Fettnäpfchenführer Indien - Andrea Glaubacker - E-Book

Fettnäpfchenführer Indien E-Book

Andrea Glaubacker

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Beschreibung

Namaste! Willkommen in den Untiefen der indischen Kultur, zwischen Mantras und Mumbai, Curry und Chaos, Bollywood und Buddha. Das Land der farbenfrohen Feste und starken Kontraste wird Ihre Erwartungen sicher auf den Kopf stellen. No problem: Wir bereiten Sie auf alle Stolperfallen vor. Ob in chaotischen Städten oder spirituellen Oasen der Ruhe – navigieren Sie sicher durch den Kulturschock und erleben Sie Indien authentisch und respektvoll.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 240

Veröffentlichungsjahr: 2025

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FETT NÄPFCHEN FÜHRERINDIEN

ANDREA GLAUBACKER

DER UNTERHALTSAME REISEKNIGGE

Impressum

© 2025 Bruckmann Verlag

Infanteriestraße 11a

80797 München

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7343-3254-8

eISBN: 978-3-7343-3344-6

Autorin: Andrea Glaubacker

Produktmanagement: Susanne Kaufmann

Lektorat und Korrektorat: Charlotte von Schelling

Umschlaggestaltung: derUHLIG Büro für Gestaltung unter Verwendung von Motiven Agnieszka Stankiewicz/unsplash (Gewürzschalen), freepik (Ganesha), freepik (Hintergrund)

Satz: Röser MEDIA, Karlsruhe

Druck und Verarbeitung: Printed in Poland by CGS Printing

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Alle Angaben dieses Werkes wurden von der Autorin sorgfältig recherchiert und auf den neuesten Stand gebracht sowie vom Verlag geprüft. Für die Richtigkeit der Angaben kann jedoch keine Haftung erfolgen. Sollte dieses Werk Links auf Webseiten Dritter enthalten, so machen wir uns diese Inhalte nicht zu eigen und übernehmen für die Inhalte keine Haftung.

In diesem Buch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

INHALT

DIE PROTAGONISTEN

ANREISE

Indien – »Full on Asia«

1EINREISE

Von wegen schneller Einreise. Immigration!

2NEPPER & SCHLEPPER

Von abgebrannten Hotels und sauberen Ohren

3KULTURSCHOCK

Wenn die Innenwelt zusammenfällt

4STROM & SHOPPING

Boden unter den Füßen gewinnen

5EIS? SCHUHE?

Voll, voller, am vollsten

6AUF INDIENS TOILETTEN

Delhi Belly

7NACH HAUSE EINGELADEN

Essenseinladungen meistern

8SIM-KARTE BESORGEN

Ein schwieriges Unterfangen

9KONTRASTE

Zwei Welten in einer Stadt

10TICKETKAUF

Verwirrend

11ZUGFAHRT

Im Zug durch Indien

12R-E-S-P-E-C-T

Vom Neinsagen und Affengöttern

13CHEERS!

Von wilden Horden und trockengelegten Orten

14GÖTTERDÄMMERUNG & KISSES

Party für Shiva

15UND CHEEESE!

Von unheiligen Segnungen und vom Knipsen

16AUSGEGRENZT

Eine der dunklen Seiten

17SEEKRANK IM BUS

Ungeplantes und Übelkeit

18MEDITATIVER LÄRM

Von wegen »Ommm«

19AM GANGESUFER

Von Männern und Affen

20OMMM

Orangfarbene Heiligkeit

21PAARE

Von Liebe und Pflicht

22KOLONIALISMUS

Britisches Erbe

23TAJ MAHAL

Monument der Liebe und Müll

24SKINCOLOUR & POLITICS

Hindunationalisten und Schneewittchenwahn

25TOD

Am heiligen Ganges

26TEMPEL

Barfuß in die Welt des Rituals

27TABU

Schwules Indien

28HOCHZEIT

Was muss, das muss

29KOMMUNIKATION

Ja, Nein, Vielleicht

30GEPLATZTES MEETING

Family first

31FRAUEN

Göttin und Sklavin

32PARTY & POLIZEI

Willkür und Bakschisch

33AYURVEDA

Viel Öl, Pasten und Pulver

34AUTOFAHRT

Strapazierte Nerven

35RELAX

Fliegen oder nicht fliegen, das ist hier die Frage

ABREISE

Ende einer intensiven Zeit

INDIEN fasziniert mit seiner Vielfalt: Jahrtausendealte Traditionen treffen auf moderne Metropolen, spirituelle Weisheiten auf geschäftiges Chaos. Das Land verzaubert mit Farben, Düften und Gastfreundschaft – birgt aber auch so manche kulturelle Stolperfalle, in die Lara unwissentlich tritt. So versteht sie nicht, warum …

… ein Kopfschütteln manchmal Zustimmung bedeutet.

