.«

Er trägt eine Brille. Sie kann seine Augen nicht sehen, nur sein seltsam breites Lächeln. Aus seinem Fenster ragen Teleskope. Die Bäume vor dem Haus hat er zurückgeschnitten. Er lebt auf dem Land, weil die Sterne besser zu sehen sind, in der Stadt brennen nachts zu viele Lichter. Da die Gegend erhöht liegt, gibt es außerdem weniger Wasser in der Luft, die Sicht ist klarer. Seine Frau ist in der Stadt geblieben, sie hält das Land nicht aus. Einmal die Woche fährt er nach Zürich an die Technische Hochschule zum Unterrichten.

»Bekommst du manchmal Besuch?«

Sie schüttelt den Kopf.

Sein Hund taucht auf und schnüffelt an ihrem Geschlecht. Sie stößt ihn weg.

Harrys Lächeln verschwindet aus seinem Gesicht.

Sie nimmt ihre Jacke und steht auf.

»Warte«, sagt er und greift nach ihrem Arm. »Komm bald wieder, ja?«

Ihr Zimmer ist klein, und mit seinem kärglichen Mobiliar erinnert es an eine Zelle. Es verfügt über ein Bett, einen Schreibtisch am Fenster, einen Wandschrank, ein Bad mit Dusche, Waschbecken und Toilette, ein Telefon und einen Fernseher. Die anderen Räume sind abgeschlossen. In welchen sie schon übernachtet hat, kann sie nicht mehr sagen. Es sind zu viele.

Der Mond strahlt die Wand als schmale Sichel an.

Von ihrem Bett aus blickt sie auf das fahle Licht, schüttelt ihr Kissen auf, das sie am Morgen frisch bezogen hat, und drückt ihren Kopf wieder hinein. Seit vier Wochen ist sie hier.

Es gibt einen zweiten Mond, hat Harry gesagt. Einen ganz kleinen, autogroßen, der sich wieder verabschieden wird, aber im Moment sind es zwei Monde, die die Erde umkreisen.

Ein neuer Morgen.

Auf dem Fenstersims in der Küche keimen Gurkensetzlinge.

Nasse Steine, die den Weg weisen.

Einmal am Tag zum Haus raus.

Es regnet.

Ob jemand für Regen gebetet hat? Oder gegen? Es regnet so oder so.

Die Tür zu Muiras Geschäft öffnet sich unter einem leisen Klingeln. Ihr Laden befindet sich am Rande des Dorfes, im Erdgeschoss eines gelb gestrichenen Hauses. Es hat zwei kleine Schaufenster zur Straße hin, die voller Fläschchen mit farbigen Flüssigkeiten, Orakelkarten und Statuen sind. Im Geschäft herrscht ein durchdringender Geruch aus Räucherkohle, Duftölen und Weihrauch.

Muira hat langes schwarzes Haar und sehr helle Augen, die von dunklem Kajal umrandet sind. In ihrem Kopf sind nur Augen. Noëlle fürchtet jedes Mal, hypnotisiert zu werden, wenn sie diesem magnetischen Blick zu lange begegnet. Meistens sitzt Muira hinter der Theke in ihren Computer vertieft, schaut nur kurz auf, grüßt und widmet sich wieder ihrem Bildschirm. Einmal hat Noëlle gesehen, wie Muira auf dem Computer Patiencen legt.

»Und seine Frau? Chinesin.«

»Die Asiaten sind gefährlich, die können viel. Iss nie etwas, das er dir mitbringt. Sie macht es über das Kochen.«

»Ich glaube, sie weiß alles.«

»Sie weiß alles, aber sie sagt nichts. Iss nie etwas, das aus seinem Haus kommt.«

»Wie sollte ich? Ich bin ja nie dort.«

»Denk einfach daran. Ich könnte dir Geschichten erzählen … Was glaubst du, warum bei mir alles in den Abfall wandert, was man mir bringt? Der kommt wieder, keine Angst. Bloß nicht drängen, du darfst deinen Liebhaber niemals drängen.«

»Tu ich nicht. Ich höre ihm zu. Wenn er bei mir ist, höre ich fast nur zu.«

»Das ist gut.«

»Im Nachhinein mache ich mir Vorwürfe, weil ich vieles vergessen habe zu fragen.«

»Zuhören ist gut. Sie macht lange nichts, aber dann kommt der Dolch. Gesichtsverlust ist das Schlimmste für sie.«

Muira heißt sie noch mehr Kerzen anzünden, die David zu ihr bringen.

»Das ist nicht nichts, das wirkt.«

Sie nimmt einen Anruf entgegen, und Noëlle geht dazu über, sich das Sortiment genauer anzusehen. Ein satingefütterter Koffer mit Schreibfeder, Tintenfass und Stempel fällt ihr auf. Die Tinte mit der Aufschrift Rivas Batblood (Fledermausblut).

»Das wäre was für dich«, sagt Muira mit Blick auf die Schreibfeder. Sie hat das Telefonat beendet. »Du wirst sehen.«

»Ich dachte eher an ein Sieben-Tage-Ritual«, sagt Noëlle vor dem Regal voller Glaskerzen.

Muira kommt zu ihr. Sie studiert die Kerzen und greift nach einer. »Nimm die.«

Attraction liest Noëlle.

