Feuersturm - Andrew Roberts - E-Book

Feuersturm E-Book

Andrew Roberts

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Beschreibung

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt achtzig Jahre zurück, doch die Folgen sind bis heute spürbar. Der britische Historiker Andrew Roberts hat Ursachen und Verlauf des globalen Kriegs neu erzählt. Seine dichte, quellennahe Darstellung wurde als Meisterwerk gerühmt, das große Anschaulichkeit im Detail mit einem souveränen Überblick über die zahlreichen Kriegsschauplätze verbindet und die Leser von der ersten Seite an fesselt.
Andrew Roberts folgt der Frage, warum die Achsenmächte den Krieg verloren: tatsächlich durch strategische Fehler und aus ideologischer Verblendung oder wegen der Übermacht der Alliierten? Im Mittelpunkt steht die Militärgeschichte mit ihren Operationen und Schlachten zu Land, zu Wasser und in der Luft sowie dem Wettlauf der Rüstungsproduktion und Informationsbeschaffung. Dabei gelingtes ihm, alle Kriegsschauplätze - in Europa, Afrika und Asien, im Atlantik und Pazifik - gleichberechtigt darzustellen. Roberts hat zahlreiche Schlachtfelder besucht, was seiner Darstellung eine mitreißende Anschaulichkeit verleiht. Docher verliert sich nie im Sog der Ereignisse, sondern behält die großen Zusammenhänge im Auge und wechselt virtuos zwischen den Ebenen: von den Politikern und Generälen über die Soldaten in Schützengräben und Sandstürmen bis hin zuden unzähligen Opfern dieses größten Krieges aller Zeiten.

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Andrew Roberts

FEUERSTURM

Eine Geschichte des Zweiten Weltkriegs

Aus dem Englischen von Werner Roller

C.H.Beck

Zum Buch

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs liegt achtzig Jahre zurück, doch die Folgen sind bis heute spürbar. Der britische Historiker Andrew Roberts hat Ursachen und Verlauf des globalen Kriegs neu erzählt. Seine dichte, quellennahe Darstellung wurde als Meisterwerk gerühmt, das große Anschaulichkeit im Detail mit einem souveränen Überblick über die zahlreichen Kriegsschauplätze verbindet und die Leser von der ersten Seite an fesselt.

Am 2. August 1944, kurz nach der Zerschlagung der deutschen Heeresgruppe Mitte, höhnte Churchill: «Dem russischen Erfolg wurde durch die Strategie von Herrn Hitler, von Korporal Hitler, nachgeholfen.» Andrew Roberts folgt der Frage, warum die Achsenmächte den Krieg verloren: tatsächlich durch strategische Fehler und aus ideologischer Verblendung oder wegen der Übermacht der Alliierten? Im Mittelpunkt steht die Militärgeschichte mit ihren Operationen und Schlachten zu Land, zu Wasser und in der Luft sowie dem Wettlauf der Rüstungsproduktion und Informationsbeschaffung. Dabei gelingt es ihm, alle Kriegsschauplätze – in Europa, Afrika und Asien, im Atlantik und Pazifik – gleichberechtigt darzustellen. Roberts hat zahlreiche Schlachtfelder besucht, was seiner Darstellung eine mitreißende Anschaulichkeit verleiht. Doch er verliert sich nie im Sog der Ereignisse, sondern behält auf dem neuesten Forschungsstand die großen Zusammenhänge im Auge und wechselt virtuos zwischen den Ebenen: von den Politikern und Generälen über die Soldaten in Schützengräben und Sandstürmen bis hin zu den unzähligen Opfern dieses größten Krieges aller Zeiten.

«Mit Feuersturm, seiner hervorragend geschriebenen, umfassenden Neuerzählung des größten Konflikts der Geschichte, liefert Roberts ein Meisterstück an Prägnanz.»

Ian Kershaw, The Guardian Books of the Year

«Glänzend erzählte Geschichte: eine außerordentlich klare und zugängliche Darstellung des Krieges an all seinen Schauplätzen. Roberts’ Schilderungen der Soldaten und Offiziere sind ebenso menschlich wie meisterhaft. Und seine Schlachtszenen sind so packend geschrieben wie nichts, was ich sonst gelesen habe.»

Timothy Snyder, The New York Times Book Review

«Roberts beweist sein Können vor allem dann, wenn er einen Panoramablick auf die vielen, weit verstreuten Schauplätze des Krieges bietet. Selbst Militärexperten, die glauben, alles über die Schlachten und Hauptpersonen zu wissen, fesselt Roberts mit beeindruckenden Details.»

Michael Burleigh, Evening Standard

Über den Autor

Andrew Roberts, Historiker und Journalist, ist Gastprofessor am Department of War Studies des King’s College London sowie Fellow der Royal Society of Literature. Er gilt als «Britain’s finest military historian» (Economist).

Inhalt

Verzeichnis der Karten

Vorwort

Präludium: Der Pakt

Erster Teil: ANGRIFF

1: Vier Invasionen – September 1939–April 1940

2: Imperator Hitler – Mai–Juni 1940

3: Insel der letzten Hoffnung – Juni 1940–Juni 1941

4: Kampf um die Mittelmeerküsten – September 1939–Juni 1942

5: Die Tür eintreten – Juni–Dezember 1941

6: Taifun aus Tokio – Dezember 1941–Mai 1942

Zweiter Teil: WECHSELJAHRE

7: Die ewige Schande der Menschheit – 1939–1945

8:Fünf Minuten in Midway – Juni 1942–Oktober 1944

9: Mitternacht in den Teufelsgärten – Juli 1942–Mai 1943

10: Das Mutterland überwältigt das Vaterland – Januar 1942–Februar 1942

11: Funk- und Meereswellen – 1939–1945

12: Den Stiefel aufwärts – Juli 1943–Mai 1945

Dritter Teil: VERGELTUNG

13: Eine herausragende Wende – März–August 1943

14: Die grausame Wirklichkeit – 1939–1945

15: Die Eroberung der Normandie – Juni–August 1944

16: Von Westen her – August 1944–März 1945

17: Von Osten her – August 1943–Mai 1945

18: Das Land der untergehenden Sonne – Oktober 1944–September 1945

Schluss – Warum haben die Achsenmächte den Zweiten Weltkrieg verloren?

Abkürzungen

Anmerkungen

Präludium: Der Pakt

1: Vier Invasionen

2: Imperator Hitler

3: Insel der letzten Hoffnung

4: Kampf um die Mittelmeerküsten

5: Die Tür eintreten

6: Taifun aus Tokio

7: Die ewige Schande der Menschheit

8: Fünf Minuten in Midway

9: Mitternacht in den Teufelsgärten

10: Das Mutterland überwältigt das Vaterland

11: Funk- und Meereswellen

12: Den Stiefel aufwärts

13: Eine herausragende Wende

14: Die grausame Wirklichkeit

15: Die Eroberung der Normandie

16: Von Westen her

17: Von Osten her

18: Das Land der untergehenden Sonne

Schluss

Quellen und Literatur

Archive und private Dokumente

Bücher

Aufsätze

Bildnachweis

Register

Im Gedenken an Frank Johnson (1943–2006)

«Ich selbst bin voller Zuversicht, dass wir, wenn alle ihre Pflicht erfüllen, wenn nichts vernachlässigt wird und wenn alles aufs Beste vorbereitet wird – wie dies ja geschieht –, uns neuerlich als fähig erweisen werden, unsere Inselheimat zu verteidigen, die Stürme des Krieges zu überdauern und die Bedrohung der Tyrannei abzuwehren; wenn es sein muss, jahrelang; wenn es sein muss, allein.»

Winston Churchill im House of Commons, 4. Juni 1940

1  General Werner von Blomberg, der deutsche Reichswehrminister, im Gespräch mit dem neu ernannten Reichskanzler Adolf Hitler, Ulm, September 1933. Der Pakt, den beide Männer im April 1934 an Bord des Panzerschiffes Deutschland schlossen, festigte Hitlers Macht nach innen und brachte Deutschland außenpolitisch auf Kriegskurs.

2  Der Hitler-Stalin-Pakt wurde am 24. August 1939 um 2 Uhr morgens im Kreml besiegelt. Unterzeichner waren die Männer, die auf diesem Bild zu beiden Seiten Josef Stalins stehen: Joachim von Ribbentrop, der deutsche Außenminister (links), und sein sowjetischer Amtskollege Wjatscheslaw Molotow (rechts). Friedrich Gaus (ganz links), der Leiter der Rechtsabteilung des Reichsaußenministeriums, schrieb den Vertragsentwurf. Der Vertrag verschaffte Hitler die diplomatische Initiative und war Stalins größter Fehler.

3  Der italienische Diktator Benito Mussolini, Hitler, Generalmajor Alfred Jodl und Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel am 25. August 1941 bei einer Lagebesprechung in Hitlers Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen, drei Tage nachdem Hitler einen Teil seiner Streitmacht vom Angriff auf Moskau abgezogen und in Richtung Kiew umdirigiert hatte.

4  Reichsmarschall Hermann Göring, Keitel und SS-Reichsführer Heinrich Himmler im Gespräch mit Hitler, 10. April 1942.

5  Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, der das offene Wort nicht scheute, wurde von Hitler viermal in hohe Führungsämter befördert und viermal wieder entlassen. Am 18. April 1944 inspizierte er in seiner Eigenschaft als Oberbefehlshaber West den Atlantikwall.

6  Generalfeldmarschall Erich von Manstein, der Mann, der den «Sichelschnitt»-Plan ersann, mit dem die Niederlage Frankreichs besiegelt wurde, und die Krim und Charkow einnahm. Er war der bedeutendste deutsche Stratege in diesem Krieg, aber auch er konnte die eingeschlossene 6. Armee in Stalingrad nicht entsetzen.

7  General Heinz Guderian, der fähigste deutsche Panzerarmee-Kommandeur, im Dezember 1940.

8  Generalfeldmarschall Walter Model, hier bei der Inspektion eines deutsch-ungarischen Gegenangriffs im Südabschnitt der Ostfront. Er wurde so oft zur Bereinigung kritischer Situationen eingesetzt, dass er den Spitznamen «Hitlers Feuerwehrmann» erhielt.