… Pünktlichkeit in Indien eine ganz eigene Definition hat.

… Händeschütteln nicht immer angebracht ist.

… sie plötzlich von Fremden nach ihrem Familienstand gefragt wird.

10 Dinge,

MIT DENEN MAN SICH IN INDIEN AUF JEDEN FALL BLAMIERT

1.Das mach ich mit links? Besser nicht!

In Indien wird die linke Hand als unrein betrachtet.

2.Küssen verboten

Händchenhalten ist in den Großstädten in Ordnung, aber öffentliches Küssen oder Umarmen wird als unangemessen angesehen.

3.Sexyness? Nicht angesagt!

Besonders in traditionellen Regionen sollte man weite, lange Kleidung wählen.

4.Politik? Schwierig!

Politische Themen können heikel sein, besonders ohne tieferes Wissen.

5.In Tempeln bitte barfuß

Niemals mit Schuhen Tempel, Moscheen oder andere heilige Orte betreten.

6.Über das Kastensystem sprechen

Das Thema ist immer noch sehr sensibel, und besser, Sie fragen Menschen nicht nach ihrer Kaste.

7.Religion kritisch beurteilen

Man sollte immer Respekt vor den religiösen Praktiken und Symbolen in Indien zeigen.

8.Wenig Respekt vor Älteren

In Indien wird großer Wert auf den Respekt vor älteren Menschen gelegt.

9.Pünktlich? Bitte nicht!

In Indien kommt es oft vor, dass Einladungen eine flexible Zeitplanung haben. Zu früh zu erscheinen kann als unangemessen empfunden werden.

10.Auf westliche Standards bestehen

Es ist wichtig, mit einem offenen und flexiblen Blick und Neugierde nach Indien zu kommen. Vergessen Sie westliche Maßstäbe.

DIE PROTAGONISTEN

Lara Mitte Dreißig und Indienneuling, braucht eine Auszeit von ihrem Berliner Leben und ihrer Arbeit in einer hippen Berliner Marketingagentur, unterschätzt Indien und tritt von Fettnapf zu Fettnapf.

Fred Hipsterchef einer Berliner Marketingagentur mit Tischtennisambitionen. »Full on Asia« ist sein neues Credo.

Sunil Kumar Problemlöser und Laras Retter, Sohn eines alkoholhassenden Vaters.

Aletta Aus den Niederlanden, Mitte 50 und langjährige Indienreisende. Sie haut so schnell nichts mehr vom Hocker.

Luis INDIA- I Never Do It Again! Der Spanier wird nie wieder nach Indien reisen, nachdem er neben aufgebahrten Leichen in einem Krankenhaus auf Behandlung warten musste.

Jeevan Slumführer in Delhi, träumt von einer festen Anstellung.

Jeff und Kate Aus Birmingham, haben ein schlechtes Gewissen wegen Britanniens kolonialer Vergangenheit.

Desna Nach einem Jahr London wieder zurück in Indien. Modern und aufgeschlossen.

Vijet Kellner in Pushkar, findet westliche Frauen verwirrend.

Marian Aus Rumänien, nach Indien mit One Way Ticket.

Li Aus China, hat den Koffer voller Wasserkanister und Dosenessen und Angst vor indischen Bakterien und Viren.

Nadira Ägypterin aus London, Bankangestellte mit Hunger auf Neues.

Liam Australischer Surferboy mit Fleischhunger, wird beinahe selbst zur Fleischmahlzeit.

Arjun und Priya Aus Bangalore, müssen sich trennen, wenn sie keine Arbeit im Ausland finden.

Uwe Seit den 1970er-Jahren immer wieder in Indien, vermisst „sein“ altes Indien.

Thorsten Hält sich für erleuchtet, flippt aber permanent aus.

Katharina Schweizerin, erschöpft vom Herumreisen und sucht in Goa Erholung.

Raj Führt Touristen durch Varanasis Verbrennungsstätten, versteht nicht, warum die blassen Touristen bei deren Anblick noch bleicher werden.

Isha Heiratet einen ihr unbekannten Mann.

Rajesh Arbeitet für Global Markets, versucht Werbepartner in Europa zu finden. Ist überrascht, dass sich Lara auf seine Spammail gemeldet hat.

Mr. Malhotra Boss von Rajesh und Chef von Global Market, nimmt Lara nicht besonders ernst.

Karan Reddy Assistent von Rajesh, weiß von nichts.

Maria Strandverkäuferin, hartes Leben unter der Sonne Goas.

Reva Bricht mit alten Rollen und Erwartungen.

Tim Drogenaffin und geistig etwas mitgenommen vom starken Charras.

Prakash und Krishna Fahren Lara und Katharina nach Mumbai, wittern das schnelle Geld, bereuen die Reise.