»Du notierst auf einen Zettel deinen Wunsch und klebst ihn unten an das Glas. Aber positiv formulieren!«

Muira geht vor ihr zurück zur Kasse. Der große, dunkle Haarschopf, der schmale Körper im engen, schwarzen Kleid … Bestimmt hat sie viele Verehrer, denkt Noëlle, aber sie wirkt auch steif in ihren Bewegungen, als drohe sie jeden Augenblick zur Säule zu erstarren.

»Ich habe schon daran gedacht, dass sie mich verflucht hat.«

»Das kann sie versuchen, aber es wird nicht funktionieren. Nein, sie tut nichts dergleichen, doch sie weiß, dass du DIE Konkurrentin bist. Die leidet schon genug an sich selbst. Und an ihm. Und an dir. Aber wehe, etwas läuft nicht nach ihrem Geschmack, dann wird sie brutal, sie wird zum Drachen. Wenn sie gemein sein kann, hat sie sehr viel Fantasie, aber es wird sich gegen sie selbst wenden. Was dich angeht: Schreibe oder erzähle nur, was du siehst und erlebst, hörst du? Das ist wichtig. Ich hasse Lügen! Zeige nur, was ist, ob in Wirklichkeit oder im Traum geschehen, das ist dasselbe.«

Erstaunt über die Worte, bleibt Noëlle lange still.

»Ich kann guten Gewissens sagen, nie gelogen zu haben, in meinem ganzen Leben nicht«, macht Muira weiter. »Rattengift! Die Chinesen machen es mit Rattengift. Gibt es in China in jeder Apotheke zu kaufen.«

Denkengehen.

Ein langsames Fortschreiten der Gedanken. Nicht mehr und nicht weniger.

Im Dickicht ein Grab. Für einen Vogel? Eine Katze?

Ein Hund bellt sie an.

Völlig inadäquate Schuhe an.

Das letzte Mal, als sie in Zürich einkaufen war, hat sie eine Wildlederjacke in Mauve gesehen, genau ihre Farbe. Kastenförmig geschnitten, viertausendsechshundert Franken. Das bezahlt Bertram aus der Portokasse, wie man so sagt.

Wenn sie in ihr Zimmer zurückkehrt, spürt sie die Einsamkeit am stärksten. Alles ist, wie sie es zurückgelassen hat, nur die Blumen in der Vase sind verdorrt.

David verteilt auf Facebook so viele Herzen, dass sie nichts mehr wert sind.

»Farming«, sagt Penelope am Telefon, »ist das. Ein Schäfchen hier, ein Schäfchen dort, das eine streicheln, danach das andere, damit es sich nicht vernachlässigt fühlt. Er macht immer mehrere Frauen gleichzeitig nervös. Ich war auch einmal eine Blume auf seiner Wiese«, sagt sie und schickt Screenshots. Da steht es schwarz auf weiß, gelb und rot die Kusssmileys, die er ihr geschickt hat.

»Es tut mir leid, dass ich ein Teil des Schocks bin.«

»Dass er diese Kussherzen herumschickt, tut schon weh.«

»Verstehe ich. Ich wusste aber, als er das machte, dass sie im Umgang mit mir nichts bedeuteten. Reine Koketterie. Oh, wenn du nur sehen könntest, was ich sehe. Einen so kleinen Jungen. Unreif und wollend, alles immer wollend. Um Aufmerksamkeit buhlend. Größte Strafe ist dann das Nicht-mehr-Einlassen, Nicht-mehr-Aufnehmen. Emotional und sexuell. Eigentlich ist es misogyn, weil es in aller Begeisterung für Frauen ja nur um Quantität geht, wenig um die Einzelne. Außerdem sind es alles Quasi-Unmöglichkeiten, da er ja immer sein Ehering-rühr-mich-nicht-an vorschieben kann. Das mit dem vielen Arbeiten stimmt. Männer sind wirklich wenig multitaskingfähig, und so intensiv, wie er eine Sache nach der anderen betreibt, ist ja klar, dass er sich erschöpft.«

Jedes Mal, wenn Noëlle online geht, hält sie den Atem an und ihr Herz beginnt zu hämmern.

Man will immer zurückgeliebt werden, geht es ihr durch den Kopf.

Allein gekocht, allein gegessen.

Rührei an Schnittlauch aus dem Kräutergarten.

Der Schnittlauch blüht mit lila Blüten. Wie der Flieder vor dem Fenster.

Sie macht das Licht in der Küche aus.

Da ist er, der rote Schweif.

Das Telefon klingelt. Es ist Bertram.

Er will wissen, wie es ihr geht, ob die Leute nett sind.

»Ich kenne hier niemanden.«

Eine Wolke schiebt sich vor den Mond.

Mitten in der Nacht ist sie erwacht, jetzt starrt sie auf dem Rücken liegend durch das Fenster.

Ein Baum steht davor. Der Umriss des obersten Astes ähnelt einer fliegenden Hexe mit Hut.

In ihrem Traum stand Bertram in der Küche hinter dem Herd. Er hatte blondes Haar und war eine Frau.

Falls Bertram an sie glaubt, dann nicht aus Überzeugung, sondern um des Friedens willen. Er, der Millionärssohn aus der Stadt. Sie, das vernachlässigte Kind vom Land. Was braucht man mehr zu sagen?

Sie hat das Land nie gemocht, die unendlichen Wiesen, in denen sie sich nicht gespiegelt sieht, den abgelegenen Hof, auf dem sie aufgewachsen ist.

Mutter hat als Kind auf einem Gut gelebt, ganz in der Nähe.

Bis sie vier war, hat Noëlle nur Französisch geredet.

Ferme (Farm).