9  Ein Sturzkampfbomber Junkers Ju 87 («Stuka») greift an, und ein französischer Panzer bekommt die volle Wucht des Blitzkriegs zu spüren. Nordfrankreich, 1940.

10  Die Bevölkerung flieht aus Paris, Juni 1940.

11  Operation Dynamo: Alliierte Soldaten warten Ende Mai 1940 am Strand von Dünkirchen in langen Schlangen auf ihre Evakuierung und hoffen auf das, was Churchill später als «Wunder der Errettung» bezeichnen sollte.

12  Die Alliierten mussten gewaltige Mengen an Fahrzeugen, Waffen, Vorräten und Munition unbrauchbar machen und in Frankreich zurücklassen. So sah es am 27. Mai 1940 in Dünkirchen aus.

13  Furchtbare Schönheit: Kondensstreifen, von Maschinen der RAF und der Luftwaffe im Luftkampf an den Himmel über der Grafschaft Kent gemalt, 3. September 1940. «Leben und Tod hatten ihre Bedeutung verloren. Der Wille spitzte sich auf einen einzigen, wilden Wunsch zu: den Gegner zu packen und ihn vom Himmel zu holen», schrieb ein britisches Fliegerass nach dem Krieg.

14  «Alarm!» RAF-Piloten der 87. Staffel eilen zu ihren Hurricanes.

15  Hitler und Goebbels beim vertraulichen Kamingespräch im Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden, 1940.

16  Unternehmen Barbarossa: die Wehrmacht in der Ukraine im Sommer 1941. Auffällig ist hier ein requirierter Bus, der dem Transport von Nachschubgütern dient.

17  Unternehmen Taifun, der deutsche Angriff auf Moskau, versinkt im Oktober 1941 in bodenlosem Morast. Dieses Sturmgeschütz wird von der Besatzung aufgegeben und zurückgelassen.

18  Erschöpft, unter Erfrierungen leidend, demoralisiert: Ende Dezember 1941 ergeben sich deutsche Soldaten erstmals in größerer Zahl der gut für den Winterkrieg ausgerüsteten Roten Armee.

19  Sturzkampfbomber des Typs Douglas Dauntless der US Navy fügen der japanischen Flotte in der Seeschlacht bei Midway vernichtende Schläge zu. Rechts von der Bildmitte ist ein brennendes japanisches Schiff zu sehen.

20  Der amerikanische Flugzeugträger Yorktown brennt nach Treffern von japanischen Sturzkampfbombern des Typs Aichi D34 «Val»: bei Midway, kurz nach 13.30 Uhr, 4. Juni 1942.

21  Die Generäle Claude Auchinleck und Archibald Wavell bei einer Lagebesprechung in Ägypten, 1941. Churchill, immer auf der Suche nach Kommandeuren mit stärker ausgeprägtem Angriffsgeist, setzte beide Männer als Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Nahen Osten ab.

22  General Harold Alexander bei einer Ansprache vor Soldaten der 18. Armeegruppe in Tunesien im Frühjahr 1943.

23  General Erwin Rommel, der «Wüstenfuchs», an der Stätte seines größten Triumphes: Bei der Einnahme von Tobruk im Juni 1942 gerieten fast alle Verteidiger der Stadt in Gefangenschaft, und der größte Teil ihrer Ausrüstung fiel in die Hände der Eroberer.

24  Die Schlacht von El Alamein: Soldaten der 9. australischen Division feuern an einem Strand im nördlichen Frontabschnitt mit einer erbeuteten italienischen 4,7-cm-Breda-Panzerabwehrkanone.

25  Der Holocaust: Juden aus der Karpato-Ukraine (Ruthenien) werden hier nach der Ankunft an der Rampe in Auschwitz Ende Mai 1944 einer «Selektion» unterworfen. Die Personengruppe links ist für den «Arbeitseinsatz» bestimmt, die Gruppe rechts wird sofort in die Gaskammer geführt.

26  Ein kleiner Teil der Leichenberge, die von der 7. US-Armee am 1. Mai 1945 bei der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau entdeckt wurden.

27  Eine Szene aus Stalingrad, Ende 1942. Bei den erbitterten und oft aus nächster Nähe geführten Kämpfen wechselte der Fabrikbezirk im Norden der Stadt über mehrere Monate hinweg viele Male den Besitzer.

28  Sowjetische Artillerie in der Fabrik «Roter Oktober» in Stalingrad, Anfang 1943.

29  Sieg durch die Zusammenarbeit in Komitees: Hinter Präsident Franklin Roosevelt und Premierminister Winston Churchill stehen bei der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 die Vereinigten Stabschefs der westlichen Alliierten: (von links) Admiral Ernest J. King, General George C. Marshall, Admiral Dudley Pound, Air Chief Marshal Charles Portal, General Alan Brooke, Feldmarschall John Dill, Vizeadmiral Louis Mountbatten und General Henry «Hap» Arnold.

30  General Charles de Gaulle (Mitte), der selbsternannte Retter Frankreichs, schreitet bei seiner Ankunft in Algier am 30. Mai 1943 die Front einer Ehrengarde ab. Am darauffolgenden Tag übernahmen er und General Henri Giraud (links) gemeinsam den Vorsitz im Komitee zur Nationalen Befreiung, ohne dass dies an ihrer gegenseitigen Verachtung etwas geändert hätte.

30  General Charles de Gaulle (Mitte), der selbsternannte Retter Frankreichs, schreitet bei seiner Ankunft in Algier am 30. Mai 1943 die Front einer Ehrengarde ab. Am darauffolgenden Tag übernahmen er und General Henri Giraud (links) gemeinsam den Vorsitz im Komitee zur Nationalen Befreiung, ohne dass dies an ihrer gegenseitigen Verachtung etwas geändert hätte.

31  Die Atlantikschlacht: Ein Zerstörer, das einsame kleinere Schiff im Hintergrund (rechts), schützt einen Geleitzug von Frachtschiffen im Juni 1943 bei der Fahrt über den Ozean.

32  Der Kapitän eines U-Boots am Sehrohr.

33  Die Schlacht bei Kursk, Juli 1943. Die 3. SS-Panzerdivision Totenkopf, eine Eliteeinheit, zieht bei der größten Panzerschlacht der Geschichte in den Kampf. Dieser Angriff war Teil eines Vorgehens, das später auch als «Todesritt der 4. Panzerarmee» bezeichnet wurde.

34  Deutsche Soldaten lassen während der Schlacht bei Kursk einen brennenden sowjetischen Panzer des Typs T 34/76 hinter sich.

35  General William Slim begutachtet ein erbeutetes japanisches Schwert, Burma 1944.

36  Generalmajor Orde Wingate wurde von Slim als «seltsame, leicht erregbare, launische Kreatur» bezeichnet, «aber er trug ein Feuer in sich, er konnte andere Männer entflammen».

37  General Tomoyuki Yamashita, der brutale, aber brillante Eroberer Malayas.

38  General George S. «Old Blood and Guts» Patton jr.: hart und grob, aber mitunter auch eigentümlich feinfühlig.

39  General Mark Clark (auf dem Beifahrersitz) bekam seinen ruhmreichen Tag als Befreier von Rom am 5. Juni 1944, aber der strategische Preis dafür war hoch.

40  D-Day, die Invasion in der Normandie: Der Dudelsackspieler Bill Millin von der 1. Special Service Brigade der 2. britischen Armee macht sich am 6. Juni 1944 um 8.40 Uhr am Sword Beach zum Ausschiffen bereit. Der Kommandeur der Einheit, Brigadier Lord Lovat, watet hier rechts von der Kolonne seiner Männer an Land.

41  Der längste Tag: Amerikanische Soldaten suchen Deckung hinter Panzersperren am Omaha Beach.

42  Mussolini verabschiedet sich zwei Tage nach Oberst Stauffenbergs Bombenanschlag vom 20. Juli 1944 im Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen von Hitler, Göring und Ribbentrop. Hitler wurde bei der Explosion leicht am rechten Arm verletzt, deshalb reicht er dem Duce die Linke.

43  General Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der Alliierten Expeditionsstreitkräfte, weist einem amerikanischen Offizier und General Montgomery 1944 den Weg nach vorn. «Ike» wurde von seinen Männern geliebt, aber er hielt auch die Egos seiner Kommandeure im Zaum.

44  Raus aus dem Graben: Sowjetische Infanterie stürmt hier während der Operation Bagration in Weißrussland nach vorn. Der sowjetische Großangriff begann am 22. Juni 1944, kostete die Wehrmacht 381.000 Gefallene und 158.000 Mann, die in Gefangenschaft gerieten, und führte zur Vernichtung der Heeresgruppe Mitte.

45  Die Ardennenoffensive: Amerikanische Soldaten gehen in den verschneiten Wäldern bei Amonines in Belgien im Dezember 1944 in Deckung. Der große deutsche Gegenangriff, der sie dazu zwang, hieß bei den Alliierten «Battle of the Bulge», die Schlacht um den (oder im) Frontvorsprung.

46  Das zerstörte Dresden nach dem in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 in mehreren Wellen vorgetragenen Bombenangriff der Alliierten.

47  Feldmarschall Alan Brooke, der Chef des Empire-Generalstabs (hinter dem MG), General Miles Dempsey, der Kommandeur der 2. Armee, und ein triumphierender Winston Churchill überqueren am 25. März 1945 mit einem Amphibienfahrzeug den Rhein.

48  Soldaten der Roten Armee rücken mit einem T-34/85-Panzer im April 1945 in Richtung Berlin vor.

49  Marshall Georgi Schukow, «der Mann, der Hitler besiegte», zieht im Mai 1945 in Berlin ein.

50  Marschall Iwan Konjew: ein zäher Soldat bäuerlicher Herkunft und fanatischer Kommunist, der einer der großen Kommandeure dieses Krieges wurde.

51  Die ausgelöschte Stadt: Nagasaki nach dem Atombombenabwurf vom 9. August 1945. Die Brücke in der Bildmitte lag unmittelbar unter dem Epizentrum der Explosion.

