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Das vergessene Volk der Dak'harr ist zurückgekehrt und marschiert unaufhaltsam auf Tarildan, die Hauptstadt des nördlichen Reiches Lengan, zu. Doch nicht nur die Drachenwesen haben sich gegen die Menschenwelt erhoben, denn in ihrem Schatten scheint der leibhaftige Tod zu folgen, der den Gefallenen des Krieges ihre heilige Ruhe verwehrt. In Amras, der Stadt der Zauberer, sind viele gierige Augen auf die Maske des Drachen gerichtet, die den Übergang zwischen den Welten aufrecht erhält und die Invasion der Dak'harr ermöglicht hat. Allerdings scheint das Artefakt unerreichbar für all jene, die nicht dem Drachen folgen. Während sich die Dunkelheit wie ein Schleier über den Norden legt und der König von Lengan ein großes Heer aussendet, um sich den Invasoren zur entscheidenden Schlacht zu stellen, kämpfen die Shidai in der Hafenstadt Nakesh verzweifelt gegen den Bann des Dämons, der auf Lares liegt. Immer tiefer taucht der junge Zauberer Nayin in den Schlund finsterer Magie hinab, auf dessen Grund der Dämon gierig darauf lauert, seine Seele zu verspeisen.
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Seitenzahl: 810
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Ein Junge braucht keinen Vater, wenn es kein guter Vater ist. Aber ein guter Vater ist unersetzlich - Stephen King, The Stand
Titelcover:
Sebastian Möller
Landkarte:
Philipp Riedel, mit AutoREALM erstellt
Lektorat:
Katrin Schürmann
Tief im Loch, tief im Grase,
Maulwurf singt mit nasser Nase singt ein Lied von kaltem Stein Schlamm und grauem
Knochenbein
stiller kleiner Maulwurfsang eisig dunkle Nächte lang wo er gräbt in den Tiefen wo die weißen Würmer schliefen wo die toten Menschen liegen Augen sich in Erde schmiegen Wo die Käfer Eier legen
und sich ihre Larven regen mit den spröden schwarzen Beinchen
kratzen über kleine Steinchen kratz und schab und kratz und schab
und das Dunkel steigt herab deckt sie wie ein Mantel zu mit Vergessen, Schwärze, Ruh.
Dunkel deckt ihre Schande deckt die Namen weit im Lande Namen von so vielen Toten Längst verhallt, verstummt, verboten
fortgeflohen, leere Hirne leerer Wind in leerer Stirne
Drüber wächst auf Stein das Gras
brache Felder, regennass keine Saat, nur tiefe Wunden Was sie kannten, ist
verschwunden
und sie klagen in den Tiefen ganz als ob sie dort nicht schliefen
rufen traurig und vergessen
Dingen nach, die sie besessen werfen weinend sich umher augenlos, doch tränenschwer Unter Grubenkraut und Moos in des Grabes tiefem Schoß gibt es Diener nicht noch Herrn kein Gesicht, nicht Ruhm noch Stern
Wissen braucht man nicht noch Glück
doch sie sehnen sich zurück Und es starrn die toten Alten aufwärts durch die düstren Spalten
nach dem Sonnenlicht, dem trüben,
und verfluchen alte Lieben und den Frieden, den das Leben ihnen damals nicht gegeben Sorgen nur, aus Not geboren Frau und Kind, aus Not verloren Leid und Kummer, die sie brannten
Lehren, die sie nicht erkannten trotzdem wollen sie zurück zurück, zurück
wollen sehnsuchtsvoll zurück zurück
Schau ins Loch tief hinab
unterm alten Hügelgrab
Haut und Blut und Gebein
weich wie Schlamm unterm Stein
und die Welt stimmt faulig ein...
Tad Williams, Der Abschiedsstein
Kapitel 1: Ein Sturm zieht auf
Kapitel 2: Ausgelöscht
Kapitel 3: Blick in den Abgrund
Kapitel 4: Aus dem Nebel
Kapitel 5: Irem Szannaih
Kapitel 6: Dämonenhandel
Kapitel 7: Die Seherin
Kapitel 8: Die Schlacht um Lengan
Kapitel 9: Neue Feinde
Kapitel 10: Himmel in Flammen
Kapitel 11: Das Spiel ist eröffnet
Kapitel 12: Unter der Stadt
Kapitel 13: Die verschleierten Pfade
Kapitel 14: Der Sturm bricht los
Nachwort des Autors
Nördliches Lengan, Grenzgebiet zu Amras, Monat Skai, Spätfrühling im Jahr 1104 nach Ashibans Fall
Die Sonne war bereits vor über drei Stunden über dem Hof ihrer Eltern aufgegangen und wanderte langsam aber sicher ihrem mittäglichen Höchststand entgegen. Heute sollte es ein besonders schöner, warmer Frühlingstag werden, denn selbst hier oben im Norden hatte sich der Winter endgültig in die Eisregionen jenseits der Einöde von Lomar zurück gezogen, wo im ewigem Zwielicht nur sagenumwobene Ruinen längst vergessener Zeitalter von Schnee und Eis umhüllt wurden.
Doch weder von Lomar noch von den Monumenten dunklerer Epochen wussten Tarek und Jasira irgend etwas zu erzählen, denn sie waren Kinder von neun und sieben Jahren, die den Frühling genossen und mit hochgekrempelten Hosen in dem kleinen Bach spielten.
Während sie so durch das noch recht kühle Wasser staksten, fischten sie besonders hübsch polierte Steine aus dem Bachbett und versuchten Frösche zu fangen, was ihnen jedoch nicht so recht gelingen mochte. Tarek, mit neun Jahren der Ältere der beiden Geschwister, hatte vorgeschlagen, einen kleinen Staudamm zu bauen, doch diese Idee war bei seiner Schwester auf wenig Begeisterung gestoßen. Und nachdem sie wiederholt deutlich gemacht hatte, dass sie das 'total doof und langweilig' fand, hatten sie sich schließlich auf die erfolglose Jagd nach Fröschen gemacht.
“Ich hab keine Lust mehr.” quengelte Jasira. “Die doofen Frösche sind zu schnell.”
“Nein, du bist zu langsam, Schwesterchen.” sagte Tarek grinsend und tat so, als würde er einen soeben gefangenen Frosch gerade im halbhohe Gras der Uferböschung in die Freiheit entlassen, obwohl er ebenso erfolglos gewesen war wie seine kleine Schwester. Dies konnte er jedoch unmöglich zugeben.
Jasira zog beleidigt eine Schnute und kletterte mit einigen schnellen und geschickten Bewegungen hinauf ans trockene Ufer, wo sie sich ins Gras fallen lies, um sich die Beine und die Hose - die trotz Hochkrempeln vollkommen durchnässt war - von der Sonne trocknen zu lassen.
Tarek vollendete sein Schauspiel, indem er noch einige Sekunden angestrengt dem imaginären Frosch durch hohe Ufergras hinterher sah, obwohl seine Schwester längst das Interesse an jeglicher Art von Fröschen und Froschjagd verloren hatte. Sie blickte in den Frühlingshimmel über Lengan und spielte verträumt mit einem Gänseblümchen, dass sie gerade gepflückt hatte.
Er zuckte mit den Schultern, ein wenig beleidigt, dass Jasira seine schauspielerische Meisterleistung nicht beachtete, und kletterte ebenso geschickt wie seine Schwester die Uferböschung hinauf, um die Sonne zu genießen, die langsam am wolkenlosen Himmel ihrer vorbestimmten Bahn folgte.
Anfangs versuchte Tarek noch, seine Schwester mit irgendwelchen frei erfundenen Geschichten zu beeindrucken, doch er merkte recht schnell, dass Jasira ihren eigenen Gedanken nachhing und ihm nicht so recht zuhören konnte. Das war ihm schon öfter aufgefallen. Seine Schwester schien ab und zu völlig abwesend zu sein, als wäre sie mit ihren Gedanken ganz weit fort und manchmal musste man sie rufen oder rütteln, damit sie wieder reagierte.
Fast so, als ob sie mit offenen Augen schlafen würde, dachte Tarek.
Seine Eltern bemerkten dies nicht allzu oft und wenn doch, machten sie sich keine großen Gedanken, denn Kinder träumten nun mal viel vor sich hin. Nicht das Tarek sich Sorgen um seine Schwester gemacht hätte, dafür war er noch zu jung und zu unbedarft. Und schließlich war sie ja sonst auch gesund, fröhlich und lustig, wenn auch manchmal ein wenig nervig.
So sind kleine Schwestern nun einmal, vermutete er.
Doch in solchen Situationen wie jetzt, in der Jasira gedankenverloren mit dem Gänseblümchen spielte und ihm überhaupt nicht zuhörte, wunderte er sich schon ein wenig. Zum Einen, weil sie dann viel älter und klüger (ein Erwachsener hätte das Wort 'weiser' benutzt, doch das kannte Tarek noch nicht) aussah und zum Anderen weil er sich gekränkt fühlte. Immerhin erzählte er ihr gerade eine echt tolle und spannende Geschichte, und die dumme Pute hörte ihm nicht zu.
Heute allerdings vermochte er sich nicht wirklich darüber zu ärgern, dafür war der Tag einfach viel zu schön. Darum beließ er es bei einem Stirnrunzeln und einem Schulterzucken, unterbrach seine Geschichte und legte sich neben Jasira ins Gras, um den Himmel zu betrachten. Schon bald darauf wurde er schläfrig und als er merkte, dass seine Schwester die Augen geschlossen hatte und tief und gleichmäßig atmete, hörte auch er auf, sich gegen die angenehme Umarmung des Schlafes zu wehren und schlummerte ein.