Um vier Uhr morgens hält sie das Schweigen nicht mehr aus und schreibt David, während er online ist:

Wie geht es dir?

Er schaltet das Handy aus.

Sechs Uhr früh.

Penelope textet, als hätte sie es gespürt:

Das ist der Song zur Misere: Aretha Franklin, See Saw

Noëlle geht ins Netz: »Your love is like a see saw, going up, down, all around, like a see saw.«

Sie setzt die Kopfhörer auf und dreht voll auf.

Morgengrauen.

Pickel auf der Nase. Wie eine Hexe.

Sie spritzt sich Wasser ins Gesicht.

Frühstück in der Küche.

Kaffee, Vollkornbrot, Honig, Orangensaft.

Eine gesunde Ernährung ist wichtig.

»Schlaf, Bewegung, frische Luft, Essen, Trinken … das sind Behandlungsmöglichkeiten«, hat Sacha gesagt. Er spricht deutsch mit ihr, obwohl sie im französischsprachigen Jura sind. Er kommt aus Zürich wie sie.

Die Jacke für viertausendsechshundert hat sie zurückgebracht. Mauvefarben, kastenförmig, wie für sie gemacht.

Sie hat ein Bild von sich darin geschossen. Das war eine Woche bevor sie in den Jura gekommen ist.

Schneller Griff zum Mobiltelefon, um durch den Chatverlauf zu scrollen.

Wie aus Flüssigkristallen in einem Touchscreen, die unter elektrischer Spannung ihre Position verändern, so große Gefühle entstehen können. Sie tippt eine Nachricht an David und stellt sich vor, wie die Kristalle in seinem Bildschirm aufglühen, Stimmungen und Träume und Gefühle in ihm aufglühen, sie beide brennend in einem elektrischen Feld. Dann löscht sie die Mitteilung.

Die Eisheiligen sind vorbei.

Im Beet vor dem Haus lockert sie den Boden, setzt Kürbissamen und die Gurkensetzlinge, die sie in der Küche angezogen hat.

Kürbisse sollte man vor Schnecken schützen, doch sie unternimmt nichts gegen Schnecken, zieht kein Gitter hoch, streut kein Gift, nichts.

Muira nimmt die Karten und mischt sie. Gleich legt sie auf wie eine Hellseherin, denkt Noëlle, doch sie streckt ihr nur den Stapel entgegen und sagt: »Heb ab.«

Noëlle hebt in der Mitte ab und dreht das Paket nach oben, sodass die unterste Karte erkennbar wird.

»Der Narr! Eine der besten Karten«, ruft Muira begeistert.

»Warum?«

»Der Narr steht über allem. Ändere nichts an deiner Situation. Sechs weitere!«

»Diese Situation hält seit fünf Jahren an.«

»Es wird nie mehr so schön sein wie jetzt, so ganz ohne Verantwortung.«

Noëlle konzentriert sich auf das Gefühl in ihren Fingerspitzen und zieht.

»Bertram ist ein Guter. Schade, dass du ihn nicht mehr willst. Er wird immer für dich da sein, so einen findest du so schnell nicht wieder, aber du liebst David. Iss nie etwas, das er dir mitbringt. Sie hat Angst vor dir. Er auch. Er spürt die Kraft, die jetzt in dir aufkommt. Du wirst zur Konkurrentin. Und du schickst ihm nicht mehr all die lieben Nachrichten wie früher.«

»Nein, das tu ich nicht mehr.«

»Siehst du.«

»Sollte ich?«

»Ja, das freut ihn. Er muss von dir hören, dich sehen.«

»Ich sehe ihn nie.«

»Das ist prima!«

»Findest du?«

»Ja, das ist die beste Zeit. Der kommt wieder, keine Sorge. Mehr als zuvor. Besser, viel besser! Du brauchst einen Partner, einen richtigen Partner. Ich bin gespannt, was jetzt passiert, etwas wird bald passieren.«

Die Glöckchen über der geöffneten Tür klingeln, als ob jemand eingetreten wäre.

»Was war das?«

»Das geht den ganzen Tag so«, sagt Muira, ohne auch nur aufzuschauen.

»Der Wind?«

»Das geht immer so«, wiederholt sie ruhig.

An die weiteren sechs Karten erinnert Noëlle sich beim Verlassen des Geschäftes bereits nicht mehr. Muira hat alles ins Positive gewendet, sie meint es gut mit ihr.

Die Mahlzeiten bilden einen fixen Punkt in ihrem Tag. Ansonsten kann sie stundenlang rumliegen, hin und wieder mehrere Zigaretten hintereinander auf der Terrasse rauchen, lesen, schreiben, spazieren gehen, den Gang auf- und abschreiten …

Oft ist sie müde und muss sich zwingen rauszugehen. Nachts aber hat sie Probleme mit Durchschlafen. Ihr Schlaf ist leicht, sie wacht oft auf. Sacha kombiniert ihr abendliches Zyprexa (Neuroleptika) neu mit Zolpidem (Schlafmittel).

Denkengehen, so weit, wie das Haus noch zu sehen ist. Die einzige Ausnahme bildet der Baum, zu dessen Wurzeln sie die Zettel vergräbt. Um zu ihm zu gelangen, muss sie einige Schritte ins Dickicht machen. Dort legt sie ihre Hand auf seinen dicken Stamm oder auf einen der untersten Äste, die fast den Boden berühren. Durch die Queräste blickt sie hinauf zur Krone.

Ein Mosaik aus Licht.