52  Japans Außenminister Mamoru Shigemitsu und General Yoshijiro Umezu, der Chef des Generalstabs der Kaiserlich-Japanischen Armee, unterzeichnen am 2. September 1945 an Bord des amerikanischen Schlachtschiffes Missouri die Kapitulationsurkunde – sechs Jahre und einen Tag nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Verzeichnis der Karten

1Polen 193937

2Finnland 1939–1940 54

3Norwegen 194064

4Frankreich, Belgien und die Niederlande 1940 82

5Die Luftschlacht um England 1940135

6Nordafrika und der Mittelmeerraum 1939–1943 178

7Die Sowjetunion und die Ostfront 1941–1943218

8Der Ferne Osten 1941–1945276

9Der Ferne Osten: Die Philippinen 1941–1945 284

10Der Ferne Osten: Burma 1941–1945289

11Der Holocaust 322

12Der Ferne Osten: Das Japanische Empire338

13El Alamein380

14Stalingrad 1942–1943425

15Die Atlantikschlacht 1939–1943470

16Italien und Sizilien 1943–1945500

17Monte Cassino und Anzio 1943–1944511

18Die Schlacht bei Kursk548

19Die kombinierte Bomberoffensive der Alliierten578

20Die Landung in der Normandie 1944614

21Frankreich und Deutschland 1944–1945 650

22Die Ostfront 1943–1945680

Vorwort

Die Arbeit des Geschichtsschreibers, pflegte A. J. P. Taylor zu sagen, gleicht dem jonglierenden W. C. Fields: Es sieht so lange einfach aus, bis man es selbst versucht. Die Niederschrift dieses Buches ist mir durch die begeisterte Unterstützung von Freunden und Historikerkollegen sehr erleichtert worden.

Der Historiker Ian Sayer verfügt über Großbritanniens größtes Privatarchiv mit bisher unveröffentlichtem Material zum Zweiten Weltkrieg, und er ist mit seiner Zeit, seinem Rat und seinem umfassenden Wissen über diese Epoche sehr großzügig gewesen. Es war mir eine große Freude, ihn im Verlauf der Recherchen zu diesem Buch kennenzulernen, das ich zur gleichen Zeit wie Masters and Commanders schrieb, weil viele Quellen und Akteure sich überschneiden.

Besuche der Originalschauplätze und -räumlichkeiten, die mit vielen entscheidenden Augenblicken des Krieges verbunden sind, waren von unschätzbarem Wert, und ich möchte all denen danken, die dafür gesorgt haben, dass meine Besuche der im Folgenden genannten Orte und Einrichtungen so erfreulich verliefen. Zu diesen Reisezielen gehörten: das Hauptquartier des Oberkommandos der Wehrmacht und des Oberkommandos des Heeres in Zossen-Wünsdorf; die Maginotlinie; Görings ehemaliges Luftfahrt- und Goebbels’ ehemaliges Propagandaministerium in Berlin; RAF Uxbridge; das in Polen gelegene Gut, das Hitler Guderian zum Geschenk machte; die Cabinet War Rooms in London; das U-Boot 534 in Birkenhead; der Lancaster-Bomber Just Jane in East Kirkby, Lincolnshire; der Standort von Hitlers Reichskanzlei in der Wilhelmstraße in Berlin; das Sewastopol-Diorama und die U-Boot-Bunker auf der Krim; die Siemens Dynamo-Werke in Berlin; RAF Coltishall; Colombey-les-Deux-Églises; das Old Admiralty Building in Whitehall; Maison Blairon in Charleville-Mézières; die ehemaligen deutschen Luftschutzbunker auf Guernsey; das Bundesarchiv Lichterfelde bei Berlin; das Dokumentationszentrum Obersalzberg in Berchtesgaden; die Wolfsschanze in Rastenburg; der Livadia-Palast in Jalta und Stalins Datscha in Sotschi am Schwarzen Meer.

Besonders danken möchte ich Oleg Germanowitsch Alexandrow von den ausgezeichneten Three Whales Tours (www.threewhales.ru), der mich durch das Museum der Verteidigung Moskaus, den Kreml, das Zentralmuseum der russischen Streitkräfte in Moskau und das Museum des Großen Vaterländischen Krieges geführt hat; ebenso danke ich Swetlana Mischatkina, die meiner Frau Susan und mir Wolgograd (das ehemalige Stalingrad) gezeigt hat, besonders erwähnenswert sind hier der Getreidesilo, der Mamajew-Hügel, die Fabrik «Roter Oktober», die Waffenfabrik «Barrikaden», das Traktorenwerk «Felix Dserschinski», die Überfahrtsstelle 62, das Hauptquartier von Generalfeldmarschall Paulus, der Sowjetisch-Deutsche Friedhof Rossoschka und das Panorama-Museum; ein weiterer Dank geht an Oberstleutnant Alexander Anatoljewitsch Kulikow, der mich durch das Museum für Panzerbau in Kubinka führte, und an Oberst Wjatscheslaw Nikolajewitsch Budjony, der uns das Museum des Offiziersklubs in Kursk und die Schlachtfelder von Jakowlewo und Prochorowka zeigte.

Ich möchte dem unermüdlichen Oberst Patrick Mercer danken, der mich auf eine faszinierende Besichtigungstour der Schlachtfelder des Jahres 1944 südlich von Rom mitnahm. Besonders zu nennen sind hier die Albaner Berge, das Allied Landing Museum in Nettuno, die ehemalige «Fabrik» (Aprilia), Campoleone, der Soldatenfriedhof Commonwealth Beach Head in Anzio, die Flussüberquerung an der Moletta, an der Viscount De L’Isle sich das Victoria-Kreuz holte, das «Boot»-Wadi an der Via Anziate, Monte Lungo, San Pietro Infine, die Flussüberquerungen am Gari, Sant’Angelo in Theodice, der Commonwealth-, der polnische und der deutsche Soldatenfriedhof in und bei Cassino, der Fluss Rapido, das Klostermuseum Monte Cassino und das Historische Museum Monte Cassino. Ich möchte auch Ernesto Rosi vom Amerikanischen Soldatenfriedhof in Nettuno dafür danken, dass er mir den Weg zum Grab von Leutnant Allen Tupper Brown wies, dem Stiefsohn von General George C. Marshall.

Ein weiteres Mal möchte ich Paul Woodadge von Battlebus Tours danken (www.battlebus.fr), der mich zu den Schlachtfeldern von Omaha Beach, Beuzeville-au-Plain, La Fière, Utah Beach, Les Mézières, Sainte-Marie-du-Mont, Bréville, Angoville-au-Plain, Merville Battery, Strongpoint Hillman, Sword Beach, Pegasus-Brücke, Juno Beach, Sainte-Mère-Église, Lion-sur-Mer, Gold Beach und Crépon führte sowie zum Ryes Commonwealth War Cemetery in Bazenville und zum Normandy American Cemetery in Colleville-sur-Mer.

Specialist Trent Cryer aus Fort Myer, Virginia, hat mich freundlicherweise durch das Pentagon geführt. Dabei machte er auch noch den Stift ausfindig, den General Douglas MacArthur, Admiral Chester Nimitz und die japanische Delegation am 2. September 1945 an Bord des amerikanischen Schlachtschiffs Missouri bei der Unterzeichnung der japanischen Kapitulation benutzten, die den Krieg beendete. Danken möchte ich auch Magdalena Rzasa-Michalec, die Susan und mich bei unserem Besuch in Auschwitz-Birkenau mit großem Sachwissen führte, und David und Gail Webster, die uns de Gaulles Landsitz zu Kriegszeiten erläuterten, Rodinghead in Ashridge Park. Auch Richard Zeitlin vom Veteran’s Museum in Madison, Wisconsin, war äußerst hilfreich.

Der Historiker Paddy Griffith war so freundlich, ein anspruchsvolles Barbarossa-Kriegsspiel zu organisieren, das fast so lange dauerte wie das Unternehmen selbst, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse waren mir bei der Niederschrift der Kapitel 5 und 10 eine große Hilfe. Danken möchte ich Ned Zuparko (der Brauchitsch spielte), Max Michael (Hitler), Simon Bracegirdle (Stalin) und Tim Cockitt (Timoschenko) dafür, dass sie so viel Zeit geopfert haben. Ein Dank geht auch an Martin James, General John Drewienkiewicz und Oberst John Hughes-Wilson für ihre bei dieser Gelegenheit mitgeteilten Sichtweisen und Einschätzungen.

Großen Dank schulde ich auch der verstorbenen Mrs. Joan Bright Astley, Allan Mallinson, Mrs. Elizabeth Ward, Bernard Besserglik, Ion Trewin, dem verstorbenen Professor R. V. Jones, St. John Brown, John Hughes-Wilson (RUSI), der Guild of Battlefield Guides, Hubert Picarda, Oberst Carlo D’Este, Professor Donald Cameron Watt, Major Jim Turner, Rory Macleod, Miriam Owen, Air Chief Marshal Sir Jock Stirrup, Daniel Johnson sowie Robert Mages, Richard Sommers und David Keough vom USA Military History Institute in Carlisle, Pennsylvania.

Einige Freunde haben verschiedene Kapitel für mich gelesen, in manchen Fällen auch das ganze Buch, zu diesem Kreis zählen Johnnie Ogden, Conrad Black, mein Vater Simon Roberts, Oleg Alexandrow, John Curtis, Antony Selwyn, Ian Sayer, Hugh Lunghi, Eric Petersen, Paul Courtenay und David Denman. Ich möchte ihnen dafür sehr danken, ebenso den genialen Korrekturlesern Stephen Ryan und Michael Page bei Penguin. Noch übrig gebliebene Fehler, die es zweifellos gibt, gehen alle auf mein Konto.

Ohne die großartige, freundliche Professionalität meines Verlegers Stuart Proffitt, der Agentin Georgina Capel und des Lektors Peter James wäre dieses Buch nie zustande gekommen.

Danken möchte ich meiner Frau Susan, dass sie mich an so viele der Orte begleitet hat, die in diesem Buch vorkommen, gemeinsam waren wir am Hinrichtungsort Mussolinis oberhalb des Dorfes Giulino di Mezzegra (wir besichtigten ihn am Tag nach unserer Verlobung), in Auschwitz-Birkenau, im Todeslager Kanchanaburi am River Kwai, auf den Schlachtfeldern von Kursk und Stalingrad und an anderen mit dem Kriegsgeschehen verbundenen Orten in Budapest, Wien, Kairo, Libyen und Marokko.