Ein seltsames Geräusch weckte ihn auf.
Die Sonne stand nun direkt über ihm, weswegen er vermutete, dass die Mittagszeit angebrochen sein musste. Er hatte also eine ganze Weile im Gras gelegen und geschlafen. Tarek warf einen Blick neben sich und sah seine Schwester, die tief und friedlich schlummerte. Was immer ihn geweckt hatte, war nicht so laut gewesen, dass Jasira sich davon hätte stören lassen.
Mit einem herzhaften Gähnen richtete er sich auf und sah sich neugierig um, aber es war nichts Außergewöhnliches zu sehen. Die Wiese war leer und auch am nahen Bach rührte sich nichts. Er war sich auch sicher gewesen, dass sie nicht gerufen worden waren, denn die Stimmen seiner Eltern hätte er auch im Tiefschlaf erkannt. Nein, es war etwas anderes gewesen.
Vorsichtig stand er auf, wischte sich einige Grashalme von Hose und Hemd und schaute zu dem Wald, der an die Wiese angrenzte.
Eine dunkelgrüne Wand aus Bäumen und Unterholz, die sich über Meilen hinstreckte und das Panorama hier beherrschte. Die größten Flächen dieser Gegend waren mit Wald bewachsen und selbst die zunehmende Forstwirtschaft - in den Städten brauchten die Menschen immer mehr Holz, sagte sein Vater - hatte die unglaublichen Waldbestände des Nordens nicht nennenswert dezimieren können. Der Wald war für Tarek immer ein aufregender Ort gewesen, voller Geheimnisse und Abenteuer, aber niemals gefährlich. Er hatte nie Angst gehabt, den Wald zu betreten und er hatte auch nie Bedenken, dass er sich darin verlaufen könnte.
Nun aber strahlte der Wald eine Aura der Feindseligkeit aus. Die grüne Wand, die ihm bis heute immer einladend und freundlich erschienen war, wirkte nun dunkel, abweisend und… böse. Es war, als wäre der Wald kein Wald mehr, sondern eine finstere, hohe Mauer, hinter der sich schreckliche Ungeheuer verbargen, so wie die Monster aus den Geschichten der alten Yula, die sie im Winter immer am Kamin erzählte.
Sie hatte von Eiswanderern erzählt, die durch die zwielichtigen Einöden des Nordens schlichen und verlorene Wanderer fraßen, von fliegenden, augenlosen Ungeheuern, die in den höchsten Höhen der Berge hausten, von den schrecklichen Wällen von Ungaloth, hinter denen der Erstgeborene und seine dunklen Kreaturen herrschen sollten.
Aber das waren Märchen gewesen und die Monster aus Yulas Geschichten gab es nicht. Jedenfalls hatte sein Vater das gesagt. Doch der Wald war real und obwohl es heller Tag war und die Sonne freundlich auf ihn herab schien, fröstelte ihm beim Anblick der stummen Baumriesen.
Dann hörte er wieder das Geräusch: ein kurzer, abgehackter metallischer Laut, als würde ein Schwert oder eine Axt auf Holz schlagen.
Im gleichen Moment erlosch die Aura des Bösen und der Wald war nicht mehr als ein normaler Wald, in dem nichts Gefährlicheres als ein Wolf auf ihn lauern mochte. Und die machten im Frühling einen Bogen um die Menschen, da sie um diese Zeit nicht mehr hungern mussten.
Holzfäller, dachte er erleichtert und seine Angst verkroch sich wieder in die hinterste Ecke seiner Gedanken, fast genauso schnell wie sie aufgetaucht war. Und an Stelle der Angst trat Neugier. Sein Vater hatte ihm zwar eingeschärft, die Arbeiter nicht bei ihrer Beschäftigung zu stören - das sind raue Burschen, die einem kleinen Jungen gehörig den Hintern versohlen, wenn diese sie bei der Arbeit stören, hörte Tarek die Stimme seines Vaters mahnend in seinem Kopf sagen - aber Tarek hatte auch nicht vor, sich erwischen zu lassen. Er konnte recht gut schleichen und hatte die Holzfäller schon einige Male aus der Ferne beobachtet.
Er warf einen skeptischen Blick auf Jasira. Sollte er sie wecken und mitnehmen? Die Kleine war längst nicht so gut im Schleichen wie er, und bestimmt würde sie ihn nur verraten. Dann gäbe es mächtig Ärger mit den Arbeitern und später auch mit seinen Eltern. Er erinnerte sich an den leckeren Obstkuchen, den seine Mama gestern gebacken hatte und wenn sie sich heute bei irgendwas erwischen ließen, durfte er bestimmt nichts davon haben.
Nein, entschied er, Jasira konnte er nicht mitnehmen und hier auf der Wiese würde ihr nichts passieren. Außerdem würde er ohnehin nur kurz nachsehen, was die Holzfäller dort drüben im Wald so trieben, denn es gab bald Mittagessen und wie auf Befehl meldete sich sein Magen mit lautem Knurren.
Leise schlich er sich davon, warf noch einen kurzen Blick zurück auf seine Schwester, die weiterhin tief und friedlich im Gras lag und schlief, dann betrat er den Wald.
Tarek kämpfte sich durch das dichte Unterholz und fand bald den kleinen Pfad, der zunächst tiefer nach Westen in den Wald führte, dann aber eine noch unauffälligere Abzweigung nach Nordwesten in Richtung einer großen Lichtung machte, durch welche die große Landstraße von Amras nach Tarildan führte. Dort sah man immer wieder Holzfäller bei der Arbeit, da man von dort sehr schnell die abgeholzten und zurecht gehauenen Bäume zur Hauptstadt transportieren konnte. Die Straße war so weit ausgebaut, dass auch die größten und schwersten Karren sie problemlos befahren konnten, sogar bei Dauerregen.
Er war erst wenige Meter auf dem Pfad zur Lichtung unterwegs gewesen, als er das Geräusch wieder hörte, dieses Mal deutlich lauter und auch nicht nur einmal, sondern vielfach. Dazu gesellte sich noch ein anderes Geräusch, dass er nicht so recht einordnen konnte. Es war sehr leise und wiederholte sich regelmäßig in schneller Folge. Die lauten Schreie und Befehle der Arbeiter, die er eigentlich längst hätte hören müssen, blieben aus.
Unwillkürlich wurden seine Schritte langsamer und er achtete noch mehr darauf, auf gar keinen Fall irgend ein Geräusch zu machen. Der Pfad machte eine leichte Biegung und bald sah er vor sich den Brombeerstrauch, hinter dem er schon oft gekauert hatte, um die Arbeiter zu beobachten. Das Gebüsch lag etwas abseits und in seiner unmittelbaren Nähe standen keine allzu hohen Bäume, deren Abholzung gelohnt hätte, weswegen die Holzfäller es bis dato unberührt gelassen hatten. Jetzt näherte sich Tarek so leise und vorsichtig seinem vertrauten Beobachtungsposten wie nie zuvor.
Das metallische Geräusch, dass ihn geweckt hatte, war nicht wieder erklungen, dafür wurde der zweite Laut immer intensiver und drohender. Ein dumpfes Dröhnen und Hämmern. Es klang beinahe wie das laute Trampeln eines Riesen. Gab es die Riesen aus Yulas Märchen vielleicht doch?
Die Furcht kehrte zurück, doch dieses Mal war es nicht die Angst vor dem Wald sondern vor dem, was dieses seltsame Geräusch verursachte. Es klang jetzt eindeutig näher und schien im ganzen Wald widerzuhallen. Für einen kurzen Augenblick lief Tarek Gefahr, in Panik zu geraten und sich einfach Hals über Kopf zur Flucht zu wenden, doch er wusste, dass man ihn dann auf jeden Fall entdeckte und bestimmt verfolgen würde.
Also musste er bleiben wo er war. Und wenn er ohnehin nicht fliehen konnte, dann konnte er sich auch genauso gut ansehen, was da los war.
Die kindliche Logik gewann schließlich die Oberhand und trotz der Angst, die dieses eigenartige Geräusch in ihm auslöste, fürchtete er noch immer am meisten den Ärger mit seinen Eltern. Also ließ er sich auf alle Viere sinken und kroch langsam und vorsichtig auf den Brombeerstrauch zu. Als er schließlich dort angekommen war, schob er das stachelige Geäst mit sicheren Handbewegungen zur Seite und spähte hindurch.
Was er auf der Lichtung sah, ließ ihn minutenlang vor Entsetzen erstarren.
Etwa fünfzig Meter von ihm entfernt schritten Hunderte riesige, groteske Wesen die Straße entlang Richtung Osten, wo weit entfernt die große Hauptstadt Tarildan lag. Sie sahen entfernt aus wie Menschen, zumindest hatten sie einen aufrechten Körper, zwei Arme und zwei Beine.
Da hörte die Ähnlichkeit aber auch schon beinahe wieder auf, denn die Haut der über drei Meter großen Kreaturen war von dunkelgrünen und braunen Schuppen überzogen und der Kopf schien der von Drachen zu sein, die man mit einem Menschen gekreuzt hatte. Ihre roten Augen funkelten selbst auf diese Entfernung boshaft und wenn sie den Mund öffneten, erkannte Tarek mehrere Reihen schrecklicher Reißzähne. Der Schädel war von einem Hörnerkamm überzogen und der Rücken der Monster lief in einen langen, krokodilartigen Schwanz aus. Sie trugen metallene Rüstungen und waren schwer bewaffnet.