Auf der Höhe von ungefähr zwei Metern spaltet der Stamm sich in zwei pralle Schäfte, die sich in den Himmel bohren. Sie sind voller Knorren und Buckel.

Da glaubt man, eine Affäre sei kein Problem. Am Anfang ist es auch ein Glück, man geht im See schwimmen, schreibt sich jeden Tag. Dann beginnt die Geschichte, an der Realität zu ritzen: Wenn man sich schon so nahe ist, warum ist man nicht richtig zusammen? An dem Punkt wird es schwierig. Den Partner und das Kind verlassen? Den Freundeskreis aufgeben? Alles öffentlich machen? Die ersten haben schon etwas bemerkt. Plötzlich sind da sehr starke Kräfte am Werk. Jahrzehntealte Banden und Muster greifen. Ist das Neue stärker? Kann es stark bleiben? Schwierige Fragen. Schwierig ist nicht gut. Schwierig macht müde. Schwierig geht man aus dem Weg. Aber man hat sich schon so lieb gewonnen. Man möchte einander nicht missen. Die Gewohnheit. Die Sucht. Und David hasst es, Menschen zu verlieren. Also jeden Abend ins Bett gehen und an den andern denken, ohne ihn zu sehen. Das ist vermutlich nicht so gesund. Es ist schwierig, sich ständig zu spalten. Vielleicht können das nur Bäume.

Einige von Davids Sätzen rattern selbstständig durch ihren Kopf:

»Wenn wir zusammen wären, wäre das zu sehr hohen Kosten, und die würden wir uns eines Tages vorwerfen –«

»Vielleicht sollte man den einen schönen Moment bei dir im Bett nicht ausdehnen und zum Dauerzustand machen wollen –«

»Unsere Körper wissen mehr als wir –«

Nur der letzte Satz fand Anklang bei ihr, sie wusste sofort, wie wahr er ist: Unsere Körper wissen mehr als wir.

Ansonsten: Warum sollten sie bereuen, sich getrennt zu haben, wenn sie in ihren Beziehungen unzufrieden waren? Doch sie unterließ es, ihm zu widersprechen. Sie widerspricht ihm nie.

Oft wollte sie ihn gar nicht hören.

Sie wollte nicht hören, was er ihr zu sagen hatte.

Alles, was sie zu wissen brauchte, erfuhr sie auch so.

Er hat versucht, sie nicht mehr zu treffen, und hat sie wieder getroffen.

Das Begehren, die stärkste Macht von allen, hat sie immer wieder zueinander hingetrieben. (Oder war es etwas anderes?)

Sie löst sich vom Baum, löst den Blick vom Haus und macht sich auf den Weg zurück.

Unruhige Beine.

Er zählte ihre Rippen.

»Versprich mir, dass ich eines Tages neben dir aufwachen darf.«

»Versprochen.«

Gelten Versprechen noch, wenn man irgendwie nicht mehr zusammen ist?

Sie hat beschlossen, das Haus Mohn zu nennen, da es weiß gestrichen, aber innen von Flecken und Lufteinschlüssen an den Wänden schwarz gesprenkelt ist.

Die Kürbispflanze vor dem Haus hat vier Blätter. Sie lebt und wächst.

»Auch das beruhigt«, sagt Sacha. »Sich um Pflanzen kümmern.«

Kein Selbstmörder in der Familie bis jetzt außer einer Angeheirateten. Sie ist vom Balkon eines Hochhauses gesprungen, hat ein vierjähriges Mädchen hinterlassen.

Die Einsamkeit ist es, die Noëlle am meisten zusetzt. Der Mensch gehört unter Menschen. Mohn ist ein Haus am Rand mit einem Menschen darin, immer auf der Kante.

Doch, da ist ein Selbstmörder, ein sturer Kopf: Großvater hat sich zu Tode gehungert. Er hat sich ins Bett gelegt und sich da zu Tode gehungert, um Großmutter zu folgen, kurz nachdem sie gestorben ist.

»Das ist eine ernsthafte Affäre«, sagt Sacha und fährt sich durch das hellbraune, erstaunlich dichte Haar. Alles an ihm ist zart. Die Augen, stets wach und in sich ruhend, beobachten sie geduldig.

»Warum?«

»Eine nicht ernsthafte ist nach zehn Tagen beendet.«

Daran hat sie noch nicht gedacht.

»Aber schau mal, es ist doch so: Ein Aufhören ist gar nicht möglich, da sind elementare Gefühle, die ihr nicht wegbringt.«

Sacha ist nicht nur Mediziner, er hat auch Philosophie studiert.

»Die Sehnsucht nach der zweiten Hälfte, die uns ganz werden lässt, existiert seit zweitausend Jahren. Platon zufolge sind die Menschen ursprünglich zusammen mit ihrem Partner rundum glückliche Kugelmenschen –«

»Ich weiß«, schneidet Noëlle ihm das Wort ab.

»Die Götter des Olymps haben sie, um sie zu schwächen, in zwei Flächen zerschnitten«, macht Sacha weiter. »Seither sehnt jeder sich nach seiner anderen Hälfte und versucht, seinen Urpartner wiederzufinden.« Und dann sagt er ernst, verändert: »Es passt eben nicht einfach so, es passt etwas ganz Bestimmtes.«

Noëlle setzt sich an die Sonne und kneift die Augen zusammen.