Dieses Buch ist Frank Johnson gewidmet, im Gedenken an unsere langen Spaziergänge, bei denen wir die Themen erörterten, die sich aus diesem Krieg ergaben, insbesondere an unseren Besuch der Wolfsschanze, Hitlers Hauptquartier bei Rastenburg in Ostpreußen. Ich werde ewig bedauern, dass wir niemals gemeinsam zu Charles de Gaulles Grab in Colombey-les-Deux-Églises gereist sind. Frank wird von allen, die ihn kannten und liebten, unendlich vermisst.

Präludium: Der Pakt

General Werner von Blomberg, in seiner Eigenschaft als deutscher Reichswehrminister zugleich der politische Kopf der deutschen Streitkräfte, traf sich am Donnerstag, dem 12. April 1934, mit Reichskanzler Adolf Hitler an Bord des 11.700-Tonnen-Panzerschiffes Deutschland. Bei dieser Besprechung schlossen die beiden Politiker einen geheimen Pakt, in dem die Streitkräfte dem NSDAP-Führer ihre Unterstützung zusicherten, falls dieser nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg auch das Präsidentenamt übernehmen sollte. Die damit verbundene Bedingung: Die Reichswehr sollte die vollständige Entscheidungsgewalt über alle militärischen Fragen behalten. Der SA-Chef Ernst Röhm hatte zuvor die Einrichtung eines neuen Ministeriums verlangt, dem alle deutschen Streitkräfte unterstellt werden sollten, und für sich selbst das Ministeramt beansprucht. Eine solche Situation ließ für Blomberg und letztlich vielleicht sogar für Hitler Böses ahnen. Blomberg zeigte am 1. Mai seine Bereitschaft, den an Bord der Deutschland geschlossenen Pakt sofort umzusetzen, indem er die Aufnahme des Hakenkreuz-Motivs in die Uniform der Reichswehr befahl.

Röhm drängte weiterhin energisch auf die Erfüllung seiner Forderungen, was Blomberg am 21. Juni zu einer Warnung an Hitlers Adresse veranlasste: Hindenburg werde das Kriegsrecht verhängen und die Reichswehr um die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung bitten, falls keine Maßnahmen zur Sicherung des inneren Friedens ergriffen würden, und eine solche Situation würde den Reichskanzler an den Rand des Geschehens drängen und schwächen. Hitler begriff, was auf dem Spiel stand. Seine persönliche SS-Leibwache ging neun Tage später in einer mit überraschender Grausamkeit ausgeführten Aktion, die als «Nacht der langen Messer» bekannt wurde, gegen Röhm und die SA-Führung vor. Es kam zu einer Reihe von willkürlichen Festnahmen und Erschießungen, denen rund 200 Personen zum Opfer fielen. Die Reichswehr blieb während dieser Säuberung nicht nur untätig, Minister Blomberg gab am darauffolgenden Tag, am 1. Juli 1934, auch noch einen Erlass an die «Wehrmacht» heraus, in dem er die «soldatische Entschlossenheit» und den «vorbildlichen Mut des Führers» lobte, der «die Verräter und Meuterer selbst angegriffen und niedergeschmettert» habe.

Hindenburg starb einen Monat später, am 2. August 1934. Hitler übernahm – mit uneingeschränkter Unterstützung der Reichswehr – zusätzlich das Amt des Reichspräsidenten und damit auch den Oberbefehl über die Streitkräfte. Dies erfolgte auf der Grundlage des «Gesetzes über das Oberhaupt des Deutschen Reiches», das Hitler noch am 1. August vom gesamten Kabinett unterzeichnen ließ, auch vom Reichswehrminister.[1] Blomberg ordnete an, dass ein neuer Treueeid auf Hitler persönlich zu leisten sei, nicht mehr auf die Verfassung, die Institution des Reichspräsidenten oder den Staat. «Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid», war jetzt der unmissverständliche Wortlaut, «dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.» Bei Hindenburgs Beerdigung am 7. August schlug Blomberg dem neuen Reichspräsidenten vor, dass ihn alle Soldaten künftig mit «Mein Führer» ansprechen sollten, und dieser Vorschlag wurde gnädig angenommen.

Hitler hatte sich die uneingeschränkte Macht gesichert, allerdings auf Kosten der Reichswehr, und Blomberg schrieb Hitler am Donnerstag, dem 9. August 1934, nur zwei Tage nach Hindenburgs Beerdigung, einen knappen, nur einen einzigen Satz umfassenden (und bis heute unveröffentlichten) Brief, in dem es hieß: «Mein Führer! Ich bitte an die in Aussicht gestellte Verfügung an die Wehrmacht erinnern zu dürfen. Blomberg.»[2] Diese etwas herrisch daherkommende Mitteilung sollte Hitler an seine Verpflichtungen aus dem Deutschland-Pakt erinnern. Ohne diese Zusicherung wäre es ihm nicht gelungen, die militärische und politische Vorherrschaft zu erlangen, die es ihm nur fünf Jahre später ermöglichen sollte, die Welt in den katastrophalsten Krieg zu stürzen, den die Menschheit jemals erlebt hat. Blomberg wiederum hatte (noch) die Möglichkeit, auf der korrekten Erfüllung des Paktes zu beharren. John Wheeler-Bennett, der britische Historiker und Experte für die deutsche militärische Führungsspitze, erklärte das so:

Bis zum August 1934 hätte die Armee das Naziregime niederwerfen können; ihre Kommandeure hätten nur mit dem Kopf zu nicken brauchen. Sie schuldete dem Kanzler keine Treue. Mit der Annahme Hitlers als Hindenburgs Nachfolger aber ketteten sie sich mit einer weiteren und vielleicht der stärksten psychologischen Fessel an ein Regime, das sie hatten ausnutzen und beherrschen wollen.[3]

Eine Woche nachdem er Blombergs Brief erhalten hatte, veröffentlichte Hitler im NSDAP-Parteiblatt Völkischer Beobachter Hindenburgs «politisches Testament». In diesem Text wurde die Rolle der Streitkräfte im Dritten Reich so beschrieben:

Symbol und fester Halt für diesen Aufbau musste die Hüterin des Staates, die Reichswehr, sein. In ihr mussten die alten preußischen Tugenden der selbstverständlichen Pflichttreue, der Einfachheit und Kameradschaft als festes Fundament des Staates ruhen. … Immer und zu allen Zeiten muss die Wehrmacht ein Instrument der obersten Staatsführung bleiben, das unberührt von allen innenpolitischen Entwicklungen seiner hohen Aufgabe der Verteidigung des Landes gerecht zu werden trachtet. … All den Männern, die den Auf- und Ausbau der Reichswehr vollzogen haben, gilt der Dank des Feldmarschalls des Weltkrieges und ihres späteren Oberbefehlshabers.[4]

Am darauffolgenden Tag, am 19. August 1934, entschieden die Deutschen in einer Volksabstimmung darüber, ob Hitler die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in Personalunion ausüben sollte, und mehr als 38 Millionen Wahlberechtigte (oder 89,9 Prozent der abgegebenen Stimmen) bejahten diese Frage.

Hitler kam seinen im Deutschland-Pakt gegebenen Zusagen weiterhin nach, am 20. August bestätigte er Blomberg in einer Mitteilung, der geheime Pakt gelte nach wie vor. Er dankte dem General für den Treueeid der Reichswehr und fügte hinzu:

Ich werde es jederzeit als meine höchste Pflicht ansehen, für den Bestand und die Unantastbarkeit der Wehrmacht einzutreten in Erfüllung des Testaments des verewigten Generalfeldmarschalls und getreu meinem eigenen Willen, die Armee als einzigen Waffenträger in der Nation zu verankern.[5]

Nichts war dem Ansehen Hitlers bei den Generälen so förderlich wie die Serie der politisch-diplomatischen Handstreiche, die ihm in der Zeit vom März 1936 bis zum August 1939 an den deutschen Grenzen gelang. Diese Vorstöße machten aus dem durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags gedemütigten Verlierer des Ersten Weltkriegs – Deutschland hatte durch den Vertrag beispielsweise 13,5 Prozent des eigenen Staatsgebiets abtreten müssen – das potenziell ruhmreiche Dritte Reich. Hitlers regelmäßige Bekundungen seiner vermeintlich friedlichen Absichten zerstreuten zwar mit Erfolg die Bedenken im Ausland, aber die Führungsspitzen von Wehrmacht, Kriegsmarine und Luftwaffe, die er anwies, sich so schnell wie möglich auf eine große kriegerische Auseinandersetzung in Europa vorzubereiten, durchschauten die Täuschung. «Deutschland wird von sich aus niemals den Frieden brechen», sagte Hitler beispielsweise dem Journalisten Ward Price von der Londoner Daily Mail in einem Interview im Januar 1935, vier Tage nach der Volksabstimmung im Saarland. Doch nur wenige Tage später entschied er, dass die Truppenstärke der Wehrmacht so schnell wie möglich von 21 auf 36 Divisionen angehoben werden müsse. Sein Ziel bis zum Jahr 1939 war ein 63 Divisionen umfassendes Kriegsheer, was fast der Kampfstärke von 1914 entsprach.[6]

Das Tempo von Hitlers Aggression nahm in der zweiten Hälfte der Dreißigerjahre exponentiell zu, denn das Selbstvertrauen des deutschen Diktators wuchs, und die Generäle hielten sich von den politischen Entscheidungsprozessen fern. Hermann Göring gab im März 1935 offiziell bekannt, dass Deutschland über eine Luftwaffe verfüge, im selben Monat, in dem die deutsche Regierung öffentlich erklärte, dass man sich nicht mehr an die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags halten werde, Bestimmungen, die man im Geheimen ohnehin ignoriert hatte, seit Hitler an die Macht gekommen war. Im September 1935 nahmen die Nürnberger Gesetze den deutschen Juden ihre Bürgerrechte, und die Hakenkreuzfahne wurde zur deutschen Staatsflagge erklärt.