Viele trugen mannslangen Speere und Lanzen, andere hatten riesige Schwerter und Keulen in den Gürteln und Waffengehängen stecken.
Die Bestien marschierten im Gleichschritt und dieses monotone, gleichmäßige Stampfen war das unheimliche Geräusch gewesen, dass Tarek die ganze Zeit über vernommen hatte. Es war tatsächlich ein Trampeln gewesen und die Riesen aus Yulas Märchen waren vielleicht nicht so riesig, wie er immer geglaubt hatte, aber es gab sie wirklich. Dort vorne marschierten sie.
Und nicht nur einer oder eine kleine Schar ihnen. Es waren Hunderte. Eine ganze Armee! Und abgesehen von dem Marschgeräuschen und dem gelegentlichen Klirren von Metall war es beinahe gespenstisch ruhig, was alles nur noch viel schrecklicher und unwirklicher machte.
Tarek fühlte sich wie in einem schlimmen Traum, aus dem er nicht erwachen konnte. Der Gedanke erschien ihm gar nicht so abwegig, schließlich hatte er vorhin ja noch friedlich auf der Wiese geschlummert. Aber was er sah, war zu real um ein Traum zu sein. Er wusste ganz genau, dass er nicht schlief, sondern wach war. Und dass er sich in Steinwurfweite zu diesen grausigen Ungeheuer befand.
Fast eine Viertelstunde hockte Tarek bewegungslos hinter dem Brombeerstrauch und beobachtete die Drachenmenschen, doch ihr Strom wollte einfach nicht enden. Es schien, als wäre der ganze Wald von Amras bis Tarildan vom dröhnenden Stampfen ihrer schweren Stiefel erfüllt.
Zwischen den Scheusalen erkannte der Junge immer wieder einige seltsame hölzerne Konstruktionen, deren Sinn er nicht verstand, doch die großen Speere, die stets in deren Nähe in Bündeln mitgeführt wurden, machten ihm Angst. Jeder dieser Speere war ganz bestimmt groß genug, einen ausgewachsene Hornbestie aufzuspießen. Und kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, sah er sie auch schon.
Der Strom der Ungeheuer hatte sich verändert und auch das Stampfen war lauter und durchdringender geworden. Es schien, als würde der Boden unter ihm beben. Nur mit Mühe konnte er einen Aufschrei unterdrücken, als die erste Hornbestie am westlichen Rand der Lichtung erschien.
Das Monstrum war riesig. Es maß beinahe fünf Schritt in der Länge und hatte über drei Schritt Schulterhöhe, wobei der gehörnte Schädel noch ein gutes Stück darüber hinaus ragte. Seine vier mächtigen Beine waren gespickt mit messerscharfen Stacheln und unter dem zottigen braunen Fell schimmerte der mattschwarze Hornpanzer hervor, der den Ungeheuern ihren Namen gab.
Tarek hatte noch nie eine Hornbestie gesehen, aber die alte Yula hatte schon viel von den schrecklichen Wesen erzählt, die in grauer Vorzeit von bösen Göttern erschaffen worden waren, um Krieg gegen die Hohen Zehn führen zu können. Die bösen Götter hatten verloren, aber nicht alle ihre Geschöpfe waren vernichtet worden. Und da die Hornbestien ohne ihre Herren nur wilde Tiere waren, hatten die Zehn in ihrer Güte sie am Leben gelassen.
So hatte es Yula jedenfalls erzählt. Der Junge hatte also schon viel von den großen Wesen gehört, die jetzt dort drüben über die Lichtung trampelten, doch die greise Frau hatte ihnen nie davon erzählt, dass man auf ihnen reiten konnte. Denn genau das taten diese Drachenmenschen.
Die Hornbestien waren allesamt zusätzlich gepanzert und bewaffnet, auf den Rücken erhoben sich abenteuerlich anmutende Konstruktionen, auf denen jeweils etwa ein halbes Dutzend Drachenmenschen Platz fanden. Jede der Bestien trug ein schweres Geschirr, ähnlich denen von Kutschen. Damit zogen sie jedoch nicht nur große Karren, sondern auch Gebilde, die auf Rädern fuhren und aussahen wie die Armbrüste von Giganten. Jedes dieser Dinger war so groß wie der Handwerksschuppen seines Vaters - und der war beileibe nicht klein, wie sein Vater immer wieder stolz betonte.
Irgendwann - Tarek wusste nicht, wie viele Minuten er regungslos hinter dem Strauch gekauert und wie gebannt den scheinbar endlosen Heerwurm aus Drachenmenschen und Hornbestien beobachtet hatte - versiegte der Strom der Ungeheuer. Die letzten gepanzerten Monster erreichten das östliche Ende der Lichtung und verschwanden im Wald. Allmählich wurde das Dröhnen und Hämmern wieder leiser und schließlich verklang es vollständig.
Vorsichtig richtete sich der Junge wieder auf, seine Muskeln und Gelenke schmerzten fürchterlich, doch er unterdrückte tapfer jeden Laut.
Er musste zurück. Er musste seine Eltern warnen!
Tarek warf noch einen letzten Blick in die Richtung, in der die Ungeheuer verschwunden waren, dann schlich er leise den Weg zurück, den er gekommen war.
Es dauerte fast zehn Minuten, bis er die Wiese erreichte, auf der er Jasira friedlich schlafend zurück gelassen hatte. Für einen kurzen, aber schrecklichen Moment glaubte er, sie sei tot. Die Drachenmenschen waren hier gewesen und hatten seine kleine Schwester umgebracht.
Aber der Moment der Panik verging rasch, als er sah, dass sie sich bewegte und als er ihren Namen rief, schlug sie sofort die Augen auf. Tarek seufzte erleichtert.
“Komm!” drängte er sie. “Wir müssen sofort zurück zu Mama und Papa, wir müssen sie warnen.”
Er zog an ihrem Arm und sie erhob sich widerstandslos. In seiner Aufregung bemerkte er gar nicht, dass ihr Blick völlig abwesend war und ihn kaum wahrzunehmen schien. Als sie keine Anstalten machte loszulaufen, zerrte er sie hinter sich her.
“Der Drache…” murmelte sie gedankenverloren und ihre Stimme war kaum zu verstehen, als käme sie von weit her.
“Der Drache ist gekommen.”
Tarek blickte sie über die Schulter verständnislos an, während er immer noch weiterlief. Woher wusste sie von den Drachen? Sie hatte doch geschlafen!
Er beschloss, sich später den Kopf darüber zu zerbrechen und eilte weiter mit ihr zurück zum Hof.
Wenige Minuten später sahen sie das große Hauptgebäude und nach einer kurzen Zeit fanden sie Jalev, ihren Vater, in der Scheune.
“Papa…” keuchte Tarek atemlos. “Papa, ich muss der was erzählen! Im Wald… die Monster..!”
Sein Vater schüttelte leicht verärgert den Kopf und legte ihm die rechte Hand auf die Schulter.
“Beruhige dich, Tarek. Hol tief Luft, denk einen Moment nach und dann erzähl mir was passiert ist und was du gesehen hast. Von was für Monstern redest du?”
“Der Drache…” murmelte Jasira erneut. “Der goldene Drache fliegt wieder.”
Ihr Vater starrte sie verwirrt an und auch Tarek konnte mit den Worten seiner Schwester nichts anfangen.
“Was redest du da, Kind?” fragte Jalev besorgt. Doch Jasira antwortete nicht, sondern schüttelte nur leicht den Kopf. Ihr Vater wandte sich wieder seinem Sohn zu.
“Dann sprich du. Aber ruhig und der Reihe nach.” ermahnte er, als Tarek schon wieder drauflos erzählen wollte.
Der Junge sammelte sich und begann schließlich langsam von den Ereignissen des Vormittags zu berichten. Sein Vater unterbrach ihn nicht und lachte ihn auch nicht aus, sondern blickte nur sehr ernst und besorgt drein, während sein Sohn ihm von seinen Beobachtungen berichtete. Nur als der Junge von den seltsamen Gebilden erzählte, die er gesehen hatte, murmelte Jalev ein leises “Katapulte...” vor sich hin. Als Tarek geendet hatte, schwieg sein Vater eine Weile, nickte schließlich und ging mit den beiden Kindern wieder nach draußen.
“Geht ins Haus und holt eure großen Taschen. Mama und ich werden euch gleich beim Packen helfen, wir machen eine kleine Reise.”
“Eine Reise?” fragte Tarek halb verwirrt und halb erfreut. Reisen waren aufregend, aber es war ein komischer Zeitpunkt. Es war Frühling und da gab es viel Arbeit auf dem Hof. “Und wohin fahren wir?” hakte er nach.
“Wir fahren nach Tarildan.” antwortete Jalev ernst. “Ich glaube dir und ich denke, wir sollten die Menschen in der Hauptstadt vor diesen seltsamen Ungeheuern warnen, nicht wahr?” Tarek nickte eifrig und seine Augen leuchteten vor Stolz. Nicht nur dass sein Vater ihn nicht für einen Lügner hielt, sondern er wollte sogar deswegen in die große Stadt im Osten fahren. Tarildan.
“Na dann” fuhr Jalev fort, “ab ins Haus und packt eure Sachen, wir wollen eilig aufbrechen.”
Tarek wandte sich um und stürmte ins Haus und nach kurzem Zögern jagte auch Jasira hinter ihm her. Ihre seltsame Abwesenheit schien sich gelegt zu haben, denn auch in ihren Augen vermeinte Jalev den freudigen Glanz erkannt zu haben, die große Stadt sehen zu dürfen, von denen sie bisher nur Geschichten gehört hatte.