Der Esel grast. Der Esel trinkt. Aus der Wanne, die immer voll ist, sich wie von Geisterhand füllt. Sie sollte Sacha fragen, wer dafür verantwortlich ist, wem das Tier gehört, wem das Land hinter dem Haus gehört. Doch da ist eine Vagheit in ihrem Kopf, die nicht weichen will, die sie immer wieder vergessen lässt, ihn zu fragen.

Zurück auf ihrem Zimmer setzt sie sich an den Tisch, um zu schreiben.

Jeden Tag einen Satz oder zwei.

Und wenn sie absichtlich versagt? Das traut sie sich zu.

In diesen Worten sollte Dynamit stecken, sie sind ihre einzige Waffe, damit David eines Tages versteht. Doch es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren.

»Ich weiß wirklich nicht, was du an ihm findest«, sagt Penelope am Telefon.

Noëlle stellt sich vor, wie ihre Freundin am Fenster ihres Ateliers steht und über den Hof blickt. Starke Schultern, tiefe Stimme. Sie steckt mitten in einem neuen Bild. Penelope ist eine angesehene Malerin.

Unter ihrem Baum lauscht Noëlle dem Rauschen des Windes, Mohn fest im Blick. In diesem Haus, das mit den Wiesen eine Einheit bildet, lebt sie allein. Zwanzig Zimmer, und nur eines davon ist bewohnt, das ist verrückt. Sie geht die Wege der Umgebung, aber nie abseits von ihnen und nie so weit, dass sie das Haus nicht mehr sehen kann. Sie geht auch nicht beliebige Wege, sondern immer die gleichen Pfade, und merkt sich genau, wo sie entlang ging, vor Furcht, nicht zurückzufinden. Die Dörfer liegen weit voneinander entfernt, sodass sie stundenlang gehen könnte, ohne ein Zeichen von Zivilisation zu sehen. Allein bei der Vorstellung gefriert ihr das Blut zu Eis.

Ihre Nerven sind schlecht heute.

Eine Maus huscht durch das Gestrüpp und macht alles nur noch schlimmer.

Schneller Griff in die Handtasche.

Hat sie ihr Temesta dabei?

Nie ohne ihr Temesta, ihren Angstlöser. Zur Sicherheit.

Regen auf Blättern. Vergiss alles, was du zu wissen glaubst.

Die große Frau am Straßenrand kennt sie doch. Den unordentlichen blonden Haarschopf, die blaue Uniform. Kommissarin Claire! Was macht sie hier?

Noëlle kickt Steine. Aus Versehen kickt sie ein Schneckenhaus und fährt zusammen. Steckt da noch Leben drin?

Harry hat eine neue Hängematte im Garten.

Am Fenster seine Silhouette.

Als sie am Haus vorbeikommt, schaut sie weg und geht weiter.

Es lässt sich schlecht gehen mit ihren Schuhen. Designerschuhe für achthundert Franken.

Glatte Sohle, schwarzer Canvas. Völlig unbrauchbar auf dem Land.

Ein Paar aus Leder mit dicker Gummisohle wäre gut.

Eine Feder auf der Fußmatte vor der Tür.

Nichts bewegt sich. Und wenn sich etwas bewegt, rennt sie ans Fenster.

»Bist du nie eifersüchtig?«

David hat den Kopf geschüttelt. »Weißt du, ich war in meinem Leben so oft eifersüchtig …«

Bestimmt war er auf dem Pausenplatz das Kind, das im Abseits stand.

»Ich habe gedacht, an die komme ich nie ran«, hat er beim zweiten Treffen gesagt.

Sie hat daraus etwas abgeleitet. Einem Teil von ihm geht es darum, dieses Ziel zu erreichen: diese attraktive Frau zu besitzen. Er ist ein angesehener Mann, aber das ist er nicht immer gewesen. Vielleicht ist mit dem Erfolg der Mut gekommen, sich zu nehmen, was ihm bisher verwehrt geblieben ist.

Sie nimmt ihr Notizbuch.

Offen bleibt es vor ihr liegen.

Essen zubereiten:

Spiegelei auf Toast.

David zeigt kryptische Nachrichten auf Facebook, rätselhaft wie die ganze Situation.

David und sie führen eine Art Verrücktensprache, kommunizieren nur noch indirekt über Fotos, Liedzeilen und Bildunterschriften, die er im Netz absetzt. Das zwischen ihnen ist Kommunikation wie unter Tieren, ohne Worte, oder wie Muira, über Energien. Seltsamerweise, oder gerade nicht, ist diese Art von Kommunikation sehr effektiv, die Tiere wissen ja auch auf diese Weise zu überleben. Wölfe rufen, um sich zu finden. Ihr Heulen ist aufeinander abgestimmt.

Weiße Flecken auf dem Fußboden. (Butter?)

»Soll ich das Fenster schließen? Ist dir kalt?«

»Geht schon.«

Sacha steht auf. »Ich schließe es trotzdem.«

So kommt sie nicht weiter. Sie hat Claire gesehen, die Kommissarin. Sie wird von ihr gesucht, und Sacha tut unwissend.

»Sitzt du bequem?«

»Ist schon in Ordnung.«

Es gibt Bequemeres als Küchenstühle, das weiß er wohl auch.

Warum duzen sie sich, als wären sie gute Freunde?

Sie denkt an David. An die vielen vergeblichen Versuche, an ihn heranzukommen.

»Hast du dich an das Haus gewöhnen können?«

Sicher, sie kennt es seit neunzehn Jahren.

»Hast du meine Frage verstanden?«

Sacha schlägt das Buch zu.