Am 7. März 1936 beging Hitler einen grundsätzlichen Verstoß gegen den Versailler Vertrag, indem er deutsche Truppen ins Rheinland einmarschieren ließ, das mit dem Artikel 180 des Friedensvertrags zur entmilitarisierten Zone erklärt worden war. Für den Fall, dass sich die in unmittelbarer Nähe stationierten französischen und britischen Truppen den deutschen Soldaten entgegenstellten, hatten diese Befehl, sich in ihre Kasernen zurückzuziehen, und ein solcher Rückzug hätte Hitler mit größter Wahrscheinlichkeit seine Ämter gekostet. Doch die Westmächte, schuldbewusst wegen eines vermeintlichen «Karthago-Friedens», den man Deutschland 1919 auferlegt habe, ließen die Deutschen ohne Gegenmaßnahmen ins Rheinland einrücken. Philip Kerr, Marquess of Lothian, ein einflussreicher liberaler Politiker und Zeitungsdirektor, der in der Nationalen Regierung von Ramsay MacDonald 1931 einige Monate lang Kanzler des Herzogtums Lancaster gewesen war, kommentierte die Entwicklung in Deutschland so: «Sie gehen schließlich nur in den eigenen Garten hinter dem Haus.» Als Hitler den Westmächten im März 1936 versicherte, Deutschland wolle nur den Frieden, sagte der stellvertretende Labour-Vorsitzende Arthur Greenwood im Unterhaus: «Herr Hitler hat eine Erklärung abgegeben … und dabei den Ölzweig hochgehalten, … was unbesehen geglaubt werden soll. … Es ist müßig, hier festzuhalten, dass solche Erklärungen unaufrichtig sind.» Im August 1936 führte Deutschland einen zweijährigen Pflichtwehrdienst ein.

Im November 1936 griff Deutschland aktiv in den Spanischen Bürgerkrieg ein. Hitler entsandte zur Unterstützung des faschistischen Generals Francisco Franco die aus mehr als 12.000 «Freiwilligen» bestehende Legion Condor, die auch über Kampfflugzeuge der Luftwaffe verfügte. Italiens faschistischer Diktator Benito Mussolini schickte eine Streitmacht, die bis auf 75.000 Mann anwuchs. In Spanien perfektionierte die Legion die Angriffstaktik des Bombenteppichs, sie warf eine Bombenlast von mehr als 1200 Tonnen ab und verschoss mehr als vier Millionen MG-Kugeln. Großbritannien und Frankreich veranstalteten in London eine Konferenz, an der sich sechsundzwanzig Nationen beteiligten und bei der ein Ausschuss eingesetzt wurde, der die Einhaltung des Prinzips der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Spaniens überwachen sollte. Deutschland und Italien waren mit Sitz und Stimme in diesem Ausschuss vertreten und blieben auch dort bis zum Juni 1937; länger war die Farce nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Deutschland und Japan schlossen im November 1936 außerdem den Antikominternpakt, dem Italien 1937 beitrat. Dieses Abkommen richtete sich gegen die von der UdSSR geführte Dritte Kommunistische Internationale und begründete zugleich das Bündnis, das unter der Bezeichnung «Achse» bekannt werden sollte. Die Bühne für den Zweiten Weltkrieg war nahezu bereitet, bis auf eine sensationelle Wendung des Geschehens, die noch ausstand.

Vorläufig begnügte sich Hitler noch mit einer Politik des verstärkten Säbelrasselns im Umgang mit den Nachbarstaaten, die sich ganz besonders gegen die unmittelbaren Nachbarn mit zahlenmäßig großen deutschsprachigen Minderheiten richtete. Den schlüssigen Beweis dafür, dass all dies Teil eines umfassenden Gesamtplans war – eines Plans, der Stück für Stück umgesetzt wurde, sobald sich Gelegenheiten dafür boten –, lieferte das Protokoll einer Besprechung, die Hitler am 5. November 1937 in der Reichskanzlei abhielt. Diese Besprechung begann um 16.15 Uhr, dauerte gut vier Stunden[7] und sollte den mächtigsten Militärs sowie dem Außenminister des Reiches unmissverständliche Klarheit über Hitlers weitere Pläne verschaffen. Anwesend waren Blomberg (der 1936 zum ersten Generalfeldmarschall des Dritten Reiches ernannt worden war), Generaloberst Werner von Fritsch, der Oberbefehlshaber des Heeres, Großadmiral Erich Raeder, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, und Außenminister Konstantin von Neurath. Protokollführer war Oberst Friedrich Hoßbach, Wehrmachtsadjutant bei Hitler. Dieser erklärte gleich zu Beginn, das Thema sei «von derartiger Bedeutung», dass man es nicht «in dem großen Kreise des Reichskabinetts» erörtern könne.[8]

Später erklärte er, «die Geschichte aller Zeiten», auch die des Römischen Weltreichs und des Britischen Empires, habe «bewiesen», «dass jede Raumerweiterung nur durch Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne». Diese Risiken, womit Hitler kurze Kriege gegen Großbritannien und Frankreich meinte, müssten noch vor den Jahren 1943 bis 1945 eingegangen werden, für die er «infolge des Fehlens von Reserven» eine «Ernährungskrise» und einen «‹Schwächungsmoment des Regimes›» voraussah, und «zudem erwarte die Welt unseren Schlag und treffe ihre Gegenmaßnahmen von Jahr zu Jahr mehr. Während die Welt sich abriegele, seien wir zur Offensive gezwungen.» Vor einem «Vorgehen nach Westen» wollte Hitler «die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederwerfen», um diese «Flankenbedrohung» «blitzartig schnell» durch einen eigenen «Angriff» auszuschalten. Er war der Ansicht, «England, voraussichtlich aber auch Frankreich» hätten «mit hoher Wahrscheinlichkeit … die Tschechei bereits im stillen abgeschrieben», und «ein Vorgehen Frankreichs ohne die englische Unterstützung … sei wenig wahrscheinlich».[9] Erst nach der raschen Zerschlagung zunächst Österreichs und der Tschechoslowakei und anschließend Großbritanniens und Frankreichs könne er sich auf die Schaffung eines großen Kolonialreichs in Europa konzentrieren.

Die scheinbare Dringlichkeit dieser Pläne beunruhigte Blomberg und Fritsch zutiefst. Fritsch erwog sogar, seinen Urlaub zu verschieben, der am darauffolgenden Mittwoch beginnen sollte, und beide Männer wiesen wiederholt darauf hin, «Deutschland dürfe es auf keinen Fall zulassen, in einen Kriegszustand mit Großbritannien und Frankreich zu geraten». Gemeinsam hätten Blomberg und Fritsch vielleicht verhindern können, dass Hitler den letzten Teil des in der Hoßbach-Niederschrift festgehaltenen Plans in die Tat umsetzte. Doch Blomberg sah sich am 27. Januar 1938 gezwungen, sein einflussreiches Amt aufzugeben, als bekannt wurde, dass seine ihm vor wenigen Tagen angetraute zweite Frau Margarethe Gruhn, die fünfunddreißig Jahre jünger war als der Feldmarschall, 1931 für pornografische Fotos posiert hatte – aufgenommen von einem tschechischen Juden, mit dem sie damals zusammengelebt hatte. Außerdem fand sich ihr Name in einem von der Berliner Polizei geführten Verzeichnis einschlägig bekannter Prostituierter. Was das Ganze noch schlimmer machte: Hitler und Göring hatten bei der Eheschließung am 12. Januar 1938 im Kriegsministerium als Trauzeugen fungiert. Innerhalb einer Woche musste auch Fritsch zurücktreten, weil man ihn verdächtigte, er werde von einem Berliner Strichjungen namens Otto Schmidt erpresst – eine unberechtigte, auf einer Verwechslung beruhende Anschuldigung, von der Fritsch später von einem militärischen Ehrengericht freigesprochen wurde.[10] Wahrscheinlich fiel Fritsch einer Intrige Heinrich Himmlers zum Opfer, aber jede gemeinschaftliche Opposition der deutschen Generäle gegen seine Entlassung wurde von General Wilhelm Keitel, einem Anhänger Hitlers, hintertrieben.[11]

Hitler selbst hatte den Sturz der Generäle nicht betrieben, zögerte aber nicht, den Skandal für eigene Zwecke zu nutzen – für die Erweiterung seiner Machtbefugnisse über die Streitkräfte. Er ernannte keinen Nachfolger für Blombergs Amt und übernahm damit letztlich selbst die Funktion des Kriegsministers. Keitel, einen Mann, den er aufgrund seiner Unterwürfigkeit, seiner wenig ausgeprägten Persönlichkeit und intellektuellen Defizite auswählte, machte er zu seinem Berater in allen die Wehrmacht betreffenden Angelegenheiten. Einem Gerichtspsychiater, der ihn während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher befragte, sagte Keitel: «Niemand hat unabhängig von Hitler Befehle erteilt. Natürlich habe ich sie unterzeichnet. … Es war Hitlers Wunsch und Wille, alle Befugnisse und die Kommandogewalt auf sich zu vereinigen. Damit hatte er sich bei Blomberg nicht durchsetzen können.»[12]

Hitler hatte sich letztlich die uneingeschränkte Befehlsgewalt über die Wehrmacht gesichert, indem er Blomberg und Fritsch – de facto, wenn auch nicht unmittelbar de jure – durch sich selbst und Keitel ersetzte. Innerhalb weniger Tage verfügte er eine massive Umbesetzung der Spitzenpositionen im Militärapparat: Neben Blomberg und Fritsch wurden weitere zwölf Generäle entlassen und nicht weniger als einundfünfzig andere hohe Positionen ebenfalls neu besetzt.[13] Der Weg für eine uneingeschränkte Befehlsgewalt Hitlers über die Wehrmacht war jetzt frei. Im Lauf der folgenden Jahre sollte er immer enger an allen strategischen Entscheidungsprozessen beteiligt sein, sowohl über Keitel als auch durch dessen ähnlich willfährigen Stellvertreter Oberst (später Generalmajor) Alfred Jodl. Das deutsche Oberkommando – es war stolz, oft preußischer Herkunft, bestand zu großen Teilen aus Aristokraten und war in seiner Verbitterung über die Demütigungen der Jahre 1918/19 von keiner anderen Interessengruppe im Deutschen Reich zu übertreffen – ließ es zu, dass seine traditionelle Aufgabe, die Ausarbeitung einer militärischen Gesamtstrategie, von einem Mann an sich gerissen wurde, den viele dieser hohen Offiziere zwar als Staatsmann bewunderten, über dessen strategische Begabung sie aber nicht das Geringste wussten. Und all das nur wegen einer ehemaligen Prostituierten und eines verlogenen ehemaligen Berliner Strichjungen.