Sorgenvoll sah er seinen Kindern nach, bis sie im Haus verschwunden waren. Dann wandte er sich um und schaute zum entfernten Wald. Ein breiter Pfad führte vom Hof direkt in den Wald, wo er in zwei Meilen Entfernung auf die Hauptstraße führte. Von dort aus waren es noch etwa fünf Meilen bis nach Garing, dem nächsten Dorf. Und von dort, wo er Garing wusste, glaubte Jalev eine dünne Rauchwolke aufsteigen zu sehen.
Nakesh, Meer der Dämmerung, Monat Skai, Spätfrühling im Jahr 1104 nach Ashibans Fall
Etwa zur gleichen Zeit als Jalev den Rauch über dem Wald zu sehen glaubte, betrat Nayin mehrere hundert Meilen weiter südlich in Nakesh das ausgebaute Flachdach des mehrstöckigen Gebäudes, in dem er nun schon seit mehr als drei Wochen lebte und lernte. Ein stabiles Geländer von etwa einem Schritt Höhe zog sich beinahe um das ganze Dach herum und vermittelte so den Eindruck einer Dachterrasse.
Und das Dach war mitnichten leer. Etwas abseits der Eingangsluke befanden sich einige seltsame Apparaturen, unter anderem ein großes Fernrohr. Sheyna hatte ihm erklärt, dass die Gelehrten unter den Shidai und Knochenjägern immer wieder hier herauf kamen, um den Nachthimmel zu beobachten.
Doch nicht nur zur Betrachtung der Gestirne bot das Dach eine gute Aussicht. Ebenso erwähnenswert war der Blick, den man auf die Stadt hatte. Zwar war der Sitz der Knochenjäger längst nicht das höchste Gebäude der Stadt, doch es lag in einem Viertel abseits des Zentrums, so dass es die meisten Wohnhäuser hier um mindestens ein Stockwerk überragte. Daher konnte man Nakesh von hier oben sehr gut überblicken. Und was Nayin sah, gefiel ihm nicht unbedingt.
Es war nicht so, dass die Stadt ihm grundsätzlich nicht gefallen hätte. Er war zu Beginn seines Aufenthalts mehrfach mit Sheyna in den Straßen und Gassen von Nakesh unterwegs gewesen und die Metropole unterschied sich in vielen Dingen sehr angenehm von seiner Heimatstadt Kylaria. Sie war ebenso voll und laut, aber um einiges sauberer und gepflegter. Auch so etwas wie die Unterstadt gab es hier nicht, wenngleich es natürlich auch Armenviertel gab, wie in jeder großen Stadt.
Aber der wichtigste Unterschied war der, dass es in Nakesh viel weniger Erschaffene gab als in Kylaria. Die Straßen seiner Heimatstadt wimmelten förmlich vor allen möglichen und reichlich unmöglichen Geschöpfen, die zu den unterschiedlichsten Diensten gezüchtet oder erschaffen worden waren. Manchmal hatte er daheim das Gefühl gehabt, dass mehr fremdartige Kreaturen in den Straßen der Stadt unterwegs waren als Menschen. Was das betraf, gefiel ihm Nakesh deutlich besser. Bis vor zwei Wochen jedenfalls.
Die Stadt hatte sich verändert. Auch hier hatten die Menschen voller Entsetzen zum Himmel gestarrt, als der Erstgeborene sein Urteil über das Menschenvolk gesprochen hatte und wie wahrscheinlich in vielen anderen Städten der Welt hatte es Unruhen und Panik gegeben, nachdem das erste Entsetzen gewichen war. Nur mit Mühe hatte die Obrigkeit mit Hilfe der Stadtgarde die verängstigten Massen unter Kontrolle halten und beruhigen können.
Nach einigen Tagen der Furcht und der Unruhe waren die meisten wieder zur Normalität zurück gekehrt. Weder hatte sich der Himmel erneut verdunkelt und Dämonen und Ungeheuer über der Menschenwelt ausgespien, noch hatte sich das Meer der Dämmerung erhoben und die Stadt in die Tiefen des Ozeans gerissen.
Dennoch war die Stimmung in der Stadt gereizt. Überall sah man Soldaten patrouillieren, das Heer wurde unter Waffen gesetzt und auch die Kriegsflotte von Lengan war gefechtsbereit gemacht worden. Der König in Tarildan hatte den Kriegszustand ausgerufen, auch wenn niemand genau wusste warum und gegen wen.
Dies hatte zur Folge, dass in der Stadt die Lebensmittel rationiert wurden und um einiges teurer geworden waren, als sie es noch zwei Wochen zuvor gewesen waren. Auch Kleidung und Waffen wurden knapp und die Preise explodierten förmlich. Es herrschte eine Ausgangssperre und um Ärger zu vermeiden, war ein allgemeines Alkoholverbot in den Schänken der Stadt ausgegeben worden. Mit dieser Maßnahme zog sich die Obrigkeit jedoch mehr Unmut zu, als wenn es einige Querelen aufgrund eines zu tiefen Blicks ins Weinglas gegeben hätte, fand Nayin.
Aber obwohl er diese drastische und negative Veränderung der Stadt sehr wohl zur Kenntnis nahm und ihn diese auch mit Unbehagen erfüllte, so interessierte ihn dies nur am Rande. Seine Gedanken waren die meiste Zeit ganz woanders und während er unter der strahlenden Mittagssonne auf die pulsierende Metropole blickte, die sich um ihn herum ausbreitete, dachte er an die letzten Wochen zurück.
Noch am gleichen Tag, als er das Angebot des Nekromanten angenommen hatte, hatte auch sein Unterricht begonnen. Innerhalb weniger Tage hatte er mehr über die Schwarzen Künste und die verborgenen Pfade der dunklen Magie gelernt als in den Jahren seines Studiums an der Akademie, was allerdings auch daran lag, dass die Feuermagier die Schattenmagie kategorisch ablehnten und niemand in Kylaria bereit war, diese zu lehren oder zu verbreiten. Und was er gelernt hatte, erschreckte und überraschte ihn gleichermaßen.
Die schwarze Kunst unterschied sich in ihrer Anwendung beinahe überhaupt nicht von den anderen Formen der Magie: Gestik, Technik und auch die Sprache waren, bis auf wenige Ausnahmen, sehr ähnlich. Nayin hatte geglaubt, dass er zunächst ganz neue Methoden der Zauberkunst lernen müsse, um die dunkle Magie zu meistern, doch die Formeln und Rituale, die Ashàr ihn lehrte, funktionierten genauso wie die Zaubersprüche, die man ihm auf der Akademie beigebracht hatte. Das beraubte der ganzen Sache zwar ein wenig seines Mysteriums, aber gleichzeitig erschreckte Nayin die Leichtigkeit mit der somit quasi jeder Zauberkundige Zugang zur Schwarzen Magie erhalten konnte. Darauf angesprochen hatte Ashàr wissend gelächelt und mit einem seltsamen Vers geantwortet.
So tief du auch eintauchen willst in die Kunst der Künste, so schwarz musst du im Innern sein, damit sich die Macht dir beugt.
Nayin hatte nicht hundertprozentig begriffen, was der Nekromant ihm damit sagen wollte, aber er hatte den Kern des Spruchs verstanden.
Die Schwarze Kunst war ebenso eine Spielart der Magie wie alle anderen, die an den großen Akademien gelehrt wurden, sei es nun die Heilkunst oder die Macht der Elemente. Erst der Anwender machte die Schwarzmagie zu einer unberechenbaren Waffe und je finsterer die Seele des Zauberers, desto schrecklicher waren die Auswirkungen seines Wirkens. Die Schwarzmagie hatte von allen Spielarten das größte Potential zu Zerstörung, Leid und Schmerz, doch in den richtigen Händen und gezielt genutzt vermochte sie ebenso nützlich und ehrbar sein, wie jede andere Form der Zauberei auch. In den Händen eines Schurken jedoch wurde sie zu einer fürchterlichen Waffe.
Die Erwähnung des Weltenschänders Ashiban, des mächtigsten Schwarzmagiers aller Zeiten, genügte zumeist, um sich die entsetzliche Zerstörungskraft der Dunklen Künste vor Augen zu führen. Vor mehr als tausend Jahren hatte er ganz Akranos mit Krieg überzogen und die Schrecken seiner Herrschaft waren noch heute gegenwärtig.
Die einzige Ausnahme in diesem Zusammenhang bildete die Dämonologie. Die Kunst, Dämonen von jenseits der Sterne nach Akranos zu rufen oder sich ihre chaotischen Kräfte zu Diensten zu machen, war nicht dazu gedacht in irgend einer Form ehrbar oder nützlich eingesetzt zu werden. Die Dämonenmagie diente einzig und allein der Verbreitung von Chaos und Zerstörung und wer sich auf diesen Finstersten aller schwarzmagischen Pfade begab, der wählte einen Weg, der zwangsläufig in seinem Verderben enden musste. Die Dämonen forderten einen Preis für die Macht, die sie Sterblichen verliehen und dieser Preis war immer die Seele.
Nayin hatte gesehen, welch entsetzliche Auswirkungen ein solcher Dämonenpakt haben konnte. Die Begegnung mit dem wahnsinnig gewordenen Shiyaz hatte ihn zutiefst verstört und geprägt. Ganz gleich, was Ashàr von ihm erwarten würde, er würde niemals die Macht der Außenwelt anrufen.