ANREISE

Indien – »Full on Asia«

Drei Monate unterwegs

Drei Mal hat Lara ihren Rucksack umgepackt. Was nimmt man nur alles für eine dreimonatige Reise mit? Ich werde auch schon älter, früher reichten Zahnbürste, Geld und Schlüssel und jetzt pack’ ich hier fast den halben Kleiderschrank ein und wieder aus, denkt sie frustriert und rauft sich die Haare.

Lara war als Barfrau in einem der angesagtesten Clubs in Berlin beschäftigt und verbrachte die Winter in Thailand. Wie viele aus der Kunst- und Kulturszene hat auch sie sich während Corona umorientiert. Außerdem war die Nachtarbeit immer anstrengender geworden, sie war jetzt auch keine 20 mehr, sondern Mitte 30.

Jetzt arbeitet sie für eine Marketing-Agentur in Berlin-Mitte, die neuerdings asiatische Unternehmen als Werbekunden im Fokus hat. Die neue strategische Marktausrichtung der Agentur hat das Ziel, asiatische Werbekunden für deutsche Online-Netzwerke zu gewinnen. Das aktuelle Credo von Fred, ihrem hipsterbärtigen Chef lautet: »Full on Asia«, das er bei jeder Gelegenheit als Motivationsaufruf mit geballter Faust von sich gibt. Besonders genervt sind die Mitarbeitenden, wenn Fred es als Siegesruf beim Tischtennis schreit. Seit einem Jahr haben sie eine Tischtennisplatte, einen Kicker und Sitzsäcke im Office. Mittwochabend ist seitdem »Collab Night«, mit Pizza, Cucumber Gin, Bier und Rundlauf bei unausgesprochener Anwesenheitspflicht.

Nach drei Jahren in der Agentur merkt Lara, dass sie eine Pause braucht. Mit Fred hat sie eine dreimonatige Auszeit aushandeln können, unter der Voraussetzung, dass sie dort zumindest einen Geschäftstermin wahrnimmt und am besten mit Abschluss zurückkommt. Sie solle nach Indien reisen, meint er, das wäre der Markt der Zukunft. Hat sie nicht im letzten Meeting erzählt, sie verhandle gerade mit einer indischen Werbeagentur?

Lara liebt das Abenteuer, so entschließt sie sich, ohne Vorbereitung nach Indien zu reisen. Sich einfach mal wieder unbedarft und frei fühlen und ins Unbekannte springen, darauf hat sie so richtig Lust.

Der Flug ist schnell gebucht, Hinreise geht nach Delhi, der Rückflug ab Mumbai. Und dazwischen will sie sich einfach treiben lassen. Einer von den tausenden Indern, die auf Fahrrädern als Essenslieferanten durch Berliner Straßen flitzen, beliefert jeden Tag ihre Agentur. Sie erzählt ihm, sie reise nach Indien und ob sie sich Sorgen machen solle, weil man doch so ein gewisses vorurteilsbehaftetes Bild von Indien habe. Doch er beschwichtigt sie mit seiner fröhlichen Antwort, das sei doch kein Problem, Indien sei jetzt modern, sogar moderner als Berlin. Er könne jederzeit einen neuen Pass kriegen und ihn sogar online beantragen. Nicht so wie in Berlin, wo Bürgerämter keine Termine vor drei Monaten vergeben, wenn es überhaupt welche gibt. Nein, Mumbai sei definitiv in einigen Belangen weit vor Berlin. »Don’t worry, eine Reise nach Indien ist heutzutage gar kein Problem mehr. Reise einfach nach Mumbai und Goa«, sagt er ermunternd. Na ja, wird schon gutgehen, immerhin war ich oft in Thailand. Indien wird schon nicht so anders sein, ist ja alles Asien, redet sie sich beruhigend zu.

Die Tage zum Abflug rasen dahin und jetzt muss sie los. Sie schultert das schwere Gepäck und ab zum BER. Auf nach Indien!

1

EINREISE

Von wegen schneller Einreise. Immigration!

Ort: Flughafen Indira Gandhi International Airport, Neu-Delhi, Zeit: 1:00 Uhr nachts, Temperatur: 25 Grad, Atmosphäre: wuselig, dann Stillstand