Wie sich bald darauf herausstellte, musste um die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich nicht gekämpft werden. Deutsche Truppen überquerten am 11. März 1938 die Grenze des Nachbarlandes und erfuhren dort so viel aktive Unterstützung durch die Bevölkerung, dass Hitler zwei Tage später den «Anschluss» erklären konnte, bevor er sich im Triumphzug durch die Straßen Wiens chauffieren ließ. Ein Zusammenschluss der beiden Länder war im Versailler Vertrag zwar ausdrücklich untersagt worden, doch Hitler stellte die Länder des Westens einfach vor vollendete Tatsachen, ohne dass ein einziger Schuss fiel. Als die Wehrmacht die Grenze zu Österreich überschritt, begingen viele Juden Selbstmord.

Die nächste Krise – sie entwickelte sich um das mehrheitlich deutschsprachige Sudetenland, das im Versailler Vertrag der Tschechoslowakei zugesprochen worden war – ging Hitler ebenso geschickt an wie die vorhergehenden Konflikte. Die Sudetendeutschen hatten mit sorgfältig inszenierten Demonstrationen, die gelegentlich, wie bereits im Oktober 1937, zu Gewaltakten führten, für den Anschluss ans Deutsche Reich agitiert. Nach einem Verbot politischer Versammlungen waren die Abgeordneten der NS-freundlichen Sudetendeutschen Partei (SDP) im November demonstrativ aus dem Prager Parlament ausgezogen. Hitler schürte die Krise mit Geschick über das ganze Jahr 1938 hinweg, mobilisierte die Wehrmacht am 12. August und verlangte im darauffolgenden Monat die Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich. Wie schon zuvor erklärte er, dies sei seine letzte territoriale Forderung in Europa.

Der britische Premierminister Neville Chamberlain flog am 15. September nach Deutschland und suchte Hitler in dessen Landhaus am Obersalzberg bei Berchtesgaden auf, um eine Lösung für diese Krise auszuhandeln. Bei seiner Rückkehr schrieb er an seine Schwester Ida: «Ich hatte, kurz gesagt, ein gewisses Vertrauen geschaffen, was auch mein Ziel war, und trotz der Härte und Rücksichtslosigkeit, die ich in seinem Gesicht zu entdecken glaubte, gewann ich den Eindruck, es hier mit einem Mann zu tun zu haben, auf dessen Wort man sich verlassen kann.»[14] Erst bei einem zweiten Treffen mit Hitler, das eine Woche später in Bad Godesberg stattfand, gelang es Chamberlain, bestimmte Abmachungen zu erreichen, zu deren Annahme Großbritannien und Frankreich die tschechoslowakische Regierung drängen konnten: Es galt einen Krieg zu vermeiden, auf den die Westmächte nach wie vor (unverzeihlicherweise) nicht vorbereitet waren. Nach der Rückkehr aus Bad Godesberg erklärte Chamberlain bei einer Kabinettssitzung, seiner Ansicht nach werde Hitler «nicht gezielt einen Mann täuschen, den er respektierte und mit dem er verhandelt hatte».[15]

Erst bei einem dritten Treffen in München kam Ende September 1938 ein Abkommen zustande, bei dem sich Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich auf die geografischen Einzelheiten und den Zeitplan für die Annexion des Sudetenlandes durch das Deutsche Reich einigten. Dem britischen Unterhaus empfahl Chamberlain am 3. Oktober 1938 die Annahme des Münchener Abkommens und erklärte dazu: «Es ist meine Hoffnung und meine Überzeugung, dass die Tschechoslowakei mit dem neuen System von Garantien größere Sicherheit genießen wird als jemals zuvor in der Vergangenheit.»[16] Diese Erklärung klingt zwar außerordentlich naiv, aber wir können zumindest sicher sein, dass Chamberlain selbst daran geglaubt hat.

Die britische Regierung erhielt im Vorfeld des Münchener Abkommens eine Reihe von Hinweisen aus Kreisen antinazistisch eingestellter deutscher Generäle, dass sie Hitler stürzen würden, wenn die Westmächte seine schmeichlerischen Scheinangebote in der Sudetenlandfrage zurückwiesen. Doch auf solche Zusagen war nicht zuletzt deshalb kein Verlass, weil sie für den Wehrmachtsoffiziersstand insgesamt nicht repräsentativ waren. Es gibt zahlreiche Gründe dafür, warum die deutschen Generäle Hitler nie entmachteten, auch dann nicht, als der Krieg eindeutig verloren war. Eine wichtige Tatsache war beispielsweise, dass sie sich keineswegs auf die Loyalität ihrer eigenen Soldaten verlassen konnten, wenn sie sich gegen Hitler wenden würden. Außerdem waren sie nach wie vor vom öffentlichen Leben isoliert, fühlten sich an den Treueeid gebunden, den sie Hitler geleistet hatten, standen für eine konservative Gesellschaftsordnung, die den jungen Deutschen nicht zusagte, und sahen sich als gesamte Gruppe nicht dazu in der Lage, ihre Pflicht gegenüber Deutschland über die persönlichen Interessen und den eigenen Ehrgeiz zu stellen.[17] Sie waren ein viel zu schwacher Machtfaktor, auf den sich Chamberlain (und später Churchill) bei der Gestaltung der britischen Außenpolitik keineswegs verlassen konnten.

Einen Monat nach dem Münchener Abkommen, am 2. November 1938, unterstützten Hitler und Mussolini die Annexion der südlichen Slowakei durch Ungarn, die überraschend und ohne Beratungen mit Großbritannien und Frankreich erfolgte. Chamberlain blieb vor dem Unterhaus nur noch die hilflose Feststellung: «Wir garantierten niemals die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen. Allerdings gaben wir eine Garantieerklärung gegen eine nicht provozierte Aggression ab – das ist etwas ganz anderes.» Eine Woche später riefen die Nazis zu einem brutalen, sechs Tage andauernden Pogrom gegen die deutschen Juden auf, das zunächst unter der euphemistischen Bezeichnung «Reichskristallnacht» bekannt wurde. Kaum jemand außerhalb des deutschen Machtbereichs hegte jetzt noch irgendwelche Illusionen über die wahre Natur des abscheulichen Hitler-Regimes.

Als deutsche Truppen am 15. März 1939 das noch verbliebene tschechische Staatsgebiet besetzten, das zum «Protektorat Böhmen und Mähren» erklärt wurde – und damit erstmals eine nichtdeutsche einheimische Bevölkerung in das Deutsche Reich zwangen –, und Hitler in einem weiteren Triumph durch ein düsteres Prag chauffiert wurde, gingen der Regierung Chamberlain endgültig die Erklärungen und Entschuldigungen aus. Das wurde noch deutlicher, als Hitler dann im selben Monat den fünf Jahre zuvor unterzeichneten Nichtangriffspakt mit Polen in Frage stellte und schließlich am 28. April 1939 aufkündigte.

Großbritannien und Frankreich gaben deshalb am 1. April eine Garantieerklärung zugunsten Polens ab und drohten für den Fall einer deutschen Invasion mit Krieg. Die Garantie war als Hemmschwelle und Abschreckungsmaßnahme gedacht, um Hitler von weiteren Abenteuern abzuhalten, und ähnliche Zusagen zugunsten Rumäniens und Griechenlands folgten zwei Wochen später. Großbritannien führte am 27. April die Wehrpflicht für Männer im Alter von zwanzig und einundzwanzig Jahren ein, Hitler kündigte am selben Tag das 1935 geschlossene deutsch-britische Flottenabkommen, in dem eine Obergrenze für die Größe der Kriegsmarine in beiden Ländern festgelegt worden war. Im darauffolgenden Monat unterzeichneten Hitler und Mussolini einen auf zehn Jahre befristeten Freundschafts- und Bündnisvertrag, den sogenannten «Stahlpakt».

«Der Krieg ist nicht nur nicht unvermeidlich», versicherte Sir Thomas Inskip, der bis Ende Januar 1939 Minister für die Koordination von Verteidigungsmaßnahmen gewesen war,[18] noch im August 1939 der britischen Öffentlichkeit, «er ist unwahrscheinlich». Er hatte nicht damit gerechnet, dass Hitler den bis dahin wohl größten Überraschungscoup seiner bisherigen Laufbahn landen würde. Da die deutschen Generäle darauf bestanden hatten, dass noch vor einem Einmarsch in Polen die Neutralität der Sowjetunion zu sichern sei, entschloss sich Hitler zur bis dahin erstaunlichsten politischen Kehrtwendung des 20. Jahrhunderts.[19] Er schob alles beiseite, was er zuvor über seinen Abscheu vor dem Kommunismus hatte verlauten lassen, und schickte seinen neuen Außenminister Joachim von Ribbentrop zu Verhandlungen mit Wjatscheslaw Molotow, seinem neuen sowjetischen Amtskollegen von Stalins Gnaden, nach Moskau. Für Stalin war es notwendig, einen Krieg zwischen Deutschland und den westlichen Ländern zu begünstigen, und für Hitler war es ebenso notwendig, einen militärischen Konflikt an zwei Fronten (wie noch im Ersten Weltkrieg) zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund verloren die Ideologien des Kommunismus wie des Faschismus an relativer Bedeutung, und in den frühen Morgenstunden des 24. August 1939 wurde ein umfassender deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt unterzeichnet. «All the isms have become wasms» (etwa: «Alle diese Ismen haben sich jetzt überlebt»), witzelte ein britischer Regierungsvertreter.

Bis zu diesem Zeitpunkt war Hitlers Umgang mit dem österreichischen Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, dem tschechischen Staatspräsidenten Emil Hácha und der britischen und französischen Regierung von Großsprecherei, Einschüchterung und ständiger Steigerung des Drucks gekennzeichnet gewesen, worauf die Betroffenen mit einer Mischung aus Leichtgläubigkeit, nachgiebiger Beschwichtigung («Appeasement») und matter Resignation reagiert hatten. Mit seinen lebenslangen Feinden, den Bolschewisten, verkehrte Hitler jetzt höflich und respektvoll, doch selbstverständlich nicht weniger doppelzüngig. Sie würden später an die Reihe kommen.