Doch nicht nur die dunklen Künste, die zu lernen er nun gelobt hatte, bereiteten ihm Kopfzerbrechen. Noch viel mehr sorgte er sich um Lares, für den er all dies auf sich nahm. Sein katatonischer Zustand hatte sich kaum verändert, und es hatte allenfalls den Anschein, dass er ein wenig ruhiger geworden war. Das wahnsinnige Flackern in seinen Augen war nur noch sehr selten zu sehen und Ashàr hatte Nayin erklärt, dass sein Freund in diesen Momenten von besonders schrecklichen Alpträumen und Visionen heimgesucht wurde.
Über das Ritual, das Lares aus seinem traurigen Zustand befreien sollte, hatte er bisher fast gar nichts erfahren. Der Meister hatte ihm gesagt, dass er zunächst die Grundlagen der schwarzen Kunst lernen musste, um dann in die tiefen Geheimnisse des Exorzismus eingewiesen werden zu können. Bis Nayin soweit war, lag es an Ashàr und an Namuras, die Kräfte des Dämons in Schach zu halten und zu unterdrücken, so dass Lares’ Geist sich erholen und regenerieren konnte.
Er hatte von Anfang an gewusst, dass es ein langwieriger Kampf und ein mühsamer Lernprozess werden würde, aber dennoch war er nervös und ungeduldig. Er wollte seinem Freund so schnell wie möglich helfen, ihn aus dieser entsetzlichen Lage befreien.
Und genau da lag im Moment der Haken. Wie sollte er lernen, wenn sein Lehrmeister seit Tagen nicht aufzufinden war?
Vor zwei Tagen hatte Sheyna ihm beim Frühstück beinahe beiläufig mitgeteilt, dass der Meister die Stadt mit unbekanntem Ziel verlassen hatte. Wohin er gegangen war und aus welchem Grund hatte er nirgends verlauten lassen, ebenso wenig wie lange er fortzubleiben gedachte.
Und niemand im Quartier der Knochenjäger hatte sich angemaßt, den Meister danach zu fragen. Nicht einmal Namuras, der aus dem Zauber des irren Sternengardisten befreit worden war, hatte irgend eine Ahnung, wo der Nekromant abgeblieben sein könnte. Es wurde zwar vermutet, es habe mit der dunklen Prophezeiung des Erstgeborenen zu tun, aber wirklich Bescheid wusste niemand.
Und so wartete Nayin auf Nachricht und auf die Fortsetzung seiner Ausbildung. Zwar hatte sich Namuras seiner angenommen, nachdem er wieder vollständig genesen war, doch der Shidar war selbst nur ein Schüler des Nekromanten und vermochte das Wissen um die Dunkle Magie nicht gleichwertig weiter zu vermitteln, so sehr er sich auch Mühe gab. Nayin hatte versucht, seine Enttäuschung und seine Ungeduld gegenüber dem jungen Krieger nicht allzu deutlich zu machen, doch dieser hatte natürlich gespürt, dass der Zauberer unzufrieden war.
So stand er da, reglos und schweigend die Stadt unter sich betrachtend, während kaum merklich die Sonne auf ihrer Bahn am frühlingshaften hellblauen Himmel weiter wanderte. Die Straßen, Gassen und Häuser von Nakesh breiteten sich vor ihm aus, erfüllt vom Gewusel und Lärm ihrer Bewohner, aber Nayin nahm es nur am Rande war. Er schien ins Leere zu starren, wobei sein suchender Blick immer wieder nach Norden wanderte.
Irgendwo dort, weit hinter dem Horizont lag das mysteriöse Magiermogulat Amras, dass im Laufe der letzten Wochen für Nayin so etwas wie der Inbegriff allen Übels und Unglücks geworden war. Sowohl sein eigenes Schicksal als auch das Schicksal der Welt schienen in der Stadt der Magier bestimmt zu werden, glaubte man den Erzählungen des Nekromanten, dass sich dort irgend etwas zusammenbraute. Und Nayin hatte keine Veranlassung, an den Worten Ashàrs zu zweifeln.
Auch er hatte den Richtspruch des Erstgeborenen vernommen und ihm schauderte angesichts dessen, was da auf sie zukommen mochte. Es war unwahrscheinlich, dass der Dunkle Gott nur leere Drohungen aussprach. Und wenn der Herr von Ungaloth seine Heerscharen entfesselte, würde der Sturm so gewaltig werden, dass selbst die stete Bedrohung durch Baharna dagegen wie ein laues Lüftchen wirken musste.
Er wusste nicht, wie lange er nun schon hier oben gestanden hatte, um die Stadt zu betrachten und nachzudenken, aber es musste schon sicherlich fast eine ganze Stunde sein, denn so langsam verspürte er Hunger. Und er bemerkte, dass er nicht mehr allein auf dem Dach war.
“Wie lange beobachtest du mich schon?” fragte er, schärfer als er eigentlich beabsichtigt hatte. Aber er hatte allein sein wollen und war wenig begeistert von der Störung. Dennoch drehte er sich um und lächelte dem Neuankömmling so freundlich zu, wie es ihm möglich war - schon allein, um seinen Worten ein wenig die Unhöflichkeit zu nehmen.
“Noch nicht lange.” antwortete Namuras gelassen, ohne auf den unterschwelligen Vorwurf einzugehen. “Vielleicht ein oder zwei Minuten. Ich wollte dich fragen, ob du mich in die Stadt begleitest.”
“Warum?” fragte Nayin und ging gemächlichen Schrittes auf die Luke zu, neben der Namuras mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stand. Der Shidar hatte sich vollständig von dem Zauber des Sternengardisten erholt, nur noch eine kleine Narbe an seinem Hals zeugte von den Strapazen in den Sümpfen von Saranath.
“Zum Einen könntest du ein wenig städtische Ablenkung ganz gut vertragen und zum Anderen wollte ich einige Bücher aus dem hiesigen Archiv abholen, dass uns von dort großzügig zur Verfügung gestellt wird”
“Das Archiv arbeitet mit den Knochenjägern zusammen?” fragte Nayin ehrlich verwundert. Die wenigsten Institutionen wussten, dass die Diener des Nekromanten mehr waren, als unheimlich gewandete Gestalten, die Hinterbliebenen die sterblichen Überreste ihrer Verstorbenen abkauften.
Namuras lachte. “Wenn du wüsstest, wo wir überall sonst noch unsere Finger im Spiel haben und über welche Kontakte wir verfügen, würden dir die Augen übergehen.” sagte er grinsend.
“Nun ja, ich werde es wohl mit der Zeit herausfinden.” gab Nayin lakonisch zurück.
“So sieht es aus.” antwortete der Krieger, ohne sich von Nayins offensichtlich schlechter Laune irgendwie stören zu lassen. “Und? Kommst du nun mit, oder möchtest du weiter hier oben rumstehen und darauf warten, dass der Meister auf einem fliegenden Besen hier einreitet? Darauf werden wir noch eine Weile warten müssen, fürchte ich.”
Nayin sah den Shidar verständnislos an, gewahrte dann das erneute breite Grinsen auf dessen Zügen und zwang sich selbst ein Lächeln ab. Der Krieger hatte ja Recht. Es macht wenig Sinn, die Sekunden bis zur Rückkehr des Nekromanten zu zählen und sich aufzuregen. Schließlich zuckte er mit den Achseln.
“Ich komme mit.” antwortete er seufzend. “Vielleicht finden wir ein nettes Lokal und du lädst mich zu einem Vier-Gänge Menü ein”
“Ich denk drüber nach.” gab Namuras zurück und machte eine einladende Geste in Richtung Dachluke. Allerdings wartete er nicht auf Nayin, sondern machte einen eleganten Satz auf die erste Stufe und verschwand im Innern des Hauses. Nayin folgte ihm kopfschüttelnd, aber lächelnd. Manchmal fiel es ihm wirklich schwer, in dem fröhlichen jungen Mann einen Schattenmagier zu sehen.
Kaum hatten sie die Straßen von Nakesh betreten, war die wohlbekannte Dunstglocke aus Lärm und Gestank einer Großstadt über sie herein gebrochen.
Nayin kannte dieses Phänomen aus Kylaria und es schien so, als wären dahingehend alle Metropolen dieser Welt gleichermaßen wenig einladend. In dieser Hinsicht schien Namuras seine Meinung ausnahmsweise einmal sogar zu teilen, denn er wählte immer wieder kleinere und ruhigere Seitenstraßen, obwohl der direkte Weg über die belebten Hauptstraßen wahrscheinlich schneller gewesen wäre.
Sie besprachen allerlei Belanglosigkeiten und immer wieder erzählte Namuras ihm nennenswerte Details zu Nakesh, so dass Nayin sich fragte, woher der junge Krieger so viel über die Stadt wusste. Immerhin kam er auch aus Kylaria und war wie Nayin ein Fremder hier. Er beschloss, irgendwann später einmal darauf zurück zu kommen, aber im Moment hatte er das Gefühl, dass Namuras ihm eigentlich etwas Anderes erzählen wollte. Auch die übertrieben gute Laune wirkte etwas aufgesetzt, als wolle er etwas damit überspielen.
Irgendwann wurde es ihm zu bunt und er sprach den Shidar direkt auf seine Vermutung an.
“Du bist kein besonders guter Schauspieler.” sagte er lächelnd. “Nun sag schon, was los ist.” Namuras verlangsamte für einen Moment seine Schritte und sah ihn ein wenig beleidigt an, dann lächelte er etwas gequält.