»Fühlst du dich wohl? Willst du einen Spaziergang machen?«

Pferdegesicht: Mutter.

»Sie ist alt, sie ist alt«, sagt Muira über Davids Frau. Noëlle hat es zur Hexe gezogen. »Im Kopf und im Herz. Das hat mit ihrer schwierigen Vergangenheit zu tun. Er hat sie gerettet, das habt ihr gemeinsam. Wie alt ist sein Sohn? Noch keine fünfzehn, nicht wahr? Wenn er fünfzehn ist, kommt David vielleicht und sagt: Wollen wir endlich zusammen sein und ein Kind haben? Jetzt kann er Frau und Kind noch nicht verlassen, aber er weiß, dass er sich in einer falschen Stabilität wähnt. Ihr zwei gehört zusammen, er wird immer ein Teil von dir sein.«

Sie öffnet eine Schublade.

»Warte, ich ziehe eine Karte. Ich habe gerade gute Laune. Für dich mache ich es gratis.«

Sie mischt und hebt ab.

»Der Aeon! Das seid ihr mit dem Kind in einer Blase. Ihr seid schon zusammen, und du wirst ihn noch ganz haben.«

»Warum schreibt er mir keine Zärtlichkeiten mehr?«

»Weil er nicht darf. Er ist verheiratet und hat ein Kind.«

»Ich bin auch noch verheiratet.«

»Und nur deshalb funktioniert es.«

»Ich wünsche niemandem, sich in einen Mann zu verlieben, der nicht zu haben ist.«

»Du musst nur lernen, im Kopf einen Schalter umzulegen. Die Frage ist: Was will dich das Ganze lehren?«

»Er hat gemerkt, dass ich mich zu sehr in ihn verliebt habe.«

»Ja, der hat dich schon gern, aber er kann dir nicht mehr geben, noch nicht.«

»Noch nicht ist das Schönste, was du mir bisher gesagt hast, daran halte ich mich jetzt fest. Vielleicht sind wir in ein paar Jahren zusammen.«

»Das ist gut möglich, das würde mich nicht erstaunen. Aber erst schreibst du dein Buch.«

Muira betrachtet sie eindringlich.

»Du solltest mehr Sport machen, Krafttraining.«

»Manchmal bin ich auf dem Heimtrainer.«

»Das reicht nicht. Geh joggen! Oder wandern.«

»Ich kriege Panik.«

»Du kriegst keine Panik.«

»Doch, ich habe Angst, mich zu weit vom Haus zu entfernen.«

Muira legt den Kopf schräg. Noëlle fragt sich, ob sie erstaunt wirkt, es ist aus ihrer Mimik nicht zu erraten. Ihr Blick verliert sich nicht weit hinter Noëlle, und sie hört sie etwas Unverständliches murmeln. Dann wieder an sie gerichtet: »Du vertraust zu sehr auf deinen Verstand. Du hast schöne Haare. Etwas dunkler würde dir gut stehen, etwas länger, und du solltest dich mehr schminken, vor allem die Augen.«

»Wieso lange Haare?«

»Langes Haar fängt die Energien besser ein.«

Zum Dank, dass Muira ihr als Orakel dient, kauft Noëlle bei jedem Besuch etwas ein. Meistens sind es Glaskerzen. Oder Steine: Amethyst, Rosenquarz, Lapislazuli … Muira kennt von jedem Stein die Bedeutung. Diesmal entscheidet sie sich für einen Sonnenfänger. Er besteht aus funkelnden Kristallen und einer Blume des Lebens.

»Der ist hübsch«, sagt Muira. »Und günstig! Einmal habe ich auf dem Flohmarkt einen kaputten Kühlschrank für tausendfünfhundert Franken verkauft, nur weil Coca-Cola darauf stand. Ich könnte jedem alles andrehen!«

Noëlle stutzt. Ausgesprochen moralisch veranlagt scheint Muira nicht zu sein, und sie schämt sich nicht, es zuzugeben. Sie versteht es, sich selbst zu helfen. Auch eine Form von Zauber. Oder sie ist einfach eine geldgierige Betrügerin, die um den Wert der Symbole weiß.

Noëlle greift nach einem ausliegenden Buch, das den Begriff Hexe im Titel trägt, schlägt es auf und liest: Der Teufel sitzt in den Haaren. Das ist ein seltsamer Zufall, denkt sie, schließt das Buch schnell wieder und stellt es zurück an seinen Platz.

Von Muira zu Mohn dauert es zu Fuß fünfzehn Minuten.

Schlechter Empfang. Holzhacken.

Jetzt ist es schon so weit: Sie wartet auf Regen für die Pflanzen.

»Alles lässt sich nicht erklären«, sagt Sacha.

Sie hat ihm von Muira erzählt.

Er weiß nichts von einer Hexe.

Geht er denn nie ins Dorf?

»Die Weisheit der Hexe – sie fasziniert dich als Gegenbild. Du als Wartende bist verhaftet in der Uhrzeit, das macht dich fertig. Die Hexe aber … Die Zeit interessiert sie nicht.«

Morgengrauen.

Ein schlammiger Weg, der dem Fluss folgt.

Fischreiher an Bächen und Tümpeln. Sie schrecken auf, wenn man sich nähert.

Krähen bleiben, verfolgen einen sogar.

Kleine Schweine gesehen.

Im Geist hält ihr Bruder ihre Hand, Jahrzehnte her, einen steilen Hügel hinaufsteigend.