Kaum war der von Molotow und Ribbentrop ausgehandelte Pakt mit Stalin unterzeichnet, schritt Hitler zur Tat. Bereits eine Woche später, am Abend des 31. August 1939, brachte die Gestapo einen namentlich nicht bekannten Häftling aus einem Konzentrationslager zum Radiosender Gleiwitz nahe dieser oberschlesischen Grenzstadt. Dort wurde der Gefangene in eine polnische Uniform gesteckt und erschossen. Dazu wurde eine rasch ersonnene Propagandageschichte von einem angeblichen polnischen Angriff auf deutsches Staatsgebiet verbreitet, was Hitler nach seiner eigenen Version das Recht gab, zur «Selbstverteidigung» und ohne vorherige Kriegserklärung in Polen einzumarschieren. Das «Unternehmen Himmler», wie dieser lächerlich leicht zu durchschauende Scheinangriff intern bezeichnet wurde, führte so zum allerersten Todesopfer des Zweiten Weltkriegs. Bedenkt man an dieser Stelle, auf welch fürchterliche Art und Weise fünfzig Millionen Menschen in den nächsten sechs Jahren zu Tode kommen sollten, so gehörte der arglose Gefangene noch zu den Opfern mit einem weniger schlimmen Schicksal.

Das 1931 vom Stapel gelaufene Panzerschiff Deutschland erhielt 1940 den neuen Namen Lützow, weil Hitler eine allgemein demoralisierende Wirkung befürchtete, falls ein Schiff mit dem Namen des Landes versenkt würde. (Aus dem gleichen Grund ließ Hitler auch nie zu, dass ein Schiff seinen eigenen Namen erhielt, trotz zahlreicher Vorschläge dieser Art von Seiten unterwürfiger Admiräle.) Die Lützow war beim Überfall auf Norwegen im Einsatz, kämpfte 1942 gegen alliierte Geleitzüge, wurde durch Luftangriffe 1945 schwer beschädigt und im Mai 1945 schließlich auf Grund gesetzt, wie auch der Nationalsozialismus selbst. Wäre der Zweite Weltkrieg anders ausgegangen, wenn Hitler sich an die Abmachungen des Pakts gehalten hätte, den er mit Blomberg im April 1934 an Bord dieses Schiffes geschlossen hat? Darin war vorgesehen gewesen, dass die von Berufs wegen mit solchen Fragen befassten Strategen der Reichswehr über Zeitpunkt, Ablauf und Tempo des bevorstehenden Krieges entscheiden sollten, während der Diktator selbst sich mit der Stärkung der Kampfmoral und Aufforderungen zur Selbstaufopferung begnügen wollte. Hätte der an Bord der Deutschland geschlossene Pakt dafür sorgen können, dass «Deutschland über alles» ging? Das ist eine der Fragen, die dieses Buch beantworten will.

Erster Teil

ANGRIFF

«Vom großen Moltke ist überliefert, dass er auf ein Lob für seine Kriegführung im Deutsch-Französischen Krieg und die Bemerkung eines Bewunderers, er werde künftig auf eine Stufe mit großen Feldherren wie Napoleon, Friedrich II. oder Turenne gestellt werden, antwortete: ‹Nein, denn ich habe niemals einen Rückzug befehligt.›»

Friedrich Wilhelm von Mellenthin, Panzer Battles (1955) [1]

1

Vier Invasionen

September 1939–April 1940

«Wenn wir diesen Krieg verlieren, dann möge uns der Himmel gnädig sein.»

Hermann Göring im Gespräch mit Hitlers Dolmetscher Paul Schmidt, 3. September 1939.[2]

Die internationale Lage und Hitlers monatelanges Säbelrasseln im Umgang mit Polen brachten es mit sich, dass der Überfall auf dieses Land nicht mehr als Überraschungsangriff geführt werden konnte, doch der Diktator hegte die berechtigte Hoffnung, dass die neuartige deutsche Blitzkrieg-Taktik den Polen einen taktischen Schock versetzen würde. Diese Taktik beruhte auf einem sehr engen, über Funkverbindungen gehaltenen Kontakt zwischen äußerst beweglichen Panzerkolonnen, motorisierter Artillerie, Bombern und Kampfflugzeugen der Luftwaffe und auf Lastwagen vorrückender Infanterie – so trieb sie jeden Gegner vor sich her.

Hitlers Abneigung gegen einen statischen Abnutzungskrieg war eine natürliche Reaktion auf seine Dienstzeit im 16. Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment von 1914 bis 1918.[3] Zu seinen Aufgaben als Meldegänger im Ersten Weltkrieg gehörte es, auf eine Pause im Artilleriefeuer zu warten und dann in gebückter Haltung zwischen Schützengräben und Granattrichtern hin- und herzurennen, um Meldungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Diesen Dienst versah er tapfer und umsichtig, tötete vermutlich niemals einen Gegner mit eigener Hand und lehnte Beförderungen immer ab, weil er sonst mit einer Versetzung rechnen musste, die ihn von seinen Kameraden trennen würde. Der Regimentsadjutant Fritz Wiedemann schrieb später: «Er hatte keine Familie und, wenn man so will, auch keine Heimat. Für den Gefreiten Hitler war das Regiment List Heimat.»[4] Er erhielt sogar zwei Tapferkeitsorden, das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse.

Hitler hatte vier Jahre Stellungs- und Abnutzungskrieg überlebt, und bei Kriegsende hatte der inzwischen Neunundzwanzigjährige begriffen, dass die taktische Überraschung ein unschätzbarer Vorteil in der Kriegführung war. In seinem Buch Mein Kampf schrieb er später: «Auch der Dreißigjährige wird im Laufe seines Lebens noch vieles zu lernen haben, allein es wird dies nur eine Ergänzung und Ausfüllung des Rahmens sein, den die grundsätzlich angenommene Weltanschauung ihm vorlegt.»[5] In seiner gesamten politischen Laufbahn als Revolutionär setzte er immer wieder auf den Überraschungseffekt, und das zumeist mit großem Erfolg. Der Putschversuch vom November 1923 überraschte selbst den nominellen Anführer, den General Erich von Ludendorff, und Ernst Röhm war vor der «Nacht der langen Messer» im Juni 1934 völlig arglos gewesen. Doch die Polen rechneten mit einem plötzlichen Angriff Hitlers, denn genau eine Woche zuvor war eine deutsche Kommandoeinheit, die nicht über die Verschiebung der ursprünglich für den frühen Morgen des 26. August vorgesehenen Invasion informiert worden war, versehentlich auf polnisches Gebiet vorgedrungen.

Der deutsche Plan für den «Fall Weiß», den Einmarsch in Polen, sah unter anderem vor, dass kleine deutsche Kampfgruppen in «Räuberzivil» im Schutz der Nacht die Grenze überqueren und am Invasionstag noch vor Tagesanbruch strategisch wichtige Punkte besetzen sollten. Die Spezialeinheit des Amtes Ausland/Abwehr der Wehrmacht, die solche Operationen ausführen sollte, trug die Tarnbezeichnung «Baulehrkompanie z. b. V. [zur besonderen Verwendung] 800». Eine vierundzwanzig Mann zählende Gruppe unter dem Befehl des Leutnants Hans-Albrecht Herzner sollte den Angriff der 7. Infanterie-Division vorbereiten. Der Auftrag lautete, nach dem heimlichen Grenzübertritt den polnischen Grenzbahnhof Mosty einzunehmen und die Zerstörung des Eisenbahntunnels am Jablunka-Pass zu verhindern, damit die durch diesen Karpaten-Ausläufer führende einspurige Bahnstrecke, die kürzeste Verbindung zwischen Warschau und Wien, intakt blieb.[6] Herzners Gruppe ging am 26. August um 0.30 Uhr über die bewaldete Grenze, verlor die Orientierung und wurde in der Dunkelheit auseinandergerissen. Dem Anführer Herzner gelang dennoch um 3.30 Uhr in der Nacht mit dreizehn Mann die Einnahme des Bahnhofs von Mosty, wo die Invasoren die Telefon- und Telegrafenverbindung unterbrachen, aber feststellen mussten, dass die polnischen Verteidiger die Sprengladungen bereits aus dem Tunnel entfernt hatten. Die polnischen Tunnelwachen griffen Herzners Einheit an und verwundeten einen seiner Männer. Ohne Funkkontakt zur Abwehr konnte Herzner nicht wissen, dass Hitler am Vorabend, nur wenige Stunden vor dem Beginn des Mosty-Unternehmens, den «Fall Weiß» um eine Woche aufgeschoben hatte und alle Kommandoeinheiten noch rechtzeitig informiert worden waren, mit dieser einen Ausnahme. Die Abwehr drang erst um 9.35 Uhr zu Herzner durch und befahl dem Leutnant, dessen Gruppe im Feuergefecht bis dahin einen weiteren Verwundeten zu beklagen und einen polnischen Verteidiger getötet hatte, alle Gefangenen freizulassen und sofort zum Stützpunkt zurückzukehren.

Nach einer weiteren Serie von Zwischenfällen ging Herzners Gruppe um 13.30 Uhr über die slowakische Grenze zurück. Die deutsche Regierung erklärte das ganze Geschehen gegenüber der polnischen Staatsführung als einen Fehler, der durch eine unklare Grenzziehung in diesem Waldgebiet ausgelöst worden sei. Da diese Operation keinen offiziellen militärischen Charakter hatte und obendrein noch in Friedenszeiten ablief, machte Leutnant Herzner, ganz der ordentliche Deutsche, für den Nachteinsatz Sonderausgaben in Höhe von 55 Reichsmark und 86 Pfennig geltend.[7] Ebenso deutsch mutet die Haltung seiner vorgesetzten Behörde an, die ihm zunächst für eine formell in Friedenszeiten erbrachte militärische Leistung nicht das Eiserne Kreuz II. Klasse (EK II) verleihen wollte. (Herzner bekam den Orden dann doch noch, aber das nutzte ihm letztlich wenig: Bei einem Unfall mit einem Militärfahrzeug brach er sich 1942 einen Rückenwirbel; er ertrank bei seiner Schwimmtherapie.)