“Meinetwegen...” antwortete er. “Ich wollte damit warten, bis wir die Bücher ins Quartier gebracht haben, aber es geht auch so.” Während sie weitergingen und dabei eine belebte Querstraße überquerten, begann er zu erzählen.
“In den letzten vierundzwanzig Stunden sind einige unserer Leute, die wir auf die Suche geschickt haben, wieder zurück gekommen. Allesamt ohne Ergebnis.”
“Das bedeutet im Detail?” fragte Nayin nach.
“Dazu wollte ich jetzt kommen.” erwiderte der Krieger, während er einem Eselskarren auswich, der ihnen entgegen kam. Nayin folgte seinem Beispiel beinahe ebenso elegant und schloss wieder auf.
“Zunächst einmal hat der Suchtrupp, den wir in die Sümpfe geschickt haben, nicht die geringsten Anzeichen von unserem Freund Shiyaz gefunden. Weder irgendwelche Spuren, noch irgendwelche Hinweise.” Nach kurzem Zögern fügte er hinzu. “Und leider auch nicht seine Leiche.”
Nayin spürte den unterdrückten Hass, der in diesen Worten mitschwang. Namuras hatte die vernichtende Niederlage nicht vergessen, die ihm der Dämonendiener beigebracht hatte - und er würde sich nicht damit abfinden. Bevor er jedoch darauf eingehen konnte, fuhr der Krieger fort.
“Was ziemlich seltsam ist, möchte ich mal betonen. Sie haben die Lichtung ohne Probleme wiedergefunden und eigentlich müsste es Spuren von ihm geben. Aber er ist wie vom Erdboden verschluckt.”
“Das wäre zu wünschen.” antwortete Nayin nachdenklich.
“Soviel Glück werden wir nicht haben, außerdem würde selbst der Boden dieser verwunschenen Sümpfe keinen Geschmack an diesem Abschaum finden.”
Nayin lächelte pflichtschuldig, dann fiel ihm etwas ein.
“Was ist eigentlich aus den Matrosen geworden?”
“Soweit ich von Sheyna weiß, sind sie alle wohlauf und irgendwo hier in der Stadt untergebracht. Der magische Schlaf, den Shiyaz auf sie gelegt hatte, ist nach zwei Tagen von ihnen abgefallen und sie müssen wohl sehr verwundert aus der Wäsche geguckt haben, sich mitten in Nakesh wiederzufinden.”
Namuras grinste und auch der Zauberer war erleichtert. Er hätte es schrecklich gefunden, wenn Kapitän Rhadik und den verbliebenen Männern der Tirfalis etwas zugestoßen wäre. Nun, dachte er bitter, mehr als ihnen ohnehin schon widerfahren war. Namuras schien seine Gedanken zu erahnen.
“Das Schiff hat man übrigens geborgen und notdürftig repariert. Es liegt hier in Nakesh in einer Werft und wartet darauf, bald wieder in See zu stechen.”
“Wenigstens etwas...” murmelte Nayin. Dann plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. “Aber wenn das Schiff geborgen wurde, dann...”
Der Shidar unterbrach ihn lachend. “Ja, dann können wir auch deine Bücher und Manuskripte demnächst abholen. Sobald sie von der Hafenbehörde aufgenommen, festgehalten und protokolliert wurden. Ein Hoch auf die Bürokratie, diesseits und jenseits des Meeres der Dämmerung.”
Nayin verzog das Gesicht. Natürlich musste bei einem Schiffsbruch alles genau dokumentiert werden, aber dass es immer so lange dauern musste. Na ja, dachte er, wenigstens sah er seine Bücher überhaupt wieder.
“Das Wohlergehen von Rhadiks Leuten ist allerdings auch schon die einzige halbwegs gute Nachricht dieser Tage.” erzählte Namuras weiter. Sie betraten einen größeren Platz, der mit Marktkarren und Ständen komplett zugestellt war. Die Anordnung der Tische und Wagen war so verworren, dass sich ein wahres Labyrinth vor ihnen ausbreitete.
“Soviel zum ruhigeren Umweg.” grummelte der Krieger, als sie in den Trubel des Marktes eintraten. Lautes Schreien, sowohl von Händlern als auch von Kunden drang gleichermaßen an sein Ohr wie die Geräusche von Rindern, Schafen und Ziegen. Der Geruch von Fisch kroch in seine Nase, ebenso wie der Duft von gegrilltem oder gebratenem Fleisch und frisch gezapftem Bier. Vermischt wurde dies allerdings mit allerlei menschlichen und tierischen Ausdünstungen, so dass sich Nasenschmeichler und weniger angenehme Gerüche immer wieder unvorbereitet abwechselten.
Der Markt war gut besucht und ein Vorankommen gestaltete sich als mühsam. Nayin hatte alle Mühe, mit Namuras mitzuhalten und den Shidar nicht aus den Augen zu verlieren.
Für einen kurzen Moment glaubte Nayin tatsächlich, der junge Krieger sei ihm davon geeilt, aber dann sah er dessen Gestalt einige Meter vor sich wieder in der Menge. Er drängelte sich durch die Menschenmassen, um zu dem Shidar aufzuschließen, versuchte dabei jedoch, nicht allzu viele seiner Mitmenschen anzurempeln oder ihnen auf die Füße zu trampeln.
Neben ihm ertönte wie aus dem Nichts ein ohrenbetäubendes Zischen und Kreischen, die Menschen in seiner Nähe schrien erschrocken auf und sprangen zur Seite. Reflexartig warf sich Nayin nach vorne, stolperte und fiel auf die Knie. Direkt hinter ihm türmte sich ein großes, dunkles Etwas auf, und durch ein lautes Poltern und Krachen hindurch vernahm er erbostes und ungehemmtes Fluchen.
Der junge Magier sah sich um und erblickte einen Karren, der große Fässer geladen hatte. Einige davon waren von der Ladefläche gerollt, aber zum Glück heil geblieben. Auf den ersten Blick schien auch niemand verletzt worden zu sein.
“Keine Augen im Kopf, du Tolpatsch?” hörte er die Stimme des Kutschers brüllen, der offensichtlich ihn meinte. Doch der Mann, der mit vor Zorn gerötetem Gesicht auf dem Kutschbock saß, interessierte Nayin nur wenig. Sein Blick war starr auf das Ding gerichtet, dass den Karren zog.
Er kannte reichlich absurde und befremdliche Auswüchse der Erschaffenen, schließlich kam er aus Kylaria, der größten Stadt der Welt, deren Straßenbild von den Kreaturen der Erschaffer bestimmt wurde. Aber so etwas hatte er noch nie gesehen.
Vor ihm stand ein Wesen, dass entfernte Ähnlichkeit mit einem Hirschkäfer hatte, nur dass es ein paar Beinpaare zu viel besaß, über zwei zusätzliche Greifarme verfügte und aus dessen matt glänzenden Chitinpanzer zwei brummende Flügel wuchsen. War dieser Anblick nicht schon befremdlich genug, hatte das Biest zudem noch eine Körpergröße, die jedem Schlachtross zur Ehre gereicht hätte. Die trüben Augen des Monsters waren auf gleicher Höhe mit Nayins Kopf. Die Fühler des Käfers zuckten nervös hin und her und er scharrte mit einem seiner Vorderbeine über die Pflastersteine.
Der Kutscher brüllte einige unverständliche Worte und das Ungeheuer wurde schlagartig ruhig. Zeternd und fluchend stieg der Mann von seinem Gefährt ab und kam mit schnellen Schritten auf Nayin zu.
“Sag mal, du Bengel, hattest du vor, dich umzubringen? Ich hätte dich fast überfahren und meine Ladung liegt quer auf dem ganzen Marktplatz verteilt.”
Nayin erkannte, dass die Wut des Mannes größtenteils dem Schrecken entsprungen war und nun zusehends wieder abflaute, als er festgestellt hatte, dass sowohl Nayin als auch den Fässern nicht wirklich etwas passiert war.
“Entschuldigt...” sagte der Zauberer beschämt. “Ich helfe euch natürlich und komme auch für einen eventuellen Schaden auf.” Der Kutscher winkte ab.
“Helfen brauchste mir nicht, Bürschchen, der Käfer hat die Fässer schneller wieder aufgeladen als ein Dutzend Männer es schaffen könnte. Sieh nur zu, dass du besser aufpasst, wo du hin trampelst, du Träumer.”
Nayin nickte. Er hatte tatsächlich nicht auf seine Umgebung geachtet, sondern war nur darauf aus gewesen, Namuras nicht aus den Augen zu verlieren und war ihm beinahe blindlings nachgelaufen. Der Shidar hatte sich mittlerweile wieder zu ihm gesellt und wandte sich an den Kutscher.
“Verzeiht meinem Freund, er ist fremd in der Stadt. Eigentlich trifft mich die Schuld, da ich ihm voraus geeilt war.” sagte der Krieger freundlich und die Gesichtszüge des Mannes entspannten sich deutlich.
“Nun, es ist ja nichts passiert” sagte der Kutscher, nun beinahe freundlich. “Ich will dann mal sehen, dass die Fässer wieder verladen werden, ich habe schon genug Zeit verloren.”
“Wir wollen euch nicht länger aufhalten, guter Mann.” sagte Namuras freundlich. “Die Zehn mit euch.”
Der Mann hatte sich schon halb wieder abgewandt und begann, seinem scheußlichen Zugtier halblaut Befehle zu erteilen. Namuras ergriff Nayin am Arm und zog ihn von der Kutsche fort. Der Magier folgte ihm bereitwillig, blickte aber noch einmal zurück, um einen letzten Blick auf das Ungetüm zu erhaschen. Und erstarrte.