Endlich in Indien, denkt sich Lara, als sie müde aus dem Flugzeug taumelt. Schnell raus aus dem Flughafen-Gebäude und erst einmal tief durchatmen. Es riecht undefinierbar und ungewöhnlich. Vielleicht ein sehr spezielles Putzmittel, aber die Temperatur im Flughafen ist moderat, stellt Lara fest. Als sie erwartungsvoll Richtung Ausgang schlendert, blickt sie schockiert auf die Menschenmassen vor kleinen Schaltern. Immigration Counter! Denken die wirklich, ich will in Indien wohnen, grummelt Lara vor sich hin. Das Formular dafür, das ihr im Flugzeug ausgehändigt wurde, hat sie weggeschmissen. Sie beobachtet die anderen Reisenden und findet einen Stapel Einreiseformulare, füllt eines aus und stellt sich stöhnend an. Während die Inder zügig durch den Residents-Schalter gehen, sind bei ihr Stillstand und Massenauflauf angesagt. So hat sie sich die Einreise nicht vorgestellt. Es geht kaum voran. Nach einer Stunde steht sie gerädert vor einem Beamten mit Schnauzer, dem Wächter über die Einreise. Missmutig und sehr gemächlich blättert er sich durch ihren Pass. Er begutachtet das Visum und fordert sie auf, direkt in die Kamera zu blicken, die ihr erst jetzt auffällt. Ein kleiner Kasten neben dem Beamten sorgt für den biometrischen Abgleich. Sie lächelt mit letzter Kraft und will unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen, das hat sie sich fest vorgenommen. Sie will eine perfekte Touristin sein. »Don’t smile«, entfährt es dem Schalterbeamten unwirsch und ihr Lächeln erlischt. Endlich stempelt er energisch ihren Pass.

VISA BESORGEN

Wer nach Indien einreist, braucht ein Visum. Seit November 2014 gibt es die Möglichkeit, ein elektronisches Visum (E-Visum) online auf indianvisaonline. gov.in zu beantragen. Das E-Visum berechtigt zur mehrfachen Einreise und ist ab elektronischer Genehmigung für ein Jahr gültig. Allerdings darf der Aufenthalt 90 Tage am Stück nicht überschreiten. Eine kurze Reise in eines der Nachbarländer löst das Problem, sofern das Visa für »multiple entries« ausgestellt wurde.

Sobald der E-Visumantrag genehmigt ist, kommt die Bestätigung per E-Mail. Diesen Ausdruck muss man bei der Einreise vorweisen. Das elektronische Visum kann frühestens 120 Tage vor der geplanten Reise beantragt und sollte spätestens vier Tage vorher in Auftrag gegeben werden.

Das E-Visum für Indien gilt nur für die Einreise über bestimmte Flug- oder Seehäfen. Wer über den Landweg oder über einen anderen Flughafen einreist, muss ein herkömmliches Visum vorzeigen. Mein Tipp für den Prozess der Visabeantragung: Bringen Sie Geduld und Zeit mit.

Jetzt steht die nächste Hürde an: das Gepäck! Das Gepäckband hat schon einige Runden hinter sich, nur noch eine Handvoll mit Schnüren vertäute oder in Plastikfolie eingeschweißte Koffer rattern auf dem Band an ihr vorbei. Ein indischer Familienvater steht mit seinem Sohn am Gepäckband neben ihr. Mit aufkommender Panik in der Stimme fragt sie ihn, ob die Koffer schon durchgelaufen sind. »Don’t worry, coming soon«, lächelt sie der Mann an. Noch weiß Lara nicht, dass dieser Satz ein steter Begleiter ihrer Reise werden sollte.

Als das Gepäckband endlich die Koffer ausspeit, sind Laras Kräfte am Nullpunkt. Obwohl sie eben noch direkt vorne am Band war, sieht sie sich nun abgedrängt in der dritten Reihe hinter dem Band. Männer, Frauen, Kinder, alle haben sich einfach vor sie gestellt und so nach hinten geschoben. Genau so fühlt sie sich, müde im Abseits, und sie hat bereits am Anfang ihrer Reise genug. Wie kann man nur so schlecht organisieren, denkt sie wütend und allmählich kommen düstere Vorahnungen, dass ihre Vorfreude auf Indien lediglich ein Sammelsurium naiver Vorstellungen gewesen sein könnte. Immer wieder gibt das Gepäckband seinen Geist auf, Koffer liegen verkeilt im Schacht, bis es wieder weiter rumpelt. »Coming soon«, quittiert der indische Familienvater lächelnd ihren verzweifelten Blick. Als dieser schon lange mitsamt Koffern weg ist und Lara allein am Gepäckband steht, will sie am liebsten losheulen. Kein Koffer, keine Klamotten, keine Zahnbürste – nichts. Aufgebracht wendet sie sich an den erstbesten Angestellten in dunkelblauer Uniform. Als der sich ahnungslos gibt, platzt ihr der Geduldsfaden. Sie schreit ihn an, der ganze Frust und Stress von endloser Warterei und den Strapazen einer langen Flugreise bricht sich Bahn. »My luggage is lost! Please do your duty and find it. This is the worst airport I’ve seen in my whole life«, schreit sie ihn an. Der verängstigt schauende Angestellte stammelt, »one moment«, und holt einen Kollegen zu Hilfe. Nach kurzer Zeit stehen vier Kollegen zusammen und beratschlagen den Fall. »Fill out this form, we inform you when your luggage has arrived«, sagt einer der Angestellten. Verzweifelt schreibt Lara ihre deutsche Handynummer, ihr Hotel und andere Details ins Formular, ahnend, dass dies nur der Startschuss in eine nervenaufreibende Reise ist. Plötzlich taucht Kollege Nummer fünf mit ihrem Koffer auf. Zoll! Alles in Ordnung. »Go now!«, wird ihr Wutausbruch nun nüchtern quittiert.