Vielleicht erinnert sie sich auch nur an eine Fotografie.

Sie wollte schon einmal über David schreiben, es ist ihr nicht gelungen. Sie war zu nahe dran. Zwei Jahre Arbeit für diese Einsicht, und hier ist sie und schreibt schon wieder über ihn, um ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf ihn zu richten, um irgendwas von ihm zu erraten.

Sie liest alte Whatsapp-Dialoge wieder. Es ist, als hörte sie ihn. Aber was macht diese Warterei, dieses ständige Sichverstecken mit einem? Am Vorabend hat sie ihm geschrieben:

Ich hab dich lieb.

Er hat nichts erwidert. Ist es ein Zaudern? Ist es, weil er nach Worten sucht, die genau und originell sein sollen, oder ist er in Aufruhr wie sie? Mit David befreundet zu sein, ist gefährlicher, als auf einem wackeligen Hocker zu stehen. Nichts in den Händen außer Gefühlen, Ahnungen, doppeldeutigen Worten. Wenn sie sich umschaut, ist nichts von ihm da. Nicht ein Gegenstand, den sie berühren, streicheln, an die Lippen heben kann. Kein Brief, kein Geschenk. Als wäre er ein Gespenst.

Sacha greift zu Stift und Block. Sommersprossen im Gesicht. Oder sind es Altersflecken? Wie üblich trägt er Khakihosen und ein weißes Stehkragenhemd wie Mao.

Langsam fährt Noëlle mit den Fingern über das trockene Holz des gemaserten Küchentisches. Sacha hat ihr geraten, sich an konkrete Dinge zu halten, wenn Panik über sie kommt. Fünf Dinge, die du siehst, vier Dinge, die du hörst, drei Dinge, die du spürst … Die fünf-vier-dreizwei-eins-Übung, der Gedankenstopp. Sie darf nicht daran denken, dass David ihr nicht mehr antwortet, oder nur so hermetisch, dass sie nie weiß, ob sie nicht womöglich wahnsinnig ist und sich nur was einbildet, etwas in seine Posts hineinliest, das gar nicht da ist.

»Ein Liebhaber ist nie ein Freund«, sagt Sacha vorsichtig.

Nach einem längeren Schweigen fährt er fort.

»Bei Liebeskummer solltest du dich mehr auf dich selbst konzentrieren als auf den andern.«

Wieder eine lange Pause.

»Sex ist immer an Gefühle gebunden. Na schön, es gibt vielleicht so etwas wie eine Sekundenverliebtheit, aber Leidenschaft hat immer etwas Grenzenloses.«

»Du glaubst nicht, dass er mich loswerden will?«

»Er braucht dich. Handeln wider besseres Wissen. Die Frage ist nur, wie lange du noch die Geisel deines Geiselnehmers sein willst. Schon vom Stockholm-Syndrom gehört? Aber er ist auch eine Geisel. Er ist die Geisel seiner Unfähigkeit, ein selbstbewusstes Leben zu führen. Das zu wissen, macht dich wiederum zur Stärkeren. Ihr seid beide Opfer und Geisel, es ist ein Circulus vitiosus, ein Teufelskreis.«

»Warum zieht er sich plötzlich zurück?«

»Du stellst ihn vor ein moralisches Problem, weil er erkannt hat, dass du zu Hause Probleme hast. Außerdem ist er je länger, je mehr beschäftigt. Und er spürt den Druck, sich auf dich einlassen zu müssen, das kann er aber nicht, dafür ist er zu fest auf sich bezogen.«

»Er hat, glaube ich, zu Hause auch Probleme bekommen.«

»Ganz bestimmt. Und jetzt hat er Angst, dass es teuer werden könnte.«

»Teuer?«

»Eine Scheidung.«

Geräuschvoll atmet sie durch den Mund aus. Die Haut an ihrem Finger ist ganz aufgeraut.

»Man weiß wenig darüber, woher Verliebtheiten kommen«, sagt Sacha besänftigend. »Irgendwann und bei irgendwem hängen sich diese Gefühle einfach mal ein. Aber wenn man den Mechanismus der Liebe zu verstehen versucht, stößt man auf die Schwierigkeiten des Unterbewussten. Auf was Liebe zurückzuführen ist, weiß man nicht. Man meint: weil er attraktiv ist, weil ich attraktiv bin, solche Sachen. Aber das stimmt nicht.«

Wieder auf dem Zimmer ruft Penelope an.

»Er ghostet dich nicht. Er ist tot.«

Bertram ruft an.

»Was hast du gekocht?«, will Noëlle von ihm wissen.

»Klare Brühe mit Kohl und Karotten.«

Ein typisches Bertram-Essen (akkurat zugeschnittenes Gemüse, beste Zutaten aus dem Delikatessengeschäft), das einen ungesättigt lässt.

Sie erinnert sich an viele Abende, die sie mit Bertram in Gesellschaft von Freunden verbracht hat, bei denen er gekocht und sie sich gelangweilt in eine Ecke zurückgezogen hat, mit dem deutlichen Gefühl, nicht dazuzugehören.

Ihr Blick fällt durchs Fenster aufs Abendrot.

Die Sonne geht auf und unter, ohne dass David und sie sich gesehen haben.

Sie feilt sich die Nägel, rund.

Mail vom Verlag.

150 Seiten!, lügt sie und geht spazieren.

Der Jura ist grün, vor allem nach vierundzwanzig Stunden Regen und keinem blauen Fleck am Himmel. Eine Million Schafe könnten diese Hügel nicht kahl fressen, weil das Gras bei dem vielen Regen so schnell nachwächst.