Der Kutscher stand nun direkt neben dem Erschaffenen und redete auf ihn ein, doch das Ding schien ihn kaum wahrzunehmen. Vielmehr starrten seine vorhin noch trüben roten Augen nun grell funkelnd voller Bosheit und Mordlust direkt auf Nayin.
Kaltes Entsetzen durchfuhr den jungen Zauberer, als das Ding den Kopf leicht anhob und mit einer seiner mörderischen Greifzangen in seine Richtung deutete und spöttisch zu grüßen schien.
Dann verschwand der boshafte Glanz in den Augen des Monstrums und machte dem gleichgültigen trüben Schimmer Platz, der normal war für die Erschaffenen, die im Grunde nicht viel mehr als lebende Werkzeuge waren. Das Wesen wandte den hässlichen Schädel von ihm ab und begann, die herunter gestürzten Fässer mit seinen Greifarmen einzusammeln und wieder auf die Ladefläche zu legen.
“Alles in Ordnung?” fragte Namuras, der neben ihn getreten war und eine Hand auf seine Schultern gelegt hatte.
“Ja.” sagte Nayin verwirrt, den Blick immer noch auf das absurde Etwas gerichtet, das dort drüben stumpf seine Arbeit verrichtete. “Ich dachte, ich... egal, lass uns weitergehen. Dieses Vieh macht mich nervös.”
Namuras runzelte die Stirn und warf ihm einen skeptischen Blick zu, sagte aber nichts weiter.
Sie verließen den Marktplatz und kamen wieder in eine etwas ruhigere Gegend. Hier waren weitaus weniger Menschen unterwegs, der Geräuschpegel war angenehm und zu Nayins Erleichterung gab es hier auch keine Erschaffenen.
“Ich wollte ja noch weitere schlechte Neuigkeiten verbreiten, bevor du beschlossen hast, dich von einem Lastkarren über den Haufen fahren zu lassen.” nahm Namuras das Gespräch von vorhin wieder auf, als sie um eine Ecke bogen und sich einem großen, mehrstöckigen Gebäude näherten.
“Sowohl unsere gewöhnlichen Kundschafter als auch unsere magischen Beobachter haben keinerlei Informationen aus Amras bekommen können. In der Stadt und in ihrer unmittelbaren Umgebung scheint es eine unglaublich starke Kraftquelle magischer Energien zu geben, doch niemand kann genau erkennen, wer oder was sie verursacht, geschweige denn was sie bedeutet.”
Er machte eine kurze Pause und sah Nayin ernst an. “Da oben passiert etwas und es ist gewaltig. Wir können nicht erkennen, was es ist, aber die magischen Entladungen sind selbst durch den Schutzwall hindurch zu sehen und zu spüren. Allein der magische Wall für sich genommen ist schon beunruhigend.”
“Stimmt es, dass selbst der Meister nicht erkennen kann, was dort vorgeht?” fragte Nayin. Namuras nickte finster.
“Nicht einmal Ashàr konnte sehen, was in Amras passiert. Und das ist etwas, was mir wirklich Sorgen bereitet.”
Nayin verstand. Der Nekromant war ein uralter und unvorstellbar machtvoller Zauberer. Wenn selbst er nicht zu sagen vermochte, was im hohen Norden vor sich ging, dann musste es wirklich bedrohlich sein, vielleicht nicht nur für Lengan.
Die Prophezeiung des Erstgeborenen klang wieder in seinen Gedanken.
Dies sei nicht das Ende eurer Existenz, wohl aber das Ende eurer Herrschaft über diese Welt.
Wenn diese Worte auch bedeuteten, dass die menschliche Rasse nicht ausgelöscht werden sollte, so boten sie dennoch genug Interpretationsspielraum für andere Schrecken. Krieg, Unterdrückung, Sklaverei, Verfolgung. Die Bandbreite dessen, was einem Volk widerfahren konnte, war vielfältig und grausam - viele Feinde der Menschen hatten dies in vergangenen Jahrhunderten zu spüren bekommen. Vielleicht bekamen sie nun die Quittung.
Hastig schüttelte Nayin den Gedanken ab. Was immer dort auf sie zukam, es musste einen Weg geben, es aufzuhalten. Außerdem war der Erstgeborene nicht der einzige Gott im Weltenrund. Die Zehn würden nicht tatenlos zusehen, wie die Menschheit unterjocht wurde, sprach er sich selbst Mut zu. Die böse, flüsternde Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass die Zehn bei anderen Völkern in der Vergangenheit auch nicht eingegriffen hatten, vermochte er jedoch nicht ganz zum Schweigen zu bringen.
“Ist das alles an schlechten Nachrichten? Oder hast du noch mehr in der Hinterhand, um einem ohnehin geplagten Zauberer die Laune zu verderben?” fragte Nayin mit dem schwachen Versuch einen Scherz zu machen. Namuras lächelte pflichtschuldig, wurde aber sofort wieder ernst. Sie schritten gerade auf die halb geöffnete, zweiflüglige Eingangstür des großen Gebäudes zu.
“Ich fürchte, eine hab ich noch, aber die hat noch ein paar Minuten Zeit.” antwortete der Shidar, während sie das Gebäude betraten.
Namuras blieb kurz stehen und sah sich einen Augenblick suchend um. Dann peilte er zielsicher eine Tür am Ende des Korridors an. Besagter Korridor war karg und wenig farbenfroh eingerichtet. Mehrere Türen führten rechts und links zu anderen Räumen und am gegenüberliegenden Ende wand sich eine enge Wendeltreppe sowohl nach oben als auch nach unten ins Kellergeschoss.
Doch wie es schien, hatte Namuras nicht vor, die Etage zu wechseln. Der Shidar öffnete die angestrebte Tür und trat ein, dicht gefolgt von Nayin. Der Magier war etwas verwundert, noch keinen Menschen hier gesehen zu haben. Wenn dies das Archiv war, dann mussten hier doch Leute arbeiten.
Als er hinter Namuras eintrat, staunte er nicht schlecht. Der Raum war bis auf zwei kleine Tische, an denen jeweils drei schlichte Holzstühle standen, bis unter die drei Schritt hohe Decke vollgestopft mit Bücherregalen, die allesamt bis zum Bersten gefüllt waren. Beleuchtet wurde der Raum von einem großen Kerzenleuchter, der in der Mitte des Raums von der Decke hing, sowie von einigen kleinen Kerzenständern, die auf hüfthohen schmalen Hockern neben den Regalen standen.
Am vorderen der beiden Tische saß dann auch endlich jemand. Der Mann war Mitte Sechzig, hatte eine bemerkenswert runde Halbglatze und sah durchaus wohlgenährt, aber nicht dick aus. Der sauber rasierte Kinnbart war von ebenso silbrig grauer Farbe wie sein verbliebenes Haupthaar. Sein Blick war forschend aber freundlich, als sie eintraten. Die Kleidung war von schlichter Eleganz, er trug dunkle Stoffhosen, ein helles Seidenhemd mit dezenten Rüschen und darüber einen altmodischen Frack. Das Äußere des Mannes zeugte von einigem Wohlstand, den er sich als Beamter in den Diensten Lengans erarbeitet hatte.
Er nickte Namuras zu wie einem alten Bekannten und unterzog Nayin einer genaueren Untersuchung. Er kam wohl zu einem positiven Ergebnis, denn nach ein paar Sekunden lächelte er, stand auf und ging Namuras entgegen.
“Seid gegrüßt.” sagte er mit angenehmer, leicht melodischer Stimme, die eher einem Geschichtenerzähler als einem Archivar zugestanden hätte. “Ich habe Euch schon erwartet, werter Herr.”
“Wir wurden ein wenig aufgehalten.” antwortete Namuras lächelnd. Dann deutete er auf Nayin. “Darf ich kurz vorstellen. Nayin Dargatil, der neue Schüler des Magisters.”
“Oho, der neue Schüler von Ashàr.” sagte der Archivar lächelnd. “Ich habe nur Gutes gehört, als der Magister zuletzt hier war. Simean Gralik, zu Euren Diensten.” stellte sich der Mann vor und machte eine leichte Verbeugung in Nayins Richtung.
Der Zauberer nickte nur verwirrt, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass Ashàr von ihm erzählte. Gralik wandte sich auch schon wieder dem Shidar zu, so dass ihm Nayins Überraschung offensichtlich entging.
“Die angeforderten Bücher sind eingetroffen, ich habe sie dort drüben ins Regal gelegt.” Er deutete auf ein Regal in der Nähe des zweiten Tisches.
“Ihr habt meinen Dank, Meister Gralik.” sagte der Krieger lächelnd. “Sobald wir die Kopien angefertigt haben, werden wir sie zurück bringen.”
“Ach, das eilt nicht, im Moment haben die Leute weitaus wichtigere Dinge zu tun, als sich hierher zu verirren und nahezu unbekannte magische und historische Werke zu lesen.” sagte er und zwinkerte verschwörerisch.
“Sie könnten wichtiger sein, als man zunächst glauben mag.” antwortete Namuras vielsagend, ging aber nicht näher darauf ein. Gralik schien noch einen Augenblick auf eine genauere Erklärung zu warten, zuckte dann aber schließlich mit den Achseln.
“Soll ich Euch mit den Büchern alleine lassen?” fragte er dann. Namuras nickte.