An einer Wechselstube tauscht sie 400 Euro in indische Rupien. Vorbei an ominösen Schaltern, die Taxifahrten verkaufen, vorbei an Handyshops, will sie einfach nur raus aus diesem Gebäude und endlich ankommen. Sie tritt durch die Tür, steht vor dem Gebäude und ist platt: Vor ihrem Gesicht wedeln Schilder mit aufgemalten Namen herum, dazu lautes Schreien und Rufe. Massen von Menschen stehen ihr gegenüber – nur Männer!

Was ist schiefgelaufen?

Schauen wir uns die Momente nach der Landung an. Das lange Anstehen beim Immigrationsschalter kostet Lara die letzte Kraft. Ohne innerliches Aufbegehren kann das Schlangestehen gelassener ertragen werden.

Generell braucht man überall, wo man sich anstellen muss, Durchsetzungskraft, um nicht abgedrängt zu werden. Etwas Drängelei ist von Nöten, um nicht ewig Letzte zu bleiben.

Lektion Nummer zwei: Sollte das Gepäck tatsächlich verschwunden sein, kann man neben dem obligatorischen Ausfüllen des Formulars auf eine monetäre Kompensation bestehen, für Zahnbürste und Kleidung, das notwendigste eben. Allerdings muss man auf das Geld bestehen. Dann greift eine Hand in die pralle Hosentasche und händigt ein paar Scheine aus. Sobald das Gepäck eingetroffen ist, wird man benachrichtigt und muss nochmal zum Flughafen reisen, um es abzuholen.

Versuche, den Prozess zu beschleunigen, sind höchst verwirrend und nervenaufreibend.

Gehörig schief geht die Kommunikation mit den indischen Flughafenangestellten, die Lara wütend anschreit. Indien wartet mit einer Menge an Situationen auf, die uns Europäer oft ungeduldig werden lassen. Aber Indien wäre nicht Indien, wenn sich am Ende nicht doch meist alles wundersam in Wohlgefallen auflöst. Daher die Bitte: Freundlich bleiben!

Was können Sie besser machen?

Indien hat Lara noch vor dem Verlassen des Flughafens wichtige Lektionen erteilt, und die lauten: Geduld, Nachsicht und immer tief atmen. Das Unveränderliche anzunehmen erleichtert vieles ungemein und das kann leider bedeuten, lange anzustehen. Wir lernen, dass wir wenig Einfluss auf die Umstände haben. Ganz wichtig: Annehmen! Was vielleicht schon als Floskel im Yogaunterricht abgehakt wurde, kann hier gleich umgesetzt werden, und das garantiert nicht nur einmal. Es wird zahlreiche Situationen geben, in denen es ratsam ist, sich in folgendem Mantra zu üben: »Tief einatmen, tief ausatmen, ich lasse Erwartungen los und nehme alles, was ist, in tiefer Gelassenheit an.« Viel Glück dabei!

Definitiv verbessern kann Lara die Kommunikation mit den Angestellten. Herumzuschreien bringt kaum den gewünschten Effekt, es erhöht vielmehr die Wahrscheinlichkeit, auf Granit zu beißen. Doch wenn man auf Hilfe angewiesen ist, heißt es, sich zusammenreißen. Und? Genau: Wieder einmal tief durchatmen!

Der nächste, aber verzeihliche Fehler: zu viel Geld zum schlechten Wechselkurs im Flughafen tauschen. Besser, man tauscht erst einmal 50 Euro und besorgt am nächsten Tag mehr Geld am Bankautomaten oder in Wechselstuben.

DAS LIEBE GELD

Landeswährung ist die indische Rupie. Eine Rupie entspricht 100 Paisa. Neben der Kreditkarte ist die Mitnahme von Bargeld in Euro oder US-Dollar zu empfehlen.

Auch in Indien hat das digitale Bezahlen Einzug gehalten, und selbst an kleinsten Buden kann vom Tee bis zum Benzin nun mit dem Handy bezahlt werden. Bargeld wird glücklicherweise noch überall akzeptiert, aber das Land ist auf gutem Wege, die erste bargeldlose Volkswirtschaft zu werden.

Zu empfehlen sind Geldautomaten der State Bank of India. In der Regel kann man nur einen begrenzten Betrag von 10.000 Rupien auf einmal abheben. Wiederholen Sie einfach den Prozess mehrmals hintereinander, bis der gewünschte Betrag erreicht ist.