Und alle lehnen sie mit ihren braunen Gesichtern zum Fenster hinaus.

Ein Bauer bei der Arbeit. Er repariert einen Zaun.

Als sie von ihrem Spaziergang zurückkommt, steht ein Henkelkorb mit Erdbeeren vor der Tür.

Sie schaut sich um: niemand.

Sie weiß nicht mehr, wie sie David noch erreichen kann. Jeder Versuch, ihn zu sehen oder zu hören, bleibt unbeantwortet. Es ist, als wäre er gekidnappt worden.

Plötzlich schreibt sie ihm mehrere Nachrichten hintereinander.

Sehen wir uns nächste Woche?

Sagst du mir was?

Bist du mir böse?

Nichts.

Sie könnte ihn fragen, was er beabsichtigt.

Sollen wir Freunde bleiben?

Will er sie im richtigen Moment zur Frau nehmen?

Zur Frau nehmen. Das hat sie doch schon mal gehört?

»Versprich mir, dass ich eines Tages neben dir aufwachen darf.«

Was hat er damit gemeint?

Irgendwann braucht sie Antworten auf ihre Fragen.

Wieder einmal umsonst die Haare gewaschen.

Er kommt nicht.

»Weiß er, dass du hier bist?«

»Ja.«

Sachas Augen werden klein.

Wie alle Psychiater greift er zu Stift und Papier.

Ein gelber Fleck an der Gegenwand. (Schneckenschleim?)

Sacha blickt zu ihr auf.

»Hast du was gesagt?«

»Nein.«

»Sprichst du manchmal mit dir selbst?«

»Ich glaube nicht.«

Sie schaut ihre Fingernägel an. Sie sind noch immer zu lang.

»Warum drehst du beim Sprechen am Ring?«

Sie lässt ihn los. Ein Ring ohne Bedeutung. Er hat ihr gefallen, weiter nichts.

»Hast du deinen Kürbis gegossen?«

»Ja.«

Sie gießt ihn frühmorgens und abends.

Sacha ist verstummt.

Der Gesprächsstoff ist ihm ausgegangen.

Wenn Ärzten nichts mehr einfällt, sagen sie, es läge am Stress.

Immer sagen sie: Stress. Sie sollten ins Kompetenztraining Stressbewältigung …

Online gerät sie in einen Rausch und kauft vier neue Kleider auf einmal.

Ihr Handy liegt neben dem Kopfkissen, Nacht für Nacht, seit fünf Jahren.

Bevor sie einschläft, murmelt sie Davids Namen.

Wie einen Zauberspruch.

Oder ein Gedicht.

DHL kommt.

Sie hat David noch einmal zu sich eingeladen.

Bedeutungsvolles Schweigen.

Nicht an erster Stelle zu kommen, nervt gewaltig.

»Du schreibst gar nicht so oft«, hat er gesagt.

Es klang wie der Wunsch, öfter von ihr zu hören.

Penelope ist am Telefon: »Es fällt mir sehr schwer, ihn für voll zu nehmen.«

Im Bett produziert Noëlle die ihr vertrauten Geräusche und wickelt die Decke fester um sich.

Sie wird sich beherrschen und David nicht noch einmal schreiben.

Nichts von der durchwachten Nacht erzählen.

Nicht fragen, wie es ihm geht.

Kein Foto des Mondes schicken.

Sie ist müde vom Schweigen, aber wie sonst die Würde bewahren vor jemandem, der sich nicht meldet?

Wozu die Würde bewahren?

Sie hat in ihrem Verlangen nach ihm doch jede Würde verloren.

Wenn sie durch ihren Chatverlauf scrollt, sind da nur noch graue Kästchen, ihre.

Davids Sprache klang doch gleich. Die glückliche und brutale Sprache der Liebenden.

Und ich bin so neugierig, wie es ist, wenn wir mal Zeit und Raum haben, uns niemand hören und sehen kann

Womöglich hat er wieder einen Kopfschmerztag, dass er ihr nicht antwortet. Sie kennt Kopfschmerzen nur bei Nasennebenhöhlenentzündungen. Aber eine Freundin, die unter Migräneanfällen leidet, erinnert sich nicht an die Geburt ihrer Tochter, nur an die Kopfschmerzen an diesem Tag.

Vermutlich kann sie gar nicht nachvollziehen, wie furchtbar Migräne sich anfühlt. Genau wie sie sich sein hohes Arbeitspensum nicht vorstellen kann.

Wenn sie ihn wieder dranhat, will sie nur lieb sein, ausschließlich Liebes sagen, nicht mehr von sich selbst reden, sich nach seinem Befinden erkundigen, sich zurücknehmen, damit er nicht gleich wieder verschwindet, damit sie ihm gefallen kann.

Auf Facebook wurde er in Begleitung von Freunden beim Lunch abgelichtet.

Für die hat er Zeit. Bei ihr heißt es immer: Termine!

»Bei dir steht auch was auf dem Spiel«, sagt Penelope am anderen Ende der Leitung.

David schmeckt wie Metall. Am liebsten steckt sie ihre Nase überall dorthin, wo sie ihn besonders gut riechen kann: zwischen die Beine, in den Bauchnabel, an seine Brustwarzen, seinen Hals. Sie saugt ihn ein und leckt ihn auf, bis sie ganz und gar betäubt von ihm ist und keine Worte mehr findet.