“Das wäre zu freundlich, wir werden Euch allerdings nicht allzu lange von der Arbeit abhalten, Simean.” Der Archivar winkte jedoch ab.
“Ihr haltet niemanden ab.” antwortete er mit einem leisen Seufzer. “Wie ich schon sagte, die Leute sind mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als sich um alte Bücher zu kümmern.” Namuras deutete ein Nicken an und Gralik begab sich mit raschen Schritten zur Tür und schloss diese hinter sich. Der Shidar hatte sich dem Regal zugewandt und förderte drei schwere, in schweres Leder eingeschlagene Einbände zu Tage, die er nebeneinander auf den Tisch legte.
Nayin trat näher und betrachtete die verschnörkelten Titel der Bücher. Vergessene Völker - von Hochkulturen vergangener Zeitalter, Die Einöde von Lomar, Der Erstgeborene und seine Kulte. Namuras bemerkte seinen skeptischen Blick.
“Das sind die Werke, in denen wir am ehesten brauchbare Informationen erwarten über dass, was uns bevorsteht.” sagte er mit einem entschuldigendem Lächeln. “Die Märchenbücher und Schauergeschichten über den Dunklen Gott könnten ganze Bibliotheken füllen. Man weiß allerdings so gut wie nichts Handfestes über ihn, obwohl er gerade hier im Norden durch die Nähe zu Lomar recht präsent sein müsste. Aber selbst Traumreisende wagen sich nur selten in die Nähe seiner Festung im Zwielicht.”
“Und was hast du nun vor?” fragte Nayin. “Willst du die drei Wälzer jetzt nach brauchbaren Informationen absuchen?”
“Das würde wenig Sinn machen, da wir bisher noch gar keine Ahnung haben, womit wir es zu tun bekommen. Nein, ich werde Abschriften anfertigen und Zusammenfassungen über relevante Dinge anfertigen lassen. Standard Recherche eben.”
“Und warum genau sollte ich mitkommen?” erkundigte sich Nayin.
“Du solltest nicht, ich habe dich gefragt, ob du Lust hast.” gab Namuras lächelnd zurück. “So konntest du dir die Stadt näher ansehen, das Archiv kennen lernen und dich beinahe von Riesenkäfern niedertrampeln lassen.” Er grinste, wurde dann aber wieder ernst. “Und ich konnte dir einige weniger erbauliche Neuigkeiten darlegen. Womit ich im Übrigen noch nicht ganz fertig war.”
“Ach ja...” antwortete Nayin verdrießlich. “Also raus damit, welch anderer Schrecken bedroht die Welt noch?”
“Nein, die letzte Nachricht ist eher persönlicher Natur.”
“Lares?” fragte Nayin erschrocken, aber Namuras schüttelte den Kopf.
“Nein, nicht Lares, jedenfalls nicht direkt.”
“Was dann?”
“Akilion.” antwortete der Shidar tonlos. Nayin zuckte bei dem
Namen zusammen, wie von einem Peitschenhieb getroffen.
Den Jungen hatte er völlig vergessen! Der Grund, wieso sie überhaupt aus Kylaria los gesegelt waren.
“Was ist mit ihm?” fragte er vorsichtig.
“Wir haben seine Spur verloren.” sagte Namuras düster. “Der Sternengardist hat ihn bis hierher nach Nakesh gebracht und sich mit ihm in einem Gasthaus am Stadtrand einquartiert.”
“Und? Was ist passiert?”
“Den Gardisten konnten wir aufspüren. Er lag tot in seinem eigenen Blut. Sauberer Kehlenschnitt.” Eine kurze Pause folgte. “Aber von dem Jungen fehlt jede Spur. Selbst auf magischem Wege konnten wir keinerlei Anzeichen entdecken, wo er abgeblieben sein könnte. Der einzige Hinweis, den wir haben, ist die Aussage des Gastwirts, dass am Abend vor dem Mord an dem Gardisten ein seltsames Pärchen sein Haus betreten und ihn nach dem Mann aus Amras gefragt hatte. Daran hatte er sich allerdings erst gestern wieder erinnern können.”
“Gestern erst? Wie lange ist der Mord denn her?”
“Als der Mann starb, sind wir gerade in den Sümpfen an Land gekrochen.” sagte Namuras düster. “Also vor knapp einem Monat.”
“Und der Mann konnte sich erst gestern wieder erinnern? Ist er von den Behörden nicht ausgefragt worden?”
“Ist er. Und er schwört bei den Zehn, dass er sich weder an den Jungen noch an das Pärchen bis gestern habe erinnern können. Und er hat keinen Grund zu lügen.”
“Dann muss einer von den beiden ein Magier gewesen sein.” murmelte Nayin. “Einen zeitweisen Gedächtnisverlust ohne einen kräftigen Schlag auf den Kopf kann nur ein ausgebildeter Zauberer herbeiführen.”
Namuras nickte.
“Im Klartext bedeutet das, dass sich der kleine Bruder deines Freundes nun in den Händen eines uns völlig unbekannten Magiers befindet - und das schon seit über vier Wochen.”
“In vier Wochen könnte man selbst zu Fuß nach Amras gelangt sein” sagte Nayin niedergeschlagen.
Wieder nickte der Shidar. “Und ich bezweifle stark, dass die beiden Unbekannten den Jungen nach Norden bringen werden. War er magisch begabt?”
Nayin war ein wenig überrascht von dem Gedankensprung des jungen Kriegers. Er schüttelte den Kopf.
“Nein.” sagte er. “Jedenfalls wäre mir nie etwas derartiges aufgefallen.”
“Das bedeutet nicht, dass keine verborgenen Talente in ihm schlummern. Nicht überall bahnt sich die Magie ihren Weg ins Freie wie bei dir.”
“Ein Monat...” Nayin seufzte. “In einem Monat kann man die ganze bekannte Welt bereisen, wenn man es darauf anlegt. Mit einem Schiff käme man bis zu den Freien Inseln. Oder bis...” Er stockte, seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, sein Kopf ruckte zu Namuras herum.
“Richtig...” beantwortete dieser grimmig die unausgesprochene Frage in Nayins Augen. “Oder bis nach Baharna.”
Tiefebene von Lengan, an der Grenze nach Amras, Monat Skai, Spätfrühling im Jahr 1104 nach Ashibans Fall
Er hatte sich selbst von den Worten des Spähers überzeugen wollen. Nicht, dass er dem Mann nicht geglaubt hätte, aber Ivonasz wollte es mit eigenen Augen sehen. Irgend etwas in ihm hatte sich lange gegen die Wahrheit gesträubt, doch jetzt musste er sie anerkennen, ob er wollte oder nicht.
Die Stadt war weg.
Nicht geschleift oder zerstört, sondern beinahe vollständig weg. So gründlich ausgelöscht und niedergebrannt, dass nur noch vereinzelte Steinhaufen und verkohlte Holzreste darauf hindeuteten, dass hier mal ein kleines Städtchen mit fast zweitausend Einwohnern am Waldrand gestanden hatte.
Ivonasz hätte nicht geglaubt, dass eine derartige Zerstörung überhaupt möglich war - und schon gar nicht in so kurzer Zeit. Vor nicht einmal vier Tagen hatte er dort drüben in einem Gasthaus zusammen mit seinen Hauptleuten noch zu Mittag gegessen, bevor sie sich zurück auf den Weg in die Festung gemacht hatten.
Auf der breiten Hauptstraße, die hier durch Garing führte, lagen die verstümmelten Kadaver mehrerer Pferde, die dazu gehörigen Fahrzeuge bestanden nur noch aus Asche. Etwas außerhalb der ehemals wehrhaften Palisaden – auch diese waren nur noch schwarze Holzstummel, die kaum mehr kniehoch aus dem Boden ragten - sah er einige schwarze Flecken auf dem Pflaster der Straße. Ein Indiz dafür, dass einige der Bewohner es bis aus der Stadt heraus geschafft hatten.
Aber gerettet hatte es sie auch nicht, dachte Ivonasz erschüttert. Er war bei Weitem kein Feigling und er hatte schon das ein oder andere Schlachtfeld oder gebrandschatzte Dorf gesehen, aber das hier übertraf jeden Schrecken, den er gekannt hatte. Jetzt wusste er, was Vernichtung wirklich bedeutete.
“Herr Hauptmann?” fragte eine Stimme hinter ihm. Mühsam wandte er den Blick von der zerstörten Stadt ab und sah den Soldaten an. Ein halbes Dutzend Männer hatten ihn hierher begleitet und auch ihnen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Der junge blonde Krieger, der ihn angesprochen hatte, war ein paar Meter näher an ihn heran geritten, die anderen Fünf hatten einen respektvollen Abstand zu ihm gewahrt.
Wahrscheinlich eher zu dem schrecklichen Anblick, der sich ihnen bot, dachte er bitter.
“Herr Hauptmann, wie lauten Eure Befehle?” fragte der Soldat. In seinem Blick sah Ivonasz deutlich, dass er am liebsten gehört hätte, dass sie so schnell wie möglich zurück nach Gordunn ritten und er hätte selber auch am liebsten sofort kehrt gemacht, um diesen schrecklichen Ort zu verlassen. Zurück in die sichere Obhut der Festung.
Aber das konnten sie nicht. Sie waren Soldaten des Königs und irgend jemand oder irgend etwas hatte hier ein Blutbad angerichtet, das aufgeklärt werden musste.
“Wir reiten zur Stadt und suchen nach Spuren und vielleicht nach Überlebenden. In spätestens einer Stunde sammeln wir uns am Osttor und reiten zurück zur Festung.”