2

NEPPER & SCHLEPPER

Von abgebrannten Hotels und sauberen Ohren

Ort: Neu-Delhi, Zeit: 3:15 Uhr, Stimmung: aufgekratzt und zugleich todmüde

Vorbei am wedelnden Schilderwald verlässt Lara den letzten Schutz des Flughafens und tritt hinein ins indische Chaos. Sofort sieht sie sich umringt von an ihr zerrenden Männern, die alle »Taxi« oder »Madam, Taxi« oder »Madam, come here, Taxi« schreien. Überfordert zieht sie den Kopf ein und bahnt sich ihren Weg, noch unsicher, ob Angst oder Coolness die passende innere Haltung ist. Sie entscheidet sich für letzteres und wählt einen der Taxifahrer aus, die ihr auf die Pelle rücken. Als sie im Taxi sitzt und das Auto startet, fängt es im Taxi an zu blinken und zu dröhnen. Zu einer bunt blinkenden Lichterkette singt übersteuert eine grelle Frauenstimme. Sie fragt den Taxifahrer nach Feuer. Der reicht Streichhölzer nach hinten durch und murmelt so was wie »smoking no good«. Als sie ein Streichholz kräftig über die Reibefläche der Schachtel zieht, löst sich der Strichholzkopf und frisst sich glimmend durch ihr Shirt und schmerzhaft in ihre Haut.

RAUCHEN IN INDIEN

Rauchen an öffentlichen Plätzen, wie beispielsweise in Bahnhöfen und Flughäfen, ist untersagt. Generell wird Rauchen nicht mehr gerne gesehen. Die gesetzlichen Regelungen zum Rauchverbot haben Wirkung gezeigt. Waren im Jahr 2.000 noch 33,8 Prozent aller Männer Raucher, greifen jetzt nur noch 14,6 Prozent von ihnen zum Glimmstängel. Einige Taxi- oder Rikscha-Fahrer wollen Touristen kein Rauchverbot aussprechen und tolerieren es manchmal. Besser, Sie lassen es gleich sein, zumindest an öffentlichen Plätzen. Vorsicht übrigens bei indischen Streichhölzern: Bei manchen Marken löst sich der Brennkopf und versengt Kleidung und Haut.

Der warme Fahrtwind fühlt sich weich und samtig an. Den Rauch ausblasend schnippt Lara die Asche aus dem Fenster, während ihr Blick aus dem bunt blinkenden, dröhnenden Autoinnenraum auf das nächtliche Indien fällt. Je weiter sie ins Zentrum fahren, umso mehr brennen kleine Feuer am Wegesrand und Umrisse von Menschen mit Decken über den Schultern schälen sich heraus. Sie wirken wie Geisterwesen, die beinahe in Gänze von der dichten Schwärze aufgesogen werden.

Plötzlich hält der Taxifahrer am Straßenrand. Er braucht die Adresse des Hotels im Touristenviertel Paharganj. Als sie ihm die Reservierungsbestätigung zeigt, schaut er sie ernsthaft an. »Madam, this is not possible. The hotel burnt down yesterday. Big fire in the whole area.« Lara ist erschrocken: «What? No! I think they would have informed me. Please drive to this hotel.« Der Taxifahrer bleibt starrsinnig: »No, this is not possible. Dangerous. I will not drive there. Nobody will go there.« Und mit aufmunterndem Tonfall und offenem Blick fügt er hinzu: »But you are lucky, my uncle has the very best and very cheap hotel, you go there«. Nach einigem Hin und Her, ihr bleibt nichts anderes übrig, gibt Lara nach. Sie halten vor einem Hotel, der Fahrer übergibt sie an der Rezeption der Obhut eines Angestellten, nachdem er eine ziemlich hohe Summe für die Fahrt gefordert hat. Lara sieht aus den Augenwinkeln, wie der Rezeptionist dem Taxifahrer etwas reicht, was der in seiner Hosentasche versenkt. Sie checkt in dem weder cheap noch best Hotel ein und trägt Daten wie Datum und Ort der Ausstellung von Pass und Visa in ein umfangreiches Buch ein. Vollkommen erledigt legt sie sich in einem kleinen Zimmer erschöpft auf das Bett und gleitet sofort in den Schlaf.

Bevor sie die schweren Lider öffnen kann, lauscht Lara einem fremdartigen Klangteppich. Sie hört Scheppern von Metallgefäßen und Rufe, krächzende Vögel, lautes Husten und ein monotones Schleifgeräusch. Als sie irritiert die Augen öffnet, blickt sie geradewegs in den bedenklich schief hängenden Ventilator, der schwankend und geräuschvoll über ihr kreist. Sie denkt an ihr reserviertes Zimmer und überlegt, ob das Viertel wohl in Schutt und Asche liegt. Später an der Rezeption erkundigt sie sich nach dem Feuer und erntet Schulterzucken. Davon sei nichts bekannt. Sie sei ja mitten in Paharganj. Lara fühlt sich zu Recht komplett betrogen.