Hitler hatte am 28. April 1939 den im Januar 1934 geschlossenen deutsch-polnischen Nichtangriffspakt einseitig aufgekündigt – das war ein für seine Verhältnisse ebenso merkwürdiger wie ungewöhnlicher Akt des Legalismus. Aus polnischer Sicht war das ein an Deutlichkeit kaum zu überbietender Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende deutsche Invasion. Mit der deutschen Blitzkrieg-Taktik waren die Polen dennoch kaum vertraut, denn die war bis dahin die Domäne eines kleinen Kreises von deutschen und britischen Taktik-Theoretikern. Die Polen konnten zwar sehr genau einschätzen, wo der Angriff erfolgen würde, wussten auch in etwa, wann er kommen würde, entscheidend war jedoch, dass sie nicht wissen konnten, wie er ausgeführt werden würde. In Polen entschied man sich deshalb dafür, die eigene Hauptstreitmacht nahe der deutschen Grenze zu platzieren. Die mit dem Münchener Abkommen im vergangenen Herbst verbundene Krise, die Besetzung des noch verbliebenen tschechischen Staatsgebiets durch Deutschland im März 1939 und die Sezession der Slowakei als von Deutschland abhängiger «Schutzstaat» hatten zur Folge, dass die gemeinsame Grenze Polens mit dem Deutschen Reich sich von gut 2000 auf über 2800 Kilometer verlängert hatte, und das war sehr viel mehr, als die polnischen Streitkräfte angemessen verteidigen konnten. Ihr Oberbefehlshaber, Marschall Eduard ŚmigłyRydz, musste sich deshalb entscheiden, ob er den größten Teil seiner Truppen hinter der von den großen Flüssen Weichsel, San und Narew gebildeten natürlichen Verteidigungslinie bereithalten oder aber versuchen sollte, Polens industrielles Kernland und die ertragreichsten landwirtschaftlichen Gebiete im Westen des Landes zu schützen. Śmigły-Rydz entschied sich dafür, seine Streitkräfte jeden Quadratmeter des polnischen Staatsgebiets verteidigen zu lassen, was sie in eine gefährlich exponierte Lage brachte. Er versuchte, seine Soldaten auf die gesamte Front aufzuteilen, die sich von Litauen bis zu den Karpaten erstreckte, und hielt sogar eine Eliteeinheit für einen Einmarsch in Ostpreußen bereit, so dass ein Drittel der polnischen Streitmacht in der Provinz Posen und im Polnischen Korridor gebunden war. Die Aufstellung war kühn, wie so oft in der Geschichte des armen, geschundenen Polen, sonst hätte Śmigły-Rydz so bedeutende Städte wie Krakau (Kraków), Posen (Poznań), Bromberg (Bydgoszcz) und Łódź, die allesamt westlich der drei genannten Flüsse lagen, einfach preisgeben müssen. Dennoch kann man der Einschätzung des späteren Generalmajors Friedrich Wilhelm von Mellenthin, damals noch 3. Generalstabsoffizier des III. Armeekorps, nur zustimmen. Seiner Ansicht nach fehlte den polnischen Plänen «jeder Sinn für die Wirklichkeit».[8]

Hitler gab am Donnerstag, dem 31. August 1939, um 17.30 Uhr den Angriffsbefehl für den folgenden Morgen, und diesmal sollte es keine Verschiebung mehr geben. Also folgten die deutschen Streitkräfte am 1. September um 4.45 Uhr dem Angriffsplan für den «Fall Weiß», den das Oberkommando des Heeres (OKH) im Juni des Jahres aufgestellt hatte. Das OKH bestand aus dem Oberbefehlshaber des Feldheeres, dem Generalstab des Heeres, dem Heerespersonalamt und dem Befehlshaber des Ersatzheeres. In allen Fragen der Gesamtstrategie war das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) dem OKH übergeordnet. Kurz nachdem Hitler im Februar 1938 selbst den Oberbefehl über die deutschen Streitkräfte übernommen hatte, richtete er das Oberkommando der Wehrmacht ein, das unter seinem Chef Wilhelm Keitel als dem Führer unmittelbar unterstellter militärischer Stab fungieren sollte. Blomberg war mit seinen Bemühungen um ein vereinigtes Oberkommando noch bei Marine und Heer auf heftigen Widerstand gestoßen, doch Hitler ließ sich nicht aufhalten. Als im August 1939 die Generalmobilmachung angeordnet wurde, bestand das Oberkommando der Wehrmacht aus dem Büro des Stabschefs (Keitel), der Amtsgruppe Allgemeines Wehrmachtsamt, dem Wehrmachtführungsstab (unter Jodl), der Hitler über die militärische Lage unterrichtete, der Amtsgruppe Ausland/Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris, dem Wehrwirtschaftsamt und verschiedenen kleineren Abteilungen, die mit militärischen Rechts- und Finanzfragen befasst waren.

Der Plan für den «Fall Weiß» sah vor, dass auf beiden Seiten eines relativ schwachen und statischen Zentrums zwei äußerst schlagkräftige Flügel der Wehrmacht das polnische Staatsgebiet umfassen, die gegnerischen Streitkräfte vernichten und Warschau einnehmen sollten. Die von Generaloberst Fedor von Bock befehligte Heeresgruppe Nord sollte durch den Polnischen Korridor vorrücken, Danzig einnehmen, sich anschließend mit der in Ostpreußen stationierten 3. Armee vereinigen und dann zügig von Norden her auf die polnische Hauptstadt vorrücken. Unterdessen sollte die noch stärkere Heeresgruppe Süd unter dem Kommando von Generaloberst Gerd von Rundstedt die Frontlinie der ihr gegenüberstehenden größeren polnischen Streitmacht durchbrechen, ostwärts in Richtung Lemberg vorstoßen, aber außerdem noch von Westen und Norden her Warschau angreifen. (Am Jablunka-Pass gelang den Polen zumindest die Zerstörung des Eisenbahntunnels, der erst 1948 wiedereröffnet wurde.)

Der Polnische Korridor, der nach dem Willen der Gestalter des Versailler Vertrags von 1919 Ostpreußen vom übrigen deutschen Staatsgebiet abtrennen sollte, war, gemeinsam mit der in ihrer ethnischen Zusammensetzung mehrheitlich deutschen Hafenstadt Danzig, von den Nationalsozialisten schon seit langem als möglicher Kriegsgrund genannt worden. Hitler hatte jedoch bei einer Besprechung mit führenden Militärs am 23. Mai 1939 in der Neuen Reichskanzlei erklärt: «Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung sowie die Lösung des Baltikum-Problems.»[9] Hitler folgte in seinem Handeln allerdings nicht nur praktischen Erwägungen. Hier ging es um einen existenziellen Konflikt, es galt, die Prophezeiungen einzulösen, die er vierzehn Jahre zuvor in seiner politischen Programmschrift Mein Kampf gemacht hatte. Die deutsche «Herrenrasse» würde die Slawen unterwerfen – die nach den nazistischen Vorstellungen von rassischer Hierarchie als «Untermenschen» anzusehen waren – und die von ihnen bewohnten Gebiete zur Ernährung einer neuen, «arischen» Zivilisation nutzen. Es war der erste vollständig politisch-ideologisch motivierte Krieg, den die Welt erlebte, und es ist eine der Grundthesen dieses Buches, dass dies auch der Hauptgrund dafür war, dass die Nazis den Krieg schließlich verloren.

Die Strategie, einen Angriff mit einem schwachen Zentrum und zwei starken Flügeln vorzutragen, war brillant – und angeblich von Feldmarschall Alfred von Schlieffens vielgepriesener, noch vor dem Ersten Weltkrieg verfasster Untersuchung von Hannibals Taktik bei der Schlacht von Cannae abgeleitet. Wer auch immer der eigentliche Urheber dieses Plans war: Er funktionierte gut, die deutschen Armeen durchbrachen mühelos die polnischen Verteidigungslinien und rückten nahezu gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen auf Warschau vor. Unschlagbar wurde dieses Vorgehen jedoch nicht durch die deutsche Überlegenheit bei der Zahl der Soldaten und der Bewaffnung, sondern durch die neue militärische Doktrin des Blitzkriegs. Polen war ein sehr günstiges Erprobungsfeld für die Blitzkrieg-Taktik: Es gab dort zwar Seen, Wälder und schlechte Straßen, aber das Land war eben, und die außerordentlich breite Front und der feste Boden im Spätsommer waren für Panzer ideal.

Die Regierungen von Großbritannien und Frankreich hatten, in Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden deutschen Angriffs, am 31. März 1939 eine Garantieerklärung für Polen abgegeben, bei der der britische Premierminister Neville Chamberlain in einer Rede im Unterhaus dem Land für den Fall eines Angriffs auf sein Territorium offiziell «alle in ihrer Macht stehende Unterstützung» der Alliierten zusicherte.[10] Hitler sah sich deshalb gezwungen, einen großen Teil seiner hundert Divisionen zählenden Wehrmacht zum Schutz des «Westwalls» abzustellen – einer fünf Kilometer tiefen, noch nicht fertiggestellten Kette von Befestigungsanlagen an Deutschlands Westgrenze. Die Furcht vor einem Zweifrontenkrieg setzte dem Diktator so zu, dass er als Rückendeckung für die Invasion in Polen nicht weniger als vierzig Divisionen aufbot. Drei Viertel dieses Aufgebots bestanden jedoch aus weniger kampfstarken Einheiten, deren Munitionszuteilung außerdem nur für drei Tage reichte.[11] Für den Angriff auf Polen bot Hitler dagegen seine besten Soldaten auf sowie alle seine Panzer- und motorisierten Divisionen und fast die gesamte Luftwaffe.

Der Angriffsplan für den «Fall Weiß» entstand beim Oberkommando des Heeres, und Hitler fügte dem fertig ausgearbeiteten Dokument nur noch seine Genehmigung hinzu. In dieser frühen Phase des Krieges herrschte zwischen Hitler und seinen Generälen noch ein erheblicher gegenseitiger Respekt, zumal sich der Diktator bis dahin nicht allzu sehr in die Einteilung der Truppen und die militärische Planung eingemischt hatte. Die beiden Eisernen Kreuze verschafften ihm unter den Generälen außerdem ein gewisses Ansehen. Und Hitlers Selbstvertrauen in militärischen Fragen war einzigartig. Das mag teilweise den unter Infanterie-Veteranen recht verbreiteten Überlegenheitsgefühlen entsprungen sein, denn diese Männer waren der Ansicht, sie hätten im Ersten Weltkrieg die Hauptlast des Kampfgeschehens getragen. Der OKW