Nach einem Tee (Chai) und einem für Europäer ungewöhnlichen, aber sehr leckeren Frühstück mit Kichererbsen in tomatiger Sauce mit frittiertem Brot (Chole Bhature) will Lara Delhi entdecken.

FRÜHSTÜCK IN INDIEN

Je nach Region variiert das Angebot zum Frühstück. Beliebte Gerichte sind Idli, Dosa, Upma, Paratha, Chole Bhature und Masala Omlett. Dazu trinkt man in der Regel Chai, also schwarzen, süßen Milchtee.

Besonders beliebt sind Idli, gedämpfte Reiskuchen, die mit Sambar, einer würzigen Suppe und Kokosnuss-Chutney, serviert werden. Dosa ist eine Art Pfannkuchen aus Linsenmehl, der mit unterschiedlichen Füllungen wie Kartoffeln und Zwiebeln (Masala Dosa) oder plain serviert wird.

Lara entscheidet, in ihrem neuen Hotel wohnen zu bleiben und lässt das gebuchte Hotel stornieren. Sie verlässt den schützenden Raum des Hotels und tritt hinaus in eine ihr noch unbekannte und geheimnisvolle Welt. »Madam, look here«, schallt es ihr scheinbar aus allen Richtungen entgegen. Sie wohnt mitten in der Basarstraße des Viertels und fühlt sich sofort überfordert. Freundlich ablehnend bahnt sie sich ihren Weg und bekommt Platzangst. Sie will so schnell wie möglich raus aus diesem quirligen Chaos. Stoisch geradeaus blickend, schreitet sie die staubige heiße Straße entlang. »Madam, Madam, come here, look, buy, MADAM!«

Etwas ruhiger wird es erst, als sie die hektische Basarstraße verlassen hat. Erst jetzt beginnt sie, die Umgebung genauer wahrzunehmen, sieht Häuser mit rissigen Fassaden, Löcher im Asphalt, Menschen, die sich durch die Straßen schieben, bunte Schreine und riesige Bäume, deren Wurzeln aus den hohen Ästen hinunter in den Boden wachsen. Schon wieder erklingt ein »Madam« und sie blickt sich um. Ein Mann mit roter Wollmütze kommt auf sie zu. »Wait, you have something there«. Lara denkt an ein Insekt im Haar und schüttelt mit angewidertem Gesichtsausdruck ihr Haar. Sie sieht noch eine Hand an ihr Ohr greifen, spürt etwas in ihrem Ohr und sieht sich dem triumphiert strahlenden Mann gegenüber. Er hält ihr einen riesigen braunen Ohrschmalzklumpen vor die Nase. Schockiert gestattet Lara ihm, mit einem langen Metallstab ihre Gehörgänge zu reinigen und wird danach gehörig zur Kasse gebeten. Aber immerhin sind die Ohren nun sauber, denkt sich Lara und schenkt dem freundlich winkenden Ohrenputzer zum Abschied ein dankbares Lächeln, während sie feststellt, dass Indien jetzt noch lauter dröhnt.

Was ist schiefgelaufen?

Lara verlässt den Flughafen, ohne an einem der Taxischalter in der Ankunftshalle ein Taxi zu buchen. Das war ein grober Fehler. Jetzt ist sie dem Taxifahrer ausgeliefert. Vor allem nachts hat sie keine Möglichkeit, einfach auf der Strecke auszusteigen und sich selbst auf die Suche zu machen. So wurden schon abertausende Touristen in vermeintlich beste Hotels geschleust, die nur eines garantieren, nämlich dass der Taxifahrer ein paar Rupien für seine Schleuserdienste erhält.

Nun wohnt sie in dem quirligen Stadtteil und wird lautstark von sämtlichen Verkäufern drangsaliert. Das ist herausfordernd, vor allem, wenn einem das indische Geschäftsgebaren noch fremd ist.

Als Lara dem Ohrenputzer begegnet, was durchaus ein Beruf in Indien ist, fällt sie auf seinen Taschenspielertrick herein. Was ihr als riesiger Ohrschmalzklumpen präsentiert wird, ist nichts weiter als schmutziges Wachs.

Was können Sie besser machen?

Buchen Sie noch in der Flughafenhalle an einem der Taxischalter ein Taxi. In jeder Flughafenhalle in ganz Indien findet man Prepaid-Taxischalter. Sie garantieren einen behördlich festgelegten Preis. Nachdem man den Zielort angibt, bezahlt man schon am Counter. Fahrer, Taxi, ihr Name und das Ziel sind nun registriert. Dadurch haben irrwitzige Geschichten von abgebrannten Hotels keine Chance mehr.

Tagsüber ist es kein Problem, spontan ein Zimmer zu buchen. Allerdings erspart man sich eine Menge Mühe, wenn man im Voraus ein Zimmer bucht. Bei einer nächtlichen Ankunft ist die vorherige Hotelbuchung unerlässlich. Nachts mit Gepäck durch Delhi zu ziehen, ist nicht ratsam. In den gängigen Portalen kann man sich Bewertungen und Fotos der Hotels ansehen und ein Zimmer reservieren. In Indien sind Reservierungen in der Regel ohne vorherige Bezahlung möglich.

Die Ohren kann man sich durchaus von den Ohrenputzern säubern lassen. Das tun diese mit viel Vorsicht und Kenntnis.

3

KULTURSCHOCK

Wenn die Innenwelt zusammenfällt

Ort: Neu-Delhi, Wetter: sonnig bei 32 Grad, Zeit: 12:02 Uhr, Stimmung: auf dem absteigenden Ast

Mit jedem Schritt auf kaputten Gehwegen und an bröckelnden Fassaden vorbei, hat Lara den Eindruck, Kraft zu verlieren. Neugierig ist sie in den ein oder anderen Shop hineinspaziert und wird zunächst zuvorkommend behandelt, was sofort ins Gegenteil umschlägt, wenn sie keine Saris, Räucherstäbchen, Stofflampions, Pluderhosen und Tücher kaufen will. Lara fragt sich, ob Shopbesitzer und Verkäufer Touristen hassen, denn so herablassend ist sie selten behandelt worden. Ein deprimierendes Gefühl macht sich breit.

Sie lässt sich in der Menschenmasse mittreiben, unfähig, gegen den gewaltigen Strom von Menschen, Motorrädern, Karren und Kühen anzugehen. Das Hupen ist ohrenbetäubend, in der Sonne verdampfender Urin beißt nahezu in ihrer Nase und vermischt sich mit dem Duft von Abgasen, Räucherstäbchen und altem Frittierfett. Müll säumt die Straßen und Wege, wilde Hunde kauen auf Pappe herum oder balgen sich zähnefletschend. Sämtliche Sinnesorgane sind auf das Maximum gefordert, und Lara empfindet aufsteigende Unruhe. Schon der dritte Mann kommt auf sie zu und hält ihr seine Hand entgegen. Während des Händeschüttelns wird sie nach Namen, Herkunft und Job gefragt und wo ihr Mann sei. Das irritiert Lara zwar stark, aber sie bleibt freundlich.

Ein roter Punkt bleibt still im bewegten Gemenge. Als Lara näherkommt, sieht sie eine beinlose Bettlerin mitten auf einem breiten Weg sitzen. Mit ihrem rotgemusterten Sari wirkt sie wie ein Farbklecks auf dem grauen Asphalt. Motorräder und Passanten weichen ihr aus, ein paar Münzen liegen in einer silbernen Metallschale, ihr Blick ist auf den Boden gerichtet. Als Lara nach ein paar Münzen kramt, schreckt sie auf. Ein kleines Mädchen mit verfilzten Haaren und fleckigem gelben Kleid hält sie an ihrem Arm fest, die großen Augen fest auf Laras Gesicht geheftet. Das Mädchen fordert Geld für Milchpulver. Reflexhaft reißt sich Lara los und geht hastig weiter. Das Mädchen bleibt ihr auf den Fersen. Immer wieder greift sie mit ihren dünnen, dreckigen Fingern an Laras Arm. Angewidert schüttelt Lara die Kinderhand von sich. Doch irgendwann gewinnt das Mädchen und Lara gibt klein bei. Das Geld für das Milchpulver in der Hand, rennt sie über die stark befahrene Straße und taucht in der Masse unter. Einen kurzen Moment kann sie durchatmen, doch die Ruhe währt nur kurz. Ein alter Bettler hat die Szene beobachtet und hofft auf ihre Freigiebigkeit. Er steht plötzlich vor Lara. »Give me Rupies«, sagt er, mit lauten Ausrufezeichen versehen. Seine dürre Hand fuchtelt Lara vor den Augen herum und deutet auf den gegenüberliegenden Gehweg. Auf einem Holzbrett mit kleinen Rädern liegt etwas. Ein Hund? Lara schaut konzentriert durch die gleißende Helligkeit und erschrickt. Ohne Arme und Beine liegt dort ein Rumpf regungslos in der heißen Sonne, ausdruckslose Augen starren zu Lara herüber. Schnell gibt sie dem Bettler ein paar Rupien und geht weiter.

Ein endloser Strom von Autos und Motorrädern verhindert ein Durchkommen. Als sie neben sich auf dem Gehweg einen alten Mann liegen sieht, dessen Oberkörper von Wundflüssigkeit nass schimmert, ist es vorbei. Lara wird übel, sie setzt sich auf den Gehwegrand und merkt, wie ihr Gesicht tränennass wird. Schluchzend bricht sie zusammen.

BETTLER